ebook - Cecilien-Gymnasium

290295300zu dieser Demo, da läuft ja was. Da wollten wir ein Plakat dafür malen. Dageh ich in den Keller der Schauspielschule und seh drei einsame Hanseln, dieda stehen und an ihrem Plakat rummalen. Und dann sind wir halt zu drittdahin. Unser Philosophiedozent noch mit. Und da standen wir dann ... ichweiß echt nicht mehr, welches Gebäude das war ... wir standen jedenfalls vordiesem Haus und haben gerufen: ‚Egon Krenz! Egon Krenz!’ Was wir von demwollten, weiß ich heute auch nicht mehr. Ein Studienkollege sagte dann, oh,jetzt müssen wir aber sehen, dass wir uns vom Acker machen, weil es immernoch gefährlich ist. Ich sagte, was willst du denn? Die Mauer ist offen, wo istdas denn noch gefährlich? Die haben mehr Angst gehabt, als was anderes,meine Kommilitonen.Julia: Kannten Sie jemals jemanden, der Fluchtgedanken gehegt hat,oder so?305310315Frau Rauca: Oh, da hatte ich interessante Begegnungen! Mitte der 80er, imGrunde schon ab ’82, war ich stark in kirchlichen Kreisen engagiert. Da gab’snatürlich viele Ausreisewillige. Ich kannte etliche. Am Theater auch. AberFlucht ist noch mal was anderes. Das war ja nicht offiziell. Ich kannte zumBeispiel einen, als ich bei Dresden gearbeitet habe. Das habe ich mitgekriegt,weil die Kleine, die Freundin von ihm, heulend auf ihrem Bett saß. Ich fragtesie: „was ist denn mit dir?“ Sie sagte: „ja, aber du darfst es niemandem sagen,aber der Steffen, der ... der sitzt in Plauen.“ Plauen hatte ja einen politischenKnast. Ich: „Aha! Der sitzt im Bau. Aber wieso denn?“ „Ja, du darfst esniemand sagen, den haben sie geschnappt.“ „Wo haben sie denn dengeschnappt?“ Der wollte in Plauen heimlich über die Grenze. [Frau Raucagreift sich an die Stirn].Plauen war dafür bekannt, dass die Grenzübergänge sehr „fluchtsicher“waren. Da war es abzusehen, dass man geschnappt wird. Also wenn ichüberlegt hätte, irgendwo über die Grenze zu gehen, hätte ich nicht ...320Juliana: Haben Sie nicht überlegt?