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Dowload - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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.1rIJ. 1:-l. I. ,- "... . -* 1 ,1 ~. ~ ~, ------ ,.p.b.b. - Verlagspostamt 1 170,. - DM 4,5° SFr 4,­ISSN 1019 - 5394


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THEMA: RISIKO GES.M.B.H.Wege des Umwelt<strong>recht</strong>s in der Risiko<strong>gesellschaft</strong> 23Werner Wendt über die Antiquiertheit des Rechts .................................................... .Lücken und Tücken 25Franz Schandl beschreibt die Unmöglichkeiten des Verursacherprinzips ... , ................ .Greo::li:wertloses Umwelt<strong>recht</strong> 29Über die Sucht nach Grenzwerten, von Benjamin Davy ............................................ .Wem gehört die Umwelt? 34Einige Bemerkungen zur Bürgerpartei, von Marlies Meyer ........................................ .Recht & GesellschaftVolksabstimmung als Blankoscheck 8Das EU-Beitrittsprocedere thematisiert Felix Ehrnhöfer ...................................................Serie: GASP - Der Wille zur Supermacht 10Wilfried Graf über die Unvereinbarkeit von Neutralität und EU ..................................Herbert ist blank 12Alexander Anton Maly sucht den Nutzen des neuen "Privatkonkurses" .......................Schutz vor SiHe 13Die gesetzliche Regelung der Pornographie erörtert Hans-Jörg Bart ............................Wie gewohnt . l' 6Das neue Wohn<strong>recht</strong>, kritisiert von Martin Gruber und Katharina Ruep<strong>recht</strong> ...............Der große Lausch- und Spähangriff 18Die Begehrlichkeiten bundesdeutscher Staatsschützer analysiert IIse Bechthold .............Haftstrafe im digitalen Netz 21Gar ungemütlich findet Klaus Richter den elektronischen Hausarrest ...........................Studium & BerufKonservative Katharsis 38Die Reform des Jusstudiums aus der Sicht von Johann J. Hagen ................................ .Die Materialität der bürokratischen Form, Teil 3 3' 9Alexander Somek über d~s nachpositivisti~che Rechtsdenken .................................... .Sehen / Hören / LesenNiklas Luhmann '45Das Recht der Gesellschaft, empfohlen von Max Peintner ......................................... ..~;:~~~i:~:~a~~tn~~~ vJe~~: ~~~.~~.~~ ................................................................ 4 SVorsatz: ' S'Valentin Wedl fragt nach dem Wert des Umwelt<strong>recht</strong>s ................................................ ..Merkwürdig 6EU-Polarfront, EU-Ostfront, Österreich, Deutschland .................................................... .Einsatz: Ein Neuanfang 37Der Verein Juristinnen aus Bosnien und Herzegowina stellt sich vor .......................... ..Nachsatz: Frau-Sein am Juridicum 47Patricia Heindl gegen das juridische Alltagspatriarchat ............................................ .~~~!~s:/Kleinanzeigen ......................................................................................... 48Impressum ......................................................................................................... 50


20 1 gute Gründe, dasJUIIDI UMregelmäßig zu lesen"'Josef Aicher, Ulrike Aichhorn, Juliane Alton, Anton Amann, Erna Appelt, Anette Baldauf, Thomas Barke,Christian Baumgartner, Kurt Bayer, Nikolaus Benke, Wolfgang Beran, Lukas Berger, Alois Birklbauer,Josef Bischof, Stefan Blankertz, Eva Blimlinger, Matthias Blume, Wolfgang Bogensberger, Ulrike Brandl,Sepp Brugger, Karl-Thomas Büchele, Georg Bürstmayr, Nicholas Busch, Christoph Chorherr, ErichCibulka, Andrea Danmayr, Benjamin Davy, Ulrike Davy, Nikolaus Dimmel, Ernst Dorfner, KatharinaEchsel, Herbert Eckart, Brigitte Ederer, Felix Ehrnhöfer, Wilfried Embacher, Renata M. Erich, AlfredFaustenhammer, Claudia Fenz, Martin FiII, Klaus Firlei, Gero Fischer, Ursula Floßmann, Nikolaus Forgo,Markus Freund, Stefan Freytag, Elfriede Fröschl, Erika Furgler, August Gächter, Walter Gagawczuk,Antoine Garapon, Monika Gasser-Steiner, Michael Geistlinger, Uwe Geißler, Michael Genner, BerndGlaeser, Edith Glanzer, Andreas Görg, Viktor Gorlitzer, Helmut Graupner, Wolfgang Gratz, AndreaGriesebner, Ali Gronner, Horst Häckl, Johann J. Hagen, Markus Hager, Gerhard Hanak, MarkusHaslinger, Wolfgang Fritz Haug, Christian Haun, Uschi Hemetek, Helga Hieden-Sommer, GerlindeHinterleitner, Werner Hochreiter, Lutz Hoffmann, Thomas Höhne, Elisabeth Holzleithner, Brigitte Hornyik,Johanna Hollerwöger, Christiana Huber, Susanne Jaquemar, Ernst Jeschek, Raimund Kainz, ReneKarauschek, Astrid Kasparek, Martin Kasper, Christian Kern, Wolfgang Richard Knapp, Rainer Knödl,Michaela Kovacic, Iris Kugler, Doris Künzel, Rene Kuppe, Robert Kurz, Josef Lachmann, SusanneLackner, Norbert Landsteiner, Herbert Langthaler, Christoph Lanner, Manfred Leitgeb, Anatol Lemur,Hannes Leo, Rudolf Leo, Robert Lessmann, Gabriel Liedermann, Georg Lienbacher, Peter-AndreasLinhart, Stefan Lintl, Rosa Logar, Nadja Lorenz, Alexander Anton Maly, Franz Mauthner, Franz Merli,Maria Mesner, Nicole Metzger, Marlies Meyer, Reinhard Moos, Alexander Muth, Andreas Netzer,Christian Neugebauer, Wolfgang Neugebauer, Martin Niederhuber, Peter Nindler, Alfred J. NolI, GeraldOberansmayr, Gerhard Oberschlick, H. Örmi, Jandre Palatin, Alexandra Palt, Werner Pankart, ChristofPa rn reiter, Maria Parzer, Andrea Pawlowski, Max Peintner, Manfred Peter, Thomas Pfeffer, MichaelPilz, Marjan Pipp, Eva Plaz, Werri'er Pleischl, Herbert Pochieser, Heinz-Dieter Pohl, Martin Pöllinger,Christopher Pollmann, Thomas Prader, Claudia Pronay, Barbara Pusch, Eduard Rabofsky, MariaReiffenstein, IIse Reiter, Julia Rhomberg, Klaus Richter, Ingo Riß, Heinz Rögl, Josef Rohrböck, KatharinaRuep<strong>recht</strong>, Gerhard Ruiss, Angelika Schaller, Franz Schandl, Vera Scheiber, Brigitte M. Scherbier, WalterScherrer, Bernhard Schima, Andreas Schlitzer, Wolfgang Schmidt, Barbara Schoder, Harry Schranz,Karlheinz Seewald, Georg Seiter, Veronika Sengmüller, Eugene Sensenig, Gustavo Simsek, AlexanderSomek, Thomas Sperlich, Anna Sporrer, Karl Staudinger, Manfred Steidl, Tine Stein, Barbara Steiner,Martin Stübinger,Wolfgang Templin, Klaus Tesch, Martina Thomasberger, Erika Thurner, Georg Tillner,Hannes Tretter, Wolfgang Veit, Ruth Vospernik, Ursula Wageneder, Günter Weber, Valentin Wedl, PeterWegscheider, Gerhard Werdeker, Michael Wimmer, Maria Wind hager, Franz Witzmann,Fritz Zeder, Andreas Zembaty, Maria Zenkl; Christian Zib, Matthäus Zinner, Robert Zöchling.*) JURIDIKUM-Autorinnen und Autoren der Ausgaben 0/89 bis 2/94Den Abo-Bestellscheinfinden Sie auf Seite 49


IvonValentin WedlVom We,tdesUmwe't,eclttsSchwerpunkt dieser Nummerist eine Thematik, die inZeiten schwacher Konjunktureher unpopulär erscheint. DerEindruck entsteht, daß sie geradeob ihrer enormen Tragweitemittlerweile unter das politischeTapet gekehrt worden ist, sichin Gemeinplätzen nach dem zufindenden Ausgleich von Ökonomieund Ökologie oder inWehklagen verlorengegangenennachhaltigen Wirtschaftens verflüchtigthat. Die nach wie voranhaltende Wirtschaftsflauteüberdeckt noch immer die ökologischeSprengkraft, dessenDiskussion auch im JURIDI­KUM bislang zu wenig Platz gefundenhat.Seit etwa Mitte der siebzigerJahre wird versucht, mit allerleiVerboten, verschärften Auflagenwie strengeren Bewilligungsverfahrenfür Betriebsanlagen, derAufnahme eigener Deliktsbestimmungenin das Strafgesetzbuchund allerlei Sondergesetzen,kurzum mit der gesamtenPallette das bürgerlich <strong>recht</strong>sstaatlichenRepertoires, der fortschreitendenUmweltzerstörungEinhalt zu gebieten. Sogar eineeigene Staatszielbestimmung,das "Bundesverfassungsgesetziibcr elen umfassenden Umweltschlitz",ein für österreich ischeVerhiiltnisse unüblicher Weg,rindet sieh im unüberschaubarenFlickwerk von Bestimmungen,die auf den Schutz der natürlichenRessourcen ausgerichtetsein sollten.Dennoch, die Bilanz ist negativ.Die Umweltverdreckunghält still an. Die vermeintlichkritische Öffentlichkeit meint,man/frau bräuchte die geltendenGesetze bloß zu verbessern odersorgsamer zu verwalten, könnedas Grundgerüst behalten.Eine Ursache für die Unvereinbarkeitdes Rechtsstaates mitdem Allgemeingut "natürlicheLebensgrundlagen" wohnt seinemeigenen Konzept inne. Esist danach ausgerichtet, Individual<strong>recht</strong>ezu schützen. Sei es,daß im öffentlichen Recht Individual<strong>recht</strong>ezum Schutz deseinzelnen vor dem Staat angelegtsind, oder im Privat<strong>recht</strong>,wo lediglich Machtsphären einzelnerRechtsunterworfenervoneinander abgegrenzt werden.Dabei steht das heilige Privateigentumnach wie vor im Vordergrund,von dessen Effizienzman/frau auch dann noch überzeugtsein dürfte, wenn die ihmzugrundeliegeneIe Sache gänzlichverseucht ist.Problematisiert wird dasÖkodesaster nur nicht als Systemproblematik.Im Gegenteil,Anstoß zur Bestürzung geben allenfallsCharakterschwächen vonKonsumentlnnen.Hauptsache, wir trennen unserenHausmüll in vier, fünfoder mehr Kategorien, damit ersich letztendlich auf der Mülldeponiewieder sammelt. Wild entschlossen,von nun an die richtigeEntscheidung zu treffen,zieht der/die umweltbewußteKonsumentIn die Papiertaschedem Plastiksackerl vor. Ein hierverharrendes Umweltbewußtseinverschließt sich bewußtlosdem Blick auf die Zusammenhänge.In der internationalen undweit dramatischeren Dimensionmündet die Systemverschlossenheitin moralisierenden Appellendes "zivilisierten" Westensan die Einsicht der Staaten desTrikonts, zum Beispiel mit demRegenwald doch ein wenigpfleglicher umzugehen.Daß dies darauf beruhenkönnte, daß die überschuldetenLänder des Trikont als Rohstofflieferantenden Regenwaldzum Holzexport benötigen, umden Kreditauflagen von IWFund Weltbank Genüge zu tun,steht freilich nicht so unbedingtzur Debatte.Die Erzeugung nutzloser Gegenstände,der Raubbau an dennatürlichen Ressourcen magzwar widersinnig sein, liegt abernun mal dem System zugrunde,das gemeiniglich den Namcn"freie Marktwirtschaft" trägt(manche sollen ihm gar einmalden Ausdruck "Kapitalismus"verpaßt haben)Nicht der <strong>gesellschaft</strong>licheNutzen ist das Kriterium dcr kapitalistischenProduktion, sonderndie Schaffung von Waren.Es geht nicht um den Gcbrauchs-sondern um dcnTauschwert. Der Größenwahn,der das herrschende System determiniert,wirkt auch für dicpsychisch Intakten letal.Diese Wertvorgaben scheinensich endgültig durchgesetztzu haben. Das Jahr 1989 tat hiezudas seinige. So kann es passieren,daß selbst die Grünenspätestens seit dem Ende des realnie zustandegekommenen Sozialismusder reformistischen Illusionnachhängen, der real existierendeKapitalismus müsscnur entsprechend in die Pflichtgenommen werden.Doch umweltpolitische Fehlsteuerungenkönnen auch durchnoch so gewitzte Bepreisungs-, versuche, wie durch die allseitsgeforderte Ökosteuer, nichtgelöst werden. "Solange es keinesoziale Kontrolle über denProduktionsapparat gibt, habendiejenigen, die über ihn verfügenkönnen, vielfältige Möglichkeiten,sich der demokratischbeschlossenen Besteuerung zuentziehen. Eine solche Möglichkeitbietet die unternehmerischePreisgestaltungsmacht, eine andereder Kapitalstreik bzw. dieKapitalflucht", schreibt CharlesC. Robem 1983 in "Die Grünen-Retterdes Spätkapitalismus?"Mit den Mitteln des Rechtsläßt sich die Widersprüchlichkeitvon Ökologie und Ökonomievermutlich nicht beseitigen.Einige Härten wird man/frau ihrfreilich nehmen können. So etwakönnte die Schaffung einerBürgerInnenpartei (dazu derBeitrag von Marlies Meyer) einbrauchbarer Versuch sein, mitden Mitteln des verwaltungs<strong>recht</strong>lichenVerfahrens<strong>recht</strong>sden marktwirtschaftlichen Sachzwangzu bremsen.Stoppen wird man/frau ihndamit nur schwerlich.Nr 3/94JURIDIKUMSeite 5


MerkwürdigWiderstandEuropäische Union/Polarfront.(wi/Spiegel) Die seit 1991in Schweden regierende bürgerlicheVierparteienkoalition ruftmit ihrer restriktiven Asylpraxisorganisierten Widerstand hervor.Von Helsingbor bis Haparandahat sich ein im Untergrund operierendesNetz von Flüchtlingssamariterinnen, die von derAusweisung bedrohten Flüchtlingenu.a. Unterkünfte vermitteln.Couragierte Beamtlnnender Einwanderungsbehördenund Polizistinnen informierenHelferinnen über bevorstehendeAbschiebungen; LehrerInnenerteilen AusländerInnenkinderngratis Unterricht; Kliniken, Ärzt­Innen und Krankenschwesternbehandeln Kranke kostenlos;Sozialämter und Fürsorge helfenbei materieller Not. Die WiderständlerInnenaus Gewissensnotkönnen einen unerwartet hohenErfolg aufweisen: Jedemir drittenabgewiesenen AsylbewerberIngelang es aufgrund des zivilenUngehorsams in den Untergrundabzutauchen. Ursachedieses Notstandes: Schwedensei bereits dabei, so die Abgeordneteder liberalen VolksparteiMartensson, "sich dem Ehrgeizder Europäischen Union anzupassenund die Festung Europazu schaffen".Milde für Nazis?Österreich. (li) Univ. Prof.Winfried Platzgummer, Vorstanddes Institutes für Straf<strong>recht</strong>und Kriminologie, trat beieinem Vortrag vor der WienerKatholischen Akademie für einnochmaliges Überdenken desVerbotsgesetzes nach der Verbotsgesetznovelle1992 ein.Durch das "Sonder<strong>recht</strong>" mitseinen im Vergleich "überzogenen"Strafen werde die gute Absicht,alles gegen ein Wiederaufkommendes Nationalsozialismuszu tun, nicht erreicht. DiesesSonder<strong>recht</strong> sei verständlich,"wenn man das grenzenlose Unglückbedenkt, das die NS-Ideologieangerichtet hat, aber kriminalpolitischnicht klug, weil sieden Neonazis zur Gloriole politischerMärtyrer verhilft. "Wiederbetätigung müsse bestraftwerden, dem Rechtsstaatseien dabei aber Schranken auferlegt,wenn er seine auf Ausgeglichenheitund Ge<strong>recht</strong>igkeitberuhende Glaubwürdigkeitnicht verlieren wolle. Neonazisdürften "nicht mit der sei benWillkür und Härte behandeltwerden, mit der die Nazis ihreGegner behandelt haben".Die Absenkung der Strafuntergrenzendurch die Novelle1992 habe zwar eine Verbesserunggebracht, mit den unangetastetenObergrenzen seien dieStrafdrohungen aber weiter"weit überzogen"; ob die Novel­Iierung ausreiche, die Geschworenen,die wegen der hohenStrafmaße häufig Freisprüchefällten, "zu beruhigen" werdeerst die Zukunft zeigen.Unterdessen wird inDeutschland die legistische Ausschwitzlügenlückegeschlossenwerden. Bislang stellte dieLeugnung des industrialisiertenMassenmordes im Nationalsozialismusnur im Zusammenhangmit Angriffen gegen dieMenschenwürde von Bevölkerungsgruppen(z.B. Juden) alsVerhetzung einen Straftatbestanddar. Die reine Leugnungder Existenz von Gaskammernstand aber unter dem Schutz desRechtes auf Meinungsfreiheit(Artikel 5 Grundgesetz), wieauch jüngst in einem Freispruchdurch den BGH ausgeführt, derjetzt nun auch die Politik aufden Plan gerufen hat. Die VolksverhetzungsbestimmungendesStrafgesetzbuches sollen durcheine einschlägige Bestimmungergänzt werden.ErfolgÖsterreich. (wi/DÖW) Mit einerhochnotpeinlichen Niederlageendete das vom gerichtsnotorischenJörg Haider angestrengteGerichtsverfahren gegen dieHerausgeber des "Handbuchesdes österreichischen Rechtsextremismus"(Verlag Deuticke).Haider hatte schon am Tag desErscheinens beim HandelsgerichtWien eine EinstweiligeVerfügung erwirkt, die die Verwendungseines Fotos am Coveruntersagte. Das Haider-Rildmußte mit Etiketten abgedecktwerden. Durch Klagsdrohungenund Klagen gegen dutzendeösterreichische Buchhandlungensollte der Vertrieb des Buchesabgewürgt werden.Mit Beschluß vom 25. März1994 gab das OberlandesgerichtWien dem von RA Dr. HeinrichKeller eingebrachten Rekurs desDokumentationsarchivs desösterreichischen Widerstandesund des Verlages Deuticke Folgeund hob die EinstweiligeVerfügung des HandelsgerichtesWien auf. Haider wurde zurZahlung der Prozeßkosten verurteilt.Im Urteil wurde festgestellt,"daß das gegenständlicheBuch das breite politischeSpektrum des österreich ischenRechtsextremismus abhandelt,das von der Haider-FPÖ überzahlreiche extreme Organisationenbis hin zu militanten <strong>recht</strong>sextremenoder aber auch neonazistischenGruppierungenreicht". Den Autoren und demHerausgeber wurde zugestanden,daß "sowohl bei der Begriffsbestimmungals auch beider darauf fußenden Kategorisierungvon Organisationen eindeutigzwischen Rechtsextremismusund Neonazismus differenziertwird." In bezug auf dievon Jörg Haider inkriminierteVerbindung seines Porträts mitder Reichskriegsflagge kam dasGericht zu dem Ergebnis, daßdiese Flagge keine nationalsozialistischeist, sondern "Symboldes großdeutsch orientiertenRechtsextremismus" und daßdie Staatsordnungen, die die abgebildeteFlagge verwendet haben,in der politischen Rangordnungdes Klägers einen großenStellenwert haben ". Gegen denBeschluß des OLG Wien kannDr. Haider beim OGH einaußerordentliches Rechtsmitteleinlegen. Das Rechtsextremismus-Handbuchkann nun wiedermit dem Haider-Foto undder Reichskriegsflagge vertriebenwerden.BeleidigungAufregende Lokalegibt's genugGeh in'sLange!Deutschland. (Ii/sz) Nach einemEntscheid des deutschenBundesverfassungsgerichts(BVG) fällt auch die Post vonStrafgefangenen unter den1~!!t!JJ •~II~~lF~~,~ ~11~STUDENTENBEISL LANGEWien 8, Lange Gasse 29geöffnet täglich 18 00 bis 2 00 UhrIn den Sommermonaten durchgehend geöffnetBier vom Faß:Puntigamer Pantheraus der Steiermark,Mohrenaus Vorarlberg,Guinnessaus IrlandGroße Auswahl an Malt-WhiskiesSeite 6JURIDIKUM Nr 3/94


MerkwürdigSchutz der Privatsphäre. Wegenbeleidigender Äußerungen überdas Wachpersonal kann ein Absendernicht wegen Beleidigungverurteilt werden.Damit hob das BVG die Verurteilungeiner Frau auf, derenBruder in Untersuchungshaftgesessen hatte und wegen angeblichschlechter Behandlungdurch die Wachen Selbstmordgedankennachhing. Daraufhinverglich die Frau in einem vertraulichenBrief an ihren Bruderdas Wachpersonal mit Schwachsinnigenund KZ-Aufsehern.Die Beleidigungsklage kamnach Öffnung des Briefes beider Postkontrolle. Nach mehr alszwei Jahren Prozeßdauer beiverschiedenen Gerichten wurdedie Frau 1988 verurteilt. Ihr Verfassungsrekurswar nun erfolgreich.Laut BVG seien Beleidigungenzwar nicht vom Recht auffreie Meinungsäußerung gedeckt,die Äußerungen seienhier aber in eine Sphäre gefallen,die von Dritten abgeschirmtsei. Trotz der zulässigen Briefüberwachungin Gefängnissenfielen persönliche Briefe unterAbendlandden Schutz der Privatsphäre. EineVerurteilung wegen Beleidigungkomme nur in Betracht,wenn ein Absender absichtlichdie Briefform wähle, um dieBriefkontrolleure persönlich herabzusetzen.Europäische Union/Ostfront.(wi/AKIN) Nach seinemBeitritt zur EU wird ÖsterreichsOstgrenze zugleich die GrenzeEuropas sein. Diese Grenzemüsse dann wirksam geschütztwerden, forderte die Flüchtlings-und Integrationssprecherinder ÖVP, Dr. Marilies Flemming,in einer gemeinsamenKonferenz mit ÖAAB-GeneralsekretärMag. Walter Tancsitsam 3.Mai. "Jenseits der Grenzespielt sich der Balkan ab", soFlemming, und das Europa derZukunft müsse "ein christlichabendländisches Gebilde" sein.Das Problem der Armutsmigrationsei nicht "mit Maschinenge-wehrsalven" sondern nur mitwirtschaftlicher Unterstützungzu lösen. Zu konkreten Auswirkungeneines Beitrittes auf dieSicherheitspolitik in Österreichmeinte Flemming, es werdenauch für Österreich dieGrundsätze einer gemeinsamenAsyl- und Flüchtlingspolitik(siehe oben - Schweden) gelten.Im Mittelpunkt würden dabeidie wichtigsten Punkte desSchengener Abkommens stehen,so etwa die Kontrolle derAußengrenzen, die Einführungeiner gemeinsamen Visumspolitikund die Errichtung eines gemeinsamenInformationssystems.VerfassungsgoHDeutschland. (Ii/jaz) Die ersteniedersächsische Volksinitiativenach der neuen Verfassung, dieauf die Verankerung eines Gottesbezugesin der Verfassungspräambelzielt, hat ihr Ziel erreicht:Die "Verantwortung vorGott und den Menschen" istjetzt drinnen, angenommennoch vom alten Landtag mit 108gegen 43 Stimmen. Im Vorjahrwar die Passage von der rot-grünenKoalition blockiert worden.Die neu eingeführten direktdemokratischenElementebrachten die Angelegenheit abernoch einmal ins Landtagsplenum:120000 Unterschriften füreine Volksinitiative (entsprichtdem österreichischen Volksbegehren)wurden von jüdischen,katholischen und protestantischenLaien gesammelt.Während der HildesheimerBischof Hohmeier in einemSchreiben meinte: "Es liegt imInteresse aller Bürger Niedersachsens,die Unverfügbarkeitder fundamentalen Rechte zu sichern.Für eine letzte, jedemZugriff entzogene Instanz habenwir auch in einem weltanschaulichneutralen Staat kein besseresWort als ,Gott''', hieltenBündnis 90/Grüne dagegen, dieanderen Menschen<strong>recht</strong>e undStaatsziele der Verfassung würdendurch die neue Präambelabgewertet und Nichtgläubigedadurch diskriminiert.zurEU!-~-~~~ ~e·~~,."w-~~.~-0c«cD.~-V):::>m:::>«c0~.;::-cU-0INI'...ll)Q)V) cV) Q)o .-g'~:5 ~-50(/)KPÖt:E'Qjco::)u.J:00 a...E~Q) Q)-c.:.af-'-E Q):::> ....cN ::::>c CQ) Q)c c.Q .Q~ "5 "5-c E Eu '- '-:0~ ~E c C-c~0 0.±:.~..cuVIs::::«Nr 3/94JURIDIKUMSeite 7


Recht & GesellschaftVERFASSUNGSGESETZ ÜBER DEN EU-ßEITRITI OSTERREICHSVolksabstimmungals BlankoscheckDie am 12. Juni 1994 staHfindendeEU-Volksabstimmunghat nicht den BeitriHsvertragselbst, sondernein zum BeitriH ermächtigendesBundesverfassungsgesetzzum Gegenstand.Ein Umstand,der zahlreiche verfassungspolitischunerwünschteKonsequenzennach sich zieht.Ein Beitritt Österreichs zur EuropäischenUnion stellt eine Änderung des demokratischen,<strong>recht</strong>sstaatlichen, gewaltentrennendenund bundesstaatlichen Prinzips derösterreichischen Bundesverfassung dar. Art.44 Abs. 3 B-VG normiert, daß derartige "Gesamtänderungen"des B-VGs einer Volksabstimmungzu unterwerfen sind. Ob Gesamtänderungenauch durch einen Staatsvertragherbeigeführt werden können, ist umstritten.Denn der die parlamentarische Genehmigungvon Staatsverträgen regelnde Art. 50B-VG verweist zwar auf Art. 44 Abs. 1 und 2,nicht aber Art. 44 Abs. 3. Dieser fehlendeVerweis wurde ganz unterschiedlich interpretiert:Das Spektrum der vertretenen Auffassungenreichte von der Unzulässigkeit einerGesamtänderung im Wege eines Staatsvertragesüber die analoge Anwendung desArt. 44 Abs. 3 bis zur Meinung, gesamtänderndeStaatsverträge könnten aufgrund desfehlenden Verweises auch ohne Volksabstimmunggenehmigt werden.Das Bundesverfassungsgesetz über denBeitritt Österreichs zur Europäischen Unionversucht, diese Meinungsdivergenzen zuumschiffen, indem sie eine spezialgesetzlicheErmächtigung zum Abschluß des Beitrittsvertragesschafft. Nur dieses Bundesverfassungsgesetzsoll einer Volksabstimmungunterworfen werden, nicht aber derauf dessen Grundlage abgeschlossene Beitrittsvertrag selbst.Im Zusammenhang mit diesem Bundesverfassungsgesetzgibt es eine Reihe ungelösterProbleme:1. Ein Beitritt Österreichs zur EU führt zutiefgreifenden Eingriffen in die österreichischeVerfassungsordnung. WeitereVerfassungsänderungen (B undesstaatsreform,Mitwirkung des Nationalrats in Integrationsangelegenheiten,etc.) stehenmit einem EU-Beitritt zwar nicht in einem<strong>recht</strong>lichen, wohl aber in einem engenpolitischen Zusammenhang. All dieseVerfassungsänderungen liegen demNationalrat und dem Bundesvolk bis zumheutigen Tage nicht vor!2. Keiner der bisherigen EU-Mitgliedstaatenhat sich der Rechtsordnung der EuropäischenUnion bedingungslos unterworfen.Zumindest der jeweilige Kernbereichder Verfassung der Mitgliedstaatenist vor Fehlentwicklungen des europäischenIntegrationsprozesses geschützt.Das der Volksabstimmung zugrundeliegendeBundesverfassungsgesetz vermeidetes, zu dieser Frage der ausdrücklichen"Integrationsschranken " Stellungzu nehmen.3. Die österreichische Volksabstimmungtiber einen EU-Beitritt findet noch vorUnterzeichnung des Beitrittsvertragesstatt. Soll die Volksabstimmung nicht zueiner Art "Blankoscheck" verkommen, sowäre eine möglichst präzise Anbindungan das erzielte Verhandlungsergebnisnotwendig.Zufällige Verschleierung?Das vorliegende Bundesverfassungsgesetzüber den Beitritt Österreichs zur EuropäischenUnion besteht nur aus einer lapidarenErmächtigung zum Abschluß dCis Beitrittsvertrages.Über die Tragweite der mit diesemBundesverfassungsgesetz verbundenenVerfassungsänderungen (genereller Vorrangdes EU-Rechts vor österreichischem Recht,Beschränkung der Prüfkompetenz des Verfassungsgerichtshofes,Beseitigung des Legalitätsprinzips[Art. 18 B-VGl für den Bereichdes EU-Rechts, ... ) wird die Bevölkerungbei der Volksabstimmung damit (bewußt?)im Unklaren gelassen. Die angeführ-ten Änderungen der österreichischen Verfassungsordnungsind aber automatische Folgeneines EU-Beitritts. Im Sinne einer vollständigenInformation der Bevölkerung überdie verfassungs<strong>recht</strong>ichen Folgen eines EU­Beitritts wäre es naheliegend gewesen, diese- zwingend erforderlichen - Verfassungsänderungendem Nationalrat bereits vor derVolksabstimmung vorzulegen. Der Umstand,daß dies nicht geschehen ist, kann nurso interpretiert werden, daß die Bundesregierunggar kein Interesse an einer umfassendenInformation der Bevölkerung überdie mit einem EU-Beitritt verbundenen Verfassungsänderungenhat.Die lapidare Formulierung des vorliegendenBundesverfassungsgesetzes über denBeitritt Österreichs zur Europäischen Unionhat aber auch zur Folge, daß Änderungender österreich ischen Verfassungsordnung,die mit dem Beitritt zur EU nur in einempolitischen, nicht aber <strong>recht</strong>lichen Zusammenhangstehen, nicht in die durch den EU­Beitritt modifizierten Grundprinzipien derösterreichischen Verfassungsordnung Eingangfinden. Betroffen davon sind etwa dieBundesstaatsreform, die Regelung zur Mitwirkungder Bundesländer an der Integrationspolitikdes Bundes, flankierende Regelungenbetreffend die parlamentarische Mitwirkungin EU-Angelegenheiten etc. Diegenannten Regelungen stehen insofern ineinem politischen Zusammenhang zum EU­Beitritt, als sie den Einflußverlust, den dieösterreichischen Bundesländer und dasösterreichische Parlament durch einen EU­Beitritt erleiden, abmildern sollen. Aus Sichtder Bundesländer und des Parlaments wärees wünschenswert gewesen, wenn diese begleitendenÄnderungen der österreichischenBundesverfassung Eingang in die neuen modifiziertenGrundprinzipien der österreich i­schen Verfassungsordnung gefunden hätten.Nur dadurch wären die Mitwirkungs<strong>recht</strong>eder Bundesländer und des Parlaments ander österreichischen Integrationspolitik inder verfassungs<strong>recht</strong>lichen Grundordnungfestgeschrieben worden und könnten in derFolge auch von einer Zweidrittelmehrheitnicht mehr beseitigt werden. Bei der jetztgewählten Vorgangsweise erhalten dieseMitwirkungs<strong>recht</strong>e dagegen keine baugesetzlicheBestandsgarantie. Mehr noch: Miteinem positivem Ausgang der EU-Volksabstimmunghat die Bundesregierung ihre integrationspolitischenZiele vollständig erreicht.Ob und in welcher Form in der FolgeParlamente und Bundesländer für ihren Einflußverlustentschädigt werden, hängt vompolitischen Willen der Bundesregierung ab.Rechtlich besteht dazu selbstverständlichüberhaupt keine Verpflichtung.Ein zwingender verfassungs<strong>recht</strong>licherAnpassungsbedarf ergibt sich auch hinsichtlichder österreichischen Neutralität. Bekanntlichhat die österreichische Bundesregierungdie 1989 vom Nationalrat gefordertevölker<strong>recht</strong>liche Absicherung der Wahrungder österreichischen Neutralität im Beitritts-Seite 8JURIDIKUMNr 3/94


vertrag nicht erreicht. Eine derartige Absicherungwurde von der Bundesregierungwiediese freimütig zugibt - nicht einmal angestrebt.Österreich hat aber nicht nur keineAbsicherung der Neutralität im Beitrittsvertragerreicht, sondern sogar umgekehrt derEuropäischen Union eine wesentliche Einschränkungder österreich ischen Neutralitätzugesichert: In einer im Rahmen der Beitrittsverhandlungenabgegebenen österreichischenErklärung geht Österreich davonaus, "daß die aktive und solidarische Mitwirkungan der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitikmit seinen verfassungs<strong>recht</strong>lichenRegelungen vereinbar sein wird. Entsprechendeinnerstaatliche <strong>recht</strong>liche Anpassungenwerden angesichts der geändertenpolitischen Rahmenbedingungen in Europaim Zusammenhang mit dem Beitritt Österreichszur Europäischen Union vorzunehmensein". Es ist beim besten Willen keinsachlicher Grund dafür erkennbar, warumauch diese - zwingend erforderliche undüberdies ausdrücklich zugesicherte - Verfassungsänderungerst nach Abhaltung derVolksabstimmung durchgeführt werden soll.Keine IntegrationsschrankenDie lapidare Formulierung des Bundesverfassungsgesetzesüber den Beitritt Österreichszur Europäischen Union enthält keinerleiausdrückliche Schranken für die Weiterentwicklungdes europäischen Integrationsprozesses.In den Erläuterungen wirddazu die Auffassung vertreten, daß durchden EU-Beitritt Österreichs die Grundprinzipiender österreichischen Bundesverfassungzwar modifiziert würden, in dieserumgestalteten Ausprägung jedoch bestehenbleiben. Eine künftige Änderung des Unionsvertrages,die abermals gesamtänderndenCharakter hätte, würde daher erneut einerVolksabstimmung unterworfen werden müssen.Die Regierungsvorlage läßt jedoch offen,welche konkreten möglichen Änderungendes Unionsvertrages zu einer derartigenneuerlichen Gesamtänderung führen würden.Damit wird auch in Zukunft die zentraleFrage, ab wann eine Verfassungsänderungderart gravierend ist, daß sie einer Volksabstimmungunterzogen werden muß, mit einemhohen Maß an Rechtsunsicherheit behaftetbleiben.Darüber hinaus wurden im Zuge der Unterausschußberatungenvon Prof. Griller aberauch grundSätzliche Zweifel am verfassungspolitischenKonzept der Regierungsvorlagegeäußert: Denn anders als in allen anderenEU-Mitgliedstaaten erfolgt der österreichischeBeitritt mittels höchstrangigen Verfassungs<strong>recht</strong>s.Damit könnte - so Griller - dieAuffassung vertreten werden, daß sichÖsterreich gegen Fehlentwicklungen innerhalbder EU nur mit den gemeinschafts<strong>recht</strong>lichvorgesehenen Rechtsbehelfen zurWehr setzen kann. All diesen Problemenhätte durch die ausdrückliche Aufnahme vonNr 3/94Integrationsschranken (zB hinsichtlich derErhaltung des österreichischen Grund<strong>recht</strong>sstandards,der österreichischen Bundesstaatlichkeit,etc) begegnet werden können. Freilichhätte dies eine politische Einigung aufeinen integrationsfesten Kern unserer Bundesverfassungerfordert, die schon aus zeitlichenGründen (dem Nationalrat standen zurBeratung des BVGs über den Beitritt Österreichszur EU etwa eineinhalb Monate, demBundesrat ganze zwei Tage zur Verfügung)nicht möglich war.Weite Spiel räumeDas vorliegende Bundesverfassungsgesetzüber den Beitritt Österreichs zur EuropäischenUnion ermächtigt in Art I zum Abschlußdes Staatsvertrages "über den BeitrittÖsterreichs zur EU entsprechend dem am12. April 1994 von der Beitrittskonferenzfestgelegten Verhandl ungsergebnis". Gegenstandder Volksabstimmung ist somitdiese Ermächtigung und nicht der Beitrittsvertragselbst. Erst nach der Volksabstimmungwird es auf der Grundlage des Bundesverfassungsgesetzesüber den Beitrittzur EuropäischenUnion zur Unterzeichnung undanschließenden Genehmigung des Beitrittsvertrageskommen. Aufgrund dieser zeitlichenAbfolge ist es aus demokratiepolitischenGründen von entscheidender Bedeutung,daß in Art. I des Bundesverfassungsgesetzesüber den Beitritt Österreichs zur EuropäischenUnion eine möglichst enge Anbindungan das erzielte Verhandlungsergebnis,wie es im Bericht zu III-176 dBeil. derstenographischen Protokolle des Nationalratsfestgehalten wird, erfolgt. Denn dieserBericht stellt die einzige Quelle dar, aufgrundderer sich Nationalrat und Bevölkerungeine Meinung über das Verhandlungsergebnisbilden können. Eine ·weniger präziseAnbindung würde zum demokratiepolitischunerträglichen Ergebnis führen, daßam Beitrittsvertrag noch nach der Volksab-JURIDIKUMRecht & Gesellschaftstimmung Nachbesserungen vorgenommenwerden können und die Volksabstimmungselbst somit zu einer Art Blankoscheck verkommenwürde.Die Sorge, daß es zu einer Nachbesserungdes Beitrittsvertrages kommen könnte,ist keineswegs Ergebnis eines krankhaftenMißtrauens gegen die Bundesregierung. Sieist vielmehr aufgrund eines vom Leiter desVerfassungsdienstes des Bundeskanzleramts,Holzinger">, für den 12. österreichischen Juristentagerstellten Gutachtens mehr als begründet:Darin wird ein "ausdrückliches Abstellen"auf die paraphierte Fassung des Beitrittsvertragesals "staatspolitisch untragbar"bezeichnet. Aufgrund der Erfahrungen mitdem EWR-Abkommen könnten "geringfügige"Änderungen nicht von vornherein ausgeschlossenwerden. Die "geringfügigen"Änderungen am EWR-Abkommen bestandenz.B. darin, daß aufgrund eines verwerfendenGutachtens des Europäischen Gerichtshofesdas gesamte bereits erzielte Verhandlungsergebnisim Institutionenbereichvon der EU wieder in Frage gestellt und inder Folge völlig neugestaltet wurde. Nachder Nichtteilnahme der Schweiz am EWRwurde der bereits sogar unterzeichnete (!)Vertrag derart abgeändert, daß z.B. die ZahlungenÖsterreichs an die "Kohäsionsländer"der EU erheblich erhöht wurden.Demgegenüber wurden in den UnterausschußberatungenVermutungen,das Abstellen auf ein nicht näherdefiniertes "Verhandlungsergebnis"könnte eine Hintertür fürNachbesserungen des Beitrittsvertragesdarstellen, zurückgewiesen.Gedacht sei lediglichan die Beseitigung vonÜbersetzungs-, Druck- und Zitierungsfehlern,sowie an Formalanpassungenfür den Fall, daß etwaeiner der Beitrittswerber aufgrundeines ablehnenden Volksentscheidesdoch nicht der EU beitritt.Aufgrund eines Abänderungsantragesvon SPÖ und ÖVP stellt dieschlußendlich verabschiedete Fassungdes Bundesverfassungsgesetzes aufdas "am 12. April 1994 von der Beitrittskonferenzfestgelegte Verhandlungsergebnis "(dieser Vorgang ersetzt die sonst bei völker<strong>recht</strong>lichenVerträgen übliche "Paraphierung")ab. Es ist daher davon auszugehen,daß Veränderungen des Textes des Beitrittsvertrages- etwa im Zuge von Nachverhandlungenbei Ratifikationsproblemen einesEU-Staates - einer neuerlichen Volksabstimmungunterzogen werden müßten. Diesselbst dann, wenn die Änderungen vom Verfassungsdienstdes Bundeskanzleramts bloßals "geringfügig" eingestuft werden. Diesmag zwar "staatspolitisch untragbar" sein, istaber demokratiepolitiseh unverzichtbar.(1) 12. ÖlT Ba1ld 1/1,157 ffMag. Felix Ehrnhöfer arbeitet als Jurist in der Rechtsabteilungdes Grünen Klubs im Parlament.Seite 9


