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Politik und Zeitgeschichte im Comic

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Marianne Fix<br />

<strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

mit einer annotierten Bibliographie für Öffentliche Bibliotheken<br />

Gr<strong>und</strong>lage der Untersuchung bilden in Deutschland erschienene <strong>Comic</strong>s, d.h. vor allem amerikanische <strong>und</strong> französische<br />

Produktionen. Zur Darstellung des politischen Aspekts in <strong>Comic</strong>s wird zunächst deren Entstehungsgeschichte<br />

<strong>und</strong> weitere Entwicklung betrachtet. Wirtschaftliche Zwänge der Herausgeber beeinflußten die Inhalte ebenso, wie<br />

zeitgeschichtliche Ereignisse <strong>und</strong> die daraus resultierenden Ideologien. Sachcomics werden aufgr<strong>und</strong> ihrer eigenen<br />

Problematik als Informationsmedien speziell behandelt. Um einen Überblick über das aktuelle Angebot sowie die<br />

Klassiker des Genres zu gewinnen, werden die <strong>Comic</strong>s Themenkreisen von „Nationalsozialismus“ bis „Feminismus“<br />

zugeordnet <strong>und</strong> dabei die verschiedenen Herangehensweisen <strong>und</strong> Motivationen der Autoren untersucht.<br />

Politics and Contemporary History in <strong>Comic</strong> Strips, with an annotated bibliography for Public Libraries<br />

The basis of the investigation is comics published in Germany, particularly U.S. and French productions. To explain<br />

the political element of graphic novels their origin and evolution is considered. Economic pressure on publishers, as<br />

well as contemporary events, influenced the contents and hence the political element. Non-fiction comics will be dealt<br />

with separately because of special problems arising from their function as an information medium. To give an<br />

<strong>im</strong>pression of the range of subject matter, and to enable comic strips to be considered in a political light, they will be<br />

classified <strong>und</strong>er headings Iike „Nazism“ or „Feminism“, to show different methods of approach and different motivations<br />

of authors.<br />

Politique et histoire contemporaine dans les bandes dessinées, avec une bibliographie annotée pour les bibliothèques<br />

publiques<br />

La base de cette recherche repose sur les bandes dessinées publiées en Allemagne, qui sont surtout des productions<br />

américaines et françaises. Pour la démonstration de l’aspect politique dans les bandes dessinées, on regarde d’abord<br />

la genèse et le développement.<br />

Des contraintes économiques des éditeurs influençaient les contenus aussi bien que les évènements contemporains<br />

et les idéologies qui en résultaient. Les bandes dessinées non fiction sont traitées à part en raison de leur<br />

problématique en tant que médias d’information. Pour faire un tour d’horizon de l’offre actuelle et des classiques du<br />

genre, on divise les bandes dessinées en groupes thématiques du ,national-socialisme‘ au ,féminisme‘ et on examine<br />

les différentes approches et les différentes motivations des auteurs.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />

2 Definitionen <strong>und</strong> Begriffe . . . . . . . . . . . 162<br />

3 Eine kleine chronologische Übersicht unter<br />

besonderer Berücksichtigung politischer<br />

<strong>und</strong> zeitgeschichtlicher Aspekte . . . . . . . . 163<br />

4 Sachcomics oder Educational <strong>Comic</strong>s . . . . . 170<br />

5 Themenkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

6 <strong>Comic</strong>s als Ausdrucksmittel politischer<br />

Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />

7 Schlußbetrachtung: <strong>Comic</strong>s in<br />

Öffentlichen Bibliotheken . . . . . . . . . . . 183<br />

Pr<strong>im</strong>ärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

Sek<strong>und</strong>ärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

Annotierte Bibliographie . . . . . . . . . . . . . 185<br />

1 Einleitung<br />

<strong>Comic</strong>s sind, falls sie in Öffentlichen Bibliotheken angeboten<br />

werden, vergleichbar mit den Süßigkeiten an der<br />

Kasse eines Supermarktes.<br />

Man findet sie mittlerweile überall, meist in den Nahbereichen.<br />

Doch das ist noch nicht lange so. In den siebziger<br />

Jahren galten <strong>Comic</strong>s in den Bibliotheken noch als<br />

Jugendliteratur; falls es überhaupt welche gab, verschwanden<br />

sie in den Kinderabteilungen.<br />

Die Kritik an den bunten Heftchen ist bis heute nicht<br />

abgerissen. Zwar sind die Vorwürfe der Schmutz- <strong>und</strong><br />

Sch<strong>und</strong>debatte, <strong>Comic</strong>s würden das Sprach- <strong>und</strong> Denkvermögen<br />

negativ beeinflussen <strong>und</strong> aus Kindern Kr<strong>im</strong>inelle<br />

machen, überw<strong>und</strong>en, doch folgten darauf andere:<br />

Gewaltverherrlichung, Sexismus, Konformismus, Kultur<strong>im</strong>perialismus<br />

1 .<br />

Auch Alfred Clemens Baumgärtner, mit dessen Untersuchung<br />

über Abenteuer-<strong>Comic</strong>s in den sechziger Jahren<br />

doch <strong>im</strong>merhin eine Erneuerung der <strong>Comic</strong>-Kritik einherging<br />

schreibt: „… diesen Ergebnissen unserer Untersuchung<br />

zufolge sehen wir in einem intensiven <strong>Comic</strong>s-<br />

Konsum vor allem eine politische Gefahr.“ 2 Und so ist<br />

es auch verständlich, daß vielen Feuilletonisten auf das<br />

Erscheinen von Art Spiegelmans „MAUS“ nur eine Frage<br />

einfiel: „Ein <strong>Comic</strong> über Auschwitz – darf man das?“<br />

Die Erwartungshaltung geht bei <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong>mer noch in<br />

1 „Zunächst müssen wir feststellen, daß fast allen <strong>Comic</strong>s reaktionäre<br />

oder affirmative Ideologien zugr<strong>und</strong>e liegen“. Zit. nach<br />

Giffhorn: Zur politischen Funktion von <strong>Comic</strong>s. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong><br />

ästhetischen Unterricht. Frankfurt 1974. S. 87.<br />

2 Baumgärtner: Die Welt der <strong>Comic</strong>s. Probleme einer pr<strong>im</strong>itiven<br />

Literaturform. Bochum 1965. S. 103.


162 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Richtung Funny <strong>und</strong> Cartoon. Dabei werden in dem<br />

Medium schon lange aktuelle zeitgeschichtliche Sujets<br />

behandelt. <strong>Politik</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> ist längst selbstverständlich,<br />

ob als Tagespolitik oder als Science Fiction.<br />

Da das Thema der Arbeit sehr breit angelegt ist, können<br />

verschieden Aspekte nur angerissen werden. Das gilt<br />

beispielsweise für <strong>Comic</strong>s als Ausdrucksmittel von politischen<br />

Bewegungen oder den Einsatz von <strong>Comic</strong>s als<br />

Propagandamittel. Das größte Problem bei diesen Themen<br />

ist die Materialbeschaffung, da ein Großteil der<br />

<strong>Comic</strong>s nicht über den Buchhandel vertrieben wird <strong>und</strong><br />

somit nicht in Bibliotheken gelangt. Größere Bestände<br />

sind in kaum einer Bibliothek vorhanden. Die Pflichtabgabe-Exemplare<br />

werden von den Verlagen nicht <strong>im</strong>mer<br />

abgeliefert, <strong>und</strong> sind sie tatsächlich in wissenschaftliche<br />

Bibliotheken gelangt, ist es möglich, daß sie aus „organisatorischen“<br />

Gründen nur teilweise erschlossen sind.<br />

Um das Thema zu begrenzen, habe ich mich fast <strong>im</strong>mer<br />

auf die in deutscher Sprache erschienenen <strong>Comic</strong>s beschränkt.<br />

Das erschien <strong>im</strong> Hinblick auf die Verwendbarkeit<br />

der Arbeit für Bibliotheken sinnvoll. Man sollte jedoch<br />

beachten, daß damit nur der europäische <strong>und</strong> der<br />

amerikanische Markt wahrgenommen wird. Die Produktionen<br />

andere Länder mit großer <strong>Comic</strong>-Tradition wie<br />

Japan, China oder die lateinamerikanischen Staaten<br />

werden damit nicht berücksichtigt.<br />

Auch Zeitungsstrips fallen weg, nur als <strong>Comic</strong>-Books<br />

d.h. in geb<strong>und</strong>ener Form Erschienenes konnte berücksichtigt<br />

werden. Ebenso werden Kinder- <strong>und</strong> Jugendcomics<br />

nur <strong>im</strong> Kapitel „Sachcomics“ speziell behandelt. Im<br />

Unterschied zum Buchmarkt wird der <strong>Comic</strong>-Markt nicht<br />

so stark in Altersgruppen eingeteilt.<br />

2 Definitionen <strong>und</strong> Begriffe<br />

2.1 Was ist ein <strong>Comic</strong>?<br />

„Definierbar ist nur das, was keine Geschichte<br />

hat.“<br />

Nietzsche<br />

2.1.1 Definition – Formale Kriterien<br />

Der Begriff <strong>Comic</strong>s entwickelte sich aus dem englischen<br />

comic strip, also komische Streifen. Die Bezeichnung<br />

bezieht sich einerseits auf den humoristischen Inhalt,<br />

andererseits auf das formale Element der Bildreihung.<br />

Der Begriff blieb erhalten, auch wenn schon bald nichthumoristische<br />

Streifen aufkamen. In der Literatur werden<br />

verschiedene Versuche unternommen, den Begriff<br />

des <strong>Comic</strong>s zu best<strong>im</strong>men.<br />

In der „World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s“ 3 heißt es beispielsweise:<br />

„A narrative form containing text and pictures<br />

arranged in sequential order (usually chronological).“<br />

Nach Dolle-Weinkauf 4 ist das hauptsächliche Gattungsmerkmal<br />

„das enge Zusammenspiel von Schrifttext <strong>und</strong><br />

Bild <strong>und</strong> die Präsentation einer Handlung in einer Folge<br />

von Einzelbildern“. Z<strong>im</strong>mermann 5 definiert vier Merkmale:<br />

„Integration von Wort <strong>und</strong> Bild, wobei das Bild dominiert;<br />

Erzählen einer Geschichte, einer story, in mehreren<br />

Bildern; periodisches Erscheinen; feststehende Figuren.“<br />

Doch schon hier beginnen die Schwierigkeiten;<br />

periodisches Erscheinen war in den Anfängen des <strong>Comic</strong>s<br />

ein zutreffendes Kriterium, heute erscheinen jedoch<br />

viele Autorencomics als Monographien. Wie Nietz-<br />

sche schon sagt, ist die Geschichte bei der Definition<br />

nicht erfaßbar, deshalb muß die geschichtliche Entwicklung<br />

in diesem Zusammenhang speziell dargestellt werden.<br />

Bleibt die Möglichkeit, formbest<strong>im</strong>mende Elemente zu<br />

sammeln, die jedoch nicht durchgängig vorhanden sind.<br />

Bei den verbalen Darstellungsmitteln gibt es:<br />

a) die Sprechblase (balloon) für die direkte Rede,<br />

b) die Gedankenwolke für den inneren Monolog,<br />

c) den Blocktext am Bildrand für kommentierende oder<br />

erzählende Texte <strong>und</strong><br />

d) die Lautmalerei (Onomatopöie), die Geräusche wiedergibt.<br />

Typische visuelle Elemente sind:<br />

a) das Panel, das Einzelbild,<br />

b) die Speedlines (kinetische Linien) <strong>und</strong><br />

c) die Piktogramme (Bildmetaphern), die z.T. auch in<br />

den Sprechblasen erscheinen, z.B. Glühbirne für<br />

plötzliche Erkenntnis.<br />

Hinzu kommt das narrative Element, das die Erzählabsicht<br />

des <strong>Comic</strong>s unterstreicht <strong>und</strong> durch das sich der<br />

<strong>Comic</strong> vom Cartoon bzw. der Karikatur abgrenzt. Entscheidend<br />

für den Übergang von der Karikatur zum<br />

<strong>Comic</strong> war die Bildreihung, das narrative Element. Im<br />

Unterschied zur Karikatur, ebenfalls eine Form des „gezeichneten,<br />

unbewegten, erzählenden Bildes“, führt der<br />

<strong>Comic</strong> in Phasen auf den Höhepunkt des Geschehens<br />

hin, während die Karikatur nur den Höhepunkt schildert. 6<br />

Über diese formbest<strong>im</strong>menden Elemente kann man sich<br />

dem Medium <strong>Comic</strong> jedoch nur annähern. Gerade in<br />

den späten siebziger Jahren entstehen <strong>Comic</strong>s, die<br />

selbst das <strong>im</strong>mer beschworene narrative Element auflösen.<br />

Hier seien besonders die Sachcomics angeführt.<br />

2.1.2 Das Wesen des <strong>Comic</strong><br />

Handelt es sich bei <strong>Comic</strong>s nun um bloße Konsumartikel,<br />

um Trivialliteratur, ein Massenmedium, Esperanto<br />

für Analphabeten oder gar die neunte Kunst? Formale<br />

Kriterien sind nur ein unzureichendes Mittel, um den<br />

Charakter des Mediums <strong>Comic</strong> in seinen inzwischen so<br />

vielfältigen Erscheinungsweisen zu beschreiben.<br />

Die zwei Informationsträger be<strong>im</strong> <strong>Comic</strong> sind das gezeichnete<br />

Bild <strong>und</strong> die Schrift. Historisch gesehen ist<br />

dies eine Verbindung zweier Kulturträger aus einer gemeinsamen<br />

Wurzel. Bilder waren nicht nur <strong>im</strong> Neolithikum<br />

ein Zeichensystem mit eigenen Regeln, die gelesen<br />

wurden. Die Schrift entwickelte sich zwar graphisch aus<br />

den Bildern, doch löste sie sich von deren bedeutungsmäßigen<br />

Inhalt <strong>und</strong> wurde zu einer unabhängigen Technik.<br />

7 Während die Schrift versucht, die Sprache abzubilden,<br />

korrespondieren die Bilder mit der visuellen Gedankenwelt<br />

des Menschen. So entwickelten sich über Jahrtausende<br />

die bildhafte Darstellung <strong>und</strong> die Schrift als<br />

3 Horn (Ed.): The World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s. Vol. 2. New<br />

York 1976. S. 794.<br />

4 Dolle-Weinkauf: <strong>Comic</strong>s. Weinhe<strong>im</strong> 1990. S. 326.<br />

5 Z<strong>im</strong>mermann: Vom Geist der Superhelden. München 1973.<br />

S. 13.<br />

6 Schwarz: Auf dem Weg zu einer <strong>Comic</strong>forschung. In: Fuchs:<br />

<strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen<br />

1977. S. 163-166.<br />

7 Haarmann: Universalgeschichte der Schrift. Frankfurt 1990.<br />

S. 22.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 163<br />

zwei unterschiedliche Kulturträger mit jeweils eigener<br />

Tradition, die sich aber auch gegenseitig <strong>im</strong>mer wieder<br />

beeinflussen. Gerade die politische Rhetorik war zu allen<br />

Zeiten reich an Bildern.<br />

Eine andere Wesenseigenschaft des <strong>Comic</strong>s sind die für<br />

ihn typischen Produktions- <strong>und</strong> Distributionsbedingungen.<br />

Als Nebenprodukt der Zeitungsproduktion verdankt<br />

der <strong>Comic</strong> sein Leben der Dampfpresse, die zur größeren<br />

Verbreitung von Druckerzeugnissen beitrug. Um nun<br />

den Produktionsmöglichkeiten gerecht zu werden, versuchten<br />

die Verleger, sich ein möglichst großes Publikum<br />

zu verschaffen, das durch den hohen Anteil an<br />

Analphabeten beschränkt war. So lag es nahe, Bilder-<br />

Geschichten in Zeitungen zu veröffentlichen. Der klassische<br />

amerikanische Zeitungsstrip wurde von einem<br />

Team produziert, mindestens einem Zeichner <strong>und</strong> einem<br />

Texter, dazu können noch Assistenten, Letterer oder<br />

Koloristen kommen. Die Rechte für diese Serien lagen<br />

dann be<strong>im</strong> Verlag <strong>und</strong> nicht bei den Autoren. So best<strong>im</strong>mten<br />

diese unter Umständen auch die Inhalte. In<br />

jüngster Zeit ist hier allerdings ein Wandel festzustellen.<br />

Immer mehr Autoren haben sich von Großverlagen wie<br />

DC getrennt, wenn sie dort die Rechte an ihren Serien<br />

nicht behalten konnten. Durch diese Produktionsbedingungen<br />

werden <strong>Comic</strong>s zum kommerziellen Medium.<br />

Sie sind dadurch aber auch mit wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />

politischen Zeitströmungen eng verb<strong>und</strong>en. Darin gleichen<br />

sie den Massenmedien.<br />

Bei der Welt des <strong>Comic</strong>s handelt es sich um ein eigenes<br />

ästhetisches System. Tiere können sprechen, Menschen<br />

können fliegen, Traum <strong>und</strong> Wirklichkeit werden<br />

untrennbar verwoben, Orte <strong>und</strong> Zeiten lösen sich aus<br />

ihrem Zusammenhang, die Helden brauchen nicht zu<br />

altern <strong>und</strong> können sich beliebig lange in einer best<strong>im</strong>mten<br />

historischen Situation tummeln. Das führt zu einem<br />

eigenen System von Bedeutungen, also einer Mythologie,<br />

die möglichst frei von inneren <strong>und</strong> äußeren Widersprüchen<br />

sein sollte wie z.B. Entenhausen oder Supermans<br />

Metropolis. Damit steht der <strong>Comic</strong> literarisch in der<br />

Tradition der Sagen, Märchen <strong>und</strong> Fabeln. So ist Gewalt<br />

<strong>im</strong> <strong>Comic</strong> nicht vergleichbar mit Gewalt <strong>im</strong> Film oder gar<br />

realer Gewalt. Eingebettet in den Mythos n<strong>im</strong>mt niemand<br />

an, daß die römischen Legionäre die liebevolle<br />

Behandlung durch die gallischen Krieger nicht überleben<br />

könnten.<br />

Das Erschaffen einer solchen Mythologie ist die große<br />

Kunst am <strong>Comic</strong>. Für die politische Betrachtung folgt<br />

daraus, daß nicht die unmittelbare Abbildung der Realität<br />

für die historische <strong>und</strong> politische Bedeutung relevant<br />

ist. Eine Ausnahme bildet der Sach-<strong>Comic</strong>, der von<br />

seinem Anspruch her dokumentarisch sein will.<br />

2.2 Gibt es den „politischen <strong>Comic</strong>“?<br />

<strong>Comic</strong>s können direkt <strong>und</strong> indirekt politisch sein.<br />

Direkt, wenn sie ein politisches Thema behandeln, also<br />

die -Auseinandersetzung mit der <strong>Politik</strong> suchen. Indirekt<br />

ist praktisch jeder <strong>Comic</strong> politisch, indem er ein best<strong>im</strong>mtes<br />

gesellschaftliches Wertesystem vermittelt, gerade<br />

dann, wenn er sich betont apolitisch gibt.<br />

Zeitungsstrips wie „Doonesbury“ setzen sich, wie die<br />

politische Karikatur, über Jahre hinweg auf direkte Weise<br />

mit Tagespolitik auseinander. Das verlangt eine sehr<br />

schnelle, kurzfristige Produktion, die für <strong>Comic</strong>-Autoren<br />

noch schwieriger ist als für Karikaturisten. Aber auch<br />

umfangreichere Werke wie „MAUS“ beschreiben ein politisches<br />

Thema. Solche <strong>Comic</strong>s könnte man, ebenso<br />

wie den einschlägigen Teil der Sachcomics als „politischen<br />

<strong>Comic</strong>“ bezeichnen.<br />

So ist Gewalt <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> nicht vergleichbar mit Gewalt <strong>im</strong><br />

Film oder gar realer Gewalt.<br />

Superhelden-<strong>Comic</strong>s reflektieren in besonderer Weise<br />

den gesellschaftlichen Wertewandel <strong>und</strong> sind somit indirekter<br />

Ideologieträger. Schon ihr Aufkommen in einer<br />

Zeit wirtschaftlicher Depression bis hin zu ihrer Unterminierung<br />

in den achtziger Jahren, einer Zeit der Autoritätsverluste,<br />

ist eng mit der <strong>Zeitgeschichte</strong> verb<strong>und</strong>en.<br />

Darüber hinaus schlagen sich darin die Allmachtsphantasien<br />

in Form der omnipotenten Superhelden nieder,<br />

was politisch zumindest relevant ist. Sie werden deshalb<br />

<strong>im</strong> Anschluß auch stellvertretend für andere Genres, wie<br />

z.B. Adventure-<strong>Comic</strong>s oder Science Fiction <strong>Comic</strong>s,<br />

eingehender betrachtet.<br />

Der gern zitierte Ausspruch der Unterhaltungsfilmindustrie:<br />

„If you’ve got a message, send it by Western<br />

Union“ hat nicht nur be<strong>im</strong> Film noch nie gest<strong>im</strong>mt.<br />

3 Eine kleine chronologische Übersicht unter<br />

besonderer Berücksichtigung politischer<br />

<strong>und</strong> zeitgeschichtlicher Aspekte<br />

In diesem Teil der Arbeit sollen nicht nur deutsche <strong>Comic</strong>-Produktionen<br />

berücksichtigt werden, da sonst wichtige<br />

Entwicklungen nicht schlüssig dargestellt werden<br />

können. Die Beziehung zum deutschen Markt ist insofern<br />

gegeben als die <strong>Comic</strong>s in der Regel in Übersetzungen<br />

vorliegen. Die Auswahl strebt an, einen möglichst<br />

breiten Überblick über die verschiedensten Formen des<br />

politischen <strong>Comic</strong>s zu geben.<br />

3.1 Urgeschichte des <strong>Comic</strong>s: Die Geburt des<br />

<strong>Comic</strong>s aus dem narrativen Geiste der<br />

Kunst<br />

Für Wort-Bild-Verknüpfungen, die politische oder propagandistische<br />

Zwecke verfolgen, gibt es in der Geschichte<br />

zahlreiche Beispiele. Schon lange vor der offiziellen<br />

„Geburtsst<strong>und</strong>e“ der <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Jahre 1896 (s. auch 2.2)<br />

haben alle politischen Richtungen sich der Bildergeschichten<br />

bedient.<br />

Eines der ältesten Beispiele ist wohl der Wandteppich<br />

von Bayeux (1077), in dessen 58teilige Darstellung der<br />

Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer lateinische<br />

Obertitel eingefügt sind. 8<br />

Die Bilderbogen, die mit ihren übersichtlich angeordneten<br />

umrandeten Feldern dem <strong>Comic</strong>panel schon sehr<br />

nahe kommen, werden nach der Erfindung des Buchdruckes<br />

mit <strong>im</strong>mer längeren Textbeigaben versehen.<br />

Thematisch beschäftigen sich die Bilderbogen, die vor<br />

allem auch bei der einfachen Bevölkerung Verbreitung<br />

finden, nicht nur mit Naturkatastrophen u.ä., sondern<br />

durchaus auch mit politischen Ereignissen beispielsweise<br />

während der Reformationszeit.<br />

8 Mayers Großes Taschenlexikon. Bd. 3. Mannhe<strong>im</strong> 1987.<br />

S. 105.


164 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Im England des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts produzierte der Maler<br />

<strong>und</strong> Kupferstecher William Hogarth (1697-1764) gesellschaftskritische<br />

Bilderserien. Hogarths Stiche finden in<br />

der Bevölkerung auch als Raubdrucke <strong>und</strong> Plagiate weite<br />

Verbreitung. 9 In der Stichfolge „The Election“ 10 setzt<br />

sich Hogarth mit den Umständen des Wahlkampfs <strong>im</strong><br />

„Mutterland der Demokratie“ auseinander. Die Kandidaten<br />

machen ihren Wählern Versprechungen, lügen, betrügen<br />

<strong>und</strong> prügeln sich sogar. Da Hogarth den Torys<br />

nahesteht, läßt er diesen unwürdigen Wahlkampf die<br />

Whigs gewinnen. 11<br />

Hogarths Bilder sind voll von zahlreichen Anspielungen<br />

<strong>und</strong> Nebenhandlungen. Spätere Karikaturisten wie Gillray,<br />

Rolandson <strong>und</strong> Cruikshank vereinfachen die Vielschichtigkeit<br />

der Bilder Hogarths auf eine dominante<br />

Handlung, den Plot, mit satirischen Elementen. Diese<br />

Reduktion des Bildes auf eine einfache Aussage, vor<br />

allem dort, wo es illustrative Zwecke erfüllte, war möglicherweise<br />

der wichtigste Schritt in der Entwicklung der<br />

<strong>Comic</strong>s. 12<br />

In Spanien schuf Francisco de Goya (1746-1828) mehrere<br />

Folgen von untertitelten Radierungen, die sich mit<br />

der politischen Situation Spaniens am Ende des 18. Jhd.<br />

auseinandersetzen. Die „Caprichos“ (1799) <strong>und</strong> auch<br />

„Desastres de la Guerra“ (1810-14) zeigen, daß sich<br />

Goya, der spanische Hofmaler, den französischen Aufklärern<br />

verb<strong>und</strong>en sah. 13 Die „Desastres de la Guerra“<br />

schildern den Krieg gegen die französischen Invasoren<br />

in 81 Blättern. Doch Goya wendet sich nicht nur gegen<br />

die Franzosen, sondern vor allem gegen die spanische<br />

Herrschaftsschicht, die die Massen für ihre Zwecke leiden<br />

läßt. 14<br />

3.2 Bildergeschichten <strong>und</strong> politische Karikatur<br />

Dem Genfer Rhetorikprofessor Rodolphe Töpffer (1799-<br />

1846), der in der Literatur als einer der wichtigsten Väter<br />

des <strong>Comic</strong>s gilt, ging es dagegen eher um die zeichnerische<br />

Umsetzung grotesker Einfälle. Sein politisches<br />

Verständnis war eher ein konservatives; er war bestrebt<br />

allen Dingen das „mittlere Maß“ 15 zurückzugeben <strong>und</strong><br />

begründete die bürgerliche Karikatur des Biedermeiers.<br />

Eine seiner ,politischen‘ Geschichten, die „Geschichte<br />

Alberts“ (1845), schildert das Leben eines verzogenen<br />

Taugenichts, der durch die Gründung einer radikalen<br />

Zeitung zu Vermögen gelangt <strong>und</strong> sich damit in der<br />

Gesellschaft, die er angeblich von Gr<strong>und</strong>e her verachtet,<br />

angenehm einrichtet. 16<br />

In Frankfurt veröffentlichen 1848 der satirische Schriftsteller<br />

<strong>und</strong> Abgeordnete Johann Herrmann Detmold <strong>und</strong><br />

der Zeichner Adolf Schrödter die „erste deutsche Bildergeschiche“<br />

17 über einen „Hinterbänkler“ des Paulskirchen-Parlamentes:<br />

„Thaten <strong>und</strong> Meinungen des Herrn<br />

Piepmayer, Abgeordneter zur constituierenden Nationalversammlung<br />

zu Frankfurt am Main“. Detmold <strong>und</strong><br />

Schrödter haben in ihre Geschichte reale Ereignisse aus<br />

der Nationalversammlung eingebaut, z.B. die Abst<strong>im</strong>mung<br />

über das Erbkaisertum. Auch einige Abgeordnete<br />

fanden sich in Schrödters feinsinnigen Tuschezeichnungen<br />

recht deutlich wieder.<br />

„Struwwelpeter – ein Versuch zur Einigung Deutschlands“<br />

oder Friedrich Pechts „Ätzblätter aus dem Frankfurter<br />

Parlament“ sind weder von der Qualität der Zeich-<br />

nungen noch von der politischen Konsequenz mit<br />

Schrödter zu vergleichen. 18<br />

Während des Vormärzes n<strong>im</strong>mt in Deutschland die humoristisch-satirische<br />

Presse 1844 ihren Anfang mit dem<br />

„Münchner Bilderbogen“ <strong>und</strong> den „Fliegenden Blättern“.<br />

Deren heute bekanntester Mitarbeiter war Wilhelm<br />

Busch (1832-1908), dessen satirische Bildergeschichten<br />

sich manchmal auch gegen allzu konservative Einrichtungen<br />

des Biedermeiers wandten („Heiliger Antonius<br />

von Padua“ 1870 oder „Die fromme Helene“ 1872).<br />

Von den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in<br />

Deutschland entstandenen Satirezeitschriften ist der sozialistische<br />

„Wahre Jakob“ die bedeutendste. 1879 als<br />

lokales Monatsblatt von Heinrich Wilhelm Dietz in Hamburg<br />

gegründet, erscheint er nach seinem Verbot <strong>im</strong><br />

März 1881 drei Jahre später in Stuttgart wieder. Aufgr<strong>und</strong><br />

der Sozialistengesetze bekannte sich der „Wahre<br />

Jakob“ nicht mehr offen zur Sozialdemokratie, verlor<br />

aber keineswegs seine politische Stoßrichtung. Nach<br />

dem Fall der Sozialistengesetze 1890 wurden dort Aufsätze<br />

von August Bebel <strong>und</strong> Wilhelm Liebknecht veröffentlicht.<br />

In seiner politischen Ausrichtung unterschied<br />

sich der „Wahre Jakob“ stark von den eher rechts-oppositionellen<br />

Blättern wie dem „Neuruppiner Bilderbogen“<br />

oder dem „Kladderadatsch“. Schließlich wurde er <strong>im</strong><br />

März 1933 von den Nationalsozialisten endgültig verboten.<br />

19<br />

Der „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“ (1896-1944) war eine Zeitschrift,<br />

die versuchte, den politischen Humor fernab von jeder<br />

Parteienbindung zu pflegen. Allerdings geriet sie später,<br />

obwohl einige ihrer Zeichner emigrieren mußten, in den<br />

Strudel des Nationalsozialismus, bis sie 1944 ihr Erscheinen<br />

einstellte. 20<br />

3.3 Industrialisierung des <strong>Comic</strong>s: Merkmale<br />

eines Massenmediums<br />

Der allgemein als erster <strong>Comic</strong> bezeichnete Strip, R.F.<br />

Outcaults „The Yellow Kid“ (1896), spielt <strong>im</strong> New Yorker<br />

Einwanderermilieu <strong>und</strong> gilt als sozialkritische Lausbubengeschichte.<br />

