Politik und Zeitgeschichte im Comic
Politik und Zeitgeschichte im Comic
Politik und Zeitgeschichte im Comic
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Marianne Fix<br />
<strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
mit einer annotierten Bibliographie für Öffentliche Bibliotheken<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Untersuchung bilden in Deutschland erschienene <strong>Comic</strong>s, d.h. vor allem amerikanische <strong>und</strong> französische<br />
Produktionen. Zur Darstellung des politischen Aspekts in <strong>Comic</strong>s wird zunächst deren Entstehungsgeschichte<br />
<strong>und</strong> weitere Entwicklung betrachtet. Wirtschaftliche Zwänge der Herausgeber beeinflußten die Inhalte ebenso, wie<br />
zeitgeschichtliche Ereignisse <strong>und</strong> die daraus resultierenden Ideologien. Sachcomics werden aufgr<strong>und</strong> ihrer eigenen<br />
Problematik als Informationsmedien speziell behandelt. Um einen Überblick über das aktuelle Angebot sowie die<br />
Klassiker des Genres zu gewinnen, werden die <strong>Comic</strong>s Themenkreisen von „Nationalsozialismus“ bis „Feminismus“<br />
zugeordnet <strong>und</strong> dabei die verschiedenen Herangehensweisen <strong>und</strong> Motivationen der Autoren untersucht.<br />
Politics and Contemporary History in <strong>Comic</strong> Strips, with an annotated bibliography for Public Libraries<br />
The basis of the investigation is comics published in Germany, particularly U.S. and French productions. To explain<br />
the political element of graphic novels their origin and evolution is considered. Economic pressure on publishers, as<br />
well as contemporary events, influenced the contents and hence the political element. Non-fiction comics will be dealt<br />
with separately because of special problems arising from their function as an information medium. To give an<br />
<strong>im</strong>pression of the range of subject matter, and to enable comic strips to be considered in a political light, they will be<br />
classified <strong>und</strong>er headings Iike „Nazism“ or „Feminism“, to show different methods of approach and different motivations<br />
of authors.<br />
Politique et histoire contemporaine dans les bandes dessinées, avec une bibliographie annotée pour les bibliothèques<br />
publiques<br />
La base de cette recherche repose sur les bandes dessinées publiées en Allemagne, qui sont surtout des productions<br />
américaines et françaises. Pour la démonstration de l’aspect politique dans les bandes dessinées, on regarde d’abord<br />
la genèse et le développement.<br />
Des contraintes économiques des éditeurs influençaient les contenus aussi bien que les évènements contemporains<br />
et les idéologies qui en résultaient. Les bandes dessinées non fiction sont traitées à part en raison de leur<br />
problématique en tant que médias d’information. Pour faire un tour d’horizon de l’offre actuelle et des classiques du<br />
genre, on divise les bandes dessinées en groupes thématiques du ,national-socialisme‘ au ,féminisme‘ et on examine<br />
les différentes approches et les différentes motivations des auteurs.<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />
2 Definitionen <strong>und</strong> Begriffe . . . . . . . . . . . 162<br />
3 Eine kleine chronologische Übersicht unter<br />
besonderer Berücksichtigung politischer<br />
<strong>und</strong> zeitgeschichtlicher Aspekte . . . . . . . . 163<br />
4 Sachcomics oder Educational <strong>Comic</strong>s . . . . . 170<br />
5 Themenkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />
6 <strong>Comic</strong>s als Ausdrucksmittel politischer<br />
Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />
7 Schlußbetrachtung: <strong>Comic</strong>s in<br />
Öffentlichen Bibliotheken . . . . . . . . . . . 183<br />
Pr<strong>im</strong>ärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />
Sek<strong>und</strong>ärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />
Annotierte Bibliographie . . . . . . . . . . . . . 185<br />
1 Einleitung<br />
<strong>Comic</strong>s sind, falls sie in Öffentlichen Bibliotheken angeboten<br />
werden, vergleichbar mit den Süßigkeiten an der<br />
Kasse eines Supermarktes.<br />
Man findet sie mittlerweile überall, meist in den Nahbereichen.<br />
Doch das ist noch nicht lange so. In den siebziger<br />
Jahren galten <strong>Comic</strong>s in den Bibliotheken noch als<br />
Jugendliteratur; falls es überhaupt welche gab, verschwanden<br />
sie in den Kinderabteilungen.<br />
Die Kritik an den bunten Heftchen ist bis heute nicht<br />
abgerissen. Zwar sind die Vorwürfe der Schmutz- <strong>und</strong><br />
Sch<strong>und</strong>debatte, <strong>Comic</strong>s würden das Sprach- <strong>und</strong> Denkvermögen<br />
negativ beeinflussen <strong>und</strong> aus Kindern Kr<strong>im</strong>inelle<br />
machen, überw<strong>und</strong>en, doch folgten darauf andere:<br />
Gewaltverherrlichung, Sexismus, Konformismus, Kultur<strong>im</strong>perialismus<br />
1 .<br />
Auch Alfred Clemens Baumgärtner, mit dessen Untersuchung<br />
über Abenteuer-<strong>Comic</strong>s in den sechziger Jahren<br />
doch <strong>im</strong>merhin eine Erneuerung der <strong>Comic</strong>-Kritik einherging<br />
schreibt: „… diesen Ergebnissen unserer Untersuchung<br />
zufolge sehen wir in einem intensiven <strong>Comic</strong>s-<br />
Konsum vor allem eine politische Gefahr.“ 2 Und so ist<br />
es auch verständlich, daß vielen Feuilletonisten auf das<br />
Erscheinen von Art Spiegelmans „MAUS“ nur eine Frage<br />
einfiel: „Ein <strong>Comic</strong> über Auschwitz – darf man das?“<br />
Die Erwartungshaltung geht bei <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong>mer noch in<br />
1 „Zunächst müssen wir feststellen, daß fast allen <strong>Comic</strong>s reaktionäre<br />
oder affirmative Ideologien zugr<strong>und</strong>e liegen“. Zit. nach<br />
Giffhorn: Zur politischen Funktion von <strong>Comic</strong>s. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong><br />
ästhetischen Unterricht. Frankfurt 1974. S. 87.<br />
2 Baumgärtner: Die Welt der <strong>Comic</strong>s. Probleme einer pr<strong>im</strong>itiven<br />
Literaturform. Bochum 1965. S. 103.
162 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Richtung Funny <strong>und</strong> Cartoon. Dabei werden in dem<br />
Medium schon lange aktuelle zeitgeschichtliche Sujets<br />
behandelt. <strong>Politik</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> ist längst selbstverständlich,<br />
ob als Tagespolitik oder als Science Fiction.<br />
Da das Thema der Arbeit sehr breit angelegt ist, können<br />
verschieden Aspekte nur angerissen werden. Das gilt<br />
beispielsweise für <strong>Comic</strong>s als Ausdrucksmittel von politischen<br />
Bewegungen oder den Einsatz von <strong>Comic</strong>s als<br />
Propagandamittel. Das größte Problem bei diesen Themen<br />
ist die Materialbeschaffung, da ein Großteil der<br />
<strong>Comic</strong>s nicht über den Buchhandel vertrieben wird <strong>und</strong><br />
somit nicht in Bibliotheken gelangt. Größere Bestände<br />
sind in kaum einer Bibliothek vorhanden. Die Pflichtabgabe-Exemplare<br />
werden von den Verlagen nicht <strong>im</strong>mer<br />
abgeliefert, <strong>und</strong> sind sie tatsächlich in wissenschaftliche<br />
Bibliotheken gelangt, ist es möglich, daß sie aus „organisatorischen“<br />
Gründen nur teilweise erschlossen sind.<br />
Um das Thema zu begrenzen, habe ich mich fast <strong>im</strong>mer<br />
auf die in deutscher Sprache erschienenen <strong>Comic</strong>s beschränkt.<br />
Das erschien <strong>im</strong> Hinblick auf die Verwendbarkeit<br />
der Arbeit für Bibliotheken sinnvoll. Man sollte jedoch<br />
beachten, daß damit nur der europäische <strong>und</strong> der<br />
amerikanische Markt wahrgenommen wird. Die Produktionen<br />
andere Länder mit großer <strong>Comic</strong>-Tradition wie<br />
Japan, China oder die lateinamerikanischen Staaten<br />
werden damit nicht berücksichtigt.<br />
Auch Zeitungsstrips fallen weg, nur als <strong>Comic</strong>-Books<br />
d.h. in geb<strong>und</strong>ener Form Erschienenes konnte berücksichtigt<br />
werden. Ebenso werden Kinder- <strong>und</strong> Jugendcomics<br />
nur <strong>im</strong> Kapitel „Sachcomics“ speziell behandelt. Im<br />
Unterschied zum Buchmarkt wird der <strong>Comic</strong>-Markt nicht<br />
so stark in Altersgruppen eingeteilt.<br />
2 Definitionen <strong>und</strong> Begriffe<br />
2.1 Was ist ein <strong>Comic</strong>?<br />
„Definierbar ist nur das, was keine Geschichte<br />
hat.“<br />
Nietzsche<br />
2.1.1 Definition – Formale Kriterien<br />
Der Begriff <strong>Comic</strong>s entwickelte sich aus dem englischen<br />
comic strip, also komische Streifen. Die Bezeichnung<br />
bezieht sich einerseits auf den humoristischen Inhalt,<br />
andererseits auf das formale Element der Bildreihung.<br />
Der Begriff blieb erhalten, auch wenn schon bald nichthumoristische<br />
Streifen aufkamen. In der Literatur werden<br />
verschiedene Versuche unternommen, den Begriff<br />
des <strong>Comic</strong>s zu best<strong>im</strong>men.<br />
In der „World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s“ 3 heißt es beispielsweise:<br />
„A narrative form containing text and pictures<br />
arranged in sequential order (usually chronological).“<br />
Nach Dolle-Weinkauf 4 ist das hauptsächliche Gattungsmerkmal<br />
„das enge Zusammenspiel von Schrifttext <strong>und</strong><br />
Bild <strong>und</strong> die Präsentation einer Handlung in einer Folge<br />
von Einzelbildern“. Z<strong>im</strong>mermann 5 definiert vier Merkmale:<br />
„Integration von Wort <strong>und</strong> Bild, wobei das Bild dominiert;<br />
Erzählen einer Geschichte, einer story, in mehreren<br />
Bildern; periodisches Erscheinen; feststehende Figuren.“<br />
Doch schon hier beginnen die Schwierigkeiten;<br />
periodisches Erscheinen war in den Anfängen des <strong>Comic</strong>s<br />
ein zutreffendes Kriterium, heute erscheinen jedoch<br />
viele Autorencomics als Monographien. Wie Nietz-<br />
sche schon sagt, ist die Geschichte bei der Definition<br />
nicht erfaßbar, deshalb muß die geschichtliche Entwicklung<br />
in diesem Zusammenhang speziell dargestellt werden.<br />
Bleibt die Möglichkeit, formbest<strong>im</strong>mende Elemente zu<br />
sammeln, die jedoch nicht durchgängig vorhanden sind.<br />
Bei den verbalen Darstellungsmitteln gibt es:<br />
a) die Sprechblase (balloon) für die direkte Rede,<br />
b) die Gedankenwolke für den inneren Monolog,<br />
c) den Blocktext am Bildrand für kommentierende oder<br />
erzählende Texte <strong>und</strong><br />
d) die Lautmalerei (Onomatopöie), die Geräusche wiedergibt.<br />
Typische visuelle Elemente sind:<br />
a) das Panel, das Einzelbild,<br />
b) die Speedlines (kinetische Linien) <strong>und</strong><br />
c) die Piktogramme (Bildmetaphern), die z.T. auch in<br />
den Sprechblasen erscheinen, z.B. Glühbirne für<br />
plötzliche Erkenntnis.<br />
Hinzu kommt das narrative Element, das die Erzählabsicht<br />
des <strong>Comic</strong>s unterstreicht <strong>und</strong> durch das sich der<br />
<strong>Comic</strong> vom Cartoon bzw. der Karikatur abgrenzt. Entscheidend<br />
für den Übergang von der Karikatur zum<br />
<strong>Comic</strong> war die Bildreihung, das narrative Element. Im<br />
Unterschied zur Karikatur, ebenfalls eine Form des „gezeichneten,<br />
unbewegten, erzählenden Bildes“, führt der<br />
<strong>Comic</strong> in Phasen auf den Höhepunkt des Geschehens<br />
hin, während die Karikatur nur den Höhepunkt schildert. 6<br />
Über diese formbest<strong>im</strong>menden Elemente kann man sich<br />
dem Medium <strong>Comic</strong> jedoch nur annähern. Gerade in<br />
den späten siebziger Jahren entstehen <strong>Comic</strong>s, die<br />
selbst das <strong>im</strong>mer beschworene narrative Element auflösen.<br />
Hier seien besonders die Sachcomics angeführt.<br />
2.1.2 Das Wesen des <strong>Comic</strong><br />
Handelt es sich bei <strong>Comic</strong>s nun um bloße Konsumartikel,<br />
um Trivialliteratur, ein Massenmedium, Esperanto<br />
für Analphabeten oder gar die neunte Kunst? Formale<br />
Kriterien sind nur ein unzureichendes Mittel, um den<br />
Charakter des Mediums <strong>Comic</strong> in seinen inzwischen so<br />
vielfältigen Erscheinungsweisen zu beschreiben.<br />
Die zwei Informationsträger be<strong>im</strong> <strong>Comic</strong> sind das gezeichnete<br />
Bild <strong>und</strong> die Schrift. Historisch gesehen ist<br />
dies eine Verbindung zweier Kulturträger aus einer gemeinsamen<br />
Wurzel. Bilder waren nicht nur <strong>im</strong> Neolithikum<br />
ein Zeichensystem mit eigenen Regeln, die gelesen<br />
wurden. Die Schrift entwickelte sich zwar graphisch aus<br />
den Bildern, doch löste sie sich von deren bedeutungsmäßigen<br />
Inhalt <strong>und</strong> wurde zu einer unabhängigen Technik.<br />
7 Während die Schrift versucht, die Sprache abzubilden,<br />
korrespondieren die Bilder mit der visuellen Gedankenwelt<br />
des Menschen. So entwickelten sich über Jahrtausende<br />
die bildhafte Darstellung <strong>und</strong> die Schrift als<br />
3 Horn (Ed.): The World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s. Vol. 2. New<br />
York 1976. S. 794.<br />
4 Dolle-Weinkauf: <strong>Comic</strong>s. Weinhe<strong>im</strong> 1990. S. 326.<br />
5 Z<strong>im</strong>mermann: Vom Geist der Superhelden. München 1973.<br />
S. 13.<br />
6 Schwarz: Auf dem Weg zu einer <strong>Comic</strong>forschung. In: Fuchs:<br />
<strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen<br />
1977. S. 163-166.<br />
7 Haarmann: Universalgeschichte der Schrift. Frankfurt 1990.<br />
S. 22.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 163<br />
zwei unterschiedliche Kulturträger mit jeweils eigener<br />
Tradition, die sich aber auch gegenseitig <strong>im</strong>mer wieder<br />
beeinflussen. Gerade die politische Rhetorik war zu allen<br />
Zeiten reich an Bildern.<br />
Eine andere Wesenseigenschaft des <strong>Comic</strong>s sind die für<br />
ihn typischen Produktions- <strong>und</strong> Distributionsbedingungen.<br />
Als Nebenprodukt der Zeitungsproduktion verdankt<br />
der <strong>Comic</strong> sein Leben der Dampfpresse, die zur größeren<br />
Verbreitung von Druckerzeugnissen beitrug. Um nun<br />
den Produktionsmöglichkeiten gerecht zu werden, versuchten<br />
die Verleger, sich ein möglichst großes Publikum<br />
zu verschaffen, das durch den hohen Anteil an<br />
Analphabeten beschränkt war. So lag es nahe, Bilder-<br />
Geschichten in Zeitungen zu veröffentlichen. Der klassische<br />
amerikanische Zeitungsstrip wurde von einem<br />
Team produziert, mindestens einem Zeichner <strong>und</strong> einem<br />
Texter, dazu können noch Assistenten, Letterer oder<br />
Koloristen kommen. Die Rechte für diese Serien lagen<br />
dann be<strong>im</strong> Verlag <strong>und</strong> nicht bei den Autoren. So best<strong>im</strong>mten<br />
diese unter Umständen auch die Inhalte. In<br />
jüngster Zeit ist hier allerdings ein Wandel festzustellen.<br />
Immer mehr Autoren haben sich von Großverlagen wie<br />
DC getrennt, wenn sie dort die Rechte an ihren Serien<br />
nicht behalten konnten. Durch diese Produktionsbedingungen<br />
werden <strong>Comic</strong>s zum kommerziellen Medium.<br />
Sie sind dadurch aber auch mit wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />
politischen Zeitströmungen eng verb<strong>und</strong>en. Darin gleichen<br />
sie den Massenmedien.<br />
Bei der Welt des <strong>Comic</strong>s handelt es sich um ein eigenes<br />
ästhetisches System. Tiere können sprechen, Menschen<br />
können fliegen, Traum <strong>und</strong> Wirklichkeit werden<br />
untrennbar verwoben, Orte <strong>und</strong> Zeiten lösen sich aus<br />
ihrem Zusammenhang, die Helden brauchen nicht zu<br />
altern <strong>und</strong> können sich beliebig lange in einer best<strong>im</strong>mten<br />
historischen Situation tummeln. Das führt zu einem<br />
eigenen System von Bedeutungen, also einer Mythologie,<br />
die möglichst frei von inneren <strong>und</strong> äußeren Widersprüchen<br />
sein sollte wie z.B. Entenhausen oder Supermans<br />
Metropolis. Damit steht der <strong>Comic</strong> literarisch in der<br />
Tradition der Sagen, Märchen <strong>und</strong> Fabeln. So ist Gewalt<br />
<strong>im</strong> <strong>Comic</strong> nicht vergleichbar mit Gewalt <strong>im</strong> Film oder gar<br />
realer Gewalt. Eingebettet in den Mythos n<strong>im</strong>mt niemand<br />
an, daß die römischen Legionäre die liebevolle<br />
Behandlung durch die gallischen Krieger nicht überleben<br />
könnten.<br />
Das Erschaffen einer solchen Mythologie ist die große<br />
Kunst am <strong>Comic</strong>. Für die politische Betrachtung folgt<br />
daraus, daß nicht die unmittelbare Abbildung der Realität<br />
für die historische <strong>und</strong> politische Bedeutung relevant<br />
ist. Eine Ausnahme bildet der Sach-<strong>Comic</strong>, der von<br />
seinem Anspruch her dokumentarisch sein will.<br />
2.2 Gibt es den „politischen <strong>Comic</strong>“?<br />
<strong>Comic</strong>s können direkt <strong>und</strong> indirekt politisch sein.<br />
Direkt, wenn sie ein politisches Thema behandeln, also<br />
die -Auseinandersetzung mit der <strong>Politik</strong> suchen. Indirekt<br />
ist praktisch jeder <strong>Comic</strong> politisch, indem er ein best<strong>im</strong>mtes<br />
gesellschaftliches Wertesystem vermittelt, gerade<br />
dann, wenn er sich betont apolitisch gibt.<br />
Zeitungsstrips wie „Doonesbury“ setzen sich, wie die<br />
politische Karikatur, über Jahre hinweg auf direkte Weise<br />
mit Tagespolitik auseinander. Das verlangt eine sehr<br />
schnelle, kurzfristige Produktion, die für <strong>Comic</strong>-Autoren<br />
noch schwieriger ist als für Karikaturisten. Aber auch<br />
umfangreichere Werke wie „MAUS“ beschreiben ein politisches<br />
Thema. Solche <strong>Comic</strong>s könnte man, ebenso<br />
wie den einschlägigen Teil der Sachcomics als „politischen<br />
<strong>Comic</strong>“ bezeichnen.<br />
So ist Gewalt <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> nicht vergleichbar mit Gewalt <strong>im</strong><br />
Film oder gar realer Gewalt.<br />
Superhelden-<strong>Comic</strong>s reflektieren in besonderer Weise<br />
den gesellschaftlichen Wertewandel <strong>und</strong> sind somit indirekter<br />
Ideologieträger. Schon ihr Aufkommen in einer<br />
Zeit wirtschaftlicher Depression bis hin zu ihrer Unterminierung<br />
in den achtziger Jahren, einer Zeit der Autoritätsverluste,<br />
ist eng mit der <strong>Zeitgeschichte</strong> verb<strong>und</strong>en.<br />
Darüber hinaus schlagen sich darin die Allmachtsphantasien<br />
in Form der omnipotenten Superhelden nieder,<br />
was politisch zumindest relevant ist. Sie werden deshalb<br />
<strong>im</strong> Anschluß auch stellvertretend für andere Genres, wie<br />
z.B. Adventure-<strong>Comic</strong>s oder Science Fiction <strong>Comic</strong>s,<br />
eingehender betrachtet.<br />
Der gern zitierte Ausspruch der Unterhaltungsfilmindustrie:<br />
„If you’ve got a message, send it by Western<br />
Union“ hat nicht nur be<strong>im</strong> Film noch nie gest<strong>im</strong>mt.<br />
3 Eine kleine chronologische Übersicht unter<br />
besonderer Berücksichtigung politischer<br />
<strong>und</strong> zeitgeschichtlicher Aspekte<br />
In diesem Teil der Arbeit sollen nicht nur deutsche <strong>Comic</strong>-Produktionen<br />
berücksichtigt werden, da sonst wichtige<br />
Entwicklungen nicht schlüssig dargestellt werden<br />
können. Die Beziehung zum deutschen Markt ist insofern<br />
gegeben als die <strong>Comic</strong>s in der Regel in Übersetzungen<br />
vorliegen. Die Auswahl strebt an, einen möglichst<br />
breiten Überblick über die verschiedensten Formen des<br />
politischen <strong>Comic</strong>s zu geben.<br />
3.1 Urgeschichte des <strong>Comic</strong>s: Die Geburt des<br />
<strong>Comic</strong>s aus dem narrativen Geiste der<br />
Kunst<br />
Für Wort-Bild-Verknüpfungen, die politische oder propagandistische<br />
Zwecke verfolgen, gibt es in der Geschichte<br />
zahlreiche Beispiele. Schon lange vor der offiziellen<br />
„Geburtsst<strong>und</strong>e“ der <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Jahre 1896 (s. auch 2.2)<br />
