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Leuenberger Leuenberger Gemeinsam Praktikantin Ferienpass

«Kraft schöpfe ich aus positiven Rückmeldungen» - ZwygArt

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Ein Tag auf der Pflege<br />

«Kraft schöpfe ich aus positiven<br />

Rückmeldungen»<br />

Helfen und Umsorgen ist ihr Job – Fordern und Fördern ebenso. Renate <strong>Leuenberger</strong> liebt<br />

ihre abwechslungsreiche Arbeit als Pflegefachfrau im SPZ. Am meisten motivieren sie dabei<br />

die Fortschritte der Patienten.<br />

Text: Christine Zwygart | Bilder: Walter Eggenberger,<br />

Christine Zwygart<br />

Auf der Station F, 6.50 Uhr. Für Renate <strong>Leuenberger</strong><br />

beginnt die Frühschicht mit Händewaschen<br />

– ein Ritual, das sich an diesem Tag noch viele<br />

Male wiederholen wird: einseifen bis zu den<br />

Ellenbogen, abwaschen, Hände desinfizieren.<br />

«Die Arbeit im SPZ ist abwechslungsreich. Wir<br />

betreuen junge und ältere Menschen, vor und<br />

nach einer Operation.» Die 39-Jährige wirkt so<br />

früh morgens bereits hellwach und geschäftig.<br />

Auf dem Einsatzplan schaut sie nach, mit<br />

welchen Auszubildenden sie heute arbeitet und<br />

welche Patienten ihr zugeteilt sind: ein junger<br />

Tetraplegiker aus der Romandie und ein klein -<br />

wüchsiger Herr, der seine Beine nicht mehr<br />

spürt. Dann geht’s los. Mittels Datenbank und<br />

Krankenblatt informiert sich Renate <strong>Leuenberger</strong><br />

über ihre Schützlinge. Wie sehen deren<br />

Laborwerte aus? Welche Medikamente müssen<br />

sie einnehmen? Wann hat der Patient das letzte<br />

Mal geduscht? «Für mich ist ein guter Überblick<br />

enorm wichtig. Nur so merke ich, wenn etwas<br />

ungewöhnlich ist», erklärt die Pflegefachfrau.<br />

Dann kontrolliert sie, ob die bereitgestellten<br />

Medikamente auch wirklich diejenigen sind,<br />

die ihre Patienten erhalten müssen. <strong>Gemeinsam</strong><br />

mit <strong>Praktikantin</strong> Wanda Uetz organisiert<br />

und koordiniert sie die weiteren Arbeiten.<br />

Einfühlsames Wecken<br />

7.30 Uhr. Renate <strong>Leuenberger</strong> steht am Bett des<br />

kleinwüchsigen Mannes. Er berichtet von einer<br />

unruhigen Nacht: «Ich hatte Alpträume.»<br />

Mitfühlend hört die Pflegefachfrau zu, fragt<br />

gezielt nach und sucht nach Lösungen. Hilft<br />

vielleicht ein Schlafmittel? Oder ein Nachtlicht?<br />

Gleichzeitig misst sie Vitalwerte wie Puls und<br />

Sauerstoff sättigung im Blut, macht Notizen,<br />

sucht wieder Blickkontakt: «Darf ich Sie<br />

waschen, untenrum?» Der Mann<br />

nickt. Mit Handschuhen, Tüchern<br />

und Seifenwasser macht sich<br />

Renate an die Morgentoilette.<br />

Sorgsam kontrolliert sie, ob<br />

die Haut trocken ist oder<br />

sich Druckstellen<br />

gebildet haben. Alles ist in Ordnung. «Darf ich<br />

Ihnen das Gitter am Bett wieder hochstellen?»<br />

Nie würde sie die Seitenstützen befestigen, ohne<br />

nachzufragen. «Das wäre ethisch nicht korrekt.»<br />

Dann wird’s auch Zeit für den jungen Romand<br />

zu erwachen, denn er muss um zehn Uhr in der<br />

Physiotherapie sein. <strong>Gemeinsam</strong> mit <strong>Praktikantin</strong><br />