21<br />

Die Frühgeschichte des <strong>Comic</strong>s ist vor allem von den<br />

Funnys best<strong>im</strong>mt, von denen nun sehr viele periodisch<br />

in Zeitungen erschienen <strong>und</strong> die erst später als eigen-<br />

9 Metken: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt 1970. S. 13.<br />

10 Sir John Soane’s Museum. London.<br />

11 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />

S. 69.<br />

12 Vom Penny Dreadful zum <strong>Comic</strong>. Englische Jugendzeitschriften,<br />

Heftchen <strong>und</strong> <strong>Comic</strong>s von 1855 bis zur Gegenwart. Oldenburg<br />

1981. S. 57.<br />

13 Goya: Caprichos. Zürich 1972.<br />

14 Goya: Desastres de la Guerra. Zürich 1972.<br />

15 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />

S. 155.<br />

16 Ebd.<br />

17 Metken: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt. 1970. S. 17.<br />

18 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />

S. 155 f.<br />

19 Knilli: „Der wahre Jakob“ – ein linker Supermann“? In: <strong>Comic</strong><br />

Strips. Berlin 1970. S. 12-21.<br />

20 Knigge: Fortsetzung folgt – <strong>Comic</strong> Kultur in Deutschland.<br />

Frankurt 1986. S. 28.<br />

21 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 12.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 165<br />

ständige <strong>Comic</strong>-Books herausgegeben wurden. Als die<br />

Vierfarbrotationsmaschinen aufkamen, stellte sich für<br />

die Zeitungsverleger die Frage, wie sie diese Maschinen<br />

nutzen konnten. Anfängliche Versuche mit dem Nachdruck<br />

berühmter Kunstwerke als Zeitungsbeilage fanden<br />

nicht den gewünschten Anklang <strong>und</strong> so kam Pulitzer<br />

auf die Idee, farbige <strong>Comic</strong>-Strips, vorerst als Sonntagsbeilage,<br />

herzustellen. 22<br />

1929 erschienen erstmals nichthumoristische Abenteuer-<strong>Comic</strong>s,<br />

„Tarzan“ von Harold Forster <strong>und</strong> der Science<br />

Fiction „Buck Rogers“. Der <strong>Comic</strong>markt in den USA<br />

wurde dann aber durch eine am Zeitungsmarkt orientierte<br />

Entwicklung auf wenige Syndikate aufgeteilt, die den<br />

<strong>Comic</strong>markt zeitweise völlig beherrschten. Die lndustrialisierung<br />

der <strong>Comic</strong>s nahm ihren Lauf, die Serien wurden<br />

nicht mehr von originellen Karikaturisten gezeichnet,<br />

sondern von kommerziellen Illustratoren <strong>und</strong> Gebrauchsgraphikern.<br />

23<br />

3.4 Der <strong>Comic</strong> <strong>im</strong> Dienste der<br />

Kriegspropaganda<br />

In Deutschland erschien 1935 der erste von den drei,<br />

sehr erfolgreichen „Vater <strong>und</strong> Sohn“-Bänden des Karikaturisten<br />

e.o. plauen (Erich Ohser). Die „Vater <strong>und</strong> Sohn“-<br />

Geschichten spielen in ihrer charmanten Verschmitztheit<br />

oft satirisch auf den Ordnungssinn der Nazis an.<br />

Ohser machte zwischen 1929 <strong>und</strong> 1933 auch <strong>im</strong>mer<br />

wieder Karikaturen für den sozialdemokratischen „Vorwärts“<br />

<strong>und</strong> geriet dadurch schnell in Konflikt mit den<br />

Nationalsozialisten. Um politisch wie auch ökonomisch<br />

überleben zu können, ließ sich Ohser auf politische<br />

Arbeiten für die Zeitschrift „Das Reich“ ein. Er unternahm<br />

<strong>im</strong>mer wieder Versuche der Kritik, daraufhin wurde er<br />

1944 von der Gestapo verhaftet <strong>und</strong> nahm sich in der<br />

Haft das Leben.<br />

Bemerkenswert ist <strong>im</strong> Rückblick darauf, daß die nationalsozialistische<br />

Propaganda, sonst <strong>im</strong> Umgang mit<br />

Massenmedien bestens bewandert, auf die Herstellung<br />

<strong>und</strong> Verbreitung von <strong>Comic</strong>s verzichtete. Nur <strong>im</strong> besetzten<br />

Frankreich versuchte man 1943-1945 mit dem <strong>Comic</strong>-Magazin<br />

„Le Téméraire“ ideologisches Gedankengut<br />

zu verbreiten. 24<br />

1929 erschienen erstmals nichthumoristische Abenteuer-<strong>Comic</strong>s,<br />

„Tarzan“ von Harold Forster <strong>und</strong> der Science<br />

Fiction „Buck Rogers“.<br />

In den USA entstehen in der Nachfolge des 1938 erstmals<br />

erschienen „Superman“ eine Reihe von Superhelden-<strong>Comic</strong>s.<br />

Paradigmatisch für den Transport ideologischen<br />

Gedankenguts, den man kaum noch als indirekt<br />

bezeichnen kann, ist die Figur des „Captain America“,<br />

die <strong>im</strong> 2. Weltkrieg entstand.<br />

„Over the years, Captain America has always mirrored<br />

the American psyche in the 1940’s, he was the super-patriot;<br />

in the 1950’s, he was the reactionary; today he is<br />

the unsure giant. He is America.“ 25<br />

Der „Kämpfer für Demokratie <strong>und</strong> Gerechtigkeit“ wurde<br />

1941 von Jack Kirby <strong>und</strong> Joe S<strong>im</strong>on erschaffen. Das<br />

Aushängeschild des amerikanischen Patriotismus trägt<br />

passend dazu ein Trikot in den Farben der amerikanischen<br />

Flagge. Seine übermenschlichen Kräfte verdankt<br />

der „Super-Soldier“einem amerikanischen Arzt, der wäh-<br />

Abb. 1: Captain America <strong>im</strong> Kriegseinsatz<br />

rend des Zweiten Weltkriegs versucht, eine ganze Armee<br />

von solchen Übermenschen zu produzieren. Doch<br />

die Nazis bringen den Erfinder um <strong>und</strong> so bleibt es,<br />

glücklicherweise, bei einem Unikat. Die Nullnummer<br />

zeigt geradezu programmatisch auf dem Titelbild, wie<br />

„Captain America“ dem gehaßten Feind Adolf Hitler einen<br />

Kinnhaken versetzt.<br />

Die Serie läuft zunächst bis Mai 1949, ein neuer Versuch,<br />

die Serie wieder aufleben zu lassen, scheitert<br />

1954. Im Jahre 1964 taucht „Captain America“ in einem<br />

Magazin „Tales of Suspense“ wieder auf, aber erst 1968<br />

hat er wieder ein eigenes Magazin in der Marvel <strong>Comic</strong>s<br />

Group unter der Leitung von Stan Lee. Der „rechte<br />

Flügelmann“ des Marvel Imperiums wandelt sich langsam<br />

<strong>und</strong> stellt kritische Fragen, doch steht er <strong>im</strong>mer<br />

noch für die alten amerikanischen Werte Ehre, Wahrheit,<br />

Gerechtigkeit <strong>und</strong> Gesetz. Stan Lee beschreibt ihn mit<br />

den Worten: „Er wird <strong>im</strong>mer der konservativste von unseren<br />

Helden sein.“ 26<br />

22 Baumgärtner: Die Welt der <strong>Comic</strong>s. Bochum 1965. S. 16.<br />

23 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München, 1971. S. 17.<br />

24 Denni: L’Ideologie Nazi du Téméraire. In: Le Collectionneur des<br />

Bandes Dessinées 14. Paris 1978. S. 8-10.<br />

25 Horn (Ed.): The World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s. New York<br />

1976.<br />

26 Stan Lee diskus-Interview. In: diskus. Frankfturter Studentenzeitung.<br />

1979. H. 2.


166 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Während des Krieges erscheinen zahlreiche ähnliche<br />

Serien in den USA, mit Militärs oder Superhelden <strong>und</strong><br />

Heldinnen in der Titelrolle. Die Darstellung der Deutschen<br />

ist meist sehr platt, von einem eindeutigen Gut-<br />

Böse-Schema geprägt. Inwieweit in den USA Einfluß<br />

von Regierungsseite auf die Produktion genommen wurde,<br />

ist nicht nachzuvollziehen. Doch waren die Hersteller<br />

auf Papierzuteilungen der Regierung angewiesen, was<br />

dem patriotischen Gewissen vielleicht nachhalf. 27<br />

Auch der Superstar der Adventure-<strong>Comic</strong>s „Superman“<br />

hatte seine Rolle <strong>im</strong> Krieg gespielt. Nach dem Ende des<br />

Krieges wird er ganz besonders zu einem Hüter von<br />

Ordnung <strong>und</strong> Gesetz. Er wird Teil der Exekutive <strong>und</strong><br />

verteidigt die bürgerliche Gesellschaft. 28 In einer Episode<br />

„How Superman would end the war“ fliegt Superman<br />

als Weltpolizist mit Hitler <strong>und</strong> Stalin unter dem Arm nach<br />

Genf <strong>und</strong> stellt sie vor das Gericht der Vereinten Nationen.<br />

29<br />

3.5 Die freiwillige Zensur <strong>im</strong> Kalten Krieg<br />

Das berühmteste Beispiel von Kaltem Krieg <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> ist<br />

das 1947 in Millionenauflage erschienene Heft „Is this<br />

tomorrow? America <strong>und</strong>er Communism!“, in dem die<br />

Jünger Stalins (deren Chef seltsamerweise einen Trotzki-Bart<br />

trägt) die Macht <strong>im</strong> Capitol an sich reißen. Endlich<br />

an der Macht, schrecken die Diktatoren vor nichts mehr<br />

zurück: Kranke werden umgebracht, Lebensmittellager<br />

gesprengt, um hinterher Verhaftungswellen durchzuführen,<br />

Universitäten verstaatlicht (!) <strong>und</strong> Bücher verbrannt.<br />

30 Den Kommunisten wird darin genau dasselbe<br />

politische Vorgehen unterstellt, wie es die Nazis an den<br />

Tag gelegt hatten. So wurde das Feindbild hier ohne<br />

nennenswerte Veränderung von den Nazis auf die Kommunisten<br />

übertragen. Das setzte sich dann auch in den<br />

Superhelden-<strong>Comic</strong>s fort, die „rote Gefahr“ bekämpfen<br />

hieß die neue Parole.<br />

Nachdem sich die B<strong>und</strong>esrepublik langsam vom Krieg<br />

erholte, gab es auch die ersten Versuche, amerikanische<br />

Produkte auf dem deutschen Markt zu etablieren.<br />

Anfangs scheiterten zwar manche, Superman wurde<br />

z.B. nach dem dritten Heft wieder eingestellt, aber die<br />

Micky-Maus-Hefte fanden bald reißenden Absatz. 31<br />

Von dieser Entwicklung gar nicht begeistert, schuf Manfred<br />

Schmidt für die Zeitschrift „Quick“ eine Parodie auf<br />

die amerikanischen Helden-<strong>Comic</strong>s. Die Serie „Nick<br />

Knatterton“, der Detektiv mit dem künstlichen Hinterkopf,<br />

wurde ein großartiger Erfolg. Sie erschien ab 1950<br />

wöchentlich, bis sich dann 1962 „Schmidts Zeigefinger<br />

weigerte, den Bleistift zu halten“, wie er seinen Ausstieg<br />

aus der Serie begründete. Mit Seitenhieben auf die<br />

B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> vor allem mit der Kritik der geplanten<br />

Wiederbewaffnung brachte er seine pazifistische<br />

Gr<strong>und</strong>einstellung zum Ausdruck. 32<br />

Im Jahr 1954 verabschiedet die „<strong>Comic</strong>s Magazine Association<br />

of America“ den <strong>Comic</strong> Code als Selbstbeschränkung<br />

der Verleger, eine Reaktion auf die starke<br />

öffentliche Kritik an der Darstellung von Gewalt, Kr<strong>im</strong>inalität,<br />

Horror <strong>und</strong> Sexualität <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>. Tatsächlich<br />

herrschte bis dahin in der <strong>Comic</strong>-Welt eine wesentlich<br />

größere Freizügigkeit als zur selben Zeit <strong>im</strong> Film. Das<br />

mittelständisch-bürgerliche Wertesystem der amerikanischen<br />

Gesellschaft wurde verpflichtend für den <strong>Comic</strong>,<br />

eine ethische Schwarzweißmalerei war die Folge.<br />

Der dritte Artikel des Codes lautete beispielsweise: „Polizisten,<br />

Richter, Regierungsbeamte <strong>und</strong> ehrbare Institutionen<br />

dürfen nie in einer Art <strong>und</strong> Weise dargestellt<br />

werden, die Respektlosigkeit gegenüber der etablierten<br />

Autorität erwecken könnte.“ 33 Das aufgedruckte Siegel<br />

sollte den Eltern einen sauberen <strong>und</strong> unbedenklichen<br />

Inhalt bedeuten. Unter dem Code gediehen vor allem die<br />

Superhelden-<strong>Comic</strong>s, deren reine Begriffe von Gut <strong>und</strong><br />

Böse dafür prädestiniert waren.<br />

Kritik war also kaum noch möglich, einige der wenigen<br />

Ausnahmen war die Serie „Pogo“ von Walt Kelly, in der<br />

deutliche Kritik an McCarthy laut wurde.<br />

In Deutschland wird 1953 das „Gesetz über die Verbreitung<br />

jugendgefährdender Schriften“ verabschiedet. Um<br />

die Zensur der Hefte möglichst zu vermeiden, wurde<br />

auch in Deutschland eine „Freiwillige Selbstkontrolle für<br />

Serienbilder“ (FSS) initiiert. Der Gr<strong>und</strong> war in erster Linie<br />

ein ökonomischer; zensierte Hefte durften nicht mehr<br />

verkauft werden, während die FSS den Verlagen noch<br />

die Möglichkeit der Änderung ließ. Außerdem konnte<br />

eine ganze Serie indiziert werden, falls in 12 Monaten<br />

mehr als zwei Hefte indiziert wurden. 34<br />

3.6 Exkurs: Vom sympathischen Chauvinismus<br />

zur faschistoiden Reaktion<br />

Zu Beginn der sechziger Jahre entsteht in Frankreich<br />

eine neue Serie, die sich zum Bestseller unter den<br />

<strong>Comic</strong>s entwickeln sollte. Erstmals 1959 in „Pilote“, dem<br />

französischen <strong>Comic</strong>magazin, erschienen, kommt 1961<br />

das erste „Asterix“-Album auf den Markt. Der erste Band<br />

erscheint noch mit einer Auflage von 6000 Stück, der<br />

achte Band kommt bereits auf 600 000 Stück. 35<br />

Der erfolgreiche Semi-Funny wendet sich zwar an Jugendliche,<br />

aber die Gags sind teilweise so hintergründig,<br />

daß sogar der Bildungsbürger daran Geschmack finden<br />

kann.<br />

Um die Bedeutung von Asterix zu unterstreichen, wird in<br />

der Literatur häufig die Autorität des Politologen Alfred<br />

Grossers bemüht, der gesagt haben soll, daß Asterix als<br />

das „aufschlußreichste politische Buch der französischen<br />

Nachkriegszeit“ 36 anzusehen sei. Der wesentlichste<br />

politische Aspekt darin ist wohl das Element des<br />

Chauvinismus.<br />

Dies zeigt sich in der Konzeption der Geschichte um den<br />

„Anti-Superhelden“ Asterix, die zweifellos eine chauvinistische<br />

Gr<strong>und</strong>struktur aufweist. Obelix’ ständiger Aus-<br />

27 Fuchs: Kennerblick. In: Comixene. 1977. H. 15, S. 4-5.<br />

28 Hausmanninger: Superman. Frankfurt 1989. S. 94.<br />

29 Fuchs: Wo sind all die Krieger hin? In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1986.<br />

S. 4-5.<br />

30 Heiß <strong>und</strong> Kalt – die Jahre 1945-69. Berlin 1986. S. 199-206.<br />

31 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 117.<br />

32 Schmidt: Nick Knatterton. Oldenburg 1983.<br />

33 Zit. nach: Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 359.<br />

34 Knigge: Fortsetzung folgt. Frankfurt 1986. S. 173 ff.<br />

35 Affolter: René Goscinny – Eine längst überfällige Würdigung<br />

eines genialen Szenaristen. In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1987. Frankfurt<br />

1987. S. 103.<br />

36 Zit. nach Stoll: Bedingungen einer kritischen Asterix-Lektüre.<br />

In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht.<br />

Opladen 1977. S. 39.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 167<br />

Abb. 2: Gotische Sch<strong>im</strong>pfwörter<br />

spruch „Die spinnen, die Römer!“, der notfalls auch auf<br />

andere Völker angewendet werden kann, sei hier nur<br />

beispielhaft angeführt.<br />

Das Dorf der Gallier liegt nicht ohne Gr<strong>und</strong> in der Bretagne,<br />

eine Region Frankreichs, die für ihren starken Autonomieanspruch<br />

bekannt ist. Die Sympathie der Leser<br />

liegt eindeutig bei der unterdrückten Minderheit, die sich<br />

gegen die über ihr stehende Autorität wehrt, auch wenn<br />

der Kampf aussichtslos erscheinen mag. Innerhalb des<br />

Dorfes sind die Strukturen dafür sehr patriarchal, niemand<br />

begehrt ernsthaft auf. Auch der Aufstand der Frauen,<br />

die sich sonst mit der Rolle als Hausdrachen begnügen,<br />

wird friedlich beendet. 37 Sich sämtlichen Neuerungen<br />

zu verschließen scheint das Ziel der eingeschworenen<br />

Dorfgemeinschaft zu sein. 38<br />

Die selbstgerecht-patriotische Haltung drückt sich auch<br />

auf den zahlreichen Reisen der Helden aus; so werden<br />

die Briten, die früher nur heißes Wasser verkosteten,<br />

endlich mit der Teepflanze bekannt gemacht 39 <strong>und</strong> die<br />

Abb. 3: Siggi <strong>und</strong> die goldene Sichel in der Übersetzung<br />

des Kauka-Verlags<br />

Karikatur der Deutschen in „Asterix <strong>und</strong> die Goten“ tritt<br />

die bekannten Klischees breit: Marschieren in Reih <strong>und</strong><br />

Glied oder lauter, autoritärer Umgangston. 40<br />

Goscinny hat zwar <strong>im</strong>mer wieder jede politische Intention<br />

bestritten, 41 aber 1976 tritt in „Obelix GmbH <strong>und</strong> Co.“<br />

ein Römer auf, der Jacques Chirac auffällig ähnelt <strong>und</strong><br />

der versucht, die Dorfbewohner in einen kapitalistischem<br />

Konkurrenzkampf zu verstricken <strong>und</strong> damit Zwietracht<br />

zu säen. 42<br />

Doch der Chauvinismus der Originalversion wurde<br />

durch die erste deutsche Übersetzung durch den Kauka-Verlag<br />

noch übertroffen.<br />

Schon zwei Jahre, bevor die heute bekannte <strong>und</strong> so<br />

beliebte Version des Ehapa-Verlages erschien, die seit<br />

1967 publiziert wird, gab es eine „eingedeutschte“ Fassung<br />

unter dem Titel „Siggi <strong>und</strong> die goldene Sichel“ in<br />

der Zeitschrift „Lupo“. Das Deckblatt war verändert <strong>und</strong><br />

das von „unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf“ wurde<br />

zur „Fliehburg Bonnhalla“. Von „Wiedervereinigung“ ist<br />

die Rede, <strong>und</strong> „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen“<br />

seien „rein zufällig“. Aus Asterix wurde „Siggi“, von Siegfried<br />

dem Unverw<strong>und</strong>baren, aus Obelix „Babarras“, der<br />

einen Findling mit sich herumträgt „wie andere einen<br />

Schuldkomplex“; der Druide heißt „Konradin“ (es ist wohl<br />

Konrad Adenauer gemeint) <strong>und</strong> der Barde wird mit dem<br />

eigenartigen Namen „Parlament“ bedacht: „… nur ein<br />

stummer Parlament ist ein guter Parlament, ansonsten<br />

aber lästig!“ 43 . Der Anführer der Schieberbande spricht<br />

mit jiddisierendem Tonfall <strong>und</strong> selbst vor Grüßen wie<br />

„Heil Hein, heil unserem geliebten Bonnhalla!“ 44 schreckt<br />

die Kauka-Redaktion nicht zurück.<br />

Als ihnen daraufhin von Goscinny <strong>und</strong> Uderzo die Rechte<br />

entzogen wurden, machte sich der Verlag an eine<br />

Nachfolgeserie, die die Gr<strong>und</strong>idee übern<strong>im</strong>mt. „Als die<br />

Römer frech geworden“ heißt das erste Plagiat, das mit<br />

den Hauptfiguren „Fritze Blitz <strong>und</strong> Dunnerkiel“ in dem<br />

Kauka-Magazin „Fix <strong>und</strong> Foxi Super Tip Top Bd. 4“<br />

erschien. Die reaktionäre Ideologie ist die gleiche geblieben,<br />

die Helden bekämpfen englischsprachige „Besatzer“.<br />

In „Der Ochsenkrieg“ widmen sich die Helden, die<br />

wieder die alten Namen „Siggi“ <strong>und</strong> „Babarras“ tragen,<br />

dem geteilten Deutschland. Die letzte dieser Geschichten<br />

war „Siggi <strong>und</strong> die Ostgoten“, darin hatte auch<br />

„Franz-Josevix“ als „bajuwarischer“ Kollege von „Konradix“<br />

seinen Auftritt. 45 Im Kauka-Verlag erscheinen noch<br />

mehr solcher revanchistischer Serien, z.B „Pichlsteiner“<br />

<strong>und</strong> „Bretzelburger“ (1969), in denen die DDR als He<strong>im</strong>statt<br />

hungernder Sklaven dargestellt wird. 46<br />

Als sich jedoch die öffentliche Kritik rührte, reagierte die<br />

Redaktion schnell <strong>und</strong> vermied daraufhin solche offensichtlichen<br />

Tendenzen.<br />

37 Goscinny/Uderzo: Asterix <strong>und</strong> Maestria. Stuttgart 1992.<br />

38 Goscinny/Uderzo: Die Trabantenstadt. Stuttgart 1975.<br />

39 Goscinny/Uderzo: Asterix bei den Briten. Stuttgart 1971.<br />

40 Holtz: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München<br />

1980. S. 104 ff.<br />

41 Holtz: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München<br />

1980. S. 106.<br />

42 Fuchs: Batman, Beatles, Barbarella. Ebersberg/Obb. 1985.<br />

S. 63.<br />

43 Lupo. 1965. H. 6, S. 10.<br />

44 Lupo. 1965. H. 6, S. 13.<br />

45 Knigge: Asterix in Deutschland. In: Comixene 17. 1978. S. 27-<br />

39.<br />

46 Lupo modern – Das junge Magazin.


168 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

3.7 Befreiung: Satire <strong>und</strong> Nonsens <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Das wichtigste <strong>Comic</strong>-Produkt der 50er Jahre war wohl<br />

die Zeitschrift „MAD“, herausgegeben von William Gaines.<br />

Die einzige „Zeitschrift, die keine Werbung enthält“,<br />

hat inzwischen allein in Amerika eine Auflage von über 2<br />

Millionen. Auch in Deutschland entwickelt sich „MAD“<br />

schnell zur Konkurrenz von „Pardon“. Während „Pardon“<br />

von Anfang an die <strong>Politik</strong> zu einem der wesentlichen<br />

Ziele ihrer satirischen Spitzen machte, ist bei MAD die<br />

<strong>Politik</strong> nur eines von vielen Zielen. 47 Auch andere klassischen<br />

politischen Satirezeitschriften wie z.B. „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“,<br />

der nach dem Krieg noch einmal aufgenommen<br />

wurde, werden nun durch Zeitschriften verdrängt, die<br />

den politischen <strong>Comic</strong> pflegen. 48 Eine schärfere Reaktion<br />

auf den Code sind die anfangs <strong>im</strong> Straßenverkauf<br />

verbreiteten „Undergro<strong>und</strong>-Comix“, die die tabuisierten<br />

Themen Gewalt, Drogen <strong>und</strong> Sex aufnahmen. Die<br />

Handlungen werden aus den Traumwelten der Funnys<br />

<strong>und</strong> Actionstrips in die brutale Wirklichkeit übertragen.<br />

Robert Crumbs „Zap Comix“ aus dem Jahre 1968 gilt als<br />

der Beginn der legendären „U-Comix“. Ihre politische<br />

Relevanz besteht wohl in erster Linie darin, das bürgerliche<br />

Normensystem aufzuweichen. Die meisten huldigen<br />

einem lustbetonten Anarchismus, der sich meist<br />

damit begnügt, Polizisten zu veralbern, Geld <strong>und</strong> Joints<br />

herbeizuschaffen.<br />

Parallel zu den „U-Comix“ entstanden in den sechziger<br />

Jahren die neue Generation der Superhelden. Ein neuer<br />

<strong>Comic</strong>-Konzern „Marvel“ etablierte neue vermenschlichte<br />

Helden, die auch nach ihm benannt wurden, die<br />

Marvelhelden. Serien wie „The Fantastic Four“ entwikkeln<br />

sich zu einem Riesenerfolg für den Konzern. Die<br />

Helden sind nicht mehr auf allen Ebenen erfolgreich, sie<br />

haben auch so ihre Probleme. In diesen Serien wird das<br />

Gut-Böse-Schema <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Comic</strong>-Codes aufgeweicht.<br />

Vor allem die Drogenproblematik durfte nach<br />

einer Aufweichung des Codes, nun dargestellt werden. 49<br />

3.8 Eine deutsche Randnotiz:<br />

Panzerknacker: Jünger Maos?<br />

Um die <strong>Comic</strong>-Figur schlechthin, Barks Donald Duck,<br />

nicht ganz zu übergehen, sei hier auf ein kleines Scharmützel<br />

des Bayernkuriers hingewiesen, der versuchte,<br />

die Panzerknacker als marxistische Dogmatiker zu entlarven<br />

<strong>und</strong> in einem Artikel „Micky Maus auf Abwegen“ 50<br />

Alarm schlug. In der „Micky Maus“-Ausgabe auf die<br />

Bezug genommen wurde, äußert ein Mitglied der Panzerknacker<br />

eine ideologische Rechtfertigung ihrer<br />

Raubzüge. „Der Spiegel“ nahm damals die Auseinandersetzung<br />

mit „Panzerknacker: Jünger Maos?“ auf. Die<br />

Ducks kamen plötzlich in den Ruf, politisch zu sein, was<br />

wohl stark damit zusammenhing, daß sie sich zur Lieblingslektüre<br />

der Linken entwickelt hatten. Eine soziologische<br />

Studie über die Ducks war dann natürlich nicht<br />

mehr zu vermeiden. Unter dem Pseudonym „Grobian<br />

Gans“ erschien 1970 „Die Ducks – Psychogramm einer<br />

Sippe“.<br />

Wesentlich kritischer setzten sich die Chilenen Ariel<br />

Dorfmann <strong>und</strong> Armand Mattelart mit dem Disney-Produkt<br />

Mitte der Siebziger-Jahre auseinander. Sie analysierten<br />

vor allem die Sicht auf die Dritte Welt <strong>und</strong> deren<br />

Darstellung in den <strong>Comic</strong>s. 51<br />

Das Ergebnis ist, daß die „Guten Wilden“ vor allem als<br />

Hintergr<strong>und</strong> für Schatzsuchen dienen. Der „Gute Wilde“<br />

definiert sich vor allem durch seine bunte Folklore, seine<br />

Naivität <strong>im</strong> Umgang mit Geld <strong>und</strong> eine verstümmelte<br />

Sprache. Werden politische Organe der Länder dargestellt,<br />

sind sie korrupt <strong>und</strong> egoistisch, <strong>im</strong> sympathischsten<br />

Fall dumm <strong>und</strong> naiv. Da die Wilden auch arm<br />

glücklich sind, muß niemand ein schlechtes Gewissen<br />

haben, wenn Dagobert mit „seinen“ Schätzen abzieht.<br />

Im Unterschied dazu gibt Donald Geld, das er in Entenhausen<br />

findet, <strong>im</strong>mer zurück, denn es zu behalten wäre<br />

Diebstahl. Die Ducks kämpfen um ihr Geld.<br />

3.9 Kulturrevolution: Der intellektuelle <strong>Comic</strong><br />

Schließlich schwappte noch eine weitere Entwicklung<br />

aus den USA über den großen Teich, die „Pop-Art“. Roy<br />

Lichtenstein brachte das <strong>Comic</strong>-Panel erstmals ins Museum.<br />

Die Diskussion über den Kunstbegriff, die dadurch<br />

ausgelöst wurde, öffnet auch dem <strong>Comic</strong> neue<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> ein anderes Publikum.<br />