haben alle politischen Richtungen sich der Bildergeschichten<br />
bedient.<br />
Eines der ältesten Beispiele ist wohl der Wandteppich<br />
von Bayeux (1077), in dessen 58teilige Darstellung der<br />
Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer lateinische<br />
Obertitel eingefügt sind. 8<br />
Die Bilderbogen, die mit ihren übersichtlich angeordneten<br />
umrandeten Feldern dem <strong>Comic</strong>panel schon sehr<br />
nahe kommen, werden nach der Erfindung des Buchdruckes<br />
mit <strong>im</strong>mer längeren Textbeigaben versehen.<br />
Thematisch beschäftigen sich die Bilderbogen, die vor<br />
allem auch bei der einfachen Bevölkerung Verbreitung<br />
finden, nicht nur mit Naturkatastrophen u.ä., sondern<br />
durchaus auch mit politischen Ereignissen beispielsweise<br />
während der Reformationszeit.<br />
8 Mayers Großes Taschenlexikon. Bd. 3. Mannhe<strong>im</strong> 1987.<br />
S. 105.
164 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Im England des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts produzierte der Maler<br />
<strong>und</strong> Kupferstecher William Hogarth (1697-1764) gesellschaftskritische<br />
Bilderserien. Hogarths Stiche finden in<br />
der Bevölkerung auch als Raubdrucke <strong>und</strong> Plagiate weite<br />
Verbreitung. 9 In der Stichfolge „The Election“ 10 setzt<br />
sich Hogarth mit den Umständen des Wahlkampfs <strong>im</strong><br />
„Mutterland der Demokratie“ auseinander. Die Kandidaten<br />
machen ihren Wählern Versprechungen, lügen, betrügen<br />
<strong>und</strong> prügeln sich sogar. Da Hogarth den Torys<br />
nahesteht, läßt er diesen unwürdigen Wahlkampf die<br />
Whigs gewinnen. 11<br />
Hogarths Bilder sind voll von zahlreichen Anspielungen<br />
<strong>und</strong> Nebenhandlungen. Spätere Karikaturisten wie Gillray,<br />
Rolandson <strong>und</strong> Cruikshank vereinfachen die Vielschichtigkeit<br />
der Bilder Hogarths auf eine dominante<br />
Handlung, den Plot, mit satirischen Elementen. Diese<br />
Reduktion des Bildes auf eine einfache Aussage, vor<br />
allem dort, wo es illustrative Zwecke erfüllte, war möglicherweise<br />
der wichtigste Schritt in der Entwicklung der<br />
<strong>Comic</strong>s. 12<br />
In Spanien schuf Francisco de Goya (1746-1828) mehrere<br />
Folgen von untertitelten Radierungen, die sich mit<br />
der politischen Situation Spaniens am Ende des 18. Jhd.<br />
auseinandersetzen. Die „Caprichos“ (1799) <strong>und</strong> auch<br />
„Desastres de la Guerra“ (1810-14) zeigen, daß sich<br />
Goya, der spanische Hofmaler, den französischen Aufklärern<br />
verb<strong>und</strong>en sah. 13 Die „Desastres de la Guerra“<br />
schildern den Krieg gegen die französischen Invasoren<br />
in 81 Blättern. Doch Goya wendet sich nicht nur gegen<br />
die Franzosen, sondern vor allem gegen die spanische<br />
Herrschaftsschicht, die die Massen für ihre Zwecke leiden<br />
läßt. 14<br />
3.2 Bildergeschichten <strong>und</strong> politische Karikatur<br />
Dem Genfer Rhetorikprofessor Rodolphe Töpffer (1799-<br />
1846), der in der Literatur als einer der wichtigsten Väter<br />
des <strong>Comic</strong>s gilt, ging es dagegen eher um die zeichnerische<br />
Umsetzung grotesker Einfälle. Sein politisches<br />
Verständnis war eher ein konservatives; er war bestrebt<br />
allen Dingen das „mittlere Maß“ 15 zurückzugeben <strong>und</strong><br />
begründete die bürgerliche Karikatur des Biedermeiers.<br />
Eine seiner ,politischen‘ Geschichten, die „Geschichte<br />
Alberts“ (1845), schildert das Leben eines verzogenen<br />
Taugenichts, der durch die Gründung einer radikalen<br />
Zeitung zu Vermögen gelangt <strong>und</strong> sich damit in der<br />
Gesellschaft, die er angeblich von Gr<strong>und</strong>e her verachtet,<br />
angenehm einrichtet. 16<br />
In Frankfurt veröffentlichen 1848 der satirische Schriftsteller<br />
<strong>und</strong> Abgeordnete Johann Herrmann Detmold <strong>und</strong><br />
der Zeichner Adolf Schrödter die „erste deutsche Bildergeschiche“<br />
17 über einen „Hinterbänkler“ des Paulskirchen-Parlamentes:<br />
„Thaten <strong>und</strong> Meinungen des Herrn<br />
Piepmayer, Abgeordneter zur constituierenden Nationalversammlung<br />
zu Frankfurt am Main“. Detmold <strong>und</strong><br />
Schrödter haben in ihre Geschichte reale Ereignisse aus<br />
der Nationalversammlung eingebaut, z.B. die Abst<strong>im</strong>mung<br />
über das Erbkaisertum. Auch einige Abgeordnete<br />
fanden sich in Schrödters feinsinnigen Tuschezeichnungen<br />
recht deutlich wieder.<br />
„Struwwelpeter – ein Versuch zur Einigung Deutschlands“<br />
oder Friedrich Pechts „Ätzblätter aus dem Frankfurter<br />
Parlament“ sind weder von der Qualität der Zeich-<br />
nungen noch von der politischen Konsequenz mit<br />
Schrödter zu vergleichen. 18<br />
Während des Vormärzes n<strong>im</strong>mt in Deutschland die humoristisch-satirische<br />
Presse 1844 ihren Anfang mit dem<br />
„Münchner Bilderbogen“ <strong>und</strong> den „Fliegenden Blättern“.<br />
Deren heute bekanntester Mitarbeiter war Wilhelm<br />
Busch (1832-1908), dessen satirische Bildergeschichten<br />
sich manchmal auch gegen allzu konservative Einrichtungen<br />
des Biedermeiers wandten („Heiliger Antonius<br />
von Padua“ 1870 oder „Die fromme Helene“ 1872).<br />
Von den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in<br />
Deutschland entstandenen Satirezeitschriften ist der sozialistische<br />
„Wahre Jakob“ die bedeutendste. 1879 als<br />
lokales Monatsblatt von Heinrich Wilhelm Dietz in Hamburg<br />
gegründet, erscheint er nach seinem Verbot <strong>im</strong><br />
März 1881 drei Jahre später in Stuttgart wieder. Aufgr<strong>und</strong><br />
der Sozialistengesetze bekannte sich der „Wahre<br />
Jakob“ nicht mehr offen zur Sozialdemokratie, verlor<br />
aber keineswegs seine politische Stoßrichtung. Nach<br />
dem Fall der Sozialistengesetze 1890 wurden dort Aufsätze<br />
von August Bebel <strong>und</strong> Wilhelm Liebknecht veröffentlicht.<br />
In seiner politischen Ausrichtung unterschied<br />
sich der „Wahre Jakob“ stark von den eher rechts-oppositionellen<br />
Blättern wie dem „Neuruppiner Bilderbogen“<br />
oder dem „Kladderadatsch“. Schließlich wurde er <strong>im</strong><br />
März 1933 von den Nationalsozialisten endgültig verboten.<br />
19<br />
Der „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“ (1896-1944) war eine Zeitschrift,<br />
die versuchte, den politischen Humor fernab von jeder<br />
Parteienbindung zu pflegen. Allerdings geriet sie später,<br />
obwohl einige ihrer Zeichner emigrieren mußten, in den<br />
Strudel des Nationalsozialismus, bis sie 1944 ihr Erscheinen<br />
einstellte. 20<br />
3.3 Industrialisierung des <strong>Comic</strong>s: Merkmale<br />
eines Massenmediums<br />
Der allgemein als erster <strong>Comic</strong> bezeichnete Strip, R.F.<br />
Outcaults „The Yellow Kid“ (1896), spielt <strong>im</strong> New Yorker<br />
Einwanderermilieu <strong>und</strong> gilt als sozialkritische Lausbubengeschichte.<br />
21<br />
Die Frühgeschichte des <strong>Comic</strong>s ist vor allem von den<br />
Funnys best<strong>im</strong>mt, von denen nun sehr viele periodisch<br />
in Zeitungen erschienen <strong>und</strong> die erst später als eigen-<br />
9 Metken: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt 1970. S. 13.<br />
10 Sir John Soane’s Museum. London.<br />
11 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />
S. 69.<br />
12 Vom Penny Dreadful zum <strong>Comic</strong>. Englische Jugendzeitschriften,<br />
Heftchen <strong>und</strong> <strong>Comic</strong>s von 1855 bis zur Gegenwart. Oldenburg<br />
1981. S. 57.<br />
13 Goya: Caprichos. Zürich 1972.<br />
14 Goya: Desastres de la Guerra. Zürich 1972.<br />
15 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />
S. 155.<br />
16 Ebd.<br />
17 Metken: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt. 1970. S. 17.<br />
18 Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />
S. 155 f.<br />
19 Knilli: „Der wahre Jakob“ – ein linker Supermann“? In: <strong>Comic</strong><br />
Strips. Berlin 1970. S. 12-21.<br />
20 Knigge: Fortsetzung folgt – <strong>Comic</strong> Kultur in Deutschland.<br />
Frankurt 1986. S. 28.<br />
21 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 12.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 165<br />
ständige <strong>Comic</strong>-Books herausgegeben wurden. Als die<br />
Vierfarbrotationsmaschinen aufkamen, stellte sich für<br />
die Zeitungsverleger die Frage, wie sie diese Maschinen<br />
nutzen konnten. Anfängliche Versuche mit dem Nachdruck<br />
berühmter Kunstwerke als Zeitungsbeilage fanden<br />
nicht den gewünschten Anklang <strong>und</strong> so kam Pulitzer<br />
auf die Idee, farbige <strong>Comic</strong>-Strips, vorerst als Sonntagsbeilage,<br />
herzustellen. 22<br />
1929 erschienen erstmals nichthumoristische Abenteuer-<strong>Comic</strong>s,<br />
„Tarzan“ von Harold Forster <strong>und</strong> der Science<br />
Fiction „Buck Rogers“. Der <strong>Comic</strong>markt in den USA<br />
wurde dann aber durch eine am Zeitungsmarkt orientierte<br />
Entwicklung auf wenige Syndikate aufgeteilt, die den<br />
<strong>Comic</strong>markt zeitweise völlig beherrschten. Die lndustrialisierung<br />
der <strong>Comic</strong>s nahm ihren Lauf, die Serien wurden<br />
nicht mehr von originellen Karikaturisten gezeichnet,<br />
sondern von kommerziellen Illustratoren <strong>und</strong> Gebrauchsgraphikern.<br />
23<br />
3.4 Der <strong>Comic</strong> <strong>im</strong> Dienste der<br />
Kriegspropaganda<br />
In Deutschland erschien 1935 der erste von den drei,<br />
sehr erfolgreichen „Vater <strong>und</strong> Sohn“-Bänden des Karikaturisten<br />
e.o. plauen (Erich Ohser). Die „Vater <strong>und</strong> Sohn“-<br />
Geschichten spielen in ihrer charmanten Verschmitztheit<br />
oft satirisch auf den Ordnungssinn der Nazis an.<br />
Ohser machte zwischen 1929 <strong>und</strong> 1933 auch <strong>im</strong>mer<br />
wieder Karikaturen für den sozialdemokratischen „Vorwärts“<br />
<strong>und</strong> geriet dadurch schnell in Konflikt mit den<br />
Nationalsozialisten. Um politisch wie auch ökonomisch<br />
überleben zu können, ließ sich Ohser auf politische<br />
Arbeiten für die Zeitschrift „Das Reich“ ein. Er unternahm<br />
<strong>im</strong>mer wieder Versuche der Kritik, daraufhin wurde er<br />
1944 von der Gestapo verhaftet <strong>und</strong> nahm sich in der<br />
Haft das Leben.<br />
Bemerkenswert ist <strong>im</strong> Rückblick darauf, daß die nationalsozialistische<br />
Propaganda, sonst <strong>im</strong> Umgang mit<br />
Massenmedien bestens bewandert, auf die Herstellung<br />
<strong>und</strong> Verbreitung von <strong>Comic</strong>s verzichtete. Nur <strong>im</strong> besetzten<br />
Frankreich versuchte man 1943-1945 mit dem <strong>Comic</strong>-Magazin<br />
„Le Téméraire“ ideologisches Gedankengut<br />
zu verbreiten. 24<br />
1929 erschienen erstmals nichthumoristische Abenteuer-<strong>Comic</strong>s,<br />
„Tarzan“ von Harold Forster <strong>und</strong> der Science<br />
Fiction „Buck Rogers“.<br />
In den USA entstehen in der Nachfolge des 1938 erstmals<br />
erschienen „Superman“ eine Reihe von Superhelden-<strong>Comic</strong>s.<br />
Paradigmatisch für den Transport ideologischen<br />
Gedankenguts, den man kaum noch als indirekt<br />
bezeichnen kann, ist die Figur des „Captain America“,<br />
die <strong>im</strong> 2. Weltkrieg entstand.<br />
„Over the years, Captain America has always mirrored<br />
the American psyche in the 1940’s, he was the super-patriot;<br />
in the 1950’s, he was the reactionary; today he is<br />
the unsure giant. He is America.“ 25<br />
Der „Kämpfer für Demokratie <strong>und</strong> Gerechtigkeit“ wurde<br />
1941 von Jack Kirby <strong>und</strong> Joe S<strong>im</strong>on erschaffen. Das<br />
Aushängeschild des amerikanischen Patriotismus trägt<br />
passend dazu ein Trikot in den Farben der amerikanischen<br />
Flagge. Seine übermenschlichen Kräfte verdankt<br />
der „Super-Soldier“einem amerikanischen Arzt, der wäh-<br />
Abb. 1: Captain America <strong>im</strong> Kriegseinsatz<br />
rend des Zweiten Weltkriegs versucht, eine ganze Armee<br />
von solchen Übermenschen zu produzieren. Doch<br />
die Nazis bringen den Erfinder um <strong>und</strong> so bleibt es,<br />
glücklicherweise, bei einem Unikat. Die Nullnummer<br />
zeigt geradezu programmatisch auf dem Titelbild, wie<br />
„Captain America“ dem gehaßten Feind Adolf Hitler einen<br />
Kinnhaken versetzt.<br />
Die Serie läuft zunächst bis Mai 1949, ein neuer Versuch,<br />
die Serie wieder aufleben zu lassen, scheitert<br />
1954. Im Jahre 1964 taucht „Captain America“ in einem<br />
Magazin „Tales of Suspense“ wieder auf, aber erst 1968<br />
hat er wieder ein eigenes Magazin in der Marvel <strong>Comic</strong>s<br />
Group unter der Leitung von Stan Lee. Der „rechte<br />
Flügelmann“ des Marvel Imperiums wandelt sich langsam<br />
<strong>und</strong> stellt kritische Fragen, doch steht er <strong>im</strong>mer<br />
noch für die alten amerikanischen Werte Ehre, Wahrheit,<br />
Gerechtigkeit <strong>und</strong> Gesetz. Stan Lee beschreibt ihn mit<br />
den Worten: „Er wird <strong>im</strong>mer der konservativste von unseren<br />
Helden sein.“ 26<br />
22 Baumgärtner: Die Welt der <strong>Comic</strong>s. Bochum 1965. S. 16.<br />
23 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München, 1971. S. 17.<br />
24 Denni: L’Ideologie Nazi du Téméraire. In: Le Collectionneur des<br />
Bandes Dessinées 14. Paris 1978. S. 8-10.<br />
25 Horn (Ed.): The World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s. New York<br />
1976.<br />
26 Stan Lee diskus-Interview. In: diskus. Frankfturter Studentenzeitung.<br />
1979. H. 2.
166 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Während des Krieges erscheinen zahlreiche ähnliche<br />
Serien in den USA, mit Militärs oder Superhelden <strong>und</strong><br />
Heldinnen in der Titelrolle. Die Darstellung der Deutschen<br />
ist meist sehr platt, von einem eindeutigen Gut-<br />
Böse-Schema geprägt. Inwieweit in den USA Einfluß<br />
von Regierungsseite auf die Produktion genommen wurde,<br />
ist nicht nachzuvollziehen. Doch waren die Hersteller<br />
auf Papierzuteilungen der Regierung angewiesen, was<br />
dem patriotischen Gewissen vielleicht nachhalf. 27<br />
Auch der Superstar der Adventure-<strong>Comic</strong>s „Superman“<br />
hatte seine Rolle <strong>im</strong> Krieg gespielt. Nach dem Ende des<br />
Krieges wird er ganz besonders zu einem Hüter von<br />
Ordnung <strong>und</strong> Gesetz. Er wird Teil der Exekutive <strong>und</strong><br />
verteidigt die bürgerliche Gesellschaft. 28 In einer Episode<br />
„How Superman would end the war“ fliegt Superman<br />
als Weltpolizist mit Hitler <strong>und</strong> Stalin unter dem Arm nach<br />
Genf <strong>und</strong> stellt sie vor das Gericht der Vereinten Nationen.<br />
29<br />
3.5 Die freiwillige Zensur <strong>im</strong> Kalten Krieg<br />
Das berühmteste Beispiel von Kaltem Krieg <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> ist<br />
das 1947 in Millionenauflage erschienene Heft „Is this<br />
tomorrow? America <strong>und</strong>er Communism!“, in dem die<br />
Jünger Stalins (deren Chef seltsamerweise einen Trotzki-Bart<br />
trägt) die Macht <strong>im</strong> Capitol an sich reißen. Endlich<br />
an der Macht, schrecken die Diktatoren vor nichts mehr<br />
zurück: Kranke werden umgebracht, Lebensmittellager<br />
gesprengt, um hinterher Verhaftungswellen durchzuführen,<br />
Universitäten verstaatlicht (!) <strong>und</strong> Bücher verbrannt.<br />
30 Den Kommunisten wird darin genau dasselbe<br />
politische Vorgehen unterstellt, wie es die Nazis an den<br />
Tag gelegt hatten. So wurde das Feindbild hier ohne<br />
nennenswerte Veränderung von den Nazis auf die Kommunisten<br />
übertragen. Das setzte sich dann auch in den<br />
Superhelden-<strong>Comic</strong>s fort, die „rote Gefahr“ bekämpfen<br />
hieß die neue Parole.<br />
Nachdem sich die B<strong>und</strong>esrepublik langsam vom Krieg<br />
erholte, gab es auch die ersten Versuche, amerikanische<br />
Produkte auf dem deutschen Markt zu etablieren.<br />
Anfangs scheiterten zwar manche, Superman wurde<br />
z.B. nach dem dritten Heft wieder eingestellt, aber die<br />
Micky-Maus-Hefte fanden bald reißenden Absatz. 31<br />
Von dieser Entwicklung gar nicht begeistert, schuf Manfred<br />
Schmidt für die Zeitschrift „Quick“ eine Parodie auf<br />
die amerikanischen Helden-<strong>Comic</strong>s. Die Serie „Nick<br />
Knatterton“, der Detektiv mit dem künstlichen Hinterkopf,<br />
wurde ein großartiger Erfolg. Sie erschien ab 1950<br />
wöchentlich, bis sich dann 1962 „Schmidts Zeigefinger<br />
weigerte, den Bleistift zu halten“, wie er seinen Ausstieg<br />
aus der Serie begründete. Mit Seitenhieben auf die<br />
B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> vor allem mit der Kritik der geplanten<br />
Wiederbewaffnung brachte er seine pazifistische<br />
Gr<strong>und</strong>einstellung zum Ausdruck. 32<br />
Im Jahr 1954 verabschiedet die „<strong>Comic</strong>s Magazine Association<br />
of America“ den <strong>Comic</strong> Code als Selbstbeschränkung<br />
der Verleger, eine Reaktion auf die starke<br />
öffentliche Kritik an der Darstellung von Gewalt, Kr<strong>im</strong>inalität,<br />
Horror <strong>und</strong> Sexualität <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>. Tatsächlich<br />
herrschte bis dahin in der <strong>Comic</strong>-Welt eine wesentlich<br />
größere Freizügigkeit als zur selben Zeit <strong>im</strong> Film. Das<br />
mittelständisch-bürgerliche Wertesystem der amerikanischen<br />
Gesellschaft wurde verpflichtend für den <strong>Comic</strong>,<br />
eine ethische Schwarzweißmalerei war die Folge.<br />
Der dritte Artikel des Codes lautete beispielsweise: „Polizisten,<br />
Richter, Regierungsbeamte <strong>und</strong> ehrbare Institutionen<br />
dürfen nie in einer Art <strong>und</strong> Weise dargestellt<br />
werden, die Respektlosigkeit gegenüber der etablierten<br />
Autorität erwecken könnte.“ 33 Das aufgedruckte Siegel<br />
sollte den Eltern einen sauberen <strong>und</strong> unbedenklichen<br />
Inhalt bedeuten. Unter dem Code gediehen vor allem die<br />
Superhelden-<strong>Comic</strong>s, deren reine Begriffe von Gut <strong>und</strong><br />
Böse dafür prädestiniert waren.<br />
Kritik war also kaum noch möglich, einige der wenigen<br />
Ausnahmen war die Serie „Pogo“ von Walt Kelly, in der<br />
deutliche Kritik an McCarthy laut wurde.<br />
In Deutschland wird 1953 das „Gesetz über die Verbreitung<br />
jugendgefährdender Schriften“ verabschiedet. Um<br />
die Zensur der Hefte möglichst zu vermeiden, wurde<br />
auch in Deutschland eine „Freiwillige Selbstkontrolle für<br />
Serienbilder“ (FSS) initiiert. Der Gr<strong>und</strong> war in erster Linie<br />
ein ökonomischer; zensierte Hefte durften nicht mehr<br />
verkauft werden, während die FSS den Verlagen noch<br />
die Möglichkeit der Änderung ließ. Außerdem konnte<br />
eine ganze Serie indiziert werden, falls in 12 Monaten<br />
mehr als zwei Hefte indiziert wurden. 34<br />
3.6 Exkurs: Vom sympathischen Chauvinismus<br />
zur faschistoiden Reaktion<br />
Zu Beginn der sechziger Jahre entsteht in Frankreich<br />
eine neue Serie, die sich zum Bestseller unter den<br />
<strong>Comic</strong>s entwickeln sollte. Erstmals 1959 in „Pilote“, dem<br />
französischen <strong>Comic</strong>magazin, erschienen, kommt 1961<br />
das erste „Asterix“-Album auf den Markt. Der erste Band<br />
erscheint noch mit einer Auflage von 6000 Stück, der<br />
achte Band kommt bereits auf 600 000 Stück. 35<br />
Der erfolgreiche Semi-Funny wendet sich zwar an Jugendliche,<br />
aber die Gags sind teilweise so hintergründig,<br />
daß sogar der Bildungsbürger daran Geschmack finden<br />
kann.<br />
Um die Bedeutung von Asterix zu unterstreichen, wird in<br />
der Literatur häufig die Autorität des Politologen Alfred<br />
Grossers bemüht, der gesagt haben soll, daß Asterix als<br />
das „aufschlußreichste politische Buch der französischen<br />
Nachkriegszeit“ 36 anzusehen sei. Der wesentlichste<br />
politische Aspekt darin ist wohl das Element des<br />
Chauvinismus.<br />
Dies zeigt sich in der Konzeption der Geschichte um den<br />
„Anti-Superhelden“ Asterix, die zweifellos eine chauvinistische<br />
Gr<strong>und</strong>struktur aufweist. Obelix’ ständiger Aus-<br />
27 Fuchs: Kennerblick. In: Comixene. 1977. H. 15, S. 4-5.<br />
28 Hausmanninger: Superman. Frankfurt 1989. S. 94.<br />
29 Fuchs: Wo sind all die Krieger hin? In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1986.<br />
S. 4-5.<br />
30 Heiß <strong>und</strong> Kalt – die Jahre 1945-69. Berlin 1986. S. 199-206.<br />
31 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 117.<br />
32 Schmidt: Nick Knatterton. Oldenburg 1983.<br />
33 Zit. nach: Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 359.<br />
34 Knigge: Fortsetzung folgt. Frankfurt 1986. S. 173 ff.<br />
35 Affolter: René Goscinny – Eine längst überfällige Würdigung<br />
eines genialen Szenaristen. In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1987. Frankfurt<br />
1987. S. 103.<br />
36 Zit. nach Stoll: Bedingungen einer kritischen Asterix-Lektüre.<br />
In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht.<br />
Opladen 1977. S. 39.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 167<br />
Abb. 2: Gotische Sch<strong>im</strong>pfwörter<br />
spruch „Die spinnen, die Römer!“, der notfalls auch auf<br />
andere Völker angewendet werden kann, sei hier nur<br />
beispielhaft angeführt.<br />
Das Dorf der Gallier liegt nicht ohne Gr<strong>und</strong> in der Bretagne,<br />
eine Region Frankreichs, die für ihren starken Autonomieanspruch<br />
bekannt ist. Die Sympathie der Leser<br />
liegt eindeutig bei der unterdrückten Minderheit, die sich<br />
gegen die über ihr stehende Autorität wehrt, auch wenn<br />
der Kampf aussichtslos erscheinen mag. Innerhalb des<br />
Dorfes sind die Strukturen dafür sehr patriarchal, niemand<br />
begehrt ernsthaft auf. Auch der Aufstand der Frauen,<br />
die sich sonst mit der Rolle als Hausdrachen begnügen,<br />
wird friedlich beendet. 37 Sich sämtlichen Neuerungen<br />
zu verschließen scheint das Ziel der eingeschworenen<br />
Dorfgemeinschaft zu sein. 38<br />
Die selbstgerecht-patriotische Haltung drückt sich auch<br />
auf den zahlreichen Reisen der Helden aus; so werden<br />
die Briten, die früher nur heißes Wasser verkosteten,<br />
endlich mit der Teepflanze bekannt gemacht 39 <strong>und</strong> die<br />
Abb. 3: Siggi <strong>und</strong> die goldene Sichel in der Übersetzung<br />
des Kauka-Verlags<br />
Karikatur der Deutschen in „Asterix <strong>und</strong> die Goten“ tritt<br />
die bekannten Klischees breit: Marschieren in Reih <strong>und</strong><br />
Glied oder lauter, autoritärer Umgangston. 40<br />
Goscinny hat zwar <strong>im</strong>mer wieder jede politische Intention<br />
bestritten, 41 aber 1976 tritt in „Obelix GmbH <strong>und</strong> Co.“<br />
ein Römer auf, der Jacques Chirac auffällig ähnelt <strong>und</strong><br />
der versucht, die Dorfbewohner in einen kapitalistischem<br />
Konkurrenzkampf zu verstricken <strong>und</strong> damit Zwietracht<br />
zu säen. 42<br />
Doch der Chauvinismus der Originalversion wurde<br />
durch die erste deutsche Übersetzung durch den Kauka-Verlag<br />
noch übertroffen.<br />
Schon zwei Jahre, bevor die heute bekannte <strong>und</strong> so<br />
beliebte Version des Ehapa-Verlages erschien, die seit<br />
1967 publiziert wird, gab es eine „eingedeutschte“ Fassung<br />
unter dem Titel „Siggi <strong>und</strong> die goldene Sichel“ in<br />
der Zeitschrift „Lupo“. Das Deckblatt war verändert <strong>und</strong><br />
das von „unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf“ wurde<br />
zur „Fliehburg Bonnhalla“. Von „Wiedervereinigung“ ist<br />
die Rede, <strong>und</strong> „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen“<br />
seien „rein zufällig“. Aus Asterix wurde „Siggi“, von Siegfried<br />
dem Unverw<strong>und</strong>baren, aus Obelix „Babarras“, der<br />
einen Findling mit sich herumträgt „wie andere einen<br />
Schuldkomplex“; der Druide heißt „Konradin“ (es ist wohl<br />
Konrad Adenauer gemeint) <strong>und</strong> der Barde wird mit dem<br />
eigenartigen Namen „Parlament“ bedacht: „… nur ein<br />
stummer Parlament ist ein guter Parlament, ansonsten<br />
aber lästig!“ 43 . Der Anführer der Schieberbande spricht<br />
mit jiddisierendem Tonfall <strong>und</strong> selbst vor Grüßen wie<br />
„Heil Hein, heil unserem geliebten Bonnhalla!“ 44 schreckt<br />
die Kauka-Redaktion nicht zurück.<br />
Als ihnen daraufhin von Goscinny <strong>und</strong> Uderzo die Rechte<br />
entzogen wurden, machte sich der Verlag an eine<br />
Nachfolgeserie, die die Gr<strong>und</strong>idee übern<strong>im</strong>mt. „Als die<br />
Römer frech geworden“ heißt das erste Plagiat, das mit<br />
den Hauptfiguren „Fritze Blitz <strong>und</strong> Dunnerkiel“ in dem<br />
Kauka-Magazin „Fix <strong>und</strong> Foxi Super Tip Top Bd. 4“<br />
erschien. Die reaktionäre Ideologie ist die gleiche geblieben,<br />
die Helden bekämpfen englischsprachige „Besatzer“.<br />
In „Der Ochsenkrieg“ widmen sich die Helden, die<br />
wieder die alten Namen „Siggi“ <strong>und</strong> „Babarras“ tragen,<br />
dem geteilten Deutschland. Die letzte dieser Geschichten<br />
war „Siggi <strong>und</strong> die Ostgoten“, darin hatte auch<br />
„Franz-Josevix“ als „bajuwarischer“ Kollege von „Konradix“<br />
seinen Auftritt. 45 Im Kauka-Verlag erscheinen noch<br />
mehr solcher revanchistischer Serien, z.B „Pichlsteiner“<br />
<strong>und</strong> „Bretzelburger“ (1969), in denen die DDR als He<strong>im</strong>statt<br />
hungernder Sklaven dargestellt wird. 46<br />
Als sich jedoch die öffentliche Kritik rührte, reagierte die<br />
Redaktion schnell <strong>und</strong> vermied daraufhin solche offensichtlichen<br />
