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FETT, FILZ, BEUYS UND ICH

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In diesen Unruhejahren entwickelte und veränderte sich das Denken von Beuys. Die<br />

Lehre, die auf den Menschen bezogen ist, formte er und begann sich intensiv mit der<br />

Anthroposophie Rudolf Steiners zu beschäftigen. Das Kernstück der<br />

anthroposophischen Weltanschauung ist wohl die „Dreigliederung des sozialen<br />

Organismus“. Die Dreigliederung wird zur Grundlage des Erweiterten Kunstbegriffs<br />

von Beuys.<br />

Beuys hat kurz vor seinem Tode in seiner Duisburger Lehmbruck-Rede von dem<br />

Zufall berichtet, der ihm ein Büchlein in die Hände brachte. Das Büchlein war 1919<br />

von Steiner verfasst worden: „Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt“.<br />

In diesem Aufruf an das deutsche Volk ging es Steiner vor allem darum, die geistigen<br />

Kräfte, die nach dem Ersten Weltkrieg noch verschüttet waren, wieder zu erwecken.<br />

Neben Lehmbruck hatten zusätzlich eine Reihe von bekannten Professoren den<br />

Aufruf unterschrieben, z.B. Hermann Hesse und Wilhelm von Scholz.<br />

Ein kleiner Ausschnitt aus diesem Büchlein:<br />

„Sicher gefügt für unbegrenzte Zeiten glaubte das deutsche Volk seinem vor einem<br />

halben Jahrhundert aufgeführten Reichsbau. Im August 1914 meinte es, die<br />

kriegerische Katastrophe, an deren Beginn es sich gestellt sah, werde diesen Bau als<br />

unbesieglich erweisen. Heute kann es nur auf dessen Trümmer blicken.<br />

Selbstbesinnung muss nach solchem Erlebnis eintreten. Denn dieses Erlebnis hat die<br />

Meinung eines halben Jahrhunderts, hat insbesondere die herrschenden Gedanken der<br />

Kriegsjahre als einen tragisch wirkenden Irrtum erwiesen. Wo liegen die Gründe<br />

dieses verhängnisvollen Irrtums? Diese Frage muss Selbstbesinnung in die Seelen der<br />

Glieder des deutschen Volkes treiben. Ob jetzt die Kraft zu solcher Selbstbesinnung<br />

vorhanden ist, davon hängt die Lebensmöglichkeit des deutschen Volkes ab. Dessen<br />

Zukunft hängt davon ab, ob es sich die Frage in erster Weise zu stellen vermag: wie<br />

bin ich in meinem Irrtum verfallen? Stellt es sich diese Frage heute, dann wird ihm<br />

die Erkenntnis aufleuchten, dass es vor einem halben Jahrhundert ein Reich<br />

gegründet, jedoch unterlassen hat, diesem Reich eine aus dem Wesensinhalt der<br />

deutschen Volkheit entspringende Aufgabe zu stellen.“ 1<br />

Mir dieser Forderung verknüpfte Steiner die Forderung nach der Dreigliederung des<br />

Staatsgebildes in ein kulturelles, politisches und wirtschaftliches System. Mit dieser<br />

Veränderung wollte er das zu erwartende Chaos vermeiden. „Entweder man wird sich<br />

1 Joseph Beuys, Heiner Stachelhaus, Seite: 46<br />

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