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Wie wichtig sind führende Stücke für Kälber und Kitze?

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Forschungsstellemüssen in der Jugendphase viel lernen.Dazu ist die Führung mit Muttertier unerlässlich– unabhängig davon, wie dasEinzelne gelernt wird.Auch wenn unter günstigen Lebensbedingungenoder bei gezielten Gehegeversuchen<strong>Kitze</strong> überleben, wenn sie im beginnendenWinter von der Ricke getrenntwerden, heißt dies noch lange nicht, dasssie der Führung nicht bedürfen. In schwierigenLebensräumen wird dies offensichtlich,wo mutterlose <strong>Kitze</strong> keine Überlebenschancehaben. Die Intensität der Betreuungist jedoch unterschiedlich.Rotwildkälber leiden bei Verlust desAlttieres stärker, da sie vom Rudel ausgestoßenwerden <strong>und</strong> durch diese Isolationpsychisch <strong>und</strong> physisch so belastet <strong>sind</strong>,dass sie mit hoher Sicherheit auch in gutenLebensräumen kümmern oder eingehen.Überlebensstrategien <strong>und</strong> Sozialverhalten<strong>sind</strong> eng miteinander verknüpft.Verhalten von Reh-, Rot- <strong>und</strong> Damwild im VergleichWildart Raumnutzung Mutter-Kind-Reaktion<strong>und</strong> SozialverhaltenRehwildRotwildDamwildflüchten von hell nachdunkel, ver-lassenbeunruhigte Gebietenicht groß-flächig,sondern von Deckungzu Deckungversucht, das beunruhigteGebiet weiträumigzu verlassen,unter bevorzugterAusnutzung vonDeckungsrändern:sehen, aber nichtgesehen werden(„Gardineneffekt“),Fluchtrichtungsumkehranalog Rotwild,stärkere optischeOrientierungselbständigesVerstecken derIndividuen häufig (z. B.Muttertier – Kitz; auchohne Paniksituation)Kälber suchenSchulterschluss zuMuttertieren (keinselbständigesFlüchten/Versteckenohne Paniksituation).Rudelmitgliederflüchten in PulkformationbevorzugterLebensraumWälder mitstarkemUnterholz(Deckung) <strong>und</strong>Lichtungen(Krautschicht)lichte Wälder,Auen, Grassteppen,halboffeneWaldsteppenAnschluss vonJährlingen anandere Wildartenneinneinanalog Rotwild Parklandschaft ja (Hirsche,Rinder, Rehe)Prägung <strong>und</strong> AblegenAls Prägung <strong>sind</strong> Lernprozesse definiert,die durch zwei Kriterien erkennbar<strong>sind</strong>. Eine sensible Phase, also ein früher,eng begrenzter Zeitraum, in dem Lernenmöglich ist, <strong>und</strong> die Dauerhaftigkeit desLernergebnisses, das in vielen Fällen unumkehrbarist. Bei Dam- <strong>und</strong> Rotwild<strong>sind</strong> Prägevorgänge der Kälber auf dasAlttier ausgerichtet, während <strong>Kitze</strong> aufverschiedene Partner geprägt werden können.Säugekumpan ist stets die Ricke, Folgekumpankann das Geschwisterkitzoder der Sozialpartner beim Spielen sein.Dies hat bei Rehen große praktischeBedeutung, wie wir der Handaufzuchtausgemähter Bockkitze wissen: Die mitEinzelaufzucht im Gehege zwangsläufigverb<strong>und</strong>ene Prägung auf Menschen alsSozialpartner ist Ursache für die Gefährlichkeitvon Gehegeböcken für Menschen.KindergartenAll unsere Hirscharten verfügen übereine Ablegephase. Bei Damwild am ausgeprägtesten<strong>und</strong> auch bei Rotwild vorhandenist ein Kindergartensystem – wenigeAlttiere bleiben bei den Kälbern. währenddie übrigen gemeinsam zur Äsungziehen. Dieses Verhalten ist von großerpraktischer Bedeutung für die Jagd:Aus Kahlwildverbänden nur mit erwachsenenTieren im Sommer <strong>und</strong> Herbstdürfen keinesfalls Alttiere erlegt werden.Ein Ammensystem kommt bei Damwildvor, bei