Tendenzen.<br />
37 Goscinny/Uderzo: Asterix <strong>und</strong> Maestria. Stuttgart 1992.<br />
38 Goscinny/Uderzo: Die Trabantenstadt. Stuttgart 1975.<br />
39 Goscinny/Uderzo: Asterix bei den Briten. Stuttgart 1971.<br />
40 Holtz: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München<br />
1980. S. 104 ff.<br />
41 Holtz: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München<br />
1980. S. 106.<br />
42 Fuchs: Batman, Beatles, Barbarella. Ebersberg/Obb. 1985.<br />
S. 63.<br />
43 Lupo. 1965. H. 6, S. 10.<br />
44 Lupo. 1965. H. 6, S. 13.<br />
45 Knigge: Asterix in Deutschland. In: Comixene 17. 1978. S. 27-<br />
39.<br />
46 Lupo modern – Das junge Magazin.
168 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
3.7 Befreiung: Satire <strong>und</strong> Nonsens <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Das wichtigste <strong>Comic</strong>-Produkt der 50er Jahre war wohl<br />
die Zeitschrift „MAD“, herausgegeben von William Gaines.<br />
Die einzige „Zeitschrift, die keine Werbung enthält“,<br />
hat inzwischen allein in Amerika eine Auflage von über 2<br />
Millionen. Auch in Deutschland entwickelt sich „MAD“<br />
schnell zur Konkurrenz von „Pardon“. Während „Pardon“<br />
von Anfang an die <strong>Politik</strong> zu einem der wesentlichen<br />
Ziele ihrer satirischen Spitzen machte, ist bei MAD die<br />
<strong>Politik</strong> nur eines von vielen Zielen. 47 Auch andere klassischen<br />
politischen Satirezeitschriften wie z.B. „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“,<br />
der nach dem Krieg noch einmal aufgenommen<br />
wurde, werden nun durch Zeitschriften verdrängt, die<br />
den politischen <strong>Comic</strong> pflegen. 48 Eine schärfere Reaktion<br />
auf den Code sind die anfangs <strong>im</strong> Straßenverkauf<br />
verbreiteten „Undergro<strong>und</strong>-Comix“, die die tabuisierten<br />
Themen Gewalt, Drogen <strong>und</strong> Sex aufnahmen. Die<br />
Handlungen werden aus den Traumwelten der Funnys<br />
<strong>und</strong> Actionstrips in die brutale Wirklichkeit übertragen.<br />
Robert Crumbs „Zap Comix“ aus dem Jahre 1968 gilt als<br />
der Beginn der legendären „U-Comix“. Ihre politische<br />
Relevanz besteht wohl in erster Linie darin, das bürgerliche<br />
Normensystem aufzuweichen. Die meisten huldigen<br />
einem lustbetonten Anarchismus, der sich meist<br />
damit begnügt, Polizisten zu veralbern, Geld <strong>und</strong> Joints<br />
herbeizuschaffen.<br />
Parallel zu den „U-Comix“ entstanden in den sechziger<br />
Jahren die neue Generation der Superhelden. Ein neuer<br />
<strong>Comic</strong>-Konzern „Marvel“ etablierte neue vermenschlichte<br />
Helden, die auch nach ihm benannt wurden, die<br />
Marvelhelden. Serien wie „The Fantastic Four“ entwikkeln<br />
sich zu einem Riesenerfolg für den Konzern. Die<br />
Helden sind nicht mehr auf allen Ebenen erfolgreich, sie<br />
haben auch so ihre Probleme. In diesen Serien wird das<br />
Gut-Böse-Schema <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Comic</strong>-Codes aufgeweicht.<br />
Vor allem die Drogenproblematik durfte nach<br />
einer Aufweichung des Codes, nun dargestellt werden. 49<br />
3.8 Eine deutsche Randnotiz:<br />
Panzerknacker: Jünger Maos?<br />
Um die <strong>Comic</strong>-Figur schlechthin, Barks Donald Duck,<br />
nicht ganz zu übergehen, sei hier auf ein kleines Scharmützel<br />
des Bayernkuriers hingewiesen, der versuchte,<br />
die Panzerknacker als marxistische Dogmatiker zu entlarven<br />
<strong>und</strong> in einem Artikel „Micky Maus auf Abwegen“ 50<br />
Alarm schlug. In der „Micky Maus“-Ausgabe auf die<br />
Bezug genommen wurde, äußert ein Mitglied der Panzerknacker<br />
eine ideologische Rechtfertigung ihrer<br />
Raubzüge. „Der Spiegel“ nahm damals die Auseinandersetzung<br />
mit „Panzerknacker: Jünger Maos?“ auf. Die<br />
Ducks kamen plötzlich in den Ruf, politisch zu sein, was<br />
wohl stark damit zusammenhing, daß sie sich zur Lieblingslektüre<br />
der Linken entwickelt hatten. Eine soziologische<br />
Studie über die Ducks war dann natürlich nicht<br />
mehr zu vermeiden. Unter dem Pseudonym „Grobian<br />
Gans“ erschien 1970 „Die Ducks – Psychogramm einer<br />
Sippe“.<br />
Wesentlich kritischer setzten sich die Chilenen Ariel<br />
Dorfmann <strong>und</strong> Armand Mattelart mit dem Disney-Produkt<br />
Mitte der Siebziger-Jahre auseinander. Sie analysierten<br />
vor allem die Sicht auf die Dritte Welt <strong>und</strong> deren<br />
Darstellung in den <strong>Comic</strong>s. 51<br />
Das Ergebnis ist, daß die „Guten Wilden“ vor allem als<br />
Hintergr<strong>und</strong> für Schatzsuchen dienen. Der „Gute Wilde“<br />
definiert sich vor allem durch seine bunte Folklore, seine<br />
Naivität <strong>im</strong> Umgang mit Geld <strong>und</strong> eine verstümmelte<br />
Sprache. Werden politische Organe der Länder dargestellt,<br />
sind sie korrupt <strong>und</strong> egoistisch, <strong>im</strong> sympathischsten<br />
Fall dumm <strong>und</strong> naiv. Da die Wilden auch arm<br />
glücklich sind, muß niemand ein schlechtes Gewissen<br />
haben, wenn Dagobert mit „seinen“ Schätzen abzieht.<br />
Im Unterschied dazu gibt Donald Geld, das er in Entenhausen<br />
findet, <strong>im</strong>mer zurück, denn es zu behalten wäre<br />
Diebstahl. Die Ducks kämpfen um ihr Geld.<br />
3.9 Kulturrevolution: Der intellektuelle <strong>Comic</strong><br />
Schließlich schwappte noch eine weitere Entwicklung<br />
aus den USA über den großen Teich, die „Pop-Art“. Roy<br />
Lichtenstein brachte das <strong>Comic</strong>-Panel erstmals ins Museum.<br />
Die Diskussion über den Kunstbegriff, die dadurch<br />
ausgelöst wurde, öffnet auch dem <strong>Comic</strong> neue<br />
Möglichkeiten <strong>und</strong> ein anderes Publikum.<br />
Die Serie „The Adventure of Phoebe-Zeitgeist“ zeigt<br />
offen <strong>und</strong> satirisch überzeichnet, alles was während der<br />
McCarthy-Ära nicht vorstellbar gewesen wäre. Ständig<br />
wird das reizende Wesen gefoltert <strong>und</strong> mißhandelt,<br />
mehrmalig stirbt sie dabei. Die Mischung aus Pornographie<br />
<strong>und</strong> Sozialsatire wandte sich klar an ein intellektuelles<br />
Publikum. In Deutschland setzte Karl Alfred Meysenbug<br />
seine Kritik an der Klischeewelt der Frauen in<br />
„Agit-Pop-<strong>Comic</strong>s“ um. In „Supermädchen“ beschreibt<br />
er das Leben einer Verkäuferin, die sich als Teil der<br />
Konsumgesellschaft fühlt, <strong>und</strong> die ihre Person, <strong>im</strong>mer<br />
fre<strong>und</strong>lich, <strong>im</strong>mer schön gleich mitverkauft. Die Botschaft<br />
ist in den Bilder, die in der trivialen Werbeästhetik<br />
der Pop-Art hergestellt sind, klar erkenntlich.<br />
In Frankreich kommt es während des Pariser Mais <strong>im</strong><br />
Jahre 1968 auch zu einem Streik in der Redaktion des<br />
legendären <strong>Comic</strong>-Magazins „Pilote“. Drei Wochen erscheint<br />
das Magazin nicht, doch dann verwandelt René<br />
Goscinny, unter dessen Leitung „Pilote“ erscheint <strong>und</strong><br />
der ein außergewöhnliches Gespür für den Markt hatte<br />
„Pilote“ in ein <strong>Comic</strong>-Magazin für Erwachsene. 52<br />
Der intellektuelle <strong>Comic</strong> ist mittlerweile völlig etabliert.<br />
Magazine wie „RAW“ von Françoise Mouly <strong>und</strong> Art Spiegelman<br />
veröffentlichen nur noch künstlerisch ambitionierte<br />
Arbeiten in aufwendigen Ausgaben die keine<br />
Kompromisse an das Massenpublikum machen. Die<br />
meisten dieser <strong>Comic</strong>s haben eine depressive Gr<strong>und</strong>st<strong>im</strong>mung<br />
<strong>und</strong> treffen damit wohl den Zeitgeist der Intellektuellen.<br />
Der Untertitel der ersten Ausgabe „The Graphix<br />
Magazine of Postponed Suicides“ spricht für sich.<br />
47 Fuchs: <strong>Comic</strong>s, Ideologie <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt,<br />
in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen 1977. S. 91.<br />
48 Riha: Groteske, Kommerz, Revolte. In: <strong>Comic</strong> Strips. Geschichte,<br />
Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung der Bildgeschichte.<br />
Berlin 1970. S. 10.<br />
49 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 243.<br />
50 Wurm: Micky Maus auf Abwegen. In: Bayernkurier, 27.9.1969.<br />
Zit. nach: Knigge: Fortsetzung folgt … Frankfurt/M. 1986.<br />
S. 245.<br />
51 Dortmann/Mattelart: Walt Disneys „Dritte Welt“. Berlin 1977.<br />
52 Knigge: <strong>Comic</strong>-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 231.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 169<br />
3.10 Gesellschaftliche Wirklichkeit<br />
In den USA erscheint 1968 erstmals in einer Studentenzeitung<br />
Garry Trudeaus „Doonesbury“. Der Strip, der<br />
sich in erster Linie mit Tagespolitik <strong>und</strong> typisch amerikanischen<br />
Zeiterscheinungen befaßt, wurde später über<br />
eine Presseagentur vertrieben <strong>und</strong> erschien zeitweise in<br />
über 500 amerikanischen Tageszeitungen. Das veranlaßte<br />
den ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford zu<br />
dem Ausspruch „Es gibt nur drei wichtige Hilfsmittel, uns<br />
über das zu informieren, was in Washington vorgeht: die<br />
elektronischen Medien, die Printmedien <strong>und</strong> Doonesbury,<br />
aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge“ 53 .<br />
Der große Erfolg rettete die Serien auch vor der <strong>im</strong>mer<br />
wieder drohenden Zensur. Trudeaus harte Kritik an Ronald<br />
Reagan hatte <strong>im</strong>mer zur Folge, daß er in den<br />
konservativen Blättern tageweise nicht erschien. Doch<br />
da der Strip in so vielen Zeitungen lief, hatte eine solche<br />
Zensur keine große Wirkung.<br />
Als erster <strong>Comic</strong>zeichner erhielt Trudeau 1975 den Pulitzerpreis<br />
für politische Karikatur. Die Protagonisten der<br />
Serie leben bis 1982 in einer Studentenkommune; nach<br />
einer zweijährigen Pause durften sie, mit einer neuen<br />
bürgerlicheren Umgebung versehen, zurückkehren. 54<br />
In Frankreich hatte sich Anfang der siebziger Jahre<br />
„Pilote“ von einem Jugendmagazin zu einem linksliberalen<br />
Blatt für Erwachsene gewandelt. Moebius, Druillet<br />
oder Bretêcher wandten sich in dieser Zeit von „Pilote“<br />
ab <strong>und</strong> junge Zeichner wie Enki Bilal nahmen ihren Platz<br />
ein.<br />
Bilal begann mit Schwarzweißarbeiten, <strong>und</strong> schon ab<br />
1974 veröffentlichte er kolorierte Stories, meistens<br />
Science Fiction <strong>und</strong> Phantasiegeschichten. Doch er<br />
macht bei „Pilote“ auch politische Satiren <strong>und</strong> integriert<br />
<strong>Politik</strong>er, z.B. Henry Kissinger als intergalaktischen Botschafter,<br />
in seine Weltraumabenteuer. 55<br />
Der Durchbruch kam für Bilal mit seinen „Légendes<br />
d’Aujourd’hui“, die in der Zusammenarbeit mit Pierre<br />
Christin 1975-1983 entstanden. 56 Christin, der <strong>Politik</strong>-,<br />
Sozial- <strong>und</strong> Literaturwissenschaft an der Sorbonne studiert<br />
hat, hat schon mehrere <strong>Comic</strong>-Szenarien geschrieben.<br />
Besonders bekannt wurde der Polit-Fiction „Valerian<br />
& Veronique“ mit Zeichnungen von Mézières.<br />
„Es gibt nur drei wichtige Hilfsmittel, uns über das zu<br />
informieren, was in Washington vorgeht: die elektronischen<br />
Medien, die Printmedien <strong>und</strong> Doonesbury, aber<br />
nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“ (Gerald Ford)<br />
Der erste Band der Legenden war „Kreuzfahrt der Vergessenen“,<br />
in dem ein Dorf sich mit Hilfe eines Antischwerkraftgenerators<br />
in die Lüfte erhebt, zum Protest gegen<br />
militärische Versuche mit der Schwerkraft in ihrer<br />
Umgebung. Auch die weiteren vier Bände sind stark<br />
geprägt von Christins Tätigkeit als Journalist, der eher<br />
sozialkritische <strong>Comic</strong>-Reportagen verwirklicht hat. Doch<br />
er nahm dann Bilals phantastisches Element in seine<br />
Szenarien auf, <strong>und</strong> das Ergebnis ist <strong>im</strong> Zusammenspiel<br />
von politisch-kritischem Inhalt <strong>und</strong> künstlerischer Darstellung<br />
einzigartig. Als „St<strong>im</strong>mungsbericht zur Lage der<br />
Linken“ 57 wird die Serie gelesen, wobei die einzige.<br />
verbindende Figur, der Held 50/22B, den die Autoren <strong>im</strong><br />
ersten Band einführen, den ewigen Revolutionär darstellt.<br />
Seine Präsenz geht von Band zu Band zurück <strong>und</strong><br />
widerspiegelt damit, den schwindenden Opt<strong>im</strong>ismus der<br />
Autoren.<br />
3.11 Die dritte Generation: Der Abgesang der<br />
Superhelden<br />
In den siebziger Jahren führen die Bürgerrechtsbewegung,<br />
die Studentenunruhen <strong>und</strong> schließlich die Proteste<br />
gegen den Vietnamkrieg, zu einer Veränderung in<br />
den altbewährten Superhelden-<strong>Comic</strong>s, die ihre affirmative<br />
Haltung mehr <strong>und</strong> mehr aufgeben. Das Bild vom<br />
sauberen Amerika wurde <strong>im</strong>mer mehr gestört <strong>und</strong> nach<br />
der Watergate-Affäre schwindet das Vertrauen in die<br />
politische Ordnung merklich. <strong>Politik</strong>er werden als austauschbare<br />
Marionetten oder gar Kr<strong>im</strong>inelle dargestellt.<br />
Doch heißt das nicht, daß die Superhelden sich selbst<br />
den Spielregeln der Demokratie beugen – ihre Souveränität<br />
bleibt unangetastet, ein antidemokratischer Garant<br />
der Demokratie.<br />
Die achtziger Jahre bringen schließlich nach den Marvelhelden<br />
eine dritte Generation. Mit Frank Millers „Batman“-Bearbeitung<br />
„The Dark Knight Returns“ wurde den<br />
Superhelden 1986 endlich zum verdienten Ruhestand<br />
verholfen. Miller versetzt die Geschichte in die Zukunft,<br />
die Helden sind alte Männer, <strong>und</strong> Batman läßt sich zu<br />
einem letzen Einsatz hinreißen, um seine He<strong>im</strong>at von<br />
den „Mutants“ einer Art Skinheadtruppe, zu befreien.<br />
Batmans Comeback erreicht die Massen über das Fernsehen,<br />
nicht mehr „life“, wie in den klassischen Superhelden-<strong>Comic</strong>s,<br />
in denen allenthalben jubelnde Massen<br />
auf den Straßen zu sehen sind. Superman ist nun offiziell<br />
in Regierungsdiensten <strong>und</strong> gehorcht brav den Anordnungen<br />
seines Präsidenten, einer Parodie Reagans.<br />
Batman wird zum Outlaw, zum Freibeuter, der sich, <strong>im</strong><br />
Gegensatz zu Superman nicht von der Öffentlichkeit<br />
kontrollieren läßt.<br />
Alan Moore geht mit seiner Variante des Superheldengenres<br />
noch weiter. In seinem mehrfach preisgekrönten<br />
Werk „Watchmen“, mit den faszinierenden Zeichnungen<br />
von Dave Gibbon stellt er die Helden nicht nur in Frage,<br />
bei ihm werden sie. zu gescheiterten Existenzen. Miller<br />
läßt Batman noch sein gewohntes Imperium Gotham<br />
City, Moores Helden leben in dem realistischen New<br />
York.<br />
Die „Wächter“ waren früher Kämpfer für Recht <strong>und</strong> Ordnung,<br />
sie wachten über die Moral <strong>und</strong> die Stärke Amerikas.<br />
Heute leben sie in einer bürgerlichen Existenz <strong>und</strong><br />
ihre Vergangenheit ist in der Öffentlichkeit vergessen.<br />
Der einzige von ihnen, der wirkliche Superkräfte besitzt,<br />
ist „Mr. Manhatten“, der als Opfer eines atomaren Unfalls<br />
das Gleichgewicht des Schreckens zugunsten der USA<br />
verändert hat. „Mr. Manhatten“ sieht Menschen wie Dinge<br />
als Ansammlungen von Atomen <strong>und</strong> ist keiner Gefühle<br />
fähig. Ihm verdankt der Staat z.B. den Sieg <strong>im</strong> Vietnamkrieg.<br />
53 Vgl. Trudeau: Doonesbury. Reinbek 1983.<br />
54 Lietzmann: Doonesbury, ein <strong>Comic</strong>-Star kehrt zurück. In: FAZ<br />
2.11.1984.<br />
55 Bilal: Erinnerungen aus dem All. Stuttgart 1992.<br />
56 Knigge: <strong>Comic</strong>-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 98.<br />
57 Schreiber: St<strong>im</strong>mungsbarometer der Linken. In: Konkret-Literatur<br />
1990. Hamburg 1990. S. 76 f.<br />
58 Hausmanninger: Superman. Frankfurt/M. 1989. S. 137-166.
170 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Der neurotische Ordnungsfanatiker „Rorschach“ ist<br />
zwar ein unermüdlicher Kämpfer gegen das Böse in der<br />
Welt, aber Moore führt ihn vor als Opfer seiner persönlichen<br />
Probleme; als Kind einer Prostituierten kann er die<br />
Welt nur als Kloake sehen. Der „Comedian“, mit dessen<br />
Ermordung die Geschichte beginnt, ist Agent des CIA<br />
<strong>und</strong> repräsentiert die Unmoral des Systems.<br />
„Laurie Juspeczyk“, die einzige Frau unter den Helden,<br />
steht, wie sollte es auch anders sein, für die Macht der<br />
Gefühle. Die wirtschaftliche Macht liegt bei „Ozymandis“,<br />
der als intelligenter, charismatischer Typ seit seinem<br />
Ausstieg aus der Superheldentruppe ein Wirtschafts<strong>im</strong>perium<br />
aufgebaut hat, er verkörpert die These<br />
„Wissen ist Macht“.<br />
Die unterschiedlich angelegten Möglichkeiten, Macht zu<br />
ergreifen, die Auswirkungen des Phänomens Macht <strong>und</strong><br />
die Frage, wie die Welt mit solchen Superwesen aussehen<br />
würde, sind Moores Interesse. 59 Moore, der als<br />
britisches Arbeiterkind früh politisiert wurde, setzt sich in<br />
seinen Szenarien kritisch mit den Auswirkungen der<br />
<strong>Politik</strong> von Margaret Thatcher auseinander. Für Moore<br />
ist die Demokratie nicht gerade die ideale Staatsform;<br />
vom Sozialismus ebenso enttäuscht, plädiert er für eigenverantwortliches<br />
Handeln <strong>und</strong> gegen das Abgeben<br />
der Verantwortung an wie auch <strong>im</strong>mer geartete Führer,<br />
einen sozialen Anarchismus.<br />
3.12 Traumata der Postmoderne<br />
Ein weiteres herausragendes Werk ist die Anti-Utopie<br />
„Alexander Nikopol <strong>im</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>ert“, für die Bilal<br />
auch die Szenarien schreibt, es thematisiert <strong>im</strong> ersten<br />
Band Macht <strong>und</strong> Unterdrückung in einem kapitalistischen<br />
System.<br />
Paris als Stadtstaat, in dessen Zentrum die Privilegierten<br />
leben <strong>und</strong> das von einem verelendenden Slum-Gürtel<br />
umgeben wird, ist beherrscht von Faschisten. Über<br />
der Stadt schwebt eine Pyramide, in der ägyptische<br />
Götter Monopoly spielen. Eine (Schein)-Wahl steht bevor,<br />
in der der Held Nikopol, der gerade aus einem<br />
Kälteschlaf aufgetaut wurde, zum Kandidaten avanciert.<br />
Der ägyptische Gott Horus will mittels seines Körpers<br />
Einfluß <strong>und</strong> Macht bei den Menschen gewinnen, um<br />
dann schließlich die Herrschaft in der Götterwelt zu<br />
erreichen.<br />
Abb. 4: Bilals Utopie<br />
Bilals phantastische Bilder sind bevölkert von fliegenden<br />
Putten, die schwanger werden können <strong>und</strong> sich rasant<br />
vermehren, einem Papst, der sich per Hubapparat in die<br />
Lüfte erhebt, um sein Image aufzupolieren, oder grüngestreiften<br />
Katzen mit telepathischen Fähigkeiten.<br />
Die Handlung, deren zahlreiche Nebenstränge <strong>im</strong>mer wieder<br />
zum Thema hinführen, hat einen klaren politischen<br />
Ansatz, der durch die Zeitungsartikel, die <strong>im</strong>mer wieder<br />
in die Handlung einfließen, noch unterstrichen wird.<br />
Bilals ägyptische Götter hängen in ihrer Pyramide über<br />
Paris fest, ihnen ist der Sprit ausgegangen. Mit beißendem<br />
Spott weißt der Autor hier auf ein Machtmittel der<br />
nahen Zukunft hin. Die Götter, denen die Menschen<br />
eigentlich völlig egal sind, installieren daraufhin um an<br />
Energie zu kommen, eine Räteregierung mit Nikopol an<br />
der Spitze, der am Ende der Geschichte, genau wie der<br />
einstige Diktator, in der Psychiatrie landet.<br />
„Die Frau aus der Zukunft“, der zweite Band der Trilogie,<br />
führt in die Metropolen Europas, deren Straßen von<br />
wilden Kämpfen zwischen Einwanderern aus der Dritten<br />
Welt beherrscht werden. Die Protagonistin Jill trifft den<br />
Helden in einem autonomen Berlin, als sie einen Bericht<br />
über die einzige Überlebende einer Weltraumexpedition<br />
schreiben will. In diesem Band werden kaum noch Herrschaftsstrukturen<br />
geschildert; Bilal lehnt dies in der Einleitung<br />
explizit ab; er schreibt: „die politische Lage <strong>im</strong><br />
Stadtstaat Paris interessiert hier nicht weiter“ 60 . Die individuellen<br />
Lösungen <strong>und</strong> das Auftreten stilisierter Frauen<br />
stehen für den Zeitgeist der achtziger Jahre. Bilals Figuren<br />
bleibt nur noch die Flucht, eine Lösung ist nicht mehr<br />
in Sicht.<br />
Die <strong>im</strong> Vergleich zum ersten Band <strong>im</strong>mer statischer<br />
werdenden Bilder drücken den Stillstand aus, der mit der<br />
Flucht anhe<strong>im</strong> geht. In einem Anhang mit Jills Reportagen<br />
<strong>und</strong> Kommentaren, die als Mitteilungen aus der<br />
Zukunft in der Redaktion der „Libertation“ auftauchten,<br />
ist die Rede vom „Hyper-Liberalismus“, dem Triumpf der<br />
liberalen Monopole über den Individualismus.<br />
4 Sachcomics oder Educational <strong>Comic</strong>s<br />
„Die Ironie unseres Zeitalters des Bildes<br />
besteht darin, daß es uns die Realität<br />
verbirgt.“<br />
Gisela Freud<br />
Sachcomics, auch Educational <strong>Comic</strong>s genannt, sind<br />
nach Dolle-Weinkauf eine „Spielart der Sachliteratur, die<br />
mit den visuell-verbalen Darstellungsmitteln des <strong>Comic</strong>s<br />
operiert“. 61<br />
Zwar sind <strong>Comic</strong>s traditionell ein Unterhaltungsmedium,<br />
doch schließt das natürlich nicht aus, sie zur Information,<br />
zur Werbung oder auch zur Propaganda zu benutzen.<br />
<strong>Comic</strong>s zur politischen Bildung einzusetzen, z.B. als<br />
Informationsbroschüren der amerikanischen Regierung<br />
<strong>im</strong> Zweiten Weltkrieg, ist eine amerikanische Tradition. 62<br />
Die Schwierigkeit, die der populären Sachliteratur allgemein<br />
anhaftet, nämlich daß sie durch Vereinfachen, Veranschaulichen<br />
<strong>und</strong> Akzentuieren zur Wissenschaft hinführen<br />
soll, aber eben selbst keine wissenschaftliche<br />
Literatur ist, gilt be<strong>im</strong> <strong>Comic</strong> ebenso für die bildhafte<br />
Darstellung.<br />
Bernd Weidemann beschreibt den dokumentarischen<br />
<strong>Comic</strong>: „Dokumentarisch sollen <strong>im</strong> folgenden all jene<br />
<strong>Comic</strong>s heißen, in denen historische Ereignisse <strong>und</strong><br />
Personen mit der Absicht geschildert werden, sich an die<br />
historischen Wahrheiten zu halten." 63<br />
59 Langhans (Hg.): Lexikon der <strong>Comic</strong>s. Meitingen 1991.<br />
60 Vgl. Bilal: Die Frau aus der Zukunft. Hamburg 1988. S. 5.<br />
61 Dolle-Weinkauf: <strong>Comic</strong>. Weinhe<strong>im</strong> 1990. S. 333.<br />
62 Fuchs: <strong>Comic</strong>s, Ideologie <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Medienmarkt,<br />
in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen 1977. S. 89.<br />
63 Weidemann: Foto oder Zeichnung? In: <strong>Comic</strong>s Anno. München<br />
1991. S. 26-41.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 171<br />
Georg Seeßlen geht in seinem Artikel „Mythos contra<br />
Geschichte – Über den Widerspruch von <strong>Comic</strong>-Erzählung<br />
<strong>und</strong> historischer Rationalität“ der Frage ebenfalls<br />
nach. Seeßlen schreibt den <strong>Comic</strong>s eine mythische Erzählweise<br />
zu, die der Dokumentation konträr entgegenstehe.<br />
Er schreibt zur Bildgestaltung: „Ein <strong>Comic</strong>-Panel<br />
ist zugleich ein Bild <strong>und</strong> seine Interpretation“, die Einstellung,<br />
der Blickwinkel usw. sind Elemente, die über das<br />
rein dokumentarische hinausgehen. 64<br />
Die Argumentation sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
daß weder Fotographie noch Sachtexte von Historikern<br />
eine „historische Wahrheit“ wiedergeben können.<br />
Der Interpretationsvorwurf muß <strong>im</strong>mer erhoben<br />
werden, nur drängt er sich bei einem neuen Medium, wie<br />
dem <strong>Comic</strong> geradezu auf. So gesehen wäre die Darstellung<br />
von Geschichte <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> eine Chance, um die<br />
Rezipienten zu einer kritischen Auseinandersetzung, mit<br />
der Darstellung von Geschichte anzuregen.<br />
4.1 Der Autor Rius <strong>und</strong> seine Feinde<br />
Daß gerade ein Mexikaner Sachcomics auf dem deutschen<br />
Markt populär machte, ist vielleicht kein Zufall. In<br />
Lateinamerika sind <strong>Comic</strong>s ein wichtiger Ideologieträger,<br />
der sich vor allem an die unteren sozialen Schichten<br />
wendet.<br />
Eduardo del Rio Garcia, bekannt unter seinem Pseudonym<br />
,Rius‘, begann seine berufliche Karriere als Arbeiter<br />
<strong>und</strong> wurde dann Anfang der sechziger Jahre, Karikaturist<br />
bei der Zeitung „Ovaciones“ in Mexiko-Stadt. 65 Doch<br />
bald geriet er in politischen Differenzen mit den Herausgebern<br />
<strong>und</strong> mußte die Zeitung verlassen. Bei seinem<br />
Weggang konnte er seine inzwischen berühmte Serie<br />
„Los supermachos“ für die er 1965 in Mailand den Preis<br />
der <strong>Comic</strong>-Verleger bekam, nicht mitnehmen. 66<br />
So entwickelte er eine neue Reihe „Los Agachados“ (Die<br />
Gebeugten). Für die er aufgr<strong>und</strong> des „Völkerverbindenden<br />
Charakters“, den Preis der Unicef erhält. Die Helden<br />
seiner Serien sind Durchschnittsmexikaner, mit denen<br />
sich die Leser gut identifizieren können. Die Preise <strong>und</strong><br />
Ehrungen haben Rius aber nur bedingt vor Repressionen<br />
geschützt. 1969 wird er vorübergehend verhaftet<br />
<strong>und</strong> seine Karikaturen wurden fast nirgends mehr veröffentlicht.<br />
Mit „Cuba para Principiates“ (Kuba für Anfänger) veröffentlichte<br />
Rius 1966 sein erstes <strong>Comic</strong>-Book. Es schildert<br />
die Geschichte Kubas mit großer Sorgfalt <strong>und</strong> Sachkenntnis<br />
<strong>und</strong> die Errungenschaften des Sozialismus mit<br />
großer Begeisterung.<br />
Der Erzähl- <strong>und</strong> Zeichenstil, den Rius entwickelt, ist<br />
ebenso einfach wie raffiniert. Er verwendet oft bekannte<br />
Bilder anderer Künstler, <strong>Comic</strong>s, alte Stiche, Fotos oder<br />
Landkarten. Diese Bilder oder Fotographien kommentiert<br />
er dann graphisch, in dem er sie mit Zeichnungen<br />
ergänzt <strong>und</strong> ihnen so eine neue Aussage verleiht. Doch<br />
werden die Originale, auch wenn sie verändert werden,<br />
nie so verfremdet, daß man sie nicht mehr identifizieren<br />
könnte. Die historische Aussage der Originaldokumente<br />
wird so nicht beeinträchtigt. Das Bild bleibt für den Betrachter<br />
<strong>im</strong>mer durchschaubar, die Ästhetik wird der<br />
Transparenz deutlich untergeordnet. Es handelt sich<br />
also nicht um geistigen Diebstahl, sondern um eine<br />
besondere Collagenkunst. Rius gilt als führender ,<strong>Comic</strong>-Kompilator‘.<br />
Ein Stil, der in der Dritten Welt sehr<br />
beliebt ist, da er auf Farbe verzichtet <strong>und</strong> daher preisgünstig<br />
in der Herstellung.<br />
Für den Text benutzt Rius Sprechblasen <strong>und</strong> Blocktexte.<br />
Sein Spanisch ist mit aztekischen Wörtern durchsetzt,<br />
ganz wie die mexikanische Umgangssprache. Originalzitate<br />
oder Werkauszüge erkennt man <strong>im</strong>mer deutlich an<br />
der Typologie.<br />
In Deutschland ist er besonders durch seinen Erstling<br />
„Marx für Anfänger“ der 1979 <strong>im</strong> Rowohlt-Verlag erschienen<br />
ist, bekannt geworden. Trotz der unbestrittenen<br />
Qualität des ersten Bandes wurde der Nachfolgeband<br />
„Mao für Anfänger“ der 1980 erschien, vom Verlag überarbeitet.<br />
Die Autorenangabe hieß nun „Rius <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e“,<br />
was wohl der Wahrheit nicht besonders nahe kam.<br />
Rius äußerte sich ziemlich verärgert dazu, „Rius <strong>und</strong><br />
Feinde“ sei wohl treffender. 68<br />
Abb. 5: Marx für Anfänger<br />
Seine Lenin- <strong>und</strong> Trotzki-Biographien wurden dann auch<br />
gar nicht mehr in Deutschland veröffentlicht. Der Rowohlt<br />
Verlag 69 griff nun auf Plagiate englischer Autoren<br />
zurück. Einige andere Bände von Rius erschienen noch<br />
in linken Kleinverlagen, z.B. „Kuba für Anfänger“ bei der<br />
Fre<strong>und</strong>schaftsgesellschaft Westberlin-Kuba e.V., „Hallo<br />
Nicaragua“ 1983 be<strong>im</strong> Weltkreis-Verlag, Dortm<strong>und</strong>.<br />
Die 1987 entstandene Hitler-Biographie „Hitler para masoquistas“<br />
(Hitler für Masochisten) wurde leider auf<br />
deutsch noch nicht veröffentlicht.<br />
Rius folgt in allen seinen <strong>Comic</strong>s einer eindeutig marxistisch-leninistischen<br />
Ideologie <strong>und</strong> sieht diese wohl als<br />
einzige Hoffnung für die Länder Lateinamerikas an. Das<br />
seine <strong>Comic</strong>s obwohl sie einerseits belehrend sind, andererseits<br />
nie aufdringlich pädagogisch wirken, begrün-<br />
64 Seeßlen: Mythos contra Geschichte. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch 1991.<br />
Hamburg 1991. S. 23-31.<br />
65 Tatum: Rius – der <strong>Comic</strong>s-Autor als Sozialkritiker <strong>und</strong> politischer<br />
Unruhestifter. In: <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Cartoons in Lateinamerika.<br />
