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Landpartie - ZwygArt

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<strong>Landpartie</strong>Ausserhalbvon allemDie Hänge sind stotzig, die Palazzi wirken trutzig, und dieStrasse windet sich um zig Kurven. Das Onsernonetal liegt nichtgerade auf dem Weg. Man muss dorthin wollen. Es lohnt sich!Text Christine ZwygartDas Tal ist dievielleicht schönsteSack gasse derSchweiz. Kaum sindwir der Zivilisationent ron nen, überquert ein Reh deneinzigen Weg, der gut 25 Kilometerins Onser none tal hineinführt. Dieschmalen Strassen und Brücken sindnichts für ängstliche Autofahrer –doch wer die Nervenprobe meistert,wird belohnt. Der Weg schlänget sichauf halber Höhe durchs Tessiner Tal,weit unten die Schlucht des Isorno.800 Personen leben hier in neunDörfern, die fünf Gemeinden bilden.Häuser und Gärten schmiegensich an terrassierte Hänge, Platz hatsnirgends viel. Immer am Freitagkommt ein Metzger mit Verkaufswagenins Tal, je ein Lädeli gibtsin Spruga, Loco und Vergeletto.FLEISSIGE FLECHTERINNENIn der bevölkerungsreichsten Phase,um 1870, lebten 3470 Einwohnerim Tal. Damals blühte die Strohindustrie,die Einheimischen hattensämtliche Arbeitsschritte – vomAnbau des Roggens bis zum Vertriebder gefertigten Produkte wie Hüteund Taschen – selber in der Hand.Und die Männer verkauften dieWare dann persönlich auf Märktenin Italien, Frankreich und derWestschweiz. Dies führte zu einemregen Kulturaustausch, der dieMenschen prägte. Verschiedene146Flechten hatte etwas Soziales. DasBild entstand um 1930 in Loco.Faktoren wie Konkurrenzdruck undZollhemmnis läuteten Anfang des20. Jahrhunderts den Niedergangein. Heute sind die Altersheime inRusso und Loco die grössten Arbeitgeber,dazu kommen Stellen bei denGemeinden, in der Landwirtschaftund in Gewerbebetrieben. Alles inallem Arbeit für gut 200 Menschen.BELIEBTER RÜCKZUGSORTDas kleine Tal hatte schon immereine grosse Anziehung auf Kulturschaffende.Vielleicht weil hierdie Ruhe herrscht, die es braucht,um Einzigartiges zu erschaffen.Vielleicht auch nur, weil weitab vomurbanen Schnickschnack andereDinge zählen. Oder wie SchriftstellerMax Frisch, der 25 Jahre in Berzonawohnte, es einst ausdrückte: SeinHaus sei ein Refugium «ausserhalbvon allem». Wer durch das Dorfspaziert, merkt, was er damit gemeinthat. Strassen gibt es hier keine,nur schmale Treppen zwischen denHäusern, Ruhe pur, menschenleer,keine Ablenkung, einzig die atemberaubendeAussicht.GEISTREICHE EINHEIMISCHEFast zuhinterst im Tal, in Comologno,thront der Palazzo dellaBarca. Das Herrschaftshaus dientein den Dreissiger- und Vierzigerjahrenvielen Künstlern undAnti faschisten als Zufluchtsort –das damalige Boheme-BesitzerpaarWladimir Rosenbaum und AlineValangin beherbergte dort Per sönlichkeitenwie Architekt Max Bill,Psychiater Carl Gustav Jung undKünstlerin Meret Oppenheim.Ein kreativer Geist weht auchheute noch durchs Tal. So erweckenbeispielsweise sechs Frauen dieStrohkunst zu neuem Leben.Und in zwei restaurierten Mühlenwird traditionelles Maismehl wieFarina bóna wieder hergestellt.Das Onsernonetal mag zwar –rein strassentechnisch betrachtet –eine Sackgasse sein. Aber ganzsicher nicht für die Menschen, diehier leben. CFotos Archiv Museo Onsernonese / Loco (2), Mauritius Images, Paul Spierenburg, Denise Zurkirch13Das Onsernonetal bezaubertmit Natur pur.1 Postkarten-Romantik Anfangdes 20. Jahrhunderts: die engeTalstrasse durch das Dorf Loco.Im Haus links befindet sichheute das Museo Onsernonese.2 Unten im Tal sucht sich derIsorno seinen Weg überfantastische Steinformationen.3 Unbedingt probieren: Glaceaus der regionalen Maismehl-Spezialität Farina bóna.4 Einsam gelegene Häuser imtief eingeschnittenen Tal sindkeine Seltenheit.2 4147


<strong>Landpartie</strong> Das Onsernonetal erleben und geniessenKleine Region mit gross artigem NaturschauspielDas Tessiner Tal bietet lauschige Badeplätze, kulinarische Besonderheiten sowie wildromantische Ausflüge in tiefe Schluchten und auf luftige Alpen.HISTORISCHES Wer sich mitder Geschichte der Talschaftbefassen möchte, besuchtdas Museo Onserno nese inLoco. Die ehe malige Küchedes 1821 erbauten Hausesdient heute als Empfangsraumund gibt den BesuchernEinblick in den Haushalteiner Familie des späten19. Jahr hunderts. In sechsRäumen sind Themen wieBesiedelung, Verkehrs wege,Strohmanu faktur und Kunsthandwerkanschaulich dargestellt.Weiter läuft auchdie SonderausstellungMax Frisch, die anlässlichdes 100. Geburtstagesdes Schrift stellers vor zweiJahren eingerichtet wordenist. Charles Suter bietet zudemauf Deutsch historisch-Die ehemalige Wohnkücheim Empfangsraum desMuseo Onsernonese in Loco.AUSFLÜGE Das Onsernonetalist ein Wanderparadies.Auf unzähligen markiertenWegen lässt sich diewild-romantische Landschafterkunden. Einen gutenÜber blick bietet die InternetliterarischeFührungen imSchriftsteller-Dorf Berzona an.KÖSTLICHKEITEN Pro du -zenten von lokalen Spezialitätengibt es hier viele.So braut Thomas Lucas inBerzona bei spielsweisedas San-Rocco-Bier inverschie denen Sorten. BeiElena Bazzana im RistoranteHERRSCHAFTLICH GEBETTETDer Palazzo Gamboni gehörte einst einem Stoffhändler, dernach Frankreich ausgewandert und später reich nach Comolognozurückgekehrt ist. Das gut 250-jährige Gebäude wurde1996 von der Bürgergemeinde übernommen, restauriert und2001 als Hotel neu eröffnet. «So können wir unser Dorfetwas beleben», sagt Gastgeberin Rita Studer. Zwei derfünf Zimmer (ab 110 Franken) befinden sich im historischenTeil und sind original im Stil französischer Herrschaftshäusermöbliert. Im Winter, wenn der Palazzogeschlossen ist, kann man ihn als Ferienhaus mieten.San Rocco:Bier von hier,gebraut ausklarem Wasserdes Tals.Ganz hintenim Tal verzweigtsich dieStrasse nachCavigliano,Spruga oderVergeletto.Das Onser nonetalverläuftin West-Ost-Richtungparallel zumCentovalli.della Posta in Loco kannes gut temperiert probiertwerden. Ebenso ein Gelato,das aus Farina bóna hergestelltwurde. Es erinnertan Haselnussglace undschmeckt leicht rauchig. Ausdem speziellen Maismehlmachen findige Onsernonesiauch Guetsli, Brotaufstricheund vieles mehr (sieheBox auf Seite 151).Zu hinterst im Tal,in Spruga, stellenHeidi und Basil Sauterihren Bio-Honigund Honig wein her.Im Tal findet sich eineVielfalt von Gebirgsblütenwie Thymian, Alpenrosen,Himbeeren, Brombeerenund Kirschen. Dazu kommenAromen von Eschen, Tannen,Linden und Kastanien. Sieverleihen dem Wildpflanzenhonigeine spezielle Note.Der IdealeOrt zumAusspannen –der BergseeLaghettodei