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11 Somatische Sensibilität.vp

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Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilität<strong>11</strong>.1 Reizstärke und EmpfindungAufgaben Überprüfung der WEBERschen Regel mit dem Kraftsinn:Bestimmung der Unterschiedsschwellen für Gewichtskräfte. Überprüfung der STEVENSschen Potenzfunktion für das Gehör:Beurteilung der Empfindungsintensität eines Reizes (Lautstärkeeines 1000 Hz-Tones) durch Intensitätsvergleich mit der Handkraft.Lernziele Allgemeines Prinzip eines Sinneskanals | Objektive und subjektiveSinnesphysiologie | Empfindung | Wahrnehmung | Adäquater undinadäquater Reiz | Reizschwelle | Sensorpotential | Unterschiedsschwelle| Psychophysikalische Gesetzmäßigkeiten | Reiztransduktion |Transformationsvorgang | Primäre und sekundäre SinneszelleUm sich in der Umwelt zurechtzufinden, auf Veränderungen der Umgebungsbedingungenschnell und adäquat reagieren zu können sowie den eigenen Körperund das innere Milieu überwachen und steuern zu können, besitzen Lebewesenein Sensorium, das aus einer Vielzahl von Sinneskanälen besteht. SpezielleSinneszellen, die entweder in den Sinnesorganen organisiert sind oder aber überKörperoberfläche oder Körperinneres verstreut sein können, fungieren alsMessfühler für die physikalischen und chemischen Zustandsgrößen, die für denjeweiligen Organismus relevant sind. Sie sind gewissermaßen die Pforte zu denSinneskanälen.Neben den „klassischen“ fünf Sinnen, dem Gehör-, Gesichts-, Geschmacks-,Geruchs- und Tastsinn, gibt es eine Vielzahl weiterer Sinnesleistungen, wie z.B.Blutuntersuchung


4 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilitätals Lösung:Rc log[3]R0wobei die Empfindungsstärke und R 0 die Schwellenreizstärke ausdrücken.Der Gültigkeitsbereich dieser Beziehung ist eingeschränkt und muss in jedemEinzelfall neu abgegrenzt werden.Die logarithmische Funktion [3] drückt aus, dass man im Bereich niedrigerReizstärken eine hohe Empfindlichkeit für Intensitätsänderungen besitzt, unterstarker Reizung es aber großer Intensitätsänderungen bedarf, um sie wahrnehmenzu können.VersuchsgangAm Beispiel des Kraftsinns soll die Gültigkeit der WEBERschen Regel überprüftwerden. Der Kraftsinn befähigt uns, äußere Kräfte und dabei insbesondereGewichtskräfte unterschiedlicher Größe voneinander zu unterscheiden. EineReihe von Sensoren tragen zu dieser Fähigkeit bei: Drucksensoren in der Haut,Kraftsensoren in den Sehnen und Drucksensoren in den Gelenken. Dank zentralnervöserVerrechnung der entsprechenden sensorischen Informationen, wobeidas Prinzip der Kontrastverstärkung eine zentrale Rolle spielt, erzielen Personendurch Übung ein Gewichtsunterscheidungsvermögen von etwa 3%.Diese Untersuchungen, wie alle weiteren sinnesphysiologischen Tests, dürfennur an Probanden mit geschlossenen Augen durchgeführt werden. Der VPwird gleichzeitig auf die ausgestreckten Finger beider Handflächen – Händenicht auflegen, Arme angewinkelt – je eine Schale mit dem Grundgewicht R gelegt.Die VP muss nun „spontan“ (nicht zu lange überlegen!) entscheiden, obeine Seitendifferenz der Gewichte besteht. Die Schalen werden wiederum entfernt.In der Schale der rechten Hand (bei Linkshändern wählt man die linke aus)wird nun das Gewicht R um das Zusatzgewicht R erhöht. Nach vorsichtigemAufsetzen der Schalen muss die VP erneut einen Gewichtsvergleich vornehmen.Durch Variation des Zusatzgewichtes ist das kleinste gerade noch wahrnehmbareDifferenzgewicht R, d.h. die Unterscheidungsschwelle, zu ermitteln.Nun wird der Test mit neuen Grundgewichten wiederholt. Als Grundgewichtewählen Sie50 | 100 | 150 | 200 | 250 | 300 [g].<strong>11</strong>.1 Reizstärke und Empfindung 5Die ermittelten Unterscheidungsschwellen R werden als Funktion des GrundgewichtsR in die vorbereitete Tabelle eingegeben und das resultierende Diagrammausgedruckt. Welche Kurvenform muss sich ergeben, wenn Gl. [1] gilt?<strong>11</strong>.1.2 Überprüfung der STEVENSschen PotenzfunktionDie eingeschränkte Gültigkeit der WEBERschen Regel hat STEVENS auf den Plangerufen, eine andere Methode zur quantitativen Abschätzung der Empfindungsstärkezu suchen. Versuchspersonen sollen für die einzelnen Sinnesmodalitätenabschätzen, ob sie einen zu beurteilenden Reiz als einfach, doppelt oder allgemeinx-fach so stark wie einen Vergleichsreiz empfinden, z. B. einen Ton als doppelt,dreifach, vierfach etc. so laut wie einen Vergleichston. Seine umfangreichenVersuchsreihen konnte er in der empirischen Potenzfunktion zusammenfassen:k( RR0 )a[4]welche die Empfindungsstärke in Beziehung zur überschwelligen ReizintensitätR–R 0 setzt (R 0 ist die absolute Reizschwelle, k eine Konstante). Zur grafischenÜberprüfung dieser Beziehung trägt man sinnvollerweise die ermittelte Empfindungsstärkeals Funktion der überschwelligen Reizstärke in einem doppellogarithmischenDiagramm auf. Denn bei Gültigkeit von Gl. [4] muß für diesen Auftragungsmoduseine Gerade mit der Steigung a resultieren:log alog ( RR0 ) logk[5]Eine elegante Ersatzmethode zur Überprüfung der Potenzfunktion, die auf denersten Blick ein wenig sonderbar anmutet, besteht in einem intermodalen Intensitätsvergleich.Anstatt die jeweilige Empfindungsstärke als Vielfaches einer Bezugreizstärkeauszudrücken, soll die VP versuchen, ihre Empfindung durch Drückeneines Handkraftaufnehmers mitzuteilen, d.h. die momentane Lautstärkeoder Schmerzintensität wird durch die Höhe der Handkraft beschrieben. Sozeigt sich in Abb. <strong>11</strong>-1, dass den einzelnen Sinnesmodalitäten sehr unterschiedlicheEmpfindlichkeiten zuzuschreiben sind, was sich in verschiedenen Steigungena ausdrückt. Während es großer Intensitätszuwächse für den Gesichtssinnbedarf, um eine Helligkeitssteigerung zu empfinden, gilt für den Schmerzsinnmit a > 1, dass bereits geringfügig stärkere Schmerzreize zu überproportionalerSchmerzempfindung führen.