München 1991. S. 55-70.<br />
66 Frenzel: Rius. In: <strong>Comic</strong> Forum 30 (1985) S. 52-55.<br />
67 Ebd.<br />
68 Hachfeld: Themen, die in der Luft liegen. Gespräch mit dem<br />
mexikanischen Karikaturisten Rius. In: tendenzen 149 (1985)<br />
S. 27-29.<br />
69 Der Rowohlt-Verlag hat sich auf Anfrage nicht geäußert.
172 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
det sich vor allem in seinem feinsinnigen Humor, der<br />
einem selbst die Theorie des Mehrwerts zur Unterhaltung<br />
gereichen läßt.<br />
4.2 Die Geschichte des Nationalsozialismus<br />
Großes Aufsehen erregte 1989 die Veröffentlichung der<br />
zweibändigen Hitler-Biographie des Journalisten Friedemann<br />
Bedürftig <strong>und</strong> des Zeichners Dieter Kalenbach.<br />
Band 1 „Die Machtergreifung“ schildert Hitlers Lebensweg<br />
<strong>und</strong> die politische Situation der We<strong>im</strong>arer Republik.<br />
Band 2, „Der Völkermörder“ beginnt bezeichnenderweise<br />
bei der Gr<strong>und</strong>steinlegung zu einem neuen Autobahnteilstück<br />
<strong>und</strong> schildert dann den Verlauf des Zweiten<br />
Weltkriegs.<br />
Die Bände sind umstritten – „Der Spiegel“ 70 lobte, der<br />
Literaturkritiker Jan Philipp Reemtsma weigerte sich in<br />
der Zeitschrift „Konkret“, 71 „dieses in jeder Beziehung<br />
miserable Erzeugnis der papierschändenden Industrie“<br />
überhaupt zu rezensieren. Tatsächlich ist schon das<br />
Vorwort des Journalisten Erich Kuby „Eine Art Gebrauchsanleitung“,<br />
nicht dazu geeignet, einem zum Weiterlesen<br />
zu motivieren. Offensichtlich schätzt Kuby das<br />
Medium <strong>Comic</strong> nicht allzusehr. Da aber Jugendliche<br />
„überhaupt nichts mehr vom konzentrierten Lesen“ halten<br />
<strong>und</strong> auch nicht „die Veröffentlichungen zum Historikerstreit<br />
… auf dem Nachttisch liegen“ 72 haben, scheint<br />
ihm ein <strong>Comic</strong> wohl besser als nichts zu sein. „Die<br />
Mängel der Methode sind unvermeidlich“ meint Kuby,<br />
der generell alle Versuche, eine „Zurückstutzung des<br />
Nationalsozialismus auf das Wesen <strong>und</strong> Handeln dieses<br />
einen Menschen“ für unhistorisch hält <strong>und</strong> damit gleich<br />
einen Seitenhieb auf Fests berühmte Hitler-Biographie<br />
landet. In der Neuauflage des Werkes von 1993 verzichtete<br />
der Carlsen-Verlag dann auch auf Kubys einleitende<br />
Worte.<br />
Kalenbach <strong>und</strong> Bedürftig verteidigen ihr Vorgehen in<br />
ihrem Vorwort: „Zum einen ist die Tünche der Propaganda<br />
nirgends so dick wie be<strong>im</strong> ,Führer‘ <strong>und</strong> deswegen<br />
kommt das wirkliche Geschehen am besten durch Restauration<br />
des ursprünglichen Bildes zum Vorschein.<br />
Zum anderen hat es wohl in der Geschichte kaum einmal<br />
eine Entwicklung gegeben, die so auf eine Person<br />
zugelaufen <strong>und</strong> dann wieder von ihr ausgegangen ist,<br />
wie <strong>im</strong> Fall Hitler.“ 73<br />
Sie weisen damit auf das Problem der Bildgestaltung in<br />
diesem Bereich hin. Es gibt gerade von der Person<br />
Abb. 6: Kalenbach. Hitler Band 2<br />
Hitlers nur die von der Propaganda ausgewählten Bilder.<br />
„Menschen brauchen Bilder, vor allem Gegenbilder zur<br />
Propaganda der Täter.“ 74 Doch ihr Anspruch ist hoch<br />
gegriffen <strong>und</strong> ,verbesserungs-Bedürftig‘.<br />
Kalenbach bedient sich einer in Bonbon-Farben gehaltenen<br />
Collagetechnik, mit der die Seite <strong>im</strong>mer ganz<br />
gestaltet wird, es erfolgt keine Auflösung in Panels.<br />
Damit stellt sich auch die Frage, inwieweit es sich hier<br />
überhaupt noch um einen <strong>Comic</strong> handelt. Der Text wird<br />
als ordnendes Element in Blöcken <strong>und</strong> Sprechblasen<br />
eingesetzt. Die realistischen Buntstiftcollagen sind nach<br />
Fotovorlagen entstanden, doch verbergen sie ihre Herkunft.<br />
Nicht nur die unstrukturierte Seitengestaltung verwirrt<br />
den Leser, sondern auch die Frage ,Foto oder<br />
Fiktion?‘. 75 Kalenbach schafft kein Zeitdokument weil er<br />
die Herkunft seiner Bilder verschleiert.<br />
Die Absicht, ,Gegenbilder‘ zu schaffen haben, die Autoren<br />
vielleicht am ehesten in einer Ästhetisierung der<br />
Aussageabsicht umgesetzt; die Opfer sind weiß <strong>und</strong><br />
schön, Giftgas giftgrün 76 usw. Bei der Darstellung Hitlers<br />
gelingt es Kalenbach allerdings nicht, das Pathos der<br />
Nazis zu konterkarieren <strong>und</strong> sich von der faschistoiden<br />
Ästhetik zu lösen.<br />
Friedemann Bedürftig, Herausgeber des ,Großen Lexikons<br />
des Dritten Reiches‘, versuchte, möglichst Originalzitate<br />
Hitlers zu verwenden; eine ehrenhafte Absicht,<br />
nur sollte auch hier Transparenz gewahrt werden <strong>und</strong><br />
dem Leser klar sein, in welchen Fällen es sich um ein<br />
Zitat <strong>und</strong> wann um Prosa handelt. Ein dokumentarischer<br />
<strong>Comic</strong> muß Transparenz in Bild <strong>und</strong> Text wahren. Daß<br />
dies möglich ist zeigt Rius. Problematisch ist schließlich<br />
auch die Erzählweise, die Hitler als Protagonist quasi<br />
zum negativen Superhelden aufbaut, der den Muttertod<br />
<strong>und</strong> die Ablehnung auf der Kunsthochschule nicht verwindet<br />
<strong>und</strong> so zum Psychopathen wird.<br />
4.3 Politische Theorie<br />
In der Nachfolge Rius’ erscheinen noch zahllose Bände<br />
(Atomkraft für Anfänger, Lenin f.A., Trotzki f.A., Frieden<br />
f.A. u.a.) in der Reihe „rororo-Sachcomic“ be<strong>im</strong> Rowohlt<br />
Verlag, der sich auch nicht scheut, mit dem Rius-<br />
<strong>Comic</strong> zu werben. Die Produktion der Nachfolgebände<br />
basiert <strong>im</strong>mer auf der Zusammenarbeit eines sachk<strong>und</strong>igen<br />
Autors <strong>und</strong> eines Studiozeichners die Rius’ Stil<br />
kopieren.<br />
Bemerkenswert sind noch die verschiedensten Versuche<br />
von Literaturadaptionen. 1980 erschien „Das Kapital“<br />
von Jari Pekka Cuypers <strong>im</strong> VSA-Verlag. Er versucht<br />
dann noch ein bißchen unbeholfen, den ersten Band des<br />
„Kapitals“ leichtverständlich darzustellen. Von F.K.<br />
Wächter erschien 1982 ebenfalls <strong>im</strong> VSA-Verlag das<br />
„illustrierte Gr<strong>und</strong>gesetz“, in dem Karikaturen <strong>und</strong> kleine<br />
Strips sozusagen als „visueller Kontrapunkt“ dem Gesetzestext<br />
entgegengesetzt werden „Die Menschenrechte“<br />
70 Der Spiegel 39 (1989) S. 78-80.<br />
71 Konkret 11 (1989) S. 61.<br />
72 Kuby: Eine Art Gebrauchsanleitung. In: Hitler Bd. 1. Hamburg<br />
1989. S. 3.<br />
73 Kalenbach/Bedürftig: Hitler Bd. 1. Hamburg 1989. S. 8.<br />
74 Ebd.<br />
75 Weidemann: Foto oder Zeichnung? In: <strong>Comic</strong>s Anno. München<br />
1991. S. 26-41.<br />
76 Kalenbach/Bedürftig: Hitler Bd. 3. Hamburg 1989.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 173<br />
(1991) ist ein Sammelband, in dem sechs Autoren, u.a.<br />
Will Eisner, Annie Goetzinger, Alberto Breccia, einen der<br />
Artikel der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten<br />
Nationen erläutern. In Kurzgeschichten begründen sie<br />
die Notwendigkeit der Rechte.<br />
4.4 <strong>Politik</strong> für Jugendliche<br />
In ihrer Jugendreihe „rororo-rotfuchs“ erschienen 1983-<br />
84 drei „Quercomics“ von Wolfgang W<strong>im</strong>mer <strong>und</strong> dem<br />
Münchner Zeichner Tschap: „Sklaven“ (1983), „Rüstung“<br />
(1984) <strong>und</strong> „Moneymaker“ (1984). Diese Serie wurde<br />
speziell für Acht- bis Zwölfjährige konzipiert, deren Fähigkeit,<br />
Bildergeschichten zu lesen, besonders hoch<br />
sei. 77<br />
Der Band „Rüstung – vom Anfang der Erde bis zum<br />
möglichen Ende“ versucht die Geschichte der Waffen<br />
<strong>und</strong> der Kriege aufzuarbeiten. Die Erkenntnis, die vermittelt<br />
werden soll, heißt: nie hat Rüstung Kriege verhindert<br />
<strong>und</strong> den Frieden gesichert. Anhand der Zeitreise<br />
von Nina <strong>und</strong> Tom wird versucht, politische <strong>und</strong> historische<br />
Zusammenhänge aufzuzeigen <strong>und</strong> die Leser zum<br />
Handeln zu ermutigen.<br />
5 Themenkreise<br />
Um Literatur, <strong>und</strong> um solche handelt es sich be<strong>im</strong> Medium<br />
<strong>Comic</strong>, unter den Gesichtspunkten der <strong>Politik</strong> zu<br />
betrachten, darf der <strong>Politik</strong>begriff nicht zu eng definiert<br />
werden.<br />
Sowohl die institutionelle D<strong>im</strong>ension der <strong>Politik</strong>, die ,polity‘<br />
z.B. in Darstellung von Wahlen oder Gesetzestexten<br />
schlägt sich nieder als auch die normativ-inhaltliche, die<br />
,policy‘, die besonders kritisch betrachtet wird. Der Bereich<br />
der ,politics‘, hier besonders alle Formen der<br />
Macht, wird ebenfalls thematisiert.<br />
Um einen Überblick über die Breite des Genres zu<br />
vermitteln <strong>und</strong> zusätzlich eine Möglichkeit der Beurteilung<br />
zu schaffen, versuche ich, angelehnt an die Idee<br />
der Interessenkreise bei der Belletristik, die <strong>Comic</strong>s politisch-zeitgeschichtlichen<br />
Themenkreisen zuzuordnen.<br />
Die üblichen <strong>Comic</strong>-Kategorien wie z.B. Funnys, Adventure-<strong>Comic</strong>s,<br />
Semi-Funnys usw. werden hier zugunsten<br />
einer Einteilung, die sich sowohl an politischen Handlungsfeldern<br />
orientiert wie auch politischen Theorien <strong>und</strong><br />
Systeme zum Gegenstand hat.<br />
5.1 Krieg <strong>und</strong> Militär <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Krieg ist <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> eine beliebte Kulisse für Abenteurer<br />
<strong>und</strong> Weltraumfahrer. An dieser Stelle sollen jedoch nur<br />
die „Kriegs-<strong>Comic</strong>s“ erörtert werden, die den Krieg thematisieren.<br />
Aufgekommen ist das Thema während des Zweiten<br />
Weltkrieges.<br />
Metken 78 schreibt dazu: „Als die Vereinigten Staaten<br />
Ende 1941 in den Krieg eintraten, wurden auch die<br />
meisten <strong>Comic</strong>-Helden zu den Waffen gerufen. Vielfach<br />
hatten sie bereits vorher bek<strong>und</strong>et, auf wessen Seite die<br />
Sympathien ihrer Entwerfer lagen.“ Superhelden <strong>und</strong><br />
Militärs bekämpften die Kriegsgegner der USA. In manchem<br />
Heft wurde Adolf Hitler selbst bemüht, um gegen<br />
„Superman“, „Daredevil“ oder „Captain America“ anzutreten.<br />
Doch nicht nur Superhelden, auch ,normale‘ Militärs<br />
waren in dieser Zeit stark vertreten in den <strong>Comic</strong>s.<br />
„Blackhawk“ war eine bekannte Reihe, in der das Militär<br />
sich sehr autoritär gab. 79<br />
Einen Einbruch erlitt die Produktion dieser Serien erst<br />
Ende der sechziger Jahre, was zum einen mit dem<br />
Aufkommen der Jugend- <strong>und</strong> Bürgerrechtsbewegung<br />
<strong>und</strong> zum anderen mit der wachsenden Kritik an dem<br />
Vietnamkrieg erklärt werden kann. Wegen der starken<br />
Kritik wurde auch versucht, das Kriegsthema mit einem<br />
friedlichen Motto zu versehen. Der Spruch „Make war no<br />
more“ 80 tauchte in vielen <strong>Comic</strong>s, meist <strong>im</strong> Schlußpanel,<br />
ziemlich zusammenhanglos auf.<br />
1983 hat der amerikanische Pädagoge Rifas 81 solche<br />
Serien untersucht <strong>und</strong> folgende Gr<strong>und</strong>muster festgestellt:<br />
– <strong>im</strong> Krieg wird der Mann ein Mann;<br />
– Krieg ist unvermeidlich, moralische Skrupel führen<br />
zur Vernichtung;<br />
– Krieg ist notwendig zur Verteidigung von Freiheit <strong>und</strong><br />
Demokratie;<br />
– Krieg fördert die Rassen-Emanzipation;<br />
– Krieg ist ein Spiel mit hohem Einsatz.<br />
Kriegscomics produzieren in noch stärkerem Maße als<br />
andere <strong>Comic</strong>s eine Heldenfigur, die, ausnahmslos<br />
männlich, teilweise so überzeichnet ist, daß sie einer<br />
Karikatur ähnelt. Dem Held gegenüber steht das „Böse“,<br />
der Feind. Dieses Gr<strong>und</strong>muster gilt ähnlich auch für den<br />
Anti-Kriegscomic, in dem ein Pazifist die Heldenrolle<br />
übernehmen kann.<br />
Die amerikanischen Kriegscomics spielen hierzulande<br />
bis heute kaum eine Rolle, da sich zum einen das<br />
Gut-Böse-Schema USA gegen den Rest der Welt nicht<br />
für den deutschen Markt eignet, zum anderen die Verlage<br />
wohl auch Angst vor der vorauszusehenden massiven<br />
Kritik hatten. 82<br />
Für die auf dem deutschen Markt erhältlichen <strong>Comic</strong>s<br />
lassen sich folgende Themenschwerpunkte feststellen:<br />
– konventionelle Kriegsdarstellungen;<br />
– technikverherrlichende Flieger-<strong>Comic</strong>s;<br />
– kritische, dem Krieg negativ gegenüberstehende <strong>Comic</strong>s;<br />
– Atomkriegsszenarien.<br />
5.1.1 „Abenteuerspielplatz“ Krieg<br />
Bei den konventionellen Kriegsdarstellungen handelt es<br />
sich meist um Adventure-<strong>Comic</strong>s, die den Krieg als<br />
Hintergr<strong>und</strong> für die heldenhaften Aktivitäten ihrer Protagonisten<br />
benutzen.<br />
Einer der bekannteren Vertreter ist der Deutsch-Spanier<br />
Manfred Sommer, der mit seiner Serie „Frank Cappa“<br />
die aktuellen Kriegsschauplätze der Welt beleuchtet.<br />
Der Kriegsberichterstatter, dessen Name wohl von dem<br />
77 Börsenblatt 2123 (1983).<br />
78 Metken: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt/M. 1970. S. 75.<br />
79 Fuchs: Wo sind alle Krieger hin: In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1986.<br />
Frankfurt/M. 1986. S. 45.<br />
80 Maier: Make war no more. In: Comixene15 (1977) S. 6-9.<br />
81 Bulletin of Interracial Books for Children Vol. 14. No. 6. 1983.<br />
Zit. nach: Dolle-Weinkauf: Krieg <strong>und</strong> Frieden in <strong>Comic</strong>s. In:<br />
Beiträge zur Kinder- <strong>und</strong> Jugendliteratur 80 (1986) S. 37-49.<br />
82 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 181.
174 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
französischen Fotografen <strong>und</strong> Kriegsreporter Robert<br />
Cappa entlehnt ist, hat eine eher ablehnende Haltung<br />
dem Krieg gegenüber. Der Held, der <strong>im</strong>mer wieder an<br />
vorderster Front mitkämpft, ist ein Individualist, der versucht,<br />
beide Seiten zu verstehen. Doch auch wenn in<br />
Sommers Handlungen <strong>im</strong>mer wieder auf die Sinnlosigkeit<br />
des Krieges hingewiesen wird, kann das nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, daß hier mit den nach nationalen<br />
Eigenarten differenzierten Grausamkeiten des Krieges<br />
Effekthascherei betrieben wird.<br />
In der Reihe des Splitter-Verlages aus München, „Splitter<br />
präsentiert <strong>Zeitgeschichte</strong>“, erscheinen dem Stil der<br />
klassischen amerikanischen Kriegscomics verpflichtete<br />
Storys. Mit dem US-Import „The NAM“ oder der U-Boot<br />
Geschichte „Auf Feindfahrt“, wird versucht, Authentizität<br />
zu inszenieren, indem die ganze Brutalität des Krieges<br />
vorgeführt wird.<br />
5.1.2 Fliegerserien<br />
Einen besonderen Höhepunkt erreichte das Genre zur<br />
Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg dient als Kulisse<br />
für spannende Abenteuer <strong>und</strong> seine Notwendigkeit wird<br />
nie in Frage gestellt. Amerikanische Zeichner wie Milton<br />
Caniff prägten den Stil mit Abenteuerserien wie „Terry<br />
and the Pirates“, die Technikverherrlichung mit Patriotismus<br />
<strong>und</strong> Kampfgeist verbanden. Angesiedelt <strong>im</strong> militärischen<br />
Bereich werden die Befehlsstrukturen <strong>und</strong> militärischer<br />
Drill als selbstverständlich akzeptiert, wenn es<br />
um den Schutz des Vaterlandes geht. 83<br />
Vor dem exotischen Hintergr<strong>und</strong> Chinas <strong>und</strong> Japans<br />
erlebt Terry seine ersten Abenteuer, wächst heran <strong>und</strong><br />
darf schließlich <strong>im</strong> Zweiten Weltkrieg gegen den „gelben<br />
Feind“ fliegen. Caniff war einer der erfolgreichsten<br />
Zeichner <strong>und</strong> einer der besten Kriegspropagandisten<br />
der USA. Die Folge, in der 1942 Colonel „Flip Corkin“<br />
dem jungen Piloten markige Worte mit in den Kampf<br />
gibt, wurde <strong>im</strong> Kongress verlesen <strong>und</strong> ins Protokoll aufgenommen.<br />
Typisch für die europäischen Serien ist laut Andreas C.<br />
Knigge, daß Gewalt nie in Eigenverantwortung ausgeübt<br />
wird, sondern <strong>im</strong>mer in militärischen Verbänden, die<br />
die moralische Verantwortung übernehmen.<br />
„Terry and the Pirates“ erschien erstmals 1934 <strong>und</strong> wurde<br />
während des Krieges fester Begleiter der Soldaten in<br />
den Zeitungen der Armee. 1947 begann Caniff mit einer<br />
ähnlichen Serie um den Piloten „Steve Canyon“, der<br />
anfangs ein Flugtaxi lenkt, aber zu Beginn des Vietnam-<br />
Kriegs der Luftwaffe beitritt.<br />
Milton Caniff gilt als einer der reaktionärsten <strong>Comic</strong>-Autoren<br />
der USA. Doch als ein informierter <strong>und</strong> analytischer<br />
Beobachter des Weltgeschehens <strong>und</strong> der militärischen<br />
Entwicklungen zeichnen sich seine Geschichten<br />
<strong>im</strong>mer durch Aktualität <strong>und</strong> technisches Know-how<br />
aus. 85<br />
In den USA schon während des Krieges verbreitet <strong>und</strong><br />
erfolgreich, schufen die Europäer nach dem Krieg ähnliche<br />
Serien. Der Belgier Jean Michel Charlier ein begeisterter<br />
Pilot, begann als erster in Europa mit der Flieger-<br />
Serie „Buck Danny“, die in der US Air Force angesiedelt<br />
ist. 86 Ein Auftritt Ronald Reagans vermittelt das Bild vom<br />
allwissenden <strong>Politik</strong>er. In einer Phase der Geschichte,<br />
als alle an „Buck Dannys“ Taten zweifeln, vertraut der<br />
Präsident seinem Helden, denn er weiß natürlich, auf<br />
welche Menschen man sich verlassen kann.<br />
Eine etwas andere Variante der Fliegercomics stammt<br />
von dem Deutsch-Belgier Albert Weinberg. Seine 1954<br />
begonnene Serie „Dan Cooper“ ist angereichert mit<br />
Science-Fiction Elementen <strong>und</strong> spielt in Weltraumstationen<br />
<strong>und</strong> NASA-Labors. „Asterix“-Zeichner Uderzo kreierte<br />
die Serie „Tanguy“. die in der „Force de frappe“<br />
angesiedelt ist. Uderzo gab „Tanguy“ allerdings dann<br />
zugunsten seines großen Erfolges ab.<br />
Typisch für die europäischen Serien ist laut Andreas C.<br />
Knigge, daß Gewalt nie in Eigenverantwortung ausgeübt<br />
wird, sondern <strong>im</strong>mer in militärischen Verbänden, die<br />
die moralische Verantwortung übernehmen. 87<br />
Das Genre scheint sich jedoch langsam überlebt zu<br />
haben. Zwar erscheinen <strong>im</strong> Moment noch klassische<br />
Serien in deutschen Verlagen, doch gibt es auch hier<br />
Anzeichen für einen Wandel „Der rote Baron“ des Amerikaners<br />
George Pratt zeigt anhand eines Vietnam-Piloten<br />
die psychischen Folgen, die ein Kriegseinsatz nach<br />
sich zieht.<br />
5.1.3 Krieg als Metapher<br />
Der Franzose Jacques Tardi beschäftigt sich in seinem<br />
Werk seit über zwanzig Jahren leidenschaftlich mit der<br />
Kriegs-Thematik.<br />
1973 erschien in Frankreich der Titel „Für Volk <strong>und</strong><br />
Vaterland“, ein <strong>Comic</strong> um den „Antihelden“ Brindavoine,<br />
der als Soldat die Schrecken des Ersten Weltkrieges<br />
erlebt. Man sieht ihn durch die Front laufen <strong>und</strong> dabei<br />
zum Waffenstillstand aufrufen. Von einem Kameraden<br />
angeschossen landet er <strong>im</strong> Lazarett. Als er von seinen<br />
Fieberträumen erwacht, liegt er in einer Kirche, in der<br />
sich ein deutscher, ein senegalesischer <strong>und</strong> ein französischer<br />
Deserteur zusammengetan haben. Am Ende<br />
wird der Deutsche von dem Franzosen meuchlings erschossen.<br />
Das letzte Panel zeigt den Toten, <strong>und</strong> über<br />
ihm eine Heiligenfigur mit segnender Armhaltung. Tardi<br />
scheut sich nicht, Kritik an der Kirche <strong>und</strong> an allen<br />
Institutionen zu üben, die den Krieg unterstützt haben.<br />
Einen erdrückenden kafkaesken Alptraum schildert die<br />
1975 entstandene „wahre Geschichte vom unbekannten<br />
Soldaten“. Der Träumende ist ein Groschenromanautor<br />
dessen Figuren zusammen mit Fre<strong>und</strong>en aus seinem<br />
Leben ein verwirrendes Spiel mit ihm spielen. Krähende<br />
Raben verheißen Tod <strong>und</strong> Verwesung. Erst auf den<br />
letzten Seiten klärt sich der Zusammenhang zum Titel.<br />
Es handelt sich um die Phantasien eines sterbenden<br />
Soldaten <strong>im</strong> Ersten Weltkrieg. Tardis surreale Erzählweise<br />
erlauben dem Leser keine Distanz, der ästhetische<br />
Schock geht einher mit dem politischen. Er zeigt hier<br />
keine Waffentechnik oder Frontromantik – die Handlung<br />
spielt bis zur der letzten Seite noch nicht einmal <strong>im</strong> Krieg.<br />
Er beschäftigt sich nur mit den letzten Gedanken eines<br />
83 Die großen Fliegercomics. In: Rraah 21 (1992= S. 23-25.<br />
84 <strong>Comic</strong>-Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung<br />
der Bildergeschichten. Berlin 1970. S. 71.<br />
85 Compart: Krieg <strong>im</strong> Abenteuer-<strong>Comic</strong>. In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch<br />
1986. Frankfurt/M. 1986. S. 32.<br />
86 Im Moment erfolgt gerade eine Neuauflage bei Carlsen.<br />
87 Knigge: Der Einfluß der amerikanischen Abenteuer-Serien auf<br />
die europäischen <strong>Comic</strong>s. In: <strong>Comic</strong> Jahrbuch 1986. Frankfurt/M.<br />
1986. S. 39.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 175<br />
namenlosen Soldaten, den er uns als leidendes Wesen,<br />
voller Ängste <strong>und</strong> obszöner Träume, vorführt.<br />
Auch der Italiener Lorenzo Mattotti stellt in seinem Band<br />
„Feuer“ keine realistische Kriegssituation dar, sondern<br />
bietet eine in fulminanten Bildern erzählte Geschichte<br />
des Kampfes eines Menschen mit sich selbst.<br />
Der Panzerkreuzer Anselm II, der vor der Insel Sankt<br />
Agatha seinen Anker wirft, hat den Auftrag, mysteriöse<br />
Ereignisse aufzuklären. Ein Spähtrupp unter der Leitung<br />
des von Alpträumen he<strong>im</strong>gesuchten Leutnants Absinth<br />
wird ausgesandt. Während des Landganges hat der<br />
Leutnant das Gefühl, seine Traumwesen wiederzusehen.<br />
Er beginnt, die Insel zu lieben, <strong>und</strong> als bei einem<br />
zweiten Landgang ein Soldat einen Stein „erschießt“<br />
(der Stein beginnt zu bluten), entscheidet sich Absinth,<br />
auf der Insel zu bleiben. Er wird jedoch gewaltsam<br />
wieder zurückgebracht. Auch das hält den Untergang<br />
des Schiffes nicht auf, denn gegen die unwirklichen<br />
Mächte der Insel sind die Soldaten machtlos. Am Ende<br />
entpuppt sich die Geschichte als Aufzeichnung eines<br />
Selbstmörders.<br />
In den letzten Jahren sind verstärkt <strong>Comic</strong>s erschienen,<br />
die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland<br />
<strong>und</strong> allen seinen Erscheinungsbildern auseinanderzusetzen.<br />
Mattotti entwirft außergewöhnlich eindrucksvolle Bilder<br />
aus Ölkreide, die aber nie zum Selbstzweck werden. Der<br />
Seitenaufbau wird streng beibehalten <strong>und</strong> verleiht der<br />
Handlung eine nüchterne Wirkung.<br />
Benutzt Tardi die psychischen Alpträume zur Warnung<br />
vor dem Krieg, so geht Mattotti hier den umgekehrten<br />
Weg. Für ihn ist die Kriegsgeschichte ein Mittel zum<br />
Ausdruck unerklärlicher Welten. Die Ratio, versinnbildlicht<br />
<strong>im</strong> Militär, scheitert an dem Irrationalen, hier die<br />
Feuerwesen der Insel. Die Natur beschreibt Mattotti als<br />
eine Gewalt, die sich zu wehren weiß. Doch handelt es<br />
sich hier um keine „Öko-Geschichte“; vielmehr zeigen<br />
diese Sequenzen das phantastische, übersinnliche Element<br />
in dem <strong>Comic</strong>. Zweifellos ist das Etikett „Kriegs-<br />
<strong>Comic</strong>“ gewagt, geht dieser <strong>Comic</strong> doch weiter als übliche<br />
Auseinandersetzungen mit Gewalt. Mattotti hat hier<br />
die Szenerie eines Panzerkreuzers für das Spiel mit dem<br />
Wirklichkeitsbegriff gewählt.<br />
5.1.4 Atomare Apokalypse<br />
Einen eigenen Themenkreis bilden auch die <strong>Comic</strong>s, die<br />
sich mit den Auswirkungen der Atombombe beschäftigen.<br />
Hier treten nicht mehr Militär <strong>und</strong> Kriegshandlungen<br />
in das Zentrum der Handlung, sondern die grauenhaft<br />
inhumanen Auswirkungen <strong>und</strong> Schrecken dieser Vernichtungswaffe.<br />
Eine sehr direkte Auseinandersetzung bietet „Barfuß<br />
durch Hirosh<strong>im</strong>a“ von Nakazawa. Mit der Frage ,Was<br />
wird danach?‘ beschäftigten sich vor allem in den achtziger<br />
Jahren zahlreiche Autoren <strong>und</strong> regten zu den wildesten<br />
Szenarien an, z.B. die Serie „Jeremiah“ von<br />
Hermann, „S<strong>im</strong>on – Zeuge der Zukunft“ von Auclair oder<br />
„Verbrannte Erde“ von Crespin.<br />
Der Japaner Keije Nakazawa hat dagegen ein ganz<br />
besonders authentisches Dokument geschaffen. Nakazawa,<br />
der den Atombombenabwurf auf Hirosh<strong>im</strong>a selbst<br />
miterleben mußte, schafft trotz unbeholfener Zeichnun-<br />
gen ein sehr glaubwürdiges Bild der japanischen Kriegsdiktatur.<br />
Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive des<br />
kleinen Gen, der als Sohn eines Künstlers <strong>und</strong> Pazifisten<br />
sehr zu leiden hat. In der Schule, der Nachbarschaft<br />
<strong>und</strong> selbst in der eigenen Familie herrscht Unverständnis<br />
für die Haltung des Familienoberhauptes. Um die<br />
Schande des Vaters wieder gutzumachen, meldet sich<br />
der älteste Sohn freiwillig zum Militär <strong>und</strong> erlebt dort die<br />
letzten schrecklichen Tage von Soldaten einer Kamikaze-Einheit.<br />
Auch den Selbstmord ganzer Familien aus<br />
Angst vor den Amerikanern zeigt Nakazawa. Die japanische<br />
Gesellschaft wird dominiert von Angst, Gewalt,<br />
Hunger <strong>und</strong> Neid. Auch das Bild der Armee ist nicht<br />
besser; Drill <strong>und</strong> Brutalität sind für den jungen Soldaten<br />
die Hölle.<br />
Schließlich endet alles in dem Inferno der Atombombenexplosion.<br />
Gen <strong>und</strong> seine Mutter müssen zusehen, wie<br />
der Rest der Familie in ihrem Haus verbrennt.<br />
Nakazawas <strong>Comic</strong> beruht auf einem einfachen Gut-Böse-Schema,<br />
in dem sich, die Charaktere nicht weiterentwickeln,<br />
außerdem wird Einstein fälschlicherweise als<br />
begeisterter Vater der Atombombe dargestellt. Trotz dieser<br />
Mängel handelt es sich dabei um eine eindrucksvolle<br />
Kritik an der Abschreckungspolitik.<br />
Auch Art Spiegelman äußerte sich anerkennend: „ ,Gen<br />
of Hirosh<strong>im</strong>a‘ ist wüst gezeichnet, aber es ist dennoch<br />
ein großartiger <strong>Comic</strong>strip, weil die Geschichte in sich<br />
st<strong>im</strong>mt.“ 88<br />
Persönliche Betroffenheit versucht auch Raymond<br />
Briggs in seinem Band „When the Wind Blows“ (dt.<br />
„Strahlende Zeiten“) zu erzeugen. Seine Geschichte<br />
spielt aber in England <strong>und</strong> beruht <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />
Nakazawas Erzählung nicht auf realen Ereignissen.<br />
In das friedlich-beschauliche Leben eines älteren Ehepaars<br />
bricht plötzlich die Weltpolitik ein. Mit praktischem<br />
Sachverstand versuchen sich die beiden zu schützen.<br />
Verklärte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg kommen<br />
bei den Vorbereitungen zum Bau eines Schutzraumes<br />
auf. Aber auch das genaueste Befolgen der offiziellen<br />
Anweisungen hilft den beiden nichts. Doch ihr Glauben<br />
an die Unfehlbarkeit der Autoritäten bleibt bis zuletzt<br />
unerschütterlich. Er zeigt den langsamen Tod der alten<br />
Leute einfühlsam <strong>und</strong> doch in seiner ganzen Grausamkeit.<br />
Briggs Stärke ist es, einerseits unsere gesicherte Lebenssituation<br />
darzustellen <strong>und</strong> gleichzeitig die Hilflosigkeit,<br />
wenn das dünne Eis der atomaren Abschreckung<br />
bricht.<br />
5.2 Nationalsozialismus <strong>und</strong> Holocaust<br />
In den letzten Jahren sind verstärkt <strong>Comic</strong>s erschienen,<br />
die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland<br />
<strong>und</strong> allen seinen Erscheinungsbildern auseinanderzusetzen.<br />
Als wichtigster kann der 1989 in deutsch erschienene<br />
<strong>Comic</strong> „MAUS“ von Art Spiegelman gelten,<br />
der vor allem in Deutschland eine Medienresonanz erfahren<br />
hat, wie nie zuvor ein <strong>Comic</strong>.<br />
Doch es gab auch weniger populäre Versuche. In Frankreich<br />
erschien 1988 „Hitler = SS“ von Philippe Vuillemin<br />
88 Affolter: Gespräch mit Art Spiegelman. In: <strong>Comic</strong> Art 6 (1983)<br />
S. 6-16.
176 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
<strong>und</strong> Jean-Marie Gourio. Die beiden sind Mitarbeiter der<br />
Satirezeitschrift „Hara-Kiri“, für die schon Reiser in den<br />
sechziger Jahren gearbeitet hat. „Hitler = SS“ ist ein<br />
aufklärerisch gemeinter <strong>Comic</strong>, der wegen seines gegen<br />
alle Seiten gerichteten Zynismus, schließlich verboten<br />
wurde. Der bittere Spott, der in den Geschichten steckt,<br />
wurde nicht als solcher gebilligt. 89 Die Autoren haben<br />
versucht, das faschistische Menschenbild karikaturistisch<br />
zu übersteigern, doch die Darstellung eines Juden<br />
mit großer Nase <strong>und</strong> dicken Lippen, der vor der Gaskammer<br />
Seife für 5 Franc verkauft, war den Gerichten<br />
dann doch zu menschenverachtend.<br />
Eine völlig andere Erzählweise pflegt Art Spiegelman,<br />
der für sein außergewöhnliches Werk „Maus“ zahlreiche<br />
Preise erhalten hat, u.a. den „Cavior Award“ für den<br />
besten jüdischen Roman, den italienischen „Yellow Kid“,<br />
den französischen „Prix Alfred“, den „Max-<strong>und</strong>-Moritz-<br />
Sonderpreis“ <strong>und</strong> den Pulitzerpreis.<br />
Die Geschichte hat durchweg zwei Ebenen. Einmal die<br />
historische, in der der Überlebenskampf des Vaters <strong>im</strong><br />
Dritten Reich dargestellt wird, <strong>und</strong> zum anderen die der<br />
Gegenwart, die das Erzählen des Vaters <strong>und</strong> dessen<br />
Beziehung zu seinem Sohn dokumentiert.<br />
Vladek, der Vater, wird auf beiden Ebenen unterschiedlich<br />
geschildert. Während er in der Vergangenheit das<br />
Opfer ist, erscheint er in der Gegenwart als Täter, der<br />
seine Familie mit seinen unterschiedlichsten Marotten<br />
terrorisiert.<br />
,Der <strong>Comic</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>‘, die Darstellung der Recherchen<br />
<strong>und</strong> der Entstehung des Werkes, zeigt in aller Offenheit<br />
die Schwierigkeiten des Autors mit seinem Thema. Der<br />
Leser muß eine kritische Haltung annehmen da ihm<br />
keine Identifikationsfigur <strong>und</strong> keine „reine Wahrheit“ an-<br />
Abb. 7: Art Spiegelman. Maus.<br />
geboten wird. Indem er sich vom allwissenden Erzähler<br />
zur <strong>Comic</strong>figur degradiert, zeigt er auch seine Selbstzweifel<br />
an der zeichnerische Umsetzung.<br />
Die handelnden Figuren als antropomorphe Tiere darzustellen,<br />
wirkt auf den ersten Blick sehr provokativ. Spiegelman<br />
hatte dafür einen Anlaß <strong>und</strong> einen Gr<strong>und</strong>. Der<br />
Anlaß war, daß er einen Strip mit Tieren für Robert<br />
Crumb machen sollte, <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong> war der Vergleich<br />
der Nationalsozialisten von Juden mit Ungeziefer 90 <strong>und</strong><br />
von Polen mit Schweinen.<br />
Doch damit muß Spiegelman sich auch entscheiden –<br />
es gibt keine ,gleichen‘ Menschen mehr, es gibt nur noch<br />
Mäuse, Katzen <strong>und</strong> Schweine; beispielhaft stellt er das<br />
Problem in einer Szene dar, in der er seine Frau Françoise,<br />
eine Französin, fragt, als welches Tier er sie<br />
zeichnen soll? Spiegelman umgeht das Problem teilweise,<br />
indem er die Figuren Masken tragen läßt – ist die<br />
Maus wirklich eine Maus? Spiegelman äußert sich hierzu:<br />
„All metaphors are a kind of lying. As soon as you<br />
make a correspondence, it only highlights the gaps.<br />
Nothing thoroughly interlocks.“<br />
Die Tiermetaphern haben Spiegelman viel Kritik eingetragen,<br />
von jüdischer <strong>und</strong> vor allem von polnischer Seite.<br />
92 Der Hauptvorwurf war, es würden damit ethnische<br />
Stereotypen verfestigt. Darauf meinten die Befürworter,<br />
nur eine solche mythische Darstellung liese einen realistischen<br />
Eindruck entstehen.<br />
Auch daß Spiegelman sich selbst wesentlich positiver<br />
darstellt als seinen Vater, wurde bemängelt. Doch zeigt<br />
Spiegelman vor allem, daß die Leiden des Vaters auch<br />
an dem Sohn nicht spurlos vorübergegangen sind.<br />
Weniger spektakulär, aber handwerklich sehr gelungen<br />
ist die Beschreibung des Warschauer Ghettos von Paul<br />
Gillon <strong>und</strong> Patrik Cothias, einer zweibändige Adaption<br />
der Tagebücher „Der Schrei nach Leben“ des polnischen<br />
Juden Martin Gray. Gillons Bilder sind von einer kühlen<br />
Ästhetik, was der eher sachlichen, aber nicht gefühllosen<br />
Atmosphäre der Geschichte zugute kommt.<br />
Auch die beiden jungen Deutschen Thomas Kühn <strong>und</strong><br />
Holger Klein haben sich in ihrem Erstling „Kann denn<br />
Liebe Sünde sein?“ mit Schuld <strong>und</strong> Rache auseinandergesetzt.<br />
Der sympathische Cellist, dem plötzlich wieder<br />
ein Engagement winkt, findet sich plötzlich seinen ehemaligen<br />
KZ-Musikerinnen gegenüber, denen er einst als<br />
Lagerführer der SS vorstand. Obwohl die Frauen ihn am<br />
Ende gehen lassen, kann er seiner Buße nicht entgehen.<br />
5.3 Arbeitswelt<br />
In ihrer Analyse der Walt-Disney-Produkte „Micky Maus“<br />
<strong>und</strong> „Donald Duck“ weisen die Südamerikaner Dorfmann<br />
<strong>und</strong> Mattelart auf die Abwesenheit der Arbeitswelt<br />
in diesen <strong>Comic</strong>s hin. 93 Donald Duck ist zwar ständig auf<br />
Arbeitssuche, doch auch wenn er einen Job findet, ist<br />
das Arbeitsverhältnis nie von langer Dauer.<br />
89 Albig: Karikatur des Grauens. In: Magazin der Süddeutschen<br />
Zeitung (15.05.1992).<br />
90 „Es ist ja wohl nur recht <strong>und</strong> billig, die Welt von einer minderwertigen<br />
Rasse zu befreien, die sich wie Ungeziefer vermehrt.“<br />
Zit. nach Spiegelman: MAUS – Teil 1. Reinbek 1989. S. 4.<br />
91 Fein: The Holocaust as a Cartoonist’s Way of Getting to know<br />
His Father. In: New York T<strong>im</strong>es 10.12.1991.<br />
92 Schwarz: Maus. Gießen 1993. S. 22-26.<br />
93 Dorfmann/Mattelart: Walt Disney „Dritte Welt“. Berlin 1977.<br />
S. 81 ff.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 177<br />
Dorfmann <strong>und</strong> Mattelart sehen darin die wirtschaftliche<br />
Karikatur der Entwicklungsländer, da nur der Pr<strong>im</strong>är<strong>und</strong><br />
der Tertiärbereich der Ökonomie dargestellt wird.<br />
Der Rohstoffabbau ist dabei <strong>im</strong>mer mühelos möglich,<br />
Goldminen ziehen nie irgendwelche Arbeit nach sich,<br />
sondern verwandeln sich sofort in Taler. Der mühevolle<br />
Abbau der Rohstoffe wird verschwiegen.<br />
Lange Zeit spielten Frauen in der <strong>Comic</strong>-Szene keine<br />
Rolle. Es gab keine bekannten Zeichnerinnen oder Szenaristinnen.<br />
Bei der Leserschaft war es auch nicht besser;<br />
selbst die in den vierziger Jahren entstandenen<br />
Superheldinnen waren auf den männlichen, voyeuristischen<br />
Blick zugeschnitten.<br />
Die verarbeitende Industrie, der Sek<strong>und</strong>ärbereich, auf<br />
dem der Reichtum der Industrienationen beruht, wird<br />
ebenso völlig ausgespart. Darin besteht tatsächlich eine<br />
Parallele zu der Wirtschaftsstruktur der Entwicklungsländer.<br />
Die von Dorfmann <strong>und</strong> Mattelart analysierten Strukturen<br />
findet man nicht nur bei den Ducks. Die Arbeitswelt<br />
spielte in den <strong>Comic</strong>s, wie auch <strong>im</strong> Film oder der Trivialliteratur<br />
lange Zeit keine Rolle.<br />
Eine Ausnahme machen einige Strips, die speziell für<br />
Gewerkschaftszeitungen entworfen wurden. Erich Rauschenbachs<br />
„Kollege Karl“ erscheint alle zwei Wochen<br />
in der Mitgliederzeitung der IG Metall. Rauschenbach<br />
benutzt für seine Strips eine ähnliche Technik wie Trudeau<br />
für seinen Doonesbury. Eine stehende Figur, „Kollege<br />
Karl“, kommentiert in jeweils vier Panels alle Themen,<br />
die die arbeitende Bevölkerung interessieren<br />
könnte.<br />
Ein besonders gelungenes Beispiel sind die „Hammer-<br />
<strong>Comic</strong>s: Tiefschläge aus der Arbeitswelt“ von den<br />
Schweizerinnen Brigitte Fries <strong>und</strong> Liz Seitter. In einer<br />
außergewöhnlichen Mischtechnik aus Fotografie <strong>und</strong><br />
Zeichnungen werden Themen wie Fremdenhaß oder<br />
Unfallverhütung dargestellt. Zwar kommen auch typisch<br />
schweizerische Probleme vor, beispielsweise das unmenschliche<br />
Saisonnierstatut, aber die meisten Szenen<br />
könnten sich genauso auf b<strong>und</strong>esdeutschen Baustellen<br />
abspielen. Entstanden ist die Serie für die Schweizer<br />
Gewerkschaftszeitung „Bau <strong>und</strong> Holz“. Mit viel Witz,<br />
Humor <strong>und</strong> Können haben die beiden Autorinnen einen<br />
genauen Blick für die Arbeitswelt entwickelt.<br />
Der bekannteste Arbeitnehmer <strong>im</strong> deutschen <strong>Comic</strong><br />
dürfte zweifellos „Werner“ sein. Der Motorradfreak, der<br />
einen „phonetisch exakt umgesetzten Schnodder-Jargon“<br />
94 beherrscht, hat seinen Schöpfer „Brösel“ mittlerweile<br />
republikweit bekannt gemacht. Werner, der in seiner<br />
Freizeit lieber Bier trinkt <strong>und</strong> Motorrad fährt, wird<br />
während seiner Ausbildung von seinem Meister schrecklich<br />
gesch<strong>und</strong>en. Die entsprechen Storys haben nicht<br />
umsonst den Titel „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“.<br />
Mit der Utopie der Gewerkschaften, von einer Welt mit<br />
gerechter Verteilung der erwirtschafteten Werte setzen<br />
sich Christin <strong>und</strong> Bilal auseinander. „Die Stadt, die es<br />
nicht gab“ aus den „Legenden von heute“, beschreibt<br />
eine Kleinstadt mit monopol-kapitalistischer Gesellschaftsstruktur.<br />
Während eines Streiks der Arbeiter stirbt der alte Unternehmer<br />
<strong>und</strong> die Erbin, eine junge, an den Rollstuhl<br />
gefesselte Frau, will sich ein privates Utopia schaffen.<br />
Eine neue Stadt soll entstehen, „geschützt vor Sonne,<br />
Wind <strong>und</strong> vor menschlicher Not“! Lebhaft diskutieren die<br />
zukünftigen Einwohner ihre Idealstadt. Doch nicht alle<br />
fühlen sich wohl, vor allem die Nachdenklichen ergreifen<br />
die Flucht.<br />
In den Bildern Bilals drückt sich all die Phantasie <strong>und</strong><br />
Künstlichkeit aus, die dem Unternehmen eigen ist. Die<br />
Stadt versinkt unter einer Glaskuppel, <strong>und</strong> die Ausstattung<br />
entspricht den Traumwelten den Kinder. Doch gerade<br />
die Kinder langweilen sich als erste darin.<br />
Die Geschichte endet nicht euphorisch – weder <strong>im</strong> Gelingen<br />
noch <strong>im</strong> Scheitern – <strong>und</strong> sie bietet keine Lösung<br />
an. Das beinhaltet auch eine gänzliche Absage an sozialistische<br />
Träume von gerechten Welten. Die künstliche<br />
Insel der Gerechtigkeit kann doch nur materielle Bedürfnisse<br />
befriedigen <strong>und</strong> wird deshalb auch nur von denen<br />
akzeptiert, die keine Träume haben. Letztlich ist sie ein<br />
Spielzeug für die Reichen <strong>und</strong> Intellektuellen, die damit<br />
ihr soziales Gewissen beruhigen oder um, wie es der<br />
Ingenieur der Stadt ausdrückt, der Menschheit zu dienen.<br />
5.4 Feminismus<br />
Lange Zeit spielten Frauen in der <strong>Comic</strong>-Szene keine<br />
Rolle. Es gab keine bekannten Zeichnerinnen oder Szenaristinnen.<br />
Bei der Leserschaft war es auch nicht besser;<br />
selbst die in den vierziger Jahren entstandenen<br />
Superheldinnen waren auf den männlichen, voyeuristischen<br />
Blick zugeschnitten <strong>und</strong> folglich den männlichen<br />
Mitgliedern der Gerechtigkeitsliga letztendlich unterlegen.<br />
95<br />
Aber auch den zahlreichen wohlgeformten Heroinen<br />
machte der <strong>Comic</strong>-Code schließlich den Garaus. Die<br />
einzige Überlebende war „Wonder Woman“, die Amazonenkönigin,<br />
<strong>und</strong> erst 1962 durfte das Musterbeispiel<br />
eines amerikanischen College-Girl, Linda Lee Danvers,<br />
ihre Identität lüften: sie ist Supermans Cousine „Super-<br />
Girl“! 96<br />
Die dargestellten weiblichen Stereotypen schwankten<br />
zwischen Vamp in schwarzer Abendrobe, Tigerfellbikini<br />
<strong>und</strong> Hausdrachen. 97 Nur in Ausnahmefällen erscheinen<br />
Frauen als selbstbewußte, selbstverantwortlich handelnde<br />
Figuren, wie beispielsweise Oma Duck, die zwar<br />
Kuchen bäckt <strong>und</strong> für ihre Tiere sorgt, aber sich dafür<br />
auch nicht von Männern reinreden läßt.<br />
Frischen Wind in das Frauenbild der <strong>Comic</strong>s brachte<br />
1962 Jean-Claude Forests „Barbarella“. Ein deutliches<br />
Abbild von Frankreichs nationalem Sexsymbol Brigitte<br />
Bardot, die zwar meist spärlich bekleidet, doch zumindest<br />
nicht an der Hand eines männlichen Vorm<strong>und</strong>es<br />
durch den Weltraum ,jettete‘.<br />
<strong>Comic</strong>s mit feministischem Hintergr<strong>und</strong> tauchen erstmals<br />
<strong>im</strong> Zuge der U-Comix-Entwicklung auf. Zeitschriften<br />
wie „W<strong>im</strong>men’s Comix“, oder „Girl Fight <strong>Comic</strong>“ reagieren<br />
in den USA der siebziger Jahre auch auf das<br />
Frauenbild der U-Comix. Am bekanntesten wurde Trina<br />
Robbins, die mit einem einfachen, groben Zeichenstil<br />
94 Knigge: <strong>Comic</strong>-Lexikon. Frankfurt/M. 1988. S. 192.<br />
95 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 125.<br />
96 Ebd. S. 126.<br />
97 Vgl. hierzu: Umberto Ecos Ausführungen über die Tupfenbluse<br />
bei Steve Canyon. In: Apokalyptiker <strong>und</strong> Integrierte. Frankfurt/M.<br />
1984. S. 122.
178 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
verführerisch schöne, männermordende Superfrauen<br />
schuf <strong>und</strong> damit die männliche Ästhetik überzeichnete. 98<br />
Die frechen <strong>Comic</strong>s „Trots and Bonni“ von Shary Flenniken<br />
oder Linda Barrys „Girl and Boys“ sind in Deutschland<br />
außer in Sek<strong>und</strong>ärliteratur zu den U-Comix leider<br />
nie erschienen. 99<br />
Im Jahr 1991 schließlich brachte Elefanten Press einen<br />
Sammelband mit Kurzgeschichten amerikanischer<br />
Zeichnerinnen heraus, die wie Robbins stark der U-Comix-Tradition<br />
verhaftet sind. Die „<strong>Comic</strong>-Sisters“ antworten<br />
bewußt „politisch falsch“ auf Auseinandersetzungen<br />
in der Frauen-<strong>Comic</strong>-Szene. 100 Sie entmystifizieren in<br />
ihren Strips zentrale „Frauenthemen“ wie „Wahre Liebe“<br />
oder „Sex“ provokant <strong>und</strong> mit viel Humor.<br />
In Deutschland haben Frauen wie Marie Marcks oder<br />
Franziska Becker Freud <strong>und</strong> Leid des Frauenlebens in<br />
<strong>Comic</strong>s beschrieben.<br />
Franziska Becker begann als Cartoonistin bei der Zeitschrift<br />
„Emma“, konnte dort ihr Talent in monatlichen<br />
Strips entwickeln. „Feminax <strong>und</strong> Walkürax“ ist eine glänzende<br />
Parodie auf die Asterix-Hefte <strong>und</strong> speziell auf den<br />
letzten Band „Asterix <strong>und</strong> Maestria“ in dem die Frauen<br />
nach ihrem Aufstand wieder brav an den Herd zurückkehren.<br />
Die Qualität des Heftes, über den feministischen<br />
Aspekt hinaus, mißt sich nicht nur daran, daß selbst der<br />
streitbare Uderzo nicht den Vorwurf des Plagiates erhoben<br />
hat.<br />
Becker überträgt die Geschichte in die germanische<br />
Sagenwelt <strong>und</strong> die Protagonistinnen hadern mit den<br />
Römern ebenso wie mit den Germanen. Ebenso wie das<br />
„Vorbild“ Asterix lebt das Heft von Anspielungen auf die<br />
Gegenwart <strong>und</strong> von Situationskomik. Alle Abgründe des<br />
Frauenlebens <strong>und</strong> der feministischen Realität werden<br />
beschrieben <strong>und</strong> veralbert.<br />
Die ,grande dame‘ des feministischen <strong>Comic</strong>, Claire<br />
Bretêcher, begann 1969 bei „Pilote“. Die Serie „Die Frustrierten“,<br />
mit der sie endlich den Durchbruch schaffte,<br />
entstand für die Wochenzeitung „Nouvel Observateur“,<br />
bis sie schließlich in Buchform erschien. Darin porträtiert<br />
Bretêcher die 68er Bewegung mit all ihren Schrullen,<br />
was ihr den Ruf von Frankreichs bestem Soziologen<br />
eintrug. 101<br />
In „Monika, das Wunschkind“ stellt sie die vergeblichen<br />
Bemühungen einer Schauspielerin dar, die versucht,<br />
Schwangerschaft <strong>und</strong> Hauptrolle unter einen Hut zu<br />
kriegen. Die Lösung scheint in der modernen Medizin zu<br />
liegen. Die Hausperle Candida erklärt sich auch gleich<br />
bereit, die Schwangerschaft zu übernehmen, doch es<br />
kommt natürlich zu allerlei Verwicklungen.<br />
Bretêcher <strong>und</strong> Becker ähneln sich <strong>im</strong> Zeichenstil. Ihre<br />
Frauen sind keine Werbeschönheiten, sondern dicklich,<br />
haben Kartoffelnasen <strong>und</strong> viel zu große Füße. Die Autorinnen<br />
nehmen ferner ähnliche Themen auf, z.B: Kindererziehung<br />
oder Beziehungsprobleme <strong>und</strong> siedeln diese<br />
<strong>im</strong>mer in der links-intellektuellen Szene an. Im Gegensatz<br />
zu den Amerikanerinnen versuchen sie, Situationen<br />
aus dem alltäglichen Leben kritisch zu beleuchten.<br />
Eher en passant setzt sich Anni Goetzinger, eine französische<br />
Zeichnerin, mit den Schwierigkeiten des Frauenlebens<br />
auseinander. „Die Diva“ ist eine Geschichte mit<br />
zwei Handlungsebenen. Im Rückblick wird die Besatzungszeit<br />
in Frankreich geschildert. Eine junge Sängerin<br />
verwickelt sich <strong>im</strong> Laufe ihrer Karriere in Kontakte zu den<br />
Nationalsozialisten <strong>und</strong> wird dafür nach Ende des Krieges<br />
zur Verantwortung gezogen. Goetzinger schafft hier<br />
eine Frauengestalt, die Opfer ihrer weiblichen Erziehung<br />
<strong>und</strong> der Abhängigkeiten eines Frauenlebens wurde, weil<br />
es ihr nicht gelang, sich selbst zu befreien. In der erzählerischen<br />
Gegenwart wird ihre Befragung durch ein Resistance-Tribunal<br />
geschildert. Hier stehen sich zwei Versionen<br />
einer Lebensgeschichte gegenüber, ihre persönliche<br />
<strong>und</strong> die der ehemaligen Widerstandskämpfer, ihrer<br />
Richter.<br />
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich mit dem<br />
Auftauchen der Frauen als <strong>Comic</strong>-Macherinnen die Darstellung<br />
der Frau verändert hat. Keine der bekannten<br />
Zeichnerinnen produziert chauvinistische Massenware.<br />
Die meisten verstehen sich als Feministinnen, auch<br />
wenn sie sich nicht speziell mit der Frauenbewegung<br />
beschäftigen <strong>und</strong> besetzten ihre Hauptrollen mit Frauen.<br />
5.5 Ökologie<br />
Bevor Pierre Christin zusammen mit dem Zeichner Enki<br />
Bilal, seine „Legenden von heute“ begann, veröffentlichte<br />
er schon 1972 einen Band mit Jacques Tardi, der<br />
thematisch zu dieser Reihe gehört. „Aufruhr in der Rouergue“<br />
handelt von dem Versuch eines multinationalen<br />
Konzerns, eine alte Kupfermine wieder in Betrieb zu<br />
nehmen. Nicht nur die Lokalbevölkerung befürchtet damit<br />
eine Zerstörung des Waldes, in dem die Mine liegt,<br />
auch das „kleine Volk“, die Zwerge <strong>und</strong> Kobolde des<br />
Waldes, sorgen sich um ihre Welt. Mit Hilfe eines gewissen<br />
Milou Cadausac, der in den späteren Bänden als<br />
Agent 50/22 B wieder auftaucht, können sie die Konzernleitung<br />
– alles Menschen mit einer materialistischen<br />
Geisteshaltung – in völlige Verwirrung stürzen.<br />
Durch kluges Vorgehen des Helden werden am Ende<br />
Abb. 8: Aufruhr in der Rouergue<br />
98 Robbins: U-Comix Sonderband 13. Linden 1977.<br />
99 Metzler <strong>Comic</strong> Reader. Darmstadt 1975. S. 247, 271-273.<br />
100 Noomin: <strong>Comic</strong>-Sisters. Berlin 1993. S. 7.<br />
101 Kaps: Soziologin mit dem Zeichenstift. In: <strong>Comic</strong>-Forum 48<br />
(1990) S. 35-38.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 179<br />
alle Probleme zum Guten gewendet. Die Inbetriebnahme<br />
der Mine wird verhindert <strong>und</strong> trotzdem werden Arbeitsplätze<br />
geschaffen, denn der Konzern baut eine dem<br />
traditionellen Handwerk der Gegend verb<strong>und</strong>ene Fabrik.<br />
Auch die angeworbenen spanischen Gastarbeiter werden<br />
integriert; an alle wird gedacht. Nur die Herren der<br />
Konzernleitung können ihr altgewohntes Leben nicht<br />
mehr weiterführen. Die Begegnung mit den Mächten<br />
<strong>und</strong> Bewohnern des Waldes hat zu tiefe Risse in ihrem<br />
vernunftorientierten Weltbild hinterlassen.<br />
Die nächsten beiden Bände der „Légendes d’Aujourd’hui“,<br />
nun mit dem Zeichner Enki Bilal. beschäftigen<br />
sich ebenfalls mit der Umweltzerstörung durch die Industrie.<br />
In „Die Kreuzfahrt der Vergessenen“ geht es um ein<br />
militärisches Gehe<strong>im</strong>unternehmen, in dem ein Antischwerkraftsgenerator<br />
ein ganzes Dorf in die Lüfte erhebt.<br />
Doch auch für die beteiligten Militärs bleibt das Ganze<br />
nicht ohne Folgen. Im Laufe der Geschichte verwandeln<br />
sie sich <strong>im</strong>mer mehr in froschartige Gestalten, die bis<br />
zuletzt gehorsam <strong>und</strong> technikgläubig den Anordnungen<br />
der Regierungsbeamten Folge leisten. Auch hier äußert<br />
sich der Protest der betroffenen Bevölkerung sehr mystisch<br />
in Form des wegfliegenden Dorfes.<br />
In einer vorgestellten Geschichte, in der der Agent<br />
50/22B von einer Kommission des Gehe<strong>im</strong>dienstes anhand<br />
seines Dossiers vorgestellt wird, kommen zwei<br />
Individuen vor, die eine „teilweise ähnliche Biographie<br />
wie 50/22B“ haben: Herr Bilal <strong>und</strong> Herr Christin. Sie<br />
charakterisieren ihren Helden selbst als „Symbolfigur mit<br />
übernatürlichen Kräften, Anti-Held, ein Irrtum des Zeitgeistes,<br />
ein Symbol der widerstreitenden gesellschaftlichen<br />
Kräfte, des Klassenkampfes, der die herrschende<br />
Ideologie unterlaufen wird“. 102 So drückt sich in der Präsenz,<br />
bzw. Abwesenheit von 50/22B, die von Band zu<br />
Band schwindet, der Opt<strong>im</strong>ismus der Autoren aus, durch<br />
einen politisch handelnden Menschen die gesellschaftliche<br />
Entwicklung noch beeinflussen zu können.<br />
Auch in „Das steinerne Schiff“ richtet sich die Kritik<br />
gegen einen Konzern, der an der bretonischen Küste<br />
eine Touristenzentrum bauen will. Eine alte Burg soll zu<br />
diesem Zweck verlegt werden, doch der letzte Bewohner,<br />
ein merkwürdiger alter Mann, gibt nicht kampflos<br />
auf. Die Burg verwandelt sich in ein Schiff, das Symbol<br />
der ursprünglichen Lebensart der Bretonen, die vom<br />
Fischfang lebten. Auch früher sei die Burg ein Schiff<br />
gewesen, sagt der Alte, das Schiff mit dem die ersten<br />
Menschen in die Bretagne kamen. Diese Geschichte<br />
endet nicht mehr ganz so opt<strong>im</strong>istisch wie die beiden<br />
ersten, das Dorf verschwindet mit der Burg, ein unerklärlicher<br />
Vorgang. Doch an der Südspitze des amerikanischen<br />
Kontinentes, in Feuerland, entsteht ein neues<br />
Dorf. Hier deutet sich ein Trend an, der sich in den<br />
Werken der beiden Autoren nun fortsetzt. Immer mehr<br />
schwindet die Zuversicht auf eine glückliche Lösung<br />
nicht nur der Umweltprobleme der Menschheit.<br />
Ein leider nicht mehr lieferbarer <strong>Comic</strong> erschien 1978 in<br />
Deutschland. „Die Geschichte von der Wyhlmaus <strong>und</strong><br />
anderen Menschen“ von Wolfgang Hippe <strong>und</strong> Jari Pekka<br />
Cuypers ist ein Ergebnis der Anti-Atomkraft-Bewegung<br />
<strong>und</strong> speziell der Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk<br />
in Wyhl. Die Autoren treiben die Segnungen der<br />
Industriegesellschaft satirisch auf die Spitze, <strong>im</strong> sie einen<br />
völlig durchtechnisierten Tagesablauf darstellen –<br />
denn irgendwo muß der viele Strom ja hin. Eine tatkräf-<br />
tige Maus führt durch das Geschehen <strong>und</strong> erklärt das<br />
Funktionieren des KKWs genauso wie die Positionen<br />
der Gegner. Landesvater „Filbi“ <strong>und</strong> die dargestellten<br />
Kommunalpolitiker sind wohl die einzigen gewesen, denen<br />
das Lachen bei diesem <strong>Comic</strong> verging.<br />
Eine steile Karriere hat die Serie der Marburger Joach<strong>im</strong><br />
Friedmann <strong>und</strong> Henk Wyninger „Lais <strong>und</strong> Ben“ gemacht.<br />
Das B<strong>und</strong>esministerium für Umweltschutz hat eine allerdings<br />
„überarbeitete“ Version für Schulen herausgegeben.<br />
„Lais <strong>und</strong> Ben“sind zwei junge Studenten, die in<br />
einem Studiencamp <strong>im</strong> brasilianischen Amazonasgebiet<br />
eigentlich ihren Forschungen nachgehen sollen. Doch<br />
ihr Engagement für den Umweltschutz geht über die<br />
eigentlichen Forschungen hinaus. Die Farbgebung <strong>und</strong><br />
der Zeichenstil erinnern an lateinamerikanische Kunst<br />
<strong>und</strong> passen daher sehr gut zum Inhalt. Der Zusammenhang<br />
zwischen Entwicklungspolitik <strong>und</strong> Umweltschutz<br />
wird deutlich.<br />
Im Bereich des Jugend-<strong>Comic</strong>s wird in nächster Zukunft<br />
sicher noch einiges angeboten werden. Anzeichen hierfür<br />
sind einmal der Jugendliteraturbereich <strong>und</strong> auch die<br />
Trickfilmindustrie, die das Thema Ökologie, das gerade<br />
Jugendliche stark bewegt, verstärkt aufgreifen. Die TV-<br />
Serie „Zaster, Zoff <strong>und</strong> die Rezurzen“, eine Mischung<br />
aus Wiedervereinigungskr<strong>im</strong>i <strong>und</strong> Umweltkomödie, liegt<br />
nun auch als <strong>Comic</strong> vor.<br />
5.6 Rassismus<br />
„In jedem Rassismus steckt ein <strong>Comic</strong><br />
strip, mit seiner krassen Entgegensetzung<br />
von Gut <strong>und</strong> Böse.“<br />
Art Spiegelman 104<br />
Im amerikanischen <strong>Comic</strong> tauchen Schwarze erst seit<br />
Ende der sechziger Jahre auf. Die Marvelhelden bekamen<br />
schwarze Helfer; so tauchte bei den „Fantastic<br />
Four“ 1966 ein schwarzer Superheld auf: Black Panther.<br />
Der Name wurde später geändert, um eine Verwechslung<br />
mit der Bürgerrechtsbewegung auszuschließen.<br />
Auch Captain America bekamt einen schwarzen Helden<br />
an seine Seite, „The Falcon“. Frühere Versuche, z.B.<br />
von Will Eisner schon in den vierziger Jahren, scheiterten<br />
vor allem an der mangelnden Akzeptanz der Leser,<br />
die nur Weiße <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> akzeptierten. 105<br />
Rassismus in seiner momentan aggressivsten Form, der<br />
Apartheid in Südafrika, ist das Thema zweier Geschichten<br />
des Franzosen Jean Louis Trippier, kurz ,Tripp‘ genannt.<br />
In „Zoulou Blues“ <strong>und</strong> „Afrikaans Bazaar“ verwickelt<br />
Tripp seinen Helden Jacques Gallard in die Auseinandersetzungen<br />
der Gehe<strong>im</strong>polizei mit dem ANC.<br />
Tripp montiert geschickt Bilder eines Massakers an<br />
Schwarzen in Südafrika parallel zu einem Anschlag von<br />
Faschisten in Frankreich gegen Aktivisten von SOS-<br />
Rassismus <strong>und</strong> verschweigt somit auch nicht den Rassismus<br />
in Europa.<br />
Er arbeitet in dem ersten Band Auszüge der Verteidigungsrede<br />
von Nelson Mandela ein <strong>und</strong> in dem zweiten<br />
102 Christin/Bilal: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek 1988.<br />
S. 14.<br />
103 <strong>Comic</strong> Info 1 (1993) S. 10.<br />
104 Howald: Fröschin oder Mäusin? In: Die Zeit (17.04.1992).<br />
105 Fuchs/Reitberger: <strong>Comic</strong>s – Anatomie eines Massenmediums.<br />
München 1971. S. 241.