Wanda Uetz lagert ihn Renate <strong>Leuenberger</strong><br />

auf die Seite um und verabreicht ein Zäpfli zum<br />

Abführen.<br />

Renate <strong>Leuenberger</strong><br />

Die Pfl egefachfrau Diplomniveau I absolviert<br />

der zeit berufsbegleitend die Höhere Fachschule.<br />

Sie arbeitet seit 1993 im SPZ, heute mit einem<br />

Pensum zwischen 40 und 50 Prozent. Die<br />

39-Jährige lebt mit ihrem Mann und den zwei<br />

Kindern in Grossdietwil LU. Sie war viele Jahre<br />

Lehrerin im Samariterverein, half, den <strong>Ferienpass</strong><br />

zu organisieren und gab Erste-Hilfe-Kurse<br />

für Kinder in der Mütter- und Väterberatung.<br />

Renate <strong>Leuenberger</strong> hilft<br />

dem jungen Romand beim<br />

Transfer in den Rollstuhl.<br />

8 9


Ein Tag auf der Pflege<br />

1 2 3<br />

1 Renate <strong>Leuenberger</strong> informiert sich<br />

über ihre beiden Patienten.<br />

2 Der kleinwüchsige Mann braucht Hilfe<br />

mit den Augentropfen.<br />

3 Mit Ultraschall kontrolliert sie, ob die<br />

Blase nach dem Klopfen leer ist.<br />

4 Mit Berufsbildner Reto Berwert spricht<br />

Renate über ihre Weiterbildung.<br />

5 Die Pflegefachfrau hilft dem jungen<br />

Romand beim Zähneputzen.<br />

6 Beim Rapport werden alle wichtigen<br />

Informationen ausgetauscht.<br />

Unangenehme Arbeiten<br />

9.05 Uhr. Die Patienten sind beim Zmorge und<br />

Renate <strong>Leuenberger</strong> wird um Hilfe gebeten.<br />

Der ältere Mann im vordersten Zimmer will<br />

rauchen. Trotz Beatmungsgerät und Lungen -<br />

problemen. Die Pflegefachfrau runzelt die Stirn:<br />

«Haben Sie es schon mal mit Nikotinpflastern<br />

versucht?», fragt sie. Der Mann winkt ab. Renate<br />

hängt die Sauerstoff-Schläuche ab und schiebt<br />

ihn mit dem Bett durch die Balkontür. «Wir sind<br />

nicht da, um zu bevormunden», sagt sie. Egal,<br />

was kommt – der Patient ist König. Überhaupt<br />

habe sich der Umgang in den vergangenen<br />

Jahren sehr verändert: «Jeder will heute selber<br />

bestimmen, wann er aufwacht, isst und sich<br />

anzieht.» Renate <strong>Leuenberger</strong>s Devise dabei<br />

ist: so flexibel wie möglich bleiben, aber nur<br />

innerhalb eines klaren Rahmens.<br />

Beim jungen Romand hat das Zäpfli gewirkt,<br />

der Darm hat sich auf eine Unterlage im Bett<br />

entleert. Nun geht’s ans Reinigen und Waschen.<br />

«Ich höre von Aussenstehenden immer, dass<br />

sie solche Arbeiten nicht verrichten könnten»,<br />

erzählt Renate <strong>Leuenberger</strong>. Ihr macht das<br />

nichts aus. Mit gezieltem Klopfen entleert sie<br />

auch die Blase des Patienten, der Urin fliesst<br />

über ein spezielles Ableitungssystem in den<br />

Beutel. Die Zeit drängt, die Therapiestunde rückt<br />

näher: Transfer in den Rollstuhl, T-Shirt und<br />

Jacke überziehen, die Brustgurten festmachen.<br />

Fertig! Der junge Mann rollt alleine in die<br />

Physiotherapie. Renate und ihre Kolleginnen<br />

machen Pause.<br />

Psychische Grenzen<br />

10.30 Uhr. Renate <strong>Leuenberger</strong> räumt die<br />