6 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilität<strong>11</strong>.2 Tastsinn & Geschmackssinn 7<strong>11</strong>.2 Tastsinn & GeschmackssinnAbb. <strong>11</strong>-1 STEVENSsche Potenzfunktionen bei doppellogarithmischer Auftragung. Zugrundegelegtsind Bewertungen von Empfindungsstärken für verschiedeneSinnesmodalitäten mittels der Handkraft (intermodaler Vergleich). Die Relationenfür die einzelnen Modalitäten besitzen unterschiedliche Steigungen a,die dem Exponenten in der Potenzfunktion entsprechen.VersuchsgangMit Hilfe von Lautstärkeschätzungen eines 1000 Hz-Tones soll die STEVENSschePotenzfunktion auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Über Kopfhörer wirdden Probanden mittels eines Audiometers ein Ton von 1000 Hz angeboten, dessenLautstärke in 10dB-Schritten variiert werden kann. [dB] ist eine Verhältniszahl,die die momentane Schallintensität ins Verhältnis zu einer Bezugsschallintensitätsetzt und sich eines logarithmischen Maßstabs bedient.Die Schallintensitäten sollen nun mit dem Verfahren des intermodalen Intensitätsvergleichsbeurteilt werden: Bei diesem Verfahren soll versucht werden, dieLautstärke im Vergleich mit der Empfindungsstärke einer anderen Modalität abzuschätzen.Am überzeugendsten gelingt dieses Unterfangen mit dem Kraftsinn.Die VP wird aufgefordert, die empfundenen Lautstärken durch ihre Handkraft,die sie durch abgestuftes Drücken des Handkraftaufnehmers entwickelt,auszudrücken. Dabei muß die VP zunächst erst ein „Gefühl“ für ihre minimale(leiser Ton) und maximale Kraft (sehr lauter Ton von 100 dB) durch wiederholtenVergleich entwickeln. Für jeden Probanden werden die Kraftmesswerte, dieaus der CHART-Registrierung abzulesen sind, in die vorbereitete Tabelle eingegeben,in der aus den Einzelmesswerten eine mittlere Beziehung zwischenSchallintensität und Handkraft errechnet wird.Aufgaben Abschätzung der Tastpunktdichte an Handfläche und Rücken mit Hilfepunktförmiger Berührungsreize. Bestimmung des räumlichen taktilen Auflösungsvermögens mit einerZweipunktreizung in verschiedenen Hautregionen. Bestimmung der Geschmacksschwellen. Lokalisation der bevorzugten Geschmackswahrnehmung für die Qualitätensüß, sauer, salzig und bitter auf der Zunge. Abschätzung der Adaptationsgeschwindigkeit des Geschmackssinns.Lernziele Tastsinn | Kraftsinn | Vibrationssinn | Tastpunkte | Mechanosensoren |Adaptationsverhalten | Rezeptives Feld | Räumliches Auflösungsvermögen| Zweipunktschwelle | Geschmackssinn | Geschmackspapille |Geschmacksknospe | Geschmackssinneszelle | Geschmacksrezeptor| Geschmacksqualität | Geschmacksstoffe<strong>11</strong>.2.1 TastsinnMit der Haut als Sinnesorgan vermag man Eigenschaften von Gegenständen zuerkunden, die nicht durch Hören oder Sehen vermittelt werden können: erinnertseien an Eigenschaften wie Gewicht, Temperatur, Härte, Rauhigkeit, Feuchtigkeit,Klebrigkeit oder Elastizität. Diese sensiblen Fähigkeiten sind nicht flächigüber die Hautoberfläche verteilt, sondern an diskrete Sinnespunkte gebunden.Die Hautsinne, obwohl „gemischt“ über die gesamte Körperoberfläche verteilt,sind nicht einer Modalität zuzuordnen. Korrekterweise unterteilt man sie in dieSinnesmodalität Tast-, Temperatur- und Schmerzsinn. Mechanische, thermischeoder chemische Reize vermögen über jeweils reizartspezifische „Sinnespunkte“die Empfindung Berührung, Kälte, Wärme oder Schmerz auszulösen.Je nach Art der mechanischen Reizung kann eine Berührung, sofern sie nichtschädigend und somit schmerzauslösend ist, sehr verschieden empfunden werden:Kitzel, Vibration, Druck oder Spannung sind die taktilen Qualitäten des