180 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Band Lyrik von Breyten Breytenbach. Die beiden Symbolfiguren<br />
des Widerstandes gegen die Apartheid stehen<br />
stellvertretend für Menschen wie Gallard, die Position<br />
beziehen <strong>und</strong> gegen Unrecht eingreifen. Kleine<br />
Schwächen haben die Geschichten aber doch: so sind<br />
sich die Schwarzen bei Tripp noch einig, eine Zulu-Tanzgruppe<br />
unter einem gewissen „Buthelezi“ arbeitet Hand<br />
in Hand mit dem ANC, was der Realität nicht mehr<br />
entspricht.<br />
Satirisch geht der in Frankreich lebende Farid Boudjellal<br />
die Meinungsverschiedenheiten zwischen „Jude <strong>und</strong><br />
Araber“ an. In kurzen karikaturistischen Strips arbeitet er<br />
Pointen heraus, die die altbekannten Streitereien ziemlich<br />
unsinnig erscheinen lassen. Die Jugendlichen <strong>und</strong><br />
Frauen stehen den Auseinandersetzungen der Väter auf<br />
beiden Seiten hilflos gegenüber. Vielleicht sind Boudjellals<br />
Schilderungen nicht <strong>im</strong>mer sehr realistisch doch er<br />
entmystifiziert den Konflikt jedoch wohltuend.<br />
Mit dem latenten Rassismus der dreißiger Jahre in den<br />
USA setzt sich der Jude <strong>und</strong> „Spirit“-Schöpfer Will Eisner<br />
in seinem autobiographisch geprägten Band „Im Herzen<br />
des Sturms“ auseinander. In Brooklyn erfährt der kleine<br />
Will, was es heißt Jude zu sein. Die Nachbarskinder<br />
haben in ihm ihr neues Opfer entdeckt. Dem Vater seiner<br />
Fre<strong>und</strong>in wird die Werkstatt von Rassisten abgebrannt.<br />
In seinem Mietskasernen-Epos „Lifeforce“, das in der<br />
Bronx angesiedelt ist, leiden die Menschen besonders<br />
unter der wirtschaftlichen Depression. Zwischen den<br />
Zeichnungen tauchen <strong>im</strong>mer wieder Zeitungsmeldungen<br />
auf <strong>und</strong> die Berichte über die Judenverfolgungen in<br />
Europa gehen in Briefe einer deutschen Jüdin an ihren<br />
Jugendfre<strong>und</strong> über, der daraufhin alles in Bewegung<br />
setzt, sie in die USA zu holen.<br />
5.7 Der Sozialismus<br />
Die sozialistischen Systeme haben – mit Ausnahme von<br />
China – vielleicht nie solch ideologische <strong>Comic</strong>s produziert<br />
wie die USA. Es gibt keine sozialistischen Superhelden,<br />
die für Werte wie die Erfüllung des Fünf-Jahres-<br />
Planes streiten.<br />
Die DDR-Serie „Mosaik“ mit den mittlerweile auch in<br />
West-Deutschland bekannten „Digedags“ schaffen zwar<br />
auch ihre Feindbilder, doch sind diese <strong>im</strong> Vergleich zu<br />
amerikanischen Serien wie Captain America ziemlich<br />
harmlos.<br />
Die chinesischen <strong>Comic</strong>s beruhen auf einer langen Tradition<br />
<strong>und</strong> sind, anders als die westlichen Produkte,<br />
weniger auf Unterhaltung, sondern mehr auf Belehren<br />
ausgerichtet. Da sie schon <strong>im</strong>mer zur Massenliteratur in<br />
China gehöret haben, sind sie hier wesentlich mehr<br />
verbreitet als in anderen sozialistischen Ländern. Das<br />
klassische Beispiel für einen maoistischen <strong>Comic</strong>, „Das<br />
Mädchen aus der Volkskommune“, wurde auch ins<br />
Deutsche übertragen.<br />
Aus westlicher Sicht haben sich die beiden Franzosen<br />
Christin <strong>und</strong> Bilal ihre Gedanken zum real-existierenden<br />
Sozialismus gemacht. Der letzte Band ihrer ,Legenden<br />
von heute‘, „Treibjagd“, erschien erstmals 1983 <strong>und</strong> liegt<br />
nun in einer erweiterten Version vor. 106<br />
Der Sonderzug mit Parteifunktionären gleitet durch die<br />
schneebedeckte Landschaft. General Tschewtschenko,<br />
ein körperliches Wrack, dessen Physiognomie erstarrt<br />
ist <strong>und</strong> der nicht mehr sprechen kann, reist in Begleitung<br />
seines Sekretärs <strong>und</strong> von Funktionären der Partei zur<br />
Jagd in das krisengeschüttelte Polen.<br />
Die sozialistischen Systeme haben – mit Ausnahme von<br />
China – vielleicht nie solch ideologische <strong>Comic</strong>s produziert<br />
wie die USA. Es gibt keine sozialistischen Superhelden,<br />
die für Werte wie die Erfüllung des Fünf-Jahres-<br />
Planes streiten.<br />
In Rückblenden wird die Karriere des Generals geschildert,<br />
der er Stück für Stück seine Menschlichkeit geopfert<br />
hat. Seine Geliebte wurde Opfer der großen stalinistischen<br />
Säuberung von 1937, <strong>und</strong> nach ihrem Tod gibt<br />
es für ihn kein „Gut <strong>und</strong> Böse“ mehr. Doch Moral hat<br />
nichts mit Intelligenz <strong>und</strong> Begabung zu tun <strong>und</strong> der Alte<br />
ist <strong>im</strong>mer noch der beste Jäger <strong>und</strong> schlägt seinen<br />
potentiellen Nachfolger <strong>im</strong> Schachspiel. Opfer des sportlichen<br />
Vergnügens, man ahnt es schon, wird nicht das<br />
Wild, sondern ein junges Mitglied des Politbüros.<br />
Das Gr<strong>und</strong>thema besteht in der Frage nach den Trägern<br />
der Menschheitsgeschichte. Sind die Klassenauseinandersetzungen<br />
best<strong>im</strong>mend, wie es der Historischen Materialismus<br />
besagt, oder ist die Geschichte ein Ergebnis<br />
der Taten einzelner Menschen? Bilal <strong>und</strong> Christin schaffen<br />
das Bild eines Sozialismus, der den arbeitenden<br />
Menschen als Träger der Geschichte, seinen ehemaligen<br />
Mittelpunkt, längst vergessen hat.<br />
Der Lebensweg des Generals wird von verschiedenen<br />
Seiten beleuchtet. Einst ein idealistischer junger Held,<br />
gerät er in die Niederschlagung der Matrosen von Kronstadt<br />
(1921), die Schauprozesse der dreißiger Jahre,<br />
den Einmarsch in Prag. Einmal an der Macht, ist Machterhalt<br />
das einzige Ziel. Doch die Erinnerung läßt den<br />
General schließlich nicht mehr los, <strong>und</strong> er n<strong>im</strong>mt sich mit<br />
dem Jagdgewehr das Leben.<br />
Im neu angehängten ,Epitaph‘ kommen die Männer<br />
noch einmal <strong>im</strong> Jagdschloß zusammen, um die Perestroika<br />
zu verhindern. Doch einer von ihnen, der Deutsche<br />
G. Schütz, aufgr<strong>und</strong> der Entmachtung Honeckers<br />
Insasse einer psychiatrischen Anstalt <strong>und</strong> kein offizieller<br />
Teilnehmer mehr, sprengt das Schloß in die Luft.<br />
Hier wenden sich die Autoren endgültig gegen die marxistische<br />
Geschichtsschreibung, die den Einfluß von Individuen<br />
auf den Lauf der Welt nicht wahrhaben will.<br />
Oder sollte der Untergang des Sozialismus das Ergebnis<br />
einer Klassenauseinandersetzung sein?<br />
Ein anderes Autorenteam aus Frankreich, Tripp <strong>und</strong><br />
Barcelo, führt den Leser in seinem ersten auf deutsch<br />
erschienenen Album „Soviet Zig Zag“ in die heutige<br />
Sowjetunion. Der Tourist Gallard sieht einem hochkarätigen<br />
Schachspieler so ähnlich, daß es zu einer Verwechslung<br />
kommt. Als der Schachspieler kurz vor einen<br />
Tournier verschwindet, gerät Gallard zwischen die Fronten<br />
der Gehe<strong>im</strong>dienste. Der CIA hätte gerne den berühmten<br />
Schachspieler als Dissidenten, der KGB versucht<br />
dies zu verhindern. Der in der Ära der aufke<strong>im</strong>enden<br />
Perestroika entstandene <strong>Comic</strong>, setzt die beiden<br />
Supermächte in ihrer Moral <strong>und</strong> dem Umgang mit Menschen<br />
gleich.<br />
106 Erscheinen der um einen Epitaph erweiterten Ausgabe für<br />
April 1993 angekündigt.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 181<br />
Abb. 9: Der Gegenspieler von „V“<br />
5.8 Faschistische Gesellschaftsordnungen<br />
Alan Moores sechsbändiger <strong>Comic</strong>-Roman „V for Vendetta“<br />
entstand zwischen 1982-88. Die Geschichte um<br />
den modernen ,Guy Fawkes‘ spielt in einem offen faschistischen<br />
England, genauer <strong>im</strong> London des Jahres 1997.<br />
Alles beherrschend dringt die ,St<strong>im</strong>me der Vorsehung‘ in<br />
orwellscher Manier über Lautsprecher zu allen Bewohnern.<br />
Durch die Straßen geistern Polizisten, die an Ort<br />
<strong>und</strong> Stelle gleich richten <strong>und</strong> das Urteil vollstrecken.<br />
Plötzlich erschüttert eine Explosion London, das Parlamentsgebäude<br />
wird Opfer eines Anschlages.<br />
„V“ 107 ein <strong>im</strong> Untergr<strong>und</strong> lebender Terrorist, vollzieht,<br />
was Guy Fawkes knappe 400 Jahre früher nicht gelang.<br />
Fortan wird „V“ gejagt, wie kein Staatsfeind zuvor. Trotzdem<br />
gelingen ihm <strong>im</strong>mer neue Attentate auf die Schl<strong>im</strong>msten<br />
der Repräsentanten des Unterdrückerstaates.<br />
Auf einem seiner nächtlichen Streifzüge rettet er ein<br />
Mädchen, Evey, die er nach <strong>und</strong> nach zu seiner Verbündeten<br />
erzieht. In Rückblenden werden ihr Leben <strong>und</strong><br />
gleichzeitig die Machtergreifung der Faschisten geschildert<br />
<strong>und</strong> die grauenhaften Lager, in denen die Gegner<br />
der Diktatur gefangen gehalten wurden. „V“ ist aus einem<br />
solchen Lager geflohen <strong>und</strong> rächt sich nun an allen<br />
seinen Peinigern. Die Welt ist durch einen großen Krieg<br />
zerstört worden, Afrika vernichtet, aber auch Europa ist<br />
nur noch eine einzige Umweltkatastrophe. Am Ende<br />
bringt „V“ auch den faschistischen Führer um <strong>und</strong> kommt<br />
dabei selbst ums Leben.<br />
Die von starken Schatten überlagerten Zeichnungen<br />
von David Lloyd erzählen nie zuviel, so daß eine gehe<strong>im</strong>nisvolle<br />
Atmosphäre gewahrt bleibt.<br />
Moore gibt den Menschen also nochmal eine Chance;<br />
auch wenn sein Menschenbild ein negatives ist, kann er<br />
doch die Hoffnung nicht begraben, daß ein besseres<br />
System entstehen könnte. 108 Zur Demokratie hat er ein<br />
gebrochenes Verhältnis; die Sprengung des Parlaments<br />
steht als Symbol dafür. „V“ ist ein autonom handelnder<br />
Mensch, der seine Verantwortung nicht abgibt.<br />
107 „V“ ist eine ebenso unsichtbar lebende Gestalt wie der Autor<br />
des Romans „V“, Thomas Pynchon.<br />
108 Langhans: Lexikon der <strong>Comic</strong>s. Meitingen 1991.
182 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Den Faschismus stellt Moore in aller Grausamkeit, aber<br />
nicht als plattes Schreckgespenst dar. Er bedient sich<br />
hierzu <strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong>posanter Bilder: in einem Dialog<br />
mit der Statue der Gerechtigkeit, Justizia, beschuldigt<br />
„V“ seine ,Geliebte‘ der Hurerei mit der Macht <strong>und</strong><br />
sprengt sie dann mit einer herzförmigen Bombe in die<br />
Luft. Mit vielen Details schafft er ein durchaus differenziertes<br />
Bild der Diktatur <strong>und</strong> deren Mittel der <strong>Politik</strong>.<br />
Moore zieht daraus die Konsequenz, daß so ein System<br />
mit Gewalt bekämpft werden muß. Doch äußert er<br />
schließlich auch Selbstkritik: „Gr<strong>und</strong>sätzlich war ,V for<br />
Vendetta‘ einer meiner gelungensten Versuche, die melodramatische<br />
Abenteuergeschichte in eine Art politischen<br />
Dialog umzuformen. Aber rückblickend würde ich<br />
es ohne den Kerl <strong>im</strong> Umhang machen, ohne den Killer<br />
in der Hauptrolle. Das deformiert unausweichlich die<br />
Aussage <strong>und</strong> trivialisiert sie bis zu einem gewissen<br />
Grad.“ 109<br />
Bezieht man noch andere <strong>Comic</strong>s, die von einer ähnlichen<br />
Gesellschaftsstruktur ausgehen in die Betrachtung<br />
ein (s. Anhang), fällt auf, daß die Faschisten in keinem<br />
<strong>Comic</strong> durch Gewalt, sondern <strong>im</strong>mer durch freie Wahlen<br />
an die Macht kommen. Das Mißtrauen der <strong>Comic</strong>-Autoren<br />
gegen die „beste aller Gesellschaftsformen“ scheint groß.<br />
5.9 Die Anarchie des Lachens<br />
Wir müssen das Nichternstnehmen<br />
ernstnehmen. Und das dann wieder<br />
nicht ernstnehmen.“<br />
Hans Dieter Hüsch<br />
Der letzte der Themenkreise ist einer, der eigentlich<br />
keiner ist. Doch mit sozialkritischen Funnys hat die Geschichte<br />
der <strong>Comic</strong>s begonnen <strong>und</strong> bis heute ist die<br />
politische Satire eine der gelungensten Seiten des <strong>Comic</strong>s.<br />
Die zahlreichen Satireblätter, die durch die Wie-<br />
Abb. 10: Seyfrieds anarchistische Invasion 109 Ebd.<br />
dervereinigung Deutschlands noch Zuwachs erhalten<br />
haben, weisen darauf hin.<br />
Eine ungewöhnliche Brücke zwischen <strong>Comic</strong> <strong>und</strong> Cartoon<br />
schlug in den fünfziger Jahren Jules Feiffer mit<br />
seinem „Feiffer“. Die Zeichnungen wiederholen sich von<br />
Bild zu Bild oft ohne Veränderung, der Gag entsteht<br />
durch den Text. Diese Methode wandte dann auch Garry<br />
Trudeau in seinem bereit erwähnten „Doonesbury“ an.<br />
So konnten auch in kürzester Zeit tagesaktuelle Satiren<br />
entstehen.<br />
Mit den Werten des Mittelstandes räumten die Undergro<strong>und</strong>-Zeichner<br />
auf. Die Opfer ihrer leicht anarchistisch<br />
angehauchten Strips waren meist die Repräsentanten<br />
der Staatsgewalt, die Polizei. Unverhohlen wurden in<br />
den U-Comix Joints geraucht, <strong>und</strong> das zu einer Zeit, in<br />
der die großen <strong>Comic</strong>-Konzerne aufgr<strong>und</strong> des <strong>Comic</strong>-<br />
Codes das Wort ,Drogen‘ noch nicht einmal drucken<br />
durften.<br />
Sheldon, der Vater der „Freak Brothers“ wurde dann<br />
auch zum großen Vorbild des Berliner Zeichners Gerhard<br />
Seyfried, dessen <strong>Comic</strong>s hierzulande schnell populär<br />
wurden. Man fand die Strips auf allen Publikationen,<br />
die mit „alternativer“ Kultur zu tun hatten. In „Invasion<br />
aus dem All-Tag“ läßt er kleine schwarze Gnome auftreten,<br />
die den Anarchismus personifizierten. Sie; kommen<br />
in teekesselförmigen Raumschiffen aus dem Weltraum<br />
auf die Erde <strong>und</strong> bringen eine gehe<strong>im</strong>nisvolle Waffe<br />
mitbringen. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen<br />
Vorbildern, ist Seyfried aber politisch geradliniger. Als<br />
Linker lehnt er Sexismus <strong>und</strong> Rassismus ab <strong>und</strong> pflegt<br />
in seinen Beschreibungen der urbanen Alternativkultur<br />
einen <strong>und</strong>ogmatischen Anarchismus.<br />
Der Franzose Franquin, der als Schöpfer des Marsupilamis<br />
berühmt wurde, hat auch eine Serie politischer<br />
Satiren gezeichnet. Die „Schwarzen Gedanken“ paaren<br />
bitterbösen Humor mit einem klaren Blick für problematische<br />
Zeiterscheinungen.<br />
6 <strong>Comic</strong>s als Ausdrucksmittel politischer<br />
Bewegungen<br />
Politische Bewegungen spiegeln sich nicht nur in <strong>Comic</strong>s<br />
wider, sie drücken sich auch selbst in <strong>Comic</strong>s aus.<br />
Das geschieht meist sehr laienhaft in kurzen Strips,<br />
beispielsweise auf Flugblättern oder in Zeitschriften.<br />
Umfangreichere Werke sind in Deutschland hauptsächlich<br />
als Asterix-Raubdrucke aufgetaucht.<br />
Das Thema kann an dieser Stelle nur angerissen werden,<br />
da die Materialsammlung gewissen Schwierigkeiten<br />
unterliegt <strong>und</strong> außerdem die Hefte für Bibliotheken<br />
nicht relevant sind, da man sie nicht über den Buchhandel<br />
beziehen kann. Trotzdem sollen einige markante<br />
Werke, zur Abr<strong>und</strong>ung des Themas, kurz vorgestellt<br />
werden.<br />
Auch hier gehen die Traditionen weit zurück. Schon<br />
während der russischen Oktoberrevolution fertigte eine<br />
Gruppe junger Künstler, der auch Wlad<strong>im</strong>ir Majakowski<br />
angehörte, in Moskau comicartige Großplakate an, die<br />
mit Schablonen schnell vervielfältigt werden konnten.<br />
Die sogenannten „Rosta-Fenster“ sollten eine schnelle<br />
Reaktion auf politische Tagesereignisse sein. Entwurf
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 183<br />
<strong>und</strong> Produktion nahm höchstens zwei Tage in Anspruch.<br />
Deshalb mußte die Darstellung der Personen stark<br />
schematisiert werden, <strong>und</strong> die Farbgebung, die auf wenige<br />
Gr<strong>und</strong>farben beschränkt war, unterstrich die politische<br />
Bedeutung der Figuren.<br />
Die Plakate wurden dann von der Russischen Telegraphen-Agentur<br />
(abgekürzt: Rosta) 1919-1922 in Schaufenstern<br />
leerer Läden aufgehängt. Sie erschienen zuerst<br />
in Moskau, dann in Petrograd, Charkow <strong>und</strong> anderen<br />
Städten. 110<br />
<strong>Comic</strong>s in Fremdsprachen werden von den Lesern sehr<br />
gut akzeptiert, was nicht weiter verw<strong>und</strong>ert, da auf diese<br />
Weise Fremdsprachenkenntnisse aufgefrischt werden<br />
können, ohne daß dabei der Spaß an der Geschichte<br />
verloren geht.<br />
In Deutschland entstanden in der Anti-Atomkraft-Bewegung<br />
einige <strong>Comic</strong>s, die als Raubdrucke über Info-Stände<br />
oder Aktionsgruppen vertrieben wurden. Meist handelt<br />
es sich hierbei um Asterix-Verfremdungen. Die <strong>Comic</strong>-Panels<br />
werden darin in anderer Reihenfolge, passend<br />
zu einem neuen Text, zusammengestellt.<br />
Den Bau des schnellen Brüters verhindern die Gallier in<br />
„Asterix <strong>und</strong> das Atomkraftwerk“. Cäsar <strong>und</strong> sein geldgieriger<br />
Gesinnungsgenosse Extraprofit haben nämlich<br />
als Standort für den „brutus rapidus“ gerade das Dorf der<br />
Gallier auserkoren was diese natürlich auf die Barrikaden<br />
treibt „Asterix <strong>im</strong> Hüttendorf“ thematisiert die Auseinandersetzungen<br />
um die Startbahn West bei Frankfurt.<br />
„Asterix gegen Rechts“ erschien 1980 zum B<strong>und</strong>estagswahlkampf<br />
von Franz Josef Strauß. Darin bekommt<br />
ein „Asterix“ mit Baskenmütze <strong>und</strong> rotem Stern Schwierigkeiten<br />
mit den demokratischen Vorstellungen des<br />
restlichen Dorfes, der Basisgruppe, als er eine Gesinnungsprüfung<br />
einführen möchte. Hier wird die Kadermentalität<br />
revolutionärer Basisgrüppler liebevoll karikiert.<br />
,Der Kandidat‘ erleidet, wohl der Hoffnung der<br />
Verfasser Ausdruck verleihend, eine Niederlage.<br />
In „Asterix <strong>und</strong> Obelix für die 35-St<strong>und</strong>en-Woche mit<br />
vollem Lohn u. Personalausgleich“ wird „Asterix“ zum<br />
kämpferischen Betriebsrat der „Flickx-Hinkelstein-<br />
GmbH“.<br />
Wenn man sich diese vielfältigen Produktionen ansieht,<br />
drängt sich der Eindruck auf, daß die Linke in Deutschland<br />
ihre Asterix-Hefte ganz besonders ins Herz geschlossen<br />
<strong>und</strong> wenig von den chauvinistischen Anklängen<br />
zur Kenntnis genommen hat; möglicherweise wegen<br />
der ganz besonders charmanten Form, in der er<br />
erfolgt.<br />
Eigenproduktionen gibt es aber auch in anderen Bereichen.<br />
Beispielsweise gab die Ulmer Amnesty International<br />
Gruppe einen selbstgemachten <strong>Comic</strong> zur Verschärfung<br />
des Asylrechts heraus.<br />
Auch die ,rechte Szene‘ bedient sich des <strong>Comic</strong>s. So<br />
weisen Peter Dudek <strong>und</strong> H.G. Jaschke in ihrer Untersuchung<br />
der rechtsextremen Presse 111 auf ein rechts-satirisches<br />
Jugendmagazin „Gäck“ hin, das auch durch Verwendung<br />
von <strong>Comic</strong>s einen subkulturellen Habitus erzeugen<br />
will. Auf der Titelseite werden Daniel Düsentrieb<br />
die Worte in den M<strong>und</strong> gelegt: „Gäck! Die beste Erfindung,<br />
seit es Schülerzeitungen gibt!“. 112 Aber auch<br />
selbstgezeichnete Strips tauchen auf. So wird in einem<br />
Strip das angebliche Verhältnis eines Linken (langhaarig,<br />
Peace-Zeichen um den Hals) zu einem Rechten<br />
(kurze Haare, ansonsten neutral) ,entlarvt‘. Der Linke<br />
stellt geschlossene Fragen, die den anderen als völligen<br />
Durchschnittsbürger erscheinen lassen. Im letzten Panel,<br />
als er den Rechten als „gräßliches nazistisches<br />
Monster“ besch<strong>im</strong>pft, verwandelt sich sein Peace-Zeichen<br />
in Hammer <strong>und</strong> Sichel, um so endgültig klarzustellen,<br />
wer hier das ,Monster‘ ist.<br />
7 Schlußbetrachtung: <strong>Comic</strong>s in<br />
Öffentlichen Bibliotheken<br />
Der Überblick zeigt, daß <strong>Comic</strong>s heute an politischen<br />
Inhalten mehr bieten als nur die Bestätigung eines Mittelstandsweltbildes.<br />
Gerade die spektakulären Neuerscheinungen<br />
der letzten Jahre, weisen darauf hin, daß<br />
eine Stagnation der Kunstform <strong>Comic</strong> vorläufig noch<br />
nicht zu befürchten ist.<br />
Dieser Entwicklung sollte man in Bibliotheken Rechnung<br />
tragen, indem man das Medium entsprechend ernst<br />
n<strong>im</strong>mt. Dazu gehört, daß man zusammengehörige Serien<br />
auch komplett, beispielsweise in einer Kassette<br />
ausleihen kann. <strong>Comic</strong>-Romane wie Moores „V for Vendetta“<br />
oder „Die Wächter“ machen nur als Ganzes einen<br />
Sinn, be<strong>im</strong> dritten Band zu beginnen wäre absurd. Allerdings<br />
sind an diesem Zustand die Verlage nicht unbeteiligt.<br />
Während in den USA „Watchmen“ in einem Band<br />
erschien, splittet der Carlsen-Verlag – sehr geschäftstüchtig<br />
– die deutsche Ausgabe der Geschichte in sechs<br />
Einzelteile, die dazu noch zeitlich versetzt erscheinen.<br />
Bibliotheken sollten deshalb, bei allen Schwierigkeiten,<br />
die die Beschaffung von Originalausgaben mit sich<br />
bringt, mehr <strong>und</strong> mehr auf diese ausweichen. <strong>Comic</strong>s in<br />
Fremdsprachen werden von den Lesern sehr gut akzeptiert,<br />
was nicht weiter verw<strong>und</strong>ert, da auf diese Weise<br />
Fremdsprachenkenntnisse aufgefrischt werden können,<br />
ohne daß dabei der Spaß an der Geschichte verloren<br />
geht. Hier sei übrigens angemerkt, daß sich der Wortschatz<br />
von <strong>Comic</strong>s in der Qualität nicht von dem anderer<br />
Literatur unterscheidet.<br />
Zu einem vernünftigen Bestandsaufbau gehört auch eine<br />
gute Informationsquelle, also eine <strong>Comic</strong>-Zeitschrift.<br />
Beispielsweise Zeitschriften wie „Sprechblase“, „Rraah!“<br />
oder das Wiener „<strong>Comic</strong> Forum“. In all diesen Zeitschriften<br />
