FETT, FILZ, BEUYS UND ICH
FETT, FILZ, BEUYS UND ICH
FETT, FILZ, BEUYS UND ICH
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Betriebsschule der Waldorf – Zigarettenfabrik. Darauf folgten viele Vorträge,<br />
Seminare, Bücher und Aufsätze von Steiner zu den unterschiedlichsten Themen:<br />
Licht, Wärme, Astronomie, Mathematik, Medizin, Ton- und Heileurythmie,<br />
Ökonomie, Recht, Landwirtschaft und so weiter.<br />
Ich denke, ich kann gewisse Parallelen ziehen. 1923 gründete Steiner die „Freie<br />
Hochschule für Geisteswissenschaft“, deren Programm sicherlich auch in der von<br />
Beuys 1974 in Düsseldorf gegründeten „Freien Internationalen Hochschule für<br />
Kreativität und interdisziplinäre Forschung e.V.“ zu finden ist.<br />
Beschäftigt man sich mit Beuys und seiner Beziehung zu Steiner, kommen noch zwei<br />
andere historisch wichtige Menschen dazu: Goethe und Leonardo. So unterschiedlich<br />
die geistige und künstlerische Haltung, das Wirken und Schaffen von Leonardo,<br />
Goethe und Steiner auch sein mögen, alle drei bilden Schlüsselfiguren im<br />
Kunstverständnis von Joseph Beuys.<br />
Für Beuys stand Leonardo da Vinci im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Der<br />
Künstler der Renaissance, der die Mona Lisa erschaffen hatte, faszinierte Beuys<br />
zutiefst. Er hat sich intensiv mit dem Blick der Mona Lisa beschäftigt. Sie blickt<br />
einem viel wissend, und vielleicht auch überlegen an, egal von welchem Standpunkt<br />
aus man sie betrachtet. Warum lächelt die Mona Lisa einen so viel sagend an? Diese<br />
Frage mag wohl schon viele beschäftigt haben. Und eine hundertprozentige Antwort<br />
gibt es wohl nicht, aber sicherlich eine ganz individuelle.<br />
Vielleicht weiß die Mona Lisa, was Kunst ist? Das ist zumindest die Antwort, die<br />
Beuys dem wissbegierigen jungen Studenten Johannes Stüttgen gibt.<br />
Johannes Stüttgen hat Beuys über viele Jahre begleitet, bis zu seinem Tod. Er war<br />
sein Schüler, sein enger Mitarbeiter, aber auch sein Freund. Das denke ich auf jeden<br />
Fall. Noch über den Tod von Beuys hinaus ist er ihm treu geblieben, denn auch heute<br />
noch steht der Erweiterte Kunstbegriff von Beuys im Zentrum des Schaffens von<br />
Johannes Stüttgen. Mit eine selbstverständlichen Hingabe arbeitet er weiterhin an<br />
Verwirklichungen, für die Beuys schon mit seinem ganzen Selbst eingetreten ist.<br />
In diesen unruhigen fünfziger Jahren war Beuys wohl auf der Suche nach der eigenen<br />
Identität. Er entwickelte sich und war seiner Zeit weit voraus, besonders mit seinen so<br />
filigranen und zerbrechlich wirkenden Bleistiftzeichnungen und auch einigen<br />
Plastiken. In diesem Klärungsprozess, der nach dem Studium bei Matare seinen<br />
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