8 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilität<strong>11</strong>.2 Tastsinn & Geschmackssinn 9Tastsinns. In den verschiedenen Schichten der Haut lassen sich zahlreiche morphologischund funktionell voneinander abgrenzbare Sensoren nachweisen, dieaufgrund übereinstimmender Funktionsmerkmale in drei große Gruppen sogenannterMechanosensoren eingeteilt werden:– Intensitätssensoren reagieren auf gleichbleibenden Druck- oder Dehnungsreizmit anhaltender Erregung im Sinne langsam adaptierender Mechanosensoren.– Geschwindigkeitssensoren als schnell adaptierende Mechanosensoren werdennur durch Änderungen eines Hautreizes erregt; gleichbleibende Druckreizebleiben hingegen unbeantwortet. Bestreichen der Haut und langsame Vibration(< 200 Hz) sind besonders wirksame Reize.– Beschleunigungssensoren sprechen physikalisch nur auf Beschleunigungen derHaut an und können dadurch Vibrationen in einem Frequenzbereich zwischen60 und 600 Hz detektieren.Die taktilen Fähigkeiten der Haut sind je nach Körperregion sehr verschieden.Zum einen spielt die Dichte der Tastpunkte und ihre kortikale Repräsentationeine zentrale Rolle. Zum anderen ist die Position der Sensoren innerhalb derHaut und die mechanische Übertragungsfunktion der Haut für die äußeren mechanischenReize ausschlaggebend. Es sei nur an die extreme Berührungssensibilitätder Kornea erinnert, die einem knapp unter der Oberfläche liegenden Geflechtfreier sensibler Nervenfasern zu verdanken ist.Die taktilen sensorischen Fähigkeiten der Haut werden mit Hilfe von punktförmigenmechanischen Hautreizen geprüft. Um die Dichte der Tastpunkte zubestimmen, bedient man sich feiner Tasthaare, die mit definiertem Druck Punktfür Punkt auf abgegrenzte Hautareale aufgesetzt werden. Notiert wird dann, obeine Berührung empfunden wird oder nicht. Die Anzahl „gefühlter“ Berührungen,bezogen auf das untersuchte Hautareal, ergibt im statistischen Mittel dieTastpunktdichte. An der Hand beträgt sie etwa 20 Tastpunkte pro cm², am Rückenhingegen liegt sie unter 1 Tastpunkt pro cm².Eng mit der Tastpunktdichte ist das räumliche taktile Auflösungsvermögenverknüpft, das einfach abgeschätzt werden kann, wenn man auf der Hautoberflächeeiner VP unterschiedlich große Ziffern, die sie mit geschlossenen Augenentziffern sollte, mit einem spitzen Gegenstand leicht nachfährt. Eine exakteBewertung des räumlichen Auflösungsvermögens stützt sich auf die Zweipunktschwelle.Sie ist als der kleinste Abstand zweier gleichzeitig angebotener mechanischerPunktreize definiert, die gerade noch als räumlich getrennt wahrgenom-men werden. Die Werte liegen je nach Körperregion zwischen 1 und 70 mm. DieZungenspitze besitzt die höchste räumliche Diskriminationsfähigkeit – sie vermitteltsogar den Eindruck einer deutlichen Vergrößerung aller im Mund befindlichenStrukturen, was natürlich ihre praktische Bedeutung beim Kauen, Sprechenoder für die Kontrolle der Zähne unterstreicht.Auch in der neurologischen Diagnostik von Sensibilitätsstörungen, z.B. beiAnästhesie oder Hypästhesie eines Hautbezirks (= keine oder verminderte Empfindungauf Berührung), wird die Hautsensibilität mit entsprechenden Methodenuntersucht. Erhöhte Schwellen weisen i.a. auf Erkrankungen peripherer Nerven(z.B. bei diabetischer Polyneuropathie) hin.VersuchsgangAbschätzung der Tastpunktdichte auf Handfläche und RückenDie Untersuchung wird mit einem punktförmigen Berührungsreiz unter gleichbleibendemDruck durchgeführt. Hierfür eignet sich ein Tasthaar, das vorsichtigauf unterschiedliche Stellen der Haut stets mit gleicher geringer Durchbiegung,um einen konstanten Berührungsdruck zu garantieren, aufgesetzt wird. DieTastpunkte werden innerhalb eines definierten Rasters aufgesucht, das in Formeiner Stempelmatrix aus 6 3 Quadraten der Kantenlänge von 5 mm auf die zuuntersuchenden Hautareale gestempelt wird (möglichst behaarte Hautareale ausschließen!Warum?)Innerhalb eines jeden der 18 Quadrate werden an 5 zufälligen Stellen Tastreizeappliziert und die Anzahl der Berührungsempfindungen notiert. Aus der mittleren„Trefferquote“ pro cm² lässt sich die Tastpunktdichte abschätzen.Bestimmung der simultanen Raumschwelle (Zweipunktschwelle)Mit Hilfe eines umgebauten Messschiebers mit zwei feinen, gleichlangen „Fühlerfortsätzen“wird der minimale Abstand bestimmt, unter dem zwei räumlichgetrennte Berührungsreize gerade als getrennt wahrgenommen werden. DieMessfühler müssen stets gleichzeitig und mit minimalem Druck auf die jeweiligenHautareale aufgesetzt werden. Ihr Abstand wird nun in kleinen Schritten solange reduziert, bis für die VP mit geschlossenen Augen die beiden Reizpunktesubjektiv zu einer punktförmigen Berührung verschmelzen.Die Raumschwelle ist für folgende Körperoberflächen zu bestimmen:Rücken | Unterarminnenseite | Fingerbeere | Stirn | Lippe.