Die Serie „The Adventure of Phoebe-Zeitgeist“ zeigt<br />

offen <strong>und</strong> satirisch überzeichnet, alles was während der<br />

McCarthy-Ära nicht vorstellbar gewesen wäre. Ständig<br />

wird das reizende Wesen gefoltert <strong>und</strong> mißhandelt,<br />

mehrmalig stirbt sie dabei. Die Mischung aus Pornographie<br />

<strong>und</strong> Sozialsatire wandte sich klar an ein intellektuelles<br />

Publikum. In Deutschland setzte Karl Alfred Meysenbug<br />

seine Kritik an der Klischeewelt der Frauen in<br />

„Agit-Pop-<strong>Comic</strong>s“ um. In „Supermädchen“ beschreibt<br />

er das Leben einer Verkäuferin, die sich als Teil der<br />

Konsumgesellschaft fühlt, <strong>und</strong> die ihre Person, <strong>im</strong>mer<br />

fre<strong>und</strong>lich, <strong>im</strong>mer schön gleich mitverkauft. Die Botschaft<br />

ist in den Bilder, die in der trivialen Werbeästhetik<br />

der Pop-Art hergestellt sind, klar erkenntlich.<br />

In Frankreich kommt es während des Pariser Mais <strong>im</strong><br />

Jahre 1968 auch zu einem Streik in der Redaktion des<br />

legendären <strong>Comic</strong>-Magazins „Pilote“. Drei Wochen erscheint<br />

das Magazin nicht, doch dann verwandelt René<br />

Goscinny, unter dessen Leitung „Pilote“ erscheint <strong>und</strong><br />

der ein außergewöhnliches Gespür für den Markt hatte<br />

„Pilote“ in ein <strong>Comic</strong>-Magazin für Erwachsene. 52<br />

Der intellektuelle <strong>Comic</strong> ist mittlerweile völlig etabliert.<br />

Magazine wie „RAW“ von Françoise Mouly <strong>und</strong> Art Spiegelman<br />

veröffentlichen nur noch künstlerisch ambitionierte<br />

Arbeiten in aufwendigen Ausgaben die keine<br />

Kompromisse an das Massenpublikum machen. Die<br />

meisten dieser <strong>Comic</strong>s haben eine depressive Gr<strong>und</strong>st<strong>im</strong>mung<br />

<strong>und</strong> treffen damit wohl den Zeitgeist der Intellektuellen.<br />

Der Untertitel der ersten Ausgabe „The Graphix<br />

Magazine of Postponed Suicides“ spricht für sich.<br />

47 Fuchs: <strong>Comic</strong>s, Ideologie <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt,<br />

in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen 1977. S. 91.<br />

48 Riha: Groteske, Kommerz, Revolte. In: <strong>Comic</strong> Strips. Geschichte,<br />

Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung der Bildgeschichte.<br />

Berlin 1970. S. 10.<br />

49 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 243.<br />

50 Wurm: Micky Maus auf Abwegen. In: Bayernkurier, 27.9.1969.<br />

Zit. nach: Knigge: Fortsetzung folgt … Frankfurt/M. 1986.<br />

S. 245.<br />

51 Dortmann/Mattelart: Walt Disneys „Dritte Welt“. Berlin 1977.<br />

52 Knigge: <strong>Comic</strong>-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 231.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 169<br />

3.10 Gesellschaftliche Wirklichkeit<br />

In den USA erscheint 1968 erstmals in einer Studentenzeitung<br />

Garry Trudeaus „Doonesbury“. Der Strip, der<br />

sich in erster Linie mit Tagespolitik <strong>und</strong> typisch amerikanischen<br />

Zeiterscheinungen befaßt, wurde später über<br />

eine Presseagentur vertrieben <strong>und</strong> erschien zeitweise in<br />

über 500 amerikanischen Tageszeitungen. Das veranlaßte<br />

den ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford zu<br />

dem Ausspruch „Es gibt nur drei wichtige Hilfsmittel, uns<br />

über das zu informieren, was in Washington vorgeht: die<br />

elektronischen Medien, die Printmedien <strong>und</strong> Doonesbury,<br />

aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge“ 53 .<br />

Der große Erfolg rettete die Serien auch vor der <strong>im</strong>mer<br />

wieder drohenden Zensur. Trudeaus harte Kritik an Ronald<br />

Reagan hatte <strong>im</strong>mer zur Folge, daß er in den<br />

konservativen Blättern tageweise nicht erschien. Doch<br />

da der Strip in so vielen Zeitungen lief, hatte eine solche<br />

Zensur keine große Wirkung.<br />

Als erster <strong>Comic</strong>zeichner erhielt Trudeau 1975 den Pulitzerpreis<br />

für politische Karikatur. Die Protagonisten der<br />

Serie leben bis 1982 in einer Studentenkommune; nach<br />

einer zweijährigen Pause durften sie, mit einer neuen<br />

bürgerlicheren Umgebung versehen, zurückkehren. 54<br />

In Frankreich hatte sich Anfang der siebziger Jahre<br />

„Pilote“ von einem Jugendmagazin zu einem linksliberalen<br />

Blatt für Erwachsene gewandelt. Moebius, Druillet<br />

oder Bretêcher wandten sich in dieser Zeit von „Pilote“<br />

ab <strong>und</strong> junge Zeichner wie Enki Bilal nahmen ihren Platz<br />

ein.<br />

Bilal begann mit Schwarzweißarbeiten, <strong>und</strong> schon ab<br />

1974 veröffentlichte er kolorierte Stories, meistens<br />

Science Fiction <strong>und</strong> Phantasiegeschichten. Doch er<br />

macht bei „Pilote“ auch politische Satiren <strong>und</strong> integriert<br />

<strong>Politik</strong>er, z.B. Henry Kissinger als intergalaktischen Botschafter,<br />

in seine Weltraumabenteuer. 55<br />

Der Durchbruch kam für Bilal mit seinen „Légendes<br />

d’Aujourd’hui“, die in der Zusammenarbeit mit Pierre<br />

Christin 1975-1983 entstanden. 56 Christin, der <strong>Politik</strong>-,<br />

Sozial- <strong>und</strong> Literaturwissenschaft an der Sorbonne studiert<br />

hat, hat schon mehrere <strong>Comic</strong>-Szenarien geschrieben.<br />

Besonders bekannt wurde der Polit-Fiction „Valerian<br />

& Veronique“ mit Zeichnungen von Mézières.<br />

„Es gibt nur drei wichtige Hilfsmittel, uns über das zu<br />

informieren, was in Washington vorgeht: die elektronischen<br />

Medien, die Printmedien <strong>und</strong> Doonesbury, aber<br />

nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“ (Gerald Ford)<br />

Der erste Band der Legenden war „Kreuzfahrt der Vergessenen“,<br />

in dem ein Dorf sich mit Hilfe eines Antischwerkraftgenerators<br />

in die Lüfte erhebt, zum Protest gegen<br />

militärische Versuche mit der Schwerkraft in ihrer<br />

Umgebung. Auch die weiteren vier Bände sind stark<br />

geprägt von Christins Tätigkeit als Journalist, der eher<br />

sozialkritische <strong>Comic</strong>-Reportagen verwirklicht hat. Doch<br />

er nahm dann Bilals phantastisches Element in seine<br />

Szenarien auf, <strong>und</strong> das Ergebnis ist <strong>im</strong> Zusammenspiel<br />

von politisch-kritischem Inhalt <strong>und</strong> künstlerischer Darstellung<br />

einzigartig. Als „St<strong>im</strong>mungsbericht zur Lage der<br />

Linken“ 57 wird die Serie gelesen, wobei die einzige.<br />

verbindende Figur, der Held 50/22B, den die Autoren <strong>im</strong><br />

ersten Band einführen, den ewigen Revolutionär darstellt.<br />

Seine Präsenz geht von Band zu Band zurück <strong>und</strong><br />

widerspiegelt damit, den schwindenden Opt<strong>im</strong>ismus der<br />

Autoren.<br />

3.11 Die dritte Generation: Der Abgesang der<br />

Superhelden<br />

In den siebziger Jahren führen die Bürgerrechtsbewegung,<br />

die Studentenunruhen <strong>und</strong> schließlich die Proteste<br />

gegen den Vietnamkrieg, zu einer Veränderung in<br />

den altbewährten Superhelden-<strong>Comic</strong>s, die ihre affirmative<br />

Haltung mehr <strong>und</strong> mehr aufgeben. Das Bild vom<br />

sauberen Amerika wurde <strong>im</strong>mer mehr gestört <strong>und</strong> nach<br />

der Watergate-Affäre schwindet das Vertrauen in die<br />

politische Ordnung merklich. <strong>Politik</strong>er werden als austauschbare<br />

Marionetten oder gar Kr<strong>im</strong>inelle dargestellt.<br />

Doch heißt das nicht, daß die Superhelden sich selbst<br />

den Spielregeln der Demokratie beugen – ihre Souveränität<br />

bleibt unangetastet, ein antidemokratischer Garant<br />

der Demokratie.<br />

Die achtziger Jahre bringen schließlich nach den Marvelhelden<br />

eine dritte Generation. Mit Frank Millers „Batman“-Bearbeitung<br />

„The Dark Knight Returns“ wurde den<br />

Superhelden 1986 endlich zum verdienten Ruhestand<br />

verholfen. Miller versetzt die Geschichte in die Zukunft,<br />

die Helden sind alte Männer, <strong>und</strong> Batman läßt sich zu<br />

einem letzen Einsatz hinreißen, um seine He<strong>im</strong>at von<br />

den „Mutants“ einer Art Skinheadtruppe, zu befreien.<br />

Batmans Comeback erreicht die Massen über das Fernsehen,<br />

nicht mehr „life“, wie in den klassischen Superhelden-<strong>Comic</strong>s,<br />

in denen allenthalben jubelnde Massen<br />

auf den Straßen zu sehen sind. Superman ist nun offiziell<br />

in Regierungsdiensten <strong>und</strong> gehorcht brav den Anordnungen<br />

seines Präsidenten, einer Parodie Reagans.<br />

Batman wird zum Outlaw, zum Freibeuter, der sich, <strong>im</strong><br />

Gegensatz zu Superman nicht von der Öffentlichkeit<br />

kontrollieren läßt.<br />

Alan Moore geht mit seiner Variante des Superheldengenres<br />

noch weiter. In seinem mehrfach preisgekrönten<br />

Werk „Watchmen“, mit den faszinierenden Zeichnungen<br />

von Dave Gibbon stellt er die Helden nicht nur in Frage,<br />

bei ihm werden sie. zu gescheiterten Existenzen. Miller<br />

läßt Batman noch sein gewohntes Imperium Gotham<br />

City, Moores Helden leben in dem realistischen New<br />

York.<br />

Die „Wächter“ waren früher Kämpfer für Recht <strong>und</strong> Ordnung,<br />

sie wachten über die Moral <strong>und</strong> die Stärke Amerikas.<br />

Heute leben sie in einer bürgerlichen Existenz <strong>und</strong><br />

ihre Vergangenheit ist in der Öffentlichkeit vergessen.<br />

Der einzige von ihnen, der wirkliche Superkräfte besitzt,<br />

ist „Mr. Manhatten“, der als Opfer eines atomaren Unfalls<br />

das Gleichgewicht des Schreckens zugunsten der USA<br />

verändert hat. „Mr. Manhatten“ sieht Menschen wie Dinge<br />

als Ansammlungen von Atomen <strong>und</strong> ist keiner Gefühle<br />

fähig. Ihm verdankt der Staat z.B. den Sieg <strong>im</strong> Vietnamkrieg.<br />

53 Vgl. Trudeau: Doonesbury. Reinbek 1983.<br />

54 Lietzmann: Doonesbury, ein <strong>Comic</strong>-Star kehrt zurück. In: FAZ<br />

2.11.1984.<br />

55 Bilal: Erinnerungen aus dem All. Stuttgart 1992.<br />

56 Knigge: <strong>Comic</strong>-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 98.<br />

57 Schreiber: St<strong>im</strong>mungsbarometer der Linken. In: Konkret-Literatur<br />

1990. Hamburg 1990. S. 76 f.<br />

58 Hausmanninger: Superman. Frankfurt/M. 1989. S. 137-166.


170 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Der neurotische Ordnungsfanatiker „Rorschach“ ist<br />

zwar ein unermüdlicher Kämpfer gegen das Böse in der<br />

Welt, aber Moore führt ihn vor als Opfer seiner persönlichen<br />

Probleme; als Kind einer Prostituierten kann er die<br />

Welt nur als Kloake sehen. Der „Comedian“, mit dessen<br />

Ermordung die Geschichte beginnt, ist Agent des CIA<br />

<strong>und</strong> repräsentiert die Unmoral des Systems.<br />

„Laurie Juspeczyk“, die einzige Frau unter den Helden,<br />

steht, wie sollte es auch anders sein, für die Macht der<br />

Gefühle. Die wirtschaftliche Macht liegt bei „Ozymandis“,<br />

der als intelligenter, charismatischer Typ seit seinem<br />

Ausstieg aus der Superheldentruppe ein Wirtschafts<strong>im</strong>perium<br />

aufgebaut hat, er verkörpert die These<br />

„Wissen ist Macht“.<br />

Die unterschiedlich angelegten Möglichkeiten, Macht zu<br />

ergreifen, die Auswirkungen des Phänomens Macht <strong>und</strong><br />

die Frage, wie die Welt mit solchen Superwesen aussehen<br />

würde, sind Moores Interesse. 59 Moore, der als<br />

britisches Arbeiterkind früh politisiert wurde, setzt sich in<br />

seinen Szenarien kritisch mit den Auswirkungen der<br />

<strong>Politik</strong> von Margaret Thatcher auseinander. Für Moore<br />

ist die Demokratie nicht gerade die ideale Staatsform;<br />

vom Sozialismus ebenso enttäuscht, plädiert er für eigenverantwortliches<br />

Handeln <strong>und</strong> gegen das Abgeben<br />

der Verantwortung an wie auch <strong>im</strong>mer geartete Führer,<br />

einen sozialen Anarchismus.<br />

3.12 Traumata der Postmoderne<br />

Ein weiteres herausragendes Werk ist die Anti-Utopie<br />

„Alexander Nikopol <strong>im</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>ert“, für die Bilal<br />

auch die Szenarien schreibt, es thematisiert <strong>im</strong> ersten<br />

Band Macht <strong>und</strong> Unterdrückung in einem kapitalistischen<br />

System.<br />

Paris als Stadtstaat, in dessen Zentrum die Privilegierten<br />

leben <strong>und</strong> das von einem verelendenden Slum-Gürtel<br />

umgeben wird, ist beherrscht von Faschisten. Über<br />

der Stadt schwebt eine Pyramide, in der ägyptische<br />

Götter Monopoly spielen. Eine (Schein)-Wahl steht bevor,<br />

in der der Held Nikopol, der gerade aus einem<br />

Kälteschlaf aufgetaut wurde, zum Kandidaten avanciert.<br />

Der ägyptische Gott Horus will mittels seines Körpers<br />

Einfluß <strong>und</strong> Macht bei den Menschen gewinnen, um<br />

dann schließlich die Herrschaft in der Götterwelt zu<br />

erreichen.<br />

Abb. 4: Bilals Utopie<br />

Bilals phantastische Bilder sind bevölkert von fliegenden<br />

Putten, die schwanger werden können <strong>und</strong> sich rasant<br />

vermehren, einem Papst, der sich per Hubapparat in die<br />

Lüfte erhebt, um sein Image aufzupolieren, oder grüngestreiften<br />

Katzen mit telepathischen Fähigkeiten.<br />

Die Handlung, deren zahlreiche Nebenstränge <strong>im</strong>mer wieder<br />

zum Thema hinführen, hat einen klaren politischen<br />

Ansatz, der durch die Zeitungsartikel, die <strong>im</strong>mer wieder<br />

in die Handlung einfließen, noch unterstrichen wird.<br />

Bilals ägyptische Götter hängen in ihrer Pyramide über<br />

Paris fest, ihnen ist der Sprit ausgegangen. Mit beißendem<br />

Spott weißt der Autor hier auf ein Machtmittel der<br />

nahen Zukunft hin. Die Götter, denen die Menschen<br />

eigentlich völlig egal sind, installieren daraufhin um an<br />

Energie zu kommen, eine Räteregierung mit Nikopol an<br />

der Spitze, der am Ende der Geschichte, genau wie der<br />

einstige Diktator, in der Psychiatrie landet.<br />

„Die Frau aus der Zukunft“, der zweite Band der Trilogie,<br />

führt in die Metropolen Europas, deren Straßen von<br />

wilden Kämpfen zwischen Einwanderern aus der Dritten<br />

Welt beherrscht werden. Die Protagonistin Jill trifft den<br />

Helden in einem autonomen Berlin, als sie einen Bericht<br />

über die einzige Überlebende einer Weltraumexpedition<br />

schreiben will. In diesem Band werden kaum noch Herrschaftsstrukturen<br />

geschildert; Bilal lehnt dies in der Einleitung<br />

explizit ab; er schreibt: „die politische Lage <strong>im</strong><br />

Stadtstaat Paris interessiert hier nicht weiter“ 60 . Die individuellen<br />

Lösungen <strong>und</strong> das Auftreten stilisierter Frauen<br />

stehen für den Zeitgeist der achtziger Jahre. Bilals Figuren<br />

bleibt nur noch die Flucht, eine Lösung ist nicht mehr<br />

in Sicht.<br />

Die <strong>im</strong> Vergleich zum ersten Band <strong>im</strong>mer statischer<br />

werdenden Bilder drücken den Stillstand aus, der mit der<br />

Flucht anhe<strong>im</strong> geht. In einem Anhang mit Jills Reportagen<br />

<strong>und</strong> Kommentaren, die als Mitteilungen aus der<br />

Zukunft in der Redaktion der „Libertation“ auftauchten,<br />

ist die Rede vom „Hyper-Liberalismus“, dem Triumpf der<br />

liberalen Monopole über den Individualismus.<br />

4 Sachcomics oder Educational <strong>Comic</strong>s<br />

„Die Ironie unseres Zeitalters des Bildes<br />

besteht darin, daß es uns die Realität<br />

verbirgt.“<br />

Gisela Freud<br />

Sachcomics, auch Educational <strong>Comic</strong>s genannt, sind<br />

nach Dolle-Weinkauf eine „Spielart der Sachliteratur, die<br />

mit den visuell-verbalen Darstellungsmitteln des <strong>Comic</strong>s<br />

operiert“. 61<br />

Zwar sind <strong>Comic</strong>s traditionell ein Unterhaltungsmedium,<br />

doch schließt das natürlich nicht aus, sie zur Information,<br />

zur Werbung oder auch zur Propaganda zu benutzen.<br />

<strong>Comic</strong>s zur politischen Bildung einzusetzen, z.B. als<br />

Informationsbroschüren der amerikanischen Regierung<br />

<strong>im</strong> Zweiten Weltkrieg, ist eine amerikanische Tradition. 62<br />

Die Schwierigkeit, die der populären Sachliteratur allgemein<br />

anhaftet, nämlich daß sie durch Vereinfachen, Veranschaulichen<br />

<strong>und</strong> Akzentuieren zur Wissenschaft hinführen<br />

soll, aber eben selbst keine wissenschaftliche<br />

Literatur ist, gilt be<strong>im</strong> <strong>Comic</strong> ebenso für die bildhafte<br />

Darstellung.<br />

Bernd Weidemann beschreibt den dokumentarischen<br />

<strong>Comic</strong>: „Dokumentarisch sollen <strong>im</strong> folgenden all jene<br />

<strong>Comic</strong>s heißen, in denen historische Ereignisse <strong>und</strong><br />

Personen mit der Absicht geschildert werden, sich an die<br />

historischen Wahrheiten zu halten." 63<br />

59 Langhans (Hg.): Lexikon der <strong>Comic</strong>s. Meitingen 1991.<br />

60 Vgl. Bilal: Die Frau aus der Zukunft. Hamburg 1988. S. 5.<br />

61 Dolle-Weinkauf: <strong>Comic</strong>. Weinhe<strong>im</strong> 1990. S. 333.<br />

62 Fuchs: <strong>Comic</strong>s, Ideologie <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt,<br />

in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen 1977. S. 89.<br />

63 Weidemann: Foto oder Zeichnung? In: <strong>Comic</strong>s Anno. München<br />

1991. S. 26-41.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 171<br />

Georg Seeßlen geht in seinem Artikel „Mythos contra<br />

Geschichte – Über den Widerspruch von <strong>Comic</strong>-Erzählung<br />

<strong>und</strong> historischer Rationalität“ der Frage ebenfalls<br />

nach. Seeßlen schreibt den <strong>Comic</strong>s eine mythische Erzählweise<br />

zu, die der Dokumentation konträr entgegenstehe.<br />

Er schreibt zur Bildgestaltung: „Ein <strong>Comic</strong>-Panel<br />

ist zugleich ein Bild <strong>und</strong> seine Interpretation“, die Einstellung,<br />

der Blickwinkel usw. sind Elemente, die über das<br />

rein dokumentarische hinausgehen. 64<br />

Die Argumentation sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

daß weder Fotographie noch Sachtexte von Historikern<br />

eine „historische Wahrheit“ wiedergeben können.<br />

Der Interpretationsvorwurf muß <strong>im</strong>mer erhoben<br />

werden, nur drängt er sich bei einem neuen Medium, wie<br />

dem <strong>Comic</strong> geradezu auf. So gesehen wäre die Darstellung<br />

von Geschichte <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> eine Chance, um die<br />

Rezipienten zu einer kritischen Auseinandersetzung, mit<br />

der Darstellung von Geschichte anzuregen.<br />

4.1 Der Autor Rius <strong>und</strong> seine Feinde<br />

Daß gerade ein Mexikaner Sachcomics auf dem deutschen<br />

Markt populär machte, ist vielleicht kein Zufall. In<br />

Lateinamerika sind <strong>Comic</strong>s ein wichtiger Ideologieträger,<br />

der sich vor allem an die unteren sozialen Schichten<br />

wendet.<br />

Eduardo del Rio Garcia, bekannt unter seinem Pseudonym<br />

,Rius‘, begann seine berufliche Karriere als Arbeiter<br />

<strong>und</strong> wurde dann Anfang der sechziger Jahre, Karikaturist<br />

bei der Zeitung „Ovaciones“ in Mexiko-Stadt. 65 Doch<br />

bald geriet er in politischen Differenzen mit den Herausgebern<br />

<strong>und</strong> mußte die Zeitung verlassen. Bei seinem<br />

Weggang konnte er seine inzwischen berühmte Serie<br />

„Los supermachos“ für die er 1965 in Mailand den Preis<br />

der <strong>Comic</strong>-Verleger bekam, nicht mitnehmen. 66<br />

So entwickelte er eine neue Reihe „Los Agachados“ (Die<br />

Gebeugten). Für die er aufgr<strong>und</strong> des „Völkerverbindenden<br />

Charakters“, den Preis der Unicef erhält. Die Helden<br />

seiner Serien sind Durchschnittsmexikaner, mit denen<br />

sich die Leser gut identifizieren können. Die Preise <strong>und</strong><br />

Ehrungen haben Rius aber nur bedingt vor Repressionen<br />

geschützt. 1969 wird er vorübergehend verhaftet<br />

<strong>und</strong> seine Karikaturen wurden fast nirgends mehr veröffentlicht.<br />

Mit „Cuba para Principiates“ (Kuba für Anfänger) veröffentlichte<br />

Rius 1966 sein erstes <strong>Comic</strong>-Book. Es schildert<br />

die Geschichte Kubas mit großer Sorgfalt <strong>und</strong> Sachkenntnis<br />

<strong>und</strong> die Errungenschaften des Sozialismus mit<br />

großer Begeisterung.<br />

Der Erzähl- <strong>und</strong> Zeichenstil, den Rius entwickelt, ist<br />

ebenso einfach wie raffiniert. Er verwendet oft bekannte<br />

Bilder anderer Künstler, <strong>Comic</strong>s, alte Stiche, Fotos oder<br />

Landkarten. Diese Bilder oder Fotographien kommentiert<br />

er dann graphisch, in dem er sie mit Zeichnungen<br />

ergänzt <strong>und</strong> ihnen so eine neue Aussage verleiht. Doch<br />

werden die Originale, auch wenn sie verändert werden,<br />

nie so verfremdet, daß man sie nicht mehr identifizieren<br />

könnte. Die historische Aussage der Originaldokumente<br />

wird so nicht beeinträchtigt. Das Bild bleibt für den Betrachter<br />

<strong>im</strong>mer durchschaubar, die Ästhetik wird der<br />

Transparenz deutlich untergeordnet. Es handelt sich<br />

also nicht um geistigen Diebstahl, sondern um eine<br />

besondere Collagenkunst. Rius gilt als führender ,<strong>Comic</strong>-Kompilator‘.<br />

Ein Stil, der in der Dritten Welt sehr<br />

beliebt ist, da er auf Farbe verzichtet <strong>und</strong> daher preisgünstig<br />

in der Herstellung.<br />

Für den Text benutzt Rius Sprechblasen <strong>und</strong> Blocktexte.<br />

Sein Spanisch ist mit aztekischen Wörtern durchsetzt,<br />

ganz wie die mexikanische Umgangssprache. Originalzitate<br />

oder Werkauszüge erkennt man <strong>im</strong>mer deutlich an<br />

der Typologie.<br />

In Deutschland ist er besonders durch seinen Erstling<br />

„Marx für Anfänger“ der 1979 <strong>im</strong> Rowohlt-Verlag erschienen<br />

ist, bekannt geworden. Trotz der unbestrittenen<br />

Qualität des ersten Bandes wurde der Nachfolgeband<br />

„Mao für Anfänger“ der 1980 erschien, vom Verlag überarbeitet.<br />

Die Autorenangabe hieß nun „Rius <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e“,<br />

was wohl der Wahrheit nicht besonders nahe kam.<br />

Rius äußerte sich ziemlich verärgert dazu, „Rius <strong>und</strong><br />

Feinde“ sei wohl treffender. 68<br />

Abb. 5: Marx für Anfänger<br />

Seine Lenin- <strong>und</strong> Trotzki-Biographien wurden dann auch<br />

gar nicht mehr in Deutschland veröffentlicht. Der Rowohlt<br />

Verlag 69 griff nun auf Plagiate englischer Autoren<br />

zurück. Einige andere Bände von Rius erschienen noch<br />

in linken Kleinverlagen, z.B. „Kuba für Anfänger“ bei der<br />

Fre<strong>und</strong>schaftsgesellschaft Westberlin-Kuba e.V., „Hallo<br />

Nicaragua“ 1983 be<strong>im</strong> Weltkreis-Verlag, Dortm<strong>und</strong>.<br />

Die 1987 entstandene Hitler-Biographie „Hitler para masoquistas“<br />

(Hitler für Masochisten) wurde leider auf<br />

deutsch noch nicht veröffentlicht.<br />

Rius folgt in allen seinen <strong>Comic</strong>s einer eindeutig marxistisch-leninistischen<br />

Ideologie <strong>und</strong> sieht diese wohl als<br />

einzige Hoffnung für die Länder Lateinamerikas an. Das<br />

seine <strong>Comic</strong>s obwohl sie einerseits belehrend sind, andererseits<br />

nie aufdringlich pädagogisch wirken, begrün-<br />

64 Seeßlen: Mythos contra Geschichte. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch 1991.<br />

Hamburg 1991. S. 23-31.<br />

65 Tatum: Rius – der <strong>Comic</strong>s-Autor als Sozialkritiker <strong>und</strong> politischer<br />

Unruhestifter. In: <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Cartoons in Lateinamerika.<br />

München 1991. S. 55-70.<br />

66 Frenzel: Rius. In: <strong>Comic</strong> Forum 30 (1985) S. 52-55.<br />

67 Ebd.<br />

68 Hachfeld: Themen, die in der Luft liegen. Gespräch mit dem<br />

mexikanischen Karikaturisten Rius. In: tendenzen 149 (1985)<br />

S. 27-29.<br />

69 Der Rowohlt-Verlag hat sich auf Anfrage nicht geäußert.


172 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

det sich vor allem in seinem feinsinnigen Humor, der<br />

einem selbst die Theorie des Mehrwerts zur Unterhaltung<br />

gereichen läßt.<br />

4.2 Die Geschichte des Nationalsozialismus<br />

Großes Aufsehen erregte 1989 die Veröffentlichung der<br />

zweibändigen Hitler-Biographie des Journalisten Friedemann<br />

Bedürftig <strong>und</strong> des Zeichners Dieter Kalenbach.<br />

Band 1 „Die Machtergreifung“ schildert Hitlers Lebensweg<br />

<strong>und</strong> die politische Situation der We<strong>im</strong>arer Republik.<br />

Band 2, „Der Völkermörder“ beginnt bezeichnenderweise<br />

bei der Gr<strong>und</strong>steinlegung zu einem neuen Autobahnteilstück<br />

<strong>und</strong> schildert dann den Verlauf des Zweiten<br />

Weltkriegs.<br />

Die Bände sind umstritten – „Der Spiegel“ 70 lobte, der<br />

Literaturkritiker Jan Philipp Reemtsma weigerte sich in<br />

der Zeitschrift „Konkret“, 71 „dieses in jeder Beziehung<br />

miserable Erzeugnis der papierschändenden Industrie“<br />

überhaupt zu rezensieren. Tatsächlich ist schon das<br />

Vorwort des Journalisten Erich Kuby „Eine Art Gebrauchsanleitung“,<br />

nicht dazu geeignet, einem zum Weiterlesen<br />

zu motivieren. Offensichtlich schätzt Kuby das<br />

Medium <strong>Comic</strong> nicht allzusehr. Da aber Jugendliche<br />

„überhaupt nichts mehr vom konzentrierten Lesen“ halten<br />

<strong>und</strong> auch nicht „die Veröffentlichungen zum Historikerstreit<br />