Recht & GesellschaftSeit Maastricht ist eine "Gemeinsame AußenundSicherheitspolitik" (GASP) als Standbeinder Europäischen Union institutionalisiert.Wilfried Graf wird in einer dreiteiligenJURIDIKUM-Serie den politischen status quo,Szenarien zur Regierungskonferenz 1996und Auswirkungen auf Souveränität undNeutralität der Staaten Europas beleuchten.DIE GEMEINSAME AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITIK DER EUDer Wille zurSupermacht IDie EG als komplexe internationale Integrationneuer Qualität war von Beginnan ein schlechter Kompromiß auf Kosten derDemokratie in den nationalen Mitgliedstaaten.Die EU droht ein noch schlechtererKompromiß zu werden - im besonderenaber auf Kosten des Friedens.Jede Kontroverse um die gemcinsameAußen- und Sicherheitspolitik der EU konfrontiertuns mit der scheinbaren Polaritätder Bilder, die dabei beschworen werden.Einerseits das Bild von der Friedensleistungnach innen, durch eine funktionalistischeVerflechtung chemaliger Feinde, die einenzwischenstaatlichen Krieg zwischen ihnenunmöglich erscheinen läßt. Andererseits dasBild von einer zukünftigen Supcrmacht, mitder zentralisierten Verfügung über enormeaußenpolitische und verteidigungs politischeKapazitäten, die dann auch zum Einsatz gebrachtwerden könnten. Diese Bilder widerspiegelneine strukturelle Ambivalenz, dieden Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozessenin der EG/E U selbst zugrundeliegt.Dies hat vor allem mit den Widersprücheneines schrittweisen Übergangs vonkonföderalen zu föderalen Strukturen imMaastricht-Projekt zu tun. Dabei wird heutezwar eine bundesstaats-ähnliche Konstruktionals Leitbild noch keineswegs von allenBeteiligten akzeptiert, aber umgekehrt ist einebloß staatenbund-ähnliche Konstruktionbereits überwunden.Der Vertragsentwurf für die MaastrichterGipfelkonferenz im Dezember 1991 beinhaltetebereits den Hinweis auf eine EuropäischeUnion (EU) mit "föderalem Ziel".Er mußte aber wegen des britischen Vetosgeändert - oder besser: umgeschrieben -werden. Im endgültigen Vertragswerk, dasim Februar 1992 signiert wurde, ist dic Redevon "einer immcr engeren Union". DasMaastricht-Projekt bedeutet einen qualitativenSprung am Schnittpunkt einer bislanghaupsächlich wirtschaftlichen Integrationhin zu ciner zukünftig hauptsächlich politischenIntegration mit zwei Haupthebeln -einheitliche Währung und gemcinsame Sicherheit.Gegenwärtig ist Maastricht ein politisch-kulturellesMobilisierungs - undTransformationsprojekt, mit einer widersprüchlichenDoppelstruktur aus konföderalenund föderalen Elementen, das Weichenst};:)lungenin Richtung einer föderalen Uniorrdurchzusetzen versucht. Mit einer einheitlichenWährung und mit einer gemeinsamenVerteidigung wäre die EU eine bundesstaats-ähnlicheKonstruktion, wenn auch -anders als die sprachlich homogenisiertenUSA - multinational.Eine Konföderation (wic die EG) ist diebeste Formel für Frieden zwischen Staaten,weil 12 Länder mit individueller AußenundSicherheitspolitik nur schwerlich einegemeinsame Aktion gegen ein drittes Landrichten können. Eine Föderation (wie diezukünftige EU) kann dagegen leicht eineFormel für Aggresion gegcn andere Länderwerden.In Konjiideratiotlell können die Mitgliedsstaatengleichbe<strong>recht</strong>igte Beziehungen eingehenund ein System für Konfliktlösunguntereinander bilden. Dieses System funktioniertam besten, wenn die Teilnehmerländerungefähr gleich groß sind, was bei derEU nicht der Fall ist. Aber eine Konföderationwird kein inneres System aufbauen, dassie so weit stärkt, daß sie selbst ein ilkteurauf der Weltbühne wird und entsprechendhandelt. Interne Debatten und Veto<strong>recht</strong>ekönnen verhindern, daß Konföderationenzum Mittel des Krieges greifen.Eine Fiirleratioll hat größere Freiheit,nach außen hin zu handeln als jedes Mitgliedsland,weil ci ne starke Arbeitsteilungzwischen Zentrum und Peripherie bestcht.Das Zentrum steuert die Finanz-, AußenundVerteidigungspolitik im Auftrag sämtlicherMitgliedsländer, die Peripherie steuertdie Lokalpolitik. Auf lange Sicht kann jedocheine Föderation so sehr die Wirkungeiner Zwangsjacke annchmen, daß sie jahrhundertealteSpannungen zwischen cinzelnenMitgliedsländern nicht mehr absorbierenkann. Die Erfahrung zeigt, daß multinationaleFöderationen zusammenbrechen,wie es in der Sowjetunion, Jugoslawien undder Tschechoslowakei in den letzten Jahrengeschehen ist (und Rußland folgt wohl baldnach)." (vgl. Galtung)Die GASP alsideologischer Hebel •.•Einerseits hat die "Gemeinsame AußenundSicherheitspolitik" (GASP) im MaastrichterVertragswerk noch intergouvernementalenCharakter. Andererseits bleibt sienicht mehr formell von den EG-Institutionengetrennt, sondern wird eng an die institutionelleStruktur des EG-Vertragssystemsangegliedert. An die Stelle der bisher weitgehendunverbindlichen außen- und sicherheitspolitischenKoordination treten ver-.bindliche Grundsätze und allgemeinc Leitlinien.Bei den Zielsetzungen rangiert dieUnion immer primär vor den Mitglicdstaaten,z.B. wird von der Sicherheit und den Interessen"der Union und ihrer Mitgliedstaaten"gesprochen. In den Bereichen, in denen"wichtige gemeinsame Interessen" bestehen,beschließt der Rat "GemeinsameAktionen", die für die Regierung~n der Mitgliedstaatenvcrbindlich sind. Dicse Beschlüssemüssen einstimmig erfolgen, jedoch"bei der Annahme einer gemcinsamen Aktionund in jcdem Stadium ihres Verlaufs bestimmtder Rat die Fragen, über die mit qualifizierterMehrheit zu entscheiden ist." (ArtikelJ. 3 [2])In der "Erklärung zu den Abstimmungenim Bereich der GASP" in der Schlußakte desUnionsvertrags wird die Einstimmigkeitsregelidcologisch unterlaufen: "Die Konferenz·kommt überein, daß die Mitgliedstaaten beiEntscheidungen, die Einstimmigkeit erfordern,soweit wie möglich davon absehen, dieEinstimmigkeit zu verhindern, sofern einequalifizierte Mehrheit für die betreffendeEntscheidung besteht."Mit Artikel./.4 (2) ersucht die Union "dieWesteuropäischc Union (WEU), die integralerBestandteil der Entwicklung der EuropäischcnUnion ist, die Entscheidunge~und Aktionen der Union, die verteidigungspolitiseheBezüge haben, auszuarbeiten undSeite 10JURIDIKUMNr 3/94


durchzuführen." Die verteidigungspolitischenFragen müssen laut Artikel J.4 (4) mitder im Rahmen der NATO festgelegten Politikvereinbar sein (was eine Politik derNeutralität verunmöglicht), brauchen abervorerst nicht mit qualifizierten Mehrheitenentschieden werden (was den Briten undFranzosen erlaubt, die Souveränität über ihrenukleare Abschreckung zu bewahren).Doch "kann dieser Artikel ... 1996 ... revidiertwerden." (Artikel J.4 [6])Bis dahin kann der Übergang von konföderalenzu föderalen Entscheidungsprozessenim Maastrichter Vertrag noch nicht legistischgelöst werden. Er wird aber auf zweifacheWeise massiv ideologisch vorangetrieben:einerseits durch den besonderen undumfassenden Stellenwert, der dem Politikfeld"Sicherheit" - und damit der Konstruktionäußerer Bedrohungsbilder undFeindbilder - für den Aufbau der Union gegebenwerden, andererseits durch die Konstruktioneines primären Gesamtinteressesder Union. Die GASP verpflichtet die Mitgliedstaatenzu einer Art vorauseilender Gefolgschaftskultur,die an den "demokratisehenZentralismus"der Breschnew-Doktrinerinnert und einen freiwilligen Verzicht aufjede politische Autonomie bürokratisch erzwingenwill:Al1ikel1. J (4): " Die Mitgliedstaaten llllten·tiit-z,e7ldie Auflm- ulld Sitherheitspolitik der lIllioll aktivulld vorbehaltlos im Geist der Loyalität lwd gege1lJritigenSolidarität. Sie ettthalten sith jederH {{1Idlullg; die dm InteresseIl der lIllioll zuwiderläujioder ihrer Wirksamkeit als kohäreme Kmjiill dm illtematiollalm Beziehullgell schadm kb"1l11-te. Der Rat trägt fiir die Eillhaltzmg dieserGrulldsätze Sorge. "Manfred Rotter ist darin <strong>recht</strong>zugeben,"daß die GASP nicht nur die Aufgabe hat,die Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaatensozusagen untereinander zukoordinieren, sondern - das halte ich für besonderswichtig - die Europäische Union alseigenen, und zwar neuen Akteur auf der internationalenEbene zu installieren. Es werdenalso nicht nur die Mitgliedstaaten entlangeiner gemeinsamen Linie auf der internationalenEbene koordiniert auftreten, sondernes ist vorgesehen, daß die EuropäischeUnion als neue - vielleicht müßte man sagen- Großmacht agieren wird" (Rotter 106 f.).Die GASP ist also ein konföderales Instrumentarium,deren Sinn aber darin besteht,ein quasi föderales Instrumentariumaufzubauen, mit dem die EU als vereinheitlichterAkteur "mit einer Stimme" auf derWeltbühne vortreten kann - vor allem auchin der UNO, in der KSZE und bei den NA­TO-Partnern. Vor dem Hintergrund und mitcjem Rohmaterial der äußerst brisanten Konfliktkonstellationenin Europa lind in derWelt wird die GASP eine ideologischeSchlüsselrolle für die Herausbildung eines"Euro-Super-Nationalismus" und der Konstruktioneines" Willens zur Supermacht"bekommen.Nr 3/94Voraussichtlich werden zwischen derGipfelkonferenz 1996 und dem Auslaufendes WEU-Vertrags 1998 das derzeit aus französischen,deutschen und belgisehen Streitkräftengebildete "Eurokorps" der WEUund die WEU dem EU-Rat unterstellt werden.Dieser kann als eigenständiger Akteurdiesen "europäischen Pfeil der NATO"dann auch "out of area" zum Einsatz bringen- im Rahmen einer komplexen Arbeitsteilungeiner konföderalen nordwestlichen Militär-Kooperation- sowohl allein als auch gemeinsammit NATO, UNO, KSZE. Dabeizeichnen sich drei Einsatzfelder ab: "Peaceenforcement" in Oste uropa, schnelle Eingreiftruppen in den südlichen AKP-Staaten(Länder aus dem afrikanischen, karibischenund pazifischen Raum, die mit der EG handelspolitischeAbkommen abgeschlossen haben),sowieUnterstützung von "Menschen<strong>recht</strong>s" -Interventionen, Bestrafungsaktionenund vorbeugenden MIC-Aktionen (MiddleIntensity Conflict) auf globaler Ebene.••• und troianisches PferdDie GASP ist vorerst ein Kompromiß zwischender Unterordnung der EU unter dieNATO - d.h. der britischen Konföderations­Strategie - und dem Aufbau einer autonomenWEU - d.h. der französischen Föderations-Strategie.Deshalb muß die GASP einstweilenmit der NATO-Strategie vereinbarbleiben und wird die WEU als europäischerPfeiler der NATO organisiert. Beide Strategienverteidigen die nationale Souveränitätüber die Atomwaffen als Faustpfand, umden Gefahren einer deutschen Resouveränisierungzu begegnen. Zugleich stellt dasfranzösisch-deutsche Eurokorps einen Kompromißhinsichtlich dieser Resouveränisierungswünschedar. Die Anerkennung Kroatienswar ein Nachgeben der Franzosen undBriten, um den Aufbau einer einheitlichenund kohärenten GASP nicht zu gefährden.Der Zusammenbruch des bürokratischen Sozialismusim Osten hat den deutsch-französischenKompromiß aber empfindlich erschüttertund ihm längerfristig vielleicht überhauptden Boden entzogen. Die deutscheStrategie setzt vor allem auf eine rasche Erweiterungder EU und ein "System konföderalerZusammenarbeit" mit Osteuropa.Die katholisch ostmitteleuropäische Strategieder " Internationalisierung" der ethno-nationalenSouveränisierungs-Strategien gegenüberden orthodox-postkommunistischenFöderationen kommt der deutschen Strategieentgegen. Und umgekehrt.Für Jacques Attali ist das Ziel der französischenStrategie, über den Maastrichter Vertrageine europäische föderale Union durchzusetzen(Szenario 1), objektiv schon seit1989 verspielt. Um Maastricht radikal umzusetzen,müßte wahrscheinlich nicht nur aufdie Neutralen, sondern auch auf Großbritannienverzichtet werden.Mit der Entscheidung zur EU-Erweiterung,zunächst mit den Neutralen, beginntJURIDIKUMRecht & Gesellschaftein System konföderaler Zusammenarbeitbis an die Grenzen Rußlands (Szenario 2).Es wird die geopolitische Strategie inDeutschland stark begünstigen und dieideologische Hegemonie Frankreichs in derEuropapolitik endgültig untergraben.Falls das "System konföderaler Zusammenarbeit"sich durchsetzt, ohne substantielleUmsetzung des Maastrichter Vertrags,prognostiziert Attali in der Folge eine weitereRegression der Integrationspolitik, mit einereuroatlantischen Union als transatlantischeFrc;ihandelszone (Szenario 3), die wiederumdie Briten stark begünstigen, aberEuropa in völlige Abhängigkeit von denUSA bringen würde.In diesen drei Szenarios gibt es drei verschiedenePerspektiven für die GASP: Szenario1, mit der WEU als immer autonomererPfeiler der NATO, bei sinkendem Einflußder USA. Szenario 2, mit wenig Möglichkeitenfür eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitikund stärkerem Einfluß derUSA. Schließlich Szenario 3, mit einer völligenUnterordnung unter die NATO .Wie allerdings Johan Galtung, Edgar Morinu.a. seit langem gezeigt haben, liegt dereinzig realistische Weg zu europäischer undglobaler Sicherheit in einer institutionalisiertenKooperationsgemeinschaft mit den historischenFeinden Kerneuropas. Nur eine kontinentaleUnion als eine paneuropäischeKonföderation kann auch Rußland und dieTürkei integrieren und dadurch eine wirklicheFriedensordnung - mit einer konföderalengesamteuropäischen Sicherheitsstruktur,die die Grenzen im Osten nicht mehr öko nomistischoder kulturell bestimmt - schaffen.Nach Attali wird dieses jetzt scheinbar völligutopische Szenario 4, das bereits von Gorbatschowund Mitterand ins Spiel gebracht wurde,längerfristig realisierbar werden, weil esauch im strategischen Interesse der USA liegenkönnte, die ein stabiles Europa als Partnerbrauchen.Solange ein gesamteuropäisch vernetztes,strukturell angriffsunfähiges System kooperativerSicherheit - als europäische Regionalorganisationder UNO - nicht funktioniert,heißt es, dafür zu arbeiten. Die Neutralenkönnen das nicht im Rahmen der GASP - alsoheißt es im EWR zu bleiben oder einenEU-Beitritt ohne GASP zu erkämpfen.LiteratlIr: Jal"qlles Attali, Ellrope(s), Fayard, Paris1994; illmifred Rotter, Östen-eiths kiiliftige Siehe/heitspolitik,ill: Elke Relliter Manfred Satter (Redaktioll),Niemals Frieden? Allalvse lI1ld Betrachtungelt zur We/torrl!ulIIg,&hlllhejt 72/1994; Johctlt Galtlillg, Erotopia.Die Zltklllift ei1les KOlltillellts, POl1lledia, Wien1993; Reillhardt Rummel, Toward Politira! Ullion.P/cwillg {/ (;olllmon FOI-eigll {md Semrity PoliC!' in theEaropealt (;Ollllllllity, Nomos, Baden-Badelt 1992; DieterSeltgha{/s, Wohill driftet die Welt, editioll sllhrkttlllp,Frallkfll111994Wilfried Graf ist Mitarbeiter des ÖsterreichischenStudienzentrums für Frieden und Konfliktläsung aufBurg Schlaining (ÖSFK) und sicherheitspolitischer Referentim Grünen Parlamentsklub.Seite 11


Recht & GesellschaftDIE AUSWIRKUNGEN DER KONKURSORDNUNGSNOVELLEHerbert ist blank·AIEt){~l1der~llt~n~·M~ly·"Eine schöne Bescherung,so kurz nach Weihnachten",meinte der Leiter derRechtsabteilung der BankAustria AG, Dr. pfaHel. Ursacheseiner Unmutsäußerungwar der Beschluß desNationalrates vom30. 12. 1993 zur Konkursordnungsnovelle.Gemeintist damit der mit 1.1.1995in Kraft tretende "Privatkonkurs",wie er im Volksmundgenannt wird.Damit hat allerdings Österreich schneller aufdas Problem der gestiegenen Privatverschuldungreagiert, als das benachbarte Deutschland,wo noch Glaubenskriege zwischenBanken, Konsumentenschützern und Gesetzgeberausgetragen werden, wer dennnun den sinnvollsten Entwurf zu einem ähnlichenGesetzesvorhaben hat.Zunächst: Der Hauptzweck ist schonjetzt, also vor dem Inkrafttreten, weitgehenderreicht."Unser Schuldbuch •••Die größte Gläubigergruppe, die Banken,hat, aus Angst vor übergroßen Ausfällen, eineverschärfte Bonitätsprüfung bei Krediteneingeführt. Das heißt, weitaus mehr, als bisher,wird das Einkommen genau überprüft,werden bereits vorhandene Schuldenberücksichtigt und in Einzelfällen werdensogar Haushaltspläne durchgerechnet, wogemeinsam mit dem Kunden überprüft wird,ob er sich den Kredit im Zusammenhang mitseinen individuellen Fixkosten leisten kann.Natürlich führt das zu einem Einbruchder Kredite bei den schlecht Verdienenden.Doch das ist auch die Personengruppe, diedurch Schulden am meisten in der Existenzgefährdet ist. Daß dies jedoch eine negativeAuswirkung auf die Volkswirtschaft im allgemeinenhaben soll, wie dies von Banken behauptetwird, muß sehr bezweifelt werden.Denn Leute, die wenig verdienen und hoheSchulden haben, können diese nur zahlen,wenn sie beim privaten Konsum sparen.Und der ist, da sind sich alle Wirtschaftstheoretikereinig, einer der wichtigsten Konjunkturmotoren.Mit der Einführung des Gesetzes wirdzwangsläufig auf einem anderen GebietHandlungsbedarf entstehen:"Gläubigerschutz", wie er derzeit betriebenwird, ist sicher nicht ausreichend. Immerhinsteigt das Bedürfnis der Gläubigernach umfassender Information über die Verschuldenslageder Kunden. Derzeit kannsich ein Gläubiger nur selbst ein Bild vomKunden machen. Reicht ihm das nicht aus,so kann er sich dabei maximal der Hilfe einerder beiden "bevor<strong>recht</strong>eten Gläubigerschutzverbände"("Alpenländischer Kreditorenverband" oder "Kreditschutzverband von1870") bedienen. Abgesehen von den Animositäten,die schon traditionellerweise zwischendiesen beiden Verbänden bestehen,ist deren Schwachstelle, daß ihre Daten nursoviel wert sind, als die (freiwilligen) Mitgliederauch (freiwillige) Meldungen undAbfragen tätigen.• • h.";. sei vernlc tet, •••Für Konsumenten ist es außerdem im höchstenMaß unbefriedigend, daß sie nichtwirklich wissen, nach welchen Regeln dieseVerbände Daten über sie sammeln, wie siesich gegen falsch eingegebene Daten wehrenkönnen und vor allem wie sie, einmal abgespeichert,auch wieder gelöscht werden.Noch sind die Standpunkte bei den Verhandlungenzu einer gesetzlich geregelten"Kleinkreditevidenz" verhärtet. Da stellensich einerseits Datenschützer als Hüter derreinen Lehre dar. Sie wollen nicht zurKenntnis nehmen, daß ohnehin - unkontrolliert- Daten gesammelt werden. Andererseitsversuchen Gläubiger, vor allem aberBanken, mittels "Persilschein" des Kunden,den er bei einem Kreditantrag unterschreibenmuß, ungebremsten und möglichst unbefristetenZugriff auf alle seine Daten zuerhalten. Trotzdem ist zu hoffen, daß, nachder 12. Version zum Entwurf einer Kleinkreditevidenz,der Durchbruch gelingen wird.Eine andere Auswirkung der Konkursordnungsnovellewird in der öffentlichenMeinung überschätzt: Zwar ist es richtig, daßsich die Stellung eines Bürgen immer mehrder eines Solidarschuldners annähert. Sowird in Zukunft der Bürge, sollte der Hauptkreditnehmerin den "Privatkonkurs" gehen,nicht gleichzeitig mit entschuldet. Aber erstenssind in der Realität die Banken schonlängst dazu übergegangen, nur noch Solidarschuldnerunter Vertrag zu nehmen undzweitens stehen dem beschränkt zahlungsfähigenBürgen die gleichen Möglichkeitenzur Entschuldung offen.• •• ausgesöhnt die ganzeWelt." (Goethe)Wieviele Österreicherinnen und Österreicherden "Privatkonkurs" in Anspruch nehmenwerden, ist eine Frage, die viele interessiert,die aber in Wahrheit noch niemandbeantworten kann.Sicherlich gibt es einen Rückstand aufzuarbeiten.Die "goldenen 80er Jahre", in denendie Verschuldung der Einkommensschwachenkräftig angeheizt wurde, werdennoch ihre Schatten über zwei, drei Jahre werfen.Dann aber wird sich die Zahl der gerichtlichenSchuldenregulierungsverfahrenin Österreich auf maximal Tausend pro Jahreinpendeln - mit fallender Tendenz, da dieGläubiger sicher professioneller bei der Kreditvergabewerden und außergerichtlichenLösungen eher den Vorzug geben werden.Nicht alle Probleme werden mit der KO­Novelle 1993 gelöst. Weitgehend unbeein"druckt werden zunächst kleine, rabiate Gläubigergruppen,die sich an einen finanzschwachenKundenkreis orientieren, bleiben. Darunterzählt der Teil des Versandhandels, derseine Waren auf Teilzahlung anbietet, aberauch die klassischen "Türgeschäftsfirmen"(Zeitschriftenkeiler, Haushaltsgerätevertreter,... ). Hier wird ein neuer Lernprozeßstattfinden: Die großen Gläubiger werdenzunächst erfahren, daß es wegen der kleinen,rabiaten Gläubiger bei manchen Kundenzum "Privatkonkurs" kommt. Nimmt dasbestimmte Ausmaße an, kann sicher damitgerechnet werden, daß die großen Gläubiger(meist Banken) einmal ein Wörtchen mitden "Rabiaten" reden und - im günstigstenFall - Einfluß auf deren Geschäftspolitiknehmen. Bleibt insgesamt also zu hoffen,daß der ungeheure Intelligenzapparat derGläubigerwirtschaft nun auch dafür eingesetztwird, daß die Gläubiger sich·(und damitihre Kunden) vor finanziellem Schadenschützen.Und nicht, um noch subtilere Werbelinienzu entwickeln, damit einer Dinge kauft,die er nicht braucht, mit Geld, das er nichthat.Alexander Anton Maly ist Dipl. Sozialarbeiter und·Schuldnerberater bei der Schuldnerberatung der StadtWien.Seite 12JURIDIKUMNr 3/94


DIE REFORM DES PORNOGRAPHIEGESETZESSchutz vor SitteSeit Anfang der achtzigerJahre häufen sich Berichteüber das (äußerst lukrative)kriminelle Geschäft mitKinderpornographie. Seithernimmt die Diskussionim In- und Ausland keinEnde, wie diesem Phänomenam wirksamsten zubegegnen sei.Das internationale Spektrum der vorgeschlagenenReaktionen bzw. der konkreten Gesetzesbeschlüsseist breit; die Debatte spitztsich häufig auf die - angesichts der Komplexitätdes Problems an sich nebensächliche -Frage der Kriminalisierung des Besitzes vonKinderpornographie zu und nimmt sich derzumeist sozialen Ursachen dieses Phänomenszu wenig an. Wahrscheinlich stellt sichjeder, der mit dem Begriff "Kinderpornographie"erstmalskonfrontiert ist, etwas anderesdarunter vor. Kinderpornographie istnicht nur irgendeine Form dessen, was landläufigunter Pornographie verstanden wird,sondern besteht in einem filmisch oder forographischfestgehaltenen sexuellen Mißbrauchvon Kindern; damit sind Minderjährigeunter 14 Jahren gemeint (zuletzt wurdevereinzelt vorgeschlagen, auch Darstellungensexueller Handlungen mit Minderjährigenbis zu 16 Jahren unter dem Begriff " Kinderpornographie"zu erfassen). Der gravierendeUnterschied zur Standard pornographiemanifestiert sich also vor allem darin, daß"Kinderpornoszenen " durchwegs mit strengerStrafe bedrohte Sexualstraftatbestände(Vergewaltigung, Beischlaf mit Unmündigenetc.) zugrunde liegen. Ferner sind KinderimGegensatz zu Erwachsenen - kaum imstande,sich in ihrer sexuellen Selbstbestimmungzu behaupten, da sie in der Regel vonden Tätern (häufig Eltern oder Bekannte)abhängig sind. Sie bringen den Erwachsenen,von denen sie zu Zwecken der Herstellungvon Kinderpornographie mißbrauchtwerden, Vertrauen und Gehorsam entgegen,sodaß es ihnen häufig nicht einmal bewußtwird, daß sie Opfer eines sexuellen Kindes-mißbrauchs geworden sind. "Kinderpomographieist die heimliche, schlimmste Form von Kinderarbeit,die auch noch die IIlusNn verkaufet!muß, daß es det! Kindern Spaß macht. " So ein'amerikanischer Staatsanwalt in einem vor 17Jahren erschienenen Artikel in der Zeitschrift"Spiegel"(l); eine Definition, die nochheute Gültigkeit besitzt und Betroffenheiterzeugt.Im Frühjahr 1992 wurde im Auftrag desFamilieministeriums eine Untersuchungdurchgeführt, die einen ersten Einblick indie Realitäten des inländischen Kinderpornographiemarktesermöglichen sollte. Dieseunter dem Titel "Kennwort Knospe" vorgestellteStudie (2) bestätigte Vermutungen überdas Bestehen eines Schwarzmarktes für Kinderpornographiein Österreich; ihr Ergebniswar gleichermaßen aufschlußreich und erschütternd.So lieferte sie konkrete Hinweiseüber einen relativ offen zugänglichenTauschmarkt, auf dem Kinderporno-Anbieter,die über Inserate Kunden anlocken, sowieInteressenten und Sammler, die nacheinschlägigem Material suchen, auftreten.Die im Umlauf befindlichen Kinderpornosumfassen ein breites Spektrum und gebenmitunter grausame sexuelle Mißhandlungenvon Kindern wieder, die zwangsläufig zuschweren psychischen Langzeitfolgen beiden Opfern führen.Gesetzeslage, Judikatur, <strong>gesellschaft</strong>licheEntwicklungAn sich verfügen wir bereits über ein straf<strong>recht</strong>lichesInstrumentarium zur Bekämpfung derKinderpornographie. Allerdings vermochtenweder die geltenden Strafbestimmungen gegensexuellen Kindesrnißbrauch, noch diezentrale Strafbestimmung des Pornographiegesetzes(§ 1 Abs. 1) verhindern, daß Kinderpornographieüberhaupt entstehen und aufden Markt gelangen kann. Daher sind nebender Ergreifung flankierender außerstraf<strong>recht</strong>licherMaßnahmen zum Schurz vonKindern auch die vorhandenen Strafbarkeitslückenzu schließen: Denn die (auf die Unzüchtigkeitdes Inhalts von Schriften, AblJildungenetc. abstellende) Bestimmung des §1 Abs. 1 des Pornographiegesetzes verlangtein Handeln des Täters mit "gewinnsüchtigerAbsicht" und sieht somit kein absolutesVerkehrsverbot für harte Pornographie (Kinder-,Gewalt- und Tierpornographie, Darstellungengleichgeschlechtlicher Handlungen)vor; die nicht kommerzielle Verbrei-Recht & Gesellschafttung von Kinderpornographie - aber auch ihrBesitz - ist somit straflos. Im übrigen istnach der geltenden Rechtslage und Judikaturetwa der Verkauf von (realitätsnah) gestelltenKinderpornoszenen (ohne tatsächlichenMißbrauch eines Kindes) im allgemeinenstrafbar, der Tausch von Kinderpornovideos,die eine reale Vergewaltigung einesKindes wiedergeben, aber nicht. Der sichdaraus ergebende Wertungswiderspruch istevident.Es drängt sich also die Frage auf, ob dasalte Pornographiegesetz aus dem Jahre 1950überhaupt reformierbar ist und zu einem geeignetenMittel zur Bekämpfung neuer Formender Pornographie (vor allem kinderundgewaltpornographischer Darstellungen,die reale Mißbrauchsszenen wiedergeben)umgestaltet werden kann, ist doch das geltendePornographiegesetz seit 44 Jahren inseinen zentralen Punkten unverändert gebliebenund längst nicht mehr zeitgemäß.Denn der zentrale Begriff der "Unzüchtigkeit"hatte sich schon seit den siebziger Jahrenals unbestimmt und für die Polizci- undJustizpraxis als kaum mehr geeignet erwiesen.Eine dynamische Rechtsprechung versuchtezwar die Vollzichbarkeit des Pornographiegesetzesdurch Neuauslegung desveralteten Gesetzestextes' sicherzustellen;diese Fortentwicklung der Gesetzesinterpretationverlor aber seit Anfang der achtzigerJahre viel von ihrer Dynamik. Überdies erwiessich auch die Jugendschutzbestimmungdes § 2 des Pornographiegesetzes, die nichtauf" Unzüchtigkeit", sondern auf "Anstößigkeit"des Inhaltes von Schriften, Abbildungenetc. abstellt, in den letzten Jahren zunehmendals überholt und weitgehend wirkungslos.Dies belegt schon allein die geringeVerurteilungsrate; denn in den "Jahren1990 bis 1992 kam es nur zu je einer Verurteilungnach dieser Strafbestimmung.Über diese Schwäche des J ugendschutzeshinaus führte die überkommeneGesetzeslage einerseits zu einer Rechtsunsicherheitbei den Sicherheitsbehörden undauch beim gewerblichen Pornohandel, andererseitszu einer sachlich nicht ge<strong>recht</strong>fertigtenF okusierung der Strafverfolgung aufgleichgeschlechtliche Darstellungen, die imvergleichbaren Ausland längst nicht mehrder Strafverfolgung unterliegen. Dadurchwurde der Blick auf neuartige Verstöße gegendas Pornographiegesetz - vor allem aufdie Kinderpornographie - verstellt; wahr,­scheinlich kam es auch deshalb zu gewissenVollzugsdefiziten in diesem Bereich.Die Diskussion um die Reform des Pornographiegesetzeswäre aber auf zu schmalerBasis geführt, reduzierte man sie auf eineSuche nach Strafbarkeitslücken und eineAnalyse der Vollzugspraxis. So können selbstdiejenigen, die am alten Pornographiegesetzfesthalten wollen, nicht bestreiten, daß dieheutige Gesellschaft mit Sexualität und ihrermedialen Darstellung entkrampfter und freierumgeht als zu der Zeit, als dieses Gesetzbeschlossen wurde. Dies belegt schon einNr 3/94JURIDIKUMSeite 13