10 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilität<strong>11</strong>.2.2 GeschmackssinnHauptaufgabe des Geschmackssinns ist es, die aufgenommene Nahrung hinsichtlichihrer Genießbarkeit zu überwachen und in gewissem Sinn auch auf ihrechemische Zusammensetzung hin zu überprüfen. Nur wasserlösliche Stoffeoder Verbindungen können eine Geschmacksempfindung auslösen, andernfallswerden sie als völlig geschmacklos und allein über Form, Konsistenz oder Temperaturwahrgenommen (z. B. Glas, Porzellan).Dem Geschmackssinn ordnet man üblicherweise folgende 5 Qualitäten zu:süß, sauer, salzig, bitter, umami.Für die Überwachung der Nahrungsaufnahme sind diese 5 Qualitäten vonbiologischer Relevanz: Ausreichender Nährstoffgehalt (Kohlenhydrate, Eiweiß süßschmeckend) und Mineralbestandteile (NaCl salzigschmeckend) müssengesichert sein, oder vor unreifen und damit häufig ungenießbaren Früchten (sauer)und giftigen Speisen (meistens bitterschmeckend) muss gewarnt werden.Das komplexe Empfindungsmuster beim Trinken oder Kauen von Nahrungsmittelnwird überwiegend über den Geruchssinn durch freigesetzte Aromastoffevermittelt, was jeder schon selbst bei einer durch Schnupfen hervorgerufenenAnosmie (= Ausfall der Geruchswahrnehmung) erfahren hat, wenn sich der Geschmackdes Essens allein auf die 5 Geschmacksqualitäten beschränkt.Die für die Reizaufnahme verantwortlichen Geschmacksrezeptoren – in diesemFall ist der Begriff Rezeptor korrekt, da es sich chemisch gesehen um Proteinehandelt – sind in die Membran der Mikrovilli eingelagert, die als feine dendritischeFortsätze den apikalen Abschluss der Geschmackssinneszellen bilden.Etwa 10–50 Geschmackssinneszellen bilden mit Stützzellen zusammen diesog. Geschmackspapillen und -knospen, die als die eigentlichen Organe des Geschmackssinnsauf der ganzen Zunge verteilt oder in der Schleimhaut von weichemGaumen und Pharynx anzutreffen sind.Prinzipiell reagiert jede Geschmackssinneszelle auf mehrere Geschmacksqualitätenmit unterschiedlicher Empfindlichkeit. Daher lässt sich jeder Zelle einindividuelles Reaktionsspektrum mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Erregungsmaximum,das für die 5 Qualitäten spezifisch ist, zuordnen. Vereinfachendspricht man von einem zellspezifischen Geschmacksprofil. Für jedeGeschmackszelle existiert eine Rangordnung der Empfindlichkeiten bzgl. derGeschmacksqualitäten, d.h. Zellen mit „süßer Prägung“ besitzen die niedrigsteReizschwelle für die Qualität süß und zunehmend höhere Schwellen für sauer,salzig, bitter, hingegen weisen andere Zellen die höchste Sensitivität z.B. für<strong>11</strong>.2 Tastsinn & Geschmackssinn <strong>11</strong>bitter, für sauer oder für salzig auf. Die zugehörigen afferenten Geschmacksneurone,überwiegend im N. glossopharyngeus (IX. Hirnnerv) und N. facialis(VII. Hirnnerv) verlaufend, übertragen somit ein ganz individuelles Informationsprofil.Dieses wird nach Umschaltung im Nucleus solitarius und Thalamuszentralnervös (im gustatorischen Cortex des Gyrus postcentralis sowie im LimbischenSystem und Hypothalamus) im Kontext aller Erregungen einer Geschmacksinterpretationund -bewertung unterzogen.Qualität Geschmacksstoff Schwellenkonzentration[mmol/l]süßsauerSaccharoseGlukoseSaccharinSalzsäureZitronensäure10800.020.92.3salzig NaCl und verwandte Salze 10bitterChininsulfatStrychninKoffein0.010.00<strong>11</strong>Tab. <strong>11</strong>-1 Konzentrationsschwellen für die 4 GeschmacksqualitätenAufgrund der Tatsache, dass jede Geschmackssinneszelle in charakteristischerWeise auf mehrere Geschmacksqualitäten anspricht, ist es strenggenommennicht gerechtfertigt, von einer Topographie des Geschmackssinns auf der Zungezu sprechen. Denn es bestehen nur geringe prozentuale Unterschiede in derEmpfindlichkeit verschiedener Zungenareale für die einzelnen Qualitäten. Trotzdemist eine gewisse bevorzugte Geschmackswahrnehmung für die 4 Qualitätentopographisch auf der Zungenoberfläche abgrenzbar.Bestimmt man die Reizschwellen des Geschmackssinns mit steigenden Konzentrationenvon typischen Geschmacksstoffen (s. Tab. <strong>11</strong>-1), so tritt zunächstbeim Überschreiten der sogenannten Empfindungsschwelle eine unspezifische Geschmacksempfindungauf. Hingegen kann erst beim Überschreiten der Erkennungsschwelledie Qualität eindeutig erkannt werden, wobei die wahrgenommeneQualität zunächst sogar umschlagen kann: salzige Lösungen schmecken