Saléi.seite www.ti-sentieri.ch:Ort eingeben, auf «Suchen»klicken, und schon erscheinenmög liche Wanderrouten.Traum haft ist ein Ausflug aufdie Alpe Saléi. Ausserhalbdes Dorfes Vergeletto istdie Tal station der Teleferica,MystischeStimmung überden bewaldetenHügeln desOnsernonetals.der Schwebebahn. Sie führtdirekt auf die Alp, von woaus der Bergsee Laghettodei Saléi in 30 Minutenzu erreichen ist. Wer höherhinaus möchte, besteigt denPizzo Zucchero (130 Höhenmeterund ein KilometerBergweg). Von hier siehtman an schönen Tagen biszum Lago Maggiore. Ebenfallsempfehlenswert: derSpaziergang von Spruga zuden ehemaligen Thermalbädernvon Craveggia.Der Weg startet zuhinterstim Tal, wo die Strasse endet.Fotos Archiv Museo Onsernonese / Loco, Denise Zurkirch, Paul Spierenburg, Ti-Press / Pablo Gianinazzi, Urs Blumer, swiss-image.ch / Christof Sonderegger, Illustration Sylvia Bespaluk148 Netzwerk www.onsernone.ch V www.palazzogamboni.ch j www.farinabona.chg www.biobienenhonig.ch m www.valle-onsernone.info w www.ticino.ch149


<strong>Landpartie</strong> Das Onsernonetal erleben und geniessenEr führt durch Wälder undvorbei an Wasserfällen. AmUfer des Rio dei Bagni (weiteroben heisst er Onser none,weiter unten Isorno) stehenauf der italienischen Seitedie Ruinen. Der Fluss kannbei niedrigem Wasser standdurchwatet werden. Sonstführt der Weg etwas weiterunten über einen Steg undmacht einen kleinen Umweg.Die Bäder sollen demnächstrestauriert werden, denn siesind arg zerfallen. Trotz dem:Der Platz wirkt char mant,und ein kleines Beckenmit Quell wasser lädt nochimmer zum Verweilen ein –mit 28 Grad eine Wohltatnach dem kühlen Fussbadim Fluss.HANDWERK Das Atelierdes Kunsthand werk vereinsPagliarte ist im Dorfkernvon Berzona zu finden,im ehemaligen Gemeindehaus.Hier werken sechsFrauen – eine von ihnen istLara Blumer: «Wir möchtendie Tradition des Strohhandwerksneu beleben»,erklärt sie. So stellen dieFrauen wunderbare moderneHüte her, aber auch Tischsets,Mobiles und vielesmehr. Wer Glück hat,kann zuschauen, wie dieKünstlerin einen langenStroh zopf (schmale, geflochteneStrohhalme) zu einerHutkrone zusammen näht.Ein Dorf weiter ist FrancoVarini an der Arbeit. DerStein dachdecker weiss,FRISCHE ERINNERUNGENDas Haus ist gut versteckt, hinter Bäumen am Rand von Berzona.Hier lebte Max Frisch 25 Jahre. New York, Berlin, Zürich –der Schriftsteller war auf der ganzen Welt zu Hause, doch dafand er Ruhe und Rückzug. In seinen Erzählungen liess er sichvom Dorf und von der Umgebung inspirieren. Das Haus ist nochheute in Besitz der Familie, und mit einer Tafel an der Friedhofsmauererinnert Berzona an den Ehrenbürger. Wer Frisch nahekommenmöchte, macht seine Lieblingswanderung: vonBerzona über den Colmo-Berg zum Garina-Pass. Oder besuchtdie Sonderausstellung im Museo Onsernonese in Loco. Hierist auch eine Publikation über Frischs Lebenswerk erhältlich.Lara Blumerfertigt mit ihrenKolleginnenin Berzona wunderbareHüteund vieles mehraus Stroh. DieFrauen gründetenzusammenden KünstlervereinPagliarte.EinheimischeFlora undFauna – wildeFeuerlinieund Äskulapnatter.Letztereist das Symbolder Mediziner.Weisstannensind im oberenTeil des Talsweitverbreitet.wie Gneis verlegt werdenmuss. Ist die Neigung zusteil, rutschen die Steinplattenab. Und