Recht & Gesellschaftkurzer historischer Exkurs: Im Jahre 1953war das noch heute weitgehend unverändertgeltende Pornographiegesetz (damalsSchmutz- und Schund gesetz genannt) Rechtsgrundlagedafür, daß Werbeplakate, die einnur mit einer Strumpfhose bekleidetes Frauenbeinzeigten, zur Bewahrung von "Sitteund Moral" überpinselt werden mußten; inunserer Zeit ein kaum vollstellbarer Vorgang.Heutzutage wird eine offene Sexualaufklärungund eine sachliche Erörterung sexuellerFragen immer selbstverständlicher;daher ist die moderne Gesellschaft - einschließlichder Jugend - über Sexualität wesentlichbesser informiert als in der Vergangenheit.Ferner ist die Meinungs- und Informationsfreiheitin liberalen Demokratien unsererPrägung - auch was Fragen der Sexualitätbetrifft - durch die Europäische Menschen<strong>recht</strong>skonventionverfassungs<strong>recht</strong>lich garantiert(Art. 10 Abs. 1 MRK).Dies alles zeigt, daß bei der Diskussionum die Reform des PornographiegesetzesToleranz, Unvoreingenommenheit und vorallem Sachlichkeit gefragt sind. Die - zumeistemotional geführte - öffentliche Debatteder letzten Monate wurde aber diesenAnforderungen kaum ge<strong>recht</strong>. Das ist zwarnicht ganz unverständlich, da große Teileder Bevölkerung Pornographie nach wie vorals etwas schlechthin Anrüchiges und Heiklesbetrachten. Dies auch deshalb, weil derPornographie verschiedentlich schädlicheAuswirkungen wie Förderung sexueller Gewaltund Nachahmungseffekte beigemessenwerden. Trotz dieser der Pornographie traditionellzugeschriebenen negativen - von Liberalisierungsgegnernoft unreflektiert behaupteten- Wirkungen ist der Bestand anwissenschaftlichen Arbeiten über Pornographiesehr dürftig. Die schädlichen Auswirkungender Pornographie werden aber heutevon der Wissenschaft zunehmend angezweifelt,wenn nicht sogar bestritten. So ergab eine1990 veröffentlichte umfangreiche Studievon Henner Ertel (.l), daß der Konsum zumindestvon Standard pornographie keine Reinszenierungsversucheauslöst, keine direktenAuswirkungen auf das sexuelle Handelnzeigt und insbesondere keine sexuelle Gewaltauslöst, falls nicht bereits eine Prädispositionhiezu bestand.Die wichtigsten Argumente gegen diePornographie, vor allem daß sie bei zahlreichen(männlichen) Konsumenten unweigerlichzur Brutalisierung ihres Sexualverhaltensgegenüber Frauen führe und damit unteranderem die Wahrscheinlichkeit von Vergewaltigungenerheblich erhöhe, werdendurch diese Untersuchung in Frage gestellt.Die deutschen Sozialwissenschafter Lautmannund Schetsche bestreiten sogar eineGrundannahme der "Porno-Psychologie",nämlich einen mit Pornokonsum verbundenen"Kopiereffekt""'. Diese Aussagen werdenmittelbar durch die Polizeiliche Kriminalstatistikuntermauert; ist doch die Zahlder bekanntgewordenen Delikte gegen dieSittlichkeit von 3587 im Jahr 1975 auf 3039Seite 14im Jahr 1993 zurückgegangen. Die früherundenkbare Allgegenwärtigkeit der Sexualitätin den Medien, aber auch die Ausweitungdes Pornographiemarktes, haben somitoffenbar zu keiner Zunahme der Sexualdeliktegeführt. All dies wirft die Frage auf, inwelchem Umfang ein moderner Gesetzgeberdie Verbreitung und den Umgang mit Pornographie(noch) mit Mitteln des Straf<strong>recht</strong>skontrollieren soll.Was tun?Hilfreich ist ein Blick über die Grenzen aufdie europäische Entwicklung der Pornographiegesetzgebungder letzten Jahre; er liefertDenkanstöße und interessante Lösungsansätze,wenngleich sich ein durchgehenderroter Faden nicht finden läßt:Eine <strong>recht</strong>svergleichende Gegenüberstellungder einschlägigen Strafvorschriften dereinzelnen Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion zeigt nämlich, daß es internationalnicht nur an einer übereinstimmenden Vorstellungdarüber fehlt, wie Pornographie abstraktzu beschreiben ist, sondern sogar aneiner gemeinsamen Überzeugung vom Gesetzeszweckvon Pornographieverboten. Inallen EU-Staaten gibt es Regelungen, diedie Verbreitung von Pornographie unter bestimmtenVoraussetzungen und Bedingungenunter Strafe stellen; dahinter stehenaber sehr unterschiedliche gesetzgeberischeAbsichten. Einige Länder (etwa Belgien undItalien) streben den Schutz der "öffentlichenMoral" an. Der englische Gesetzgeber hingegenorientiert sich nicht an den "gutenSitten" als solchen, sondern am Schutz potentiellerKonsumenten vor schädlichenEinflüssen. Die in jüngster Zeit reformiertedeutsche und schweizerische Pornographiegesetzgebungwiederum verfolgt eine dreifacheZielrichtung: Jedermann soll vor ltJlgewollterKonfrontation mit pornographischemMaterial geschützt werden; Jugendliche sollena


gen für "Kinder-, Gewalt- und Tierpornographie"vorgenommene Einschränkung derStrafbarkeit auf die bildliehe Wiedergabe einestatsächlichen Geschehens wegen befürchteterBeweisprobleme verschiedentlichauf Kritik, desgleichen die Herabsetzung desSchutzalters auf 14 Jahre im Bereich des Jugendschutzes.Schließlich wurde dieser Ministerialentwurfnoch zweimal überarbeitet;das Endergebnis dieser Überarbeitung wurdeim März 1994 vorgestellt; dabei wurdevorgeschlagen, folgende Rechtsgüter unterSchutz zu stellen:• Schut-z des KiJldes vorilIißbrattch im Sexualbereichund Verhinderung der Ausbeutungvon Kindern als Objekte von GeschäftenErwachsener.• Gesellschaftliche Ächtung (erheblicher)sexueller Gewalttätigkeiten gegen Menschenzum Zweck der Herstellung vonPornographie und damit auch nachdrüd:/ieheÄchtung sexueller Gewalt an sich.• Verhinderung der Ausbeutung VOJl Tierm alsObjekte der Pornoindustrie und des Pornohandels.• lugmdschutz: Schutz von Personen unter16 Jahren vor einer nachhaltigen Beinträchtigungihrer sexuellen Entwicklung.• KolljroJltatioJls- UJld Belästigullgsschutz:Schutz des Einzelnen vor ungewollterKonfrontation mit die Menschenwürdemißachtender Pornographie.Ausgehend von diesen - auch internationalanerkannten - Schutzzwecken schlug dasJustizministerium unter anderem vor: dieSchaffung klarer Begriffsbestimmungen, dieEinführung eines bisher nicht bestehendenlückenlosen Verkehrs- und Werbe verbotsfür bildliehe Kinder- und Gewaltpornographieund strenger Strafen für gewerbsmäßigeVerstöße gegen diese Verbote (Freiheitsstrafebis zu drei Jahren) sowie die Pönalisierungdes Besitzes von Kinderpornographie;ferner einen verstärkten Schutz Jugendlicherunter 16 Jahren vor (die Menschenwürdemißachtender) Pornographie, einen - in dieserForm bislang nicht existenten KonfrontationsschutzErwachsener sowie die Beibehaltungdes Verbots der kommerziellen Verbreitungvon Sodomiedarstellungen. AllesamtMaßnahmen, von denen anzunehmenwäre, daß sie auf große Akzeptanz stoßenmüßten.Obwohl im Zuge der außergewöhnlichsorgfältigen Gesetzesvorbereitung eine breiteZustimmung zur Gesamtreform des Pornographiegesetzeserzielt wurde, signalisiertedie ÖVP, daß eine - die Gesamtreformbeinhaltende - Regierungsvorlage eines Pornographiegesetzesim Ministerrat nicht aufZustimmung stoßen werde. Deshalb nahmdas Justizministerium von der Einbringungeiner Regierungsvorlage Abstand, stellteaber das endgültige Ergebnis (den mehrfachbegutachteten und überarbeiteten Gesetzesentwurf)im März 1994 beiden Koalitionsparteienzur Verfügung. Die ablehnende Haltungder ÖVP dürfte vor allem daraufNr 3/94zurückzuführen sein, daß katholische Organisationenund die Bischofskonferenz eineeinenicht nur mit Verschärfungsmaßnahmen,sondern auch mit Liberalisierungsschrittenverbundene - Gesamtreform desPornographiegesetzes ablehnen, wobei sichdie Kritik darauf konzentriert, daß derSchutz des "Sittlichkeitsempfindens der Allgemeinheit"im Katalog der Gesetzeszweckenicht ausdrücklich aufscheint. Dabei wirdaber offenbar übersehen, daß durch die vorgeschlagenenGesetzeszwecke und die entsprechendenStrafbestimmungen mittelbarweitgehend auch dem Rechnung getragenwird, was im Zusammenhang mit Pornographieals "öffentliche Sittlichkeit" bezeichnetwerden könnte. Auch die Entschließung desEuropäischen Parlaments vom 17. 12. 1993zur Pornographie läßt bei der Aufzählung ihrerZielsetzungen den Schutz der "Moral"außer Betracht; mittelbar wird damit dieRichtigkeit des bei der Pornographiereformeingeschlagenen Weges bestätigt. Im übrigenzwingt der immer wieder von Kritikernder Gesamtreform des Pornographiegesetzesins Treffen geführte Artikel 10 Abs. 2 MRKkeineswegs zu einer straf<strong>recht</strong>lichen Pornographiekontrolleunter dem Aspekt der öffentlichenSittlichkeit; Art. 10 Abs. 2 MRKerlaubt nämlich nur dann einen Eingriff indie Meinungs- und Informationsfreiheit,wenn ein solcher sich in einer demokratischenGesellschaft als absolut notwendigund zwingend erweist. Gerade das aber istnach dem weiter oben zitierten Bericht derEuropäischen Menschen<strong>recht</strong>skommissionmehr als zweifelhaft.InitiativanträgeAm 17.3.1994 brachte die ÖVP einen parlamentarischenInitiativantrag zur Änderungdes Pornographiegesetzes 1950 ein, der lediglichzwei der im Ministerialentwurf einesPornographiegesetzes (1994) vorgeschlagenenBestimmungen übernahm und imübrigen auf eine Neugestaltung des Pornographiegesetzesverzichtete. Unter anderemließ dieser Initiativantrag auch die Fragenoffen, ob mit dem Begriff "Darstellungen"nur bildliehe Pornographie oder auch Schriften,Tondarbietungen und sonstige "unzüchtigeGegenstände" erfaßt werden sollenund ob (bildliehe) Kinderpornographie irgendeinenBezug zu einem tatsächlichenGeschehen (also zu einem sexuellen Mißbrauchvon Unmündigen) aufweisen mußoder nicht. Ferner beließ dieser Initiativantrageine Strafbarkeitslücke: die nicht kommerzielleHerstellung und Verbreitung kinderpornographischerProdukte wird nämlichnicht in die Strafbarkeit einbezogen. Überdiesläßt diese Gesetzesinitiative den im Bereichder pornographischen Darstellungengleichgeschlechtlicher Handlungen (offenkundig)bestehenden legistischen Handlungsbedarfunberücksichtigt. All dies machtdeutlich, wie überaus problematisch es ist,ein legistisch, begrifflich und inhaltlich ver-JURIDIKUMRecht & Gesellschaftaltetes Gesetz wie das geltende Pornographiegesetzteilnovellieren zu wollen.Schließlich brachte auch die SPÖ am 6.April 1994 einen Initiativantrag zur Reformdes Pornographiegesetzes ein. Diese Gesetzesinitiativegriff den Vorschlag des Justizministeriumsauf Durchführung einer Gesamtreformdes Pornographiegesetzes - unterEinbeziehung gezielter legistischer Maßnahmengegen Kinderpornographie - mit einigenwenigen Abweichungen auf. Kürzlichwurde noch ein weiterer Vorschlag in die politischeDiskussion eingebracht: die Aufnahmevon Strafbestimmungen gegen Kinderpornographiein das Strafgesetzbuch.Noch immerunentschieden?Durch diese dem parlamentarischen J u­stizausschuß vorliegenden Initiativanträgetrat gewissermaßen eine politische Patt-Stellungein, die den Abschluß der Reform nochin dieser Gesetzgebungsperiode nicht wahrscheinlichermacht. Es kann aber keine Lösungsein, das unbestrittenermaßen reformbedürftigePornographiegesetz unverändertzu belassen. Wurden doch auch andere Bestimmungen,die teilweise auch für die staatlichePornographiekontrolle von Belang sind,so das Rundfunkgesetz, das Fernmeldegesetz,die Gewerbeordnung und die Jugendschutzgesetzeder meisten Länder in jüngererund jüngster Zeit im Sinne einer zeitgemäßenPornographiekontrolle modernisiert;warum sollte gerade das zentrale Instrumentder Pornographiekontrolle hier ausgespartbleiben? Die Richter und Staatsanwältesowie die Sicherheitsbehörden dürftenfür eine weitere Verzögerung dieser Gesetzesreformwenig Verständnis haben, zumalihre gegen den Ministerialentwurf 1993 nochvorgebrachten Bedenken durch die Überarbeitungdes Entwurfes durchwegs ausgeräumtwurden. Am härtesten träfe einesolche Verzögerung aber diejenigen, die"Kinderpornographie" am eigenen Leib verspüren,nämlich die bei deren Herstellungmißbrauchten Kinder.(1) Robm Kendall, Spiegel 22/1977, in: KllolI B./WeillerM.,KeJlJ1Wolt "Knospe" - Kinde/pontographie illÖsten-eidl, ii, 1992.(2) Kllol! B./WeillerM., 1992 (FN I)(3) EItel H., "Erotikalmd Pontographie - l-epriiselltativeB~fraglt1lg lmd psydlOphysiologische L.tlllgzeitstudieZlt Konsulll /llld Wirkung", Psychologie Verlags Union,Miitlchml990(4) vgl. L.tlUtlllllllll R,/Slhetslhe M., Das pomographie/~te Begehmi, 86, Campus (1990)(S) vgl. Weigmd Th., Strafl-echtlilhe Pomographieverboteill Ellropa, Zeitschrift /iir Urheber- lmd Mediellmht(ZUM),1994,133ff.(6) Bericht der BReg. vom 28. JO.92 (111 -J04 rlBeil.Zll deli Stell.Pro!. des NR. XVIll.GP)Dr. Hans-Jörg Bart ist Staatsanwalt in Salz burg undwar bis vor kurzem dem Justizministerium dienstzugeteilt.Seite 15


Recht & Gesellschaft.. ..3. W AG - DIE ANDERUNGEN IM MIETRECHTWie gewohnt.,NCGr~b~riK,,··llue,prec .. t.Angekündigt war, denMißständen am Wohnungsmarktentgegenzutreten.Das Gegenteil isteingetreten. Juristisch läßtsich bereits aufarbeiten,was die soziale Realitätder nächsten Jahre prägenkönnte.Das 3. Wohn<strong>recht</strong>sänderungsgesetz (3.W ÄG), BGBI. 800/1993, umfaßt insgesamtneun Artikel. Neben Änderungen in dendrei wohn<strong>recht</strong>lichen Spezialgesetzen, demMiet<strong>recht</strong>sgesetz (MRG), dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz(WGG) und demWohnungseigentumsgesetz (WEG) wurdenNovellierungen in (nach der Verländerungnoch geltenden) Bundes-Wohnbauförderungsbestimmungenvorgenommen, das am29. Dezember 1992 in Kraft getretene Heizkostenabrechnungsgesetz(HeizKG) aufgrundder "Erfahrungen der Praxis" novelliertund als "Glanzpunkt" des 3. WÄG einBundesgesetz über die Festsetzung des Richtwertesfür die miet<strong>recht</strong>liche Normwohnung (Richtwertgesetz- RichtWG) neu geschaffen.Die folgenden Ausführungen zum neuenWohn<strong>recht</strong> beschränken sich auf die zentralenPunkte im miet<strong>recht</strong>lichen Bereich: dieZinsbildungsbestimmungen und dieBefristungsregelungen bei Mietvertragsabschlußnach dem 28. Februar 1994. InZusammenhang damit steht auch der Geltungsbereichdes Miet<strong>recht</strong>sgesetzes.Der geänderteGeltungsbereich des MRGWaren Sechs-Monats-Mietverträge vom Geltungsbereichdes MRG bisher zur Gänzeausgenommen (§ 1 Abs. 2 Z 3 MRG aF), waszu den sog. "Substandardnomaden" geführthat, so sieht die Neufassung eine gänzlicheAusnahme von Wohnungsmietungen nurmehr unter ganz bestimmten Voraussetzungenvor.Es muß sich um eine Wohnung der KategorieA oder B handeln, die vom Mieter alsZweitwohnung aus beruflichen Gründen fürhöchstens sechs Monate gemietet wird -"Philharmonikerwohnung in Salzburg" . DieEinstufung als Zweitwohnung setzt voraus,daß der Mieter daneben einen gewöhnlichen.Aufenthalt im Inland im Sinne des § 66 Jurisdiktionsnormhat.Neben der dargestellten Einschränkungfür Wohnungsmietungen bleiben Sechs­Monats-Mietverträge über Geschäftsräumlichkeitenweiterhin vom Geltungsbereichdes MRG ausgenommen. Eine Erweiterungder Vollausnahmen wurde bei Vermietungenim Rahmen eines Flughafenbetriebsunternehmensvorgenommen.Nur die Befristungs- und Kündigungsbestimmungengelten für Mietgegenstände ineinem Wirtschaftspark (§ 1 Abs. 5 MRG).Die grundsätzliche Nichtgeltung derMietzinsbestimmungen für den freifinanziertenNeubau wurde unverändert beibehalten(§ 1 Abs. 4 MRG)! Für immer mehrNeubauwohnungen richtet sich die Mietzinsbildungdaher ausschließlich nach demVertrag, da keine spezialgesetzlichen Normenanwendbar sind - freier Mietzins.Die Hauptmietzinsbildungnach dem 3. WÄGAnstelle des bis 28. Februar 1994 geltendendreigeteilten Zinsbildungssystem, freier,angemessener und Kategorie-Hauptmietzins,trat für Neuvermietungen ab dem 1.März 1994 ein viergeteiltes Hauptmietzinsbildungssystemin Kraft:• Freier Hauptmietzins (bei Nichtanwendbarkeitdes § 16 MRG);• Angemessener Hauptmietzins (§ 16 Abs.1 MRG);• Richtwerthauptmietzins (§ 16 Abs. 2, 3und 4 MRG iVm RichtWG);• Kategoriehauptmietzins für Kategorie DWohnungen (§ 16 Abs. 5 MRG).Angemessener Hauptmietzins (§ 16Abs. 1 MRG): Die Vereinbarung eines angemessenenHauptmietzinses iS des § 16Abs. 1 MRG aF ist für folgende Mietverhältnissezulässig, wenn:• der Mietgegenstand nicht (überwic;gend)Wohnzwecken dient - Geschäftsräumlichkeiten;den Unternehmer, der eineGeschäftsräumlichkeit mietet, trifftan läßlich der Objektübergabe eine besondereRügepflicht, will er später eineÜberschreitung des zunächst vereinbartenHauptmietzinses geltend machen;• Mietgegenstände, die aufgrund einernach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligungneu errichtet oder neu geschaffenworden sind;• Mietgegenstände in Gebäuden die unterDenkmalschutz stehen, sofern der Vermieternach dem 8. Mai 1945 erheblicheEigenmittel zur Gebäudeerhaltung aufgewendethat;• Wohnungen der Kategorie A oder B miteiner Nutzfläche von mehr als 130 m2,wenn sie nicht länger als sechs Monateleer gestanden sind; bei Durchführungvon Verbesserungsarbeiten verlängertsich diese Frist um ein Jahr;• bei unbefristeten Hauptmietverhältnissender Mieter nach mindestens einjährigerMietdauer freiwillig eine höhere Mietzinsvereinbarungschriftlich abschließt.Richtwerthauptmietzins (§ 16 Abs. 2bis 4 MRG): Für Mietverhältnisse überWohnungen der Kategorien A, Bund C, dienicht einen der genannten Tatbestände fürden angemessenen Hauptmietzins erfüllen,darf ein angemessener Betrag, der ausgehend vomRichtWert unter Berücksichtigung allfälliger Zuschlägeund Abstriche zu berechnen ist, als Hauptmietzinsvereinbart werden.Der Richtwert ist für eine abstrakte miet<strong>recht</strong>licheNormwohnung je Bundesland vomBM für Justiz festzusetzen. Unter miet<strong>recht</strong>licherNormwohnung versteht § 2 RichtWGeine Wohnung der Ausstattungskategorie Amit einer Nutzfläche zwischen 30 m' und130 m', gelegen in einem Gebäude mit ordnungsgemäßemErhaltungszustand auf einerLiegenschaft mit durchschnittlicher Lage(Wohnumgebung).Für die durchschnittliche Lage der abstraktenNormwohnung bietet § 2 Abs. 3RichtWG einen einzigen Anhaltspunkt: EineLage mit einem überwiegenden Gebäudebestand,der in der Zeit von 1870 bis 1917errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtungüberwiegend kleine, mangelhaftausgestattete Wohnungen aufgewiesen hat,ist als höchstens durchschnittlich einzustufen.Für ganz Österreich, das Miet<strong>recht</strong> istnoch immer Bundes<strong>recht</strong> (!), sohin vomstädtischen Ballungsraum bis zum TirolerBergdorf, gibt es einen einzigen gesetzlichenHinweis auf die durchschnittliche Lage,nämlich das Gründerzeitviertel.Der Richtwert selbst ist an hand des Herstellungswerteseiner gut ausgestatteten gefördertenNeubaumietwohnung zu ermitteln.Die Baukosten sind auf Grundlage derländerweise unterschiedlich hohen förderbarenBaukosten, die Grundkosten anhand derden Förderungszusicherungen 1992 zugrundegelegtenGrundkosten zu ermitteln.Die vom BM für Justiz kundgemachtenRichtwerte bewegen sich zwischen S 46,00(Burgenland) und S 77,40 (Vorarlberg) je m'Seite 16JURIDIKUMNr 3/94


Nutzfläche und Monat. Für Wien beträgtder Richtwert S 50,40.Die Zuschläge und Abstriche (§ 16 Abs. 2 Z.1 bis 6 MRG) zum Richtwert, die erforderlichsind, um den zulässigen Hauptmietzinsfür eine konkrete Wohnung zu ermitteln,werden weder absolut noch relativbegrenzt. Die Zuschläge und Abstriche sindnach der allgemeinen Verkehrsauffassung und denErfahrungen des täglichen Lebens vorzunehmen.Zum Teil sind die Kriterien wortgleich aus§5 WEG übernommen. Der Gesetzgeberverweist im AB auch auf die Rechtsprechungzum WEG, ohne jedoch zu berücksichtigen,daß dort die Wohnungen innerhalbeines Hauses untereinander zu bewertensind, wohingegen im miet<strong>recht</strong>lichenBereich die Unterschiede einer konkretenWohnung im Vergleich zur abstraktenNormwohnung zu bewerten sind. Liegt dieNormwohnung süd- oder nordseitig?Einzig der Lagezuschlag ist ziffernmäßigbegrenzt, jedoch kompliziert zu ermitteln.Zunächst ist zu prüfen, ob eine durchschnittlicheLage in einem Gründerzeitviertel vorliegt,da hier ein Lagezuschlag ausgeschlossenist. Dazu wird in den meisten Fällen einSozialhistoriker als Sachverständiger beizuziehensein. Danach ist von einem Sachverständigenfür das Realitätenwesen der in derGegend übliche Grundpreis zu ermitteln.Anhand dieses Grundpreises ist von einemSachverständigen für das Bauwesen die nachder Bauordnung erziel bare Wohnnutzflächezu ermitteln. Die Grundstückskosten geteiltdurch die erziel bare Wohnnutzfläche ergibteinen bestimmten Grundkostenanteil je0uadratmeter. Der solcherart errechneteGrundkostenanteil ist mit dem der Nutzwertermittlungzugrundegelegten Grundkostenanteilzu vergleichen. Vom Differenzbetragsind 0,33% der höchstzulässige Lagezuschlagzum Richtwert. Voraussetzung für dieBerücksichtigung eines Lagezuschlages beider Hauptmietzinsermittlung ist die ausdrücklicheBekanntgabe der maßgebendenUmstände durch den Vermieter spätestensbei Mietvertragsabschluß.Kategoriehauptmietzins (§ 16 Abs.5 MRG): Einzig für Kategorie D Wohnungengibt es noch einen ziffernmäßig begrenztenHauptmietzins. Dieser beträgt S7,40 je m' Nutzfläche, bei Brauchbarkeit derWohnung S 14,80 je m' Nutzfläche. Wird füreine Kategorie D Wohnung ein Hauptmietzinsvon mehr als S 7,40/m' begehrt, so ist fürdiese Wohnung die Einhebung eines erhöhtenHauptmietzinses gem. §§ 18 ff. MRGausgeschlossen (§ 18 Abs. 5 MRG).Ausnahmen für standardverbesserteWohnungen (§ 46c MRG): Wurdevom Vermieter eine Standardverbesserungzwischen dem 1. Jänner 1968 und dem 1.Oktober 1993 tatsächlich in Angriff genommen,so darf für einen zwanzigjährigen Zeitraumab Abschluß der Verbesserungsarbeitenweiterhin der angemeS$ene Hauptmietzinsbegehrt werden. Dies unbeschadet derBestimmungen des § 16 Abs. 2 bis 4 MRGüber den sonst anwendbaren Richtwerthauptmietzins.Andere Ausnahmen: Mit § 16 Abs. 12MRG wird ausdrücklich klargestellt, daß förderungs<strong>recht</strong>licheBestimmungen über dieMietzinsbildung unberührt bleiben. DasMRG gilt daher in diesen Fällen nur subsidiär.Zu erwähnen sind hier jedenfalls die Bestimmungendes § 33 Stadterneuerungsgesetzeshinsichtlich der unter das Wohnhaus­Wiederaufbaugesetz fallenden Wohnungen,die Bestimmungen des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes1971 - freier Hauptmietzinsgemäß § 53 MRG nach begünstigterRückzahlung - und des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes1987 - angemessenerHauptmietzins nach begünstigter Rückzahlung.Zusammenfassende Einschätzung:Die neuen Mietzinsregelungen führen zu einemmassiven Preisauftrieb, Steigerungenbis zu 400% bei bisher den Kategoriemietzinsenunterliegenden Kategorie B- und C­Wohnungen (S 22,20 und S 14,80 je m'Nutzfläche). Die vom Vermieter standardverbessertenWohnungen verbleiben inder angemessenen Hauptmietzinsbildung.Ausschließlich das geringe Segment jenerWohnungen, die vom Vormieter auf KategorieA Standard gebracht worden sind und ineinem Gründerzeitviertel (durchschnittlicheLage) liegen, werden billiger.Der Ankündigung der Regierungsparteienmit dem 3. W ÄG den Auswüchsen derMietzinsentwicklung entgegenzutreten undfür eine effektive Begrenzung der Mietzinsezu sorgen, werden durch dieses Gesetz jedenfallsnicht erfüllt!Da die Kriterien für Zuschläge und Abstricheim Richtwertsystem gesetzlich nichtdeterminiert sind, wird für die Normunterworfenenmit dem 3. W ÄG ein System derRechtsunsicherheit (Mieter und Vermieter)geradezu erst geschaffen.Dazu kommt noch, daß dieTeilnichtigkeitüberhöhter Hauptmietzinse nur mehrdann geltend gemacht werden kann, wenninnerhalb einer Präklusivfrist von drei bzw.dreieinhalb Jahren ab Mietzinsvereinbarungeine AntragsteIlung bei Gericht (SchlichtungsteIle)erfolgt.Die geändertenBefristungsregelungenDie Befristung von Mietverträgen ist auchbei Neuabschlüssen ab dem 1. März 1994nur innerhalb bestimmter Grenzen möglich.In Frage steht jedoch, inwieweit überhauptnoch unbefristete Hauptmieten zur Vergabegelangen werden. Neben den gemäß § 29Abs. 2 MRG unverändert gebliebenen Bestimmungenüber den Ausbildungsmietvertragsind gemäß § 29 Abs. 1 Z. 3 MRG je- .Recht & Gesellschaftdenfalls folgende Befristungen für den Vermieterdurchsetzbar, wenn sie schriftlich vereinbartworden sind (unbedingter Endtermin):• ohne Höchstdauer bei Wirtschaftsparks,bei Mietgegenständen des freifinanziertenNeubaus nach dem 31. Dezember1967 und bei Wohnungen in einemWohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen;• bis zur Höchstdauer von zehn Jahren beivermieteten Eigentumswohnungen, sofernesie nicht unter den ersten Punktfallen; nach Ablauf einer fünf jährigenVertragsdauer hat der Mieter ein gesetzlichnormiertes Kündigungs<strong>recht</strong> - dreimonatigeKündigungsfrist;• auf exakt drei Jahre (nicht länger undnicht kürzer) bei allen anderen Wohnungen;nach Ablauf einer einjährigen Vertragsdauerhat der Mieter ein gesetzlichnormiertes Kündigungs<strong>recht</strong> - dreimonatigeKündigungsfrist;• ohne Höchstdauer bei Geschäftsräumlichkeiten,die als sonstige Räumlichkeitim Wohnungseigentum stehen;• bis zur Höchstdauer von fünf Jahren beiU ntermietverhält~issen.Folgende Besonderheiten sind jedoch zubeachten: Die Befristungsmöglichkeit aufzehn Jahre ist dann ausgeschlossen, wenndie Wohnung in einem Altbau (errichtet vordem 9. Mai 1945) liegt und der VermieterEigentümer der Mehrheit der Miteigentumsanteileoder der Wohnungseigentumsobjekteist. In diesem Fall ist nur eine Dreijahresbefristungmöglich. Bei Umgehungsversuchendurch Übertragung von Miteigentumsanteilenan nahe Angehörige, etc., giltein anders als auf drei Jahre befristeter Mietvertragals auf unbestimmte Zeit abgeschlossen( § 29 Abs. 5 und 6 MRG).Für die befristete Vermietung ist unterbestimmten Voraussetzungen auch ein 20%­iger Abschlag vom sonst zulässigen Richtwert-oder Kategoriehauptmietzins vorgesehen.Dies trifft nur bei den Dreijahresverträgenund jenen befristeten Hauptmietverträgenüber Eigentumswohnungen, die inAltbauten liegen, zu (§ 16 Abs. 7 MRG).Die Vermietung an institutionelle(mildtätige) WohnraumbeisteIler ist auffünfJahre, mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkleitum abermals fünf Jahre, zulässig(§ 29 a MRG).At/m.: Die Zitate (kursiv) beziehetl sichjeweils auf denGesetzestext in dergeltenden Fassung. Zitate zum Textin der Fassung vor dem 3. WÄG sind mit aF geketIJ/­zeichnet. AB ist der Bericht des Bautenausschusses zum3. WÄG, 1268 BlgNR 18. GP.Martin Gruber ist Mitarbeiter des Vereins "Mieterinformieren Mieter" (MIM).Dr. Katharina Ruep<strong>recht</strong> ist Rechtsanwältin in Wien.Nr 3/94JURIDIKUMSeite 17