12 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilitätzuerst süßlich, um dann bei höheren Konzentrationen als definitiv salzig wahrgenommenzu werden.Bei der Bestimmung der Reizschwellen für die einzelnen Sinnesmodalitäten,ist das Adaptationsverhalten unbedingt zu berücksichtigen. Denn die Adaptationdrückt sich nicht nur in einer abnehmenden Empfindung bei konstant anhaltenderReizung aus, sondern auch in einer steigenden Reizschwelle bei wiederholterReizung nach kurzen Pausen. Der Geschmackssinn adaptiert rascher undvollständiger als z.B. der Geruchssinn, und es bedarf einer mehrminütigen Erholungsphase,bis sich die Ausgangsempfindlichkeit wiederum einstellt.Geschmacksstörungen, sog. Ageusien (= verminderte Geschmacksempfindlichkeit)bzw. Dysgeusie (= veränderte, unangenehme Geschmackswahrnehmung),können vielfältige Ursachen haben:Während genetisch bedingte Geschmacksstörungen eher selten sind, könnenUnfälle, Tumoren oder Operationen im HNO-Bereich Ageusien hervorrufen.Eine wichtige Voraussetzung für die Funktion des Geschmackssinns ist die Bildungausreichenden Speichels, der zur Lösung der Geschmacksstoffe und zu ihremAn- und Abtransport dient. Daher kann Mundtrockenheit (= Xerostomie)die Geschmacksempfindung eventuell schwerwiegend einschränken.<strong>11</strong>.2 Tastsinn & Geschmackssinn 13Mit folgenden Lösungen soll eine grobe Topographie der bevorzugten Wahrnehmungfür die jeweiligen Qualitäten auf der Zunge gefunden werden:Saccharose 50 [mmol/l]NaCl 200 [mmol/l]Chininsulfat 0.1 [mmol/l]Zitronensäure <strong>11</strong>0 [mmol/l]Dazu werden Wattestäbchen in die einzelnen Testlösungen getaucht und systematischan Zungenspitze, -rand, -mitte und -grund die induzierte Geschmacksempfindungermittelt und diese in ein vorbereitetes Zungenschema mit unterschiedlichenSymbolen eingetragen. Vor jedem neuen Lösungswechsel muss dieVP ihren Mund gründlich mit Wasser ausspülen. Natürlich darf die VP über dieverabreichte Testlösung vorab nicht informiert werden.VersuchsgangBestimmung der Geschmacksschwelle für NaClMan beginnt die Untersuchung mit einer niedrigen, unterschwelligen NaCl-Konzentration von 7 mmol/l und steigert die Konzentrationen auf 9, 10, 15, 20bis 50 mmol/l. Die VP nimmt einen Schluck (= 5 ml) von der entsprechendenNaCl-Lösung, behält sie für ca. 5 s im Mund, spuckt sie danach aus und teilt dieentsprechende Geschmacksempfindung mit. Vor allem sollte die VP den Unterschiedzwischen Empfindungs- und Erkennungsschwelle und die Verschiebung derGeschmacksempfindung hin zu süß im Bereich niedriger Salzkonzentrationennachvollziehen können.Abschätzung der Adaptationsgeschwindigkeit des Geschmackssinns fürdie Qualtität »salzig«Eine VP nimmt einen Schluck einer Kochsalzlösung mit einer Konzentrationvon 50 mmol/l. Es wird der Zeitpunkt ermittelt, ab dem auf Grund vollständigerAdaptation die salzige Empfindung komplett verschwindet.Lokalisation der bevorzugten Geschmackswahrnehmung für die Qualitäten süß, sauer, salzigund bitter auf der Zunge


14 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilität<strong>11</strong>.3 Thermorezeption & SchmerzsinnAufgaben Bestimmung der Schwellen für Kalt- und Warmempfindung als Funktionder Ausgangstemperatur. Demonstration des WEBERschen Drei-Schalen-Versuchs. Messung der Toleranzschwelle für Kälteschmerz (Eiswasser) ohneund mit Schmerzablenkung. Bestimmung der Schmerzschwelle für normale und gereizte Haut mitHilfe eines Druck-Algesimeters.Lernziele Temperatursinn: Kalt- und Warmsensoren | Hauttemperatur | Indifferenzzone| Thermoregulation | Kälte- und HitzeparadoxonSchmerzsinn: Noxen | Nociception | Entzündungsreaktionen | Schmerzmediatoren| Projizierter und übertragener Schmerz | Schmerzeinteilung| Pathogenese des Schmerzes | Chronischer Schmerz | Phantomschmerz| Algesimetrie | Vegetative schmerzauslösende Reflexe |Schmerzbewältigungsstrategien<strong>11</strong>.3.1 ThermorezeptionDer Temperatursinn der Haut umfasst die beiden Qualitäten Kälte und Wärme.Mit Hilfe annähernd punktförmiger Thermoden, die als kleinflächige KälteoderWärmequellen konzipiert sind, kann eine diskontinuierliche, punktförmigeVerteilung der Thermosensibilität in der Haut analog zu den Tastpunkten beobachtetwerden: Man findet diskrete Kalt- und Warmpunkte unterschiedlicherDichte. So weisen die Handinnenflächen beispielsweise 1–5 Kaltpunkte pro cm²auf, im Gegensatz zu etwa 0.5 Warmpunkte pro cm² des Rückens. Besonders hoheDichten finden sich im Bereich der Akren, Lippen