Themenschwerpunkt: Oper
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10<br />
ein Aufklärer<br />
zwischen den Stühlen<br />
Louis Spohr und die entwicklung<br />
der deutschen romantischen <strong>Oper</strong><br />
Drei kostümentwürfe für<br />
Spohrs <strong>Oper</strong> „Jessonda“<br />
hier: Oberpriester Dandau<br />
kostümentwurf für Jessonda<br />
und Amazili<br />
kostümentwurf für Tristan<br />
d’Acunha<br />
wirkliche Neuerer werden von der<br />
musikgeschichte meist stiefmütterlich<br />
behandelt. während werke, die<br />
vorhandene entwicklungen zusammenfassen,<br />
gerne gefeiert werden,<br />
geraten jene komponistinnen und<br />
komponisten, die die neuen wege<br />
erstmals beschritten, neues Terrain<br />
erkundeten, nur allzu oft in Vergessenheit.<br />
wer kennt – abgesehen<br />
von musikwissenschaftlerInnen –<br />
heute zum Beispiel noch Jacopo<br />
peri (1561–1631), der 1597 die<br />
erste uns bekannte <strong>Oper</strong> schrieb?<br />
claudio monteverdi (1567–1643),<br />
der die Gattung zu ihrem ersten<br />
höhepunkt führte, ist dagegen<br />
immer noch im allgemeinen Bewusstsein.<br />
Ähnliche Beispiele ließen<br />
sich in der gesamten musikgeschichte<br />
anführen, und auch das<br />
19. Jahrhundert macht da keine<br />
Ausnahme. richard wagner (1813–<br />
1883) gilt uns heute als der große<br />
Neuerer und revolutionär der<br />
<strong>Oper</strong>. Dabei sind fast alle parameter,<br />
die sein sogenanntes musikdrama<br />
ausmachen, schon von anderen<br />
vorgedacht und ausprobiert worden<br />
– unter anderem auch von<br />
Louis Spohr (1784–1859). Dass<br />
seine <strong>Oper</strong> „Faust“ (1813) neben<br />
e.T.A. hoffmanns (1776–1822)<br />
„undine“ (1814) als erste deutsche<br />
romantische <strong>Oper</strong> gilt, ist heute nur<br />
noch wenigen SpezialstInnen bekannt.<br />
Immerhin befindet sich<br />
Spohrs <strong>Oper</strong>nschaffen in jüngs ter<br />
Zeit wieder auf dem Vormarsch.<br />
Louis Spohrs <strong>Oper</strong> „Faust“<br />
Gerade die <strong>Oper</strong> „Faust“ war in den<br />
letzten Jahren wieder öfter – und<br />
mit ansehnlichem erfolg – auf den<br />
<strong>Oper</strong>nbühnen zu sehen und zu<br />
hören. 1999 wurde sie vom Stadttheater<br />
Gießen aufgeführt. Im Jahr<br />
2000 stand sie auf dem programm<br />
des klangbogen Festivals in köln<br />
und wien. Über die kölner Auffüh-<br />
rung schrieb Gerhard wenzel im Online musik magazin: „Dieser<br />
Faust von Louis Spohr war nicht nur ein wichtiger Beitrag für die<br />
entwicklung der deutschen romantischen <strong>Oper</strong>, sondern er ist<br />
– zumindest nach dem eindruck dieser kölner produktion – auch<br />
heute noch ein starkes Stück musiktheater.“ Schade nur, dass es<br />
Jahrzehnte brauchte, bis es zu dieser erkenntnis kam. Im allgemeinen<br />
Bewusstsein hat sich dies indes noch immer nicht durchgesetzt.<br />
Immerhin hält sich der „Faust“ aber seit 2010 auf dem<br />
Spielplan der Landesbühnen Sachsen. Im 19. Jahrhundert hätte<br />
carl wilhelm Gropius, portugiesenlager, Bühnenbildentwurf zu Spohrs <strong>Oper</strong><br />
„Jessonda“, 1824<br />
man niemanden von der Qualität der <strong>Oper</strong>n Louis Spohrs<br />
überzeugen müssen. In den 1830er Jahren galt Spohr vielen als<br />
der größte lebende komponist und seine <strong>Oper</strong>n „Faust“ und<br />
„Jessonda“ waren aus dem repertoire der deutschen <strong>Oper</strong>nhäuser<br />
nicht wegzudenken.<br />
Der „Meilenstein“ in der deutschen <strong>Oper</strong><br />
Auch mit der 1823 uraufgeführten „Jessonda“ hatte Spohr<br />
wieder Neuland beschritten. Sie gilt als meilenstein in der Geschichte<br />
der sogenannten Durchkomposition in der deutschen<br />
<strong>Oper</strong>, einer entwicklung, die letztendlich bei wagner kulminierte.<br />
Dabei ging es darum, der <strong>Oper</strong> zu einer größeren einheit<br />
zu verhelfen, indem man die bis dahin üblicherweise gesprochenen<br />
Dialoge vertonte und die einzelnen Abschnitte der<br />
<strong>Oper</strong>n musikalisch stärker miteinander in Beziehung setzte und<br />
sie miteinander verband. einen großen Schritt vorwärts auf<br />
diesem weg ging Spohr dann mit seiner <strong>Oper</strong> „Der Berggeist“<br />
(1825). hier versuchte Spohr bereits die alte Nummerneinteilung<br />
der <strong>Oper</strong> zu überwinden und organisierte seine musik zu<br />
größeren komplexen, innerhalb derer die musik ohne unterbrechung<br />
durchlief. In der 1830 nach einer Novelle von washington<br />
Irving komponierten <strong>Oper</strong> „Der Alchymist“ nimmt<br />
Spohr sogar wagners berühmten „Tristanakkord“ fast wörtlich<br />
vorweg. Selbst der dramaturgische Zusammenhang der Ton-