Zimmer auf, schüttelt Kissen, entsorgt Abfall.<br />

Dabei kommt sie ins Sinnieren: Es gebe Patien -<br />

ten, die in der Reha motiviert seien. Andere<br />

überhaupt nicht. «Ich kann ihnen den Weg<br />

aufzeigen. Aber vorwärtskommen müssen sie<br />

selber.» Kehrt ein Querschnittgelähmter bald<br />

nach Hause zurück – so wie der junge Romand<br />

– muss sie auch loslassen können. Wirklich zu<br />

schaffen macht ihr einzig, wenn Patienten<br />

schwere psychische Beschwerden haben: «Dann<br />

suche ich Rat bei Kolleginnen, die Erfahrung<br />

in der Psychiatriepflege haben.»<br />

Um 11.30 Uhr ist Mittagspause. Zum ersten Mal<br />

seit Schichtbeginn verlässt Renate <strong>Leuenberger</strong><br />

mit der Hälfte des Pflegeteams die Station.<br />

Während Kolleginnen den Patienten das<br />

Zmittag verteilen und beim Essen helfen, kann<br />

sie für 45 Minuten abschalten. Ein kurzer Blick<br />

aufs Handy – ist daheim mit den Kindern alles<br />

in Ordnung? – und dann geht’s in die Kantine.<br />

4 5 6<br />

Motivierendes Gespräch<br />

12.25 Uhr. Der Nachmittag beginnt mit dem<br />

Dessert. Die Pflegefachfrau löst ihre Kollegin ab<br />

und hilft dem jungen Romand mit der Vanillecreme<br />

und danach beim Zähneputzen. Anschliessend<br />

trifft sie sich mit dem kleinwüchsigen<br />

Mann zu einem Gespräch: Die<br />

Rehabilitationsziele für die kommenden<br />

Wochen müssen gemeinsam festgelegt werden.<br />

«Wie fühlen Sie sich?» Der Patient erzählt über<br />

seine Fortschritte in der Therapie und die guten<br />

Schmerzmittel. Renate <strong>Leuenberger</strong> möchte ihn<br />

motivieren, beim Transfer vom Bett in den<br />

10 11


Ein Tag auf der Pflege<br />

Rollstuhl noch mehr mitzuhelfen. Und künftig<br />

soll er jeden Vormittag eine Bouillon essen:<br />

«Ihr Natriumwert ist tief, deshalb ist Ihnen am<br />

Morgen manchmal schwindlig. Die Suppe<br />

wird da helfen.»<br />

Die Kolleginnen der Spätschicht treffen ein, im<br />

Stationszimmer wird’s eng. Renate <strong>Leuenberger</strong><br />

setzt sich hinter einen Computer. Alle Messwerte,<br />

alle verabreichten Medikamente, alle<br />

nennenswerten Details des Tages muss sie nun<br />

in die Krankenakten übertragen. Dabei hinterlegt<br />

sie online auch Fragen an die behandelnden<br />

Ärzte: Braucht der kleinwüchsige Mann die<br />

verschriebenen Augentropfen wirklich noch?<br />

Um punkt 14 Uhr ist Rapport – die frischen<br />

Arbeitskräfte übernehmen. Infos werden ausgetauscht<br />

und Probleme diskutiert. Anschliessend<br />

vervollständigt die Pflegefachfrau die<br />

Patientenakten, macht nochmals einen Rund -<br />

gang durch die Zimmer und schaut mit den<br />

Auszubildenden zurück auf den Arbeitstag.<br />

Renate <strong>Leuenberger</strong> mag ihren Job. Negativ<br />

empfindet sie manchmal einzig die Hektik, die<br />

über Stunden anhalten kann, wenn es einem<br />

Patienten schlecht geht. «Dann kommen die<br />

anderen Pflegebedürftigen zu kurz.» Und auch<br />

die eigenen Bedürfnisse stehen hintenan, der<br />

Feierabend wird verschoben, und die Pause<br />