Recht & GesellschaftEIN SCHRITI IN EINE ANDERE REPUBLIKDer Große lauschundSpähangriffIIse BechtholdMit BegriHen wie "elektronischeAufklärung", "bemannteWanze", "audiovisuelleÜberwachung" istein und dasselbe gemeint:Der Schutz der verfassungsgesetzlichgarantiertenPrivatspähre sollgelockert werden - demStaat sollen "Einbrüche"mit nachrichtendienstlichenMitteln gestattet werden.In Österreich wurde diesbisher nur von "Expertlnnender Inneren Sicherheit"diskutiert. Dieser Artikelaus der BundesrepublikDeutschland zeigt dieGefahren dieses modernenSpitzelwesens auf.Kaum ein anderes Thema beherrscht die öffentlicheDiskussion in der BundesrepublikDeutschland zur Zeit mehr als das der "InnerenSicherheit" und hierbei vorrangig derGroße Lauschangriff, der zum (AII-)Heilmittelder Kriminalitätsbekämpfung hochstilisiertwird. Worum geht es dabei?Es geht darum, daß zur Strafverfolgungprivate, intime Gespräche aus Wohnungen,Arztpraxen, Redaktionssruben, Priesterzimmern,Drogenberatungsstellen, Anwaltskanzleienusw. heimlich abgehört werdendürfen. Indem in Wohnungen eingebrochenwird oder eine sonstige Gelegenheit genutztwird, in die Privat- oder Geschäftsräumeheimlich einzudringen, schafft man die technischenVoraussetzungen dafür, sogenannteWanzen anzubringen.Dies ist aber nur die eine Seite dieses Instrumentes,denn zugleich werden technischeVorrichtungen angebracht, um nebendem Ton auch das Bild erfassen zu können,also zugleich wird eine optische Überwachungermöglicht. Nicht nur den Tonfall derStimme des Ehemannes, der abends seinerFrau eine Straftat beichtet, auch seine Mimikund die Reaktion seiner Frau könnenfestgehalten werden.Ich setze mich deshalb seit langem .dafürein, daß man hier nicht nur von Lauschangriffreden soll, da dies nur die halbe Wahrheitmeint, sondern von "Lausch- undSpähangriff" .Den "Kleinen Lauschangriff" gibt es bereitsseit dem Inkrafttreten des "Gesetzeszur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandelsund andere Erscheinungsformen derorganisierten Kriminalität" (OrgKG) im September1992. Er bedeutet, daß beim Abhören/Ablichtenein Polizeibeamter als "VerdeckterErmittler" im Raume anwesend ist;deshalb spricht man insoweit auch von ;,bemannterWanze". Diese Person muß sichden Zugang zum Intimbereich einer Wohnungerschleichen, um heimliche Observationenvornehmen zu können. Dies geschiehtdadurch, daß diese sich durch eineLegende Vertrauen jener Personen erschleichenmuß, z.B. sich als Kommilitone, alsFreund, als Handwerker, Parteigenosse usw.um die Person bemüht, ohne seinen Beamtenstatusund seinen Ausspähauftrag verratenzu dürfen. Diese in dem neuen § 100cdeutsche Strafpro;eßordnung (dStPO) nor-mierte Regelung ist besonders bedenklichdadurch, daß in Absatz 4 der Vorschrift derKleine Lauschangriff auch gegenüber völligUnbeschuldigten, nämlich "gegen anderePersonen" zulässig ist, wenn anzunehmenist, "daß diese Maßnahmen zur Erforschungdes Sachverhalts oder zur Ermittlung desAufenthaltsortes des Täters geeignet sind".Aufgrund dieses Gesetzes muß man bereitsheute damit rechnen, daß jedes in dereigenen Wohnung gesprochene Wort undMienenspiel notiert wird - von einem "gutenFreund ", der hier kein Helfer, sondernermittelnder Polizist ist: Was genügt den Befürworterndes Großen Lausch- und Spähangriffsdaran nicht?Sinn und Ziel des Großen Lausch- undSpähangriffs ist es, ohne daß ein VerdeckterErmittler eingeschleust zu werden braucht,an die in intimen Räumen geäußerten Lebensvorgängeheranzukommen; also die"unbemannte Wanze" wird gefordert.Um auftauchende Ängste zu zerstreuen,wird dieser Einsatz "elektronisches Hilfsmittel"(so Innenminister Kanther), "elektroniseheAufklärung" (so Zachert, Chef des Bundeskriminalamtes)oder "akustische Raumüberwachung"usw. genannt. Expressis verbiswird dem Ausdruck "Großer Lauschangriff"angelastet, daß er Abwehrreaktionen hervorruft(so der ehemalige Generalbundesanwaltvon Stahl, Spiegel 40/93).Nein, das Gegenteil ist der Fall: Der Ausdrucktrifft das, was die betroffene Personund alle ihre sogenannten "Kontaktpersonen"hinnehmen müssen, nämlich belauschtund ausgespäht zu werden. Es ist absurd,diesen Sachverhalt durch technisches Vokabularverschleiern zu wollen. Wer so etwasfür das geltende Recht fordert, muß sagen,worum es geht.Der Große Lausch- und Spähangriff mußsich am deutsches Grundgesetz (GG) messenlassen. In Artikel 13 Abs. 1 GG heißt esklar und umfassend: "Die Wohnung ist unverletzlich".In den beiden folgenden Absätzenwerden für Hausdurchsuchungen (Abs.2) und zur Gefahrenabwehr (Abs. 3) Ausnahmenzugelassen. Hierdurch wird etwa eineAbhörmaßnahme gegen Geiselnehmer, dieMenschen in ihrer Gewalt haben, ohne weitereszulässig. Entsprechend ist auch derGroße Lauschangriff längst polizeiliche Praxisin derartigen Situationen und sogar seiteiniger Zeit ausdrücklich per Gesetz in deneinzelnen Bundesländern der BRD geregelt.Dies ist für die öffentliche Diskussion sehrwichtig, weil häufig die Kampagne mit Fällengeführt wird, die direkt mit geltendemPolizei<strong>recht</strong> zu lösen sind. Abwegig anzunehmen,jemand würde dem Einsatzkommandoverbieten wollen, akustisch und optischeine Wohnung zu durchforsten, in derein Täter Kinder in Schach hält. Die entsprechendenPolizeinormen ähneln sichsehr, so daß als Beispiel § 23 PolG Baden­Württemberg zitiert werde~ soll: "Der Poli:zeivollzugsdienst kann personenbezogeneDaten in oder aus Wohnungen durch denSeite 18JURIDIKUMNr 3/94


verdeckten Einsatz technischer Mittel ... erheben,wenn dies zur Abwehr einer unmittelbarbevorstehenden Gefahr für den Bestandoder die Sicherheit des Bundes oderLandes oder für Leben, Gesundheit oderFreiheit einer Person erforderlich ist".Dieses präventiv-polizeiliche Instrumentist bei Gefahr im Verzug (und das ist der Regelfall der Praxis) ohne Einschaltung desAmtsgerichts einsetzbar.Das Neue - noch nie in irgendeiner deutschenVerfahrensordnung Vorgesehene - ambeabsichtigten Großen Lauschangriff istnun, daß dieser als Methode des Strafverfahrenseingeführt werden soll. Hier gelten alsogerade nicht Gesichtspunkte der Prävention,der Gefahrenabwehr, sondern der Repression.Das Strafverfahren dient der Einzelfallge<strong>recht</strong>igkeit.Hier kommt - und da bestehtEinigkeit zwischen den Befürwortern undden Gegnern dieses Mittels - der Grund<strong>recht</strong>sschutzdes Art. 13 Abs. 1 GG in seinerkurzen, eindeutigen Form zur Anwendung.Das Bundesverfassungsgericht stelltehierzu fest: Dem einzelnen muß um der freienund selbstverantwortlichen Entfaltungseiner Persönlichkeit willen ein "Innenraum"verbleiben, in dem er sich selbst besitztund "in den er sich zurückziehen kann,zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, indem man in Ruhe gelassen wird und einRecht auf Einsamkeit genießt" (BVerGE 27,1 ff). Der Bundesgerichtshof hat ohne wennund aber eben dieses Recht in etlichen Entscheidungenbetont. So heißt es: "Nach Ansichtdes Senats berührte die Aufzeichnungdes ,Raumgesprächs' den unantastbaren Bereichder privaten Lebensgestaltung, der unterdem absoluten Schutz des Grund<strong>recht</strong>saus Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG stehtund auf den daher die öffentliche Gewaltnicht einwirken darf ... Selbst überwiegendeInteressen der Allgemeinheit können einenEingriff in den geschützten Kernbereich privaterLebensgestaltung nicht <strong>recht</strong>fertigen"(BGHSt 31,296).Hier wird auf den wichtigen Gesichtspunkthingewiesen, daß das Verfassungs<strong>recht</strong>unter Geltung des Grundgesetzes sogenante"Ewigkeits<strong>recht</strong>e" kennt, die nichtdurch welche parlamentarischen Mehrheitenauch immer, beeinträchtigt werden dürfen,da sonst die Menschenwürde angegriffenwird. Und hierzu gehört der private Freiraum:"Mit der Menschenwürde läßt es sichnicht vereinbaren, wenn der Staat das Rechtfür sich in Anspruch nehmen könnte, die imengsten Familienkreis geführten Gesprächezu kontrollieren ... Die Möglichkeit, Empfindungen,Gefühle, Ansichten oder Eindrückevon Erlebnissen zum Ausdruck zubringen, ohne der Angst ausgesetzt zu sein,daß staatliche Behörden die Unterhaltungüberwachen, wäre dann unerträglich behindert.Auch für den sonstigen vertrauensvollenGedankenaustausch zwischen den Ehepartnernwürde dies zutreffen. Dies würdeeine schwere Beeinträchtigung der menschlichenWürde bedeuten" (BGH a.a.O.).Nr 3/94Solche Gerichtsentscheidungen, diedurch zahlreiche Beispiele vermehrt werdenkönnten, müssen, da sie exakt die gültigeVerfassungslage widerspiegeln, herausgestelltwerden.Es ist erschreckend zu beobachten, wieimmer mehr nur noch Fragen der Praktikabilitätund populistische Forderungen imMittelpunkt stehen, und die entscheidendeFrage, ob der Große Lausch-und Spähangriffüberhaupt verfassungskonform sein kann,nicht behandelt oder als lästig zur Nebensacheerklärt wird. Dadurch, daß über Art. 79Abs. 3 GG der oben genannte Kernbereichdes Grund<strong>recht</strong>s auf freie Entfaltung derPersönlichkeit im Schutz unverletzlicherWohnung garantiert ist, gibt es nach meinerÜberzeugung keine <strong>recht</strong>liche Handhabe,diesen Grundsatz aufzukündigen.Bezeichnend, welche Wege beschrittenwerden, um dieses verfassungs<strong>recht</strong>licheHindernis zu umgehen: So hat etwa derBayerische Staatsminister des Innern Dr.Edmund Stoiber (inzwischen Ministerpräsident)am 21.4.1993 einen Antrag an die GemeinsameVerfassungskommission gestellt,nachdem die Ergänzung des Art. 13 Abs. 3GG zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalitätbaldmöglichst behandelt werdensollte mit dem Ziel, einfach die (wie obendargestellt notwendige) weite Fassung fürpolizeiliche Gefahrenabwehr auch für Strafverfahrengelten zu lassen. Es wurde auf den"mißglückten" Wortlaut von Art. 13 Abs. 1GG hingewiesen: Das, was Bundesverfassungsgerichtund Bundesgerichtshof als unveränderbarenKernbereich unseres <strong>recht</strong>sstaatlichenSchutzes darstellen, wird alsmißglückte Fassung bezeichnet!Die Einführung des Großen Lausch- undSpähangriffs würde auch gegen das Prinzipunseres tradierten Strafverfahrens verstoßen,daß der Würde des Menschen entsprechendim Mittelpunkt des Prozesses "der Menschals Subjekt" steht. Er darf nicht zum Objektstaatlicher Maßnahmen degradiert werden,sondern darf nur in einem fairen, offenenVerfahren überführt oder freigesprochenwerden. Das hat überhaupt nichts mit "weieherWelle" gegen Kriminelle zu tun, dennauch in einem fairen Prozeß kann es (etwaJURIDIKUMRecht & Gesellschaftbei rassistischen Gewalttätern) durchaus zuangemessen harter Bestrafung kommen. Esgeht vielmehr um die Rechtskultur, in welcherPosition eine Person, die einer Straftatbeschuldigt wird, die staatlichen Maßnahmenhinnehmen muß. Jedes zum-Objektmacheneiner beschuldigten Person widersprichtseiner unveräußerlichen Würde.Auch unter diesem Gesichtspunkt kann dasInstitut des Großen Lausch- und Spähangriffsnur abgelehnt werden, denn es zeichnetdiese Maßnahme ja gerade aus, daß sieheimlich erfolgt. Es wäre ja auch schlichtsinnlos, jemanden davon zu benachrichtigen,daß in seinem Bade- und Schlafzimmerelektronische Apparate Tag und Nacht Bilderund Töne übermitteln, um an Geheimnisseheranzukommen.Bereits jetzt sind - noch vermehrt seit1992 durch das OrgKG - erhebliche Einschränkungenvon diesem Grundsatz wirksam:Weder bei der Rasterfahndung, nochbei der Schleppnetzfahndung oder beimEinsatz von Verdeckten Ermittlern oder V­Leuten ist die beschuldigte Person nochSubjekt des Verfahrens, vielmehr Objekttechnischer oder sonstiger Beobachtung undBewertung. Aber bei Einsatz der elektronischenMittel in ihrem Intimbereich würdedas Subjekt-Sein praktisch beendet sein.Ebenso selbstverständlich war es dembisherigen Strafverfahren, daß nur gegenVerdächtige ermittelt werden durfte. Esgehört zu einem freiheitlichen Rechtsstaatdazu, daß sich der gesetzestreue Menschden Staat auf Distanz halten kann. Auf Verdachtgegen irgendeine Person gezielt Ermittlungeneinzusezten, die sogar bis in seineengsten Familienkreise führen, widersprichtdem an das Grundgesetz orientiertenStrafverfahren.Auch insoweit würde das beabsichtigteInstrument gegen diese gute Tradition sprechen,die gerade wegen der fürchterlichenMißachtung in zwei Un<strong>recht</strong>ssystemen inDeutschland in diesem Jahrhundert bewahrtwerden muß. Der Große Lausch- undSpähangriff erfaßt nämlich nicht (wie etwabei einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung)nur zufällig und unbeabsichtigtauch weitere Personen als jene, gegendie sich der konkrete Verdacht richtet. Ganzgezielt und gewollt werden die Observationenauch eingesetzt gegen Personen, die irgendwiein Kontakt mit der beschuldigtenPerson stehen könnten - also etwa Abhörungeines Zahnarztes, weil der Freundseiner Sprechstundenhilfe beschuldigt wirdund man hofft, sie plaudert in der Praxis'mal darüber, wo ihr Kumpel am Wochendehinzufahren gedenkt, was er wo gerade unternimmtusw. Auch die Mieterin brauchtgar nichts verschuldet zu haben, aber überihre Wohnung kommt man vielleicht an Informationenüber ihre Vermieterin und derenSohn heran usw., usw.Was bereits beim sogenannten KleinenLauschangriff seit 1992 Gesetz ist, soll alsonun auch für den "Großen Bruder" gelten.Seite 19


Recht & GesellschaftEs gehört zu den unverzichtbaren Garantieneines <strong>recht</strong>sstaatlichen Verfahrens, daßjede Person so lange als unschuldig gilt, bissie in einem fairen Verfahren verurteilt wordenist. Diese Unschuldsvermutung hat überArt. 6 MRK Verfassungsrang.Zu diesem Grund<strong>recht</strong> gehört das selbstverständlicheRecht jeder beschuldigtenPerson zu schweigen. Niemand braucht sichdurch eigene Aussage "ans Messer liefern".Was bleibt von diesem Recht, wenn nichtnur die komplette Aussage der Person, diesie beim trauten Zusammensein mit ihremEhegatten von sich gab, auf der Spule ist,sondern auch noch etwaige offene Fragendurch Vorspielen der Gestik geklärt wedenkönnen. Gut, reden braucht die Beschuldigtenicht mehr, sie hat ja auch das Schweige<strong>recht</strong>und ihre Einlassung benötigt manüberhaupt nicht mehr. Soll so das moderneStrafverfahren aussehen?Unverzichtbar sind in der Strafprozeßordnungauch Zeugnisverweigerungs<strong>recht</strong>e vonnahen Verwandten, Pfarrern, Ärzten, Redakteurenusw. Wer wollte bestreiten, daß auchhier Einbrüche entstehen, sollte der GroßeLausch-und Spähangriff Gesetz werden?Das Schlimme daran ist, daß all diese peinlichgenauen Vorschriften nicht etwa aufgehobenwerden, sondern weiterhin in der St­PO stehen und doch nur noch für einen Teilder Verfahren Geltung haben werden. Eswird also zu einer krassen Zweiteilung derVerfahren kommen, einmal dem klassischenmit allen Rechtsgarantien und dann den anderen,in denen alles nicht mehr so genaustimmt.Dies gilt besonders für ein weiteresGrund<strong>recht</strong>, nämlich das in Art. 19 IV GGgarantierte Rechtsstaatsprinzip. Es ist in derStPO exakt geregelt, wie und wann mit jedemEingriff über die möglichen Rechtsmittelbelehrt werden muß. Selbst wenn ich einemBeschuldigten, der allein am Steuer sitzendvon der Polizei gestoppt wird und überzwei Promille im Blut hatte, die Fahrerlaubnisvorläufig entziehe (und er weiß, daß diesdie gesetzliche Folge seiner Trunkenheitsfahrtist), gebe ich pflichtgemäß eine detaillierteRechtsmittelbelehrung, die sogarförmlich zugestellt werden muß. Wenn jedocheine Person, die rein gar nichts davonahnt (z.B. der oben genannte Zahnarzt) einenviel gravierenderen staatlichen Eingrifferduldet, indem nämlich ohne irgendeineSchuld seine persönlichen Gespräche, Gefühlsäußerungenund Gesten belauscht, aufgezeichnetund gespeichert werden, kann ersich nicht dagegen wehren. Zwar gilt natürlichauch für ihn die Rechtsstaatsgarantie -nur, wenn er nicht weiß, daß er belauschtwird, wie soll er sich denn wehren? Zwarwerden spätere Benachrichtigungen vorgeschlagen,wie sie jetzt schon beim KleinenLauschangriff gelten, aber erstens sind dieseerst zulässig, wenn die Maßnahme beendetist (was ja logisch ist, denn sonst würde er janicht mehr frei reden), d.h. gegen die laufen-Seite 20de Observation gibt es überhaupt keinRechtsmittel. Aber selbst die nachträglicheist mit solchen Kautelen versehen, daß mannicht von irgendeiner Garantie sprechenkann.Es gibt noch eine Fülle von Argumentengegen den Großen Lausch- und Spähangriff,die die technischen Gegenmaßnahmen raffinierterGanoven betrifft, was vor allem dieverquere Rechtspolitik betrifft, die statt Ursachender Kriminalität zu bekämpfen, nurhärtere Gesetze zur Antwort auf ungelösteGesellschaftsfragen gibt, keine offene Diskussionüber mögliche Entkriminalisierungim "weichen" Drogengeschäft zuläßt oderwie mit dem Phänomen der Neuen Armut,der Zweidrittel<strong>gesellschaft</strong> umgegangenwerden soll.Im Rahmen dieser Darlegung kann dasThema nur bruchstückhaft erörtert werden.Dennoch möchte ich noch auf einen Aspektzum Schluß kurz eingehen: Viele Befürworterdes Großen Lausch-und Spähangriffs,insbesondere im Lager der SPD, haben eingewisses, nicht ruhig zu stellendes Unbehagenbei ihrem Vorschlag. Irgendwie merkensie, daß es hier tatsächlich an die Grundprinzipieneines freiheitlichen Rechtsstaatesgeht; darf man alles, was man tun kann, oderbindet das Grundgesetz und die Menschen<strong>recht</strong>skonventionden Gesetzgeber doch, aufdiesem Wege weiterzugehen? Da kommt als"Erlösung" das Argument, daß dieses Institutnur unter Richtervorbehalt statthaft seindarf, hierdurch könnte der Verfassung Rechnunggetragen werden. Dieses Argumentzieht nicht. Zunächst ist es schon dogmatischausgeschlossen, daß ein verfassungswidrigerEingriff (weil er den Kernbereich... und hierzulande?" ... es (ist) völlig unsinnig, über denl;Lauschangriff' oder sachlicher die akustischeRaumüberwachung isoliert zu diskutieren.. .. die akustische Raumüberwachung(kann)nur Teil eines ganzen Paketssein, über das diskutiert werden muß. DerOberbegriff lautet ,technische Beweissicherung'.Zu dem erwähnten Paket zählenaußerdem die verdeckte Fahndung, unterEinschluß des Einsatzes von V-Leuten; dieSchleppnetz- und Rasterfahndung; derKronzeuge; das Zeugenschutzprogramm. "(Mag. Alfred Ellinger, Strafrichter in Eisenstadt;Der Kriminalbeamte April 94)"Betrachtet man aber die <strong>recht</strong>lichen Möglichkeitenzur effizienten Bekämpfung despolitisch oder. kriminell motivierten Verbrechens,soist die Bilanz ernüchternd: sogenannte,verdeckte Ermittlungen' sindnicht einwandfrei positiv<strong>recht</strong>lich geregelt;der eingeschleuste Informant wäre gemäߧ 25 StPO ein ,agent provocateur'; ein Zeugenschutzprogramm(Geheimhaltung derPersonaldaten, veränderte Identität, finan-JURIDIKUMder Menschenwürde angreift) dadurch <strong>recht</strong>mäßigwird, daß eine Richterin ihn anordnet.Wer die gerichtliche Praxis kennt, weiß, daßErmittlungsanträge auf Hausdurchsuchung,Telefonüberwachung lind andere, zu denenauch jener zur Anordnung des GroßenLausch- und Spähangriffs gehören würde,fast ausschließlich Eilsachen sind. Das liegtin der Natur der Sache, denn der Waffenschieberwird ja nicht in Ruhe abwarten, bisjemand Akten durchgearbeitet hat. Das bedeutet,daß Zeitdruck besteht und daß auchnur jene Akten dem Gericht vorgelegt werden,die zur Zeit der AntragsteIlung fertiggestelltwerden konnten. Inwieweit diese wirklichkomplett sind, ist nicht nachprüfbar.Unmittelbar anschließend auftauchendeErkenntnisse, etwa eine entlastende Zeugenaussage,die den Anfangsverdacht abgeschwächtund damit zu einer anderen Gerichtsentscheidunggeführt hätte, könnenvom Ermittlungsgericht nicht berücksichtigtwerden. Sofort nach der Entscheidung gehtder Aktenvorgang zurück an die Staatsanwaltschaftbzw. Polizei; es gibt nicht wie imfrüheren Recht die Untersuchungsrichterin,die den "Fall" weiterverfolgt. Vielmehr liegtder Vollzug und damit auch die Ausführungsmodalitätselbst nur bei den Ermittlungsbehörden.Das Gericht kann zwar Protokolleanfordern, aber es wäre weder technischnoch vom Zeitaufwand machbar, beider derzeitigen Personalstruktur der Justizdas Abhören nicht nur bei Tag sondern auchin der Nacht vom Gericht selbst vorzunehmen.Dadurch wird praktisch nur für denZeitpunkt entschieden, in dem die Akte aufder Richterbank liegt. Da die Ermittlungsanträgegerade stockende Erkenntnisse fördernzielle Unterstützung beim Aufbau einerwirtschaftlichen Existenz etc.) fehlt; unddie audiovisuelle Beweissicherung(,Lauschangriff') ist nicht nur unzulässig,sondern sogar strafbar - § 120 StGB. (MR.Mag. Herbert Fuchs war Gruppenleiter imInnenministerium;Öffentliche Sicherheit 7-8193) •"Wir sind am Verhandeln. Unsere Forderungen,gerade im Hinblick auf die organisierteKriminalität, stehen fest: Zeugen~schutz, Vertrauens käufe, Kronzeugenrege"lung und der umstrittene Lauschangriff.(Zu den Verhandlungen zur StPO-Reform­Red.) ... wird die Justiz wahrscheinlichnach dem Sommer in die Verhandlungeneingebunden ... Schließlich geht es nichtum das Vorverfahren, sondern um die StPOals ganzes. Eine Realisierung des Gesamtprojektskann ich mir vor 1996 ni~ht vorstellen."(Mag. Manfred Sika, Generaldirektorfür öffentliche Sicherheit; Der KriminalbeamteApril 94)Ähnliches fordern u.a.: Der Vorstand desSicherheitsbüros Wien, Edelbacher, SP-SicherheitsprecherElmecker, sein VP-KollegePirker, SP-Generalsekretär Marizzi undauch der Innenminister selbst.Nr 3/94


________________________________ Recht & Gesellschaftsollen, liegt es auf der Hand, daß der Inhaltder Akten oft sehr dürftig ist.Angesichts der praktischen Erfahrungenmit anderen Ermittlungsmethoden kann esnur als Augenauswischerei bezeichnet werde~,wenn der vorgesehene Richtervorbehaltbesonders reich ausgestattet werden soll. JedesAufbauschen - etwa Entscheidung nureines Kollegiums - würde entweder eine sofortigeEilzuständigkeit als notwendig erscheinenlassen oder in kürzester Zeit vonder Law-and-Order Riege verlangt werden.Dies zeigen die schon bestehenden Eingriffs<strong>recht</strong>e: Sogar die Telefonüberwachungkennt das Recht der Staatsanwaltschaft, ohneGericht allein zu entscheiden, und billigtganze drei (!) Tage zu, bevor die in Eilkompetenzvorgenommene Überwachung derErmittlungsrichterin zur Bestätigung vorgelegtwerden muß. Es paßt in das Bild, daßbei dem 1992 neue eingeführten KleinenLauschangriff ebenfalls diese Maßnahme"bei Gefahr im Verzug auch durch dieStaatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamtenangeordnet werden" darf, § 100 d Abs.1 dSt­PO. Blauäugig zu meinen, dies ließe sich beieiner Erweiterung auf ,;unbemannte Wanzen"auf Dauer verhindern. Ohnehin scheintvielen Porizeipraktikern der Richtervorbehalt"überflüssig", wie es etwa der Präsidentdes BKA bei einer Anhörung im Bundestagformulierte (siehe Asbbrock, Betrifft Justiz,1992, S. 207).Der Große Lausch- und Spähangriffkönnte in der Kriminalitätsbekämpfung keinendurchschlagenden Erfolg bringen, dennes ist ein Irrglaube anzunehmen, man könntemit Straf<strong>recht</strong>sinstrumenten Kriminalitätausrotten. Was gefordert werden muß, sindphantasievolle, sozial abgestimmte Programme,um an die Ursachen des Straffälligwerdensheranzukommen.Es ist deshalb notwendig anzuerkennen,daß es in einem freiheitlichen Rechtsstaat,der sich offen nach außen geben will, immerdas Problem der Kriminalität geben wird.Dieses darf aber nur mit <strong>recht</strong>sstaatlich einwandfreienMitteln bekämpft werden. Denndie Strafprozeßordnung wird zu Recht alsMagna Charta des Beschuldigten bezeichnet.Nur wenn begriffen wird, daß die StPOein Prüfstein dafür ist, wie ernst wir dasGrundgesetz nehmen, müssen Vorhabenscheitern, die die Beschuldigten zu bloßenObjekten des Strafverfahrens machen. GustavHeinemann, der frühere "Bürgerpräsident"der Bundesrepublik, hat dies - unddamit möchte ich schließen - auf den Punktgebracht: "U nser Grundgesetz ist ein großesAngebot. Zum ersten Mal in unserer Geschichtewill es in einem freiheitlich-demokratischenund sozialen Rechtsstaat der Würdedes Menschen Geltung verschaffen".Dr. IIse Bechthold ist Straf- und Ermittlungsrichterinbeim Amtsgericht in Kehlt Sprecherin des Bundesvorstandesder Gustav Heinemann-Initiative e.V. zumSchutze von Bürger<strong>recht</strong>en und Mitglied des Landesvarstandsder Sozialdemokratischen Jurist jinn jen.DER ELEKTRONISCHE VOLLZUGHaftstrafe imdigitalen Netz,Klaus Richter"Nach der Theorie der Inquisitionwar (die Einkerkerung)in Wirklichkeitkeine Strafe, sondern einMinel, durch welches derBüßer bei dem Brote desElends und dem Wasserdes Trübsals von Gon Verzeihungseiner Sünden erlangenkonnte,wöhrendman ihn gleichzeitig durchscharfe Bewachung aufdem <strong>recht</strong>en Weg hielt undzur Beseitigung einer Ansteckungsgefahrvon demübrigen Teil der Herdetrennte. 1I(Chor/es H. Leo, Die Inquisition)(1)"Fürchte Dich nicht, ich räche nichts Bo'ses, sondemzwinge zum Gutm. Halt ist meine Hand,aber liebreich ist mein Gemüt. "(PieterG. Hooft, Niededcl17de 1607)Vor über 15 Jahren veröffentlichte Marvel­Comics eine Story mit dem später auch zuFilm- und Fernsehehren gelangten Spiderman,von der damals niemand ahnen konnte,daß sie in die Geschichte der internationalenKriminalpolitik eingehen würde. Feinde desSuperhelden, so die bunte Bildererzählung,hatten ihm ein elektronisches Armband angelegt,um ihn jederzeit lokalisieren und sokontrollieren zu können, um jeden seinerSchritte zu verfolgen.Gerüchteweise wäre es jene Geschichteim Comic-Strip gewesen, die den JuristenJack Love, von Profession US-Bezirksrichter,auf eine Idee brachte. Statt verurteilteStraftäter den bekannt schädigenden Wir-kungen des herkömmlichen Vollzugs im Gefängnisauszusetzen und um dabei gleichzeitig- und vor allem - Kosten zu sparen, solltensie in ihren eigenen vier Wänden überwachtwerden.1983 hatte Richter Love ein Elektronik­Unternehmen gefunden, das ihm die dafürnotwendigen Geräte in Form von elektronischenHand- bzw. Fußbändern, überwachtper Heimtelephonanlage, zur Verfügungstellen konnte und ihm so erlaubte, die erstenVerurteilungen zu "house-arrest" auszusprechen.Auf Versuche in verschiedenenStaaten der USA folgte bald eine bundesweiteRegelung. 1990 standen bereits 0,15%der US-Strafgefangenen unter High-Tech­Vollzug, immerhin mehr als 12.000 Personen,hauptsächlich Ersttäter mit Haftstrafenvon eher geringer Dauer. Großbritannienfolgte ein Jahr später mit entsprechenderGesetzgebung dem Beispiel seiner ehemaligenKolonien.Aktiv und PassivPrinzipiell unterscheiden die Ingenieurezwei Formen der Überwachung des Delinquenten,die zu ihrem Funktionieren (noch)eine private Telephonanlage benötigen. Im"aktiven" System wird der Verurteilte miteinem Hand- oder Fuß band versehen, daseinen permanenten Sender enthält. Entferntsich der Gemaßregelte zu weit vom Telephonoder versucht er, den Sender zu entfernen,wird in der ÜberwachungszentraleAlarm ausgelöst. In der Folge trifft ihn dieherkömmliche Art des Vollzugs.Im billigeren, praktikableren und daherhäufigeren Passivsystem kontrolliert dieZentrale in regelmäßigen oder zufallsgeneratorbestimmtenAbständen die Anwesenheitdes Täters, der sie mit einer Magnetkarte zubestätigen hat."tagging llWegen zu geringer Leistungsfähigkeit desdafür erforderlichen Autotelephonnetzesblieb in England die landesweite Überwachungeines Delinquenten, das umstrittene(J) eh. H. Lea, Die hlq/lisitioJl, Übersetz lt ttg VOll frlaxRache! lind Heillz Wied, Verlag GreJIo, NördlittgetJ1985Nr 3/94JURIDIKUMSeite 21


Recht & Gesellschaft"tagging", bisher auf der Wunschliste technikgläubigerReformer.Unter Zuhilfenahme des Heimtelephonsbreit angelegte Modellversuche im VereinigtenKönigreich hauptsächlich mit "sozial deklassierten"Tätern endeten indessen nachübereinstimmender Ansicht der Beobachterals Desaster.Daß indessen nach Alternativen zum herkömmlichenVollzug gesucht wird, ist aberangesichts der Zustände und Erfahrungennur logisch.Der "normale ll VollzugDrogenmißbrauch, sexuelle Gewalt und Anpassungan die Normen und Verhaltensweisender vollzugsinternen Subkultur sindauch in österreichischen Haftanstalten ander Tagesordnung. Das Gefängnis als Symboleiner überkommenen Kriminalpolitik,durch die nicht nur Konflikte verwaltet undendgelagert anstatt gelöst und bewältigt werden,sondern mit Hilfe derer auch Kriminalitätin Form von Rückfallstätern "produziert"wird, ist anachronistisch und disqualifiziert.Ebenso der Effekt, daß der/die Verletzte(zum Zeugen/zur Zeugin verkleinert)ohne Schadenswiedergutmachung ausgeht,in der Regel auf den Zivil<strong>recht</strong>sweg verwiesenwird (wo ein psychischer Schaden etwakaum zu bemessen ist).Der ferngesteuerte Hausarrest, der denTäter zwar in einem Teil seines sozialenUmfelds beläßt, ihm aber dennoch das vomStraf<strong>recht</strong> intendierte Übel in Form einerEinschränkung seiner Bewegungsfreiheit zufügt,biete sich hier, so die Befürworter derneuen Methoden, zur Schadensbegrenzungan. Bewährungshelfer und Sozialarbeiter inden Vereinigten Staaten unterstützten diezweifelhaften Programme, obwohl die gestecktenZiele weitgehend verfehlt wurden,haben sich doch soziales Ansehen, finanzielleAusstattung und die allgemeinen Arbeitsbedingungender, mit entsprechender Technikausgestattete Klienten betreuenden, Angehörigenihres Berufstands deutlich verbessert.Positionen: Österreich •••Das österreichische Bundesministerium fürJustiz lehnt die Anwendung der anglo-amerikanischenzugunsten fortschrittlicherer Methodenab: Die unbedingte Haftstrafe, heißtes in einer offiziellen Stellungnahme"', stelle"nach dem System der österreich ischenStraf<strong>recht</strong>sordnung das letzte Mittel dar",das als Reaktion auf ein strafbares Verhaltengesetzt werden soll. Im Sinn einer möglichstmassiven Zurückdrängung der Haftstrafe favorisiereman "Alternativen zur Bestrafung"überhaupt, wie die "Reaktionsformen desJugendstraf<strong>recht</strong>s" und KonfliktregelungsundSchadenswiedergutmachungsmodelle,etwa den sich nach wie vor im Stadium eines"Modellversuchs" befindenden "AußergerichtlichenTatausgleich im Erwachsenen-Seite 22straf<strong>recht</strong>"'·". Die bekannt negativen Sekundärfolgenwelcher Form von Haftstrafe immer,wie "Stigmatisierung, Arbeitsplatzverlustetc." und die in den Staaten gemachtenErfahrungen bringen die oberste J ustizbeamtenschaftzum Schluß, daß "eine Erweiterungder ( ... ) derzeit bestehenden Straf- undReaktionsformen ( ... ) nicht zielführend" sei.••• und DeutschlandEbenfalls negatv schätzt man in Deutschlanddie neue Straf<strong>recht</strong>spolitik ein. Schon1987 seien nach Auskunft des dortigen Bundesjustizministeriums"die Möglichkeiten,elektronische Überwachungssysteme für inFreiheit befindliche (?) Straftäter zu nutzen,( ... ) geprüft worden, nachdem dem Bundesministeriumder Justiz von anderen SeitenInformationen über elektronische Überwachungssystemeübersandt worden waren."Schon damals, heißt es weiter, sei aber "festgestelltworden, daß für die Übertragungdieser Systeme auf die anders geartetendeutschen Verhältnisse ( ... ) kein Bedarf besteht."Sechs Jahre später, 1993, träfe diese ablehnendeEinschätzung immer noch zu:"Die deutschen Justizbehörden sind mit Erfolgbestrebt, vor allem bei Straftaten vonminder schwerem Gewicht, Alternativen zurVerhängung von Freiheitsstrafe zu unterhaltenund fortzuentwickeln. Diese Bemühungenhaben ", erklärte das Bundesjustizministerium'"', "im Rahmen der Straf<strong>recht</strong>sreformunter anderem zur Abschaffung derkurzen Freiheitsstrafe und zu ihrer Ersetzungdurch andere Sanktionen geführt. Soweitbei minder schweren Delikten gleichwohlFreiheitsstrafen zu verhängen sind,stellt sich nach deutschem Recht die Frageder Durchführung und Überwachung eines,In-Haus-Arrests' nicht in der gleichen Weise,wie dies offenbar in der Straf<strong>recht</strong>s pflegeder Vereinigten Staaten von Amerika unddes Vereinigten Königreichs der Fall ist."Gleichwohl war es ein Deutscher, derKriminologe Michael Lindenberg, der einumfassendes Buch über den Techno-Vollzugund seine verschiedenen Formen undAnwendungsmöglichkeiten vorlegte 'S) unddas "elektronische Halsband" und seine Folgenauf die Spruch praxis einer kritischenWürdigung unterzog.Prinzipielle KritikEbenso ablehnend und pessimistisch wie dieoberste Behörde sieht Autor Lindenberg mitder Mehrheit der juristischen Beobachterden elektronischen Vollzug im Hinblick aufseine Wirkung in der Gesellschaft: "Es wirdnichts hergestellt," so sein Resümee, "sondernetwas dargestellt."Krankt die Straf<strong>recht</strong>spflege doch schonam Prinzip: Die empirische und - zum Niveaueines Mediums (z.B. Tageszeitung) -indirekt-proportioI)al vehement transportierteTrennung von schwarzen und weißenJURIDIKUMSchafen ist rational nicht haltbar und wissenschaftlichwiderlegt. Jeder Mensch verstößtwährend seines Lebens gegen eine Unzahlvon Regeln, das Dunkelfeld beträgt abhängigvon der zu brechenden Norm bis zu 99%.Schon daß im straf<strong>recht</strong>lichen Verfahrenüber den "Bodensatz der Gesellschaft", dasAußenseitertum, das Verbrechen zu Gerichtgesessen wird, ist also ein Teil eines tradiertenKonglomerats staatlicher Legitimationsmythen,die sich mehr um die Auf<strong>recht</strong>erhaltungbestehender Strukturen kümmernanstatt um die Begrenzung oder Wiedergutmachungvon Schaden. Parallel dazu ist derProzeß Fläche für jene psychologisch interpretierbarenProjektionen, die die herrschendeLehre vom Zweck des Straf<strong>recht</strong>sals positive Wirkung der Generalprävention(nicht Abschreckung, sondern Beförderungder Normtreue) verkauft.Symbolische VerwaltungGanz im Sinn dieser überkommenen Art der"symbolischen Verwaltung" von Kriminalitätvermittelt der Einsatz komplexer digitalerTechnologie den Bürgern den trügerischenEindruck umfassender staatlicher Kontrolleund Sicherheit. Der jeder Deliktsverwirklichungzugrundeliegende Konflikt wird indessendurch den geballten Einsatz vonHigh-Tech genausowenig tangiert, wie dieanachronistische Subordination des Straf<strong>recht</strong>sunter jeweilig zu definierende Moralvorstellungen.Vor dem Hintergrund des erwähntenDunkelfelds von 99% in manchenBereichen (z.B. Drogen<strong>recht</strong>) erklären Legislativeund Exekutive im anglo-amerikanischenRechtsbereich ihren Willen zur SymbolileDoch auf moralische statt instrumentelleAufgaben des Rechts setzt nur, wer vonder Wirkungslosigkeit der eigenen Normenüberzeugt ist und daher, um mit der Lösungsozialer Probleme, Täter-Opfer-Ausgleichund der Fragwürdigkeit der systemstabilisierendenFunktion des Straf<strong>recht</strong>s nicht befaßtsein zu müssen, der Sühne bedarf undexemplarisch vorgeführter Delinquenten.Ob diese sich bei Wasser und Brot in Kettenbefinden, wie vor 300 Jahren, oder elektronischüberwacht in der eigenen Wohnung,ändert nichts am Prinzip. Das Prinzip "Strafenstatt helfen" wird durch die Verwendungmoderner Technologie nicht berührt. Auchmit ihr bleibt der soziale Konflikt enteignet,verstaatlicht und ungelöst, der Täter indessennur zwischen- oder gar end gelagert, jedenfallsbloß verwaltet. In solchen Modellenkommt das Opfer nicht vor.(2) Stellungl/ahme des Bundesministeriltlfls für JustizVOIll 11.2.94(3) siehe JURlDIKUM 2/94, S.lO(4) SchreibeIl vom 22.6.93, zilien Ilach: Christiall Rath;High-Tech-Hallsarrest, Das elektl'01lische Halsband;"Forlllll Recht", Allsgabe 4/93.(5) Michael LindeJlberg, tiberwilldltllg der il'/allem - daselektronische Halsband, AG SPAK-BllChverlag, Miinehe;;1992Nr 3/94