wird auch wichtige Sek<strong>und</strong>ärliteratur besprochen.<br />
Das Gehe<strong>im</strong>nis, weshalb in den meisten Bibliotheken<br />
<strong>Comic</strong>s bei der Systematikgruppe „Kunst“ stehen, die<br />
diesbezügliche Sek<strong>und</strong>ärliteratur jedoch bei der Gruppe<br />
„Literatur“, konnte ich leider nicht lüften. Möglicherweise<br />
war den zuständigen Bibliothekaren eben schon <strong>im</strong>mer<br />
klar, daß es sich bei <strong>Comic</strong>s um die „neunte Kunst“<br />
handelt.<br />
Zuordnungsprobleme haben aber nicht nur Bibliotheken.<br />
Wenn <strong>Comic</strong>s in Zeitungen oder Zeitschriften rezensiert<br />
werden, erscheinen die Kritiken selten <strong>im</strong> Literaturteil<br />
des Feuilletons. Doch die <strong>Comic</strong>-Forschung ist<br />
mittlerweile eindeutig der Literaturwissenschaft zugeordnet.<br />
Das bedeutet für die Bibliotheken eben auch, daß Co-<br />
110 Majakowski „20 Jahre Arbeit“ Ausstellungskatalog. Berlin<br />
1978. S. 168.<br />
111 Dudek/Jaschke: Revolte von Rechts. Frankfurt/M. 1981.<br />
S. 84 ff.<br />
112 Ebd. S. 85.
184 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
mics, mit Ausnahme der Sachcomics, zur Belletristik<br />
gehören. Da man in diesem Bereich natürlich die dünnen,<br />
viel zu hohen Heftchen schlecht unterbringen kann,<br />
sollte man sich zu einer <strong>Comic</strong>-Systematik durchringen,<br />
um das Problem gr<strong>und</strong>sätzlich zu lösen. Die Variante,<br />
<strong>Comic</strong>s <strong>im</strong> Nahbereich unterzubringen, löst zwar auf<br />
den ersten Blick die Probleme, bedeutet aber, daß das<br />
Medium <strong>im</strong>mer noch nicht ganz ernst genommen wird.<br />
Konsequenterweise müßten nämlich, wie bei Kr<strong>im</strong>is<br />
oder anderen Interessenkreisen, die bedeutenden Werke<br />
in den systematisierten Bestand aufgenommen werden.<br />
Pr<strong>im</strong>ärliteratur<br />
Bilal, Enki: Erinnerungen aus dem All – Kurzgeschichten 1974-<br />
1977. Stuttgart 1992.<br />
Bilal, Enki: Die Frau aus der Zukunft. Hamburg 1988.<br />
Bilal, Enki/Christin, Pierre: Kreuzfahrt der Vergessenen. Reinbek<br />
1988.<br />
Detmold, Johann H./Schrödter, Adolf: Thaten <strong>und</strong> Meinungen des<br />
Herrn Piepmayer, Abgeordneter zur constituierenden Nationalversammlung<br />
zu Frankurt am Main. Berlin 1961.<br />
Goscinny, René/Uderzo, Albert: Asterix bei den Briten. Stuttgart<br />
1971.<br />
Goscinny, René/Uderzo, Albert: Asterix <strong>und</strong> Maestria. Stuttgart<br />
1992.<br />
Goscinny, René/Uderzo, Albert: Die Trabantenstadt. Stuttgart<br />
1975.<br />
Kalenbach, Dieter/Bedürftig, Friedeman: Hitler. Hamburg 1989.<br />
Lupo. Grünwald, 1966. H. 6.<br />
Noomin, Diane: <strong>Comic</strong>-Sisters. Bad Girl Art aus USA. Berlin 1992.<br />
Robbins, Trina: U-Comix Sonderband 13. Linden 1977.<br />
Schmidt, Manfred: Nick Knatterton. Gesamtausgabe. Oldenburg<br />
1983.<br />
Trudeau, Garry: Doonesbury. Reinbek 1983.<br />
Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />
Affolter, Cuno: Gespräch mit Art Spiegelman. In: <strong>Comic</strong>Art 6<br />
(1982). S. 6-16.<br />
Affolter, Cuno: René Goscinny – Eine längst überfällige Würdigung<br />
eines genialen Szenaristen. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch 1987. Frankfurt/M.<br />
1987.<br />
Albig, Jörg-Uwe: Karikatur des Grauens. In: Magazin der Süddeutschen<br />
Zeitung 20 (1992). S. 24-29.<br />
Baumgärtner, Alfred C.: Die Welt der <strong>Comic</strong>s. Probleme einer<br />
pr<strong>im</strong>itiven Literaturform. Bochum 1965.<br />
Börsenblatt 2123 (1988).<br />
Bulletin of Interracial Books for Children. Vol. 14. No. 6. 1983. Zit.<br />
nach: Dolle-Weinkauf: Krieg <strong>und</strong> Frieden in <strong>Comic</strong>s. In: Beiträge<br />
zur Kinder- <strong>und</strong> Jugendliteratur 80 (1986). S. 37-49.<br />
<strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Cartoons in Lateinamerika/Hrsg. Hans-Jürgen Kagelmann.<br />
München 1991.<br />
<strong>Comic</strong> Info 1 (1993).<br />
<strong>Comic</strong> Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung der<br />
Bildergeschichten. Ausstellung in der Akademie der Künste vom<br />
13. Dezember 1969 bis 22. Februar 1970. Berlin 1969.<br />
Compart, Martin: Krieg <strong>im</strong> Abenteuer-<strong>Comic</strong>. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch<br />
1986/Hrsg. von Martin Compart. Frankfurt/M. 1985. S. 22-36.<br />
Denni, Michel: L’Idéologie Nazi du Téméraire. In: Le Collectioneur<br />
des Bandes Dessinées 14. Paris 1978. S. 8-10.<br />
Diskus-Interview: Stan Lee. In: Diskus. Frankfurter Studentenzeitung<br />
2 (1979). S. 45-47.<br />
Doetinchem, Dagmar/Hartung, Klaus: Zum Thema Gewalt in Superhelden-<strong>Comic</strong>s.<br />
Berlin 1974.<br />
Dolle-Weinkauf, Bernd: <strong>Comic</strong>s. Geschichte einer populären Literaturform<br />
in Deutschland seit 1945. Weinhe<strong>im</strong> 1990.<br />
Dorfmann, Ariel/Mattelart, Armand: Walt Disneys „Dritte Welt“.<br />
Massenkommunikation <strong>und</strong> Kolonialismus bei Micky Maus <strong>und</strong><br />
Donald Duck. Berlin 1977.<br />
Dudek, Peter/Jaschke, Hans-Gerd: Revolte von Rechts. Anatomie<br />
einer neuen Jugendpresse. Frankfurt/M. 1981.<br />
Eco, Umberto: Apokalyptiker <strong>und</strong> Integrierte. Zur kritischen Kritik<br />
der Massenkultur. Frankfurt/M. 1984.<br />
Fein, Ester B.: The Holocaust as a Cartoonist’s Way of Getting to<br />
Know His Father. In: New York T<strong>im</strong>es. 10.12.1991. S. B2.<br />
Frenzel, Martin: Rius. Ein Anwalt der Verdammten dieser Erde. In:<br />
<strong>Comic</strong> Forum 30 (1985). S. 52-55.<br />
Fuchs, Wolfgang J.: Batman, Beatles, Barbarella. Der Kosmos der<br />
Sprechblase. Ebersberg/Obb. 1985.<br />
Fuchs, Wolfgang J.: <strong>Comic</strong>s, Ideologie <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong><br />
Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen 1977.<br />
Fuchs, Wolfgang J.: Kennerblick. In: Comixene 15 (1975). S. 4-5.<br />
Fuchs, Wolfgang J.: Wo sind all die Krieger hin? In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch<br />
1986. Frankfurt/M. 1985. S. 44-50.<br />
Fuchs, Wolfgang J./Reitberger, Reinhold C.: <strong>Comic</strong>s: Anatomie<br />
eines Massenmediums. München 1970.<br />
Gans, Grobian: Die Ducks. Psychogramm einer Sippe. Reinbek,<br />
1987.<br />
Giffhorn, Hans: Zur politischen Funktion von <strong>Comic</strong>s. In: <strong>Comic</strong>s <strong>im</strong><br />
ästhetischen Unterricht. Frankfur/M. 1974. S. 68-103.<br />
Goya: Caprichos. Zürich 1972.<br />
Goya: Desastres de la Guerra. Zürich 1973.<br />
Die großen Fliegercomics. In: Rraah 21 (1992). S. 33-35.<br />
Haarmann, Harald: Universalgeschichte der Schrift. Frankfurt/M.<br />
1990.<br />
Hachfeld, Rainer: Themen, die in der Luft liegen. Gespräch mit dem<br />
mexikanischen Karikaturisten Rius. In: tendenzen 149 (1985).<br />
S. 37-39.<br />
Hausmanninger, Thomas: Superman. Eine <strong>Comic</strong>-Serie <strong>und</strong> ihr<br />
Ethos. Frankfurt/M. 1989.<br />
Heiß <strong>und</strong> Kalt – die Jahre 1945-69. Berlin 1986.<br />
Holtz, Christina: <strong>Comic</strong>s – ihre Entwicklung <strong>und</strong> Bedeutung. München:<br />
Saur 1980.<br />
Horn, Maurice (Ed.): The World Encyclopedia of <strong>Comic</strong>s. Vol. 1+2.<br />
New York 1976.<br />
Howald, Stefan: Fröschin oder Mäusin? In: Die Zeit 17 (1993).<br />
S. 90.<br />
Kaps, Joach<strong>im</strong>: Soziologin mit dem Zeichenstift. In: <strong>Comic</strong> Forum<br />
48 (1990). S. 35-38.<br />
Knigge, Andreas C.: Asterix in Deutschland. In: Comixene 17<br />
(1978). S. 27-29.<br />
Knigge, Andreas C.: <strong>Comic</strong> Lexikon. Frankfurt/M. 1988.<br />
Knigge, Andreas C.: Der Einfluß der amerikanischen Abenteuer-<br />
Serien auf die europäischen <strong>Comic</strong>s. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch 1986.<br />
Frankfurt/M. 1985. S. 39-43.<br />
Knigge, Andreas C.: Fortsetzung folgt. <strong>Comic</strong> Kultur in Deutschland.<br />
Frankfurt/M. 1986.<br />
Knigge, Andreas C.: Nach der Bombe. In: <strong>Comic</strong>-Jahrbuch 1986.<br />
Frankfurt/M. 1985. S. 51-65.<br />
Knigge, Andreas C.: Sex <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>. Frankfurt/M. 1985.<br />
Knilli, Friedrich: Der wahre Jakob – ein linker Supermann? In:<br />
<strong>Comic</strong> Strips. Geschichte, Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung<br />
der Bildgeschichte. Berlin 1969. S. 12-21.<br />
Kuby, Erich: Eine Art Gebrauchsanleitung. In: Hitler. Hamburg<br />
1989.<br />
Langhans, Heiko (Hg.): Lexikon des <strong>Comic</strong>s. Meitingen 1991.<br />
Lietzmann, Sabina: Doonesbury. Ein <strong>Comic</strong>-Star kehrt zurück. In:<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung 2.11.1984.<br />
Majakowski „20 Jahre Arbeit“ Ausstellungskatalog. Berlin 1978.<br />
Mayers Großes Taschenlexikon. Mannhe<strong>im</strong> 1987.<br />
Melzers <strong>Comic</strong> Reader. Darmstadt 1975.<br />
Metken, Günter: <strong>Comic</strong>s. Frankfurt/M. 1970.<br />
Neumann, Renate: Bibliographie zur <strong>Comic</strong>-Sek<strong>und</strong>ärliteratur.<br />
Frankfurt/M. 1987.<br />
Piltz, Georg: Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976.<br />
Reemtsma, Jan P.: Ein Max<strong>im</strong>um an Wirkung. In: Konkret 11<br />
(1989). S. 61.<br />
Riha, Karl: Groteske, Kommerz, Revolte. In: <strong>Comic</strong> Strips. Geschichte,<br />
Struktur, Wirkung <strong>und</strong> Verbreitung der Bildergeschich-
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 185<br />
ten. Ausstellung in der Akademie der Künste vom 13. Dezember<br />
1969 bis 22. Februar 1970. Berlin 1969.<br />
Riha, Karl: Zok roarr wumm. Zur Geschichte der <strong>Comic</strong>s-Literatur.<br />
Steinbach 1970.<br />
Schreiber, Armin: St<strong>im</strong>mungsbarometer der Linken. Konkret-Literatur<br />
1990. Hamburg 1990.<br />
Schröder, Horst: Bildwelten <strong>und</strong> Weltbilder. Science Fiction-<strong>Comic</strong>s<br />
in den USA, in Deutschland, England <strong>und</strong> Frankreich. Reinbek<br />
1982.<br />
Schwarz, Kai-Steffen: Maus. Der Holocaust-<strong>Comic</strong> <strong>und</strong> die Reaktionen<br />
des amerikanischen Publikums. Gießen: Veröffentlichung<br />
der AG Populäre Kultur FB Gesellschaftswissenschaften<br />
an der Justus-Liebig-Universität Gießen 1993.<br />
Schwarz, Rainer: Auf dem Weg zu einer <strong>Comic</strong>forschung. In: <strong>Comic</strong>s<br />
<strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse. <strong>im</strong> Unterricht. Opladen<br />
1977. S. 163-166.<br />
Seeßlen, Georg: Mythos contra Geschichte. Über den Widerspruch<br />
von <strong>Comic</strong>-Erzählung <strong>und</strong> historischer Rationalität. In: <strong>Comic</strong><br />
Jahrbuch 1991. Hamburg 1991. S. 23-31.<br />
Der Spiegel 39 (1989). S. 78-80.<br />
Stoll. André: „Asterix“ – das Trivialepos Frankreichs. Köln 1974.<br />
Stoll, André: Bedingungen einer kritischen Asterix-Lektüre. In: <strong>Comic</strong>s<br />
<strong>im</strong> Medienmarkt, in der Analyse, <strong>im</strong> Unterricht. Opladen<br />
1977. S. 34-39.<br />
Tatum, Charles M.: Rius: der <strong>Comic</strong>s-Autor als Sozialkritiker <strong>und</strong><br />
politischer Unruhestifter. In: <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Cartoons in Lateinamerika.<br />
München 1991. S. 55-70.<br />
Vom Penny Dreadful zum <strong>Comic</strong>. Englische Jugendzeitschriften,<br />
Heftchen <strong>und</strong> <strong>Comic</strong>s von 1855 bis zur Gegenwart. Oldenburg<br />
1981.<br />
Weidemann, Bernd: Foto oder Zeichnung? Zur Problematik des<br />
Bildes <strong>im</strong> dokumentarischen <strong>Comic</strong>. In: Kagelmann (Hg.): <strong>Comic</strong>s<br />
Anno. Jahrbuch der Forschung zu populär-visuellen Medien<br />
– Bd. 1. München 1991. S. 26-41.<br />
Werckmeister, Otto K.: Zitadellenkultur. Die schöne Kunst des<br />
Untergangs in der Kultur der achtziger Jahre. München 1989.<br />
Wurm, Wolfgang: Micky Maus auf Abwegen. Bayernkurier,<br />
27.9.1969. Zit. nach: Knigge, Andreas C.: Fortsetzung folgt.<br />
<strong>Comic</strong> Kultur in Deutschland. Frankfturt/M. 1986.<br />
Z<strong>im</strong>mermann, Hans Dieter (Hrsg.): Vom Geist der Superhelden.<br />
<strong>Comic</strong> strips. Zur Theorie der Bildergeschichte. München 1973.<br />
Annotierte Bibliographie<br />
Sachcomic<br />
Die 68er – Geschichtscomic über Lust & Frust der Linken<br />
T & Z: Jari Pekka Cuypers<br />
Hamburg: VSA-Verl., 1981.<br />
Ausgangspunkt ist die düstere politische Situation der 60er<br />
Jahre mit der großen Koalition <strong>und</strong> dem daraus sich ableitenden<br />
Beginn der Studentenrevolte – von hier aus geht es dann weiter<br />
über die Bildung der Apo, der RAF sowie verschiedener marxistisch-leninistischen<br />
Splittergruppen.<br />
Ein Asyl-Sach-<strong>Comic</strong><br />
T & Z: Johannes Zakouril. Herausgegeben: Amnesty International,<br />
Ulm.<br />
Biberach: Laubfrosch, 1981.<br />
Informationen über das Asylverfahren in der BRD <strong>und</strong> den<br />
damals geplanten Änderungen. Das <strong>Comic</strong> wirkt zwar in Zeichnung<br />
<strong>und</strong> <strong>im</strong> Lettering sehr handgemacht, inhaltlich ist es jedoch<br />
hochinteressant. Die Argumente um den Artikel 16 des<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzes sind den heutigen vergleichbar <strong>und</strong> auch die<br />
eingearbeiteten Zeitungsüberschriften kommen einem sehr bekannt<br />
vor. Das Phänomen der Massenflucht wird erklärt, Zahlen<br />
<strong>und</strong> Aussagen von <strong>Politik</strong>ern gegeneinander gestellt. An den<br />
Schluß des Heftes sind noch zwei Flüchtlingsgeschichten <strong>und</strong><br />
verschiedene Zeitungsartikel angehängt.<br />
Atomkraft für Anfänger<br />
T & Z: Stephen Croall<br />
Reinbek: Rowohlt, 1986.<br />
Die Entwicklung der Kernenergie für Kriegszwecke <strong>und</strong> ihre<br />
,friedliche Nutzung‘ werden kritisch dargestellt. Auch die politi-<br />
schen Folgen, z.B. die Auswirkungen auf die Dritte Welt, werden<br />
beschrieben.<br />
Frieden für Anfänger<br />
T & Z: lan Kellas<br />
Reinbek: Rowohlt, 1984.<br />
Ähnlich aufgebaut <strong>und</strong> ausgestattet wie die <strong>Comic</strong>s von Rius.<br />
Kellas gliedert das Thema in fünf Kapitel, deren Gr<strong>und</strong>thesen er<br />
<strong>im</strong>mer gleich auf der ersten Seite darlegt, um sie dann auf den<br />
folgenden Seiten <strong>im</strong> <strong>Comic</strong>-Stil zu erklären. Stilistisch eine Mischung<br />
aus <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> Karikaturen – keine Collagetechnik.<br />
Inhaltlich erklärt er den Friedensbegriff aus den verschiedensten<br />
gesellschaftlichen Ursprüngen von den Buddhisten bis zu<br />
den Marxisten.<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
Z: Karl Friedrich Waechter<br />
Berlin: Zweitausendeins, 1982.<br />
Die wichtigsten Artikel des Gr<strong>und</strong>gesetzes ergänzt durch einen<br />
zeichnerischen Kommentar des Satirikers. Teilweise in Cartoons,<br />
teilweise in <strong>Comic</strong>s bringt der Zeichner seine Auffassung<br />
zum Gr<strong>und</strong>gesetz zum Ausdruck.<br />
Hallo Nicaragua<br />
T & Z: Rius<br />
Dortm<strong>und</strong>: Weltkreis-Verl., 1983.<br />
Die Geschichte des Landes Nicaragua von der Besiedelung bis<br />
heute. Rius schildert vor allem die Diktatur der Somozas, die<br />
Aufstände der unterdrückten Bevölkerung sowie die Rolle der<br />
Kirche. Besonders am Herzen liegt Rius die Alphabetisierungskampagne<br />
<strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heitsaufklärung. Die Veränderungen<br />
in der nicaraguanischen Gesellschaft werden mit viel Hoffnung<br />
auf die Zukunft geschildert.<br />
Hitler<br />
T: Friedemann Bedürftig/Z: Dieter Kalenbach<br />
Hamburg: Carlsen, 1989. (Neuauflage 1993)<br />
Die erstmals, zu Hitlers h<strong>und</strong>ertsten Geburtstag erschienene<br />
Biographie, ist nicht unumstritten. Angestrebt wurde von den<br />
Autoren jedoch eine kritische Auseinandersetzung. Fotorealistische<br />
Darstellung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus.<br />
Das Kapital für Anfänger <strong>und</strong> Anfängerinnen<br />
T: K. Plöckinger, G. Wolfram, J.P. Cuypers/Z: Jari Pekka Cuypers<br />
Hamburg: VSA-Verl., 1980<br />
,Marx‘ versucht den ersten Band seines „Kapitals“ zwei Jugendlichen<br />
zu erklären, die das Original mit der Bemerkung „zu<br />
schwer, zu dick <strong>und</strong> keine Bilder“ ins Eck knallen. Eine unterhaltsame<br />
Einführung für Jugendliche.<br />
Kapital-Verbrechen – Die gruselige Geschichte des Kapitalismus<br />
T & Z: Rius<br />
Dortm<strong>und</strong>: Weltkreis-Verl., 1984.<br />
Rius rollt die Geschichte vom 15. Jhd. an auf <strong>und</strong> zeigt, wie die<br />
Bildung von Kapital in Europa die Klassengesellschaft nach sich<br />
zieht <strong>und</strong> welche Auswirkungen dies auf die Dritte Welt hatte.<br />
Vom Beginn des Sklavenhandels über die Französische Revolution<br />
zu den Weltkriegen, spannt er den Bogen zum Neokolonialismus<br />
der Weltkonzerne. Im zweiten Teil geht er der Frage<br />
„Was ist Kapitalismus“ nach <strong>und</strong> erklärt dabei die Theorie des<br />
Mehrwert.<br />
Lenin für Anfänger<br />
T: Richard Appignanesi/Z: Oscar Zarate<br />
Reinbek: Rowohlt, 1979.<br />
Der Band schildert Lenins Lebensweg <strong>und</strong> die Zeit, die er<br />
prägte. Seine politische Theorie wird ebenso dargestellt, wie<br />
das persönliche Umfeld, in dem er sich bewegte.<br />
Mao für Anfänger<br />
T & Z: Rius ,<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e‘<br />
Reinbek: Rowohlt, 1980.<br />
Rius’ Mao-Biographie in einer vom -Rowohlt-Verlag überarbeiteten<br />
Fassung. Mao <strong>und</strong> die chinesische Gesellschaft werden<br />
mit viel Sympathie <strong>und</strong> Verständnis aber auch mit kritischem<br />
Abstand gesehen. Rius ist auch ein Meister der Ironie – ohne<br />
die Ernsthaftigkeit seines Themas zu bedrohen.<br />
Die Menschenrechte<br />
T & Z: Manara, Goetzinger, Breccia, Eisner, G<strong>im</strong>ez/Cava, Palacios
186 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
Hamburg: <strong>Comic</strong>plus, 1992.<br />
Sechs Menschenrechtsartikel, zu denen bekannte <strong>Comic</strong>-<br />
Künstler je eine Geschichte erzählen. Auf teilweise sehr drastische<br />
Weise wird hier der Mißbrauch dieser Rechte verdeutlicht.<br />
Ein sehr überzeugender zeichnerischer Appell für mehr<br />
Menschlichkeit. (ekz) Anstelle eines Vorworts ist dem Band der<br />
komplette Wortlaut der UNO-Erklärung beigelegt.<br />
Moneymaker – Vom Geld, Gold, Öl<br />
T: W<strong>im</strong>mern, Wolfgang/Z: Tschap<br />
Reinbek: Rowohlt, 1984<br />
Der dritte Band der „rotfuchs – Quer-<strong>Comic</strong>s“ beschäftigt sich<br />
mit der Funktion <strong>und</strong> der Geschichte des Geldes. Kritisch reflektiert<br />
der Band verschiedene Aspekte der Weltwirtschaft <strong>und</strong><br />
beispielhaft werden die Themen erst in einem Strip erklärt <strong>und</strong><br />
dann jeweils nochmals von ,Prof. Badman‘ in ihren wissenschaftlichen<br />
Zusammenhängen wiedergegeben.<br />
Rüstung – Vom Anfang der Erde bis zum möglichen Ende<br />
T: Wolfgang W<strong>im</strong>mer/Z: Tschap<br />
Reinbek: Rowohlt, 1984.<br />
Der erste Band der in der Reihe „rotfuchs“ erscheinenden<br />
„Quer-<strong>Comic</strong>s“. Eine Mutter erklärt ihrem Sohn die Herkunft der<br />
Kriege <strong>und</strong> deren Bedeutung in der Menschheitsgeschichte. Die<br />
Erkenntnis über die Sinnlosigkeit der Kriege führt die beiden zu<br />
einem Engagement in der Friedensbewegung.<br />
Sklaven – oder Eine Geschichte vom Wirtschaftsw<strong>und</strong>er<br />
T: Wolfgang W<strong>im</strong>mer/Z: Tschap<br />
Reinbek: Rowohlt, 1983<br />
Der zweite Band der „rotfuchs Quer-<strong>Comic</strong>s“ beschreibt die<br />
Geschichte der Sklaverei bis hin zu den Überbleibseln in der<br />
Gegenwart. Auch der heutige Kampf der Nachkommen der<br />
Sklaven um Anerkennung <strong>und</strong> politische Rechte, ob in den USA<br />
oder Südamerika, wird beleuchtet. Sonderformen der Sklaverei,<br />
z.B. die Problematik der Kriegsgefangenen oder verschleppten<br />
Zwangsarbeitern, machen klar, daß das Problem des Menschenraubs<br />
bis heute nicht endgültig gelöst ist.<br />
Trotzki für Anfänger<br />
T: Tariq Ali/Z: Phil Evans<br />
Reinbek: Rowohlt, 1980.<br />
Trotzkis Biographie eingebettet in die russische Revolutionsgeschichte.<br />
Die Theorie der permanenten Revolution wird anschaulich<br />
erklärt <strong>und</strong> in Gegensatz zu Stalins Theorie vom<br />
,Sozialismus <strong>im</strong> eigenen Land‘ gestellt. Der Autor schildert seinen<br />
Protagonisten mit viel Sympathie. Die bildhafte Umsetzung<br />
ist zwar an Rius’ Collagestil angelehnt erreicht aber bei weitem<br />
nicht dessen Brillanz. Die gezeichneten Figuren sehen zu modern<br />
aus, so das die Atmosphäre nicht durchs Bild entsteht.<br />
Außerdem überwiegt der Text so sehr, daß die Grenze zum<br />
illustrierten Sachbuch schon fast erreicht ist.<br />
Umwelt für Anfänger<br />
T: Stephen Croall/Z: William Rankin<br />
Reinbek: Rowohlt, 1982.<br />
Eine Erklärung der ökologischen Zusammenhänge auf der Erde<br />
<strong>und</strong> der Darstellung der Fehler der Vergangenheit. Textlastige<br />
Darstellung des Themas.<br />
Themenkreise<br />
„Abenteuerspielplatz“ Krieg<br />
Auf Feindfahrt<br />
T & Z: D<strong>im</strong>itri<br />
München: Splitter, 1991.<br />
Eine an Buchhe<strong>im</strong>s „Boot“ angelehnte U-Boot Geschichte aus<br />
dem Zweiten Weltkrieg. Es werden keine Bezüge zum Dritten<br />
Reich geknüpft, die Helden sterben für ihr Vaterland, eine Alternative<br />
wird nicht aufgezeigt.<br />
Erinnerungen aus dem All – Kurzgeschichten<br />
T & Z: Enki Bilal<br />
Stuttgart: Ehapa, 1992.<br />
Grüne Wesen sollen den Krieg der Herrenrasse gegen deren<br />
Feinde führen. Die friedlichen Wesen können nur durch eine<br />
Manipulation zum Krieg gezwungen werden, <strong>und</strong> diese kann<br />
sich schnell gegen die Manipulierer richten. Phantastische Ge-<br />
schichten aus „Pilote“ 1974-1977, in denen auch Henry Kissinger<br />
<strong>und</strong> Giscard d’Estaing auftauchen.<br />
Frank Cappa<br />
1: Viet-Song<br />
2: Opfer <strong>und</strong> Helden<br />
T & Z: Manfred Sommer<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Der Kriegsberichterstatter ist <strong>im</strong>mer in vorderster Front dabei.<br />
Eine spannende Serie um einen moderne Heldenmythos.<br />
Kalter Krieg<br />
T & Z: Matthias Schultheiss<br />
Dreieich: Melzer, 1985.<br />
In der Titelgeschichte bringt ein junger Hacker die Weltgeschichte<br />
durcheinander; er steuert ein koreanische Flugzeug in<br />
den Luftraum der Sowjetunion. Doch der CIA bemerkt die Angelegenheit<br />
rechtzeitig, doch verhindert er das Unglück nicht. Der<br />
Hacker wird Opfer des CIAs. Der Band enthält drei weitere<br />
Kurzgeschichten. (Indiziert)<br />
Liberty – ein amerikanischer Traum<br />
1: Der Dschungel<br />
2: Die Wüste<br />
3: Die Isolation<br />
4: Die Entscheidung<br />
T: Frank Miller/Z: Dave Gibbons<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Der Weg der Schwarzen Martha Washington, die versucht, sich<br />
in einer fiktiven, doch nicht unrealistisch geschilderten amerikanischen<br />
Gesellschaft gegen Korruption <strong>und</strong> Machtgier durchzusetzen.(ekz)<br />
Die Protagonistin ist Kämpferin bei der PAX-Friedenstruppe<br />
<strong>und</strong> muß sich gegen ihren Vorgesetzten zur Wehr<br />
setzen. Mischung aus SF, Kriegscomic <strong>und</strong> Phantasie.<br />
Lysistrata<br />
T & Z: Ralf König<br />
Reinbek: Rowohlt, 1987.<br />
Bearbeitung der bekannten Tragödie von Aristophanes. Doch<br />
n<strong>im</strong>mt die Handlung durch das Eingreifen einer homosexuellen<br />
Männergruppe diesmal einen etwas anderen Verlauf. Der Krieg<br />
wird nicht durch den Entzug der Liebe beendet, sondern durch<br />
die Entdeckung der ,Vorzüge‘ der gegnerischen Krieger. Ein<br />
etwas anderer ,Kriegscomic‘.<br />
The NAM<br />
T: Doug Murray/Z: Michael Golden<br />
München: Splitter, 1989.<br />
Eine Vietnam-Geschichte, die versucht, ,Frontatmosphäre‘ zu<br />
schaffen. Eine klassische Rollenverteilung best<strong>im</strong>mt die Geschichte:<br />
ein Greenhorn, ein alter Fuchs, ein grober Sergeant<br />
<strong>und</strong> ein korrupter Lagerleiter. Der Anspruch der Aufarbeitung<br />
des Vietnam-Krieges wirkt mehr als Rechtfertigung für den<br />
Kriegscomic.<br />
Fliegercomic<br />
Buck Danny<br />
T: Jean Michel Charlier/Z: Bergèse<br />
Stuttgart, Ehapa<br />
Die Serie um den Colonel der US Air Force, Buck Danny,<br />
schildert dessen Abenteuer <strong>im</strong> Kampf gegen die ,Bösen‘ dieser<br />
Welt. Klassische Flieger-Serie.<br />
Dan Cooper<br />
T & Z: Albert Weinberg<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Die 1954 aus der Taufe gehobene Fliegerserie um den kanadischen<br />
Piloten scheint etwas weniger patriotisch zu sein, als<br />
seine Kollegen. Doch kämpft auch er gegen Spionageorganisationen<br />
oder Gehe<strong>im</strong>bündler.<br />
Tanguy <strong>und</strong> Laverdure<br />
T: Jean Michel Charlier/Z: Uderzo<br />
Mannhe<strong>im</strong>: Splitter, 1989.<br />
Die klassische Fliegerfigur ist in der französischen Luftwaffe<br />
behe<strong>im</strong>atet. Dort erlebt der Patriot Tanguy <strong>im</strong>mer neue Abenteuer.<br />
Hier weiß man noch, wer Gut <strong>und</strong> Böse ist.<br />
Terry <strong>und</strong> die Piraten<br />
T & Z: Milton Caniff
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 187<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Einer der Urväter des Abenteuercomics. Die Episoden enthalten<br />