… auf dem Nachttisch liegen“ 72 haben, scheint<br />

ihm ein <strong>Comic</strong> wohl besser als nichts zu sein. „Die<br />

Mängel der Methode sind unvermeidlich“ meint Kuby,<br />

der generell alle Versuche, eine „Zurückstutzung des<br />

Nationalsozialismus auf das Wesen <strong>und</strong> Handeln dieses<br />

einen Menschen“ für unhistorisch hält <strong>und</strong> damit gleich<br />

einen Seitenhieb auf Fests berühmte Hitler-Biographie<br />

landet. In der Neuauflage des Werkes von 1993 verzichtete<br />

der Carlsen-Verlag dann auch auf Kubys einleitende<br />

Worte.<br />

Kalenbach <strong>und</strong> Bedürftig verteidigen ihr Vorgehen in<br />

ihrem Vorwort: „Zum einen ist die Tünche der Propaganda<br />

nirgends so dick wie be<strong>im</strong> ,Führer‘ <strong>und</strong> deswegen<br />

kommt das wirkliche Geschehen am besten durch Restauration<br />

des ursprünglichen Bildes zum Vorschein.<br />

Zum anderen hat es wohl in der Geschichte kaum einmal<br />

eine Entwicklung gegeben, die so auf eine Person<br />

zugelaufen <strong>und</strong> dann wieder von ihr ausgegangen ist,<br />

wie <strong>im</strong> Fall Hitler.“ 73<br />

Sie weisen damit auf das Problem der Bildgestaltung in<br />

diesem Bereich hin. Es gibt gerade von der Person<br />

Abb. 6: Kalenbach. Hitler Band 2<br />

Hitlers nur die von der Propaganda ausgewählten Bilder.<br />

„Menschen brauchen Bilder, vor allem Gegenbilder zur<br />

Propaganda der Täter.“ 74 Doch ihr Anspruch ist hoch<br />

gegriffen <strong>und</strong> ,verbesserungs-Bedürftig‘.<br />

Kalenbach bedient sich einer in Bonbon-Farben gehaltenen<br />

Collagetechnik, mit der die Seite <strong>im</strong>mer ganz<br />

gestaltet wird, es erfolgt keine Auflösung in Panels.<br />

Damit stellt sich auch die Frage, inwieweit es sich hier<br />

überhaupt noch um einen <strong>Comic</strong> handelt. Der Text wird<br />

als ordnendes Element in Blöcken <strong>und</strong> Sprechblasen<br />

eingesetzt. Die realistischen Buntstiftcollagen sind nach<br />

Fotovorlagen entstanden, doch verbergen sie ihre Herkunft.<br />

Nicht nur die unstrukturierte Seitengestaltung verwirrt<br />

den Leser, sondern auch die Frage ,Foto oder<br />

Fiktion?‘. 75 Kalenbach schafft kein Zeitdokument weil er<br />

die Herkunft seiner Bilder verschleiert.<br />

Die Absicht, ,Gegenbilder‘ zu schaffen haben, die Autoren<br />

vielleicht am ehesten in einer Ästhetisierung der<br />

Aussageabsicht umgesetzt; die Opfer sind weiß <strong>und</strong><br />

schön, Giftgas giftgrün 76 usw. Bei der Darstellung Hitlers<br />

gelingt es Kalenbach allerdings nicht, das Pathos der<br />

Nazis zu konterkarieren <strong>und</strong> sich von der faschistoiden<br />

Ästhetik zu lösen.<br />

Friedemann Bedürftig, Herausgeber des ,Großen Lexikons<br />

des Dritten Reiches‘, versuchte, möglichst Originalzitate<br />

Hitlers zu verwenden; eine ehrenhafte Absicht,<br />

nur sollte auch hier Transparenz gewahrt werden <strong>und</strong><br />

dem Leser klar sein, in welchen Fällen es sich um ein<br />

Zitat <strong>und</strong> wann um Prosa handelt. Ein dokumentarischer<br />

<strong>Comic</strong> muß Transparenz in Bild <strong>und</strong> Text wahren. Daß<br />

dies möglich ist zeigt Rius. Problematisch ist schließlich<br />

auch die Erzählweise, die Hitler als Protagonist quasi<br />

zum negativen Superhelden aufbaut, der den Muttertod<br />

<strong>und</strong> die Ablehnung auf der Kunsthochschule nicht verwindet<br />

<strong>und</strong> so zum Psychopathen wird.<br />

4.3 Politische Theorie<br />

In der Nachfolge Rius’ erscheinen noch zahllose Bände<br />

(Atomkraft für Anfänger, Lenin f.A., Trotzki f.A., Frieden<br />

f.A. u.a.) in der Reihe „rororo-Sachcomic“ be<strong>im</strong> Rowohlt<br />

Verlag, der sich auch nicht scheut, mit dem Rius-<br />

<strong>Comic</strong> zu werben. Die Produktion der Nachfolgebände<br />

basiert <strong>im</strong>mer auf der Zusammenarbeit eines sachk<strong>und</strong>igen<br />

Autors <strong>und</strong> eines Studiozeichners die Rius’ Stil<br />

kopieren.<br />

Bemerkenswert sind noch die verschiedensten Versuche<br />

von Literaturadaptionen. 1980 erschien „Das Kapital“<br />

von Jari Pekka Cuypers <strong>im</strong> VSA-Verlag. Er versucht<br />

dann noch ein bißchen unbeholfen, den ersten Band des<br />

„Kapitals“ leichtverständlich darzustellen. Von F.K.<br />

Wächter erschien 1982 ebenfalls <strong>im</strong> VSA-Verlag das<br />

„illustrierte Gr<strong>und</strong>gesetz“, in dem Karikaturen <strong>und</strong> kleine<br />

Strips sozusagen als „visueller Kontrapunkt“ dem Gesetzestext<br />

entgegengesetzt werden „Die Menschenrechte“<br />

70 Der Spiegel 39 (1989) S. 78-80.<br />

71 Konkret 11 (1989) S. 61.<br />

72 Kuby: Eine Art Gebrauchsanleitung. In: Hitler Bd. 1. Hamburg<br />

1989. S. 3.<br />

73 Kalenbach/Bedürftig: Hitler Bd. 1. Hamburg 1989. S. 8.<br />

74 Ebd.<br />

75 Weidemann: Foto oder Zeichnung? In: <strong>Comic</strong>s Anno. München<br />

1991. S. 26-41.<br />

76 Kalenbach/Bedürftig: Hitler Bd. 3. Hamburg 1989.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 173<br />

(1991) ist ein Sammelband, in dem sechs Autoren, u.a.<br />

Will Eisner, Annie Goetzinger, Alberto Breccia, einen der<br />

Artikel der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten<br />

Nationen erläutern. In Kurzgeschichten begründen sie<br />

die Notwendigkeit der Rechte.<br />

4.4 <strong>Politik</strong> für Jugendliche<br />

In ihrer Jugendreihe „rororo-rotfuchs“ erschienen 1983-<br />

84 drei „Quercomics“ von Wolfgang W<strong>im</strong>mer <strong>und</strong> dem<br />

Münchner Zeichner Tschap: „Sklaven“ (1983), „Rüstung“<br />

(1984) <strong>und</strong> „Moneymaker“ (1984). Diese Serie wurde<br />

speziell für Acht- bis Zwölfjährige konzipiert, deren Fähigkeit,<br />

Bildergeschichten zu lesen, besonders hoch<br />

sei. 77<br />

Der Band „Rüstung – vom Anfang der Erde bis zum<br />

möglichen Ende“ versucht die Geschichte der Waffen<br />

<strong>und</strong> der Kriege aufzuarbeiten. Die Erkenntnis, die vermittelt<br />

werden soll, heißt: nie hat Rüstung Kriege verhindert<br />

<strong>und</strong> den Frieden gesichert. Anhand der Zeitreise<br />

von Nina <strong>und</strong> Tom wird versucht, politische <strong>und</strong> historische<br />

Zusammenhänge aufzuzeigen <strong>und</strong> die Leser zum<br />

Handeln zu ermutigen.<br />

5 Themenkreise<br />

Um Literatur, <strong>und</strong> um solche handelt es sich be<strong>im</strong> Medium<br />

<strong>Comic</strong>, unter den Gesichtspunkten der <strong>Politik</strong> zu<br />

betrachten, darf der <strong>Politik</strong>begriff nicht zu eng definiert<br />

werden.<br />

Sowohl die institutionelle D<strong>im</strong>ension der <strong>Politik</strong>, die ,polity‘<br />

z.B. in Darstellung von Wahlen oder Gesetzestexten<br />

schlägt sich nieder als auch die normativ-inhaltliche, die<br />

,policy‘, die besonders kritisch betrachtet wird. Der Bereich<br />

der ,politics‘, hier besonders alle Formen der<br />

Macht, wird ebenfalls thematisiert.<br />

Um einen Überblick über die Breite des Genres zu<br />

vermitteln <strong>und</strong> zusätzlich eine Möglichkeit der Beurteilung<br />

zu schaffen, versuche ich, angelehnt an die Idee<br />

der Interessenkreise bei der Belletristik, die <strong>Comic</strong>s politisch-zeitgeschichtlichen<br />

Themenkreisen zuzuordnen.<br />

Die üblichen <strong>Comic</strong>-Kategorien wie z.B. Funnys, Adventure-<strong>Comic</strong>s,<br />

Semi-Funnys usw. werden hier zugunsten<br />

einer Einteilung, die sich sowohl an politischen Handlungsfeldern<br />

orientiert wie auch politischen Theorien <strong>und</strong><br />

Systeme zum Gegenstand hat.<br />

5.1 Krieg <strong>und</strong> Militär <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Krieg ist <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> eine beliebte Kulisse für Abenteurer<br />

<strong>und</strong> Weltraumfahrer. An dieser Stelle sollen jedoch nur<br />

die „Kriegs-<strong>Comic</strong>s“ erörtert werden, die den Krieg thematisieren.<br />

Aufgekommen ist das Thema während des Zweiten<br />

Weltkrieges.<br />

Metken 78 schreibt dazu: „Als die Vereinigten Staaten<br />

Ende 1941 in den Krieg eintraten, wurden auch die<br />

meisten <strong>Comic</strong>-Helden zu den Waffen gerufen. Vielfach<br />

hatten sie bereits vorher bek<strong>und</strong>et, auf wessen Seite die<br />

Sympathien ihrer Entwerfer lagen.“ Superhelden <strong>und</strong><br />

Militärs bekämpften die Kriegsgegner der USA. In manchem<br />

Heft wurde Adolf Hitler selbst bemüht, um gegen<br />

„Superman“, „Daredevil“ oder „Captain America“ anzutreten.<br />

Doch nicht nur Superhelden, auch ,normale‘ Militärs<br />

waren in dieser Zeit stark vertreten in den <strong>Comic</strong>s.<br />

„Blackhawk“ war eine bekannte Reihe, in der das Militär<br />

sich sehr autoritär gab. 79<br />

Einen Einbruch erlitt die Produktion dieser Serien erst<br />

Ende der sechziger Jahre, was zum einen mit dem<br />

Aufkommen der Jugend- <strong>und</strong> Bürgerrechtsbewegung<br />

<strong>und</strong> zum anderen mit der wachsenden Kritik an dem<br />

Vietnamkrieg erklärt werden kann. Wegen der starken<br />

Kritik wurde auch versucht, das Kriegsthema mit einem<br />

friedlichen Motto zu versehen. Der Spruch „Make war no<br />

more“ 80 tauchte in vielen <strong>Comic</strong>s, meist <strong>im</strong> Schlußpanel,<br />

ziemlich zusammenhanglos auf.<br />

1983 hat der amerikanische Pädagoge Rifas 81 solche<br />

Serien untersucht <strong>und</strong> folgende Gr<strong>und</strong>muster festgestellt:<br />

– <strong>im</strong> Krieg wird der Mann ein Mann;<br />

– Krieg ist unvermeidlich, moralische Skrupel führen<br />

zur Vernichtung;<br />

– Krieg ist notwendig zur Verteidigung von Freiheit <strong>und</strong><br />

Demokratie;<br />

– Krieg fördert die Rassen-Emanzipation;<br />

– Krieg ist ein Spiel mit hohem Einsatz.<br />

Kriegscomics produzieren in noch stärkerem Maße als<br />

andere <strong>Comic</strong>s eine Heldenfigur, die, ausnahmslos<br />

männlich, teilweise so überzeichnet ist, daß sie einer<br />

Karikatur ähnelt. Dem Held gegenüber steht das „Böse“,<br />

der Feind. Dieses Gr<strong>und</strong>muster gilt ähnlich auch für den<br />

Anti-Kriegscomic, in dem ein Pazifist die Heldenrolle<br />

übernehmen kann.<br />

Die amerikanischen Kriegscomics spielen hierzulande<br />

bis heute kaum eine Rolle, da sich zum einen das<br />

Gut-Böse-Schema USA gegen den Rest der Welt nicht<br />

für den deutschen Markt eignet, zum anderen die Verlage<br />

wohl auch Angst vor der vorauszusehenden massiven<br />

Kritik hatten. 82<br />

Für die auf dem deutschen Markt erhältlichen <strong>Comic</strong>s<br />

lassen sich folgende Themenschwerpunkte feststellen:<br />

– konventionelle Kriegsdarstellungen;<br />

– technikverherrlichende Flieger-<strong>Comic</strong>s;<br />

– kritische, dem Krieg negativ gegenüberstehende <strong>Comic</strong>s;<br />

– Atomkriegsszenarien.<br />

5.1.1 „Abenteuerspielplatz“ Krieg<br />

Bei den konventionellen Kriegsdarstellungen handelt es<br />

sich meist um Adventure-<strong>Comic</strong>s, die den Krieg als<br />

Hintergr<strong>und</strong> für die heldenhaften Aktivitäten ihrer Protagonisten<br />

benutzen.<br />

Einer der bekannteren Vertreter ist der Deutsch-Spanier<br />

Manfred Sommer, der mit seiner Serie „Frank Cappa“<br />

die aktuellen Kriegsschauplätze der Welt beleuchtet.<br />

Der Kriegsberichterstatter, dessen Name wohl von dem<br />

77 Börsenblatt 2123 (1983).<br />

78 Metken: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt/M. 1970. S. 75.<br />

79 Fuchs: Wo sind alle Krieger hin: In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1986.<br />

Frankfurt/M. 1986. S. 45.<br />

80 Maier: Make war no more. In: Comixene15 (1977) S. 6-9.<br />

81 Bulletin of Interracial Books for Children Vol. 14. No. 6. 1983.<br />

Zit. nach: Dolle-Weinkauf: Krieg <strong>und</strong> Frieden in <strong>Comic</strong>s. In:<br />

Beiträge zur Kinder- <strong>und</strong> Jugendliteratur 80 (1986) S. 37-49.<br />

82 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 181.


174 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

französischen Fotografen <strong>und</strong> Kriegsreporter Robert<br />

Cappa entlehnt ist, hat eine eher ablehnende Haltung<br />

dem Krieg gegenüber. Der Held, der <strong>im</strong>mer wieder an<br />

vorderster Front mitkämpft, ist ein Individualist, der versucht,<br />

beide Seiten zu verstehen. Doch auch wenn in<br />

Sommers Handlungen <strong>im</strong>mer wieder auf die Sinnlosigkeit<br />

des Krieges hingewiesen wird, kann das nicht darüber<br />

hinwegtäuschen, daß hier mit den nach nationalen<br />

Eigenarten differenzierten Grausamkeiten des Krieges<br />

Effekthascherei betrieben wird.<br />

In der Reihe des Splitter-Verlages aus München, „Splitter<br />

präsentiert <strong>Zeitgeschichte</strong>“, erscheinen dem Stil der<br />

klassischen amerikanischen Kriegscomics verpflichtete<br />

Storys. Mit dem US-Import „The NAM“ oder der U-Boot<br />

Geschichte „Auf Feindfahrt“, wird versucht, Authentizität<br />

zu inszenieren, indem die ganze Brutalität des Krieges<br />

vorgeführt wird.<br />

5.1.2 Fliegerserien<br />

Einen besonderen Höhepunkt erreichte das Genre zur<br />

Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg dient als Kulisse<br />

für spannende Abenteuer <strong>und</strong> seine Notwendigkeit wird<br />

nie in Frage gestellt. Amerikanische Zeichner wie Milton<br />

Caniff prägten den Stil mit Abenteuerserien wie „Terry<br />

and the Pirates“, die Technikverherrlichung mit Patriotismus<br />

<strong>und</strong> Kampfgeist verbanden. Angesiedelt <strong>im</strong> militärischen<br />

Bereich werden die Befehlsstrukturen <strong>und</strong> militärischer<br />

Drill als selbstverständlich akzeptiert, wenn es<br />

um den Schutz des Vaterlandes geht. 83<br />

Vor dem exotischen Hintergr<strong>und</strong> Chinas <strong>und</strong> Japans<br />

erlebt Terry seine ersten Abenteuer, wächst heran <strong>und</strong><br />

darf schließlich <strong>im</strong> Zweiten Weltkrieg gegen den „gelben<br />

Feind“ fliegen. Caniff war einer der erfolgreichsten<br />

Zeichner <strong>und</strong> einer der besten Kriegspropagandisten<br />

der USA. Die Folge, in der 1942 Colonel „Flip Corkin“<br />

dem jungen Piloten markige Worte mit in den Kampf<br />

gibt, wurde <strong>im</strong> Kongress verlesen <strong>und</strong> ins Protokoll aufgenommen.<br />

Typisch für die europäischen Serien ist laut Andreas C.<br />

Knigge, daß Gewalt nie in Eigenverantwortung ausgeübt<br />

wird, sondern <strong>im</strong>mer in militärischen Verbänden, die<br />

die moralische Verantwortung übernehmen.<br />

„Terry and the Pirates“ erschien erstmals 1934 <strong>und</strong> wurde<br />

während des Krieges fester Begleiter der Soldaten in<br />

den Zeitungen der Armee. 1947 begann Caniff mit einer<br />

ähnlichen Serie um den Piloten „Steve Canyon“, der<br />

anfangs ein Flugtaxi lenkt, aber zu Beginn des Vietnam-<br />

Kriegs der Luftwaffe beitritt.<br />

Milton Caniff gilt als einer der reaktionärsten <strong>Comic</strong>-Autoren<br />

der USA. Doch als ein informierter <strong>und</strong> analytischer<br />

Beobachter des Weltgeschehens <strong>und</strong> der militärischen<br />

Entwicklungen zeichnen sich seine Geschichten<br />

<strong>im</strong>mer durch Aktualität <strong>und</strong> technisches Know-how<br />

aus. 85<br />

In den USA schon während des Krieges verbreitet <strong>und</strong><br />

erfolgreich, schufen die Europäer nach dem Krieg ähnliche<br />

Serien. Der Belgier Jean Michel Charlier ein begeisterter<br />

Pilot, begann als erster in Europa mit der Flieger-<br />

Serie „Buck Danny“, die in der US Air Force angesiedelt<br />

ist. 86 Ein Auftritt Ronald Reagans vermittelt das Bild vom<br />

allwissenden <strong>Politik</strong>er. In einer Phase der Geschichte,<br />

als alle an „Buck Dannys“ Taten zweifeln, vertraut der<br />

Präsident seinem Helden, denn er weiß natürlich, auf<br />

welche Menschen man sich verlassen kann.<br />

Eine etwas andere Variante der Fliegercomics stammt<br />

von dem Deutsch-Belgier Albert Weinberg. Seine 1954<br />

begonnene Serie „Dan Cooper“ ist angereichert mit<br />

Science-Fiction Elementen <strong>und</strong> spielt in Weltraumstationen<br />

<strong>und</strong> NASA-Labors. „Asterix“-Zeichner Uderzo kreierte<br />

die Serie „Tanguy“. die in der „Force de frappe“<br />

angesiedelt ist. Uderzo gab „Tanguy“ allerdings dann<br />

zugunsten seines großen Erfolges ab.<br />

Typisch für die europäischen Serien ist laut Andreas C.<br />

Knigge, daß Gewalt nie in Eigenverantwortung ausgeübt<br />

wird, sondern <strong>im</strong>mer in militärischen Verbänden, die<br />

die moralische Verantwortung übernehmen. 87<br />

Das Genre scheint sich jedoch langsam überlebt zu<br />

haben. Zwar erscheinen <strong>im</strong> Moment noch klassische<br />

Serien in deutschen Verlagen, doch gibt es auch hier<br />

Anzeichen für einen Wandel „Der rote Baron“ des Amerikaners<br />

George Pratt zeigt anhand eines Vietnam-Piloten<br />

die psychischen Folgen, die ein Kriegseinsatz nach<br />

sich zieht.<br />

5.1.3 Krieg als Metapher<br />

Der Franzose Jacques Tardi beschäftigt sich in seinem<br />

Werk seit über zwanzig Jahren leidenschaftlich mit der<br />

Kriegs-Thematik.<br />

1973 erschien in Frankreich der Titel „Für Volk <strong>und</strong><br />

Vaterland“, ein <strong>Comic</strong> um den „Antihelden“ Brindavoine,<br />

der als Soldat die Schrecken des Ersten Weltkrieges<br />

erlebt. Man sieht ihn durch die Front laufen <strong>und</strong> dabei<br />

zum Waffenstillstand aufrufen. Von einem Kameraden<br />

angeschossen landet er <strong>im</strong> Lazarett. Als er von seinen<br />

Fieberträumen erwacht, liegt er in einer Kirche, in der<br />

sich ein deutscher, ein senegalesischer <strong>und</strong> ein französischer<br />

Deserteur zusammengetan haben. Am Ende<br />

wird der Deutsche von dem Franzosen meuchlings erschossen.<br />

Das letzte Panel zeigt den Toten, <strong>und</strong> über<br />

ihm eine Heiligenfigur mit segnender Armhaltung. Tardi<br />

scheut sich nicht, Kritik an der Kirche <strong>und</strong> an allen<br />

Institutionen zu üben, die den Krieg unterstützt haben.<br />

Einen erdrückenden kafkaesken Alptraum schildert die<br />

1975 entstandene „wahre Geschichte vom unbekannten<br />

Soldaten“. Der Träumende ist ein Groschenromanautor<br />

dessen Figuren zusammen mit Fre<strong>und</strong>en aus seinem<br />

Leben ein verwirrendes Spiel mit ihm spielen. Krähende<br />

Raben verheißen Tod <strong>und</strong> Verwesung. Erst auf den<br />

letzten Seiten klärt sich der Zusammenhang zum Titel.<br />

Es handelt sich um die Phantasien eines sterbenden<br />

Soldaten <strong>im</strong> Ersten Weltkrieg. Tardis surreale Erzählweise<br />

erlauben dem Leser keine Distanz, der ästhetische<br />

Schock geht einher mit dem politischen. Er zeigt hier<br />

keine Waffentechnik oder Frontromantik – die Handlung<br />

spielt bis zur der letzten Seite noch nicht einmal <strong>im</strong> Krieg.<br />

Er beschäftigt sich nur mit den letzten Gedanken eines<br />

83 Die großen Fliegercomics. In: Rraah 21 (1992= S. 23-25.<br />

84 <strong>Comic</strong>-Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung<br />

der Bildergeschichten. Berlin 1970. S. 71.<br />

85 Compart: Krieg <strong>im</strong> Abenteuer-<strong>Comic</strong>. In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch<br />

1986. Frankfurt/M. 1986. S. 32.<br />

86 Im Moment erfolgt gerade eine Neuauflage bei Carlsen.<br />

87 Knigge: Der Einfluß der amerikanischen Abenteuer-Serien auf<br />

die europäischen <strong>Comic</strong>s. In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1986. Frankfurt/M.<br />

1986. S. 39.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 175<br />

namenlosen Soldaten, den er uns als leidendes Wesen,<br />

voller Ängste <strong>und</strong> obszöner Träume, vorführt.<br />

Auch der Italiener Lorenzo Mattotti stellt in seinem Band<br />

„Feuer“ keine realistische Kriegssituation dar, sondern<br />

bietet eine in fulminanten Bildern erzählte Geschichte<br />

des Kampfes eines Menschen mit sich selbst.<br />

Der Panzerkreuzer Anselm II, der vor der Insel Sankt<br />

Agatha seinen Anker wirft, hat den Auftrag, mysteriöse<br />

Ereignisse aufzuklären. Ein Spähtrupp unter der Leitung<br />

des von Alpträumen he<strong>im</strong>gesuchten Leutnants Absinth<br />

wird ausgesandt. Während des Landganges hat der<br />

Leutnant das Gefühl, seine Traumwesen wiederzusehen.<br />

Er beginnt, die Insel zu lieben, <strong>und</strong> als bei einem<br />

zweiten Landgang ein Soldat einen Stein „erschießt“<br />

(der Stein beginnt zu bluten), entscheidet sich Absinth,<br />

auf der Insel zu bleiben. Er wird jedoch gewaltsam<br />

wieder zurückgebracht. Auch das hält den Untergang<br />

des Schiffes nicht auf, denn gegen die unwirklichen<br />

Mächte der Insel sind die Soldaten machtlos. Am Ende<br />

entpuppt sich die Geschichte als Aufzeichnung eines<br />

Selbstmörders.<br />

In den letzten Jahren sind verstärkt <strong>Comic</strong>s erschienen,<br />

die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland<br />

<strong>und</strong> allen seinen Erscheinungsbildern auseinanderzusetzen.<br />

Mattotti entwirft außergewöhnlich eindrucksvolle Bilder<br />

aus Ölkreide, die aber nie zum Selbstzweck werden. Der<br />

Seitenaufbau wird streng beibehalten <strong>und</strong> verleiht der<br />

Handlung eine nüchterne Wirkung.<br />

Benutzt Tardi die psychischen Alpträume zur Warnung<br />

vor dem Krieg, so geht Mattotti hier den umgekehrten<br />

Weg. Für ihn ist die Kriegsgeschichte ein Mittel zum<br />

Ausdruck unerklärlicher Welten. Die Ratio, versinnbildlicht<br />

<strong>im</strong> Militär, scheitert an dem Irrationalen, hier die<br />

Feuerwesen der Insel. Die Natur beschreibt Mattotti als<br />

eine Gewalt, die sich zu wehren weiß. Doch handelt es<br />

sich hier um keine „Öko-Geschichte“; vielmehr zeigen<br />

diese Sequenzen das phantastische, übersinnliche Element<br />

in dem <strong>Comic</strong>. Zweifellos ist das Etikett „Kriegs-<br />

<strong>Comic</strong>“ gewagt, geht dieser <strong>Comic</strong> doch weiter als übliche<br />

Auseinandersetzungen mit Gewalt. Mattotti hat hier<br />

die Szenerie eines Panzerkreuzers für das Spiel mit dem<br />

Wirklichkeitsbegriff gewählt.<br />

5.1.4 Atomare Apokalypse<br />

Einen eigenen Themenkreis bilden auch die <strong>Comic</strong>s, die<br />

sich mit den Auswirkungen der Atombombe beschäftigen.<br />

Hier treten nicht mehr Militär <strong>und</strong> Kriegshandlungen<br />

in das Zentrum der Handlung, sondern die grauenhaft<br />

inhumanen Auswirkungen <strong>und</strong> Schrecken dieser Vernichtungswaffe.<br />

Eine sehr direkte Auseinandersetzung bietet „Barfuß<br />

durch Hirosh<strong>im</strong>a“ von Nakazawa. Mit der Frage ,Was<br />

wird danach?‘ beschäftigten sich vor allem in den achtziger<br />

Jahren zahlreiche Autoren <strong>und</strong> regten zu den wildesten<br />

Szenarien an, z.B. die Serie „Jeremiah“ von<br />

Hermann, „S<strong>im</strong>on – Zeuge der Zukunft“ von Auclair oder<br />

„Verbrannte Erde“ von Crespin.<br />

Der Japaner Keije Nakazawa hat dagegen ein ganz<br />

besonders authentisches Dokument geschaffen. Nakazawa,<br />

der den Atombombenabwurf auf Hirosh<strong>im</strong>a selbst<br />

miterleben mußte, schafft trotz unbeholfener Zeichnun-<br />

gen ein sehr glaubwürdiges Bild der japanischen Kriegsdiktatur.<br />

Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive des<br />

kleinen Gen, der als Sohn eines Künstlers <strong>und</strong> Pazifisten<br />

sehr zu leiden hat. In der Schule, der Nachbarschaft<br />

<strong>und</strong> selbst in der eigenen Familie herrscht Unverständnis<br />

für die Haltung des Familienoberhauptes. Um die<br />

Schande des Vaters wieder gutzumachen, meldet sich<br />

der älteste Sohn freiwillig zum Militär <strong>und</strong> erlebt dort die<br />

letzten schrecklichen Tage von Soldaten einer Kamikaze-Einheit.<br />

Auch den Selbstmord ganzer Familien aus<br />

Angst vor den Amerikanern zeigt Nakazawa. Die japanische<br />

Gesellschaft wird dominiert von Angst, Gewalt,<br />

Hunger <strong>und</strong> Neid. Auch das Bild der Armee ist nicht<br />

besser; Drill <strong>und</strong> Brutalität sind für den jungen Soldaten<br />

die Hölle.<br />

Schließlich endet alles in dem Inferno der Atombombenexplosion.<br />

Gen <strong>und</strong> seine Mutter müssen zusehen, wie<br />

der Rest der Familie in ihrem Haus verbrennt.<br />

Nakazawas <strong>Comic</strong> beruht auf einem einfachen Gut-Böse-Schema,<br />

in dem sich, die Charaktere nicht weiterentwickeln,<br />

außerdem wird Einstein fälschlicherweise als<br />

begeisterter Vater der Atombombe dargestellt. Trotz dieser<br />

Mängel handelt es sich dabei um eine eindrucksvolle<br />

Kritik an der Abschreckungspolitik.<br />

Auch Art Spiegelman äußerte sich anerkennend: „ ,Gen<br />

of Hirosh<strong>im</strong>a‘ ist wüst gezeichnet, aber es ist dennoch<br />

ein großartiger <strong>Comic</strong>strip, weil die Geschichte in sich<br />

st<strong>im</strong>mt.“ 88<br />

Persönliche Betroffenheit versucht auch Raymond<br />

Briggs in seinem Band „When the Wind Blows“ (dt.<br />

„Strahlende Zeiten“) zu erzeugen. Seine Geschichte<br />

spielt aber in England <strong>und</strong> beruht <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