oder Schleimhäute. Einerseitsdienen die Temperatursensoren der bewussten Wahrnehmung von Temperaturveränderungenin der Haut und damit letztlich in der unmittelbaren Umgebung.Dabei fällt dem Temperatursinn die wichtige Aufgabe zu, das Verhalten des Individuumsauf unphysiologische Wärme- oder Kältebelastung einzustellen. Anderer-<strong>11</strong>.3 Thermorezeption & Schmerzsinn 15seits sind beim Warmblüter die Thermoregulationsvorgänge zur Konstanthaltungder Körperkerntemperatur auf ständige Temperaturüberwachung angewiesen.Der Temperatursinn unterliegt wie die Mehrzahl der übrigen Sinnesmodalitäteneiner ausgeprägten Adaptation. Vollständige Adaptation stellt sich für eineHauttemperatur zwischen 31 und 36°C ein, so dass man in dieser neutralen oderIndifferenzzone weder von einer anhaltenden Warm- noch Kaltempfindung sprechenkann. Außerhalb dieser Indifferenzzone tritt eine ständige Warm- bzw.Kaltempfindung auf – man kann stundenlang über kalte Füße oder Hände klagen.Jenseits von 45°C schlägt die Temperaturempfindung in dauerhaft schmerzendeHitzeempfindung (Wärmeschmerz), unterhalb 17°C in Kälteschmerz um.Neben dieser eher statischen Beschreibung des Temperatursinns, interessiertvor allem die dynamische Temperaturempfindung auf Temperaturveränderungenunterschiedlicher Geschwindigkeit (Abb. <strong>11</strong>-2). Um das dynamische Verhaltender subjektiven Temperaturempfindung zu untersuchen, werden für Versuchspersonen,die von verschiedenen Temperaturniveaus aus einer positiven bzw. negativenTemperaturänderung mit vorgegebener Änderungsgeschwindigkeit unterzogenwerden, die Temperaturschwellen für Warm- bzw Kaltempfindung bestimmt.Bei Ausgangstemperaturen der Haut unterhalb der Indifferenzzone liegtdie Warmschwelle betragsmäßig sehr viel höher über dem Ausgangsniveau alsAbb. <strong>11</strong>-2 Dynamische Temperaturempfindungbei TemperaturveränderungenFür eine konstante Ausgangstemperatur,die in der Abzisse aufgetragenist, wurde die Schwelle fürWarm- und Kaltempfindung gemessenund in der Ordinate abgetragen.Mit den Begriffen dauerkalt,neutral und dauerwarm werden dieTemperaturempfindungen bei konstanterTemperaturbelastung bezeichnet,der neutrale Bereich oftauch als Indifferenzzone. Die beidenweißen Pfeile sollen die Empfindungsänderungenandeuten, dieim Drei-Schalen-Versuch über dieerwärmte (1) und abgekühlte (2)Hand bei gleicher Zieltemperatur vermitteltwerden.


16 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilitätdie entsprechende Kaltschwelle darunter. Im Temperaturbereich oberhalb derIndifferenzzone kehren sich die Verhältnisse um. Setzt man sich hingegen äußerstlangsamen Temperaturänderungen (< 1°C/min) aus, so erhöhen sich die Schwellender Kalt- und Warmempfindung derart massiv, dass man sich beispielsweiseunter langsamer Abkühlung leicht unterkühlen kann, ohne es zu merken.Aufgrund der ausgeprägten Adaptation des Temperatursinns lässt sich dieTemperaturempfindung leicht irreführen. Mit dem „Drei-Schalen-Experiment“nach WEBER kann die sehr unterschiedliche Temperaturempfindung unter einerbestimmten Zieltemperatur sehr eindrucksvoll demonstriert werden: Je nachdem,ob zunächst eine kalte oder warme Ausgangstemperatur eingestellt wordenwar, wird die physikalisch fest vorgegebene Zieltemperatur in Abhängigkeit derAusgangstemperatur völlig unterschiedlich beurteilt.VersuchsgangBestimmung der Kalt- und Warmschwellen als Funktion der AusgangstemperaturEiner VP wird eine Thermode mit vorgegebener Ausgangstemperatur auf dieHandfläche aufgesetzt. Nach einer kurzen Anpassungsphase von ca. 1 min wirddie Temperatur um einen bestimmten Betrag erhöht bzw. gesenkt, wobei dieÄnderungsgeschwindigkeit wenigstens den Wert von 6°C/min überschreitensollte. Die aktuelle Hauttemperatur ist abzulesen, wenn die VP erstmals eindeutigeine Erwärmung bzw. Abkühlung empfindet. Diese Schwellenmessung ist fürverschiedene Ausgangstemperaturen zu wiederholen. Die gewonnenen Messwertpaaresind in die vorgegebene Tabelle einzugeben.Drei-Schalen-Versuch nach WEBERDa die Empfindung einer bestimmten Temperatur auf der zentralnervösen Verrechnungder Aktivitäten sowohl der Kalt- als auch der Warmsensoren beruht,empfinden wir eine Zieltemperatur je nach Ausgangstemperatur der Haut sehrunterschiedlich. Diese Besonderheit der Thermorezeption lässt sich eindrucksvollmit folgendem Test demonstrieren:Drei Schalen werden mit 15, 30 und 40°C-warmem Wasser gefüllt. Für 3 minwird eine Hand in das 15°-warme, die andere in das 40°-warme Bad getaucht.Danach sind beide Hände in das 30°-warme Bad zu stecken. Wie verhält sich dieTemperaturempfindung in beiden Händen?