Rot- <strong>und</strong> Rehwild dagegennicht, wenn man von Austauschversuchenin der allerersten Lebensphase mit erfolgterUmprägung absieht. Solange Kälber nochsehr jung <strong>sind</strong>, treten Alttiere häufig deutlichfrüher aus <strong>und</strong> sondieren zunächst dasUmfeld. Dies kann durchaus weitaus längerals eine halbe St<strong>und</strong>e dauern.Damit verbieten sich im Sommer Schüsseauf einzelne erwachsene weibliche Stücke.Verleiten bei GefahrBei Störungen oder Beunruhigungenetwa durch Stöberh<strong>und</strong>e während derJagd versuchen Muttertiere, H<strong>und</strong>e vonden Jungtieren wegzulocken. Dies führtjedoch in der Regel nicht zu einer vollständigenTrennung vom Jungtier, wenngleichdies in unübersichtlicher Vegetationuns Menschen so erscheinen mag. BeiFluchten über längere Strecken sucht dasKalb den Kontakt zum Alttier.Eigenständiges Abspringen kommt dagegenbei Rehen vor. In unübersichtlichenLebensräumen hat dies Vorteile beim Abschüttelnder Verfolger.Die Fluchtinitiative geht bei Dam- <strong>und</strong>Rotwild stets vom Alttier aus. BemerkenKälber eine Gefahr, etwa verdeckt sitzendeBeobachter, das zugehörige Alttier jedochnicht, gelingt es den Kälbern nicht,ihr eigenes Alttier oder das Rudel zurFlucht mitzunehmen.Im Unterschied dazu nehmen <strong>Kitze</strong> abNovember/Dezember, wenn sie spontanabspringen, Ricken auch mit oder veranlassendiese zum Abspringen, wenn dieseselbst die Gefahr nicht erkannt haben.Folgen des MutterverlustesZurückbleiben bei Mutterverlust im Januarist bei Rotwild besonders stark ausgeprägt,da dies die völlige auch sozialeIsolation der Kälber bedeutet.Damwild ist im Sozialverhalten offener,dennoch führt unter den Bedingungen derfreien Wildbahn der Verlust von Alttierenzum Zurückbleiben <strong>und</strong> Kümmern. Analogesgilt für Rehe. Die psychische Führungist bei ihnen nicht so nötig wie beiRotwild, die optimale Lebensraumnutzungdurch Mitziehen mit der Ricke jedocheindeutig <strong>wichtig</strong> zur Entwicklungoptimaler Lebensraumbedingungen auchunter Extrembedingungen.Für die Jagdpraxis ist entscheidend, dassdas Erlegen führender Stücke währendder gesamten Jagdzeit zu vermeiden ist,weil Muttertiere zur Entwicklung notwendig<strong>sind</strong> – zum Wenden der Not.Die unterschiedliche stammesgeschichtlichePrägung – das Reh ist durchdie Entwicklung in der Buschrandstufegekennzeichnet, der Rothirsch ein Tierder halboffenen Waldsteppen- <strong>und</strong> derDamhirsch der Parklandschaft – spiegeltsich heute noch im Verhalten wider. DieUnterschiede im Fluchtverhalten zeigensich bereits in Gestalt <strong>und</strong> Bewegung:Rotwild weicht Gefahren frühzeitig aus,während Damwild sich bei ausgezeichneteroptischer Orientierung bemüht, dieGefahr erst sicher zu identifizieren, bevores flüchtet. Das ist eine stammesgeschichtlicheAnpassung, geprägt durchdie Entwicklung in zweischichtigen Waldsystemendes Mittelmeerraums, in denenbei Sonneneinstrahlung die Tupfendeckeüberhaupt nicht auffällt.Damwild ist die sozial offenste Wildart.So kommt es immer wieder vor, dass zurSetzzeit, wenn die Vorjahreskälber abgeschlagenwerden, Spießer das Umfeld erk<strong>und</strong>en,dabei den Anschluss an Damwildgruppenverlieren <strong>und</strong> sich anderen Artenanschließen: Spießer, die sich an Ricken anschließen,um ein Mindestmaß an Führungzu genießen, kommen als <strong>Wie</strong>derkäuer vomRheinisch-Westfälischer Jäger · 7/2010

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