Nakazawas Erzählung nicht auf realen Ereignissen.<br />

In das friedlich-beschauliche Leben eines älteren Ehepaars<br />

bricht plötzlich die Weltpolitik ein. Mit praktischem<br />

Sachverstand versuchen sich die beiden zu schützen.<br />

Verklärte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg kommen<br />

bei den Vorbereitungen zum Bau eines Schutzraumes<br />

auf. Aber auch das genaueste Befolgen der offiziellen<br />

Anweisungen hilft den beiden nichts. Doch ihr Glauben<br />

an die Unfehlbarkeit der Autoritäten bleibt bis zuletzt<br />

unerschütterlich. Er zeigt den langsamen Tod der alten<br />

Leute einfühlsam <strong>und</strong> doch in seiner ganzen Grausamkeit.<br />

Briggs Stärke ist es, einerseits unsere gesicherte Lebenssituation<br />

darzustellen <strong>und</strong> gleichzeitig die Hilflosigkeit,<br />

wenn das dünne Eis der atomaren Abschreckung<br />

bricht.<br />

5.2 Nationalsozialismus <strong>und</strong> Holocaust<br />

In den letzten Jahren sind verstärkt <strong>Comic</strong>s erschienen,<br />

die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland<br />

<strong>und</strong> allen seinen Erscheinungsbildern auseinanderzusetzen.<br />

Als wichtigster kann der 1989 in deutsch erschienene<br />

<strong>Comic</strong> „MAUS“ von Art Spiegelman gelten,<br />

der vor allem in Deutschland eine Medienresonanz erfahren<br />

hat, wie nie zuvor ein <strong>Comic</strong>.<br />

Doch es gab auch weniger populäre Versuche. In Frankreich<br />

erschien 1988 „Hitler = SS“ von Philippe Vuillemin<br />

88 Affolter: Gespräch mit Art Spiegelman. In: <strong>Comic</strong> Art 6 (1983)<br />

S. 6-16.


176 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

<strong>und</strong> Jean-Marie Gourio. Die beiden sind Mitarbeiter der<br />

Satirezeitschrift „Hara-Kiri“, für die schon Reiser in den<br />

sechziger Jahren gearbeitet hat. „Hitler = SS“ ist ein<br />

aufklärerisch gemeinter <strong>Comic</strong>, der wegen seines gegen<br />

alle Seiten gerichteten Zynismus, schließlich verboten<br />

wurde. Der bittere Spott, der in den Geschichten steckt,<br />

wurde nicht als solcher gebilligt. 89 Die Autoren haben<br />

versucht, das faschistische Menschenbild karikaturistisch<br />

zu übersteigern, doch die Darstellung eines Juden<br />

mit großer Nase <strong>und</strong> dicken Lippen, der vor der Gaskammer<br />

Seife für 5 Franc verkauft, war den Gerichten<br />

dann doch zu menschenverachtend.<br />

Eine völlig andere Erzählweise pflegt Art Spiegelman,<br />

der für sein außergewöhnliches Werk „Maus“ zahlreiche<br />

Preise erhalten hat, u.a. den „Cavior Award“ für den<br />

besten jüdischen Roman, den italienischen „Yellow Kid“,<br />

den französischen „Prix Alfred“, den „Max-<strong>und</strong>-Moritz-<br />

Sonderpreis“ <strong>und</strong> den Pulitzerpreis.<br />

Die Geschichte hat durchweg zwei Ebenen. Einmal die<br />

historische, in der der Überlebenskampf des Vaters <strong>im</strong><br />

Dritten Reich dargestellt wird, <strong>und</strong> zum anderen die der<br />

Gegenwart, die das Erzählen des Vaters <strong>und</strong> dessen<br />

Beziehung zu seinem Sohn dokumentiert.<br />

Vladek, der Vater, wird auf beiden Ebenen unterschiedlich<br />

geschildert. Während er in der Vergangenheit das<br />

Opfer ist, erscheint er in der Gegenwart als Täter, der<br />

seine Familie mit seinen unterschiedlichsten Marotten<br />

terrorisiert.<br />

,Der <strong>Comic</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>‘, die Darstellung der Recherchen<br />

<strong>und</strong> der Entstehung des Werkes, zeigt in aller Offenheit<br />

die Schwierigkeiten des Autors mit seinem Thema. Der<br />

Leser muß eine kritische Haltung annehmen da ihm<br />

keine Identifikationsfigur <strong>und</strong> keine „reine Wahrheit“ an-<br />

Abb. 7: Art Spiegelman. Maus.<br />

geboten wird. Indem er sich vom allwissenden Erzähler<br />

zur <strong>Comic</strong>figur degradiert, zeigt er auch seine Selbstzweifel<br />

an der zeichnerische Umsetzung.<br />

Die handelnden Figuren als antropomorphe Tiere darzustellen,<br />

wirkt auf den ersten Blick sehr provokativ. Spiegelman<br />

hatte dafür einen Anlaß <strong>und</strong> einen Gr<strong>und</strong>. Der<br />

Anlaß war, daß er einen Strip mit Tieren für Robert<br />

Crumb machen sollte, <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong> war der Vergleich<br />

der Nationalsozialisten von Juden mit Ungeziefer 90 <strong>und</strong><br />

von Polen mit Schweinen.<br />

Doch damit muß Spiegelman sich auch entscheiden –<br />

es gibt keine ,gleichen‘ Menschen mehr, es gibt nur noch<br />

Mäuse, Katzen <strong>und</strong> Schweine; beispielhaft stellt er das<br />

Problem in einer Szene dar, in der er seine Frau Françoise,<br />

eine Französin, fragt, als welches Tier er sie<br />

zeichnen soll? Spiegelman umgeht das Problem teilweise,<br />

indem er die Figuren Masken tragen läßt – ist die<br />

Maus wirklich eine Maus? Spiegelman äußert sich hierzu:<br />

„All metaphors are a kind of lying. As soon as you<br />

make a correspondence, it only highlights the gaps.<br />

Nothing thoroughly interlocks.“<br />

Die Tiermetaphern haben Spiegelman viel Kritik eingetragen,<br />

von jüdischer <strong>und</strong> vor allem von polnischer Seite.<br />

92 Der Hauptvorwurf war, es würden damit ethnische<br />

Stereotypen verfestigt. Darauf meinten die Befürworter,<br />

nur eine solche mythische Darstellung liese einen realistischen<br />

Eindruck entstehen.<br />

Auch daß Spiegelman sich selbst wesentlich positiver<br />

darstellt als seinen Vater, wurde bemängelt. Doch zeigt<br />

Spiegelman vor allem, daß die Leiden des Vaters auch<br />

an dem Sohn nicht spurlos vorübergegangen sind.<br />

Weniger spektakulär, aber handwerklich sehr gelungen<br />

ist die Beschreibung des Warschauer Ghettos von Paul<br />

Gillon <strong>und</strong> Patrik Cothias, einer zweibändige Adaption<br />

der Tagebücher „Der Schrei nach Leben“ des polnischen<br />

Juden Martin Gray. Gillons Bilder sind von einer kühlen<br />

Ästhetik, was der eher sachlichen, aber nicht gefühllosen<br />

Atmosphäre der Geschichte zugute kommt.<br />

Auch die beiden jungen Deutschen Thomas Kühn <strong>und</strong><br />

Holger Klein haben sich in ihrem Erstling „Kann denn<br />

Liebe Sünde sein?“ mit Schuld <strong>und</strong> Rache auseinandergesetzt.<br />

Der sympathische Cellist, dem plötzlich wieder<br />

ein Engagement winkt, findet sich plötzlich seinen ehemaligen<br />

KZ-Musikerinnen gegenüber, denen er einst als<br />

Lagerführer der SS vorstand. Obwohl die Frauen ihn am<br />

Ende gehen lassen, kann er seiner Buße nicht entgehen.<br />

5.3 Arbeitswelt<br />

In ihrer Analyse der Walt-Disney-Produkte „Micky Maus“<br />

<strong>und</strong> „Donald Duck“ weisen die Südamerikaner Dorfmann<br />

<strong>und</strong> Mattelart auf die Abwesenheit der Arbeitswelt<br />

in diesen <strong>Comic</strong>s hin. 93 Donald Duck ist zwar ständig auf<br />

Arbeitssuche, doch auch wenn er einen Job findet, ist<br />

das Arbeitsverhältnis nie von langer Dauer.<br />

89 Albig: Karikatur des Grauens. In: Magazin der Süddeutschen<br />

Zeitung (15.05.1992).<br />

90 „Es ist ja wohl nur recht <strong>und</strong> billig, die Welt von einer minderwertigen<br />

Rasse zu befreien, die sich wie Ungeziefer vermehrt.“<br />

Zit. nach Spiegelman: MAUS – Teil 1. Reinbek 1989. S. 4.<br />

91 Fein: The Holocaust as a Cartoonist’s Way of Getting to know<br />

His Father. In: New York T<strong>im</strong>es 10.12.1991.<br />

92 Schwarz: Maus. Gießen 1993. S. 22-26.<br />

93 Dorfmann/Mattelart: Walt Disney „Dritte Welt“. Berlin 1977.<br />

S. 81 ff.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 177<br />

Dorfmann <strong>und</strong> Mattelart sehen darin die wirtschaftliche<br />

Karikatur der Entwicklungsländer, da nur der Pr<strong>im</strong>är<strong>und</strong><br />

der Tertiärbereich der Ökonomie dargestellt wird.<br />

Der Rohstoffabbau ist dabei <strong>im</strong>mer mühelos möglich,<br />

Goldminen ziehen nie irgendwelche Arbeit nach sich,<br />

sondern verwandeln sich sofort in Taler. Der mühevolle<br />

Abbau der Rohstoffe wird verschwiegen.<br />

Lange Zeit spielten Frauen in der <strong>Comic</strong>-Szene keine<br />

Rolle. Es gab keine bekannten Zeichnerinnen oder Szenaristinnen.<br />

Bei der Leserschaft war es auch nicht besser;<br />

selbst die in den vierziger Jahren entstandenen<br />

Superheldinnen waren auf den männlichen, voyeuristischen<br />

Blick zugeschnitten.<br />

Die verarbeitende Industrie, der Sek<strong>und</strong>ärbereich, auf<br />

dem der Reichtum der Industrienationen beruht, wird<br />

ebenso völlig ausgespart. Darin besteht tatsächlich eine<br />

Parallele zu der Wirtschaftsstruktur der Entwicklungsländer.<br />

Die von Dorfmann <strong>und</strong> Mattelart analysierten Strukturen<br />

findet man nicht nur bei den Ducks. Die Arbeitswelt<br />

spielte in den <strong>Comic</strong>s, wie auch <strong>im</strong> Film oder der Trivialliteratur<br />

lange Zeit keine Rolle.<br />

Eine Ausnahme machen einige Strips, die speziell für<br />

Gewerkschaftszeitungen entworfen wurden. Erich Rauschenbachs<br />

„Kollege Karl“ erscheint alle zwei Wochen<br />

in der Mitgliederzeitung der IG Metall. Rauschenbach<br />

benutzt für seine Strips eine ähnliche Technik wie Trudeau<br />

für seinen Doonesbury. Eine stehende Figur, „Kollege<br />

Karl“, kommentiert in jeweils vier Panels alle Themen,<br />

die die arbeitende Bevölkerung interessieren<br />

könnte.<br />

Ein besonders gelungenes Beispiel sind die „Hammer-<br />

<strong>Comic</strong>s: Tiefschläge aus der Arbeitswelt“ von den<br />

Schweizerinnen Brigitte Fries <strong>und</strong> Liz Seitter. In einer<br />

außergewöhnlichen Mischtechnik aus Fotografie <strong>und</strong><br />

Zeichnungen werden Themen wie Fremdenhaß oder<br />

Unfallverhütung dargestellt. Zwar kommen auch typisch<br />

schweizerische Probleme vor, beispielsweise das unmenschliche<br />

Saisonnierstatut, aber die meisten Szenen<br />

könnten sich genauso auf b<strong>und</strong>esdeutschen Baustellen<br />

abspielen. Entstanden ist die Serie für die Schweizer<br />

Gewerkschaftszeitung „Bau <strong>und</strong> Holz“. Mit viel Witz,<br />

Humor <strong>und</strong> Können haben die beiden Autorinnen einen<br />

genauen Blick für die Arbeitswelt entwickelt.<br />

Der bekannteste Arbeitnehmer <strong>im</strong> deutschen <strong>Comic</strong><br />

dürfte zweifellos „Werner“ sein. Der Motorradfreak, der<br />

einen „phonetisch exakt umgesetzten Schnodder-Jargon“<br />

94 beherrscht, hat seinen Schöpfer „Brösel“ mittlerweile<br />

republikweit bekannt gemacht. Werner, der in seiner<br />

Freizeit lieber Bier trinkt <strong>und</strong> Motorrad fährt, wird<br />

während seiner Ausbildung von seinem Meister schrecklich<br />

gesch<strong>und</strong>en. Die entsprechen Storys haben nicht<br />

umsonst den Titel „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“.<br />

Mit der Utopie der Gewerkschaften, von einer Welt mit<br />

gerechter Verteilung der erwirtschafteten Werte setzen<br />

sich Christin <strong>und</strong> Bilal auseinander. „Die Stadt, die es<br />

nicht gab“ aus den „Legenden von heute“, beschreibt<br />

eine Kleinstadt mit monopol-kapitalistischer Gesellschaftsstruktur.<br />

Während eines Streiks der Arbeiter stirbt der alte Unternehmer<br />

<strong>und</strong> die Erbin, eine junge, an den Rollstuhl<br />

gefesselte Frau, will sich ein privates Utopia schaffen.<br />

Eine neue Stadt soll entstehen, „geschützt vor Sonne,<br />

Wind <strong>und</strong> vor menschlicher Not“! Lebhaft diskutieren die<br />

zukünftigen Einwohner ihre Idealstadt. Doch nicht alle<br />

fühlen sich wohl, vor allem die Nachdenklichen ergreifen<br />

die Flucht.<br />

In den Bildern Bilals drückt sich all die Phantasie <strong>und</strong><br />

Künstlichkeit aus, die dem Unternehmen eigen ist. Die<br />

Stadt versinkt unter einer Glaskuppel, <strong>und</strong> die Ausstattung<br />

entspricht den Traumwelten den Kinder. Doch gerade<br />

die Kinder langweilen sich als erste darin.<br />

Die Geschichte endet nicht euphorisch – weder <strong>im</strong> Gelingen<br />

noch <strong>im</strong> Scheitern – <strong>und</strong> sie bietet keine Lösung<br />

an. Das beinhaltet auch eine gänzliche Absage an sozialistische<br />

Träume von gerechten Welten. Die künstliche<br />

Insel der Gerechtigkeit kann doch nur materielle Bedürfnisse<br />

befriedigen <strong>und</strong> wird deshalb auch nur von denen<br />

akzeptiert, die keine Träume haben. Letztlich ist sie ein<br />

Spielzeug für die Reichen <strong>und</strong> Intellektuellen, die damit<br />

ihr soziales Gewissen beruhigen oder um, wie es der<br />

Ingenieur der Stadt ausdrückt, der Menschheit zu dienen.<br />

5.4 Feminismus<br />

Lange Zeit spielten Frauen in der <strong>Comic</strong>-Szene keine<br />

Rolle. Es gab keine bekannten Zeichnerinnen oder Szenaristinnen.<br />

Bei der Leserschaft war es auch nicht besser;<br />

selbst die in den vierziger Jahren entstandenen<br />

Superheldinnen waren auf den männlichen, voyeuristischen<br />

Blick zugeschnitten <strong>und</strong> folglich den männlichen<br />

Mitgliedern der Gerechtigkeitsliga letztendlich unterlegen.<br />

95<br />

Aber auch den zahlreichen wohlgeformten Heroinen<br />

machte der <strong>Comic</strong>-Code schließlich den Garaus. Die<br />

einzige Überlebende war „Wonder Woman“, die Amazonenkönigin,<br />

<strong>und</strong> erst 1962 durfte das Musterbeispiel<br />

eines amerikanischen College-Girl, Linda Lee Danvers,<br />

ihre Identität lüften: sie ist Supermans Cousine „Super-<br />

Girl“! 96<br />

Die dargestellten weiblichen Stereotypen schwankten<br />

zwischen Vamp in schwarzer Abendrobe, Tigerfellbikini<br />

<strong>und</strong> Hausdrachen. 97 Nur in Ausnahmefällen erscheinen<br />

Frauen als selbstbewußte, selbstverantwortlich handelnde<br />

Figuren, wie beispielsweise Oma Duck, die zwar<br />

Kuchen bäckt <strong>und</strong> für ihre Tiere sorgt, aber sich dafür<br />

auch nicht von Männern reinreden läßt.<br />

Frischen Wind in das Frauenbild der <strong>Comic</strong>s brachte<br />

1962 Jean-Claude Forests „Barbarella“. Ein deutliches<br />

Abbild von Frankreichs nationalem Sexsymbol Brigitte<br />

Bardot, die zwar meist spärlich bekleidet, doch zumindest<br />

nicht an der Hand eines männlichen Vorm<strong>und</strong>es<br />

durch den Weltraum ,jettete‘.<br />

<strong>Comic</strong>s mit feministischem Hintergr<strong>und</strong> tauchen erstmals<br />

<strong>im</strong> Zuge der U-Comix-Entwicklung auf. Zeitschriften<br />

wie „W<strong>im</strong>men’s Comix“, oder „Girl Fight <strong>Comic</strong>“ reagieren<br />

in den USA der siebziger Jahre auch auf das<br />

Frauenbild der U-Comix. Am bekanntesten wurde Trina<br />

Robbins, die mit einem einfachen, groben Zeichenstil<br />

94 Knigge: <strong>Comic</strong>-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 192.<br />

95 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 125.<br />

96 Ebd. S. 126.<br />

97 Vgl. hierzu: Umberto Ecos Ausführungen über die Tupfenbluse<br />

bei Steve Canyon. In: Apokalyptiker <strong>und</strong> Integrierte. Frankfurt/M.<br />

1984. S. 122.


178 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

verführerisch schöne, männermordende Superfrauen<br />

schuf <strong>und</strong> damit die männliche Ästhetik überzeichnete. 98<br />

Die frechen <strong>Comic</strong>s „Trots and Bonni“ von Shary Flenniken<br />

oder Linda Barrys „Girl and Boys“ sind in Deutschland<br />

außer in Sek<strong>und</strong>ärliteratur zu den U-Comix leider<br />

nie erschienen. 99<br />

Im Jahr 1991 schließlich brachte Elefanten Press einen<br />

Sammelband mit Kurzgeschichten amerikanischer<br />

Zeichnerinnen heraus, die wie Robbins stark der U-Comix-Tradition<br />

verhaftet sind. Die „<strong>Comic</strong>-Sisters“ antworten<br />

bewußt „politisch falsch“ auf Auseinandersetzungen<br />

in der Frauen-<strong>Comic</strong>-Szene. 100 Sie entmystifizieren in<br />

ihren Strips zentrale „Frauenthemen“ wie „Wahre Liebe“<br />

oder „Sex“ provokant <strong>und</strong> mit viel Humor.<br />

In Deutschland haben Frauen wie Marie Marcks oder<br />

Franziska Becker Freud <strong>und</strong> Leid des Frauenlebens in<br />

<strong>Comic</strong>s beschrieben.<br />

Franziska Becker begann als Cartoonistin bei der Zeitschrift<br />

„Emma“, konnte dort ihr Talent in monatlichen<br />

Strips entwickeln. „Feminax <strong>und</strong> Walkürax“ ist eine glänzende<br />

Parodie auf die Asterix-Hefte <strong>und</strong> speziell auf den<br />

letzten Band „Asterix <strong>und</strong> Maestria“ in dem die Frauen<br />

nach ihrem Aufstand wieder brav an den Herd zurückkehren.<br />

Die Qualität des Heftes, über den feministischen<br />

Aspekt hinaus, mißt sich nicht nur daran, daß selbst der<br />

streitbare Uderzo nicht den Vorwurf des Plagiates erhoben<br />

hat.<br />

Becker überträgt die Geschichte in die germanische<br />

Sagenwelt <strong>und</strong> die Protagonistinnen hadern mit den<br />

Römern ebenso wie mit den Germanen. Ebenso wie das<br />

„Vorbild“ Asterix lebt das Heft von Anspielungen auf die<br />

Gegenwart <strong>und</strong> von Situationskomik. Alle Abgründe des<br />

Frauenlebens <strong>und</strong> der feministischen Realität werden<br />

beschrieben <strong>und</strong> veralbert.<br />

Die ,grande dame‘ des feministischen <strong>Comic</strong>, Claire<br />

Bretêcher, begann 1969 bei „Pilote“. Die Serie „Die Frustrierten“,<br />

mit der sie endlich den Durchbruch schaffte,<br />

entstand für die Wochenzeitung „Nouvel Observateur“,<br />

bis sie schließlich in Buchform erschien. Darin porträtiert<br />

Bretêcher die 68er Bewegung mit all ihren Schrullen,<br />

was ihr den Ruf von Frankreichs bestem Soziologen<br />

eintrug. 101<br />

In „Monika, das Wunschkind“ stellt sie die vergeblichen<br />

Bemühungen einer Schauspielerin dar, die versucht,<br />

Schwangerschaft <strong>und</strong> Hauptrolle unter einen Hut zu<br />

kriegen. Die Lösung scheint in der modernen Medizin zu<br />

liegen. Die Hausperle Candida erklärt sich auch gleich<br />

bereit, die Schwangerschaft zu übernehmen, doch es<br />

kommt natürlich zu allerlei Verwicklungen.<br />

Bretêcher <strong>und</strong> Becker ähneln sich <strong>im</strong> Zeichenstil. Ihre<br />

Frauen sind keine Werbeschönheiten, sondern dicklich,<br />

haben Kartoffelnasen <strong>und</strong> viel zu große Füße. Die Autorinnen<br />

nehmen ferner ähnliche Themen auf, z.B: Kindererziehung<br />

oder Beziehungsprobleme <strong>und</strong> siedeln diese<br />

<strong>im</strong>mer in der links-intellektuellen Szene an. Im Gegensatz<br />

zu den Amerikanerinnen versuchen sie, Situationen<br />

aus dem alltäglichen Leben kritisch zu beleuchten.<br />

Eher en passant setzt sich Anni Goetzinger, eine französische<br />

Zeichnerin, mit den Schwierigkeiten des Frauenlebens<br />

auseinander. „Die Diva“ ist eine Geschichte mit<br />

zwei Handlungsebenen. Im Rückblick wird die Besatzungszeit<br />

in Frankreich geschildert. Eine junge Sängerin<br />

verwickelt sich <strong>im</strong> Laufe ihrer Karriere in Kontakte zu den<br />

Nationalsozialisten <strong>und</strong> wird dafür nach Ende des Krieges<br />

zur Verantwortung gezogen. Goetzinger schafft hier<br />

eine Frauengestalt, die Opfer ihrer weiblichen Erziehung<br />

<strong>und</strong> der Abhängigkeiten eines Frauenlebens wurde, weil<br />

es ihr nicht gelang, sich selbst zu befreien. In der erzählerischen<br />

Gegenwart wird ihre Befragung durch ein Resistance-Tribunal<br />

geschildert. Hier stehen sich zwei Versionen<br />

einer Lebensgeschichte gegenüber, ihre persönliche<br />

<strong>und</strong> die der ehemaligen Widerstandskämpfer, ihrer<br />

Richter.<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich mit dem<br />

Auftauchen der Frauen als <strong>Comic</strong>-Macherinnen die Darstellung<br />

der Frau verändert hat. Keine der bekannten<br />

Zeichnerinnen produziert chauvinistische Massenware.<br />

Die meisten verstehen sich als Feministinnen, auch<br />

wenn sie sich nicht speziell mit der Frauenbewegung<br />

beschäftigen <strong>und</strong> besetzten ihre Hauptrollen mit Frauen.<br />

5.5 Ökologie<br />

Bevor Pierre Christin zusammen mit dem Zeichner Enki<br />

Bilal, seine „Legenden von heute“ begann, veröffentlichte<br />

er schon 1972 einen Band mit Jacques Tardi, der<br />

thematisch zu dieser Reihe gehört. „Aufruhr in der Rouergue“<br />

handelt von dem Versuch eines multinationalen<br />

Konzerns, eine alte Kupfermine wieder in Betrieb zu<br />

nehmen. Nicht nur die Lokalbevölkerung befürchtet damit<br />

eine Zerstörung des Waldes, in dem die Mine liegt,<br />

auch das „kleine Volk“, die Zwerge <strong>und</strong> Kobolde des<br />

Waldes, sorgen sich um ihre Welt. Mit Hilfe eines gewissen<br />

Milou Cadausac, der in den späteren Bänden als<br />

Agent 50/22 B wieder auftaucht, können sie die Konzernleitung<br />

– alles Menschen mit einer materialistischen<br />

Geisteshaltung – in völlige Verwirrung stürzen.<br />

Durch kluges Vorgehen des Helden werden am Ende<br />

Abb. 8: Aufruhr in der Rouergue<br />

98 Robbins: U-Comix Sonderband 13. Linden 1977.<br />

99 Metzler <strong>Comic</strong> Reader. Darmstadt 1975. S. 247, 271-273.<br />

100 Noomin: <strong>Comic</strong>-Sisters. Berlin 1993. S. 7.<br />

101 Kaps: Soziologin mit dem Zeichenstift. In: <strong>Comic</strong>-Forum 48<br />

(1990) S. 35-38.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 179<br />

alle Probleme zum Guten gewendet. Die Inbetriebnahme<br />

der Mine wird verhindert <strong>und</strong> trotzdem werden Arbeitsplätze<br />

geschaffen, denn der Konzern baut eine dem<br />

traditionellen Handwerk der Gegend verb<strong>und</strong>ene Fabrik.<br />

Auch die angeworbenen spanischen Gastarbeiter werden<br />

integriert; an alle wird gedacht. Nur die Herren der<br />

Konzernleitung können ihr altgewohntes Leben nicht<br />

mehr weiterführen. Die Begegnung mit den Mächten<br />

<strong>und</strong> Bewohnern des Waldes hat zu tiefe Risse in ihrem<br />

vernunftorientierten Weltbild hinterlassen.<br />

Die nächsten beiden Bände der „Légendes d’Aujourd’hui“,<br />

nun mit dem Zeichner Enki Bilal. beschäftigen<br />

sich ebenfalls mit der Umweltzerstörung durch die Industrie.<br />

In „Die Kreuzfahrt der Vergessenen“ geht es um ein<br />

militärisches Gehe<strong>im</strong>unternehmen, in dem ein Antischwerkraftsgenerator<br />

ein ganzes Dorf in die Lüfte erhebt.<br />

Doch auch für die beteiligten Militärs bleibt das Ganze<br />

nicht ohne Folgen. Im Laufe der Geschichte verwandeln<br />

sie sich <strong>im</strong>mer mehr in froschartige Gestalten, die bis<br />

zuletzt gehorsam <strong>und</strong> technikgläubig den Anordnungen<br />

der Regierungsbeamten Folge leisten. Auch hier äußert<br />

sich der Protest der betroffenen Bevölkerung sehr mystisch<br />

in Form des wegfliegenden Dorfes.<br />

In einer vorgestellten Geschichte, in der der Agent<br />

50/22B von einer Kommission des Gehe<strong>im</strong>dienstes anhand<br />

seines Dossiers vorgestellt wird, kommen zwei<br />

Individuen vor, die eine „teilweise ähnliche Biographie<br />

wie 50/22B“ haben: Herr Bilal <strong>und</strong> Herr Christin. Sie<br />

charakterisieren ihren Helden selbst als „Symbolfigur mit<br />

übernatürlichen Kräften, Anti-Held, ein Irrtum des Zeitgeistes,<br />

ein Symbol der widerstreitenden gesellschaftlichen<br />

Kräfte, des Klassenkampfes, der die herrschende<br />

Ideologie unterlaufen wird“. 102 So drückt sich in der Präsenz,<br />

bzw. Abwesenheit von 50/22B, die von Band zu<br />

Band schwindet, der Opt<strong>im</strong>ismus der Autoren aus, durch<br />

einen politisch handelnden Menschen die gesellschaftliche<br />

Entwicklung noch beeinflussen zu können.<br />

Auch in „Das steinerne Schiff“ richtet sich die Kritik<br />

gegen einen Konzern, der an der bretonischen Küste<br />

eine Touristenzentrum bauen will. Eine alte Burg soll zu<br />

diesem Zweck verlegt werden, doch der letzte Bewohner,<br />

ein merkwürdiger alter Mann, gibt nicht kampflos<br />

auf. Die Burg verwandelt sich in ein Schiff, das Symbol<br />

der ursprünglichen Lebensart der Bretonen, die vom<br />

Fischfang lebten. Auch früher sei die Burg ein Schiff<br />

gewesen, sagt der Alte, das Schiff mit dem die ersten<br />

Menschen in die Bretagne kamen. Diese Geschichte<br />

endet nicht mehr ganz so opt<strong>im</strong>istisch wie die beiden<br />

ersten, das Dorf verschwindet mit der Burg, ein unerklärlicher<br />

Vorgang. Doch an der Südspitze des amerikanischen<br />

Kontinentes, in Feuerland, entsteht ein neues<br />

Dorf. Hier deutet sich ein Trend an, der sich in den<br />

Werken der beiden Autoren nun fortsetzt. Immer mehr<br />

schwindet die Zuversicht auf eine glückliche Lösung<br />

nicht nur der Umweltprobleme der Menschheit.<br />

Ein leider nicht mehr lieferbarer <strong>Comic</strong> erschien 1978 in<br />

Deutschland. „Die Geschichte von der Wyhlmaus <strong>und</strong><br />

anderen Menschen“ von Wolfgang Hippe <strong>und</strong> Jari Pekka<br />

Cuypers ist ein Ergebnis der Anti-Atomkraft-Bewegung<br />

<strong>und</strong> speziell der Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk<br />

in Wyhl. Die Autoren treiben die Segnungen der<br />

Industriegesellschaft satirisch auf die Spitze, <strong>im</strong> sie einen<br />

völlig durchtechnisierten Tagesablauf darstellen –<br />

denn irgendwo muß der viele Strom ja hin. Eine tatkräf-<br />

tige Maus führt durch das Geschehen <strong>und</strong> erklärt das<br />

Funktionieren des KKWs genauso wie die Positionen<br />

der Gegner. Landesvater „Filbi“ <strong>und</strong> die dargestellten<br />

Kommunalpolitiker sind wohl die einzigen gewesen, denen<br />

das Lachen bei diesem <strong>Comic</strong> verging.<br />

Eine steile Karriere hat die Serie der Marburger Joach<strong>im</strong><br />

Friedmann <strong>und</strong> Henk Wyninger „Lais <strong>und</strong> Ben“ gemacht.<br />