<strong>11</strong>.3 Thermorezeption & Schmerzsinn 17<strong>11</strong>.3.2 SchmerzsinnSchmerz ist eine unangenehme, stark affektbetonte Sinnesempfindung, die alsbiologisches Warnsystem vor der Einwirkung gewebeschädigender Reize (= Noxen)wirkungsvoll und nachhaltig warnen soll. Daher ist ein intakter Schmerzsinnwichtige Voraussetzung für die Unversehrtheit des Organismus. Sieht man vonder Pathogenese chronischer Schmerzen ab, wird eine Schmerzempfindung üblicherweisedurch die Aktivierung von Nociceptoren (= freie Nervenendigungenschmerzleitender Afferenzen) aufgrund schädigender oder potentiell zerstörenderReize ausgelöst.Die Zahl der aktiven Nociceptoren und ihre Empfindlichkeit werden durchEntzündungsmediatoren im Sinne einer Schmerzsensibilisierung erhöht. BeiEntzündungen liegt daher auch meist eine Hyperalgesie vor. Aktivierte Nociceptorenvermitteln nicht nur eine Schmerzempfindung, sondern fördern in ihremperipheren Einzugsgebiet heilungsfördernde Prozesse durch Freisetzung vonGewebsfaktoren bzw. -mediatoren. So können an einer durch Wärme gereiztenHautoberfläche (z. B. bei Sonnenbrand) bereits geringe, normalerweise kaumwahrnehmbare Berührungsreize schmerzhaft sein.Schmerzen zu beurteilen ist ein recht schwieriges Unterfangen. Abgesehenvon Reaktionen des vegetativen Nervensystems, die unter starker Schmerzreizungbeobachtbar sind – z.B. eine deutliche Aktivierung des Sympathikusoder auch ein vagaler Blutdruckabfall sowie Übelkeit – ist man in der Bewertungvon Schmerzzuständen allein auf die subjektive Beschreibung durch die Betroffenenangewiesen.Zur Quantifizierung der Schmerzempfindung bedient man sich der Methodender subjektiven Algesimetrie und versucht damit, Schmerzschwellen undSchmerzintensitäten mit standardisierten schmerzhaften Reizen zu bestimmen.Die Schmerzschwellen sind bei den Menschen eines bestimmten Kulturkreisesim statistischen Mittel sehr ähnlich. Thermische Schmerzschwellen liegen in derRegel bei einer Hauttemperatur von 42–45°C.Versucht man mit einem sehr spitzen Gegenstand eine Schmerzempfindungauf der Haut auszulösen, gelingt dies nur an bestimmten diskreten Schmerzpunkten,die zahlreich über die Hautoberfläche verteilt und mit dem Tast-,Warm- oder Kaltpunkten nicht identisch sind.Neben der Schmerzdiagnostik und -bewertung liegt eine Hauptaufgabe desArztes in der therapeutischen Vorgehensweise zur Schmerzbekämpfung bzw.-linderung bei Schmerzpatienten. Die ganze Bandbreite medikamentöser und


18 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilitätnicht-medikamentöser Therapiekonzepte darzulegen, würde den Rahmen derPraktikumsanleitung sprengen. Es sollen nur einige wenige Schmerzbewältigungsstrategien,auch als psychologische Schmerztherapieverfahren eingestuft, exemplarischangesprochen werden:– Entspannungsverfahren mit den SonderformenProgressive MuskelentspannungAutogenes TrainingDie nach innen gerichtete Aufmerksamkeit und mentale Entspannungsübungenführen zu Veränderungen vegetativer Reaktionen, zu Gedankenund Gefühlen von Ruhe und körperlichem Wohlergehen und zum Abbauvon Muskelverspannungen, was im Prinzip antagonistisch zum Schmerzerlebenist.– BiofeedbackSpannung in der betroffenen Muskulatur, Temperatur oder Durchblutungswertewerden dem Patienten zurückgemeldet, so dass er quasi in den Therapieprozesseingebunden ist und sein Selbsteffizienzerleben steigern kann.– MeditationÄhnliche körperliche Auswirkungen wie Entspannungstechniken, wobei für klinischenEinsatz nur Zen, Yoga oder transzendentale Meditation geeignet sind.– HypnoseIn manchen Kulturen kann Schmerzwahrnehmung damit total ausgeschaltetwerden.Durch Fremdsuggestion will man folgendes erreichen:Veränderung des sensorischen Befindens; Substitution von Schmerzreizendurch unangenehme nicht schmerzhafte Reize; Verschiebung des Schmerzesan einen Punkt außerhalb des Körpers; Verminderung der Schmerzerinnerung;Reduktion der Schmerzerwartung– Imaginative TechnikenBildhafte und heilende Vorstellungen; Entspannungs- und AblenkungseffekteWirkungsweise: schmerzverdrängende Vorstellungenveränderter emotionaler Zustandveränderte Wahrnehmungreduzierte SchmerzempfindungIn einem Praktikumsversuch soll für das akute Schmerzerlebnis die Effizienz derSchmerzablenkung demonstriert werden.