RisDIE REGELUNG TECHNISCHEN FORTSCHRITISWege des Umwelt<strong>recht</strong>s inder Risiko<strong>gesellschaft</strong>Werner WendtDas Bedürfnis nach eineminstitutionalisierten Umwelt<strong>recht</strong>findet in unsererRechtsordnung keine ausreichendeWürdigung. Versuche,technischen Fortschriftmit traditionellen Instrumentarienin den Griffzu bekommen, bleiben unbefriedigend.Nr 3/94Ulrich Beck hat den Begriff der "Risiko<strong>gesellschaft</strong>"in seinem gleichnamigen Buchentworfen.'I) Er umschreibt damit eine Epoche,"in der die Schattenseiten des Fortschrittesmehr und mehr die <strong>gesellschaft</strong>lichenAuseinandersetzungen bestimmen".,l(Eine dieser Schattenseiten ist die fortschreitendeKonsumation der, um es ökonomischauszudrücken, Ressource Umwelt. Siestellt einen wesentlichen Kalkulationsfaktorin der Kostenrechnung unserer Gesellschaftbei der Schaffung des Produktes Fortschrittund bei der Sicherung der bereits erlangten"Errungenschaften" dar.Allerdings wird hierbei gerne übersehen,daß es sich bei dem verwendeten Gut umetwas handelt, das nicht nur der gegenwärti-JURIDIKUMgen Gesellschaft, sondern auch kommendenGenerationen gegeben ist, für die wir imRahmen unserer Entscheidungen Mitverantwortungübernehmen. Es ist immer wiedererstaunlich, mit welcher Selbstsicherheit im"white male system" LI) Kurzsichtigkeiten als<strong>gesellschaft</strong>liche und wirtschaftliche Notwendigkeitendurchgesetzt werden.Hier kommt dem Recht in der "Risiko<strong>gesellschaft</strong>"eine besondere Rolle zu. DasRechtssystem übernimmt eine Schutzfunktion,indem es uns vor unserer eigenen Inkompetenzbewahren und Maß und Ziel unseresKonsums der Umwelt regeln soll.Dabei gerät es aber gerade bei sich soschnell ändernden technischen Entwicklungenrasch an seine Grenzen. FehlleistungenSeite 23


Risiko Ges.m.b.H.des Rechts, die sich in diesem Bereich dannzwangsläufig ergeben, werden allerdings nurauf eine angeblich immer noch zu lückenhafteRegelungstätigkeit zurückgeführt undder Fehler nicht in der Andersartigkeit desRegelungskomplexes gesucht.Denn das Vertrauen in die Funktionalitätder bestehenden Systematik des Rechts istungebrochen und -der Verdacht der Antiquiertheitderselben, beim Versuch der Regelungdieser stark vernetzten Materie, entstehterst gar nicht.Die Vorfälle von Seveso, Bhopal, Baselund Tschernobyl zeigen aber das Potential,das in möglichen Störfällen liegt und wienotwendig eine effektive Vorsorge durch einfunktionierendes Kontroll-, InformationsundWarnsystem wäre. Genauso notwendigwäre auch ein effektives "Wiedergutmachungssystem"(sofern eben von Wiedergutmachunggesprochen werden kann), das denGeschädigten eine Möglichkeit zur Verfolgungihrer Interessen gibt."Die Antiquiertheit desRechts" (4)den soll, da es sich juristischnicht hinreichend genug beweisenläßt, ob ein Baum vonden Emissionen des X odervon denen des Y geschädigtwurde. Eine Umkehr der Beweislastwie im Produkthafctungsgesetz im Bereich desErsatzes von Umweltschädenwäre ein möglicher Weg zurLösung des Problems. In Japanwird das bereits seit demStörfall in der Minamata­Bucht(5) praktiziert.Den Sachverständigenkommt in diesen diffizilenAuseinandersetzungen eine sobedeutende Rolle zu, daß siesich in dem Maße über dieSchranken ihrer eigentlichenAufgabe als Entscheidungshelferim Verfahren hinwegsetzen,in dem sich die RichterInnenbei ihrer freien Beweiswürdigungeinfach überfordert fühlen. RainerWolf bezeichnet das als "formelle Entscheidungszuständigkeitbei gleichzeitigerEntscheidungsinkompetenz "(6). Grundprinzipienunserer Rechtsordnung werden alsorealiterad absurdum geführt.LizensierteNormalvergiftung (7)Die Trennung zwischen " Rechtmäßigkeit"und" Un<strong>recht</strong>mäßigkeit" wird im Bereichder Umweltschädigungen durch die Setzungvon Grenzwerten vollzogen. Auch darin liegtein Beispiel, das zeigt, wie schwierig es ist,diesen Regelungskomplex in die bestehendeRechtsordnung einzuordnen und wie antiquiertsich unser Rechtssystem in diesemBereich erweist.Überspitzt wäre die Festsetzung vonGrenzwerten mit der Frage: "Wieviel MordVli:0llen wir zulassen?" oder der Straffreiheitbei fahrlässiger Tötung und Strafe nur beiMord zu vergleichen.Außerdem werden diese Grenzwerte unterHeranziehung des gesunden Menschenals Maßstab erstellt. Jede Abweichung vom"gesunden Maßmenschen", etwa durch eineallergische Krankheit, erhöht zwar den persönlichenSchaden des Betroffenen, findet'aber keine Berücksichtigung. Das führtzwangsläufig zu der Frage, ob Schwächere inunserer Rechtsordnung unter demselbenSchutz der Rechtsordnung stehen wie "Normale"ihn genießen (zu der Problematik derGrenzwerte siehe näher den Beitrag vonBenjamin Davy, S. 29 -33).Das Krisenmanagement, das in der Risiko<strong>gesellschaft</strong>gaührtwerden muß, bedarfanderer Mittel als der bisher gebräuchlichen.Dieser Erkenntnis muß in unserer RechtsordnungRechnung getragen werden, damitRegelungen wie das eigentlich sehr fortschrittlicheUmweltstraf<strong>recht</strong> nicht durch, indiesem Fall antiquierte, Charakteristiken,wie die Verwaltungsakzessorietät, praktischlahmgelegt werden. Ein möglicher Ansatz inRichtung einer effektiven Verbesserung desRechts durch die Schaffung neuer Instrumentarien,die sich nach den neuen <strong>gesellschaft</strong>lichenErfordernissen richten, könntendie neuen Regelungen im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes(näh~resdazu siehe den Beitrag von Marlies Meyer,S. 34 - 36) und des Gesetzes zum unabhängigenUmweltsenat sein. Doch es bleibt abzuwarten,ob diese Regelungen in der Praxisden erhofften Erfolg bringen werden.(I) Ulrich Beck Risiko<strong>gesellschaft</strong>; Auf dem Weg ill eillealldere Modeme; Suhrkamp, 1986(2) Ulrich Beck, Politik in der Risiko<strong>gesellschaft</strong>; Suht~kamp 1831 S.lO(3) Alme Wilsoll Schaefer, Weibliche Wirklichkeit, Heyne(4) Rainer Wolf in: Politik. itl der Risiko<strong>gesellschaft</strong>S.378(5) 1954 setzte in de1'lUillamata-Bucht eine stark vermehrteGeburt von behindertetl Killdem ein, die auf eineQuecksilbervergiftung aus einem ansässigm Chemiewerkzurückzuführen war. Bis 1982 wurdm 1850 Met/sehenoffiziell als Opfer anerkannt.(6) Wolf, a, a, 0 S.414(7) Bed:, a,a,O s.84Der Versuch, jeden durch technische; odersoziale Entwicklung neu entstandenen Regelungsbedarfin die historisch entstandenenInstrumentarien des Rechts einzuordnen,führt immer wieder zu unbefriedigenden Ergebnissen.So ist im Bereich der Haftung für Umweltschädendas Verursacherprinzip (siehedazu näher Franz Schand!, S. 2S - 28) insofernantiquiert, als der Verursach er nicht immereinwandfrei festzustellen ist, da ein eindeutigerNachweis des Schädigers und desSchadensausmaßes schwierig oder gar nichtmöglich ist. Dieses Problem ergibt sich immerdann, wenn Ausgleich des entstandenenSchadens im Rahmen eines zivil<strong>recht</strong>lichenAnspruches verlangt wird, oder wenn derSchädiger für seine Handlung bestraft wer- ... mit unsern menS'chlichen Erfolgen über die Natur. (...)JURIDIKUM Nr 3/94


VON DEN UNMÖGLICHKElTEN DES VERURSACHERPRINZIPSlücken undTückent=r~nz SchondlMit dem Verursacherprinzipwird diekapitalistische Logik nichtangezweifelt oder gargedanklich durchbrochen,sie wird vielmehrweitergedacht. Mit ihmwerden obiektiv nichtprimär die ökologischenSchäden und ihre<strong>gesellschaft</strong>lichenGrundlagen kritisiert,sondern deren teilweiseAusgeschlossenheit ausden Kriterien des Wertes.In der neueren ökologischen Diskussiongeht es darum, bestimmten, noch freien GüternSchutz zu gewähren. Sie sollen einenWert erhalten. Gefragt ist nicht der Gebrauchswert,sondern primär der Tauschwert:"Bekommt die Umweltnutzung einenPreis, wird ein homo oeconomicus die Umweltnur insoweit belasten, als sein Nutzenaus der Umweltbelastung die Kosten übersteigt.Verleiht die Rechtsordnung der Umwelteinen Preis, wird der Markt auch beiUmweltgütern optimale Ressourcenallokationanstreben. Mit anderen Worten: dafürsorgen, daß Umweltgüter nicht verschwen- .det werden." (I) Die Zauberformel ist also dieVerpreisung der Umwelt. Man hängt neuerlichder Illusion nach, daß der Tauschwertden Gebrauchswert schützt.Als konzentrierter Ausdruck dieser Überlegungenmuß das Verursacherprinzip gel-ten. Im Umweltmanifest des "ForumsÖsterreichischer Wissenschaftler für U m­weltschutz" heißt es dazu: "Im Sinne derVerantwortungsethik ist jeder Verursachervon Gesundheits- und Ökosystem-Schädenkonsequent und im allgemeinsten Sinn zurVerantwortung zu ziehen. Die Beweislast hatder Verursacher zu tragen. Zur Haftung fürUmweltschäden ist kein strenger naturwissenschaftlicherKausalitätsnachweis notwendig.Bei auftretenden Schäden genügt einwissenschaftlich begründeter Verdacht. Derin Verdacht geratene Verursacher hat seineUnschuld zu beweisen. ( ... ) So müssen etwadie Kosten einer restlosen Schadensbehebungin die Wirtschaftsrechnung der Umweltbeeinträchtigereinbezogen, d. h. ,internalisiert'werden. Die Einbeziehung dieserKosten in die jeweilige Wirtschaftsrechnungsoll bewirken, daß marktwirtschaftlicheKräfte zum Schutz der Umwelt mobilisiertwerden. "(2) Und Michael Cerveny schreibt:. "Die Forderung lautet ganz einfach: Kosteninternalisierungals Antwort auf diepraktizierte Kostenexternalisierung! Alle externenEffekte sollten ihrem Verursacher angelastetwerden, der damit gezwungen wird,alle seine Folgekosten auch selbst zu tragen.Die Sozial kosten würden dann von jedemUnternehmen aus Eigeninteresse minimiertund die Umweltzerstörung verringert werden."(.1)Die Tücken •••Was so einfach klingt, kennt zahlreicheTücken. Tücken, von denen wir meinen,daß sie das ganze Verursacherprinzip selbstimmanent ad absurdum führen. Der Tatbestanderscheint vorerst einmal relativ banal:"Die Minimierung des Kostenfaktors Produktionsmittelbedeutet parallel dazu denRaubbau an den ergiebigsten Quellen derNatur, die Nichtberücksichtigung der Folgekosteneiner Produktion durch Luft- undGewässerverschmutzung, die Untergrablmgder Bodenfruchtbarkeit, die eskalierendeRisiko Ges.m.b.H.Störung des Haushalts der Natur. Dabeinutzt das Kapital jede Möglichkeit, die sichbietet, Naturkräfte wie Wasser und Luftmöglichst gratis zu nutzen und zugleich dieanfallenden, theoretisch ebenfalls als Kostenkalkulierbaren Folgekosten, woandershin(z.B. Politik der hohen Schornsteine) oder inzukünftige Zeiträume (z.B. Politik derwilden Giftmülldeponien oder der sogenannten"Endlagerung" von atomaren Produktionsresten)zu verlagern." (4)Was folgt nun aus dieser richtigen Beschreibung,aus der Basiserkenntnis, die bezüglichder sozialen und ökologischen Folge-, kosten lautet, daß Gewinne privatisiert undVerluste sozialisiert werden? Die Folgerung,die die Vertreter des Verursacherprinzips ausdiesem konstatierten Ungleichgewicht ziehen,ist, daß es neben den Gewinnen auchdie Verluste zu privatisieren gelte. Vorausgesetzt,das Verursacherprinzip würde wie seinegrundgelegten Modelle "funktionieren ",hieße es nichts 'anderes, als daß es die prinzipiellvon ihr unterstützte Marktwirtschaftdurch individuelle Schadenshaftungen undBürokratisierungsaufwände ruinieren würde.Die Profitrate würde unter solchen Bedingungengegen Null tendieren. Eine Prüfungaufs Exempel scheitert freilich schon aus anderenGründen.Eine prinzipielle Kritik des Verursacherprinzips,die aber gänzlich unabhängig vonder Qualität empirischer Einwände vorzutragenwäre, müßte an der negativen Ver<strong>gesellschaft</strong>ungansetzen und sich gegen jede Privatisierungaussprechen. Kritisiert werdensollte nicht, daß die Allgemeinheit den Schadendavonträgt, sondern daß Schaden undNutzen außerhai b <strong>gesellschaft</strong>licher E ntscheidungensich als blindes Gesetz vollziehen.Worauf heute niemand kommt, ist, daßman die von den Vertretern des Verursacherprinzipsgegebene Antwort auch umdrehenkönnte, was dann bedeuten würde, daß nebenden Verlusten eben auch die Gewinne,die dann keine Profite mehr sein könnten,zu ver<strong>gesellschaft</strong>en wären. Sozialisierungder Positiva, nicht Privatisierung der Negativa,hieße das.Das Verursacherprinzip unterstellt schonvom Ausdruck her, daß die Verursachungeben keine <strong>gesellschaft</strong>liche Angelegenheitist, sondern einer individuellen und willkürlichenVeranlassung oder Unterlassung folgt.Auch wenn man das Verursacherprinzip bloßals Denkmöglichkeit anerkennt, verbliebeda immer noch die viel grundlegendere Frage:Was verursacht die Verursacher zum verursachen?Welche Zustände bedingen dieinkriminierten Handlungen, welche Umständeerzwingen ein solches Verhalten.(1) M onika Gimpel-H interegge/; Braucht Österreich ei11UmweithaftgesetzP; in: Marlies Meyer (Hg.), Haftungund Pflichtversiche1"lmgfür Umweltschäden. Rfferateund Diskussionen VOJl einer Enquete der Grünen, Linz1991,8.20(2) Umweltmanijest. Unter Mitwirkung des "ForumsNr 3/94Österreichlscher Wlssenschaftlerfiir Umweltschutz". Zu- schaftsdiskussion, Graz 1985, S.35sammengesteilt VOti HaJls Peter Aubauer, Wien 0.1. (4) Thomas EbermaJ/1i/RaiJler Trampert, Die Zukullft(1987), S.ll der Grütlett. Eitl realistisches Konzept für eine radikale(3) Michael CeJ'Ve!lY, Alle Mühm umsonstP Strategien . PaJtei, Hamburg 1984, S.210-211gegen "Schlechter"; in: Gfonler Kreis (Hg.), Mehr seill,mehr wagen. Einstieg in die grüll-altemative Wirt-JURIDIKUM Seite 25


Risiko Ges.m.b.H.Ursache ist immer nur ein Hilfsbegriff.Eine Ul:\'odte ist ein Faktor, wo andere Faktorenin der Betrachtung von dessen Folgenvernachlässigbar sind. Ursache meint, daßaus ihr etwas folgt, während sie niemandemfolgt. So betrachtet, ist dieser Terminus lediglichbegrenzt anwendbar. Die bürgerlicheLogik der Verursachung zu Ende denkend,würde dann - und an sich ist das auch ihrerLogik nach völlig richtig - argumentiert, daßjede Ursache vielfältigste Ursachen kennt.Das Spiel endet dann in einer interessensorientiertenSchuldzuweisung, wer denn nunwirklich den Schwarzen Peter, die letztendlichunabhängige Variable, habe. Und da jawieder alles mit allem zusammenhängt, wirddas, was sich dann als Komptomiß durchsetzt,das ordinäre, <strong>gesellschaft</strong>lich gebrocheneökonomische Kräfteverhältnis sein.Umweltverschmutzung wird sozusagenindividualisiert, anstatt in ihrer gesamt<strong>gesellschaft</strong>lichenProblematik diskutiert. UrsächlicheGründe festzustellen, erscheint diesemDenkansatz nicht allzu schwierig, sonstkönnte er dieses Lösungsmodell ja erst garnicht vorschlagen. Er unterstellt so in denmeisten Fragen die Möglichkeit, jene zu einerSachfrage zu isolieren, das Problem dingfestzu machen, es nach dem kausalen Prinzipvon Ursache und Wirkung auflösen zukönnen. Kaum ist der Schaden erkannt, istder Verursacher auch schon benannt, meinendie Anhänger des Verursacherprinzips.Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus.Aus der nebenstehenden Skizze einer Typologiedes Verursacherprinzips an hand einerSchadens-Kosten-Schablone sollten einigeunserer Einwände <strong>recht</strong> plausibel ersichtlichsem.••• und die Lücken"Der König erkundigte sich, wieviel Zeit erforderlichsei, um einen genauen Unterschiedzwischen Recht und Un<strong>recht</strong> festzustellen,und wieviel Geld. "ISI SO fragte einstder König von Brobdingnag den gestrandetenGulliver über die Gerichtsgebräuche seinerHeimat.Wir fragen uns das bezüglich des Verursacherprinzipsauch. Aus dieser Typologiegeht deutlich hervor, wie schwierig es selbstbei einer gutwilligen Interpretation seinwird, Schädiger dingfest zu machen, geschweigedenn ihrer Moneten habhaft zuwerden. Die Schädigung muß objektiv erfolgen,sie muß subjektiv auffallen und als solcheerkennbarsein, sie muß weiters zuordbarse'in,meßbar, monetarisierbar und zahlbar.Und selbst wenn alle Kriterien erfülltsind und die Internalisierung gelungen erscheint,ist wiederum bloß mit einer neuerlichenExternalisierung zu rechnen. Wennaber auch nur ein Kriterium nicht positiv be-(S) .1ollathflll Sw!{t, Gullivm' ReiselI (1726), Berlin(Ost) 1985, S.141(6) Niklas LllhlJltlllJI, Ökologisthe KOlJllllullikatioll,K(lJ1II die modeme Gesellsihaf! sich auf ökologisihe Gewältigtwerden kann, bricht das ganze Luftschloßdes Verursacherprinzips in sich zusammen.Die allermeisten Schäden werden dieseHürden nicht nehmen können. Entwederwerden sie nicht erkannt oder sie sind nichtzuordenbar. Sind sie das, dann müssen sienoch lange nicht meßbar und monetarisierbarsein. Erfüllen sie auch diese Kriterien, sofolgt daraus nicht zwingend, daß die festgestellteSchadenssumme auch tatsächlich eingehobenwerden kann. Man denke hier bloßan Betriebe mit hunderten Arbeitern, dievom Bankrott der Firmen bedroht wärenu. v.m .. Problematische Fälle ließen sichDutzende finden. Die Katze, die die lästigenMäuse jagt, erwischt im besten Fall den eigenenSchwanz, in den weniger günstigerenschnappt sie in die Luft.Angesagte BlamageDas Verursacherprinzip kann sich in derRealität nur blamieren: Die Tat ist kJineTat, sondern ein <strong>gesellschaft</strong>liches Verhältnis;das Opfer ist kein Opfer, sondern ein individuellesEnsemble <strong>gesellschaft</strong>licher Einwirkungen;der Täter ist kein Täter, sondernAgent ökonomischer Prozesse; die Schuld istkeine Schuld, sondern folgt den Zwängen, '\, '\t~.;fcdn~!lg: ,"'\':s~haditi~+',,,•.<


Risiko Ges.m.b.H.Das Verursacherprinzip verkennt den <strong>gesellschaft</strong>lichenGehalt der Umweltzerstörung,reduziert diese auf individuelleFehlleistungen. "Schaden heißt jeder Nachteil,welcher jemanden an Vermögen, Rechtenoder seiner Person zugefügt worden ist",heißt es im § 1293 ABGB. Und im § 12941esenwir: "Der Schaden entspringt entwcderaus einer wider<strong>recht</strong>lichen Handlung, oderUnterlassung eines Andern; oder aus einemZufalle." Worauf wir hinauswollen, dürfteklar sein: Dieser Schadensbegriff ist in seinerDimensionierung auf ökologische Schädenkaum anwendbar. Diese sind im Sinne desABGB weder Unterlassungen, noch Handlungen,noch Zufall, sie sind selbst Normoder besser noch: Gesetz, aber ökonomisches,und zwar von solcher Wucht, daß dasabendländische Sachen<strong>recht</strong> vor ihm erbleicht.Es ist sogar davon auszugehen, daßdas bürgerliche Recht überhaupt an ökologischenFragestellungen zerbrechen wird,auch wenn ausgeklügelte Öko-Versicherungssystemedas noch zeitweilig überspielenkönnen. Mittelfristig wird das Verursacherprinzipnämlich auf Umweltzertifikateund ein Umweitversicherungssystem 'llll ,kurzum Umweltverschmutzungs<strong>recht</strong>e hinauslaufen.Nicht der Profit wird dadurch beschnitten,sondern es entstehen den Konsumentennur neuartige Belastungen, denn aufsie als letztes und schwächstes Glied derökonomischen Kette werden alle außerökonomischenEingriffe, die betriebswirtschaftlichnichts anderes als Unkosten sind, übergewälzt.Das Wie sollte nicht die qualitativeIdentität verschleiern. Das Verursacherprinzipläuft auf folgende Alternative hinaus:Zahlt die Allgemeinheit oder zahlt die Allgemeinheit?Keine Umweltzerstörungohne BezahlungDas Verursacherprinzip löst so wenig, ja eslegitimiert durch seine partielle praktischeDurchsetzung in Umweltzertifikaten undUmweltversicherungen sogar die Umweltzerstörung,den Raubbau an Mensch undUmwelt aposteriori. Sein Motto lautet: Umweltzerstörungohne Bezahlung ist nicht!Oder in des Kanzlers Worten: "Die Umweltdarf in Zukunft nicht mehr verschmutzt werden- und dort, wo es doch geschieht, schongar nicht kostenlos! "(11)Auf nichts anderes kann das Verursacherprinziphinauslaufen. Grundgedanke desVerursacherprinzips ist die Monetarisierungvon Umweltschäden. Die Logik des Geldeswird nicht kritisiert, sondern sie soll nochUnd so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs ...ausgeweitet werden. Der Zusammenhangzwischen Wert, Geld und abstrakter Arbeitwird so nicht nur nicht angegriffen (und nebenbei:er wird nicht einmal aufgegriffen),nein, er wird geradezu vorausgesetzt bei derLösung der Umweltprobleme. Im Verursacherprinzipwird die kapitalistische Logiknicht angezweifelt oder gar gedanklichdurchbrochen, nein, sie wird vielmehr weitergedacht.Mit dem Verursacherprinzipwerden objektiv nicht primär die ökologischenSchäden und ihre <strong>gesellschaft</strong>lichenGrundlagen kritisiert, sondern deren tcilweiseAusgeschlossenheit aus den Kritericn desWerts.Es will uns nämlich betreffend der Kategorisierungnicht in den Kopf, warum die negativen<strong>gesellschaft</strong>lichen Folgcn unbcdingtmit dem Kostenbegriff verknüpft werdenmüssen. Das kleine Wort Kosten für diegroßen Folgen demonstriert einmal n)ehr,daß die gängige Ökologie<strong>kritik</strong> nicht überdie Katcgorien des Werts hinausdenkt, in ihnenvielmehr gefangen bleibt. Die vielfacherhobene Forderung nach einer Kostenwahrheitkann sich nur an der Realität blamieren.Die Kostenwahrheit ist unmöglich einzulösen,da die Folgen zu keinen wirklich aussagekräftigenobjektiven Zahlen finden können.Die Empirie der Bemessung muß hierin ihren Schätzungen - denn sie könnennicht mehr sein - scheitern. Diese Schätzungenkennen mancherlei Schranken: zeitliche,örtliche, kausale, interdependente, individuelle.Die Wirtschaftswissenschaft stehtdaher vor Problemen, für die ihr betriebsundvolkswirtschaftliches Instrumentariumnicht geschaffen ist.Ökologische Schäden sind resistent gegenden herrschenden Zahlenfetischismus.Umweltfolgen sind analysierbar, Umweltkostenjedoch nicht berechenbar. Mit den Methodender Kostenrechnung ist den ökologischenProblemcn weder theoretisch nochpraktisch beizukommen. Aussagen wi'e:"Faire Wettbewerbsbedingungen könnennur auf der Basis der wahren Kosten desvVirtschaftens geschaffcn werden ",1)2> verkennendaher die realen <strong>gesellschaft</strong>lichenProzesse. Was es gibt, sind wirkliche Folgen,was es nicht gibt, sind wahre Kosten, sotatsächlich sie auch auftreten mögen.Schadensmetaphysik(8) Thomas Höhlte, ill: Marlies lJ1eyer (Hg.), HaftllllgIIl1d Pflirhtversidlentllgfiir Umwe!tsdtddeJI. RefemteIIl1d DiskussiolleJI VOll einer Enqllete der GriilleJI, l.iltz1991, S. 75(9) Vgl .. etwa die B roschiire der GriilleJI Altel7lative: JaZII Europa, Neilt zlIr EG, IlIIpuls, NI'. 6/7 b, September1993, S.37; bzw. Umbau der Iltdllstrie<strong>gesellschaft</strong>.Schritte ZII/' tiberill'iltdultg VOlt Erwerbslosighit, AmllltNr 3/94Wld U///we!tzen·!ijn///g. Als Progra////// vembsdtiedetVOll der B/llidesde!egieI1eJ/A'o/JjereJ/z der Griillfl/ il/Niimberg (26.-28.September 1986), SIO. Das UlIlbaltprogmlll///der blllidesrepliblikclllisdiel/ Griil/e11 ji'ihl1das Vemrstlcherprillzip I/idtt eil/lllal mehr eil/er erkldrmdmAltJjiihmltg oder gar Begriilldl/l/g zu. Es istvorausgesetzte Selbstvn:\·tiiltdlidlhit.(W) Al({ die Tiitkm lllld GrmZeil dieser Vn:\'ichenlllgs-JURIDIKUMIntelligenteren bürgerlichen Autoren sinddie Tücken des Verursacherprinzips freilichebenfalls schon aufgefallen. Ulrich Beck etwaschreibt: "Man weiß, daß Modernisicrungsriskenihrer Struktur nach im allgemeinennach dem Verursacherprinzip nicht hinreichendintcrpretiert werden können. Esgibt meist nicht einen Verursacher, sonderneben Schadstoffgehalte in der Luft, die ausvielen Schloten kommen und überdies oftmit unspezifischen Leiden korrelieren, fürdie stets eine Vielzahl von, Ursachen' in Betrachtkommen. Wer unter diesen Bedingungenauf dem strikten Kausalnachweis besteht,maximiert die Aberkennung und minis)'ste//lekal/I/ hier I/irht //lehr eil/gegal/gel/ ill'erdm. Vgl.dazu die Refemte lIlId die DisA'ussiolll'll zlIr Pjlilhf'iJeJ:l'ilhen/l/gill Jl1arlies Mever (Hg.), Haftullg lIIId Pflirhfversilhel7/1/g./i'ir[I//lweltslhiirlell, S.77-131(11) FrtJllz Vr{JIIitzkv, RegJel7J11gserHiil7/1/g 1990; i,,:Stellogmphislhes ProtoA'oll des NatirJllltimts, XV1l1.GP, 7. SitZlIIIg, 18. Dezember 1990,8.334(12) Ja Zl/ Ellroptl, Neill zur 1';C;, 8.37Seite 27


Risiko Ges.m.b.H.Diesmal ist es das Recht, das vor den Erscheinungendes kapitalistischen Fortschrittskapitulieren muß, denn eines ist klar: Juristischeindeutig sind Verursacher kaum auszumachen.Dieses Einbekenntnis dokumentiertsich auch schon in der einschlägigenForderung nach der Beweislastenumkehr,die bürgerlichem Recht geradezu ins Gesichtschlägt.Im Prinzip dokumentiert jene die Hilflosigkeitgängiger Ökologie<strong>kritik</strong>, nämlich dahingehend,daß anstatt von Beweisen"Wahrscheinlichkeitszusammenhänge aufgrundstatistischer, epidemologischer Untersuchungen,aufgrund sonstiger naturwissenschaftlicherNachweise erbracht werdenkönnen." «7) Befangen in den bürgerlichenWerten und Mustern fallen einem, wennman ihre Unzulänglichkeiten dann doch anerkennenmuß, nur noch Maßnahmen ein,die sogar hinter das ABGB zurückfallen.Der Kardinalfehler... die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, ...miert die Anerkennung industriell bedingterVerseuchungen und Zivilisationskrankheiten.Mit der Unschuld der ,reinen' Wissenschaftverteidigen die Risikoforscher die ,hoheKunst der kausalen Beweisführung',blocken so Bürgerproteste ab, ersticken sieim Keim des ,fehlenden' Kausalnachweises,ersparen der Industrie scheinbar Kosten, haltenden Politikern scheinbar den Rückenfrei und halten in Wirklichkeit die Schleusenmit offen für eine allgemeine Gefährdungdes Lebens." (IJ)Auch Niklas Luhmann hält fest, daßnicht alle Kosten internalisiert werden könnenY·)Zur simplifizierenden Methode derUrsachenzuordnung schreibt er: "Genau betrachtetdient daher die Feststellung von Ursachen,von Verantwortung und von Schuldimmer auch der Ausgrenzung von Nichtursachen,der Feststellung von Nichtverantwortungund von Unschuld. "()S) ZU den aus demVerursacherprinzip sich ergebenden Maßnahmenführt er trocken und nüchtern aus:"Die moderne ,property rights' Diskussionhat daran angeknüpft. Ihre Ausdehnung aufökologische Güter, etwa ,Rechte' auf Umweltverschmutzung,erreicht jedoch die alteSchonfunktion des Eigentums nicht, weilein Recht aufVerschmutzung von Luft oderWasser, was immer man dafür bezahlt hat,dem Eigentümer keinen pfleglichen Umgangmit Luft und Wasser und keine Abwehrklagegegen andere Immissenten ermöglicht."()i»Nicht ein schonenderer Umgang mitUmwelt wird also die Folge eines (partiell)praktizierten Verursacherprinzips sein, nein,ein noch schonungsloserer, jetzt auch durchbezahlte Zertifikate und Lizenzen legitimierterUmgang wird sich uns bescheren.Wie heißt es doch so schön im österreichischenSchadens<strong>recht</strong> (§ 1305 bzw. § 1306f\BGB): "Wer von seinem Rechte innerhalbder <strong>recht</strong>lichen Schranken Gebrauch macht,hat den für einen anderen daraus entspringendenNachteil nicht zu verantworten.""Den Schaden, welchen jemand ohne Verschuldenoder durch eine unwillkürlicheHandlung verursacht hat, ist er in der Regelzu ersetzen nicht schuldig." Das Verursacherprinzipmuß so denn eher als Beschleunigungsmomentder Ökonomisierung derÖkologie, der Umweltvermarktung gelten,nicht als bremsender Faktor der Umweltzerstörung.Aus diesen Unzulänglichkeiten istdie Unmöglichkeit des Prinzips zuschließen. Das Verursacherprinzip ist nichtnur in seiner Konstruktion fehlerhaft, es hältnicht einmal in Ansätzen das, was es verspricht."Der Nachweis der Kausalität zwischen einemSchaden und einer Handlung eines bestimmtenSchädigers gilt als Kardinalproblemder Umwelthaftung",()H) schreibt MonikaGimpel-Hinteregger. Nun, es ist nichtnur das Kardinalproblem, sondern vielmehrder Kardinalfehler, und zwar deshalb, weildie systemtranszendierende ökologischeFrage in Begriffen und Kategorien der bürgerlichenWertlogik diskutiert wird. Spieltdie bürgerliche Ökonomie verrückt - undnichts anderes führt zu den ökologiscbenKrisenerscheinungen -, versucht man sie mitdem bürgerlichen Recht, der bürgerlichenPolitik, einer neuen bürgerlichen Partei etc.in Griff zu bekommen.Daß man vordergründig zu diesen bewährtenLösungsansätzen greift, ist naheliegendund verständlich. Trotz alledem zeigtsich gerade in dieser Frage, daß die herkömmlichenMuster allesamt immer wenigererfassen, daß mit diesen Begriffen immerweniger zu begreifen ist. Je mehr das offensichtlichwird, desto mehr klammern sich dieökologischen Reformisten aller Parteien anjene. Sie wollen nicht wahrhaben, daß sichdie abzeichnenden Krisen Ausdruck einesstrukturellen Verfalls der bürgerlichenFormprinzipien insgesamt darstellen, daßderen Grenzen deutlich werden. Im Gegenteilsteigern sich die Proponenten aus Wirtschaft,Politik und-Kultur geradezu in unfaßbareEuphorien hinsichtlich eben dieserWerte.Mag. Dr. Franz Schandl studierte Geschichte und Politikwissenschaft.Er wohnt in Wien und Heidenreichstein.(13) Ulrich Beck, Risiko<strong>gesellschaft</strong>. Auf dem Weg ill eilleat/dere ilifodel7le, Frallkful1 am Maill 1986, S.83-84(14) Niklas Luhmall1l, Ökologisthe Kommullikation,S.1l5(15) Ebellda, S.29(16) Ebmda, S. 103(17) Antrag der AbgeordneteIl Wabl lind FrelInde, betreffendein B IIl1desgesetz über die H aftllngfür Schädenalls Bestell/d lmd Betrieb umwltgefährdetlder Anlagen(Umwe!tschädetlhaftpflichtgesetz - Umwelt-HG), No.JURIDIKUM376, XVII. GP, 4. April 1990, Begrülldung, S. 40(18) MOllika Gimpel-Hitlteregger, Braucht Österreichein UmwelthaftllngsgesetzP; in: Marlies Meyer (Hg':),Haftung lmd Pflichtversiche1"llllgfür Umweltschäden,S.30Nr 3/94