Das B<strong>und</strong>esministerium für Umweltschutz hat eine allerdings<br />

„überarbeitete“ Version für Schulen herausgegeben.<br />

„Lais <strong>und</strong> Ben“sind zwei junge Studenten, die in<br />

einem Studiencamp <strong>im</strong> brasilianischen Amazonasgebiet<br />

eigentlich ihren Forschungen nachgehen sollen. Doch<br />

ihr Engagement für den Umweltschutz geht über die<br />

eigentlichen Forschungen hinaus. Die Farbgebung <strong>und</strong><br />

der Zeichenstil erinnern an lateinamerikanische Kunst<br />

<strong>und</strong> passen daher sehr gut zum Inhalt. Der Zusammenhang<br />

zwischen Entwicklungspolitik <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

wird deutlich.<br />

Im Bereich des Jugend-<strong>Comic</strong>s wird in nächster Zukunft<br />

sicher noch einiges angeboten werden. Anzeichen hierfür<br />

sind einmal der Jugendliteraturbereich <strong>und</strong> auch die<br />

Trickfilmindustrie, die das Thema Ökologie, das gerade<br />

Jugendliche stark bewegt, verstärkt aufgreifen. Die TV-<br />

Serie „Zaster, Zoff <strong>und</strong> die Rezurzen“, eine Mischung<br />

aus Wiedervereinigungskr<strong>im</strong>i <strong>und</strong> Umweltkomödie, liegt<br />

nun auch als <strong>Comic</strong> vor.<br />

5.6 Rassismus<br />

„In jedem Rassismus steckt ein <strong>Comic</strong><br />

strip, mit seiner krassen Entgegensetzung<br />

von Gut <strong>und</strong> Böse.“<br />

Art Spiegelman 104<br />

Im amerikanischen <strong>Comic</strong> tauchen Schwarze erst seit<br />

Ende der sechziger Jahre auf. Die Marvelhelden bekamen<br />

schwarze Helfer; so tauchte bei den „Fantastic<br />

Four“ 1966 ein schwarzer Superheld auf: Black Panther.<br />

Der Name wurde später geändert, um eine Verwechslung<br />

mit der Bürgerrechtsbewegung auszuschließen.<br />

Auch Captain America bekamt einen schwarzen Helden<br />

an seine Seite, „The Falcon“. Frühere Versuche, z.B.<br />

von Will Eisner schon in den vierziger Jahren, scheiterten<br />

vor allem an der mangelnden Akzeptanz der Leser,<br />

die nur Weiße <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> akzeptierten. 105<br />

Rassismus in seiner momentan aggressivsten Form, der<br />

Apartheid in Südafrika, ist das Thema zweier Geschichten<br />

des Franzosen Jean Louis Trippier, kurz ,Tripp‘ genannt.<br />

In „Zoulou Blues“ <strong>und</strong> „Afrikaans Bazaar“ verwickelt<br />

Tripp seinen Helden Jacques Gallard in die Auseinandersetzungen<br />

der Gehe<strong>im</strong>polizei mit dem ANC.<br />

Tripp montiert geschickt Bilder eines Massakers an<br />

Schwarzen in Südafrika parallel zu einem Anschlag von<br />

Faschisten in Frankreich gegen Aktivisten von SOS-<br />

Rassismus <strong>und</strong> verschweigt somit auch nicht den Rassismus<br />

in Europa.<br />

Er arbeitet in dem ersten Band Auszüge der Verteidigungsrede<br />

von Nelson Mandela ein <strong>und</strong> in dem zweiten<br />

102 Christin/Bilal: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek 1988.<br />

S. 14.<br />

103 <strong>Comic</strong> Info 1 (1993) S. 10.<br />

104 Howald: Fröschin oder Mäusin? In: Die Zeit (17.04.1992).<br />

105 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />

München 1971. S. 241.


180 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Band Lyrik von Breyten Breytenbach. Die beiden Symbolfiguren<br />

des Widerstandes gegen die Apartheid stehen<br />

stellvertretend für Menschen wie Gallard, die Position<br />

beziehen <strong>und</strong> gegen Unrecht eingreifen. Kleine<br />

Schwächen haben die Geschichten aber doch: so sind<br />

sich die Schwarzen bei Tripp noch einig, eine Zulu-Tanzgruppe<br />

unter einem gewissen „Buthelezi“ arbeitet Hand<br />

in Hand mit dem ANC, was der Realität nicht mehr<br />

entspricht.<br />

Satirisch geht der in Frankreich lebende Farid Boudjellal<br />

die Meinungsverschiedenheiten zwischen „Jude <strong>und</strong><br />

Araber“ an. In kurzen karikaturistischen Strips arbeitet er<br />

Pointen heraus, die die altbekannten Streitereien ziemlich<br />

unsinnig erscheinen lassen. Die Jugendlichen <strong>und</strong><br />

Frauen stehen den Auseinandersetzungen der Väter auf<br />

beiden Seiten hilflos gegenüber. Vielleicht sind Boudjellals<br />

Schilderungen nicht <strong>im</strong>mer sehr realistisch doch er<br />

entmystifiziert den Konflikt jedoch wohltuend.<br />

Mit dem latenten Rassismus der dreißiger Jahre in den<br />

USA setzt sich der Jude <strong>und</strong> „Spirit“-Schöpfer Will Eisner<br />

in seinem autobiographisch geprägten Band „Im Herzen<br />

des Sturms“ auseinander. In Brooklyn erfährt der kleine<br />

Will, was es heißt Jude zu sein. Die Nachbarskinder<br />

haben in ihm ihr neues Opfer entdeckt. Dem Vater seiner<br />

Fre<strong>und</strong>in wird die Werkstatt von Rassisten abgebrannt.<br />

In seinem Mietskasernen-Epos „Lifeforce“, das in der<br />

Bronx angesiedelt ist, leiden die Menschen besonders<br />

unter der wirtschaftlichen Depression. Zwischen den<br />

Zeichnungen tauchen <strong>im</strong>mer wieder Zeitungsmeldungen<br />

auf <strong>und</strong> die Berichte über die Judenverfolgungen in<br />

Europa gehen in Briefe einer deutschen Jüdin an ihren<br />

Jugendfre<strong>und</strong> über, der daraufhin alles in Bewegung<br />

setzt, sie in die USA zu holen.<br />

5.7 Der Sozialismus<br />

Die sozialistischen Systeme haben – mit Ausnahme von<br />

China – vielleicht nie solch ideologische <strong>Comic</strong>s produziert<br />

wie die USA. Es gibt keine sozialistischen Superhelden,<br />

die für Werte wie die Erfüllung des Fünf-Jahres-<br />

Planes streiten.<br />

Die DDR-Serie „Mosaik“ mit den mittlerweile auch in<br />

West-Deutschland bekannten „Digedags“ schaffen zwar<br />

auch ihre Feindbilder, doch sind diese <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

amerikanischen Serien wie Captain America ziemlich<br />

harmlos.<br />

Die chinesischen <strong>Comic</strong>s beruhen auf einer langen Tradition<br />

<strong>und</strong> sind, anders als die westlichen Produkte,<br />

weniger auf Unterhaltung, sondern mehr auf Belehren<br />

ausgerichtet. Da sie schon <strong>im</strong>mer zur Massenliteratur in<br />

China gehöret haben, sind sie hier wesentlich mehr<br />

verbreitet als in anderen sozialistischen Ländern. Das<br />

klassische Beispiel für einen maoistischen <strong>Comic</strong>, „Das<br />

Mädchen aus der Volkskommune“, wurde auch ins<br />

Deutsche übertragen.<br />

Aus westlicher Sicht haben sich die beiden Franzosen<br />

Christin <strong>und</strong> Bilal ihre Gedanken zum real-existierenden<br />

Sozialismus gemacht. Der letzte Band ihrer ,Legenden<br />

von heute‘, „Treibjagd“, erschien erstmals 1983 <strong>und</strong> liegt<br />

nun in einer erweiterten Version vor. 106<br />

Der Sonderzug mit Parteifunktionären gleitet durch die<br />

schneebedeckte Landschaft. General Tschewtschenko,<br />

ein körperliches Wrack, dessen Physiognomie erstarrt<br />

ist <strong>und</strong> der nicht mehr sprechen kann, reist in Begleitung<br />

seines Sekretärs <strong>und</strong> von Funktionären der Partei zur<br />

Jagd in das krisengeschüttelte Polen.<br />

Die sozialistischen Systeme haben – mit Ausnahme von<br />

China – vielleicht nie solch ideologische <strong>Comic</strong>s produziert<br />

wie die USA. Es gibt keine sozialistischen Superhelden,<br />

die für Werte wie die Erfüllung des Fünf-Jahres-<br />

Planes streiten.<br />

In Rückblenden wird die Karriere des Generals geschildert,<br />

der er Stück für Stück seine Menschlichkeit geopfert<br />

hat. Seine Geliebte wurde Opfer der großen stalinistischen<br />

Säuberung von 1937, <strong>und</strong> nach ihrem Tod gibt<br />

es für ihn kein „Gut <strong>und</strong> Böse“ mehr. Doch Moral hat<br />

nichts mit Intelligenz <strong>und</strong> Begabung zu tun <strong>und</strong> der Alte<br />

ist <strong>im</strong>mer noch der beste Jäger <strong>und</strong> schlägt seinen<br />

potentiellen Nachfolger <strong>im</strong> Schachspiel. Opfer des sportlichen<br />

Vergnügens, man ahnt es schon, wird nicht das<br />

Wild, sondern ein junges Mitglied des Politbüros.<br />

Das Gr<strong>und</strong>thema besteht in der Frage nach den Trägern<br />

der Menschheitsgeschichte. Sind die Klassenauseinandersetzungen<br />

best<strong>im</strong>mend, wie es der Historischen Materialismus<br />

besagt, oder ist die Geschichte ein Ergebnis<br />

der Taten einzelner Menschen? Bilal <strong>und</strong> Christin schaffen<br />

das Bild eines Sozialismus, der den arbeitenden<br />

Menschen als Träger der Geschichte, seinen ehemaligen<br />

Mittelpunkt, längst vergessen hat.<br />

Der Lebensweg des Generals wird von verschiedenen<br />

Seiten beleuchtet. Einst ein idealistischer junger Held,<br />

gerät er in die Niederschlagung der Matrosen von Kronstadt<br />

(1921), die Schauprozesse der dreißiger Jahre,<br />

den Einmarsch in Prag. Einmal an der Macht, ist Machterhalt<br />

das einzige Ziel. Doch die Erinnerung läßt den<br />

General schließlich nicht mehr los, <strong>und</strong> er n<strong>im</strong>mt sich mit<br />

dem Jagdgewehr das Leben.<br />

Im neu angehängten ,Epitaph‘ kommen die Männer<br />

noch einmal <strong>im</strong> Jagdschloß zusammen, um die Perestroika<br />

zu verhindern. Doch einer von ihnen, der Deutsche<br />

G. Schütz, aufgr<strong>und</strong> der Entmachtung Honeckers<br />

Insasse einer psychiatrischen Anstalt <strong>und</strong> kein offizieller<br />

Teilnehmer mehr, sprengt das Schloß in die Luft.<br />

Hier wenden sich die Autoren endgültig gegen die marxistische<br />

Geschichtsschreibung, die den Einfluß von Individuen<br />

auf den Lauf der Welt nicht wahrhaben will.<br />

Oder sollte der Untergang des Sozialismus das Ergebnis<br />

einer Klassenauseinandersetzung sein?<br />

Ein anderes Autorenteam aus Frankreich, Tripp <strong>und</strong><br />

Barcelo, führt den Leser in seinem ersten auf deutsch<br />

erschienenen Album „Soviet Zig Zag“ in die heutige<br />

Sowjetunion. Der Tourist Gallard sieht einem hochkarätigen<br />

Schachspieler so ähnlich, daß es zu einer Verwechslung<br />

kommt. Als der Schachspieler kurz vor einen<br />

Tournier verschwindet, gerät Gallard zwischen die Fronten<br />

der Gehe<strong>im</strong>dienste. Der CIA hätte gerne den berühmten<br />

Schachspieler als Dissidenten, der KGB versucht<br />

dies zu verhindern. Der in der Ära der aufke<strong>im</strong>enden<br />

Perestroika entstandene <strong>Comic</strong>, setzt die beiden<br />

Supermächte in ihrer Moral <strong>und</strong> dem Umgang mit Menschen<br />

gleich.<br />

106 Erscheinen der um einen Epitaph erweiterten Ausgabe für<br />

April 1993 angekündigt.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 181<br />

Abb. 9: Der Gegenspieler von „V“<br />

5.8 Faschistische Gesellschaftsordnungen<br />

Alan Moores sechsbändiger <strong>Comic</strong>-Roman „V for Vendetta“<br />

entstand zwischen 1982-88. Die Geschichte um<br />

den modernen ,Guy Fawkes‘ spielt in einem offen faschistischen<br />

England, genauer <strong>im</strong> London des Jahres 1997.<br />

Alles beherrschend dringt die ,St<strong>im</strong>me der Vorsehung‘ in<br />

orwellscher Manier über Lautsprecher zu allen Bewohnern.<br />

Durch die Straßen geistern Polizisten, die an Ort<br />

<strong>und</strong> Stelle gleich richten <strong>und</strong> das Urteil vollstrecken.<br />

Plötzlich erschüttert eine Explosion London, das Parlamentsgebäude<br />

wird Opfer eines Anschlages.<br />

„V“ 107 ein <strong>im</strong> Untergr<strong>und</strong> lebender Terrorist, vollzieht,<br />

was Guy Fawkes knappe 400 Jahre früher nicht gelang.<br />

Fortan wird „V“ gejagt, wie kein Staatsfeind zuvor. Trotzdem<br />

gelingen ihm <strong>im</strong>mer neue Attentate auf die Schl<strong>im</strong>msten<br />

der Repräsentanten des Unterdrückerstaates.<br />

Auf einem seiner nächtlichen Streifzüge rettet er ein<br />

Mädchen, Evey, die er nach <strong>und</strong> nach zu seiner Verbündeten<br />

erzieht. In Rückblenden werden ihr Leben <strong>und</strong><br />

gleichzeitig die Machtergreifung der Faschisten geschildert<br />

<strong>und</strong> die grauenhaften Lager, in denen die Gegner<br />

der Diktatur gefangen gehalten wurden. „V“ ist aus einem<br />

solchen Lager geflohen <strong>und</strong> rächt sich nun an allen<br />

seinen Peinigern. Die Welt ist durch einen großen Krieg<br />

zerstört worden, Afrika vernichtet, aber auch Europa ist<br />

nur noch eine einzige Umweltkatastrophe. Am Ende<br />

bringt „V“ auch den faschistischen Führer um <strong>und</strong> kommt<br />

dabei selbst ums Leben.<br />

Die von starken Schatten überlagerten Zeichnungen<br />

von David Lloyd erzählen nie zuviel, so daß eine gehe<strong>im</strong>nisvolle<br />

Atmosphäre gewahrt bleibt.<br />

Moore gibt den Menschen also nochmal eine Chance;<br />

auch wenn sein Menschenbild ein negatives ist, kann er<br />

doch die Hoffnung nicht begraben, daß ein besseres<br />

System entstehen könnte. 108 Zur Demokratie hat er ein<br />

gebrochenes Verhältnis; die Sprengung des Parlaments<br />

steht als Symbol dafür. „V“ ist ein autonom handelnder<br />

Mensch, der seine Verantwortung nicht abgibt.<br />

107 „V“ ist eine ebenso unsichtbar lebende Gestalt wie der Autor<br />

des Romans „V“, Thomas Pynchon.<br />

108 Langhans: Lexikon der <strong>Comic</strong>s. Meitingen 1991.


182 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Den Faschismus stellt Moore in aller Grausamkeit, aber<br />

nicht als plattes Schreckgespenst dar. Er bedient sich<br />

hierzu <strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong>posanter Bilder: in einem Dialog<br />

mit der Statue der Gerechtigkeit, Justizia, beschuldigt<br />

„V“ seine ,Geliebte‘ der Hurerei mit der Macht <strong>und</strong><br />

sprengt sie dann mit einer herzförmigen Bombe in die<br />

Luft. Mit vielen Details schafft er ein durchaus differenziertes<br />

Bild der Diktatur <strong>und</strong> deren Mittel der <strong>Politik</strong>.<br />

Moore zieht daraus die Konsequenz, daß so ein System<br />

mit Gewalt bekämpft werden muß. Doch äußert er<br />

schließlich auch Selbstkritik: „Gr<strong>und</strong>sätzlich war ,V for<br />

Vendetta‘ einer meiner gelungensten Versuche, die melodramatische<br />

Abenteuergeschichte in eine Art politischen<br />

Dialog umzuformen. Aber rückblickend würde ich<br />

es ohne den Kerl <strong>im</strong> Umhang machen, ohne den Killer<br />

in der Hauptrolle. Das deformiert unausweichlich die<br />

Aussage <strong>und</strong> trivialisiert sie bis zu einem gewissen<br />

Grad.“ 109<br />

Bezieht man noch andere <strong>Comic</strong>s, die von einer ähnlichen<br />

Gesellschaftsstruktur ausgehen in die Betrachtung<br />

ein (s. Anhang), fällt auf, daß die Faschisten in keinem<br />

<strong>Comic</strong> durch Gewalt, sondern <strong>im</strong>mer durch freie Wahlen<br />

an die Macht kommen. Das Mißtrauen der <strong>Comic</strong>-Autoren<br />

gegen die „beste aller Gesellschaftsformen“ scheint groß.<br />

5.9 Die Anarchie des Lachens<br />

Wir müssen das Nichternstnehmen<br />

ernstnehmen. Und das dann wieder<br />

nicht ernstnehmen.“<br />

Hans Dieter Hüsch<br />

Der letzte der Themenkreise ist einer, der eigentlich<br />

keiner ist. Doch mit sozialkritischen Funnys hat die Geschichte<br />

der <strong>Comic</strong>s begonnen <strong>und</strong> bis heute ist die<br />

politische Satire eine der gelungensten Seiten des <strong>Comic</strong>s.<br />

Die zahlreichen Satireblätter, die durch die Wie-<br />

Abb. 10: Seyfrieds anarchistische Invasion 109 Ebd.<br />

dervereinigung Deutschlands noch Zuwachs erhalten<br />

haben, weisen darauf hin.<br />

Eine ungewöhnliche Brücke zwischen <strong>Comic</strong> <strong>und</strong> Cartoon<br />

schlug in den fünfziger Jahren Jules Feiffer mit<br />

seinem „Feiffer“. Die Zeichnungen wiederholen sich von<br />

Bild zu Bild oft ohne Veränderung, der Gag entsteht<br />

durch den Text. Diese Methode wandte dann auch Garry<br />

Trudeau in seinem bereit erwähnten „Doonesbury“ an.<br />

So konnten auch in kürzester Zeit tagesaktuelle Satiren<br />

entstehen.<br />

Mit den Werten des Mittelstandes räumten die Undergro<strong>und</strong>-Zeichner<br />

auf. Die Opfer ihrer leicht anarchistisch<br />

angehauchten Strips waren meist die Repräsentanten<br />

der Staatsgewalt, die Polizei. Unverhohlen wurden in<br />

den U-Comix Joints geraucht, <strong>und</strong> das zu einer Zeit, in<br />

der die großen <strong>Comic</strong>-Konzerne aufgr<strong>und</strong> des <strong>Comic</strong>-<br />

Codes das Wort ,Drogen‘ noch nicht einmal drucken<br />

durften.<br />

Sheldon, der Vater der „Freak Brothers“ wurde dann<br />

auch zum großen Vorbild des Berliner Zeichners Gerhard<br />

Seyfried, dessen <strong>Comic</strong>s hierzulande schnell populär<br />

wurden. Man fand die Strips auf allen Publikationen,<br />

die mit „alternativer“ Kultur zu tun hatten. In „Invasion<br />

aus dem All-Tag“ läßt er kleine schwarze Gnome auftreten,<br />

die den Anarchismus personifizierten. Sie; kommen<br />

in teekesselförmigen Raumschiffen aus dem Weltraum<br />

auf die Erde <strong>und</strong> bringen eine gehe<strong>im</strong>nisvolle Waffe<br />

mitbringen. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen<br />

Vorbildern, ist Seyfried aber politisch geradliniger. Als<br />

Linker lehnt er Sexismus <strong>und</strong> Rassismus ab <strong>und</strong> pflegt<br />

in seinen Beschreibungen der urbanen Alternativkultur<br />

einen <strong>und</strong>ogmatischen Anarchismus.<br />

Der Franzose Franquin, der als Schöpfer des Marsupilamis<br />

berühmt wurde, hat auch eine Serie politischer<br />

Satiren gezeichnet. Die „Schwarzen Gedanken“ paaren<br />

bitterbösen Humor mit einem klaren Blick für problematische<br />

Zeiterscheinungen.<br />

6 <strong>Comic</strong>s als Ausdrucksmittel politischer<br />

Bewegungen<br />

Politische Bewegungen spiegeln sich nicht nur in <strong>Comic</strong>s<br />

wider, sie drücken sich auch selbst in <strong>Comic</strong>s aus.<br />

Das geschieht meist sehr laienhaft in kurzen Strips,<br />

beispielsweise auf Flugblättern oder in Zeitschriften.<br />

Umfangreichere Werke sind in Deutschland hauptsächlich<br />

als Asterix-Raubdrucke aufgetaucht.<br />

Das Thema kann an dieser Stelle nur angerissen werden,<br />

da die Materialsammlung gewissen Schwierigkeiten<br />

unterliegt <strong>und</strong> außerdem die Hefte für Bibliotheken<br />

nicht relevant sind, da man sie nicht über den Buchhandel<br />

beziehen kann. Trotzdem sollen einige markante<br />

Werke, zur Abr<strong>und</strong>ung des Themas, kurz vorgestellt<br />

werden.<br />

Auch hier gehen die Traditionen weit zurück. Schon<br />

während der russischen Oktoberrevolution fertigte eine<br />

Gruppe junger Künstler, der auch Wlad<strong>im</strong>ir Majakowski<br />

angehörte, in Moskau comicartige Großplakate an, die<br />

mit Schablonen schnell vervielfältigt werden konnten.<br />

Die sogenannten „Rosta-Fenster“ sollten eine schnelle<br />

Reaktion auf politische Tagesereignisse sein. Entwurf


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 183<br />

<strong>und</strong> Produktion nahm höchstens zwei Tage in Anspruch.<br />

Deshalb mußte die Darstellung der Personen stark<br />

schematisiert werden, <strong>und</strong> die Farbgebung, die auf wenige<br />

Gr<strong>und</strong>farben beschränkt war, unterstrich die politische<br />

Bedeutung der Figuren.<br />

Die Plakate wurden dann von der Russischen Telegraphen-Agentur<br />

(abgekürzt: Rosta) 1919-1922 in Schaufenstern<br />

leerer Läden aufgehängt. Sie erschienen zuerst<br />

in Moskau, dann in Petrograd, Charkow <strong>und</strong> anderen<br />

Städten. 110<br />

<strong>Comic</strong>s in Fremdsprachen werden von den Lesern sehr<br />

gut akzeptiert, was nicht weiter verw<strong>und</strong>ert, da auf diese<br />

Weise Fremdsprachenkenntnisse aufgefrischt werden<br />

können, ohne daß dabei der Spaß an der Geschichte<br />

verloren geht.<br />

In Deutschland entstanden in der Anti-Atomkraft-Bewegung<br />

einige <strong>Comic</strong>s, die als Raubdrucke über Info-Stände<br />

oder Aktionsgruppen vertrieben wurden. Meist handelt<br />

es sich hierbei um Asterix-Verfremdungen. Die <strong>Comic</strong>-Panels<br />

werden darin in anderer Reihenfolge, passend<br />

zu einem neuen Text, zusammengestellt.<br />

Den Bau des schnellen Brüters verhindern die Gallier in<br />

„Asterix <strong>und</strong> das Atomkraftwerk“. Cäsar <strong>und</strong> sein geldgieriger<br />

Gesinnungsgenosse Extraprofit haben nämlich<br />

als Standort für den „brutus rapidus“ gerade das Dorf der<br />

Gallier auserkoren was diese natürlich auf die Barrikaden<br />

treibt „Asterix <strong>im</strong> Hüttendorf“ thematisiert die Auseinandersetzungen<br />

um die Startbahn West bei Frankfurt.<br />

„Asterix gegen Rechts“ erschien 1980 zum B<strong>und</strong>estagswahlkampf<br />

von Franz Josef Strauß. Darin bekommt<br />

ein „Asterix“ mit Baskenmütze <strong>und</strong> rotem Stern Schwierigkeiten<br />

mit den demokratischen Vorstellungen des<br />

restlichen Dorfes, der Basisgruppe, als er eine Gesinnungsprüfung<br />

einführen möchte. Hier wird die Kadermentalität<br />

revolutionärer Basisgrüppler liebevoll karikiert.<br />

,Der Kandidat‘ erleidet, wohl der Hoffnung der<br />

Verfasser Ausdruck verleihend, eine Niederlage.<br />

In „Asterix <strong>und</strong> Obelix für die 35-St<strong>und</strong>en-Woche mit<br />

vollem Lohn u. Personalausgleich“ wird „Asterix“ zum<br />

kämpferischen Betriebsrat der „Flickx-Hinkelstein-<br />

GmbH“.<br />

Wenn man sich diese vielfältigen Produktionen ansieht,<br />

drängt sich der Eindruck auf, daß die Linke in Deutschland<br />

ihre Asterix-Hefte ganz besonders ins Herz geschlossen<br />

<strong>und</strong> wenig von den chauvinistischen Anklängen<br />

zur Kenntnis genommen hat; möglicherweise wegen<br />

der ganz besonders charmanten Form, in der er<br />

erfolgt.<br />

Eigenproduktionen gibt es aber auch in anderen Bereichen.<br />

Beispielsweise gab die Ulmer Amnesty International<br />

Gruppe einen selbstgemachten <strong>Comic</strong> zur Verschärfung<br />

des Asylrechts heraus.<br />

Auch die ,rechte Szene‘ bedient sich des <strong>Comic</strong>s. So<br />

weisen Peter Dudek <strong>und</strong> H.G. Jaschke in ihrer Untersuchung<br />

der rechtsextremen Presse 111 auf ein rechts-satirisches<br />

Jugendmagazin „Gäck“ hin, das auch durch Verwendung<br />

von <strong>Comic</strong>s einen subkulturellen Habitus erzeugen<br />

will. Auf der Titelseite werden Daniel Düsentrieb<br />

die Worte in den M<strong>und</strong> gelegt: „Gäck! Die beste Erfindung,<br />

seit es Schülerzeitungen gibt!“. 112 Aber auch<br />

selbstgezeichnete Strips tauchen auf. So wird in einem<br />

Strip das angebliche Verhältnis eines Linken (langhaarig,<br />

Peace-Zeichen um den Hals) zu einem Rechten<br />

(kurze Haare, ansonsten neutral) ,entlarvt‘. Der Linke<br />

stellt geschlossene Fragen, die den anderen als völligen<br />

Durchschnittsbürger erscheinen lassen. Im letzten Panel,<br />

als er den Rechten als „gräßliches nazistisches<br />

Monster“ besch<strong>im</strong>pft, verwandelt sich sein Peace-Zeichen<br />

in Hammer <strong>und</strong> Sichel, um so endgültig klarzustellen,<br />

wer hier das ,Monster‘ ist.<br />

7 Schlußbetrachtung: <strong>Comic</strong>s in<br />

Öffentlichen Bibliotheken<br />

Der Überblick zeigt, daß <strong>Comic</strong>s heute an politischen<br />

Inhalten mehr bieten als nur die Bestätigung eines Mittelstandsweltbildes.<br />

Gerade die spektakulären Neuerscheinungen<br />

der letzten Jahre, weisen darauf hin, daß<br />

eine Stagnation der Kunstform <strong>Comic</strong> vorläufig noch<br />

nicht zu befürchten ist.<br />

Dieser Entwicklung sollte man in Bibliotheken Rechnung<br />

tragen, indem man das Medium entsprechend ernst<br />

n<strong>im</strong>mt. Dazu gehört, daß man zusammengehörige Serien<br />

auch komplett, beispielsweise in einer Kassette<br />

ausleihen kann. <strong>Comic</strong>-Romane wie Moores „V for Vendetta“<br />

oder „Die Wächter“ machen nur als Ganzes einen<br />

Sinn, be<strong>im</strong> dritten Band zu beginnen wäre absurd. Allerdings<br />

sind an diesem Zustand die Verlage nicht unbeteiligt.<br />

Während in den USA „Watchmen“ in einem Band<br />

erschien, splittet der Carlsen-Verlag – sehr geschäftstüchtig<br />

– die deutsche Ausgabe der Geschichte in sechs<br />

Einzelteile, die dazu noch zeitlich versetzt erscheinen.<br />

Bibliotheken sollten deshalb, bei allen Schwierigkeiten,<br />

die die Beschaffung von Originalausgaben mit sich<br />

bringt, mehr <strong>und</strong> mehr auf diese ausweichen. <strong>Comic</strong>s in<br />

