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Themen der Ausgabe - Digitale Bibliothek Thüringen

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universitätsbibliothek<br />

Großartiger Fund<br />

Neue Augustinus-Predigten in <strong>der</strong> Erfurter „Bibliotheca Amploniana“ entdeckt<br />

Eher unscheinbar: Das in <strong>der</strong> Universitätsbibliothek<br />

Erfurt gefundene Buch<br />

mit Augustinus-Texten<br />

Nun ist es amtlich: Die von einem Forscherteam<br />

aus Wien in <strong>der</strong> Universität<br />

Erfurt entdeckten Augustinus-Predigten<br />

sind echt.<br />

Sechs bisher unbekannte echte Predigten<br />

des berühmten frühchristlichen<br />

Kirchenlehrers Augustinus<br />

(354-430) wurden kürzlich in <strong>der</strong> Universitäts-<br />

und Forschungsbibliothek in<br />

Erfurt durch drei Forscher <strong>der</strong> Österreichischen<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

in einer mehr als 800 Jahre alten Handschrift<br />

entdeckt.<br />

Isabella Schiller, Dorothea Weber und<br />

Clemens Weidmann gelang es, vier<br />

gänzlich neue und zwei bis jetzt nur<br />

unvollständig bekannte Predigten des<br />

berühmten Kirchenvaters Augustinus<br />

in einer mittelalterlichen Handschrift<br />

<strong>der</strong> „Bibliotheca Amploniana“ zu identifizieren.<br />

Die Pergamenthandschrift<br />

mit <strong>der</strong> Signatur Dep. Erf. CA. 2°<br />

entstand in <strong>der</strong> 2. Hälfte des 2. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

wahrscheinlich in England<br />

und enthält insgesamt über 70 weitere<br />

Predigten verschiedener Theologen <strong>der</strong><br />

Spätantike und des Mittelalters.<br />

Jener Abschnitt <strong>der</strong> Handschrift, <strong>der</strong><br />

die neu entdeckten Texte gemeinsam<br />

mit etwa 20 weiteren, bereits bekannten<br />

echten und unechten Augustinus-Predigten<br />

enthält, dürfte im Kern auf eine<br />

alte Textsammlung zurückgehen, die<br />

in seinem unmittelbaren Umfeld entstand.<br />

„Über Süditalien sind <strong>der</strong>artige<br />

Predigtsammlungen teilweise bereits<br />

vor <strong>der</strong> Jahrtausendwende nach England<br />

gelangt, wo die Texte weiter abgeschrieben<br />

und so überliefert wurden“,<br />

erklärt Isabella Schiller, die die Predigten<br />

– <strong>der</strong>en Texte möglicherweise<br />

auch diesen Weg genommen haben – im<br />

Sommer 2007 in <strong>der</strong> Erfurter Handschrift<br />

fand.<br />

„Der Fund ist etwas ganz Beson<strong>der</strong>es“,<br />

freut sich Brigitte Pfeil, wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin <strong>der</strong> Katholisch-Theologischen<br />

Fakultät <strong>der</strong> Universität Erfurt.<br />

„So etwas passiert vielleicht alle<br />

20 Jahre einmal.“<br />

Das äußerlich ganz unscheinbare Buch<br />

kam wohl bereits im 5. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

in die Sammlung des bibliophilen Mediziners<br />

und Theologen Amplonius<br />

Rating aus Rheinberg ( 363- 435), <strong>der</strong><br />

4 2 seine umfangreiche Handschriftensammlung<br />

von über 600 Bänden an<br />

das von ihm in Erfurt gegründete ‚Collegium<br />

Amplonianum‘ gab. Als weltweit<br />

größte in ihrem Kernbestand noch geschlossen<br />

erhaltene Büchersammlung<br />

eines mittelalterlichen Gelehrten wird<br />

die „Bibliotheca Amploniana“ heute in<br />

<strong>der</strong> Universitätsbibliothek Erfurt aufbewahrt<br />

und in Zusammenarbeit mit<br />

<strong>der</strong> Katholisch-Theologischen Fakultät<br />

wissenschaftlich betreut.<br />

Die bisher unbekannten Predigten des<br />

Augustinus behandeln ganz unterschiedliche<br />

<strong>Themen</strong>. In drei von ihnen<br />

geht es um die tätige Nächstenliebe in<br />

Form von Almosen. Augustinus untersucht<br />

darin u. a. das Verhältnis zwischen<br />

materieller Unterstützung, die<br />

die Gemeinde ihrem Bischof gewährt,<br />

und <strong>der</strong> von ihm zu leistenden geistlichen<br />

Gegengabe in Form pastoraler Betreuung.<br />

„Drei <strong>der</strong> Titel – nicht aber die<br />

vollständigen Texte – dieser Predigten<br />

kennen wir aus dem sogenannten ‚Indiculum‘.<br />

Das ist ein Werkverzeichnis,<br />

das Possidius, Freund und Schüler des<br />

großen Kirchenvaters, an seine Augustinus-Biographie<br />

anhängte, die nur wenige<br />

Jahre nach dessen Tod entstand“,<br />

weiß Dorothea Weber, die maßgeblich<br />

an <strong>der</strong> Identifizierung <strong>der</strong> Texte beteiligt<br />

war.<br />

Zwei weitere <strong>der</strong> jetzt entdeckten Predigten<br />

wurden anlässlich von Märtyrerfesten<br />

gehalten. Eine dieser Predigten<br />

auf Perpetua und Felicitas lag in<br />

<strong>der</strong> Spätantike noch in vollem Umfang<br />

vor. Sie war vor Beginn des Mittelalters<br />

jedoch bereits durch eine stark gekürzte<br />

Version verdrängt worden. „Durch diesen<br />

einzigartigen Fund ist <strong>der</strong> Predigttext<br />

nunmehr wie<strong>der</strong> vollständig bekannt“,<br />

freut sich Clemens Weidmann,<br />

<strong>der</strong> ebenfalls über Monate intensiv an<br />

<strong>der</strong> ersten wissenschaftlichen Erschließung<br />

<strong>der</strong> Texte gearbeitet hat.<br />

Eine weitere, bisher gleichfalls nur lückenhaft<br />

überlieferten Märtyrerpredigt<br />

auf Cyprian, den 258 hingerichteten<br />

Märtyrerbischof von Karthago,<br />

geißelt die Unsitte, Märtyrerfeste mit<br />

ausgiebigen Trinkgelagen zu begehen.<br />

Die neu entdeckten Predigten werden<br />

in <strong>der</strong> renommierten österreichischen<br />

Fachzeitschrift ‚Wiener Studien. Zeitschrift<br />

für Klassische Philologie und<br />

Patristik und lateinische Tradition‘<br />

veröffentlicht.<br />

Campus@service<br />

www.uni-erfurt.de/amploniana<br />

Forscherteam aus Wien: Dorothea<br />

Weber, Isabella Schiller und Clemens<br />

Weidmann (v.l.n.r.) identifizierten die<br />

unbekannten Augustinus-Predigten.<br />

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