Risiko Ges.m.b.H.VOM UNTERGANG EINES ALLHEllMlTIELSwertlosesUmwelt<strong>recht</strong>Beniamin DavyDie Suche nach Grenzwertenfür das Technik-, Planungs-und Umwelt<strong>recht</strong>,die sich rasch zur Suchtnach Grenzwerten entwickelt,zeigt die Tragikzweier Sehnsüchte: Da istzum einen die Sehnsuchtdes Rechts nach Eindeutigkeitder <strong>recht</strong>lichen Beurteilungund zum anderendie Sehnsucht der Techniknach Eindeutigkeit dertechnischen Machbarkeit.I. Mehr oder wenigeroder was?Die Emissionen von Dampfkesselanlagenzur Müllverbrennung (Großanlagen) dürfennicht mehr als 2 mg/rn' Blei und 0,05 mg/rn'Cadmium enthalten. Unter anderem. Das istder Grenzwert(". Der war aber nicht immerso niedrig! Ältere Dampfkesselanlagen zurMüllverbrennung durften noch bis zu4mg/rn' Blei und 0,1 mg/rn' Cadmium emittieren"'. Damit ist jetzt Schluß! Der neueGrenzwert ersetzt den alten Grenzwert. Dieneue Sicherheit verdrängt die alte Sicher-heit. Das Recht paßt sich dem "Stand derTechnik" (§ 2 Abs. 1 und 2 Luftreinhaltegesetzfür Kesselanlagen) an. Der "Grenzwert"macht es möglich. Er zwingt die "technischeEntwicklung" dazu, "die Grenzen zu beachten,die ihr vom Gesetz zum Schutze desEinzelnen gesetzt wurden" ('''.Das Recht bestimmt, nach welchen Kriterientechnische Anlagen errichtet und betrieben,Abfälle gesammelt und behandelt,natürliche Ressourcen bewirtschaftet oderVerkehrswege benützt werden dürfen. DieKriterien sind am Schutz und an der Pflegeöffentlicher Interessen ausgerichtet H'. DerStaat überläßt es nicht der Vorsicht, Rücksichtund Einsicht der Privaten, wie sie mitdem Leben und der Gesundheit ihrer Mitmenschen,mit fremdem Eigentum oder mitdem Boden, dem Wasser, der Luft oder derTier- und Pflanzenwelt umgehen. Der Staatbestimmt vielmehr, was erlaubt und was verbotenist. Und das mit gutem Grund, denndie private Vorsicht, Rücksicht und Einsichtkönnen nicht verhindern, daß gemeinschaftlichgenutzte Güter (z.B. die Umwelt) ausgebeutetund zerstört werden (s'. Das "öffentlieheInteresse" <strong>recht</strong>fertigt staatliche Interventionen,wenn und weil dadurch insgesamtmehr Nutzen als Schaden gestiftet und-um mit Worten des Utilitarismus zu sprechen- das größte Glück der größten Anzahlsichergestellt wird «".Doch weiß es "der Staat" wirklich besser?Wird das Versprechen, die öffentlichenInteressen zu schützen und zu pflegen, imTechnik-, Planungs- und Umwelt<strong>recht</strong> zufriedensteIlendeingelöst? Die Frage wirdvon immer mehr Menschen verneint, sie gehen- wenngleich aus verschiedenen Gründen- auf Distanz zum vorsorgenden Inter-ventionsstaat. Unternehmerinnen sind unzufrieden,weil sie meinen, daß ihr Wirtschaftstreibendurch zu viele Gesetze undVerordnungen, durch zu lange Genehmigungsverfahrenund durch zu hohe Kostenfür Umweltschutzmaßnahmen behindertwird ("Grenzwert zu hoch! "). Kritische Bürgerinnensind unzufrieden, weil sie meinen,daß es zu wenig wirksame Vorschriften gibt,daß die Gesetze höchst mangelhaft vollzogenwerden und daß der Staat unvertretbareUmweltbeeinträchtigungen durch die Wirtschaftund den Verkehr erlaubt ("Grenzwertzu niedrig! ").Die Wirtschafts- und die Umweltbewegungtrennt, so scheint es, ein unversöhnlicherGegensatz: Entweder weniger odermehr Regulierung, entweder einfachere oderstrengere Genehmigungsverfahren, entwederbilligere oder teurere Umweltschutzmaßnahmen.Der Gegensatz ist, jedenfallsbei vereinfachender Betrachtung, leicht aufzulösen:Es sind nicht mehr oder weniger,sondern ge<strong>recht</strong>ere Gesetze gefragt; es gehtnicht um längere oder um kürzere, sondernum bessere Genehmigungsverfahren; entscheidendsind nicht billigere oder teurere,sondern wirkullgsvollere Umweltschutzmaßnahmen.Der Staat kann seiner Aufgabe, die öffentlichenInteressen zu schützen und zupflegen, deshalb allzu oft nicht (mehr) nachkommen,weil er sowohl zu viel als auch zuwirkungslos interveniert: Das Recht erzeugtmehr Konflikte als es löst. Dies motiviert dieeinen dazu, nach" weniger Staat!" zu rufen,und die anderen dazu, nach "mehr Staat!"zu verlangen. Beispiele wie der Streit um dieVerpackungsverordnung, das jahrelange Ringenum die Umweltverträglichkeitsprüfung,die Debatten um den Transitverkehr oderdie Diskussion über die vereinfachte Betriebsansiedlungzeigen, daß die Erosion derKonfliktlösungsfähigkeit des Rechts bereitsweit vorangeschritten ist.Der "Grenzwert", als Allheilmittel mißverstanden,ist an seine Grenze gelangt(7).11. Der Raub der IkoneDas Konzept der Grenzwerte stammt ausden Ingenieur- und Naturwissenschaften (H).Es hat sich bewährt, soweit man aus den Erfahrungenlernen konnte, wovon das Versagenund Funktionieren von technischen Sy-(1) § 18 Abs. 2 Z. 3 fit. a ltlld c der LujtreillhalteverOldllungjitrKesselanlagen 1989 BGBI 19(2) Punkt 5 lit. a Z. 3 (a) und (c) der Alllage 1 Zlt §12des Luftreinhaltegesetzes für Kesse/atllagen (LRG-K),BGB11988/380(3) So zumindest beschreibt der VwGH dm Zweck desTechnik<strong>recht</strong>s (VwSlg8430 A/ 1973).(4) Vgl. zum Selbstverständnis des öffelltfichm Rechtsz.B. bereits §364 Abs. 1 ABGB, wo VOll dm Geser;r,ell"zltr Erhaltung und Beförderltng des affgemeitlen Wohles"als Rechtfertigungfür staatliche Eingriffe in privateRechte gesprochell wird.(5) Vgl. statt vieler den grulldlegellden Allstoß für eilleNr 3/94Neugestaltullg der Umwe!tpolitik dlmh Harditl, TheTragedy of the Commotls, Seietlce 1968 (Balld 162)1243. Das allgesprochme Problem ist freilich lIichtgelöst, SOlidem lIach wie vor hb'chst aktlteff (vgl. z.B. dellBeschluß AGENDA 21 der UN KOllferellz vom 14, JulIi1992 ill Rio deJalleiro).(6) VgJ. dazu statfvielerBelltham, AII111troductioti tothe Prillciples of iVJ orals alld Legislatioll (1948, Erstveröffetttlichzttig1823) I. Kapitel ("Ofthe Prillciple ofUtiliry"). Zum ideeJlgeschichtlichell Hilltergl'/ltld des Verwaltlttlgs<strong>recht</strong>sz.B. Tezller, Obrigkeits<strong>recht</strong>, itl: Tezller,Rechtslogik utld Rechtswirkfithkeit (1986; Erstveröffetltlithltng1924) 121JURIDIKUM(7) Statt vieler z.B. Zellkl, Länll t/nd Zltllllttll1lg überhat/pt,Aufrisse 1993 (Heft 2) 34 (35): "Das Problel/lliegt wmiger i" der Gewerbeordtllttlg als il/l Dellkm derSachverställdigell, im Grenzwel1dmketl. Es wird illÖsterreich lIichts erllster gellOmmCII als ullverbindlicheRithtlinim. "(8) Zu E/emmtell der siche;heitstechllischell KOllzeptiollulld zltr Flttlktioll VOti Grellzwel1ell vgJ. z.B. iVJeYlla,Grulldlagm VOll Sicherheitsalla/ysevetfahrell, i,,: Peters/iVJeYlla(Hg.), HalIdbuch der Sicherheitstechllik I(1985) 626. ZltI' jurististhell Grettzwerte-Diskltssioll siehezuletzt iVJollika Böhm, Reihtliche Probleme derGrellzwertfindlllig im Umwelt<strong>recht</strong>, UPR 1994, 132.Seite 29


Risiko Ges.m.b.H.... der außer der Natur steht - sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören ...stemen abhängt. Das Wissen um die Tragfähigkeitvon bautechnischen Konstruktionen,die Beständigkeit von Dampfkesselnoder die Haltbarkeit von Starkstromleitungenwurden in einem Erfahrungsprozeß (trial({lid error) oder durch mathematische Modelle(Probabilistik) erlernt. Das Symbol diesesLernens - auch seines Erfolges - ist der"Grenzwert", gleichsam die Ikone der Technikund Ingenieurwissenschaft.Indes, nur weil ein Konzept dazu geeignetwar, gewisse Probleme zu lösen, ist esnicht dazu geeignet, alle Probleme zu lösen.Der Raub der Ikone (gemeint ist: die undifferenzierteVerwendung des Grenzwert­Konzeptes) durch das Technik-, PlanungsundUmwelt<strong>recht</strong> verschafft zwar vielleichtsymbolische, nicht aber praktische Sicherheit"".Weshalb ist die Ikone der Technik undWissenschaft für das Recht so attraktiv? Ichsehe eine wichtige Erklärung darin, daß Umweltproblemevom Umwelt<strong>recht</strong> in ersterLinie als tethnische Probleme betrachtet werden.Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet,handelt es sich um Probleme, die einerseitsdurch die Nutzung der 'T'echnik (alsoetwa durch Fabriken, Kunststoffverpackungenoder Kraftfahrzeuge) verursacht, andererseitsdurch die Anwendung der Technik(also etwa durch Lärmschutzmaßnahmen,Recycling-Technologie oder Katalysatoren)gelöst werden. Technik wird zugleich als Ur-sache und Lösung von Umweltproblemen gesehen.Für das Umwelt<strong>recht</strong> ist die Umwelt einObjekt, nicht aber das Subjekt. GesundeMenschen, reines Wasser, gute Luft undsaubere Böden sind bloß Schutzgüter, diezwar verletzbar sind, aber doch zu nichtmehr als dazu taugen, den technischen Lösungenein Ziel vorzugeben. Weil die Aufmerksamkeitnur oder vor allem auf dietechnische Seite von Umweltproblemen gerichtetist, räumt das Umwelt<strong>recht</strong> den Menschen,die durch Umwelteinwirkungen gefährdet,belästigt und belastet werden, bloßdie Rolle von sp7Yllhlosen Opfem ein. Die Opfersind Referenzpunkt für den ökologischenWertewandel und dienen dem Staat als Vorwandund Rechtfertigung für seine MaßnahmenIIO ).Durch die große Aufmerksamkeit, diedtis Umwelt<strong>recht</strong> der technischen Seite vonUmweltproblemen schenkt, wird seiner "gesetzmäßigenVollziehung" auch gleich dieRichtung gewiesen: Gefahr ist, was durchdie Technik droht, und Sicherheit ist, wasdurch die Technik gestiftet wird. Folgerichtigist eine gewerbliche "Betriebsanlage ...zu genehmigen, wenn nach dem Stand derTechnik ... und dem Stand der medizinischenund der sonst in Betracht kommendenWissenschaften zu erwarten ist, daß ... Gefährdungen... vermieden ... werden" (§ 77Abs. 1 GewO). Das Recht spricht eine deut-liehe Sprache: Genehmigt wird "die Betriebsanlage"(nicht etwa das Verhalten vonGewerbetreibenden), maßgeblich ist "derStand der Technik" (nicht etwa die Beunruhigungder gefährdeten Nachbarin). DerartigeTechnik-Klauseln 111) räumen den jeweiligenSachverständigen - faktisch - einAuslegungsmonopol ein. Das gilt nicht nurfür ausdrückliche Wendungen dieser Art,sondern ganz allgemein für gesetzliche Verweisungenauf fachspezifische Wissens- undWertkomplexe. Im Sinne einer "linguistisehenArbeitsteilung" (Putnam) sind es ebenvor allem die Sachverständigen, die dem Gesetzesauftragzur Suche nach dem "Standder Technik" sinnvoll nachkommen können.Indes, die Sachverständigen sehen sich inder umwelt<strong>recht</strong>lichen Praxis einer Vielzahlvon Problemen gegenüber, die sie aufgrundihres Fachwissens nicht lösen können. Diegroßzügige Delegierung von Entscheidungskompetenz- wenn auch nicht formal, sodoch jedenfalls faktisch - wird vielfach nichtals Auszeichnung und Herausforderung, sondernals Belastung und Fehlverwendungempfunden. Zu<strong>recht</strong>, denn im juristischenProzeß treten geradezu immer diejenigenStreitfälle und Unwägbarkeiten in den Vordergrund,die sich eben nicht durch ingenieur-und naturwissenschaftliche Routine behandelnlassen. Sachverständige stehen daheroft vor der Frage "Wie sicher ist sichergenug?", eine Frage, auf die es keine ingenieur-und naturwissenschaftliche Antwortgibt. Das Vertrauen des Umwelt<strong>recht</strong>s in die"originäre Sachkompetenz" (Nicklisch) derExpertinnen macht an der Grenze des Fachwissensnicht halt, es ist ein "blindes Vertrauen". Aber gerade jenseits dieser Grenzeherrscht der Streit über die "Gefährdung"und den "Stand der Technik", der das Umweltproblemzum Rechtsproblem hat werdenlassen.Angesichts des ungelösten Rechtsproblemswird, gebannt von der Erwartungshaltungdes Umwelt<strong>recht</strong>s, weiterhin nach technischenLösungen gesucht: Es müsse dochauch für dieses Problem einen "Grenzwert"geben, dessen Überschreitung bedroht unddessen Unterschreitung beruhigt.Es gibt aber keinen.111. Zur Theorie des"strengen Sprachspiels"Das Umwelt<strong>recht</strong> gibt ein "Sprachspiel"(Wittgenstein) auf. Um umwelt<strong>recht</strong>liche(9) Ullterei"er " Ikolle" isteill Zeichm Zlt ven'tehen, das- t/ltsikhlich oder vermeil/tlich - gewisse wesentliche Eignw.ha(!mdes Abgebilrle!m tlufweist. fth veJwmde diesesWOlt, Itlil dm Jlberglaubm des Umweltrahts hervO/~zllhebm. Dieser lIberglrwbm besagt: " Versthaffe ich mirdie sVlllbolisielte Sicherheit, venth4fe ich /JIir rllithgleich die ahre Sicherheit. "(fI)) Das UI/I7JJ,e/trnht gleicht hier der "Gerli!e-Medizill", bei der die WiederbeiebulIgslllc/S{hille eil/e größereRolle aLl' die Wiedelzllbe/ebelldm Zll spieleIl stheillt.Seite 30(11) Deli Allsdmek" Techllik-Klausel" habe ich im Aa(­sarz "Legalität dlmh St"hven'!clIld.P Zllr BestimmbarkeitvollTechllik-Klallselll im östel'l'eithisthm VeJwaltCtllgslnht",ZjV 1982, 345 vorgeschlagell. Zu seilleI'Verlll'eitlillg IIl1d zur Diskussioll VOll VeJweisltllgen allfdeli Stalld VOll Wissmschrt/t IIl1d Tethllik vgl. z.B. Adamovith/FlIllk,Allgemeilles Velwaltlillgsl'echt (3. lIlt/lage1987) 107; Aichll'eiter, Östel'l'eilhisthes VerordllllllgsmhtIl (1988) 1003,- DlIschclIlek, Luftl'eillhaltlillgspflichteIl/l{uh dem Forstgesetz, ZjV 1983,263; FlIllk,JURIDIKUMSmsible lIlId defizitiil'e Bel'eiche des RechtsschlItzes illder öffmtlichm VeJwaltllllg, J BI 1987, 155; Genlla/lIl,Das VO/:rorgeprillzip als vOlver/agene Gejahm!tl!J.wehr(1993) 155 ff; Griller, Europäisthe Nomlllllg ulldRechtsangleithung ( 1990) S f; Köhler, Die Tethnikklall­Selll als Problem derLegistik, OIAZ 1985, 198; Koperzki,Org{lIlgewillllltllg Zll Zweckm der TrcmsplclIIttttioll(/988) 278; Korillek, Das Bewegliche Svstem im Vel.fr;~'c'SllllgS- IIlld Velwaltltllgsl'echt, in: Bydlillski/KI'ejd/SthilchedSteillillger(Hg.), Das Beweglithe System im geltm-Nr 3/94


Tatbestände zu interpretieren, genügt esnicht, im Wörterbuch nachzuschlagen, wasdenn unter einer "Gefährdung", der" Umwelt"oder dem "Stand der Technik" zu verstehensei. Gesetzesbegriffe umschreibennicht das Ergebnis ihrer Auslegung, sondernsie beinhalten Allleitullge1l für ihre Auslegung.Ein Gesetz interpretiert, wer diesen Anleitungenfolgt.Sprachspiele sind äußerst kompliziert,soll heißen: sie bestehen nicht darin, daß jemandklare, feststehende Regeln befolgt. EinemMenschen kann die richtige Sprachbenützungleichter beigebracht werden alseinem Computer. Das liegt unter anderemdaran, daß Menschen mit unklaren und veränderlichenRegeln luugehen können. Menschenverstehen Witze, Gedichte, Vorwürfe- eben weil zum Verstehen solcherSprechakte gehört, daß man über einen Witzlachen kann und von einem Gedicht gerührtoder durch einen Vorwurf verletzt werdenkann. Das jeweilige Sprachspiel verstehtnur, wer lacht, weint, gekränkt wird ... Hingegenträgt der bloße Text des Witzes, desGedichts oder des Vorwurfs nur zum Sprachspielbei, er ist nicht das Sprachspiel."Die Bedeutung eines Wortes", so lautetein vielzitierter Satz Wittgensteins, "ist seinGebrauch in der Sprache" "". Bekanntlichkann man mit dem Wort "Aha" ganz Unterschiedlichessagen, je nachdem, ob man eserstaunt, anklagend, belustigt oder traurigausspricht. Was passiert eigentlich, wennman es auf diese Weisen ausspricht? Manbezieht sich auf etwas (z.B. eine Bemerkungoder eine Frage), man verändert den Gesichtsausdruckund man moduliert die Betonung,die Lautstärke und die Klangfarbe. Alldas gehört zum Sprachspiel des Aha-Sagens.Im Wörterbuch steht nichts davon. Indes,die Sprache ist beweglich, aber nicht beliebig.Niemand kann "Aha" sagen und dadurchmitteilen, daß sich gestern in Linz einChemieunfall ereignet hat. SprachwissenschaftlicheUntersuchungen, die sich auf die"Gebrauchstheorie der Bedeutung" stützen,beschreiben die Regelmäßigkeiten desSprachgebrauches daher nicht als bloße Wörterbucheintragungen,sondern als Wechselspielvon "Norm und Toleranz, Stabilitätund Veränderung""'''.Den Teilnehmerinnen an strengenSprachspielen fällt es schwer, mit solchenPhänomenen umzugehen. Ein "strengesSprachspiel " zeichnet sich dadurch aus, daßes zumindest zwei Illusionen einschließt.Risiko Ges.m.b.H.... und mitten in ihr stehn und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, ...Die erste Illusion gilt für die Sprachanwendungim kritischen, für solche Sprachspielewesentlichen Bereich: In diesem Bereich seies durchaus möglich, exakt zwischen derrichtigen und falschen Sprachverwendungzu unterscheiden. Wenn etwa Ulpian die Juristinnenals "Priesterinnen des Rechts" bezeichnet,die genau "zwischen Erlaubtemund Verbotenem unterscheiden" könnten(licitum ab illicito dism71entes) ".', pflegt er dieIIlusioll der Exaktheit. Die zweite Illusion beziehtsich auf die Fähigkeiten der Sprachbenützerinnen:Aufgrund dieser Fähigkeitenkönne Sprache ohne subjektive und gebrauchsabhängigeFärbung verwendet werden.Wenn etwa Walter Antoniolli meint,daß eine Behörde das Opfer "menschlicherUnzulänglichkeit" sei, wenn sie bei der Auslegungeines unbestimmten Gesetzesbegriffesnicht genau zu demselben Ergebniskommt "wie jede andere gewissenhafteBehörde auch" "s', dann pflegt er die Illusionder Objektivität.Der Umstand, daß zwischen den Zitatenvon Ulpian und Antoniolli dreizehn Jahrhunderteliegen, veranschaulicht, daß die Illusionender Exaktheit und der Objektivität hartnäckiggepflegt werden. Die Zitate sollennicht dahin mißverstanden werden, daß Juristinnen(nur) plumpe Wortklauberei betreibenund keinerlei Widerspruch zulassen. Allerdingslassen sie das Selbstverständnis unddie Motivation erkennen, die verhindern,daß die Akteure des juristischen Sprachspielsmiteinander lernen, wie man mit Subjektivitätund sprachimmanenter Unexaktheitumgehen kann. Wer sich in der Rolledes sacerdos (Priesterin) wiederfindet undmit "menschlicher Unzulänglichkeit" ringt,hat es schwer, sich über seine Zweifel zuverständigen.Das juristische Sprachspiel ist ein "strengesSprachspiel", an dem man sich nur beteiligenkann, wenn man die Exaktheit undObjektivität als "Hintergrundannahme"(Searle) anerkennt. Das Sprachspiel "Recht"unterscheidet sich zwar nicht strukturell,wohl aber durch ein hohes Maß an Professionalitätund Disziplin vom Witzerzählen oderAha-Sagen. Die berufsmäßigen Akteure(z.B. Gerichte, Verwaltungsbehörden, Sachverständige)und die wechselnden Akteure(z.B. die Antragstellerinnen und die Nachbarinnen)haben feste Rollen, deren Handlungsmögliehkeiteneingeschränkt sind, etwadurch methodische Gepflogenheiten(z.B. "Auslegungsregeln", "Vorjudikatur","herrschende Meinung") oder durch dieBindung an Verfahrensformen (z.B. Ermittlungsverfahren).Das juristische Sprachspielsoll gewährleisten, daß seine Ergebnissemöglichst vorhersehbar, willkürfrei undnachvollziehbar sind. Gerade deshalb ist esaber besonders schädlich, daß alle, die im ju-deli ulld kiiliftigeJl Recht (1986) 249; Krejci, Die Bedeutllllgder Rege/li der Techllik im BClllvettragsredlt, iJl:Festschrift/iir W. Kralik (1986) 435; Maye/; DerScuhverställdigeim Verwaltltllgsvetfahren, ill: AithedFullk(Hg.), Der Stllhvm·tälldige im Wiltsrhaftslebell (199iJ)148; ivJayedMidltlledSchober, KOlllllleJltarzlim A"",lleimittelgesetz (1987) 41; Maser, Die G/"Itlld- IIlId Freiheitsredlteim Zeitalter der Telhllik, ill: Festschrift/iirl.Kiihlle (1984) 52; Novak,Das "dijfereJlzie;teLegalitätoprillzip" ill der ve;fassltllgsgerithtlidletl Rethtoprechlillg,ill: FestslhriftfiirL. AdttlllOvith (1992) 496;Nr 3/94Pemthaler, Raltll/Ordlllllig ItIld Ve/faHlIlIg JJI (1990)564; PemthaledWebedWillllller, l1l1lill,e/tjJolitik dlmhRecht ( 1992) 65; RftSlhalter, l1l1lill,eltsthlltuecht ( 19,(6)230; Rifl, Delllokmtie, Rechtsst{/{/t lIlId st{/at/ithe Privatwittslhuftsverw'alt/tll[!;,ill: Festsch/~ftfiir K. WeJlger(1983) 60; Schwarzer, WiltStha(tsleJIA·/tllg dllrch dasUmweltrechr, ÖZW 1987, /ii4; Sttlllge;jD/ts,halleJ.·, ZurAllill'mdllllg VOll VerOrdllltll[!;ell [!;elll §82 Abs. I GewO1973 aa( [!;eltehllli[!;te Betriebsallfttgelt, ÖZW 1984, 42;Steil/df, Umweltsthutz im Betriebsalllagmrtlht, ÖZW1989, 12; Stmube, 'J'edllliJ.·k!tllISeill im Recht (1988);JURIDIKUMThime/, Verweis/tllgell auf ÖNORMEN (/990) 32;Waltedil1 ayer, Gl1t11driß des iüterreichis{"heJI Vnfmsllllgsredits(1992, 7. Auflage) 209(12) Wittgellsteill, Philosophis{"he l1l1terslllhllllgell(1953) §199(13) BClI1sch/Vellllelllallll, Grtllldziige der Spmchtheorie(1983) 100(14) DigesteIl D 1.1.1 pr.(15) Alltolliolli, ilIlgemeilles Verwaltlillgsrerht (1954)1/5Seite 31


Risiko Ges.m.b.H.ristischen Sprachspiel mitspielen wollen,"streng" so tun müssen, als ob Rechtsanwendungauf exakte und objektive Weisemöglich wäre.Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall,wenn das Gesetz keinen zahlenmäßig festgesetztenund leicht meßbaren Grenzwert vorgibt,sondern lediglich von "Gefährdung","unzumutbarer Belästigung" oder "Standder Technik" spricht. Könnten technischeRegelwerke (z.B. ÖNORMEN oder dieRichtlinien des Österreichischen Arbeitsringesfür Lärmbekämpfung) hier auch bei derAuslegung behilflich sein, so darf man siekeinesfalls als verbindliche Festlegungenbehandeln. In der Praxis werden die Früchtedes "heilige Normungseifers" (16) dennochleider allzu häufig für viel verbindlicher gehaltenals die zu vollziehenden Gesetze.Die Suche nach Grenzwerten für dasTechnik-, Planungs- und Umwelt<strong>recht</strong>, diesich rasch zur Sucht nach Grenzwerten entwickelt,zeigt die Tragik zweier Sehnsüchte:Da ist zum einen die Sehnsucht des Rechtsnach Eindeutigkeit der <strong>recht</strong>lichen Beurteilungund zum anderen die Sehnsucht derTechnik nach Eindeutigkeit der technischenMachbarkeit. Verzweigungen, Vagheiten,Mehrschichtigkeit und soziale Komplexität(kurz gesagt: alles, was menschlichemLeben eigen ist) sind die Feindinnen dieserSehnsüchte. Sie verunreinigen geradezu dieReinheit des Rechts oder der Technik. Juristischeund technische Lösungen sind sichdarin ähnlich, daß Ungelöstes und Unlösbaressolange ausgegrenzt wird (durch Interpretation,durch "technischen Fortschritt"),bis keine Zweifel mehr bleiben, sondern nurmehr die "reine Lösung" (das heißt: derGrenzwert).Und auf diese Weise wird die Strengedes juristischen Sprach spiels zum Gefangnis.IV. Im GefängnisDie fast ausschließliche Orientierung amtechnischen Aspekt von Umweltproblemenführt im Umwelt<strong>recht</strong> zu einem Interpretationsklima,das es der Behörde, den Antragstellerinnensowie den Nachbarinnen undsonstigen Parteien nicht leicht macht, sichan der Gesetzesauslegung zu beteiligen. Siealle finden sich in die Rolle der Laien verwiesen.Ihre Verfahrensbeiträge müssen allesamtso ausgerichtet sein, daß sie dem - faktischen- Auslegungsmonopol der jeweiligenSachverständigen entsprechen und nachgeordnetwerden. Sie werden als Ballast auf derSuche nach dem Grenzwert mitgeschleppt,manchmal freilich nur ungern, da ohnehinbereits feststeht, daß Laien (vermeintlich)keine sachdienlichen Angaben zum "Standder Technik" oder zur "Gefahr" machenkönnen.Die "Laien" reagieren unterschiedlich:Die Behörden schreiben die Gutachten ab(und nennen sie "Bescheid" und "Auflagen");die Unternehmerinnen beteuern, alleGrenzwerte genau einzuhalten (obwohl sieeigentlich an die Nützlichkeit oder an denGewinn ihres Vorhabens denken); die Nachbarinnenbezweifeln diese Grenzwerte unddie Schlüssigkeit der Gutachten (obwohl ihneneigentlich das geplante Vorhaben als solchesunbehaglich vorkommt).... im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ...Das Grenzwert-Suchen folgt indes einerunausweichlichen Eigendynamik: Es ist"Gegenstand des Beweises durch Sachverständigeauf dem Gebiet der gewerblichenTechnik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens.Den Sachverständigen obliegtes, aufgrund ihres Fachwissens ein Urteil(Gutachten) über diese Fragen abzugeben"(17). Die Sachverständigen sind Beweismittel(§§46 und 52 AVG). In der Praxis desUmwelt<strong>recht</strong>s spielen sie zweifellos eineweit wichtigere Rolle. Sie sind der Behördenämlich nicht nur bei der Feststellung desmaßgebenden Sachverhaltes behilflich, sondernsie liefern - so will es die Hausordnungdes Gefängnisses - auch gleich seine Interpretationmit. Wer, wenn schon nicht die jeweiligenSachverständigen für "gewerblicheTechnik" (?!) und "Gesundheitswesen",sollte denn die Grenzwerte kennen? Dahersind die Sachverständigen zwar nicht bloß -im Rechtssinne verstanden - Beweismittel,doch Mittel sind sie allemal.Worin besteht eigentlich der Zweck, demdiese Mittel dienen? Eine nähere Betrachtungder Praxis des Umwelt<strong>recht</strong>s erweist,daß Sachverständige nicht nur herangezogenwerden, um der Behörde bei der Vorbereitungihrer Entscheidungsgrundlagen zu helfen.Sachverständigengutachten werdenauch dazu verwendet, die behördliche Entscheidungzu legitimieren, soll heißen: gegenWidersprüche zu immunisieren. Werwagt es, den Gutachten von Sachverständigenzu widersprechen? Und selbst wennman es wagt, auf welche Weise kiinnte manwidersprechen? Nach der ständigen Rechtsprechungdes VwGH können Parteien einSachverständigengutachten nur dann erfolgversprechendkritisieren, wenn sie "auf gleicherfachlicher Ebene" argumentieren (lH).Um dies zu können, müssen sich die Parteiender Problemsicht, den Denkmustern unddem Sprachspiel der Sachverständigen anpassenund unterordnen. Überspitzt gesprochen:Wer sich der Ideologie der Sachverständigennicht unterwirft, verliert sein Mitsprache<strong>recht</strong>!Das ist demütigend und trägtwenig zur Konfliktvermeidung bei. Gewiß,das Recht schützt die Verfahrensparteien vorden unhöflichen Sachverständigen: Bezeichnetein Sachverständiger eine Partei als"lächerlich", liegt Befangenheit vor(l"). Dochwer schützt die Parteien vor der Demütigungdurch das "fachliche Niveau"?(2t1)Das Auslegungsmonopol und die Definitionsmachtder Sachverständigen wärenleichter zu ertragen, wenn ihr Grenzwert­Weltbild erfolgreich angewendet werdenkönnte, um alle Umweltprobleme zu lösen.Die Sachverständigen wären dann eben"Philosophen-Könige" im Sinne der Staatskonzeptionvon Plato, die kraft ihres besserenWissens herrschen. Doch besitzen Sachverständigewirklich ein solches "besseresWissen "? Ulrich Beck hält das Konzept derGrenzwerte für einen "faulen Zauber", füreine Verbrämung der "Ahnungslosigkeit"der Wissenschaft (21). Das Umwelt<strong>recht</strong> verhilftdieser Ahnungslosigkeit - vielleichtnicht immer absichtlich, dafür aber unausweichlich- zur Rechtsverbindlichkeit. Waszur "Entscheidung" über einen Umweltkonfliktbenötigt wird, wird gelegentlich auch(16) So die treffelIde Charakterisiel'll1lg bei H atsdlek,Die Bedelltllllg des NorJne1lwesetis im österreichischellReCht, ÖVB/1936, 156 (203)(17) So zuletzt z.B. VwGH 15.9. 1992, 91/04/0315 =ZjVB 1993/5//336(18) Eil1weJ/dltllgell der Pat1eien, die dem "fachlichenNiveau" der Sachverstiindigellglttachtell nicht ge<strong>recht</strong>werdetI, miissen VOll der Behörde "icht beriitksichtigtwerdeJl. Vgl. z.B. VwGH 15. 3.1976,1602/75 = ZjVBSeite 321976/2/233; 24.5.1976, 796/74 = ZjVB 1976/4/999;16.12.1976, 1231/75=ZjVB 1977/3/1164;20.12.1976, 139/76 = ZjVB 1977/3/1174; 21. 9. 1977,1035/77 = ZjVB 1978///272; 27.9.1983,82/11/0130= ZjVB 1984/3/1023; 18.11.1986,86/07//824 = ZfVB 1987/4/1824(19) VwGH 27. 4. 1982, 81/07/0209 = ZjVBJ 983/3//441.' Der Sadlverstiilldige fiir Wasserba utechtlikbezeichllet eine Pdl1ei als "Iiicherlidlel/ Fischereibe-JURIDIKUM<strong>recht</strong>igtell". Die Behb'rde I/elltlt dies " <strong>recht</strong>lich l1icht korrekt",aber sie stiit;:,t ihre Entscheidltng auf das Gutachtet/.Der VwGH hebt den Bescheid wegen Verlet;:,ul1gvotlVetjahrensvorsdtrijten auf(20) Zur " Etlteigtltmg" des Dmkens mittels tedmokratischerEIl/scheidul1gsprozesse siehe Richardsoll/Shermall/Gismolldi,Will1lillg Back the Word>. COlljrOlltitlgexpelts ill al1 e!lvirollmetltal public hearillg (1993)(21) Beck, RisikogesellschaJt (1986) 85 fNr 3/94