Fremdsprachen werden von den Lesern sehr gut akzeptiert,<br />

was nicht weiter verw<strong>und</strong>ert, da auf diese Weise<br />

Fremdsprachenkenntnisse aufgefrischt werden können,<br />

ohne daß dabei der Spaß an der Geschichte verloren<br />

geht. Hier sei übrigens angemerkt, daß sich der Wortschatz<br />

von <strong>Comic</strong>s in der Qualität nicht von dem anderer<br />

Literatur unterscheidet.<br />

Zu einem vernünftigen Bestandsaufbau gehört auch eine<br />

gute Informationsquelle, also eine <strong>Comic</strong>-Zeitschrift.<br />

Beispielsweise Zeitschriften wie „Sprechblase“, „Rraah!“<br />

oder das Wiener „<strong>Comic</strong> Forum“. In all diesen Zeitschriften<br />

wird auch wichtige Sek<strong>und</strong>ärliteratur besprochen.<br />

Das Gehe<strong>im</strong>nis, weshalb in den meisten Bibliotheken<br />

<strong>Comic</strong>s bei der Systematikgruppe „Kunst“ stehen, die<br />

diesbezügliche Sek<strong>und</strong>ärliteratur jedoch bei der Gruppe<br />

„Literatur“, konnte ich leider nicht lüften. Möglicherweise<br />

war den zuständigen Bibliothekaren eben schon <strong>im</strong>mer<br />

klar, daß es sich bei <strong>Comic</strong>s um die „neunte Kunst“<br />

handelt.<br />

Zuordnungsprobleme haben aber nicht nur Bibliotheken.<br />

Wenn <strong>Comic</strong>s in Zeitungen oder Zeitschriften rezensiert<br />

werden, erscheinen die Kritiken selten <strong>im</strong> Literaturteil<br />

des Feuilletons. Doch die <strong>Comic</strong>-Forschung ist<br />

mittlerweile eindeutig der Literaturwissenschaft zugeordnet.<br />

Das bedeutet für die Bibliotheken eben auch, daß Co-<br />

110 Majakowski „20 Jahre Arbeit“ Ausstellungskatalog. Berlin<br />

1978. S. 168.<br />

111 Dudek/Jaschke: Revolte von Rechts. Frankfurt/M. 1981.<br />

S. 84 ff.<br />

112 Ebd. S. 85.


184 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

mics, mit Ausnahme der Sachcomics, zur Belletristik<br />

gehören. Da man in diesem Bereich natürlich die dünnen,<br />

viel zu hohen Heftchen schlecht unterbringen kann,<br />

sollte man sich zu einer <strong>Comic</strong>-Systematik durchringen,<br />

um das Problem gr<strong>und</strong>sätzlich zu lösen. Die Variante,<br />

<strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Nahbereich unterzubringen, löst zwar auf<br />

den ersten Blick die Probleme, bedeutet aber, daß das<br />

Medium <strong>im</strong>mer noch nicht ganz ernst genommen wird.<br />

Konsequenterweise müßten nämlich, wie bei Kr<strong>im</strong>is<br />

oder anderen Interessenkreisen, die bedeutenden Werke<br />

in den systematisierten Bestand aufgenommen werden.<br />

Pr<strong>im</strong>ärliteratur<br />

Bilal, Enki: Erinnerungen aus dem All – Kurzgeschichten 1974-<br />

1977. Stuttgart 1992.<br />

Bilal, Enki: Die Frau aus der Zukunft. Hamburg 1988.<br />

Bilal, Enki/Christin, Pierre: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek<br />

1988.<br />

Detmold, Johann H./Schrödter, Adolf: Thaten <strong>und</strong> Meinungen des<br />

Herrn Piepmayer, Abgeordneter zur constituierenden Nationalversammlung<br />

zu Frankurt am Main. Berlin 1961.<br />

Goscinny, René/Uderzo, Albert: Asterix bei den Briten. Stuttgart<br />

1971.<br />

Goscinny, René/Uderzo, Albert: Asterix <strong>und</strong> Maestria. Stuttgart<br />

1992.<br />

Goscinny, René/Uderzo, Albert: Die Trabantenstadt. Stuttgart<br />

1975.<br />

Kalenbach, Dieter/Bedürftig, Friedeman: Hitler. Hamburg 1989.<br />

Lupo. Grünwald, 1966. H. 6.<br />

Noomin, Diane: <strong>Comic</strong>-Sisters. Bad Girl Art aus USA. Berlin 1992.<br />

Robbins, Trina: U-Comix Sonderband 13. Linden 1977.<br />

Schmidt, Manfred: Nick Knatterton. Gesamtausgabe. Oldenburg<br />

1983.<br />

Trudeau, Garry: Doonesbury. Reinbek 1983.<br />

Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />

Affolter, Cuno: Gespräch mit Art Spiegelman. In: <strong>Comic</strong>Art 6<br />

(1982). S. 6-16.<br />

Affolter, Cuno: René Goscinny – Eine längst überfällige Würdigung<br />

eines genialen Szenaristen. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch 1987. Frankfurt/M.<br />

1987.<br />

Albig, Jörg-Uwe: Karikatur des Grauens. In: Magazin der Süddeutschen<br />

Zeitung 20 (1992). S. 24-29.<br />

Baumgärtner, Alfred C.: Die Welt der <strong>Comic</strong>s. Probleme einer<br />

pr<strong>im</strong>itiven Literaturform. Bochum 1965.<br />

Börsenblatt 2123 (1988).<br />

Bulletin of Interracial Books for Children. Vol. 14. No. 6. 1983. Zit.<br />

nach: Dolle-Weinkauf: Krieg <strong>und</strong> Frieden in <strong>Comic</strong>s. In: Beiträge<br />

zur Kinder- <strong>und</strong> Jugendliteratur 80 (1986). S. 37-49.<br />

<strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Cartoons in Lateinamerika/Hrsg. Hans-Jürgen Kagelmann.<br />

München 1991.<br />

<strong>Comic</strong> Info 1 (1993).<br />

<strong>Comic</strong> Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung der<br />

Bildergeschichten. Ausstellung in der Akademie der Künste vom<br />

13. Dezember 1969 bis 22. Februar 1970. Berlin 1969.<br />

Compart, Martin: Krieg <strong>im</strong> Abenteuer-<strong>Comic</strong>. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch<br />

1986/Hrsg. von Martin Compart. Frankfurt/M. 1985. S. 22-36.<br />

Denni, Michel: L’Idéologie Nazi du Téméraire. In: Le Collectioneur<br />

des Bandes Dessinées 14. Paris 1978. S. 8-10.<br />

Diskus-Interview: Stan Lee. In: Diskus. Frankfurter Studentenzeitung<br />

2 (1979). S. 45-47.<br />

Doetinchem, Dagmar/Hartung, Klaus: Zum Thema Gewalt in Superhelden-<strong>Comic</strong>s.<br />

Berlin 1974.<br />

Dolle-Weinkauf, Bernd: <strong>Comic</strong>s. Geschichte einer populären Literaturform<br />

in Deutschland seit 1945. Weinhe<strong>im</strong> 1990.<br />

Dorfmann, Ariel/Mattelart, Armand: Walt Disneys „Dritte Welt“.<br />

Massenkommunikation <strong>und</strong> Kolonialismus bei Micky Maus <strong>und</strong><br />

Donald Duck. Berlin 1977.<br />

Dudek, Peter/Jaschke, Hans-Gerd: Revolte von Rechts. Anatomie<br />

einer neuen Jugendpresse. Frankfurt/M. 1981.<br />

Eco, Umberto: Apokalyptiker <strong>und</strong> Integrierte. Zur kritischen Kritik<br />

der Massenkultur. Frankfurt/M. 1984.<br />

Fein, Ester B.: The Holocaust as a Cartoonist’s Way of Getting to<br />

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1989.<br />

Langhans, Heiko (Hg.): Lexikon des <strong>Comic</strong>s. Meitingen 1991.<br />

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Steinbach 1970.<br />

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1990. Hamburg 1990.<br />

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1982.<br />

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der AG Populäre Kultur FB Gesellschaftswissenschaften<br />

an der Justus-Liebig-Universität Gießen 1993.<br />

Schwarz, Rainer: Auf dem Weg zu einer <strong>Comic</strong>forschung. In: <strong>Comic</strong>s<br />

<strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse. <strong>im</strong> Unterricht. Opladen<br />

1977. S. 163-166.<br />

Seeßlen, Georg: Mythos contra Geschichte. Über den Widerspruch<br />

von <strong>Comic</strong>-Erzählung <strong>und</strong> historischer Rationalität. In: <strong>Comic</strong><br />

Jahrbuch 1991. Hamburg 1991. S. 23-31.<br />

Der Spiegel 39 (1989). S. 78-80.<br />

Stoll. André: „Asterix“ – das Trivialepos Frankreichs. Köln 1974.<br />

Stoll, André: Bedingungen einer kritischen Asterix-Lektüre. In: <strong>Comic</strong>s<br />

<strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen<br />

1977. S. 34-39.<br />

Tatum, Charles M.: Rius: der <strong>Comic</strong>s-Autor als Sozialkritiker <strong>und</strong><br />

politischer Unruhestifter. In: <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Cartoons in Lateinamerika.<br />

München 1991. S. 55-70.<br />

Vom Penny Dreadful zum <strong>Comic</strong>. Englische Jugendzeitschriften,<br />

Heftchen <strong>und</strong> <strong>Comic</strong>s von 1855 bis zur Gegenwart. Oldenburg<br />

1981.<br />

Weidemann, Bernd: Foto oder Zeichnung? Zur Problematik des<br />

Bildes <strong>im</strong> dokumentarischen <strong>Comic</strong>. In: Kagelmann (Hg.): <strong>Comic</strong>s<br />

Anno. Jahrbuch der Forschung zu populär-visuellen Medien<br />

– Bd. 1. München 1991. S. 26-41.<br />

Werckmeister, Otto K.: Zitadellenkultur. Die schöne Kunst des<br />

Untergangs in der Kultur der achtziger Jahre. München 1989.<br />

Wurm, Wolfgang: Micky Maus auf Abwegen. Bayernkurier,<br />

27.9.1969. Zit. nach: Knigge, Andreas C.: Fortsetzung folgt.<br />

<strong>Comic</strong> Kultur in Deutschland. Frankfturt/M. 1986.<br />

Z<strong>im</strong>mermann, Hans Dieter (Hrsg.): Vom Geist der Superhelden.<br />

<strong>Comic</strong> strips. Zur Theorie der Bildergeschichte. München 1973.<br />

Annotierte Bibliographie<br />

Sachcomic<br />

Die 68er – Geschichtscomic über Lust & Frust der Linken<br />

T & Z: Jari Pekka Cuypers<br />

Hamburg: VSA-Verl., 1981.<br />

Ausgangspunkt ist die düstere politische Situation der 60er<br />

Jahre mit der großen Koalition <strong>und</strong> dem daraus sich ableitenden<br />

Beginn der Studentenrevolte – von hier aus geht es dann weiter<br />

über die Bildung der Apo, der RAF sowie verschiedener marxistisch-leninistischen<br />

Splittergruppen.<br />

Ein Asyl-Sach-<strong>Comic</strong><br />

T & Z: Johannes Zakouril. Herausgegeben: Amnesty International,<br />

Ulm.<br />

Biberach: Laubfrosch, 1981.<br />

Informationen über das Asylverfahren in der BRD <strong>und</strong> den<br />

damals geplanten Änderungen. Das <strong>Comic</strong> wirkt zwar in Zeichnung<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> Lettering sehr handgemacht, inhaltlich ist es jedoch<br />

hochinteressant. Die Argumente um den Artikel 16 des<br />

Gr<strong>und</strong>gesetzes sind den heutigen vergleichbar <strong>und</strong> auch die<br />

eingearbeiteten Zeitungsüberschriften kommen einem sehr bekannt<br />

vor. Das Phänomen der Massenflucht wird erklärt, Zahlen<br />

<strong>und</strong> Aussagen von <strong>Politik</strong>ern gegeneinander gestellt. An den<br />

Schluß des Heftes sind noch zwei Flüchtlingsgeschichten <strong>und</strong><br />

verschiedene Zeitungsartikel angehängt.<br />

Atomkraft für Anfänger<br />

T & Z: Stephen Croall<br />

Reinbek: Rowohlt, 1986.<br />

Die Entwicklung der Kernenergie für Kriegszwecke <strong>und</strong> ihre<br />

,friedliche Nutzung‘ werden kritisch dargestellt. Auch die politi-<br />

schen Folgen, z.B. die Auswirkungen auf die Dritte Welt, werden<br />

beschrieben.<br />

Frieden für Anfänger<br />

T & Z: lan Kellas<br />

Reinbek: Rowohlt, 1984.<br />

Ähnlich aufgebaut <strong>und</strong> ausgestattet wie die <strong>Comic</strong>s von Rius.<br />

Kellas gliedert das Thema in fünf Kapitel, deren Gr<strong>und</strong>thesen er<br />

<strong>im</strong>mer gleich auf der ersten Seite darlegt, um sie dann auf den<br />

folgenden Seiten <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>-Stil zu erklären. Stilistisch eine Mischung<br />

aus <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Karikaturen – keine Collagetechnik.<br />

Inhaltlich erklärt er den Friedensbegriff aus den verschiedensten<br />

gesellschaftlichen Ursprüngen von den Buddhisten bis zu<br />

den Marxisten.<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Z: Karl Friedrich Waechter<br />

Berlin: Zweitausendeins, 1982.<br />

Die wichtigsten Artikel des Gr<strong>und</strong>gesetzes ergänzt durch einen<br />

zeichnerischen Kommentar des Satirikers. Teilweise in Cartoons,<br />

teilweise in <strong>Comic</strong>s bringt der Zeichner seine Auffassung<br />

zum Gr<strong>und</strong>gesetz zum Ausdruck.<br />

Hallo Nicaragua<br />

T & Z: Rius<br />

Dortm<strong>und</strong>: Weltkreis-Verl., 1983.<br />

Die Geschichte des Landes Nicaragua von der Besiedelung bis<br />

heute. Rius schildert vor allem die Diktatur der Somozas, die<br />

Aufstände der unterdrückten Bevölkerung sowie die Rolle der<br />

Kirche. Besonders am Herzen liegt Rius die Alphabetisierungskampagne<br />

<strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heitsaufklärung. Die Veränderungen<br />

in der nicaraguanischen Gesellschaft werden mit viel Hoffnung<br />

auf die Zukunft geschildert.<br />

Hitler<br />

T: Friedemann Bedürftig/Z: Dieter Kalenbach<br />

Hamburg: Carlsen, 1989. (Neuauflage 1993)<br />

Die erstmals, zu Hitlers h<strong>und</strong>ertsten Geburtstag erschienene<br />

Biographie, ist nicht unumstritten. Angestrebt wurde von den<br />

Autoren jedoch eine kritische Auseinandersetzung. Fotorealistische<br />

Darstellung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus.<br />

Das Kapital für Anfänger <strong>und</strong> Anfängerinnen<br />

T: K. Plöckinger, G. Wolfram, J.P. Cuypers/Z: Jari Pekka Cuypers<br />

Hamburg: VSA-Verl., 1980<br />

,Marx‘ versucht den ersten Band seines „Kapitals“ zwei Jugendlichen<br />

zu erklären, die das Original mit der Bemerkung „zu<br />

schwer, zu dick <strong>und</strong> keine Bilder“ ins Eck knallen. Eine unterhaltsame<br />

Einführung für Jugendliche.<br />

Kapital-Verbrechen – Die gruselige Geschichte des Kapitalismus<br />

T & Z: Rius<br />

Dortm<strong>und</strong>: Weltkreis-Verl., 1984.<br />

Rius rollt die Geschichte vom 15. Jhd. an auf <strong>und</strong> zeigt, wie die<br />

Bildung von Kapital in Europa die Klassengesellschaft nach sich<br />

zieht <strong>und</strong> welche Auswirkungen dies auf die Dritte Welt hatte.<br />

Vom Beginn des Sklavenhandels über die Französische Revolution<br />

zu den Weltkriegen, spannt er den Bogen zum Neokolonialismus<br />

der Weltkonzerne. Im zweiten Teil geht er der Frage<br />

„Was ist Kapitalismus“ nach <strong>und</strong> erklärt dabei die Theorie des<br />

Mehrwert.<br />

Lenin für Anfänger<br />

T: Richard Appignanesi/Z: Oscar Zarate<br />

Reinbek: Rowohlt, 1979.<br />

Der Band schildert Lenins Lebensweg <strong>und</strong> die Zeit, die er<br />

prägte. Seine politische Theorie wird ebenso dargestellt, wie<br />

das persönliche Umfeld, in dem er sich bewegte.<br />

Mao für Anfänger<br />

T & Z: Rius ,<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e‘<br />

Reinbek: Rowohlt, 1980.<br />

Rius’ Mao-Biographie in einer vom -Rowohlt-Verlag überarbeiteten<br />

Fassung. Mao <strong>und</strong> die chinesische Gesellschaft werden<br />

mit viel Sympathie <strong>und</strong> Verständnis aber auch mit kritischem<br />

Abstand gesehen. Rius ist auch ein Meister der Ironie – ohne<br />

die Ernsthaftigkeit seines Themas zu bedrohen.<br />

Die Menschenrechte<br />

T & Z: Manara, Goetzinger, Breccia, Eisner, G<strong>im</strong>ez/Cava, Palacios


186 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

Hamburg: <strong>Comic</strong>plus, 1992.<br />

Sechs Menschenrechtsartikel, zu denen bekannte <strong>Comic</strong>-<br />

Künstler je eine Geschichte erzählen. Auf teilweise sehr drastische<br />

Weise wird hier der Mißbrauch dieser Rechte verdeutlicht.<br />

Ein sehr überzeugender zeichnerischer Appell für mehr<br />

Menschlichkeit. (ekz) Anstelle eines Vorworts ist dem Band der<br />

komplette Wortlaut der UNO-Erklärung beigelegt.<br />

Moneymaker – Vom Geld, Gold, Öl<br />

T: W<strong>im</strong>mern, Wolfgang/Z: Tschap<br />

Reinbek: Rowohlt, 1984<br />

Der dritte Band der „rotfuchs – Quer-<strong>Comic</strong>s“ beschäftigt sich<br />

mit der Funktion <strong>und</strong> der Geschichte des Geldes. Kritisch reflektiert<br />

der Band verschiedene Aspekte der Weltwirtschaft <strong>und</strong><br />

beispielhaft werden die Themen erst in einem Strip erklärt <strong>und</strong><br />

dann jeweils nochmals von ,Prof. Badman‘ in ihren wissenschaftlichen<br />

Zusammenhängen wiedergegeben.<br />

Rüstung – Vom Anfang der Erde bis zum möglichen Ende<br />

T: Wolfgang W<strong>im</strong>mer/Z: Tschap<br />

Reinbek: Rowohlt, 1984.<br />

Der erste Band der in der Reihe „rotfuchs“ erscheinenden<br />

„Quer-<strong>Comic</strong>s“. Eine Mutter erklärt ihrem Sohn die Herkunft der<br />

Kriege <strong>und</strong> deren Bedeutung in der Menschheitsgeschichte. Die<br />

Erkenntnis über die Sinnlosigkeit der Kriege führt die beiden zu<br />

einem Engagement in der Friedensbewegung.<br />

Sklaven – oder Eine Geschichte vom Wirtschaftsw<strong>und</strong>er<br />

T: Wolfgang W<strong>im</strong>mer/Z: Tschap<br />

Reinbek: Rowohlt, 1983<br />

Der zweite Band der „rotfuchs Quer-<strong>Comic</strong>s“ beschreibt die<br />

Geschichte der Sklaverei bis hin zu den Überbleibseln in der<br />

Gegenwart. Auch der heutige Kampf der Nachkommen der<br />

Sklaven um Anerkennung <strong>und</strong> politische Rechte, ob in den USA<br />

oder Südamerika, wird beleuchtet. Sonderformen der Sklaverei,<br />

z.B. die Problematik der Kriegsgefangenen oder verschleppten<br />

Zwangsarbeitern, machen klar, daß das Problem des Menschenraubs<br />

bis heute nicht endgültig gelöst ist.<br />

Trotzki für Anfänger<br />

T: Tariq Ali/Z: Phil Evans<br />

Reinbek: Rowohlt, 1980.<br />

Trotzkis Biographie eingebettet in die russische Revolutionsgeschichte.<br />

Die Theorie der permanenten Revolution wird anschaulich<br />

erklärt <strong>und</strong> in Gegensatz zu Stalins Theorie vom<br />

,Sozialismus <strong>im</strong> eigenen Land‘ gestellt. Der Autor schildert seinen<br />

Protagonisten mit viel Sympathie. Die bildhafte Umsetzung<br />

ist zwar an Rius’ Collagestil angelehnt erreicht aber bei weitem<br />

nicht dessen Brillanz. Die gezeichneten Figuren sehen zu modern<br />

aus, so das die Atmosphäre nicht durchs Bild entsteht.<br />

Außerdem überwiegt der Text so sehr, daß die Grenze zum<br />

illustrierten Sachbuch schon fast erreicht ist.<br />

Umwelt für Anfänger<br />

T: Stephen Croall/Z: William Rankin<br />

Reinbek: Rowohlt, 1982.<br />

Eine Erklärung der ökologischen Zusammenhänge auf der Erde<br />

<strong>und</strong> der Darstellung der Fehler der Vergangenheit. Textlastige<br />

Darstellung des Themas.<br />

Themenkreise<br />

„Abenteuerspielplatz“ Krieg<br />

Auf Feindfahrt<br />

T & Z: D<strong>im</strong>itri<br />

München: Splitter, 1991.<br />

Eine an Buchhe<strong>im</strong>s „Boot“ angelehnte U-Boot Geschichte aus<br />

dem Zweiten Weltkrieg. Es werden keine Bezüge zum Dritten<br />

Reich geknüpft, die Helden sterben für ihr Vaterland, eine Alternative<br />

wird nicht aufgezeigt.<br />

Erinnerungen aus dem All – Kurzgeschichten<br />

T & Z: Enki Bilal<br />

Stuttgart: Ehapa, 1992.<br />

Grüne Wesen sollen den Krieg der Herrenrasse gegen deren<br />

Feinde führen. Die friedlichen Wesen können nur durch eine<br />

Manipulation zum Krieg gezwungen werden, <strong>und</strong> diese kann<br />

sich schnell gegen die Manipulierer richten. Phantastische Ge-<br />

schichten aus „Pilote“ 1974-1977, in denen auch Henry Kissinger<br />

<strong>und</strong> Giscard d’Estaing auftauchen.<br />

Frank Cappa<br />

1: Viet-Song<br />

2: Opfer <strong>und</strong> Helden<br />

T & Z: Manfred Sommer<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Der Kriegsberichterstatter ist <strong>im</strong>mer in vorderster Front dabei.<br />

Eine spannende Serie um einen moderne Heldenmythos.<br />

Kalter Krieg<br />

T & Z: Matthias Schultheiss<br />

Dreieich: Melzer, 1985.<br />

In der Titelgeschichte bringt ein junger Hacker die Weltgeschichte<br />

durcheinander; er steuert ein koreanische Flugzeug in<br />

den Luftraum der Sowjetunion. Doch der CIA bemerkt die Angelegenheit<br />

rechtzeitig, doch verhindert er das Unglück nicht. Der<br />

Hacker wird Opfer des CIAs. Der Band enthält drei weitere<br />

Kurzgeschichten. (Indiziert)<br />

Liberty – ein amerikanischer Traum<br />

1: Der Dschungel<br />

2: Die Wüste<br />

3: Die Isolation<br />

4: Die Entscheidung<br />

T: Frank Miller/Z: Dave Gibbons<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Der Weg der Schwarzen Martha Washington, die versucht, sich<br />

in einer fiktiven, doch nicht unrealistisch geschilderten amerikanischen<br />

Gesellschaft gegen Korruption <strong>und</strong> Machtgier durchzusetzen.(ekz)<br />

Die Protagonistin ist Kämpferin bei der PAX-Friedenstruppe<br />

<strong>und</strong> muß sich gegen ihren Vorgesetzten zur Wehr<br />

setzen. Mischung aus SF, Kriegscomic <strong>und</strong> Phantasie.<br />

Lysistrata<br />

T & Z: Ralf König<br />

Reinbek: Rowohlt, 1987.<br />

Bearbeitung der bekannten Tragödie von Aristophanes. Doch<br />

n<strong>im</strong>mt die Handlung durch das Eingreifen einer homosexuellen<br />

Männergruppe diesmal einen etwas anderen Verlauf. Der Krieg<br />

wird nicht durch den Entzug der Liebe beendet, sondern durch<br />

die Entdeckung der ,Vorzüge‘ der gegnerischen Krieger. Ein<br />

etwas anderer ,Kriegscomic‘.<br />

The NAM<br />

T: Doug Murray/Z: Michael Golden<br />

München: Splitter, 1989.<br />

Eine Vietnam-Geschichte, die versucht, ,Frontatmosphäre‘ zu<br />

schaffen. Eine klassische Rollenverteilung best<strong>im</strong>mt die Geschichte:<br />

ein Greenhorn, ein alter Fuchs, ein grober Sergeant<br />

<strong>und</strong> ein korrupter Lagerleiter. Der Anspruch der Aufarbeitung<br />

des Vietnam-Krieges wirkt mehr als Rechtfertigung für den<br />

Kriegscomic.<br />

Fliegercomic<br />

Buck Danny<br />

T: Jean Michel Charlier/Z: Bergèse<br />

Stuttgart, Ehapa<br />

Die Serie um den Colonel der US Air Force, Buck Danny,<br />

schildert dessen Abenteuer <strong>im</strong> Kampf gegen die ,Bösen‘ dieser<br />

Welt. Klassische Flieger-Serie.<br />

Dan Cooper<br />

T & Z: Albert Weinberg<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Die 1954 aus der Taufe gehobene Fliegerserie um den kanadischen<br />

Piloten scheint etwas weniger patriotisch zu sein, als<br />

seine Kollegen. Doch kämpft auch er gegen Spionageorganisationen<br />

oder Gehe<strong>im</strong>bündler.<br />

Tanguy <strong>und</strong> Laverdure<br />

T: Jean Michel Charlier/Z: Uderzo<br />

Mannhe<strong>im</strong>: Splitter, 1989.<br />

Die klassische Fliegerfigur ist in der französischen Luftwaffe<br />

behe<strong>im</strong>atet. Dort erlebt der Patriot Tanguy <strong>im</strong>mer neue Abenteuer.<br />

Hier weiß man noch, wer Gut <strong>und</strong> Böse ist.<br />

Terry <strong>und</strong> die Piraten<br />

T & Z: Milton Caniff


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 187<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Einer der Urväter des Abenteuercomics. Die Episoden enthalten<br />

alles, was das Genre bis heute auszeichnet: tapfere Helden,<br />

finstere Schurken, exotische Schauplätze, großen Abwechlungsreichtum<br />

<strong>und</strong> viel Spannung; die ausgefeilten, dynamischen<br />

Zeichnungen wirken ebenfalls prägend auf viele spätere<br />

<strong>Comic</strong>macher. (ekz)<br />

Der rote Baron<br />

T & Z: George Pratt<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Pratt schildert in feinen Aquarellen die Begegnung eines amerikanischen<br />

Vietnam-Fliegers mit der todkranken Legende aus<br />

dem Ersten Weltkrieg. Das Gespräch kreist um Themen wie<br />

Tapferkeit <strong>und</strong> Vernichtung. Ein ,anderer‘ Fliegercomic.<br />

Krieg als Metapher<br />

Das Ende der Hoffnung – Für Volk <strong>und</strong> Vaterland<br />

T & Z: Jacques Tardi<br />

Reinbek: Carlsen, 1984.<br />

Eine surreale Geschichte aus dem ersten Weltkrieg, in der der<br />

,Antiheld‘ Brindavoine Haferhalm versucht, sich von der Front<br />

ins Hinterland durchzuschlagen. Doch als sein Kamerad von<br />

einer Granate zerfetzt wird, ist Brindavoine nicht mehr zu halten,<br />

er läuft durch die Fronten <strong>und</strong> ruft zum Waffenstillstand auf.<br />

Feuer<br />

T & Z: Lorenzo Mattotti<br />

Thurn: Edition Kunst der <strong>Comic</strong>s, 1990.<br />

Die kunstvollen Ölkreide-Zeichnungen des Italieners erzählen<br />

vom Kampf zwischen Vernunft <strong>und</strong> Instinkt, zwischen Wirklichkeit<br />

<strong>und</strong> Traum. Ein herausragendes Werk.<br />

Die wahre Geschichte vom unbekannten Soldaten<br />

T & Z: Jacques Tardi<br />

Ludwigshafen: Boiselle-Löhmann, 1990.<br />

Phantasien eines sterbenden Soldaten <strong>im</strong> Schützengraben<br />

1918. Der Soldat ist Autor, <strong>und</strong> begegnet <strong>im</strong> Traum seinen<br />

Figuren, die sich für ihr Schicksal an ihm rächen. Tardi läßt so<br />

eine surreale Alptraumlandschaft entstehen.<br />

Atomare Apokalypse<br />

Barfuß durch Hirosh<strong>im</strong>a – eine Bildergeschichte gegen den Krieg<br />