ist der Winkelzu flach, rinnt das Dach. DasHart gestein wird im SeitentalVergeletto abgebaut.BADEPLÄTZE Fragt manEinheimische nach denschönsten Plätz chen zumBaden, helfen sie gernmit ein paar Tipps. Ideal istzum Beispiel der Fluss Ribo,ein Stück nach dem DorfVergeletto. Eine nette Badebuchtbildet der Bordionein der Nähe der Mühlevon Loco (über die Brücke,dann bei der Hütte rechtshinauf). Der Isorno istzudem von Mosogno undLoco problemlos erreichbar.NATURERLEBNIS Im oberenTeil des Tals prägen Weisstannenund Lärchen dasBild, im unteren Kastanienund Laub mischwälder.Wer in diese Welt eintauchenmöchte, besucht das Waldreservatzwischen Russound Spruga – eines dergrössten der Schweiz. MehrInfos zu Exkursionen, Faunaund Flora finden sich imUrwald-Museum in Comologno.Auch viele Tierefühlen sich in der unberührtenNatur wohl. Eine Steinbock-Kolonie ist zu beobachten,Adler haben im Tal ihreNist plätze, und fast überallanzu treffen sind unteranderem Wild schweine,Murmeli, Gämsen, Reheund diverse Nattern.Zerfallen, aber dennochcharmant und sehenswert:die ehemaligen Thermalbädervon Craveggia.WOHLGENUSS In derOsteria Al Palazign in Comolognokocht Alfredo Minoggiorustikale, hiesige Menüs(Risotto, Polenta und Co.).Köstliche Tessiner Plättlimit regionalen Käse- undFleisch spezialitäten gibtsin der Bar Onsernone inSpruga und im Ristorantedella Posta in Loco. Grundsätzlichgilt: Wer eine Beizsieht und hungrig ist, solltezugreifen. Die Auswahl istnicht so gross. Für Über nachtungenstehen neben demPalazzo Gamboni (sieheBox auf Seite 148) Ferienwohnungenund B & B zur Verfügung(Info tafel in Auressiobeach ten). Idyllisch liegt derPalazzo Barione ober halbvon Mosogno aus dem17. Jahr hundert. Oder wer inder Casa Schira in Loco einkehrt,erlebt gar einen HauchNasa-Nostalgie. Ein Mitgliedder Familie wanderte einst indie USA aus, und ein Nachfahreflog später zum Mond –Astronaut Walter Schirra.Zweimal 7 statt8: Zahlensalat ander Kirchenuhrvon Berzona.Farinabónawird zuGuetsli,Glace,Grissiniundvielemmehr verarbeitet.LEBENDIGE TRADITIONAm BergbachBordione,zwischen Locound Berzona,steht eineantike Mühleaus dem18. Jahrhundert.Müller MarcoMorgan tinimahlt geradegerösteteMais körner zurlokalen SpezialitätFarina bóna. Dasfeine Mehl mit einemleicht rauchigenGeschmack mussnicht gekochtwerden undkommt unteranderem alsGeschmacksverstärkerzumEinsatz. MitMilch verrührt,diente es früherauch als einfachesZmorge.1985 kaufte dasMuseo OnsernonesedieMühle, um sieals Kulturdenkmalzu erhaltenund die traditionelle ProduktionvonMaismehl wiederzu beleben.Gebäude,Wasserrad, Zuleitungen undMahlgang wurden restauriertund zugleich der technischeCharakter erhalten – sofunktionieren die zwei übereinanderliegendenSteinscheibennoch genausowie vor 250 Jahren. Einezweite Mühle ist hinten imTal in Betrieb, in Vergeletto.Öffnungszeiten der Mühlein Loco: April bis Oktober,Do 14 –17 Uhr, Sa/So 10 –12und 14 –17 Uhr.Fotos Denise Zurkirch, Robert Lebeck / Max Frisch-Archiv / Zürich, Glauco Cugini, blickwinkel, Ti-Press / Francesca Agosta, Geri Born150 Netzwerk www.pagliarte.ch j www.onsernone.com V www.mfa.ethz.chL www.ferienwohnungen-tessin.ch E www.palazzobarione.ch w www.wallyschirra.com151

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