gestrichen. Aufsteller sind dafür die Fortschritte,<br />

die sie bei Querschnittgelähmten beobachten<br />

kann. «Und aus posi tivem Feedback schöpfe ich<br />

Kraft für meine Arbeit.» Braucht noch jemand<br />

Hilfe? Kann sie noch etwas übernehmen? Nein,<br />

alles im grünen Bereich. Für heute ist Schluss,<br />

die Schicht ist beendet. Es ist 16 Uhr.<br />

Breites medizinisches<br />

Wissen gehört zu<br />

Renate Leuenberges<br />

Arbeitsalltag – nicht<br />

nur beim Vorbereiten<br />

einer Infusion.<br />

Nachgefragt<br />

<br />

anspruchsvoll»<br />

Mechtild Willi Studer leitet den Pflegedienst des SPZ mit 317 Fest -<br />

angestellten, die sich 227 Stellen teilen. Dazu kommen 82 Prakti kanten,<br />

Studierende und Lernende.<br />

Was ist im Moment die grösste Heraus forderung in der Pflege?<br />

Mit der richtigen Team-Zusammensetzung eine qualitativ gute und<br />

weitsichtige Arbeit zu leisten. Im SPZ haben wir in den letzten drei Jahren<br />

intensiv daran gearbeitet. Weiter müssen wir an der Professionalisierung<br />

der Pflege arbeiten: Den eigenen Gestaltungs freiraum kennen, prospektiv<br />

handeln und pflegerische Themen fundiert im interdiszipli nären Team einbringen – hier steht<br />

noch ein gewichtiger Entwicklungsschub an. Denn nur wenn wir umsichtig und vernetzt für das<br />

Wohl des Patienten sorgen, ist die Arbeit auch befriedigend. Und zwar für alle Beteiligten.<br />

Bei den Pflegefachleuten herrscht Personal knappheit. Wie finden Sie genügend<br />

Fachkräfte fürs SPZ?<br />

Wir haben bereits viel getan. 2010 erwarben 28 Personen einen Abschluss im SPZ, drei Viertel<br />

von ihnen sind im Haus geblieben – damit können wir unsere Fluk tuation mehr als decken. Ein<br />

optimaler Skill- und Grademix – also die richtige Team-Zusammensetzung von Mitarbeitenden<br />

mit unterschiedlichen Ausbildungen und Erfahrungen – hilft uns zusätzlich, die Personalnot zu<br />

entschärfen. Aber wir müssen in der Frauenhoheit Pflege unbedingt für mehr Männer werben.<br />

Wir haben zudem einen beträchtlichen Teil Pflegende, die über 45 Jahre alt sind. Die Arbeit im<br />

SPZ ist physisch und psychisch anspruchsvoll. Wir fühlen uns deshalb verpflichtet, Bedingungen<br />

zu schaffen, dass man zufrieden und gesundheitlich fit im SPZ pensioniert werden kann. Das<br />

werden wir demnächst mit dem HRM anpacken.<br />

Welche Projekte stehen in den kommenden Monaten an?<br />

Wir neigen dazu, das Beste für den Patienten und seine Angehörigen zu wollen. Aber oftmals<br />

geht unser Tun an dem vorbei, was diese wirklich brauchen. Deshalb ist es notwendig, die Pfle gediagnostik<br />

einzuführen. Damit wird der Bedarf systematisch erhoben und die Mass nahmen<br />

spezifisch festgelegt – immer im Gespräch mit dem Patienten. Dazu gehört auch die konzeptionelle<br />

Aufarbeitung «Einbezug der Angehörigen in den Pflegeprozess». Dieses Vorgehen muss<br />

auch entsprechend dokumentiert werden. Wir planen gleichzeitig die Einführung einer elektronischen<br />

Pflegedokumentation.<br />

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