"herbeigegutachtet". Über Unsicherheitenhilft man sich durch unverständliche Gutachtenssprache(Spezialität von technischenSachverständigen) oder bloße Behauptungen(Spezialität von medizinischen Sachverständigen)hinweg(Z2'.Wehe jedoch, wenn Sachverständige eswagen, zu zweifeln! Zweifelnde Sachverständigenwerden rasch als zweifelhafte Sachverständigeabgestempelt. Hingegen werdendie verzweifelnden Sachverständigen zurzweifelsfreien Begutachtung ermahnt. Werden Grenzwert nicht erkennen kann und"menschliche Unzulänglichkeit" eingesteht,wird konsequent als "Spielverderber" nichtmehr zur sachverständigen Begutachtungherangezogen. Solche Sachverständige verlierenihre Funktion als Mittel. Sie taugennicht einmal mehr als Beweismittel, denn siekönnen nichts mehr beweisen außer ihre"menschliche Unzulänglichkeit".V. Grenzwert undKulturschockNoch am Ende der Sechzigerjahre wurden"Gefahr" und "Risiko" für meßbar gehalten,und es wurde den staatlichen Behörden geraten,die Frage" Wie sicher ist sicher genug?"mit Hilfe der Ingenieur- und Naturwissenschaftenzu beantworten (l.lJ. Über dieprobabilistische Risikoanalyse sagte einer ihrer"Gurus": "The ultimate goal in the useof these methods should be to provide ameasureof risk of an activity that can beused in the regulatory process to provide as- .surance that an activity is acceptably safe. '«2.'Groß angelegte Studien über die richtige"Risikozahl ", den richtigen Grenzwert, folgtendieser Verheißung und prägten den Umgangmit dem Risiko großtechnischer Anlagenund Projekte(25'.Die Verheißung hat sich nicht erfüllt.Zunächst ist der technokratische Umgangmit dem Risiko an seine eigenen, technischenGrenzen gestoßen (z.B. Bhopal,Tschernobyl, Seveso). Vor allem aber ist dertechnokratische Umgang mit dem Risiko andemokratische und soziale Grenzen gestoßen(in Österreich z.B. Zwentendorf,Hainburg).Vor fast zehn Jahren erstattete der damaligeBundeskanzler, Dr. Sinowatz, dem Nationalrateinen Bericht über den Polizeieinsatzin der Hainburger Au und kündigte dieSuche nach einem neuen Grenzwert an:(22) Zur PhänomeNologie vgl. z.B. Zmkl, Die Zumutung.Über unerwünschte Wirkungen von Amtssachverständigen,in: Zmkl (Hg.), Umwelt- [md SozialverträglichkeitvonProjekten und Maßnahmm (1991) 84(23) Bahnbrech81ld z.B. Starr, Social B81lefit Ver:rusTechnological Risk, Sci81lce 1969 (Band 165) 1232(24) Rasmussm, The Application of Probabilistic RiskAssessment Techniques to Energy Techtlologies, AJlJlUalReview of Ellergy 1981 (Band 6) 123(25) Vgl. z.B. Gesellschaft für Reaktorsicherheit, "DeutscheRisikostudie Kemkraftwerke. Eine Unter:rztthzl1Ig zudem durch Stölfälle in Kemkraftwerk81l verUl:rachtenNr 3/94"Wir wollen tradierte Entscheidungsprozesseverändern und trachten, daß jenes Maß ansozialer Verträglichkeit erreicht werden kann,das eine Wiederholung der Vorgänge desvergangenen Dezember ausschließt" (2(".Auch wenn man den gesetzwidrigen Baubeginnfür das Donaukraftwerk Hainburg imJahr 1984 nicht allein auf ein Versagen deringenieur- und naturwissenschaftlichenGrenzwertgläubigkeit zurückführen kann, someinte man damals zweifellos, daß es ausreicht,wenn ein großtechnisches Projektden technischen Grenzwerten entspricht. Vielhat man indes in den vergangenen zehn Jahrennicht gefunden, auf der Suche nach demsozialen Grenzwert, also dem richtigen "Maßan sozialer Verträglichkeit". Als soziale Problemewerden Umweltprobleme nämlichnoch immer kaum erkannt, geschweige dennbehandelt.In der Risikoforschung wird seit einigerZeit versucht, zum sozialen Kern von Umweltproblemenvorzustoßen (27). "Wie fair istsicher genug?" lautet die Fragestellung derCultural Theory (2H), die davon ausgeht, daß"Gefahr", "Risiko" und "Stand der Technik"nichts Objektives sind, sondern das Ergebnisvon <strong>gesellschaft</strong>lichen Darstelllll1gs-,Lern- und Konsensprozessen: "Risk is acollective construct"(29,. Solange sich das Technik-,Planungs- und Umwelt<strong>recht</strong> der radikalenEinsicht verschließen, daß "Grenzwerte"nicht die angemessene Reaktion auf die vielfacheUnzufriedenheit mit der juristischenKonfljktregelung sind, werden die Rufenach weniger Umweltgesetzen (von der einenSeite) oder nach mehr Umweltgesetzen(von der anderen Seite) nicht verhallen.Das grenzwertlose Recht wird, unbelehrbarund unbeirrbar, zum wertlosen Recht.Der "Kulturschock" der Verdrossenheitmit Politik, Wirtschaft und Technik ist nurfür jene ein Zeichen des rien ne va plus, diein erster Linie im Ausgrenzen von anderenWeltbildern einen Wert erblicken. DasScheitern des Grenzwert-Konzepts war nichtdie Folge "menschlicher Unzulänglichkeit",sondern ein deutliches Lebenszeichenmenschlicher Zulänglichkeit.Ich danke Verena Madner und lVlaria Zenkl fürihre Anregungen und Bemerkullgell zu einer friiherellFassung dieses Textes.Univ.-Doz. Dr. Benjamin Davy ist im Studienjahr1994/95 "Joseph A. Schumpeter-Fellow" an derHarvard University (Cambridge USA).Risiko" (1980, 2. Auflage)(26) Wimer Zeitung, 24.1.1985 (meiue Heroolhebung)(27) Vgl. zur Eutwickluug z.B. die -untet:rchiedlichen­Beiträge iu Bethmatlll (Hg.), Risiko und Gesellschaft(1993)(28) Rayuer!Cautor, How Fair Js Safe El10ughP TheCultura! Approach to Societa! Techllology Choice, RiskAnalysis 1987 (Baud 7) 3(29) Bahubrechend Douglas/Wildavsky, Risk (md Cu/­ture. An Essay Oll the Selectiou of TechllOlogical audErlVironmelltal Daugers (1982)JURIDIKUMRisiko Ges.m.b.H.* Die Anleitung zuumweltfreundlichemProduzieren* Für Wirtschaftstreibendemit Interesse aneiner Umweltzeichenvergabe* Alle Informationenin einem Band124 Seiten, broschiertöS 258,- inkl. MWSt.Weitere Literatur zumThema Umwelt<strong>recht</strong>U mweltinformationsgesetz(UIG)Schober/LopauaKurzkommentar,72 Seiten,öS 248,- inkl. MWSt.mweltförderungsgesetzTrimmelTextausgabe mitumfangreichen Anmerkungen,134 Seiten, öS 228,- inkl.MW t.Edition Juristische LiteraturRennweg 12a, A-I037 WienTel.: (0222) 797 89IDW 295Fax: 797 89/455ÖSTERREICHISCHESTAATSDRUCKEREISeite 33


Risiko Ges.m.b.H.... ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können. Friedrich Engels 1883EINIGE BEMERKUNGEN ZUR BÜRGERPARTEIWem gehört dieUmwelt?Marlies MeyerDie Bürgerpartei ist dienotwendige Antwort aufdie weitreichenden Folgender Technik auf Menschund Umwelt, der darauserwachsenen Sensibilitätder Bevölkerung und demfolglich erhobenen Vorwurfan die Verwaltung,<strong>recht</strong>sbeugend und <strong>recht</strong>sverletzendzu entscheiden.Österreich wird ab 1. Juli 1994 eine Bürgerparteihaben. Korrekter und weniger I'nißverständlichausgedrückt: Die österreichischeRechtsordnung wird mit Inkrafttreten desU mwel tverträglichkei tsprüfungsgesetzes(UVP-G) um das Rechtsinstitut der Bürgerparteireicher sein. Das UVP-G gewährt Bürgerinitiativenim konzentrierten Genehmigungsverfahrenfür UVP-pflichtige Anlagenvolle ParteisteIlung samt Beschwerdelegitimationan die öffentlichen Gerichtshöfe.Mindestens 200 Personen, die in derStandortgemeinde oder den unmittelbar angrenzendenGemeinden für die Gemeinderatswahlenwahlbe<strong>recht</strong>igt sind, müssen sichzu einer gemeinsamen Stellungnahme zumVorhaben zusammenfinden, um "die Einhaltungvon Umweltschutzvorschriften als subjektivesRecht im Verfahren geltend" machenzu können, "Rechtsmittel" ergreifen zukönnen und "Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshofund Verfassungsgerichtshof"erheben zu können (§ 19 Abs. 4 UVP­G). Bei Bundesstraßen und Hochleistungsstreckenkann die Bürgerpartei die Trassenverordnungenbeim VfGH anfechten (§ 24Abs.5 UVP-G) und in den (allfälligen) kumulativstattfindenden wasser-, naturschutzundeisenbahn<strong>recht</strong>lichen Bescheidverfahrendie ParteisteIlung zum Schutz der Umweltwahrnehmen (§ 24 Abs. 2 Z. 5 UVP-G)'I).Gerade noch <strong>recht</strong>zeitig vor dem zehnjährigenJubiläum der Ereignisse in derHainburger Au wurde damit auch vom Verfahrens<strong>recht</strong>die soziale Realität Bürgerinitiativeanerkannt. Erstmals offiziell vorgeschlagenwar die Bürgerpartei im Ministerialentwurfdes Bundeskanzleramts zur "Demokratisierungdes Verwaltungsverfahrens"im Jänner 1985 worden - und am 9. ÖSter7reich ischen J uristentag (1985) von derRechtswissenschaft äußerst kritisch beäugtund großteils abgelehnt. Die ParteisteIlungfür Bürgerinitiativen "sei über das Zielschießend". Im Gegensatz zur Organpartei,die auf die Gesetzmäßigkeit der Entscheidunghinwirke, könnte die Bürgerinitiative"nach Belieben die einen oder anderen Interessenverfolgen ", meinte für viele klayerund plädierte für den bloßen Beteiligtenstatus.'"In seinem Buch "Bürgerbeteiligungzwischen Rechtsstaat und Demokratie"kommentierte er das Festhalten an der Parteistellungfür Bürgerinitiativen in den entsprechendenRegierungsvorlagen 1987 und1988 I\) mit: "Offensichtlich völlig dem Mythosvon der Demokratisierung des Verwaltungsverfahrensverfallen, wird - wohl auchnoch unter dem Eindruck der Ereignissevon Hainburg - von einem verbreiteten Bedürfnisder Bürger nach Erlangung von Parteistellungim Verfahren zur Genehmigungvon Großprojekten ausgegangen. Mit de~ParteisteIlung wird zwar an ein zweifellosauch am demokratischen Gedanken orientiertesRechtsinstitut angeknüpft, aber einanderer wichtiger Aspekt übersehen: dieParteisteIlung dient vornehmlich der Durchsetzungindividueller Interessen, die von derRechtsordnung als subjektive Rechte anerkanntwerden.Die ParteisteIlung vermittelt also im Ergebnisnur die Möglichkeit, auf die subjektiveRechtmäßigkeit einer behördlichen EntscheidungEinfluß zu nehmen. Sie versagtaber gerade dort, wo vor allem ein legitimesBedürfnis nach demokratischer Partizipationbesteht, nämlich im Bereich legislativer Unbestimmtheit."H' In Zusammenhang mit derParteisteIlung für Umweltschutzorganisationenin der Regierungsvorlage 1991 sprach ervon einer "Verwilderung" des Rechtsschutzsystems.''>Schwarzer (Umweltpolitischer Referentder Bundeswirtschaftskammer) brachteeine Menge von Detaileinwänden vor wiedie Frage nach der Repräsentativität derBürgerinitiative für die Bevölkerung, dieWillensbildung und Vertretung der Bürgerparteiund den ungeklärten inhaltlichen Umfangder ParteisteIlung, um in letzter Konsequenzdas Institut des Umweltanwalts, alsoeine Organpartei, vorzuziehen."') In der Folgeund wohl auch aufgrund der kritischen(I) Die Reihte der Biirgerpartei silld damit lIitht absrh/i~ßellddargestel!t.(2) Heillz Mayeram Ö.IT 1985, Balld !l/2, Sml(3) 838,839,840,841 dBeil ill der 16. GP lIIJd 239,Seite 34240 ItIld 241 dBei! ill der 17. GP(4) Heillz Mayer, Biirgerbeteiliglillg zwischeJl RechtsstaatIIlId Demokratie (~988) 8,65(5) Heillz Mayer, Bemerkllllgm zum Elltwwf eillesJURIDIKUMUVP-G, ÖJZ 1990, S.385 (391)(6) Stephall Schwarzer, Pmbleme des Vetfah re/ls bei derGmehmigllJlg lllJlwe!tbe!astmder AJI!agm, ZjV 1987,S397 ff .Nr 3/94


Haltung andernorts, insbesondere in derVerwaltung, fand sich die Bürgerpartei inden weiteren offiziellen Entwürfen der Jahre1988/1989 und selbst in der Regierungsvorlagefür ein UVP-G und den Initiativanträgenfür die Bürgerbeteiligung l71 1991 nicht mehr,sondern wurde erst im Wege der parlamentarischenVerhandlungen wiederbelebt.Dieser seltene Lichtblick in der ansonstenstagnierenden bis rückschrittlichen Umweltgesetzgebungder 18. Gesetzgebungsperiodelöl ist die notwendige Antwort auf dieweitreichenden Folgen der Technik aufMensch und Umwelt, der daraus erwachsenenhohen Sensibilität der Bevölkerung unddem folglich erhobenen Vorwurf an die Verwaltung,nicht objektiv, sondern parteilichim Sinne der ProjektwerberInnen, d.h.<strong>recht</strong>sbeugend und <strong>recht</strong>sverlctzend zu entscheiden.Eine Schlüsselstellung in der Debatteum die Bürgerpartei nimmt der Begriffder subjektiv-öffentlichen Rechte ein. Dassind jene Normen, die der/die StaatsbürgerInin einem Verfahren gegenüber dem Staatgeltend machen kann, während das objektivöffentlicheRecht nur amtswegig wahrzunehmenist. Während die subjektive Durchsetzbarkeitvornehmlich für dem Individuumzugebilligte Interessen gedacht wird, solldie Verwaltung das Gemeininteresse alleinund exklusiv vertreten.Recht auf GesundheitWenn es auch einen Kernbereich subjektiverRechte wie die Gesundheit, das Eigentum,die Freiheit gibt, so ist eine Grenzenicht zwingend auszumachen. "Eine absoluteGrenzlinie zwischen dem materiellen Gemein-und dem materiellen Einzelinteresseläßt sich mit Sicherheit kaum ziehen. Wieweit der Gesetzgeber geht, ist daher in vielenFällen Sache seines Ermessens", so Jelfinek1905. 1


Risiko Ges.m.b.H.Die Eingrenzung der Bürgerpartei aufdie Gemeinderatswahlbe<strong>recht</strong>igten derStandortgemeinde und der unmittelbar an dieseangrenzenden Gemeinden ist angesichts dertatsächlichen Gegebenheiten sachlich geradenoch vertretbar. Es sind damit - einersehr groben Durchschnittsbetrachtung entsprechend- die Kernpersonen einer vorhabensbezogenenBürgerinitiative erfaßt. Freilichwäre es dem Gesetzgeber nicht verwehrtgewesen, den Kreis weiter zu ziehen. GroßeBürgerinitiativen erstrecken sich über dieganze Region. So sind durch die Bürgerinitiative"Entscheide mit" gegen die Autoshredder-Verbrennungsanlagein Kematen,NÖ über 20.000 Personen erfaßt (welche allesamtEinwendungen im § 29 Abfallwirtschaftsgesetz-Verfahren erhoben haben).Gegen die Müllverbrennungsanlage in Ranshofenwurden 55.600 Einwendungen erhoben,es wurde ein "Krisenstab" bestehendaus der Bürgerinitiative und den betroffenenStädten und Gemeinden der Region gebildet.Insbesondere bei Anlagen mit Luftschadstoffemissionenoder bei hochgefährlichen,störfallgeneigten Anlagen reicht schonder Kreis der Nachbarn im Sinne der GewOüber den gesetzlich zugelassenen Herkunftsortder Bürgerpartei hinaus. Enger ist hingegender klassische Parteienkreis bei wasserbeeinträchtigendenAnlagen.ne Rückgriff auf die Wahlbe<strong>recht</strong>igung zumGemeinderat und die Beschränkung auf bestimmteGemeinden bringt die offenbar gewünschteRechtssicherheit, schließt jedochausländische StaatsbürgerInnen (mit ordentlichemWohnsitz) (einstweilen noch?) aus.Das Gefühl der Bedrohtheit und dasMißtrauen steigen in dem Ausmaß, als "die<strong>gesellschaft</strong>lichen Normensysteme versprochenerSicherheit angesichts der durch Entscheidungenausgelösten Gefahren versagen"1'6'. Je riskanter die Entscheidung wird,desto mehr Menschen haben das Recht, mitzureden.Das Mißtrauen gegen die bisherigenVertreterInnen des Gemeininteresses,des objektiven Umwelt<strong>recht</strong>s, ist verständlicherweisehoch. Die Darlegungen zum Vollzugsdejizitim Umwelt<strong>recht</strong> geben den BürgerInnenRecht.(17) Werden einerseits ganz(14) VwGH vom 6. Feber 1990, Z!. 89/04/0089.(15) Die Regierullgsvorlage1334 dBei! hat bereits mitk!eine?l Änderungen dm Innenausschuß passiert, eineBesch!ußfassUllg im Plenum steht unmittelbar bevor.(16) Ulrich Beck, Die Erfindung des Politischen (1993)S40.(17) Siehe jüngst Erich Schäfter: Umweltanwaltschaftund Umweltkontrolle. Wien 1993, der auch auf die dies-eindeutige gesetzliche Anweisungen mißachtetwie der mit dem Flächenwidmungsplangegebene Immissionsschutz im bau<strong>recht</strong>lichenVerfahren, sind es andererseitsdie vielen Abwägungsklauseln im Naturschutz<strong>recht</strong>,im Forst<strong>recht</strong> usw. die oft nureinseitig aufgefüllt werden und deren Entscheidungnicht nachvollziehbar begründetwerden (müssen). Das Vollzugsdefizit gehtfreilich nur zum Teil auf <strong>recht</strong>swidrige (aberin Rechtskraft erwachsene) Entscheidungenzurück, sondern in hohem Maße auch aufdie Säumigkeit von Behörden, also dasNichtentscheiden. Die Mitsprache für NachbarInnenund BürgerInnen auf diesem Sektorharrt noch einer LösungiIX'.Dr. Marlies Meyer ist Juristin und arbeitet im GrünenParlamentsclub.bezüglichen Aussagm in den Volksanwaltschaftsberichtenverweist, siehe S 38 und zur Vol!ziehung des Wasser<strong>recht</strong>sgesetzesden Tätigkeitsbericht des Rechnungshofesüber das Verwaltungsjahr 1992.111-160 dBeil, S 169(18) Zur kritischen Würdigung des UVP-G insgesamtsiehe Marlies Meyer, Umweltverträglichkeitsprüfung undBürgerbeteiligung in: Khol-Ofner-Stimemallll (Hrsg),Jahrbuch für Politik 1994, in Druck.VollzugsdefizitStatt des dauernden Aufenthalts oder demInnehaben dinglicher Rechte im Einwirkungsbereichder Anlage, wie dies für denNachbarn nach der GewO wesentlich ist,wird auf die Wahlbe<strong>recht</strong>igung für den Gemeinderatabgestellt. Beide Momente sind erklärungsbedürftig.Aufgrund dieser Anknüpfungist man geneigt, die Mitsprache im Verwaltungsverfahrenals Pendant zum subjektivenRecht, die Gesetzgeber zu wählen, zusehen. Freilich überrascht, daß auf die Wahlbe<strong>recht</strong>igungzum Geme.inderat abgestelltwird; dies ist wohl im Licht der Bestimmungdes Art. 117 B-VG, wonach vom aktiven undpassiven Wahl<strong>recht</strong> zum Gemeinderat auchPersonen ausgeschlossen werden können,die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeindeaufhalten und deren Aufenthalt offensichtlichnur vorübergehend ist, zu sehen. Eingrundsätzliches Element des Wahl<strong>recht</strong>s,besser für die Entscheidung, wo man es ausübenkann, ist der ordentliche Wohnsitz (mitdem künftigen Hauplwohnsitzgesetz(1;' derHauptwohnsitz). "Der Hauptwohnsitz einesMenschen ist an jener Unterkunft begründet,an der er sich in der erweislichen oderaus den Umständen hervorgehenden Absichtniedergelassen hat, diese zum Mittelpunktseiner Lebensbeziehungen zu machen;"(§ 1 Abs. 7 des Entwurfs). Aus alldem ist zu schließen, daß es dem Gesetzgeberim wesentlichen darum ging, das dauerndeNaheverhältnis zum beabsichtigten Standortdes Projekts in allgemeiner Form <strong>recht</strong>lichrelevant werden zu lassen. Der allgemei-Seite 36JURIDIKUMNr 3/94


________________________________________________________________________ Studium&Berufwie Kontakte und Zusammenarbeitmit anderen Vereinigungenherzustellen. Außerdem sollenweitere wissenschaftliche Aufgaben,zum Beispiel die Rechtsvergleichung,und weitergehendeInformationstätigkeitendurchgeführt werden.Der Krieg in ihrer Heimathat die bosnischen JuristInnendazu gezwungen, ihr Leben undihre Arbeit aufzugeben und sichhier dem Neuanfang zu stellen.Alle Mitglieder dieses Vereinshaben vor ihrer Flucht injuristischen Berufen gearbeitet.Sie waren AnwältInnen, Richterinnen,BeamtInnen und sie habenin Rechtsabteilungen vonFirmen gearbeitet. Zum TeilEin NeuanfangDer Verein von JuristInnenaus Bosnien und Herzegowinawurde im April 1994 inWien vOn Emigrantinnen gegründet,die alle ein juristischesStudium abgeschlossen haben.Dieser Verein hat sich zum Zielgesetzt, seine Mitglieder bei derErlangung neuen Wissens aufjuristischem Gebiet und bei derAnschaffung der benötigtenFachliteratur zu unterstützen sokönnensie auf über zehnjährigeerfolgreiche Erfahrung zurückblicken.Um so schwerer ist esfür sie, sich hier in Österreichden neuen Anforderungen zustellen.Einige der Vereinsmitgliederabsolvieren jetzt die Gerichtspraxis(nach jahrelanger Tätigkeitals Richterin oder RechtsanwältIn).Sie wissen nicht, obsie jemals in ihre Heimat zurückkehrenkönnen. Deshalbhaben sie sich jetzt entschlossen,hier in Österreich die notwendigenQualifikationen zu erwerben,um später, wenn sie hierbleibenwollen, die richtigen Berufefinden zu können, denn siewünschen sich, auch in Zukunftin ihren angestammten Bereichentätig werden zu können.Dazu benötigen sie vor allemdie Nostrifikation ihrer Studienabschlüsse,für die sie bis zu siebenmündliche Prüfungen ander Universität ablegen müssen.Der Stoff, der dafür gefordertwird, macht fast den gesamtenzweiten Studienabschnitt aus.Zur erfolgreichen Absolvierungder Prüfungen fehlen denVereinsmitgliedern aber im Momentfast alle materiellen Voraussetzungen.Das heißt, siebenötigen Fachliteratur: Lehrbücherder letzten oder vorletztenAuflagen, Skripten und Zeitschriften,aktuelle Gesetzestexteund sonstige Unterlagen. DieAnschaffung übersteigt die materiellenMöglichkeiten bei weitem,daher bitten die Vereinsmitgliederdarum, ihnen Bücherzu spenden oder allenfalls leihweisezu überlassen.Das wichtigste für die Vereinsmitgliederist allerdings, daßsie konkrete fachliche Unterstützungbekommen, und zwardurch Kurse und Vorträge überdie Fächer, in denen sie Prüfun-gen ablegen müssen (BürgerlichesRecht, Handels<strong>recht</strong>, Arbeits<strong>recht</strong>,ZGV, Verfassungs<strong>recht</strong>,Verwaltungs<strong>recht</strong>, Straf<strong>recht</strong>).Sie suchen daher österreichischeJuristInnen, vor allemAssistentinnen, die bereit sind,ihnen zu helfen und solche Vorbereitungskurseabzuhalten. EinigeWiener Juristinnen habensich schon bereit erklärt, solcheKurse abzuhalten (ZGV und Familien<strong>recht</strong>),aber das ist nochnicht genug.Die Mitglieder des Vereinsder JuristInnen aus Bosnien undHerzegowina haben es sichaußerde'm zum Ziel gesetzt, alsVermittlerinnen zwischen ihrenLandsleuten und öffentlichenStellen einzutreten. Die Menschenaus Bosnien und Herzegowina,die hier leben, brauchenbei ihrem Umgang mit Ämternund Behörden Hilfe. Sie kennenoft weder die Sprache noch dieRegeln und schon gar nicht dieGesetze, die in Österreich geiten,und das bringt sie immerwieder in Schwierigkeiten, dievermieden werden könnten.Die bosnischen JuristInnenwollen ihre neuen Kenntnisseauch zugunsten aller anderenBosnierinnen in Wien und inÖsterreich einsetzen.Kontaktadresse für Briefe und Spenden:Context, Bergsteiggosse 43/16,JJ70 Wien... ,ELiRÖW~tCbl.'0;IWA~~[BQRT


Studium & BerufZUR DISKUSSION ÜBER DIE REFORM DES JUS-STUDIUMSKonservative KatharsisJohol1n· J.


_____________________________________________________________________ Studium & BerufNach der Sichtbarmachung der Dominanz der soziologischen gegenüberder philosophischen und juristischen Perspektive innerhalb der Rechtsdogmatikanalysierte Alexander Somek im zweiten Teil der JURIDIKUM­Serie den zur Schriftsatzform geronnenen juristischen Gedanken in seinemWarencharakter. Die Überlegung, daß das juristische Gutachten als handlungsmotiviertes,akzeptanzerheischendes Medium auf die Rekonstruktionder theoretischen Grundlagen der Rechtserkenntnis angewiesen ist undgleichzeitig in seinem Verwertungskontext auf der Koppelung mit anderenMedien (Geld, Macht) beruht, gipfelt bei Somek in der These einer "einfachoder doppelt konvertierten Form": in der ökonomischen Form einfach konvertiertzur Verrechnung von Rechtsfolgen, als "Selbstreflexion des Geldes",in der doppelt konvertierten Form alsEntscheidungsgrundlage, um gegen einebestehende Praxis der Rechtsanwendunganzukämpfen. Das dort aufgenommeneStichwort der Vermachtung<strong>recht</strong>lichen Wissens leitet überzum vorletzten Teil der Serie.NACH POSITIVISTISCHES RECHTSDENKENDie Materialität derbürokratischen Form 111v. Die im letzten Heft angestrengte Analysedes Doppelcharakters <strong>recht</strong>lichen Wissenshat gezeigt, daß die Funktionstüchtigkeitdes juristischen Gutachtens ,() darauf beruht,die IdentitUt von praktischer Anwendungund korrekter argumentativer Erzeugungsymbolisch anzuzeigen, um solcherart derenoperative Unterschreitung zu ermöglichen.Im Spiegel der Idealisierung, auf welcherder mediale Gebrauch <strong>recht</strong>lichen Wissensaufbaut, soll zudem die Koppelung mit institutionalisierterMacht verbürgen, daß sichdie Adressaten, wenn sie die im Gutachtenenthaltenen Feststellungen beachten, amgeltenden Recht orientieren. Durch den Gebrauchdes juristischen Gutachtens ist manalso nicht darauf angewiesen, an die dogmatischgeschulte Einsicht der Betroffenen ap-pellieren zu müssen, sondern kann mitMotivlagen kalkulieren, die Interaktioneneiner strategischen Steuerung zugUnglichmachen. Außerdem konnten wir feststellen,daß durch das Eingreifen organisations bedingterReflexionsschranken das <strong>recht</strong>licheWissen mit jener internen Vermachtung belastbarwird, die gleichwohl eine unentbehrlicheBedingung für seine von Reflexivitätweitgehend entlastete soziale Wirksamkeitdarstellt.Eben dieses PhUnomen "interner Vcrmachtung"soll uns im folgenden nicht alsunliebsame Begleiterscheinung <strong>recht</strong>sdogmatischerRede, sondern als soziale Tatsacheinteressieren, die, wenngleich sie für den <strong>gesellschaft</strong>lichenIntegrationsmodus insgesamtbedeutsam ist, uns nur an jenem imVcrhUltnis zum sozialen Handeln abgelegenenPfad zugUnglich wird, den die Rechtstheoriebeschreitet.(2) Die im Begriff der Vermachtunggelegene Nötigung, den ungestörtenTransfer zwischen Grundlagenreflexionund konkreter Anwendung zu unterdrücken,markiert mithin ein umfassenderes Problemsozialer Integration, das sich, wie wir sehenwerden, nur im politischen Prozeß abarbeitenlußt. Das meint der Ausdruck "MaterialitUtder bürokratischen Form ": aus dem geronnenenSachgehalt, als welcher sich dasgegenwärtig zirkulierende Format <strong>recht</strong>lichenWissens darstellt, eine erneuerte Substanzzu prUzipitieren. Zu diesem Behufe istfreilich die Form - um ein mittlerweile betagtesBild zu bemühen - vom Kopf auf dieFüße zu stellen, denn nicht gilt es Sachgehaltein vorhandene Formen zu gießen, sondernin der zerfallenden Form den verUndertenGehalt zu entdecken.Im Rahmen des bislang veranschlagtenAnalysemodells ist interne Vermachtung ihrerbloßen Möglichkeit nach identifiziertworden. Noch ist nicht auszuschließen, daßsich ein Verfahren juristischer Analyse entdeckenließe, das im geheimnisvollen Utopiades vollkommenen Urteils Implementationund juristische Legitimation in sich vereinigte.Für eine soziale Tatsache kann interneVermachtung daher nur dann genommenwerden, wenn wegen der ModalitUt, inder das juristische Gutachten seine konsistenteEinheit im VerhUltnis zur bürokratischenForm nur auf den Begriff bringenkann, diese Einheit gUnzlich unerreichbarbleiben muß. Sollte das existierende <strong>recht</strong>licheWissen sich also an einer Idealisierungbrechen, die das intelligible BürokratieverstUndnisihm aufnötigt, müßte es sich selbsteingestehen, totaler Vermachtung anheimgefallenzu sein.Damit ist der Entdeckungszusammenhangjener sozialen Tatsache bezeichnet, aufden die MaterialitUt der bürokratischenForm antwortet. ZunUchst ist aber der verschlungeneWeg zu erlUutern, auf welchemsich die soziale Wirklichkeit interner Vermachtungerschließt.Weshalb das negative VerhUltnis, das dieRechtsdogmatik zu ihrer eigenen IdealisierungunterhUlt, bloß an dem entlegenen OrtzugUnglich wird, von dem man zunUchst annehmenwird, er reprUsentiere an aller Theoriezweifelsfrei das Graue, folgt aus der internenStruktur des juristischen Gutachtens.Denn sieht man einmal von der literarischenVorverdauung unbekömmlichen Rechtsmaterialsab, stehen akademische Jurisprudenzund Rechtspraxis in wenigstens einer Hinsichtin einem engen Zusammenhang. Diefür die LegitimitUt <strong>recht</strong>lichen Wissens un-(1) {!1II31ißve/:rliilldJ/isseJ/ flllgegeJlZlIill1id:ell, sei rltlrtll(( hillgewieseJl,daß damit JlitRt b/oß die RedlfJgllt(/(hte!l gell/eillt silld,die VOll Universitäts/ehre!'1l rOllfiJ/fllläßig t!:flt/!! werrlnl, SOliden/gellt~re/l die ill