<strong>11</strong>.3 Thermorezeption & Schmerzsinn 19VersuchsgangMessung der Toleranzschwelle für Kälteschmerz (Eiswasser) ohne undmit SchmerzablenkungJeder Praktikumsteilnehmer/in soll zunächst seine/ihre rechte Hand (die linkebei Linkshänder) in ein mit Eiswasser gefülltes Gefäß tauchen. Nun wird dieZeitspanne gemessen, bis der Kälteschmerz die VP zum Herausziehen ihrerHand zwingt. Diese Zeit wird als Maß für die Toleranzschwelle gewertet. DieMessung wird anschließend an der anderen Hand durchgeführt, wobei die VPmit Hilfe eines Computerspiels abgelenkt wird. Mit Hilfe des t-Tests (s. S. 20,Abschn. <strong>11</strong>.3.3) soll die Frage beantwortet werden, ob die Schmerzablenkung zueiner signifikanten Verschiebung der Toleranzschwelle geführt hat.Bestimmung der Schmerzschwelle für normale und gereizte Haut mittelseines mechanischen AlgesimetersDrückt man mit einem spitzen Gegenstand auf die Hautoberfläche, so schlägtdie zunächst bei geringem Druck wahrgenommene Druckempfindung mit steigenderStärke in eine Schmerzempfindung ähnlich eines Nadelstichs, um: dieSchmerzschwelle für diesen Druckreiz ist dann überschritten.Um die Schmerzschwelle für Druckreize zu bestimmen, bedient man sich einesKrafttransducers, der mit einem spitzen Tastfühler auf die Haut aufgesetzt wirdund die Druckkraft in Verbindung mit dem Messbrückenverstärker von Power-Lab registriert. Der Tastfühler wird in einem eng umschriebenen Areal auf die Innenseitedes Unterarms an verschiedenen Punkten vorsichtig aufgesetzt, und dieDruckkraft langsam solange gesteigert, bis die Schmerzschwelle gerade überschrittenwird. Aus der Kraftaufzeichnung unter CHART des PowerLab-Systemskann dann die entsprechende Druckkraft als Schmerzschwellenmaß abgelesenwerden. Die Messung soll nun in dem korrespondierenden Hautareal der Kontralateralseitewiederholt werden, das zuvor durch Auftragen einer hyperämisierendenSalbe (Finalgon ® extra stark) zu einer Rötung und Reizung der Haut geführthat.Wiederum soll mit Hilfe des t-Tests die Frage beantwortet werden, ob sichdie Vorbehandlung in einer signifikanten Verschiebung der Schmerzschwelle auswirkt.Die Schmerz- und Toleranzschwellen sämtlicher Praktikumsteilnehmerwerden abschließend gesammelt und statistisch ausgewertet.


20 Versuch <strong>11</strong>: <strong>Somatische</strong> Sensibilität<strong>11</strong>.3.3 t-TestAnwendungsbeispielFür folgende Vergleichsmessung soll die Aussagekraft des t-Tests demonstriertwerden:– Stichprobe x: 18 Probanden tauchen ihre Hand in Eiswasser. Die Zeit wird gestoppt,wenn die Schmerztoleranzgrenze überschritten wird(Anzahl n x = 18, Messwerte x 1 ... x 18)– Stichprobe y: An denselben 18 Probanden wird erneut die Schmerztoleranzgrenzeunter Schmerzablenkung gemessen (n y = 18, y 1 ... y 18)Für die berechneten Mittelwerte x und y soll sich folgende Relation einstellen:y > x [6]<strong>11</strong>.3 Thermorezeption & Schmerzsinn 21p-WahrscheinlichkeitAls abschliessendes Kriterium kann man aufgrund von Tabellen oder mittelsStatistikprogrammen aus dem t-Wert und den Stichprobenumfängen n x und n yeine Zufallswahrscheinlichkeit p ermitteln.So bedeutet p < 0.05:Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unterschied zwischen Mittelwert x und y aufZufall beruht, ist kleiner als 5 %. Der Unterschied kann in diesem Fall als statistischsignifikant angesehen werden. Unterschiede in den Mittelwerten von Vergleichsmessungenmit grösserem p-Wert werden als nicht signifikant betrachtet.Im Fall unserer eingangs zitierten Anwendung hieße p < 0.05, daß Ablenkungals Strategie der Schmerzbekämpfung die Schmerzempfindung signifikantzu vermindern vermag.t-WertMit dem t-Test muss nun geprüft werden, ob die Mittelwerte der beiden unabhängigenStichproben oder Beobachtungsreihen grundsätzlich oder nur zufälligvoneinander abweichen. Diese statistische Überprüfung würde sich erübrigen,könnte man die Messungen unendlich oft wiederholen. Dann wären nämlichselbst kleine Unterschiede in den Mittelwerten prinzipiell als signifikant, d. h. alsnicht zufällig, einzustufen.Für endliche Stichproben berechnet man zuerst den Mittelwert x (bzw. y)sowiedie zugehörige Standardabweichung s x (bzw. s y ): x inx [7]n2 ( x i – x)ns x [8]nn ( – 1)Aus diesen Größen wird der t-Wert errechnet. Mit steigendem t-Wert wird dieZufallshypothese immer unwahrscheinlicher, d.h. x und y weichen prinzipiellvoneinander ab.

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