18 Nationen – eine Sprache
18 Nationen – eine Sprache
18 Nationen – eine Sprache
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6 7<br />
Mario Venzago<br />
Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters<br />
Musik ist <strong>eine</strong> fl üchtige Kunst. Kaum erklungen,<br />
ist sie verhallt und nur noch Erinnerung – kürzer<br />
als ein Gespräch, schneller als <strong>eine</strong> Berührung.<br />
Wie oft wünsche ich mir, <strong>eine</strong>n Klang aufbewahren<br />
zu können.<br />
Und so müssen wir uns stets von neuem dem<br />
Musikmachen und dem Zuhören stellen, uns immer<br />
wieder berühren lassen und die Sehnsucht<br />
aushalten, die die Musik in uns auslöst. Es ist<br />
uns Beruf und Leidenschaft. Unser Medium sind<br />
die Kompositionen in ihrer vielfältigsten Gestalt.<br />
Davon legt Ihnen dieses Programm beredtes<br />
Zeugnis ab.<br />
Klassische Musik hat auch etwas mit tradierten<br />
und feierlichen Riten zu tun. Wie können wir<br />
heute Feierliches formulieren? Noch vor wenigen<br />
Jahren dehnten die alten Dirigenten die Musik<br />
zu solchem Zwecke: je feierlicher, desto<br />
langsamer. Seither dauert der Parsifal über<br />
fünf Stunden und kann zur Qual werden. Mit unseren<br />
Bruckner-, Brahms- und Schumann-Interpretationen<br />
möchten wir Ihnen <strong>eine</strong> Alternative<br />
anbieten. Begeisterung – kommt von ‹Geist›! –<br />
und Diff erenzierung sollen das Pathos der Langsamkeit<br />
ersetzen. «Sagen Sie es uns, wenn es Ihnen<br />
nicht gefällt!», bat ich Sie unlängst in <strong>eine</strong>m<br />
Interview und fordere Sie erneut dazu auf!<br />
Braucht Feierliches auch <strong>eine</strong>n feierlichen Rahmen?<br />
Festliche Kleidung zum Beispiel? Wir spielen<br />
gerne im Frack. Er ist <strong>eine</strong> Art Uniform für<br />
<strong>eine</strong>n Dienst, der uns erfüllt. Sie als Publikum<br />
hingegen sind frei. Alles ist erlaubt, was Ihnen<br />
das geistige Fliegen erleichtert. Ein farbiger Konzertsaal,<br />
wo glitzernde Abendroben von Jeans<br />
und T-Shirts synkopiert werden, macht mich froh.<br />
Freude macht mir auch unser diesjähriges Programm<br />
– m<strong>eine</strong> erste volle Saison in Bern. Einiges<br />
setzten wir auf’s Programm, damit das Orchester<br />
und ich uns noch besser kennen lernen.<br />
Schweizerisches und Modernes haben wir in<br />
Anbetracht der schwierigen politischen Lage<br />
(vorderhand) ein wenig ausgespart. Wir warten<br />
auf die ausstehende Konsolidierung der strukturellen<br />
Verhältnisse und die damit zu erwartende<br />
planerische und fi nanzielle Sicherheit.<br />
Besonders freue ich mich darüber, dass an <strong>eine</strong>m<br />
Konzertabend unser Orchester ohne Solisten<br />
im Fokus steht – mit Beethovens Fünfter<br />
und Nielsens «Unauslöschlicher». «Schon wieder<br />
die Fünfte», werden einige von Ihnen anmerken.<br />
Ja, schon wieder! Die wichtigsten Werke des<br />
Repertoires müssen wir ständig in den Fingern<br />
haben, sonst gehen sie uns verloren. Und: Neues<br />
misst sich am Urgestein unserer Meisterwerke.<br />
Wieder haben wir die Ehre, <strong>eine</strong>n einstigen Pionier<br />
und nun Doyen der Mahler-Interpretation bei<br />
uns empfangen zu dürfen: Eliahu Inbal. Solisten<br />
vom Feinsten – wie Maria João Pires und Lars<br />
Vogt – sitzen an unserer reichen Tafel. Dies ist<br />
zwar nicht der Ort sie alle einzeln aufzuzählen,<br />
aber der richtige Moment, sie von Herzen bei<br />
uns willkommen zu heissen.<br />
Begrüssen möchte ich nun aber unsere wichtigsten<br />
Gäste überhaupt: Sie, unser Publikum! Sie<br />
ALLE, Klein und Gross, Alt und Jung, treten Sie<br />
ein! Fühlen Sie sich wohl bei uns! Ich wünsche<br />
mir nichts mehr, als dass Sie ohne UNS genau<br />
so wenig glücklich werden können wie wir<br />
ohne SIE.<br />
Vorhang auf!<br />
Die Musik beginnt!<br />
Ihr<br />
Mario Venzago<br />
Chefdirigent Berner Symphonieorchester