alles, was das Genre bis heute auszeichnet: tapfere Helden,<br />
finstere Schurken, exotische Schauplätze, großen Abwechlungsreichtum<br />
<strong>und</strong> viel Spannung; die ausgefeilten, dynamischen<br />
Zeichnungen wirken ebenfalls prägend auf viele spätere<br />
<strong>Comic</strong>macher. (ekz)<br />
Der rote Baron<br />
T & Z: George Pratt<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Pratt schildert in feinen Aquarellen die Begegnung eines amerikanischen<br />
Vietnam-Fliegers mit der todkranken Legende aus<br />
dem Ersten Weltkrieg. Das Gespräch kreist um Themen wie<br />
Tapferkeit <strong>und</strong> Vernichtung. Ein ,anderer‘ Fliegercomic.<br />
Krieg als Metapher<br />
Das Ende der Hoffnung – Für Volk <strong>und</strong> Vaterland<br />
T & Z: Jacques Tardi<br />
Reinbek: Carlsen, 1984.<br />
Eine surreale Geschichte aus dem ersten Weltkrieg, in der der<br />
,Antiheld‘ Brindavoine Haferhalm versucht, sich von der Front<br />
ins Hinterland durchzuschlagen. Doch als sein Kamerad von<br />
einer Granate zerfetzt wird, ist Brindavoine nicht mehr zu halten,<br />
er läuft durch die Fronten <strong>und</strong> ruft zum Waffenstillstand auf.<br />
Feuer<br />
T & Z: Lorenzo Mattotti<br />
Thurn: Edition Kunst der <strong>Comic</strong>s, 1990.<br />
Die kunstvollen Ölkreide-Zeichnungen des Italieners erzählen<br />
vom Kampf zwischen Vernunft <strong>und</strong> Instinkt, zwischen Wirklichkeit<br />
<strong>und</strong> Traum. Ein herausragendes Werk.<br />
Die wahre Geschichte vom unbekannten Soldaten<br />
T & Z: Jacques Tardi<br />
Ludwigshafen: Boiselle-Löhmann, 1990.<br />
Phantasien eines sterbenden Soldaten <strong>im</strong> Schützengraben<br />
1918. Der Soldat ist Autor, <strong>und</strong> begegnet <strong>im</strong> Traum seinen<br />
Figuren, die sich für ihr Schicksal an ihm rächen. Tardi läßt so<br />
eine surreale Alptraumlandschaft entstehen.<br />
Atomare Apokalypse<br />
Barfuß durch Hirosh<strong>im</strong>a – eine Bildergeschichte gegen den Krieg<br />
T & Z: Keiji Nakazawa<br />
Reinbeck: Rowohlt, 1982.<br />
Eine japanische Familie erlebt den Atombombenabwurf auf<br />
Hirosh<strong>im</strong>a. Ergreifende Darstellung des Schreckens <strong>und</strong> der<br />
Grausamkeit der unmenschlichen Waffe.<br />
Jeremiah<br />
T & Z: Hermann Huppen<br />
Hamburg: Carlsen, 1978.<br />
Die nach einem ,Dritten Weltkrieg‘ bzw. einem atomaren Holocaust<br />
angesiedelten <strong>Comic</strong>s spielen in einer völlig veränderten<br />
Welt. Die Handlung ist eine Mischung aus Phantasie <strong>und</strong> Western,<br />
Thema ist der Kampf ums Überleben, den Jeremiah mit<br />
seinem Fre<strong>und</strong> Kurdy aufn<strong>im</strong>mt. Die Ursachen des Krieges<br />
werden nicht erörtert. Der Carlsen-Verlag bringt die Reihe nun<br />
originalgetreu heraus.<br />
Nach der Bombe<br />
T & Z: Bonvi d.i. Franco Bonvicini<br />
Berlin: Beta-Verl., 1985.<br />
Zwanzig makabre Kurzgeschichten des Schöpfers der „Sturmtruppen“.<br />
Schildert das Leben nach einer Atombombenexplosion.<br />
Ausgehend von dem Versagen eines Mikrochips werden<br />
sehr zynische Geschichten aus einer verwüsteten Welt geschildert.<br />
S<strong>im</strong>on – Zeuge der Zukunft<br />
T & Z: Claude Auclair<br />
Reinbek: Carlsen, 1983-1986.<br />
Die Serie beschreibt eine durch Krieg <strong>und</strong> Energiekrise zerstörte<br />
Welt; die Menschen flüchten vor allem aus den Städten auf<br />
das Land. Bei Bauern <strong>und</strong> Nomaden suchen sie neue Lebensformen.<br />
Der Held, S<strong>im</strong>on, soll die Superwaffe zerstören, die sein<br />
Vater zurückließ. Doch S<strong>im</strong>on ist kein gewöhnlicher Held, er<br />
unterbricht seine Reise <strong>im</strong>mer wieder um über sich selbst nachzusinnen.<br />
Strahlende Zeiten, eine Anti-Atomtod-Bilder-Geschichte<br />
T & Z: Raymond Briggs<br />
Frankfurt/M.: S. Fischer, 1983.<br />
In die Welt eines älteren britischen Ehepaars bricht die Weltgeschichte<br />
in Form einen bevorstehenden Atomkriegs ein. Alle<br />
noch so sorgfältigen Schutzmaßnahmen können ihnen nicht<br />
helfen.<br />
Nationalsozialismus<br />
Der Boche<br />
1: Am Vorabend des Unglücks<br />
2: Kriegswirren<br />
Stalner/Bardet<br />
Hamburg: <strong>Comic</strong>plus, 1991/92.<br />
Das Schicksal eines Elsässers, in eigenen Land als Deutscher<br />
verfemt, unmittelbar vor <strong>und</strong> während des 2. Weltkriegs. Realistischer<br />
<strong>Comic</strong>, gleichermaßen hart <strong>und</strong> einfühlsam, klarer Zeichenstil.<br />
(ekz)<br />
Kann denn Liebe Sünde sein?<br />
T: Thomas Kühn/Z: Holger Klein<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Der mäßig begabte Cellist Paul Winter, eine heruntergekommene<br />
Existenz, bekommt das Angebot, in einem berühmten Quartett<br />
mitzuspielen. Verwirrt n<strong>im</strong>mt er an, muß jedoch bald erkennen,<br />
daß dies alles nur ein Plan war, ihn mit seiner (Nazi)-Vergangenheit<br />
zu konfrontieren. (ekz)<br />
MAUS – Die Geschichte eines Überlebens<br />
1: MAUS – Die Geschichte eines Überlebens<br />
2: MAUS – Und hier begann mein Unglück<br />
T & Z: Art Spiegelman<br />
Reinbek: Rowohlt, 1989, 1992.<br />
Spiegelman beherrscht die Rhetorik des <strong>Comic</strong>s <strong>und</strong> benutzt<br />
sie bewußt, indem er realistische Zeichnungen umgeht. Mit<br />
Katzen <strong>und</strong> Mäusen beschreibt er die Vernichtung der Juden<br />
während des Nationalsozialismus. Mit Preisen überhäufter <strong>Comic</strong>,<br />
der zeigt wie dieses Medium genutzt werden kann.<br />
Operation Odin<br />
T: Mike Maurus/Z: Wolfgang Schneider<br />
Hamburg: Carlsen, 1991.<br />
Variante des alten Themas: „wer hat den verschollenen Schatz<br />
der Nazis?“ mit antropomorph dargestellten Tieren. Die Geschichte<br />
verquickt geschickt Vergangenheit mit den jüngsten<br />
Ereignissen in Deutschland.<br />
Der Schrei nach Leben<br />
1: Die Ameisen<br />
2: Das Ghetto<br />
T: Patrick Cothias/Z: Paul Gillon<br />
Hamburg: <strong>Comic</strong>plus, 1988.<br />
<strong>Comic</strong>, der die Lebensgeschichte von Martin Gray nachzeichnet<br />
(Gray, Martin/Gallo, Max: Der Schrei nach Leben. München:<br />
Goldmann). Ein junger polnischer Jude, der mit 14 Jahren den<br />
Einmarsch der Nazis in Warschau 1939 erlebt <strong>und</strong> der von nun<br />
an um sein Leben kämpft. Eine eindrucksvolle Schilderung der<br />
täglichen Bedrohung, der Ängste, aber auch der Hoffnungen<br />
der Juden <strong>im</strong> besetzten Warschau.<br />
Der 27. Buchstabe<br />
T: Stephen Desberg/Z: (Willy Maltaite) Will<br />
Mannhe<strong>im</strong>: Feest, 1992.<br />
Der Junge Fred streunt durch Berlin <strong>und</strong> findet in einem Bordell<br />
eine neue He<strong>im</strong>at. Die Prostituierten lieben ihn wie einen Sohn,<br />
doch seine Welt bleibt nicht lange heil. Bald dringt der aufke<strong>im</strong>ende<br />
Nationalsozialismus auch hier ein <strong>und</strong> er kann nicht<br />
verhindern, daß seine Fre<strong>und</strong>in, eine Zigeunerin, flüchten muß.<br />
Werwölfe<br />
T & Z: Matz Mainka<br />
Hamburg: Carlsen, 1991.<br />
Der Erstling des Hamburgers behandelt die Zeit nach dem Ende<br />
des Zweiten Weltkriegs. Flüchtlinge reisen quer durch das Land<br />
auf der Suche nach Verwandten. So auch der 14jährige Richard,<br />
der dabei auf den etwas älteren Axel trifft. Die beiden
188 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
geraten in Berlin an eine Gruppe der „Werwölfe“, die weiter ihrer<br />
angestaubten Ideologie nachhängen. Die ,Übriggebliebenen‘<br />
verüben sogar einen Anschlag auf die Besatzer.<br />
Die zerbrochene Zeit<br />
T: Eric Warnauts/Z: Raives<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Die junge Deutsche Nina Reuber flieht zu Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges aus einem Internat nach Berlin. Dort arbeitet sie bei<br />
den Amerikanern als Dolmetscherin, verliebt <strong>und</strong> verliert sich.<br />
Kritische Beleuchtung der Wirren des Jahres 1945.<br />
Arbeitswelt<br />
Hammer-<strong>Comic</strong>: Tiefschläge aus der Arbeitswelt<br />
T: Liz Seitter/Z: Brigitte Fries<br />
Zürich: Edition Moderne, 1992.<br />
Die beiden Schweizerinnen schildern satirisch <strong>und</strong> in einer<br />
ungewöhnlichen Collagetechnik die Abgründe des Arbeitslebens,<br />
nicht nur Schweizer Bauarbeiter.<br />
Kollege Karl, was fehlt Ihnen denn?<br />
T & Z: Erich Rauschenbach<br />
Frankfurt: Eichborn, 1986.<br />
,Kollege Karl‘ ist ein progressiver Arbeiter, der von seinem<br />
Standpunkt aus die Welt kritisch betrachtet. Typischer textlastiger<br />
Gag-Strip in jeweils vier Panels.<br />
Die Stadt, die es nicht gab<br />
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />
Hamburg: Carlsen, 1987.<br />
Die Träume der Arbeiter sollen Wirklichkeit werden, die neue<br />
Besitzerin der Fabrik will ein gerechtes ,Utopia‘ errichten. Doch<br />
ist das wirklich der ,H<strong>im</strong>mel auf Erden‘?<br />
Feminismus<br />
Agrippina<br />
T & Z: Claire Bretêcher<br />
Reinbek: Rowohlt, 1989.<br />
Der harte Alltag des Teenagers Agrippina, die hin- <strong>und</strong> hergerissen<br />
ist zwischen Suche nach Geborgenheit <strong>und</strong> dem Willen,<br />
unabhängig <strong>und</strong> erwachsen zu werden.<br />
Die Ballade von der Typhoid-Mary<br />
T: Jürgen Federspiel/Z: Ursula Fürst<br />
Zürich: Edition Moderne, 1990.<br />
Mary kommt 1868 mit einem typhusverseuchten Schiff in New<br />
York an. Sie steckt von da an ihre Umgebung mit dem tödlichen<br />
Fieber an, ohne selbst zu erkranken. Die ungewöhnliche Geschichte<br />
dieser Frau hat Ursula Fürst in sehr st<strong>im</strong>mungsvolle<br />
Schwarzweißbilder umgesetzt.<br />
Barcelonight<br />
T & Z: Anni Goetzinger<br />
Stuttgart, Ehapa, 1992.<br />
Die junge Catherine arbeitet als Putzfrau in Barcelona, dabei<br />
lebt sie jeden Tag in einem anderen Haushalt. Sie streunt durch<br />
Barcelona wie eine Katze, doch ohne ihr Glück zu finden.<br />
<strong>Comic</strong> Sisters<br />
Hrsg.: Diane Noomin<br />
Berlin: Elefanten Press, 1991.<br />
Sammelband von 14 amerikanischen Zeichnerinnen, die darin<br />
ihre Weltsicht vermitteln. Inhaltlich sehr unterschiedlich. Feminismus<br />
<strong>im</strong> U-Comix Stil.<br />
Die Diva<br />
T: Pierre Christin/Z: Anni Goetzinger<br />
Hamburg: Carlsen, 1984.<br />
Eine Opernsängerin dient ihre vermeintlich reine Kunst, während<br />
des Zweiten Weltkriegs auch den Nazis an. Nach dem<br />
Krieg wird sie dafür zur Rechenschaft gezogen.<br />
Euch geht’s zu gut<br />
T & Z: Marie Marcks<br />
München: Frauenbuch-Verl., 1978.<br />
Familien-Nahkampf einer Feministin <strong>und</strong> Mutter mit ihren heranwachsenden<br />
konsumorientierten Kindern (ekz).<br />
Feminax <strong>und</strong> Walkürax<br />
T & Z:Franziska Becker<br />
Köln: Emma-Verl., 1992.<br />
Feministische Asterix-Parodie in der ein reines Frauendorf seine<br />
Existenz gegen Römer <strong>und</strong> Germanen verteidigt. Die Szenerie<br />
ist u.a. der germanischen Sagenwelt entlehnt <strong>und</strong> bietet<br />
endlos viele Anspielungen auf die Gegenwart.<br />
Die Frustrierten 1-5<br />
T & Z: Claire Bretêcher<br />
Reinbek: Rowohlt, 1990.<br />
Die zuerst als Zeitungsserie erschienenen Strips schildern das<br />
Leben der ,Nach-Acht<strong>und</strong>sechziger‘ Generation. Vor dem bestechenden<br />
Blick der Autorin ist keine noch so kleine Schrulle<br />
sicher.<br />
Monika, das Wunschkind<br />
Claire Bretêcher<br />
Reinbek: Rowohlt, 1985.<br />
Eine erfolgreiche Schauspielerin versucht Beruf <strong>und</strong> Kinderwunsch<br />
unter einen Hut zu bringen. Die auftretenden Schwierigkeiten<br />
können auch mit Hilfe der Gentechnik nicht gelöst<br />
werden.<br />
Die Teufelin<br />
T: Fay Weldon/Z: Ute Hembold<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Als ihr Mann mit einer erfolgreichen Schriftstellerin fremdgeht,<br />
startet Ruth einen langwierigen Rachefeldzug ohne Rücksicht<br />
auf Verluste. Eine Adaption des sarkastischen Bestsellers.<br />
U-Comix Sonderband 13<br />
T & Z: Trina Robbins<br />
Linden: Volksverlag, 1977.<br />
Das laut Verlag ,Erste nur-Frauen-<strong>Comic</strong>-Book‘ ein Sammelband<br />
der bekanntesten Frau aus der U-Comix-Scene. Humorvoll<br />
werden ,Männerträume‘ karikiert.<br />
Ökologie<br />
Aufruhr in der Rouergue<br />
T: Pierre Christin/Z: Jacques Tardi<br />
Mannhe<strong>im</strong>: Boiselle-Löhmann, 1989.<br />
Ein multinationaler Konzern will ohne Rücksicht auf die Natur<br />
eine Kupfermine ausbeuten. Doch die Bewohner des Waldes,<br />
die Zwerge <strong>und</strong> Elfen wehren sich mit Hilfe eines politischen<br />
Praktikers.<br />
Die Geschichte von der Wyhlmaus <strong>und</strong> anderen Menschen<br />
T: Wolfgang Hippe/Z: Jari P. Cuypers<br />
Frankfurt/M.: Verl. Jugend u. <strong>Politik</strong>, 1978.<br />
Ein Öko-<strong>Comic</strong> zur Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk<br />
Wyhl. Die Funktion <strong>und</strong> die Gefahren eines KKWs werden<br />
erklärt. Ein engagiertes <strong>Comic</strong>, mit einer eindeutigen Aussage.<br />
Die Kreuzfahrt der Vergessenen<br />
T: Pierre Christin Z: Enki Bilal<br />
Reinbek: Carlsen, 1988.<br />
Ein militärisches Gehe<strong>im</strong>projekt mit der Schwerkraft verhilft der<br />
Bevölkerung eines kleinen Dorfes zu einer außerordentlichen<br />
Protestaktion. Das ganze Dorf schwebt langsam davon.<br />
Lais <strong>und</strong> Ben<br />
1: Anamarama<br />
2: Xapuri<br />
T: Joach<strong>im</strong> Friedmann/Z: Henk Wyninger<br />
Carlsen, 1992.<br />
Die zwei aufgeweckten Studenten Lais <strong>und</strong> Ben widmen sich<br />
während eines Studiencamps in Brasilien nicht nur ihren Forschungen.<br />
Kritische Auseinandersetzung für Jugendliche mit dem<br />
Thema Ökologie <strong>und</strong> Dritter Welt in schönem Ligne-Claire-Stil.<br />
Das steinerne Schiff<br />
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />
Reinbek: Carlsen, 1987.<br />
Ein Fischerdorf in der Bretagne soll einem Touristenzentrum<br />
weichen. Als die Polizei den Widerstand der Bewohner mit<br />
Gewalt brechen will, setzt ein alter versteckt lebender Mann alle<br />
seine Kräfte ein.<br />
Rassismus<br />
Afrikaans Bazaar – Ein Abenteuer von Jacques Gallard<br />
T & Z: Tripp<br />
Zürich: Edition Moderne, 1992.
Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong> 189<br />
Der Franzose Jacques Gallard reist mit einer Frau nach Südafrika<br />
<strong>und</strong> gerät dort schnell zwischen die Fronten der Schwarzen<br />
<strong>und</strong> Weißen. Unterlegt mit Texten von Breyten Breytenbach.<br />
Der Konflikt zwischen Zulus <strong>und</strong> ANC wird angedeutet. Fortsetzung<br />
von „Zulu Blues“.<br />
Jude <strong>und</strong> Araber<br />
1: Jude – Araber’<br />
2: Fanatiker<br />
Z & T: Farid Boudjellal<br />
Kiel: Semmel, 1991/92.<br />
Der algerienstämmige Franzose versucht hier mit viel Witz den<br />
arabisch jüdischen Konflikt zu entschärfen. Einfacher, holzschnittartiger<br />
Zeichenstil, eher Textorientiert.<br />
Lou Cale<br />
4: Summert<strong>im</strong>e<br />
Warn’s/Raives<br />
Hamburg: Carlsen, 1992.<br />
Fotoreporter Cale soll <strong>im</strong> tieften amerikanischen Süden eine<br />
Reportage machen. Bei seinen Recherchen gerät er unversehens<br />
in tragische Verwicklungen um Rassismus, Liebe <strong>und</strong><br />
Begierde. Geglückte <strong>Comic</strong>-Variation eines alten Themas. (ekz)<br />
Zoulou-Blues<br />
T & Z: Tripp<br />
Zürich: Edition Moderne, 1991.<br />
In Toulouse geraten Jacques Gallard <strong>und</strong> seine Fre<strong>und</strong>in in eine<br />
Auseinandersetzung zwischen der Südafrikanischen Gehe<strong>im</strong>polizei<br />
<strong>und</strong> dem ANC.<br />
Zum Herzen des Sturms<br />
2 Bände<br />
T & Z: Will Eisner<br />
Mannhe<strong>im</strong>: Feest, 1992.<br />
Autobiographie des 75jährigen <strong>Comic</strong>-Künstlers. In seiner Lebensgeschichte<br />
charakterisiert Eisner eine Epoche <strong>und</strong> thematisiert<br />
sensibel den antijüdischen Rassismus in den USA.<br />
Sozialismus<br />
Leonid <strong>und</strong> Sputnika<br />
1: Njet Future<br />
2: Mama, Papa, Lenin <strong>und</strong> ich<br />
3: Für eine Handvoll Rubel<br />
T: Yann/Z: Bercovici<br />
Hamburg: Carlsen, 1992, 1993.<br />
Der kleine Leonid <strong>und</strong> sein H<strong>und</strong> Sputnika erleben in ihrer<br />
Großfamilie den Wandel in der Sowjetunion. Ein Funny über das<br />
Leben <strong>im</strong> Perestroika-Zeitalter. Die Figuren sind allerdings sehr<br />
klischeehaft.<br />
Soviet ZicZac<br />
T: Barcelo/Z: Tripp<br />
Zürich: Edition Moderne, 1988.<br />
Ein Abenteuer mit dem Helden Jacques Gallard, der in Moskau<br />
mit einem weltberühmten Schachspieler verwechselt wird <strong>und</strong><br />
so in die Fänge des Gehe<strong>im</strong>dienstes gerät.<br />
Treibjagd<br />
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />
Reinbek: Carlsen, 1985.<br />
Eine Jagdpartie vereint die alten Parteifunktionäre aus dem<br />
sozialistischen Lager irgendwo in Polen. Gejagt wird nicht nur<br />
Wild. Ein düster gezeichneter Polit-Thriller. (Erweiterte Neuausgabe<br />
für April 1993 angekündigt)<br />
Faschistische Gesellschaftsordnungen<br />
Alexander Nikopol <strong>im</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
1: Die Geschäfte der Unsterblichen<br />
T & Z: Enki Bilal<br />
Hamburg: Carlsen, 1987<br />
Im ersten Band der Trilogie wird ein faschistisches Paris beschrieben,<br />
dessen Bewohner in zwei Klassen geteilt;sind. Das<br />
Zentrum mit den Privilegierten <strong>und</strong> der Rest, das Slum, das in<br />
Müll <strong>und</strong> Elend zu ersticken droht. Auch Wahlen haben in<br />
diesem System keinen Sinn mehr, die Probleme sind zu global:<br />
Kriege, Energiekrise, Flüchtlingsströme <strong>und</strong> schreckliche Umweltkatastrophen<br />
best<strong>im</strong>men die Zeit.<br />
Schlachtfeld ,Dritte Welt‘<br />
1: Die Hamburger Lady<br />
2: Der Export-Krieg<br />
3: Der große Ausverkauf<br />
T: Pat Mills/Z: Carlos Sanchez Ezquerra<br />
Bergisch Gladbach: Bastei, 1991.<br />
Der Kampf der Dritten Welt gegen die Konzerne der Industriestaaten.<br />
Die Protagonistin ist Mitglied der Propaganda-Einheit<br />
von ,Freeaid‘ einer Organisation der UN, die aber völlig unter<br />
Kontrolle der fünf größten Konzerne der Welt steht. Sie soll den<br />
Hunger in der Welt bekämpfen, doch geht es in Wirklichkeit nur<br />
um neue Absatzmärkte. Die durchaus interessante Gr<strong>und</strong>idee<br />
leidet aber unter der Realisierung.<br />
Tödliche Nacht<br />
Behe/Toff<br />
Stuttgart: Ehapa, 1990.<br />
In einer totalitären Gesellschaft werden die Aids-Infizierten sofort<br />
von den ,Ges<strong>und</strong>en‘ getrennt <strong>und</strong> in Lagern von einer<br />
faschistoiden Miliz bewacht. Eine Auseinandersetzung mit der<br />
Bedrohung der Demokratie durch die tödliche Krankheit. Doch<br />
Hoffnung ist in Sicht: ein Gegenvirus, der sich auf dem gleichen<br />
Weg übertragen läßt, soll entwickelt werden. Doch haben <strong>Politik</strong>er<br />
daran überhaupt Interesse?<br />
Der Schlaf der Vernunft<br />
T: Pierre Christin/Z: Enki Bilal<br />
Reinbek: Carlsen, 1986.<br />
Eine Gruppe ehemaliger Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg,<br />
durch neofaschistische Tendenzen hochgeschreckt,<br />
n<strong>im</strong>mt erneut den Kampf gegen ehemalige Widersacher auf,<br />
erkennt aber die Problematik gewalttätigen Handels. (ekz)<br />
V wie Vendetta<br />
1. Feuer der Freiheit<br />
2: Die Zwischenwelt<br />
3: Das Traumvariete<br />
4: Die Finsternis<br />
5: Das Wunschland<br />
6: Der Rosenzug<br />
T: Allan Moore/Z: David Lloyd<br />
Hamburg: Carlsen, 1990-1991.<br />
Die Kleinserie schildert den Kampf eines modernen Guy Fawks<br />
gegen einen faschistoiden Überwachungsstaat. Das Mädchen<br />
Evey wird mit ungewöhnlichen Mitteln dazu gebracht,. seinen<br />
Weg mitzugehen. Ausdruck Moore’s Pess<strong>im</strong>ismus über die politische<br />
Entwicklung in Großbritannien. Die Zeichnungen sind<br />
schattenüberlagert <strong>und</strong> sehr kontrastreich.<br />
Das verbotene Glück<br />
T: Griffo/Z: Jean van Hamme<br />
Mannhe<strong>im</strong>: Feest, 1992.<br />
Die Einführung eines universalen Ausweisdokumentes <strong>und</strong><br />
Zahlungsmittels wird hart umkämpft. Demonstranten warnen,<br />
doch der zuständige Minister setzt sein Projekt durch, <strong>und</strong> dann<br />
verliert ausgerechnet er die ,W<strong>und</strong>erkarte‘.<br />
Die Anarchie des Lachens<br />
Doonesbury<br />
T & Z: Garry Trudeau<br />
Reinbek: Carlsen, 1983-84.<br />
Intellektuellen-Strips aus amerikanischen Tageszeitungen, um<br />
den Studenten Mike Doonesbury <strong>und</strong> dessen Fre<strong>und</strong>e. Ein<br />
Spiegelbild der amerikanische Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>Politik</strong>.<br />
The Fabulous Furry Freak Brothers<br />
T & Z: Gilbert Shelton<br />
Berlin: Rotbuch, 1989.<br />
Die legendären Brüder aus der U-Comix-Szene der USA haben<br />
ihre eigenen Rezepte, die Probleme des täglichen Lebens zu<br />
lösen. Opfer der Kultfiguren der Hippiebewegung sind meist<br />
Polizisten.<br />
Flucht aus Berlin<br />
T & Z: Gerhard Seyfried<br />
Berlin: Rotbuch, 1990.<br />
Ein <strong>Comic</strong>-Autor gerät auf der Suche nach neuem Stoff nach<br />
Sibirien. Immer wieder gerät er in politische Verwicklungen; als
190 Bibliothek 20. 1996. Nr. 2 Fix – <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong> <strong>im</strong> <strong>Comic</strong><br />
sich dann noch die Mauer öffnet, bleibt nur noch die Kanalisation<br />
als ,Ausweg‘.<br />
Invasion aus dem All-Tag<br />
T & Z: Gerhard Seyfried<br />
Berlin: Rotbuch, 1985.<br />
Der Anarchismus, personifiziert in kleinen schwarzen Gnomen<br />
aus dem Weltraum, hinterlassen eine Bombe neuer Art: alle<br />
Menschen werden zu Anarchisten.<br />
Der Kandidat<br />
T & Z: Malo Lauarn<br />
Ludwigshafen: Boiselle-Löhmann, 1988.<br />
Ein EDV-Konzern will seinen neuen Großrechner testen <strong>und</strong><br />
stellt ihm die Frage nach dem ,idealen‘ Präsidentschaftskandidaten.<br />
Der so ausgewählte Kioskbesitzer führt einen außergewöhnlichen<br />
Wahlkampf.<br />
Magnus, der Magier<br />
T: Johnny Hart/Z: Brant Parker<br />
Stuttgart: Ehapa, 1977.<br />
Magnus ist Zauberer am königlichen Hofe <strong>und</strong> so für alle politischen<br />
<strong>und</strong> privaten Probleme zuständig. Der beißende Witz <strong>und</strong><br />
die gelungenen Pointen haben den ,Wizard of Id‘ weltberühmt<br />
gemacht.<br />
Rudi<br />
1: Alle lieben Rudi<br />
2: Rudi gibt nicht auf<br />
3: Mein Fre<strong>und</strong> Rudi<br />
T & Z: Peter Puck<br />
Stuttgart: Heinzelmännchen, 1992.<br />
Rudi, der tragische Held steckt <strong>im</strong>mer bis über die Haartolle <strong>im</strong><br />
Zeitgeist. In den <strong>im</strong>mer etwas textlastigen Szene-Geschichten<br />
schreckt der Stuttgarter <strong>Comic</strong>-Macher nicht vor politischen<br />
Stellungnahmen zurück.<br />
Der schwarze Baron<br />
T: René Pétillon/Z: Yves Got<br />
Berlin: Elefanten Press, 1990.<br />
„Le Baron Noir“ ist die institutionierte Macht. Wenn der schwarze<br />
Vogel naht, gibt es für kein Schaf mehr ein Entkommen. In<br />
der <strong>im</strong>mer wiederkehrenden Situation ,Raubvogel schlägt<br />
Schaf‘ werden unterschiedliche Bereiche der <strong>Politik</strong> aufgegriffen.<br />
Schwarze Gedanken<br />
T & Z: Franquin<br />
Nürnberg: Alpha-<strong>Comic</strong>-Verl., 1989.<br />
W<strong>und</strong>erschön zynische Strips des bekannten belgischen Autors.<br />
Von Ökologie über Militär bis zur Todesstrafe weicht Franquin<br />
keinem Thema aus.<br />
Tödliche Lilli<br />
T & Z:Gérard Lauzier<br />
Hamburg: Carlsen, 1988.<br />
Lilli, Agentin <strong>im</strong> Ruhestand, wird noch einmal zum Einsatz<br />
gerufen. Eine afrikanische Befreiungsbewegung braucht ihre<br />
Hilfe. Eine bissige Persiflage auf den linken Terrorismus.<br />
Unsere schöne neue Welt<br />
T & Z: Nihat Kesen<br />
Hamburg: Carlsen, 1991.<br />
In dem Satireband des in Deutschland aufgewachsene jungen<br />
Türken sind die beißenden Schilderungen von Rassismus <strong>und</strong><br />
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland am besten gelungen.<br />
<strong>Zeitgeschichte</strong><br />
Durchbruch<br />
Hrsg.: Pierre Christin <strong>und</strong> Andreas Knigge<br />
Hamburg: Carlsen, 1990.<br />
Ein Sammelband zum Fall der Berliner Mauer. Zeichner wie<br />
Sienkiewicz äußern sich skeptisch, bei ihm werden nur die<br />
sozialistischen Symbole mit kapitalistischen vertauscht; Schultheiß<br />
sucht den privaten Bezug; <strong>und</strong> Manara bemüht Chagall’s<br />
Fiedler vom Dach auf die Mauer.<br />
120, rue de la Gare<br />
T: Léo Malet/Z: Jacques Tardi<br />
Zürich: Edition Moderne, 1988/89.<br />
In zwei Bänden schildert Tardi, nach einem Kr<strong>im</strong>i von Léo Malet,<br />
die Geschichte um as gehe<strong>im</strong>nisvolle Haus in der Rue de la<br />
Gare. Die Handlung beginnt in einem Kriegsgefangenenlager<br />
<strong>und</strong> dort erfährt der Privatdetektiv erstmals von der Adresse.<br />
Tardi schildert das besetzte Paris <strong>und</strong> die St<strong>im</strong>mung der Kriegsjahre<br />
in Frankreich atmosphärisch dicht.<br />
Zwischen Lenin, Jazz & Harry L<strong>im</strong>e<br />
T & Z: Markus Herrenberger<br />
Buxtehude: Verl. an der Este, 1992.<br />
Eine Ratte wandert von Rußland durch europäische Länder,<br />
trifft auf ihrem Weg viele bekannte Zeitgenossen aus Kunst <strong>und</strong><br />
Literatur Prächtiges Bilderbuch für Connaisseurs, hintersinnig,<br />
anspielungsreich, zum Suchen <strong>und</strong> Entdecken. Ein intellektuelles<br />
Vergnügen! (ekz)<br />
Anschrift der Autorin:<br />
Marianne Fix<br />
Türlenstr. 22/108<br />
70191 Stuttgart