T & Z: Keiji Nakazawa<br />

Reinbeck: Rowohlt, 1982.<br />

Eine japanische Familie erlebt den Atombombenabwurf auf<br />

Hirosh<strong>im</strong>a. Ergreifende Darstellung des Schreckens <strong>und</strong> der<br />

Grausamkeit der unmenschlichen Waffe.<br />

Jeremiah<br />

T & Z: Hermann Huppen<br />

Hamburg: Carlsen, 1978.<br />

Die nach einem ,Dritten Weltkrieg‘ bzw. einem atomaren Holocaust<br />

angesiedelten <strong>Comic</strong>s spielen in einer völlig veränderten<br />

Welt. Die Handlung ist eine Mischung aus Phantasie <strong>und</strong> Western,<br />

Thema ist der Kampf ums Überleben, den Jeremiah mit<br />

seinem Fre<strong>und</strong> Kurdy aufn<strong>im</strong>mt. Die Ursachen des Krieges<br />

werden nicht erörtert. Der Carlsen-Verlag bringt die Reihe nun<br />

originalgetreu heraus.<br />

Nach der Bombe<br />

T & Z: Bonvi d.i. Franco Bonvicini<br />

Berlin: Beta-Verl., 1985.<br />

Zwanzig makabre Kurzgeschichten des Schöpfers der „Sturmtruppen“.<br />

Schildert das Leben nach einer Atombombenexplosion.<br />

Ausgehend von dem Versagen eines Mikrochips werden<br />

sehr zynische Geschichten aus einer verwüsteten Welt geschildert.<br />

S<strong>im</strong>on – Zeuge der Zukunft<br />

T & Z: Claude Auclair<br />

Reinbek: Carlsen, 1983-1986.<br />

Die Serie beschreibt eine durch Krieg <strong>und</strong> Energiekrise zerstörte<br />

Welt; die Menschen flüchten vor allem aus den Städten auf<br />

das Land. Bei Bauern <strong>und</strong> Nomaden suchen sie neue Lebensformen.<br />

Der Held, S<strong>im</strong>on, soll die Superwaffe zerstören, die sein<br />

Vater zurückließ. Doch S<strong>im</strong>on ist kein gewöhnlicher Held, er<br />

unterbricht seine Reise <strong>im</strong>mer wieder um über sich selbst nachzusinnen.<br />

Strahlende Zeiten, eine Anti-Atomtod-Bilder-Geschichte<br />

T & Z: Raymond Briggs<br />

Frankfurt/M.: S. Fischer, 1983.<br />

In die Welt eines älteren britischen Ehepaars bricht die Weltgeschichte<br />

in Form einen bevorstehenden Atomkriegs ein. Alle<br />

noch so sorgfältigen Schutzmaßnahmen können ihnen nicht<br />

helfen.<br />

Nationalsozialismus<br />

Der Boche<br />

1: Am Vorabend des Unglücks<br />

2: Kriegswirren<br />

Stalner/Bardet<br />

Hamburg: <strong>Comic</strong>plus, 1991/92.<br />

Das Schicksal eines Elsässers, in eigenen Land als Deutscher<br />

verfemt, unmittelbar vor <strong>und</strong> während des 2. Weltkriegs. Realistischer<br />

<strong>Comic</strong>, gleichermaßen hart <strong>und</strong> einfühlsam, klarer Zeichenstil.<br />

(ekz)<br />

Kann denn Liebe Sünde sein?<br />

T: Thomas Kühn/Z: Holger Klein<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Der mäßig begabte Cellist Paul Winter, eine heruntergekommene<br />

Existenz, bekommt das Angebot, in einem berühmten Quartett<br />

mitzuspielen. Verwirrt n<strong>im</strong>mt er an, muß jedoch bald erkennen,<br />

daß dies alles nur ein Plan war, ihn mit seiner (Nazi)-Vergangenheit<br />

zu konfrontieren. (ekz)<br />

MAUS – Die Geschichte eines Überlebens<br />

1: MAUS – Die Geschichte eines Überlebens<br />

2: MAUS – Und hier begann mein Unglück<br />

T & Z: Art Spiegelman<br />

Reinbek: Rowohlt, 1989, 1992.<br />

Spiegelman beherrscht die Rhetorik des <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> benutzt<br />

sie bewußt, indem er realistische Zeichnungen umgeht. Mit<br />

Katzen <strong>und</strong> Mäusen beschreibt er die Vernichtung der Juden<br />

während des Nationalsozialismus. Mit Preisen überhäufter <strong>Comic</strong>,<br />

der zeigt wie dieses Medium genutzt werden kann.<br />

Operation Odin<br />

T: Mike Maurus/Z: Wolfgang Schneider<br />

Hamburg: Carlsen, 1991.<br />

Variante des alten Themas: „wer hat den verschollenen Schatz<br />

der Nazis?“ mit antropomorph dargestellten Tieren. Die Geschichte<br />

verquickt geschickt Vergangenheit mit den jüngsten<br />

Ereignissen in Deutschland.<br />

Der Schrei nach Leben<br />

1: Die Ameisen<br />

2: Das Ghetto<br />

T: Patrick Cothias/Z: Paul Gillon<br />

Hamburg: <strong>Comic</strong>plus, 1988.<br />

<strong>Comic</strong>, der die Lebensgeschichte von Martin Gray nachzeichnet<br />

(Gray, Martin/Gallo, Max: Der Schrei nach Leben. München:<br />

Goldmann). Ein junger polnischer Jude, der mit 14 Jahren den<br />

Einmarsch der Nazis in Warschau 1939 erlebt <strong>und</strong> der von nun<br />

an um sein Leben kämpft. Eine eindrucksvolle Schilderung der<br />

täglichen Bedrohung, der Ängste, aber auch der Hoffnungen<br />

der Juden <strong>im</strong> besetzten Warschau.<br />

Der 27. Buchstabe<br />

T: Stephen Desberg/Z: (Willy Maltaite) Will<br />

Mannhe<strong>im</strong>: Feest, 1992.<br />

Der Junge Fred streunt durch Berlin <strong>und</strong> findet in einem Bordell<br />

eine neue He<strong>im</strong>at. Die Prostituierten lieben ihn wie einen Sohn,<br />

doch seine Welt bleibt nicht lange heil. Bald dringt der aufke<strong>im</strong>ende<br />

Nationalsozialismus auch hier ein <strong>und</strong> er kann nicht<br />

verhindern, daß seine Fre<strong>und</strong>in, eine Zigeunerin, flüchten muß.<br />

Werwölfe<br />

T & Z: Matz Mainka<br />

Hamburg: Carlsen, 1991.<br />

Der Erstling des Hamburgers behandelt die Zeit nach dem Ende<br />

des Zweiten Weltkriegs. Flüchtlinge reisen quer durch das Land<br />

auf der Suche nach Verwandten. So auch der 14jährige Richard,<br />

der dabei auf den etwas älteren Axel trifft. Die beiden


188 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

geraten in Berlin an eine Gruppe der „Werwölfe“, die weiter ihrer<br />

angestaubten Ideologie nachhängen. Die ,Übriggebliebenen‘<br />

verüben sogar einen Anschlag auf die Besatzer.<br />

Die zerbrochene Zeit<br />

T: Eric Warnauts/Z: Raives<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Die junge Deutsche Nina Reuber flieht zu Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges aus einem Internat nach Berlin. Dort arbeitet sie bei<br />

den Amerikanern als Dolmetscherin, verliebt <strong>und</strong> verliert sich.<br />

Kritische Beleuchtung der Wirren des Jahres 1945.<br />

Arbeitswelt<br />

Hammer-<strong>Comic</strong>: Tiefschläge aus der Arbeitswelt<br />

T: Liz Seitter/Z: Brigitte Fries<br />

Zürich: Edition Moderne, 1992.<br />

Die beiden Schweizerinnen schildern satirisch <strong>und</strong> in einer<br />

ungewöhnlichen Collagetechnik die Abgründe des Arbeitslebens,<br />

nicht nur Schweizer Bauarbeiter.<br />

Kollege Karl, was fehlt Ihnen denn?<br />

T & Z: Erich Rauschenbach<br />

Frankfurt: Eichborn, 1986.<br />

,Kollege Karl‘ ist ein progressiver Arbeiter, der von seinem<br />

Standpunkt aus die Welt kritisch betrachtet. Typischer textlastiger<br />

Gag-Strip in jeweils vier Panels.<br />

Die Stadt, die es nicht gab<br />

T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />

Hamburg: Carlsen, 1987.<br />

Die Träume der Arbeiter sollen Wirklichkeit werden, die neue<br />

Besitzerin der Fabrik will ein gerechtes ,Utopia‘ errichten. Doch<br />

ist das wirklich der ,H<strong>im</strong>mel auf Erden‘?<br />

Feminismus<br />

Agrippina<br />

T & Z: Claire Bretêcher<br />

Reinbek: Rowohlt, 1989.<br />

Der harte Alltag des Teenagers Agrippina, die hin- <strong>und</strong> hergerissen<br />

ist zwischen Suche nach Geborgenheit <strong>und</strong> dem Willen,<br />

unabhängig <strong>und</strong> erwachsen zu werden.<br />

Die Ballade von der Typhoid-Mary<br />

T: Jürgen Federspiel/Z: Ursula Fürst<br />

Zürich: Edition Moderne, 1990.<br />

Mary kommt 1868 mit einem typhusverseuchten Schiff in New<br />

York an. Sie steckt von da an ihre Umgebung mit dem tödlichen<br />

Fieber an, ohne selbst zu erkranken. Die ungewöhnliche Geschichte<br />

dieser Frau hat Ursula Fürst in sehr st<strong>im</strong>mungsvolle<br />

Schwarzweißbilder umgesetzt.<br />

Barcelonight<br />

T & Z: Anni Goetzinger<br />

Stuttgart, Ehapa, 1992.<br />

Die junge Catherine arbeitet als Putzfrau in Barcelona, dabei<br />

lebt sie jeden Tag in einem anderen Haushalt. Sie streunt durch<br />

Barcelona wie eine Katze, doch ohne ihr Glück zu finden.<br />

<strong>Comic</strong> Sisters<br />

Hrsg.: Diane Noomin<br />

Berlin: Elefanten Press, 1991.<br />

Sammelband von 14 amerikanischen Zeichnerinnen, die darin<br />

ihre Weltsicht vermitteln. Inhaltlich sehr unterschiedlich. Feminismus<br />

<strong>im</strong> U-Comix Stil.<br />

Die Diva<br />

T: Pierre Christin/Z: Anni Goetzinger<br />

Hamburg: Carlsen, 1984.<br />

Eine Opernsängerin dient ihre vermeintlich reine Kunst, während<br />

des Zweiten Weltkriegs auch den Nazis an. Nach dem<br />

Krieg wird sie dafür zur Rechenschaft gezogen.<br />

Euch geht’s zu gut<br />

T & Z: Marie Marcks<br />

München: Frauenbuch-Verl., 1978.<br />

Familien-Nahkampf einer Feministin <strong>und</strong> Mutter mit ihren heranwachsenden<br />

konsumorientierten Kindern (ekz).<br />

Feminax <strong>und</strong> Walkürax<br />

T & Z:Franziska Becker<br />

Köln: Emma-Verl., 1992.<br />

Feministische Asterix-Parodie in der ein reines Frauendorf seine<br />

Existenz gegen Römer <strong>und</strong> Germanen verteidigt. Die Szenerie<br />

ist u.a. der germanischen Sagenwelt entlehnt <strong>und</strong> bietet<br />

endlos viele Anspielungen auf die Gegenwart.<br />

Die Frustrierten 1-5<br />

T & Z: Claire Bretêcher<br />

Reinbek: Rowohlt, 1990.<br />

Die zuerst als Zeitungsserie erschienenen Strips schildern das<br />

Leben der ,Nach-Acht<strong>und</strong>sechziger‘ Generation. Vor dem bestechenden<br />

Blick der Autorin ist keine noch so kleine Schrulle<br />

sicher.<br />

Monika, das Wunschkind<br />

Claire Bretêcher<br />

Reinbek: Rowohlt, 1985.<br />

Eine erfolgreiche Schauspielerin versucht Beruf <strong>und</strong> Kinderwunsch<br />

unter einen Hut zu bringen. Die auftretenden Schwierigkeiten<br />

können auch mit Hilfe der Gentechnik nicht gelöst<br />

werden.<br />

Die Teufelin<br />

T: Fay Weldon/Z: Ute Hembold<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Als ihr Mann mit einer erfolgreichen Schriftstellerin fremdgeht,<br />

startet Ruth einen langwierigen Rachefeldzug ohne Rücksicht<br />

auf Verluste. Eine Adaption des sarkastischen Bestsellers.<br />

U-Comix Sonderband 13<br />

T & Z: Trina Robbins<br />

Linden: Volksverlag, 1977.<br />

Das laut Verlag ,Erste nur-Frauen-<strong>Comic</strong>-Book‘ ein Sammelband<br />

der bekanntesten Frau aus der U-Comix-Scene. Humorvoll<br />

werden ,Männerträume‘ karikiert.<br />

Ökologie<br />

Aufruhr in der Rouergue<br />

T: Pierre Christin/Z: Jacques Tardi<br />

Mannhe<strong>im</strong>: Boiselle-Löhmann, 1989.<br />

Ein multinationaler Konzern will ohne Rücksicht auf die Natur<br />

eine Kupfermine ausbeuten. Doch die Bewohner des Waldes,<br />

die Zwerge <strong>und</strong> Elfen wehren sich mit Hilfe eines politischen<br />

Praktikers.<br />

Die Geschichte von der Wyhlmaus <strong>und</strong> anderen Menschen<br />

T: Wolfgang Hippe/Z: Jari P. Cuypers<br />

Frankfurt/M.: Verl. Jugend u. <strong>Politik</strong>, 1978.<br />

Ein Öko-<strong>Comic</strong> zur Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk<br />

Wyhl. Die Funktion <strong>und</strong> die Gefahren eines KKWs werden<br />

erklärt. Ein engagiertes <strong>Comic</strong>, mit einer eindeutigen Aussage.<br />

Die Kreuzfahrt der Vergessenen<br />

T: Pierre Christin Z: Enki Bilal<br />

Reinbek: Carlsen, 1988.<br />

Ein militärisches Gehe<strong>im</strong>projekt mit der Schwerkraft verhilft der<br />

Bevölkerung eines kleinen Dorfes zu einer außerordentlichen<br />

Protestaktion. Das ganze Dorf schwebt langsam davon.<br />

Lais <strong>und</strong> Ben<br />

1: Anamarama<br />

2: Xapuri<br />

T: Joach<strong>im</strong> Friedmann/Z: Henk Wyninger<br />

Carlsen, 1992.<br />

Die zwei aufgeweckten Studenten Lais <strong>und</strong> Ben widmen sich<br />

während eines Studiencamps in Brasilien nicht nur ihren Forschungen.<br />

Kritische Auseinandersetzung für Jugendliche mit dem<br />

Thema Ökologie <strong>und</strong> Dritter Welt in schönem Ligne-Claire-Stil.<br />

Das steinerne Schiff<br />

T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />

Reinbek: Carlsen, 1987.<br />

Ein Fischerdorf in der Bretagne soll einem Touristenzentrum<br />

weichen. Als die Polizei den Widerstand der Bewohner mit<br />

Gewalt brechen will, setzt ein alter versteckt lebender Mann alle<br />

seine Kräfte ein.<br />

Rassismus<br />

Afrikaans Bazaar – Ein Abenteuer von Jacques Gallard<br />

T & Z: Tripp<br />

Zürich: Edition Moderne, 1992.


Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 189<br />

Der Franzose Jacques Gallard reist mit einer Frau nach Südafrika<br />

<strong>und</strong> gerät dort schnell zwischen die Fronten der Schwarzen<br />

<strong>und</strong> Weißen. Unterlegt mit Texten von Breyten Breytenbach.<br />

Der Konflikt zwischen Zulus <strong>und</strong> ANC wird angedeutet. Fortsetzung<br />

von „Zulu Blues“.<br />

Jude <strong>und</strong> Araber<br />

1: Jude – Araber’<br />

2: Fanatiker<br />

Z & T: Farid Boudjellal<br />

Kiel: Semmel, 1991/92.<br />

Der algerienstämmige Franzose versucht hier mit viel Witz den<br />

arabisch jüdischen Konflikt zu entschärfen. Einfacher, holzschnittartiger<br />

Zeichenstil, eher Textorientiert.<br />

Lou Cale<br />

4: Summert<strong>im</strong>e<br />

Warn’s/Raives<br />

Hamburg: Carlsen, 1992.<br />

Fotoreporter Cale soll <strong>im</strong> tieften amerikanischen Süden eine<br />

Reportage machen. Bei seinen Recherchen gerät er unversehens<br />

in tragische Verwicklungen um Rassismus, Liebe <strong>und</strong><br />

Begierde. Geglückte <strong>Comic</strong>-Variation eines alten Themas. (ekz)<br />

Zoulou-Blues<br />

T & Z: Tripp<br />

Zürich: Edition Moderne, 1991.<br />

In Toulouse geraten Jacques Gallard <strong>und</strong> seine Fre<strong>und</strong>in in eine<br />

Auseinandersetzung zwischen der Südafrikanischen Gehe<strong>im</strong>polizei<br />

<strong>und</strong> dem ANC.<br />

Zum Herzen des Sturms<br />

2 Bände<br />

T & Z: Will Eisner<br />

Mannhe<strong>im</strong>: Feest, 1992.<br />

Autobiographie des 75jährigen <strong>Comic</strong>-Künstlers. In seiner Lebensgeschichte<br />

charakterisiert Eisner eine Epoche <strong>und</strong> thematisiert<br />

sensibel den antijüdischen Rassismus in den USA.<br />

Sozialismus<br />

Leonid <strong>und</strong> Sputnika<br />

1: Njet Future<br />

2: Mama, Papa, Lenin <strong>und</strong> ich<br />

3: Für eine Handvoll Rubel<br />

T: Yann/Z: Bercovici<br />

Hamburg: Carlsen, 1992, 1993.<br />

Der kleine Leonid <strong>und</strong> sein H<strong>und</strong> Sputnika erleben in ihrer<br />

Großfamilie den Wandel in der Sowjetunion. Ein Funny über das<br />

Leben <strong>im</strong> Perestroika-Zeitalter. Die Figuren sind allerdings sehr<br />

klischeehaft.<br />

Soviet ZicZac<br />

T: Barcelo/Z: Tripp<br />

Zürich: Edition Moderne, 1988.<br />

Ein Abenteuer mit dem Helden Jacques Gallard, der in Moskau<br />

mit einem weltberühmten Schachspieler verwechselt wird <strong>und</strong><br />

so in die Fänge des Gehe<strong>im</strong>dienstes gerät.<br />

Treibjagd<br />

T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />

Reinbek: Carlsen, 1985.<br />

Eine Jagdpartie vereint die alten Parteifunktionäre aus dem<br />

sozialistischen Lager irgendwo in Polen. Gejagt wird nicht nur<br />

Wild. Ein düster gezeichneter Polit-Thriller. (Erweiterte Neuausgabe<br />

für April 1993 angekündigt)<br />

Faschistische Gesellschaftsordnungen<br />

Alexander Nikopol <strong>im</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

1: Die Geschäfte der Unsterblichen<br />

T & Z: Enki Bilal<br />

Hamburg: Carlsen, 1987<br />

Im ersten Band der Trilogie wird ein faschistisches Paris beschrieben,<br />

dessen Bewohner in zwei Klassen geteilt;sind. Das<br />

Zentrum mit den Privilegierten <strong>und</strong> der Rest, das Slum, das in<br />

Müll <strong>und</strong> Elend zu ersticken droht. Auch Wahlen haben in<br />

diesem System keinen Sinn mehr, die Probleme sind zu global:<br />

Kriege, Energiekrise, Flüchtlingsströme <strong>und</strong> schreckliche Umweltkatastrophen<br />

best<strong>im</strong>men die Zeit.<br />

Schlachtfeld ,Dritte Welt‘<br />

1: Die Hamburger Lady<br />

2: Der Export-Krieg<br />

3: Der große Ausverkauf<br />

T: Pat Mills/Z: Carlos Sanchez Ezquerra<br />

Bergisch Gladbach: Bastei, 1991.<br />

Der Kampf der Dritten Welt gegen die Konzerne der Industriestaaten.<br />

Die Protagonistin ist Mitglied der Propaganda-Einheit<br />

von ,Freeaid‘ einer Organisation der UN, die aber völlig unter<br />

Kontrolle der fünf größten Konzerne der Welt steht. Sie soll den<br />

Hunger in der Welt bekämpfen, doch geht es in Wirklichkeit nur<br />

um neue Absatzmärkte. Die durchaus interessante Gr<strong>und</strong>idee<br />

leidet aber unter der Realisierung.<br />

Tödliche Nacht<br />

Behe/Toff<br />

Stuttgart: Ehapa, 1990.<br />

In einer totalitären Gesellschaft werden die Aids-Infizierten sofort<br />

von den ,Ges<strong>und</strong>en‘ getrennt <strong>und</strong> in Lagern von einer<br />

faschistoiden Miliz bewacht. Eine Auseinandersetzung mit der<br />

Bedrohung der Demokratie durch die tödliche Krankheit. Doch<br />

Hoffnung ist in Sicht: ein Gegenvirus, der sich auf dem gleichen<br />

Weg übertragen läßt, soll entwickelt werden. Doch haben <strong>Politik</strong>er<br />

daran überhaupt Interesse?<br />

Der Schlaf der Vernunft<br />

T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />

Reinbek: Carlsen, 1986.<br />

Eine Gruppe ehemaliger Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg,<br />

durch neofaschistische Tendenzen hochgeschreckt,<br />

n<strong>im</strong>mt erneut den Kampf gegen ehemalige Widersacher auf,<br />

erkennt aber die Problematik gewalttätigen Handels. (ekz)<br />

V wie Vendetta<br />

1. Feuer der Freiheit<br />

2: Die Zwischenwelt<br />

3: Das Traumvariete<br />

4: Die Finsternis<br />

5: Das Wunschland<br />

6: Der Rosenzug<br />

T: Allan Moore/Z: David Lloyd<br />

Hamburg: Carlsen, 1990-1991.<br />

Die Kleinserie schildert den Kampf eines modernen Guy Fawks<br />

gegen einen faschistoiden Überwachungsstaat. Das Mädchen<br />

Evey wird mit ungewöhnlichen Mitteln dazu gebracht,. seinen<br />

Weg mitzugehen. Ausdruck Moore’s Pess<strong>im</strong>ismus über die politische<br />

Entwicklung in Großbritannien. Die Zeichnungen sind<br />

schattenüberlagert <strong>und</strong> sehr kontrastreich.<br />

Das verbotene Glück<br />

T: Griffo/Z: Jean van Hamme<br />

Mannhe<strong>im</strong>: Feest, 1992.<br />

Die Einführung eines universalen Ausweisdokumentes <strong>und</strong><br />

Zahlungsmittels wird hart umkämpft. Demonstranten warnen,<br />

doch der zuständige Minister setzt sein Projekt durch, <strong>und</strong> dann<br />

verliert ausgerechnet er die ,W<strong>und</strong>erkarte‘.<br />

Die Anarchie des Lachens<br />

Doonesbury<br />

T & Z: Garry Trudeau<br />

Reinbek: Carlsen, 1983-84.<br />

Intellektuellen-Strips aus amerikanischen Tageszeitungen, um<br />

den Studenten Mike Doonesbury <strong>und</strong> dessen Fre<strong>und</strong>e. Ein<br />

Spiegelbild der amerikanische Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>.<br />

The Fabulous Furry Freak Brothers<br />

T & Z: Gilbert Shelton<br />

Berlin: Rotbuch, 1989.<br />

Die legendären Brüder aus der U-Comix-Szene der USA haben<br />

ihre eigenen Rezepte, die Probleme des täglichen Lebens zu<br />

lösen. Opfer der Kultfiguren der Hippiebewegung sind meist<br />

Polizisten.<br />

Flucht aus Berlin<br />

T & Z: Gerhard Seyfried<br />

Berlin: Rotbuch, 1990.<br />

Ein <strong>Comic</strong>-Autor gerät auf der Suche nach neuem Stoff nach<br />

Sibirien. Immer wieder gerät er in politische Verwicklungen; als


190 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />

sich dann noch die Mauer öffnet, bleibt nur noch die Kanalisation<br />

als ,Ausweg‘.<br />

Invasion aus dem All-Tag<br />

T & Z: Gerhard Seyfried<br />

Berlin: Rotbuch, 1985.<br />

Der Anarchismus, personifiziert in kleinen schwarzen Gnomen<br />

aus dem Weltraum, hinterlassen eine Bombe neuer Art: alle<br />

Menschen werden zu Anarchisten.<br />

Der Kandidat<br />

T & Z: Malo Lauarn<br />

Ludwigshafen: Boiselle-Löhmann, 1988.<br />

Ein EDV-Konzern will seinen neuen Großrechner testen <strong>und</strong><br />

stellt ihm die Frage nach dem ,idealen‘ Präsidentschaftskandidaten.<br />

Der so ausgewählte Kioskbesitzer führt einen außergewöhnlichen<br />

Wahlkampf.<br />

Magnus, der Magier<br />

T: Johnny Hart/Z: Brant Parker<br />

Stuttgart: Ehapa, 1977.<br />

Magnus ist Zauberer am königlichen Hofe <strong>und</strong> so für alle politischen<br />

<strong>und</strong> privaten Probleme zuständig. Der beißende Witz <strong>und</strong><br />

die gelungenen Pointen haben den ,Wizard of Id‘ weltberühmt<br />

gemacht.<br />

Rudi<br />

1: Alle lieben Rudi<br />

2: Rudi gibt nicht auf<br />

3: Mein Fre<strong>und</strong> Rudi<br />

T & Z: Peter Puck<br />

Stuttgart: Heinzelmännchen, 1992.<br />

Rudi, der tragische Held steckt <strong>im</strong>mer bis über die Haartolle <strong>im</strong><br />

Zeitgeist. In den <strong>im</strong>mer etwas textlastigen Szene-Geschichten<br />

schreckt der Stuttgarter <strong>Comic</strong>-Macher nicht vor politischen<br />

Stellungnahmen zurück.<br />

Der schwarze Baron<br />

T: René Pétillon/Z: Yves Got<br />

Berlin: Elefanten Press, 1990.<br />

„Le Baron Noir“ ist die institutionierte Macht. Wenn der schwarze<br />

Vogel naht, gibt es für kein Schaf mehr ein Entkommen. In<br />

der <strong>im</strong>mer wiederkehrenden Situation ,Raubvogel schlägt<br />

Schaf‘ werden unterschiedliche Bereiche der <strong>Politik</strong> aufgegriffen.<br />

Schwarze Gedanken<br />

T & Z: Franquin<br />

Nürnberg: Alpha-<strong>Comic</strong>-Verl., 1989.<br />

W<strong>und</strong>erschön zynische Strips des bekannten belgischen Autors.<br />

Von Ökologie über Militär bis zur Todesstrafe weicht Franquin<br />

keinem Thema aus.<br />

Tödliche Lilli<br />

T & Z:Gérard Lauzier<br />

Hamburg: Carlsen, 1988.<br />

Lilli, Agentin <strong>im</strong> Ruhestand, wird noch einmal zum Einsatz<br />

gerufen. Eine afrikanische Befreiungsbewegung braucht ihre<br />

Hilfe. Eine bissige Persiflage auf den linken Terrorismus.<br />

Unsere schöne neue Welt<br />

T & Z: Nihat Kesen<br />

Hamburg: Carlsen, 1991.<br />

In dem Satireband des in Deutschland aufgewachsene jungen<br />

Türken sind die beißenden Schilderungen von Rassismus <strong>und</strong><br />

Ausländerfeindlichkeit in Deutschland am besten gelungen.<br />

<strong>Zeitgeschichte</strong><br />

Durchbruch<br />

Hrsg.: Pierre Christin <strong>und</strong> Andreas Knigge<br />

Hamburg: Carlsen, 1990.<br />

Ein Sammelband zum Fall der Berliner Mauer. Zeichner wie<br />

Sienkiewicz äußern sich skeptisch, bei ihm werden nur die<br />

sozialistischen Symbole mit kapitalistischen vertauscht; Schultheiß<br />

sucht den privaten Bezug; <strong>und</strong> Manara bemüht Chagall’s<br />

Fiedler vom Dach auf die Mauer.<br />

120, rue de la Gare<br />

T: Léo Malet/Z: Jacques Tardi<br />

Zürich: Edition Moderne, 1988/89.<br />

In zwei Bänden schildert Tardi, nach einem Kr<strong>im</strong>i von Léo Malet,<br />

die Geschichte um as gehe<strong>im</strong>nisvolle Haus in der Rue de la<br />

Gare. Die Handlung beginnt in einem Kriegsgefangenenlager<br />

<strong>und</strong> dort erfährt der Privatdetektiv erstmals von der Adresse.<br />

Tardi schildert das besetzte Paris <strong>und</strong> die St<strong>im</strong>mung der Kriegsjahre<br />

in Frankreich atmosphärisch dicht.<br />

Zwischen Lenin, Jazz & Harry L<strong>im</strong>e<br />

T & Z: Markus Herrenberger<br />

Buxtehude: Verl. an der Este, 1992.<br />

Eine Ratte wandert von Rußland durch europäische Länder,<br />

trifft auf ihrem Weg viele bekannte Zeitgenossen aus Kunst <strong>und</strong><br />

Literatur Prächtiges Bilderbuch für Connaisseurs, hintersinnig,<br />

anspielungsreich, zum Suchen <strong>und</strong> Entdecken. Ein intellektuelles<br />

Vergnügen! (ekz)<br />

Anschrift der Autorin:<br />

Marianne Fix<br />

Türlenstr. 22/108<br />

70191 Stuttgart

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