FETT, FILZ, BEUYS UND ICH
FETT, FILZ, BEUYS UND ICH
FETT, FILZ, BEUYS UND ICH
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
er selbst sagte. Die grausame Zeit des Hitlerregimes, seine Erlebnisse in der<br />
Hitlerjugend, der Zweite Weltkrieg, seine Einsätze an der Front, die Notlandungen als<br />
Sturzkampfflieger und letztendlich der Absturz. Das Sterben, Leiden und Töten, all<br />
das, was damit in Verbindung ist, so scheint es, berührte ihn kaum, er steckte die<br />
Erfahrungen folgenlos weg. Er verarbeitete die Erlebnisse auf eine sehr eigene Art.<br />
Der Absturz auf der Krim bildet eine Ausnahme. Er ist als ein Schlüsselerlebnis zu<br />
sehen. Seine Arbeiten mit Fett und Filz werden später immer wieder mit diesem<br />
Erlebnis in Zusammenhang gebracht. Ein Text, den er im Mai 1941 während eines<br />
Kurzurlaubes in Weimar schrieb, macht seine distanzierte Haltung zum Krieg<br />
deutlich:<br />
Nordischer Frühling / O Frühling / Deine tausend Kräfte strömen in mich hinein /<br />
wenn ich durch den Wald gehe / wie Baum an Baum hier das frühe Licht empfange /<br />
durch das Filigran der Kronen fällt der rote / Schimmer auf die grünen Blätter. /<br />
Drüben fließt der Bach. Silberhell klingt es / wenn die kleinen Wellen lieblich über<br />
die bunten / Kiesel plätschern. Schon über die hochheraus- / ragenden Steine zieht<br />
sich neunjähriges Moos. / Und gleich neben dem Rinnsal das kräftige / Drängen und<br />
Streben der Pflanzen. Alles / strebt gegen die herrlichen frühen Sonnenfenster / über<br />
mir. Dort kommt es rot und drüben / opalenes Blau. Und jetzt zittert es schimmernd /<br />
im Gras zwischen den Steinen. / Ostara wandelt über allen Schatten. Eine /<br />
ungeheure Spannung wird wachgerufen zwischen / Fauna und Flora. Der Mensch<br />
fühlt, dass / die Pflanzen und Tiere seine Verwandten sind. /Diese unendliche Kraft,<br />
dies dionysische Erbe / und Überquellen schafft der Mensch durch seine / geistige<br />
Schau der Realitäten in der Natur zum / Idealbild und zum also geläuterten<br />
Kunstwerk / Zelle biologische Vererbung. Die Drei pflanzlich / wuchern und<br />
überwuchern ohne Grenzen aus immer neuen Quellen aus einer unüberwindlichen<br />
biologischen / Schöpfungskraft ist das was die Griechen im 6. dionysisch / bezeichnet<br />
haben. Der Mensch kann was er will durch sein / Genie und seinen fanatischen<br />
Willen das dionysische ins / apollinische Apollo mit Dionysos nordische Mythologie. 1<br />
Er schrieb schwärmerisch über die schönen Dinge im Leben, und dabei hatte das<br />
Leben im Krieg für viele Menschen sowenig Schönes zu bieten. Er lässt schlechte<br />
Gefühle gegenüber dem Krieg nicht zu. Vielleicht verdrängt er sie. Aber auch, wenn<br />
1 Joseph Beuys, Heiner Stachelhaus, Seite: 25<br />
12