Studium & Berufabdingbare Vereinnahmung der vernünftigenEinheit von konkreter Operation undtheoretischer Fundierung erfahrt nämlich imRahmen des an juridischen Fakultäten zumindestliterarisch verfolgten Projekts derRechtserkenntnis eine gegenüber der praktischenRechtsarbeit zwar verselbständigte,gleichwohl aber sozial verbindliche Reproduktion.Die interne Verstümmelung, die<strong>recht</strong>lichem Wissen widerfährt, wenn es seinenErkenntnisanspruch dauerhaft unterbietet,kann daher auch bloß auf der Ebene derkritischen Auseinandersetzung mit dem vonder Rechtsdogmatik erhobenen Anspruchauf Rechtserkenntnis der Beobachtung zugänglichwerdenY) Nur solcherart läßt sichentdecken, was im Rechtsverkehr, in welchem<strong>recht</strong>liches Wissen erscheint, entwedergänzlich verborgen bleibt oder nur schemenhaftgreifbar ist. Wenn also die sozial generalisierteLegitimation <strong>recht</strong>lichen Wissens,in deren Rahmen dieses als Rechtserkenntnisverstanden wird, sich im Lichte deranspruchsvollsten Versionen juristischerSelbstreflexion als theoretisch unhaltbar erweist,dann ist interne Vermachtung (als permanenteUnterschreitung der Einheit vonErkenntnis und Operation) in der Perspektivedes Projekts der Rechtserkenntnis selbstals soziale Tatsache etabliertY)Unserer Aufmerksamkeit darf in diesemKontext freilich nicht entgehen, daß einediesem sozialen Faktum gewidmete Theoriein Verlegenheit gerät, in die <strong>recht</strong>stheoretischenDiskurse, die ihren Phänomenbestanddarstellen, sachlich eintreten zu müssen.Nicht nur findet sich die Deutung im analysiertenGegenstand enthalten, ihr ist es geradedeshalb auch gestattet, in die Selbsterkenntnisder Sache überzugehen. Für diesenKonnex steht das nachpositivistische Rechtsdenken,das sich folglich auch nicht darstellenläßt, sondern nur in seinem Vollzug einesoziale Erfahrung uns zugänglich macht.(5)Sein Name bezeichnet daher auch nicht -Routinen akademischer Positionsbestimmungzum Trotz - eine <strong>recht</strong>stheoretischeStrömung unter anderen, sondern designiertdie <strong>gesellschaft</strong>liche Situation jenes Anspruchsauf Rechtserkenntnis, der in derbürokratischen Form das ihm angemesseneMedium der Artikulation erblickt. Diese Situationmanifestiert sich in zwei Versionennachpositivistischer Reflexion, in denen derDoppelcharakter <strong>recht</strong>lichen Wissens nunmehreine negative Ausformulierung erfahrt.In seiner ersten Version läßt sich nachpositivistischesRechtsdenken aus dem sachlichenBemühen begreifen, den Legalitätsglaubeneiner Profession zu rekonstruieren,die ihr soziales Handeln unter Rekurs aufdas Projekt der Rechtserkenntnis legitimiert."')Deshalb werden die theoretischenManifestationen der Idee, das positiveoder gar ein überpositives Recht seien einGegenstand der Erkenntnis, nachhaltigerKritik unterzogen. Da nachpositivistischeReflexion die Einheit des bürokratischenFormats dementiert, indem sie die theoretischenGrundlagen dogmatischer Operationenerschüttert, läßt sie sich in dieser Version,so paradox dies anmuten mag, als unrestringierterWiderschein interner Vermachtungbegreifen. Indem sich die juristischeSelbstreflexion ihr im Verhältnis zur Rechtspraxismarginalisiertes Dasein zueignet,macht sie indirekt die gegenüber der juristischen(methodischen oder moralischen)Selbstreflexion gleichgültige Performanz<strong>recht</strong>lichen Wissen als soziales Faktumkenntlich. Aber in demselben Zuge, wienachpositivistisches Rechtsdenken dieNicht-Identität <strong>recht</strong>lichen Wissens durchschautund die juristische Selbstreflexionvom Projekt der Rechtserkenntnis verabschiedet,beugt seine zweite Version dem Verschwindendes Legitimationsanspruchs dadurchvor, daß es dessen gegenüberOperationenkritische Funktion auf dem Boden einesnunmehr grundlos gewordenen, medialentlasteten juristischen Gutachtens entfaltet.In die von theoretischen Begründungen entlasteteForm nistet sich die Reflexivitätnochmals ein, um die begrifflichen Operationender Rechtsdogmatik ihrer internen Instabilitätzu überführen. Auf diese Weise revoltiertsie gegen die bürokratische Formund erschließt jenen Punkt, an dem sich ausihr das Material institutioneller ErneuerungaU§schmelzen läßt.VI. Bekanntlich lassen sich die <strong>recht</strong>stheoretischenPositionen, in denen zum kognitivenAnspruch <strong>recht</strong>lichen Wissens Stellung bezogenwird, wenigstens mittels zweier Alternativenvoneinander abgrenzen: (a) Der Annahmeoder Verwerfung der Existenz vonNormen, deren Verbindlichkeit sich aus derpraktischen Vernunft ergibt, sowie (b) derAnnahme oder Verwerfung der These, daßdie Geltung des positiven Rechts auf einemsozialen Faktum beruht, wobei dieses Faktumeine notwendige Bedingung für die Erkennbarkeitdes Rechts darstellt. Wählt manbei (a) und (b) die Annahme, lassen sich verschiedeneSpielarten einer "<strong>recht</strong>sethischen"Jurisprudenz entwickeln, die sich jeweilsdadurch voneinander unterscheiden,wie eng oder wie weit der Anwendungsbereichvon (a) und (b) bemessen wird. Beantwortetman (a) in Sinne der ersten Alternativeund (b) im Sinne der zweiten, dann erhältman einen - gewiß synthetischen - Archetypusvon Natur<strong>recht</strong>. Entscheidet man sichbei (a) für die Verwerfung, bei (b) hingegenfür die Annahme, erhält man die Positiondes Rechtspositivismus, wobei hier die Versionenje nachdem variieren, ob die Existenzdes sozialen Faktums bloß als notwendigeoder auch als hinreichende Bedingung derRechtsgeltung betrachtet wird. Sowohl bei(a) als auch bei (b) für Verwerfung zu optieren,macht das nachpositivistische Rechtsdenkenaus, das, genau betrachtet, bei (b) ander umstandslosen Konjunktion von vorgegebenersozialer Faktizität und nachträglicher(wertfreier) Erkennbarkeit Anstoßnimmt.(7) Würde das erste Glied der in (b)enthaltenen Annahme allein negiert, kämeman zu dem Resultat, daß die Rechtswissenschaft,wenngleich möglich, über keinen Gegenstandverfügte. Ähnlich absurd wäre diespiegel verkehrte Alternative, wonach das sozialeFaktum der Rechtsetzung der Erkenntnisentzogen bliebe. Allerdings deutet diesschon die Richtung an, in die sich das nachpositivistischeRechtsdenken bewegt. DieExistenz einer <strong>recht</strong>setzenden Autorität wirdnicht in Zweifel gezogen, wohl aber ihr Umfang,da das Recht in einem Medium (derRechtsdogmatik) zur Erscheinung kommt,in welchem es, einmal gesetzt, nicht passiverkannt, sondern erneut produziert wird. IX)Was nachpositivistisches Rechtsdenken alsonegiert, ist die in der Konjunktion der zweitenPrämisse stillschweigend vorausgesetzteUnterscheidung von vorgängiger Rechtsetzungund nachträglicher Rechtserkenntnis. I'i)Letztere wird demnach von der Rechtsdogmatikbloß herangezogen, um mit der Paradoxiefertig werden zu können, daß sie imGrunde genommen erzeugt, wovon sie sich(3) Zum hier veransch/agteJI Soziologieverständnis siehe bek01I11t1ichTheodor W. Adomo, Zur Logik der Sozialwissenschaftell,ill: Adomo et al., Der Positivismusstreit ill der deutschellSoziologie, Darmstadt - Nettwied' 1981, 125-144, hier:135(4) Es liegt auf der Hand, daß hier davon ausgegangen wird,daß sich die Bedeutung sozialer Sachverhalte lIur im Spiegel ihrereigenen Bewertung herstellt.(5) Siehe zu diesem emphatischm Begriffder El/ahT/mg G. W.F.HegeI, Phälloll/eJlologie des Geistes (1807), Werke in zW01lzigBälldeJI, hrsg. v. E. Moldellhauer/K. Michel, Frallkfurt/Maill1969-71, Bd.3, 78-79(6) ZUII/ Begriff des "Legalitätsglaubells" siehe ,Uax Weber,Wirtschaft und Gesellschaft. Gmlldriß der verstehe1/dm Soziolo-Seite 40gie, hrsg. v. 1. Winckeill/01I11, Tiibillge1/ "1976,19-20,504-505(7) Exemplarische AusprägungeIl dieser Positioll findet man,was dm deutschsprachigen RauII/ allgeht, e"tmals in dm schalfsillnigmAlla~ysm Fritz Sallders (eillem zu Ull<strong>recht</strong> beilIaheschOll vergessmen ReJlegaten der Kelsenschen Orthodoxie) sowiegegenwärtig ill den Arbeiten systemtheoretischer Rechtstheoretikerwie Luhll/all/l, Teubller und Ladeur. Fiir die Rechtstheorie illdCII USA, wo sich lIachpositivistisches RechtsdenkeIl v{rgleichsweiseuII/fassend hat entwickelll kb)l1IeJ1, ist (abgesehm VOll<strong>recht</strong>srealistischen Vorbildem) auf theoretische Arbeitm hinzuweisen,die eitJerseits (noch wie vor) uuter dem Banner der "CriticalLegal Studies" auftreten {Illd O1ldererseits als typische Ausprägungendes "PostllIoderlljsm" im juristischen Bereich ongesehaiwerde1/. Unter deli Aut~reJI verdielIen vor allem lack Bal-JURIDIKUMkin, lall/es Boyle, St01t1ey Fish, lury Fmg, DUllcal/ und DavidKenlledy, Gary Peiler, loseph Singer, loan Williams, StevmWinter und Pierre Schlag hervorgehobCll zu werden. EinCIIOberblick verschafft PeterC. Schal/ck, Understanding PostmodemThought O1ld its /lI/plicatiOils for Statlt/ory lilferpretatioll,in: Southem Califomia Law Review 65 (1992),2505-2597.,(8) Siehe insbesondere Niklas Luhmallll, Positivität als Selbstbestimmtheitdes Rechts, in: Rechtstheorie 19 (1988), 11-27, hier:23(9) Geleugnet wird selbstverständlich nicht, daß 11/011 zwischCIIgesetzgebenden und <strong>recht</strong>sanwendenden lilstitutionen empirisch/lIIte"cheiden ka1l11. Abgelehnt wird allerdings die Vorstell/l1Ig, eslasse sich zwischm Sef';ut1Jg 1md Erke1lllfllis eine stabile begrifflicheGrenze ziehen.Nr 3/94


_____________________________________________________________________ Studium&Berufabhängig machen will.'HI) Von der Ausübungsozialer Autorität läßt sich die Formulierung<strong>recht</strong>lichen Wissens daher nicht unterscheiden.Nun halten Positivisten auf Überlegungendieser Art einen Einwand bereit, der aufden ersten Blick <strong>recht</strong> überzeugend anmutenmag.o ll Sie gestehen bereitwillig zu, daßder Erkenntnisgegenstand "positives Recht"von <strong>recht</strong>swissenschaftlichen Festlegungenabhängt, wäre es doch umgekehrt naiv zuglauben, das Recht sei dem erkennendenBewußtsein unmittelbar gegeben.'IZ) Daß dieRechtswissenschaft ihren Gegenstand "erzeuge",spreche nicht gegen die Möglichkeitvon Rechtserkenntnis, sondern sei als eineihrer unabdingbaren Voraussetzungen zu betrachten.Dieser Einwand beruht auf einer Äquivokationdes Terminus "erzeugen ", für densich in diesem Zusammenhang zwei Bedeutungenunterscheiden lassen: konstituieren einerseitsund produzieren (durchaus im Sinnevon" verarbeiten ") andererseits.Es ist das Markenzeichen des kritischenRechtspositivismus, "erzeugen" in Anlehnungan die Kantsche Metaphorik des innerenRaums".l) im Sinne von konstituieren zuverstehen. Demnach "konstituiert" dieRechtswissenschaft ihren Gegenstand, indemsie den Rechtsbegriff beispielsweisedurch folgende Merkmale bestimmt: Zwangscharaktereiner im großen und ganzen effektivenNormenordnung, Unabhängigkeitvon einer moralischen Grundnorm, Rechtsaktesind Bestandteile eines konsistentenErzeugungszusammenhangs, etc. Wären dieseFestlegungen einmal getroffen worden,müßte jede sprachliche Äußerung, die densolcherart vorgezeichneten Bedingungengenügte, als geltendes Recht betrachtet werden.o4 ) Der Rechtswissenschafter, der sichseinen Gegenstand entgegengesetzt hätte,würde sich sodann in der Rechtserkenntnisals durch diesen beschränkt erfahren: erkönnte (oder vielmehr: dürfte) nicht sprachlicheÄußerungen, die den konstitutiven Bedingungengenügen, nach.Belieben aus demgründungsambitionen, die Betonung der Blindheitfunktionierenden <strong>recht</strong>lichen Wissensund die Supposition einer keiner kognitivenRechtfertigung zugänglichen, unhintergehbaren sozialenFaktizität juristischer Diskurse. '2


Studium & BerufBildung von Überzeugungen im Binnenraumetablierter juristischer Diskurse abhängt.' '') Diese Bedingungen werden zudemnicht als Konstituenten der Rechtserkenntnis,sondern als Voraussetzungen gelingenderHandlungskoordination w,) gedeutet. Begründungenfunktionieren in dieser Sichtdeshalb, weil bereits Einverständnis innerhalbeiner bestimmten Gruppe von Rechtswissenschafternvorherrscht, oder schlichtaufgrund des rational nicht weiter aufzuklärendenFaktums rhetorischer Überwältigung.""Im Anschluß daran wird auf den latentenVorrang der Praxis gegenüber der (theoretisthreflektierten) Rerhtserkenntnis geschlossen.Dies kann mit unterschiedlicher Akzentsetzunggeschehen. So hat etwa Sander im Verhältniszum Rechtspositivismus der ReinenRechtslehre herausgestellt, daß die Positivitätdes Rechts die kognitive Irrelevanz einernicht in Akten der Rechtserzeugung aufgehendenRechtsdogmatik impliziert.""Zwar mag es, wenn man mit der ReinenRechtslehre die Rechtsordnung als einenhierarchischen Stufenbau einander bedingenderRechtssatzformen darstellt, für diegültige Rechtserzeugung entscheidend sein,die einem Rechtsakt jeweils vorgelagertenErzeugungsbedingungen einzuhalten i1''' unddie Rechtserzeugung durch sie begleitendeAkte der Erkenntnis des Ermächtigungsrahmenszu vollziehen,"")) dennoch bleibt dieGeltung einer positiven Rechtsordnung davonabhängig, daß diese im großen undganzen effektiv ist. Und dazu bedarf es derTätigkeit der Vollzugsorgane. Folglich werden,laut Sander, die von Organen bei derRegelanwendung faktisch angestrengten Interpretationenzu geltendem Recht. Nur imRahmen des praktisch realisierten, souveränenErzeugungszusammenhangs des Rechtskann man feststellen, was das geltendeRecht ist - und zwar nicht, indem man übermögliche Fallösungen räsoniert, sondern nurindem man erfolgreich erzeugt und vollstreckt.(.ll)Konsequent geht Sander davonaus, daß dabei die hierarchisch gestufte Serievon Erzeugungsvoraussetzungen invertiert,also aus der Perspektive des jeweils zeitlichzuletzt anwendenden Organs, zur Anwendunggelangt.'''' Als bloßes Moment der hoheitlichenRechtsanwendung kann dieRechtserkenntnis den in verbindlichesRecht übergehenden Organakten dahernicht übergeordnet sein. IU ) Auf gänzlich andereArt gelangt Fish zu einem vergleichbarenErgebnis.Der Vorstellung, die Rechtserkenntniswerde durch die Beobachtung methodischerPrämissen (z.B. Interpretationsregeln) ermöglicht,''')hält er entgegen, daß die Bindungswirkungexpliziter Regelvorgaben notwendigauf das in einer Interpretengemeinschaftgeteilte implizite Wissen um ihre korrekteAnwendung angewiesen ist: ,,[ ... ][I]nsofar as the requisite knowledge can bereduced to a set of rules [ ... ], it will be to ruleswhose very intelligibility depends on thepractices they supposedly govern. [ ... ] [P]ractice is already principled, since at every momentit is ordered by an understanding ofwh at jr is an practice of(thc law, basketball),an understanding that can always be put intothe form of rules-rules that will be opaqueto the outsider-but is not produced by rules."(3SJWenn man sich daher für die Einsichtnahmein ein "Fundament" der Rechtserkenntnisinteressiert, sind, laut Fish, jenePraktiken zu konsultieren, in denen diesessubkutane Wissen anfänglich verabreichtwird: "The student studies not rules but cases,pieces of practice, and what he or she acquiresare not abstractions but something like,know how' or ,the ropes', the ability toidentify (not upon reflection, but immediate­Iy) a crucial issue, to ask a relevant question,to propose an appropriate answer [ ... ]. Somewherealong the way the student will also beginto formulate rules or, more properly, generalprinciples, but will be able to understandthem only because he or she is deeplyinside-indeed is part of-the context inwh ich they become intelligible"Y") Die solcherartverortete genetische Priorität praktischerFertigkeiten schlägt aber auch auf dieDimension der Geltung durch. Jegliche Anstrengung,eine interpretative Praxis mit einerRechtfertigung zu versehen, ist nachFish entweder, sobald sie deren Grenzenüberschreitet,'·171 dazu verurteilt, ihr gegenüberirrelevant zu bleiben, oder aber als"theory talk" eine apologetische Selbstbeschreibungzu produzieren, die ihre Fortsetzungattraktiv erscheinen lassen soll.'"'''Ebenso scheint eine solche Selbstbeschreibungenanfechtende Kritik darauf beschränktzu sein, an der Oberfläche rhetorischerStrategien zu kratzen, ohne auf denKernbereich von Operationen zugreifen zukönnen."'"(ed.), The Polili" of f,aw. A Progressive Criliqlle, New Yor/,'1982, 281-29.1;rlm., Hislorizism il/f,egalSr!toftmhip, ill: TheYak [,aill,Jou/7/aI90 (1981), 1017-1056, hier:' 1028-/(1.)6;.1'1-tilde)' Fish, ;1J//i-P/YJ!essiol/tllislII, in: rlers., Doillg ... (obeIlAl/m.!8), 215-246, hier: 226; dazu a(((!t AI/dnw Altlllallll,(:,i/iml Legal Slurlies, A I.i/;eml (:ritique, P,imdol/ 1989, 18.1;Joseph IV. Sil/ger, The Player alld Ihe (,'arrls: Nihilislll l/llrl LegaITlreOl)',ill: Yale Laill' Joumtil 94 (1984), 1-70, hin:' 22:"The legal (lI/t"re shtlrerl be jllrlges (md tncoris/s fJl({)/JIpassesShlll~rI ul/rlerslallrlillgs of proper iliSlilHliolial roles t/lld Ihe ex­Imllo whirh Ihe slalus qllo shouM /;e lIIaililailied or allered.This (li/Illre iHdlldes 'rom/l/olJ seI/se' III1r1ers!(wrliJlgs 0/ wnar 1'11-les lIlefll/ tlS weJ/ as (Ol/venliolls (Ihe irlelll~fit:{/!ioJl 0/ nt/es ({lid.exr~plirJIIs) lllld polili", (Ihe dijfnwlialioll /;e/Wee!llibenti tIIidt'OlISflvlllive jlldges)."(25) Siehe z.B . .lad Ball:ill, Ta/:illg [deolo{!;y Sniolls/l': ROllalrlDworl:ilJ l/lld Ihe CLS Critique, UM K(: Law Review 55(1987),392-433, hin:' 430; Sillger, Player(o/;fI/ Al/m,24), 20(26) Orler des Weiter/aufells der AI/lopoiesis, Siehe zur [{lIlparadoxienlllgNi/das Lllhmallll, Die DodienlJlg des RedltJ:\)Jstems,ill: Rn!tlslheolie 17 (1986),171-203, hin:' 194(27) S.f beides Sltlll/~l' Fish, 'J'he I,lIf!!) Wishes To Have A FormalExislel/(e, il/: A. Saml/Th. R. Kelll'llJ (ed,), 'J'he Fale ofLa",', Allil Ar/;or 1991, /59-208, hier: 194-195;rlers., Fo/Ye, il/:Doil/g ... (ollel/ AIIIII.18), 503-524, hie/:' 552: "By ill' ve/)' defil/itiONthe [(Irter oj persllasioll is IIl1predittt/b/e f/lld theoretitt//~)' illlermiJJt/ble;there is JlO gllallilltee that eitherparty illJi// be 'virtoriolls."(28) Siehe f


________________________________________________________________________ Studium&BerufAn solchen Stellungnahmen wird deutlich,daß nach nach positivistischem Credodie Blindheit gegenüber alternativen Formender Argumentation zu den konstitutivenElementcn funktionierenden <strong>recht</strong>lichenWissens gehört."")) Sie gilt nicht als Ausdruckspontancr Rechtsüberzeugungen (sozusageneines" Volksgeistes"), sondern als Produktder kollcktiven Abrichtung auf dcn Vollzuginterpretativer Strategien."" Die damit gewährleistete"Intersubjektivität" läßt sichauf folgende Formel bringen: "To be [... ],deeply inside' a context is to be already andalways thinking (and perceiving) with andwithin the norms, standards, definitions, routines,and understood goals that both defineand are defined by that context".'·2l vVegender kontingenten Konfiguration dieses"Hintergrundwissens" ist folglich auch davonauszugehen, daß solche Kontexte imPlural auftreten. Ihre Heterogenität überträgtsich auf den Gcgenstand, dcr in ihnenaufscheint. Für den externen Beobachter ergibtsich damit insgesamt das Bild von derInkohärenz des Rechts, die in der dogmatischenArgumentation immer wieder zu glättenist: "It is important to understand thatthis type of disorder is not the same as irrationality.The process of legal decision isquite rational in the sense that reasons are almostalways given for decisions. The point isthat the reasons given to distinguish casesmay not be consistent with each other, ormay be post hot rationalizations that explaindisparities between rules created at differenttimes or places in history. "'•.\)Es ist der zweiten Version nachpositivistischerReflexion vorbehalten, mit der der erstenVersion eigentümlichen Annahme zubrechen, wonach die Funktionstüchtigkeitdes als soziales FaktUlTI verstandenen <strong>recht</strong>lichenWissens auf der Einheit präreflexiverDeutungsprozesse beruht. Die supponierteEinheit wird theoretisch daraus erklärt, daßVerständigungsleistungen nur aufgrundunthcmatischer Voraussetzungen möglichsind,'··' welche sich nicht explizit machenlassen.'·;) Die These wird in unterschiedlichenEinkleidungen vorgetragen.'·'" Hier seibloß diejenige herausgegriffen, die den Pluralismusfunktionierender Rechtsdiskurse imVorhandensein distinkter Interpretengemeinschaftenverankert sehen will. Demnacherbringt die in ihnen vorherrschendeargumentative und hermeneutische Blindheiteine entlastende Leistung für diejenigen,die aus interner Perspektive zur juristischenArgumentation beitragen, ohne "extern"durch irgendwelche Regeln gebundenzu sein. Gleichzeitig wird herausgestellt, daßder Ort solcher Situiertheit sich begrifflichnicht fixieren läßt, weil jedem an sich totalisierendenund daher umfassenden Systemvon Überzeugungen '.7> seine eigene Transzendenzimmanent ist.'·twlle,,!erJlCIl will, haI dahtr Dis/..'l/ssiol/el/ i/JIlflliveJJitän~1I{/I/terrirnt ZII sIlIdienm. Die dOll wirf:sfI/JIell hieral'­rnisdltll ~)'/rllhlfre" Ilährel/ r1i{~ fIJ//!,degelltlich der RII/"'''!IIIY1liollelltstehfllde 1lllIsioll, beilII Rerht halIdie es silh 11111 objektiv Wif!­bares. Siehe da:::'1f elruw Dlfl/rfIJ/ Ktl/llerly, /,egal b;dm:aliol/ (lIIdIhe Reprod!ltliolJ ollfieran:hy. fl Po/emir ilgailJsllhe ~S)SleJll,(;alllbrid/{e/Jilas.L 198.1; Jallles Boy/e, The AllatolllY oj a TOl1s(,'lass, il/: Tl!c AlJlerirfIJ/ (!l/iveJ:l"i~)' /,afJ!) Reviere) 34 (1985),100.1-106.1(4l) Fish, Fish v. Fiss (olleJI AIIIII.35), U6-U7(43) Bd/,'ill, 7rt/,'illg Ideolo


Studium & Beruffestmachen lassen. Auch im operativen Binnenraumvon Interpretengemeinschaftennehmen die Klassifikationen "kannibalistische"Züge an."''' Denn dieselben Grundsätze,die zwar gleichsam das Schibboleth bestimmter<strong>recht</strong>sdogmatischer Milieus repräsentieren(z.B.: "Bei mangelnder finanziellerLeistungsfähigkeit des Versicherungsträgersentfällt die anspruchsbegründende ,Krankheit'des Versicherten im Rechtsinn "), derenkonkrete Bedeutung sich aber wegen der"Unabschließbarkeit des Feldes" einer reflexivenFixierung entziehen, werden auch aufder Ebene der dogmatischen Klassifikationrelevant. Was für das Ganze, also die Interpretengemeinschaft,festzustellen ist, giltdementsprechend für den Teil, nämlich diedogmatischen Begriffe. Routinemäßig angewendeteklassifikatorische Begriffe - wie"subjektiv" und "objektiv" - erhalten einsemantisches Profil im Spiegel anderer Unterscheidungen,die, um Bestimmtheit annehmenzu können, auf weitere Unterscheidungenzu rekurrieren haben."") Wenn sichaber der semantische Raum, in dem Interpretengemeinschaftenoperieren, einer Totalisierungentzieht, lassen sich auch in ihmUnterscheidungen stets unter verschiedenenGesichtspunkten erfassen. So könnte manbeispielsweise die Anwendung einer Interpretationsmethodeunter Hinweis auf die"Objektivität" eines Kanons zu <strong>recht</strong>fertigenversuchen. Das kann bedeuten, daß diesereiner ehrwürdigen Tradition (und nicht bloßirgendeiner "Theorie"), einer Konzeptionvon Gesetzestreue (und nicht einer allgemeinenAuslegungslehre) oder einer Gepflogenheit(und nicht einer subjektiven Meinung)entspringt. Zumeist wirkt es diskursinternstabilisierend, wenn auf die Auflösungvon Mehrdeutigkeiten verzichtet wird."")Wollte man demgegenüber darauf dringen,die Begriffe zu klären, findet man sich aufdas Durchschreiten eben jenes Feldes verwiesen,das man zu transzendieren trachtet.",(1)Das Unterscheiden nimmt dann seinenverhängnisvollen Lauf: "Splits are notsubject to contro!. There is no place outsidethe splits. And there is no t'op split. All that'sleft is the interpenetrated free play ofsplits. "",» Inmitten dieses "free play" wirdvon Unterscheidung zu Unterscheidung fortgeschritten,ohne daß der Kontext des Unterscheidensunter Kontrolle gebracht werdenkönnte."'21" [ ... ] [S]plit proliferation castsserious doubt upon the possibility of usingone split to stabilize another, for there willalways be another way to draw a distinction."(6J)Die politische SubstanzWenn gleichwohl jede interpretative Bestimmungin das substitutive Spiel der Unterscheidungeneinzutreten hat und ein jedesZeichen solcherart "außer sich" gerät,{'>-I)dannhaben die Begriffe auch immer schon ihrGegenteil in sich aufgenommen. Das Feldder juristischen Klassifikation besteht, so gesehen,aus Begriffen, in die sich ihr Gegenteileingenistet hat.''''' Fragt man beispielsweisenach dem Unterschied zwischen derausdrücklichen und der stillschweigendenWillenserklärung, ist unschwer einzusehen,daß das Ausdrückliche auf nicht abschließendzu erfassenden kontextuellenBedingungen und das Stillschweigende aufder konventionellen Auszeichnung von Stereotypenberuht.("")Im geschichtlichen Verlauf der juristischenArgumentation vermag sich freilichdurchzusetzen, was wegen der Paradoxie desVerhältnisses latent zu halten ist.("" Nur ausder Beobachterperspektive läßt sich zeigen,aufweiche Art sich das negative Relat einesklassifikatorischen Begriffs im Unterschiedenenwiederfindet.",H) Daher läßt sich jederPol eines Gegensatzes aus der Perspektivedes von ihm Unterschiedenen auf den Begriffbringen. Konstruiert man beispielsweisedas Schadens<strong>recht</strong> am Leitfaden der Unterscheidungvon Kompensations- und Versc~uldensprinzip,läßt sich zeigen, daß derobjektive Sorgfaltsmaßstab des Fahrlässig-keitsdelikts, obwohl Ausdruck des Verschuldensprinzips,das gegenüber dem Verschuldenindifferente Kompensationsprinzip insich enthält, da der Horizont individuellenVerhaltens am objektiven Typus eines "ordentlichenMenschen" gemessen wird."'")Nachpositivistisches Rechtsdenken kannsomit aufdecken, daß die Rechtsbegriffe anihrer der Problemlösung abgewandten Seiteim Gewebe instabiler Unterscheidungen untertauchen."(1)Einige Vertreter der CriticalLegal Studies haben in diesem Kontext daraufhingewiesen, daß die Einheit <strong>recht</strong>lichenWissens daher in seiner internen Gespaltenheitzu suchen ist. (7 » Sofern sich die Pole vonUnterscheidungen umfassenden sozialethischenModellen zuordnen lassen (72) (etwa dasKompensationsprinzip dem" Kommunalismus"und das Verschuldensprinzip dem "Individualismus"),t7·l>deutet ihr perpetuierlichesund unversöhnliches Ineinarider-Übergehendarauf hin, daß sich in jedem Akt derInterpretation die interne Entzweiung desRechts selbst reproduziert."")Angesichts der Tatsache, daß es demRecht nicht äußerlich ist, durch Interpretengewußt zu werden, stößt man solcherart aufdie politische Substanz der juristischen Methode.Das <strong>recht</strong>liche Wissen vermag nicht,auch nicht im Spiegel positivistischer Reduktionendieser Idee, den Gemeinwillender Gesellschaft zu repräsentieren, sondernbloß dessen interne Unversöhntheit zu manifestieren.Der Bedeutung dieser sozialenTatsache verschafft die juristische Selbstreflexioneinen klareren Ausdruck als jede politischeTheorie es vermöchte, wenngleichzuzugestehen ist, daß ihr ge<strong>recht</strong> zu werden,die Schranken der bürokratischen Formübersteigt, an der sie sich kenntlich macht.(Schluß/olgt)Dr. Alexander Somek ist Dozent am Institut fürRechtsphilosopie und Rechtstheorie an der UniversitätWien.(57) Siehe Pien1f Schlag, (,'alwibtt! Moves: All Essay oll/he Ale­/allloiphoses of the Legal Distillc/ioll, ill: S/anjord Law Review40 (1988),929-971, hier: 930,936-967(58) Siehe Gtuy Pe/ltI; The Me/aphysics of AlIJtlictlll LiIW, ill:(,'alijomia Law Review 73 (1985), 1155-1290, hier: 1192(59) Siehede Mall, Zeichelllllld S)'IIlbol (obeIl AIIIIJ.I0), 49(60) Statt ,,11" also illJmerlll/!' ,,11-1 ". Siehe Gilles De/ellz.e/FflixGllattari, RhizollJ, dt. BediIl1977, 28. Siehe allch Pe/le!; Metaphysics(obm AlJlIJ.58), 1188-1189(61) Schlag, (,'alJlJibal Moves (oben AIIIIJ.57), 954(62) Siehe JOlJa/hall (,'lIller, Oll Decollstnutioll. Theol)' alJd(,',i/iäSIlJ ajterS/ntclllralisllJ, LOlldoll- Hell/~v 1983, 123(63) Schlag, (,'tJlJlJibal Noves (obelI A/IIIJ.57), 948, Die sichdarm/s ergebelldell VOlteile silld IIl1abweisbtll:' Regl1fsse lasseIlsith lIich/ Ill/rvedällgem, SOlidem muh illJ Dschllllge/ der DistillktiollellverbergeIl (siehe ebd., 944)(64) Siehe dazu Ntll/fred Fmllk, Die GrCllzell derBehen~{hbarkei/ der Sprache, Das Gespräch als 011 der DifferellzVOll Neos/l1IktllmlisllJlIs ulld Hel7l/elJeJ/tik, ill: PhilippeForget (Hrsg.), Text IIl1d IlItelpJ"ftatioll, Niillchm 1984, 181-213, hiel:' 208Seite 44(65) Siehe Jack Balkill, Nes/ed Oppositiolls, ill: Yale I,aw Jo//!clIal 99 (1990),1669-1705, hier: 1676: "f .. .] IRjecollte.,/ualiultiolJ0/ a cOl/ceptllal oppositioJlIJl(~V reveal simi/arities wherebejoJ1f we saw ol/Iv diffemlces. I .. ,] ITlo detvl/stl7lct a l'OlICCp­/llaloppositioll is to reilllerpJ1fI i/ as allested oppositioll. It is toobselve sillJlII/tweously the similrllity alld the dijfemlt1f, /he depelldenceallddijferClltiatioll, illvolved ill a nMtioll betweellt:Ol/{1fP/s. "(66) Siehe AlJaloges zlIr Ulllel~cheidllllg der Willenserk/iirtllJgenVOll der SetZIIIIg vertmllellsschaf!ellder älljJerer Ta/beställde beiBalkill, Det:OllslJ7lc/ive Pmäire (obeIl AIIIIJ.18), 767-772(67) Siehe {/III Beispiel des stl7lft1flhtlichell Gewal/begriffs bei NikolallsForg6, Gewa!/ ist, was Gewalt ist, ill: JuridikllllJ 2/94(1994),35-39(68) Siehe Balkill, Nested Opposi/iolls (obCll A 1I11J. 65), 16831'1148,1684(69) Die ArglllllClltatioll vedälljt illl eil/ze/IIC1l diffel1fllzielter.Siehe lIäher .lack Balhll, The (,'rystal/ille Sm/clllre of LegalThollgh/, ill: Rlltgel~ !.aw Review 39 (1986), 1-1/0, hier: /2,16-17,68(70) Siehe Schlag, (,'{t}/lJibal Moves (obell AIJIII.57), 959JURIDIKUM(71) Siehe RobClto l!1allgabeira 11l1ger, Kllowledge alld Politics,New York 1975; DJlllltll/ Kelllledy, Legal Fonllality, ill: JOllrlIalof Legal Smdies 2 (1973),351-398; Joseph W. SillgeJ; TlteLegal Rights Debate i/I Allalytical JlJlispntdellt1f ft'Olli Bel/thamto Hohfe/d, ill: WiscollsilJ LtlW Review 1982, 975-1lI59. Seillellwie {llIch immer illl Detail abwei,henden Hiiheptlllk/ /illdet dieserAlIsat~ ill dem Blich VOll Mark Ke/mtllt, A GlIide to (,'Jitim!Legal Stlldies, (,'alllbJidge/Mass. 1987. Siehe aber tIIllh für eillellwohl welliger geg/ütktell VCI~ttch Gerald Fntg, The (,'ity as a Legal(,'ollcept ilt: HtlIvtlld Law Review 93 (1980), /(159-1154.(72) Nach Kelllled.1' ist der Kott[/ik/ zwischell so/rhell ModellelllIltallfhebbtJ/: Siehe illsbesoltdere DlIlI({/Il Kelllledv, FOJ71t {mdSlIbs/{lI/l1f ill Ptivate Law Adjlldimtioll, ill: Hatvtlld Law Review89 (1976),1685-1779, hier: 1775(73) Siehe Itäher Balkill, (,'rystallille Stntttt/t1f (obCII AIIIII.69),16-17(74) 111 diesem Zt/stllltillel/hallg lassell sich bei deli VeJtt~tem der(,'titim! l.ega! Stt/dies woh! AIIHältge all theologische lIlld exi:stellzie!!e l!1o/ive lIich/vet1l1eidell. Siehe zlIr ,jtllldamelltal COlltmdic/ioll"Dtll[{'{J/1 KClllIedy, The Strttattre of B!acks/olle'sCOlI/lIletlt{l/ies, (obeIl AlIIll.24), 213Nr 3/94


Das Recht derGesellschaftNiklas Luhmanns "Soziale Systeme"(Grundriß einer allgemeinen Theorie,1984) umfassen nach "Die Wirtschaft derGesellschaft" (1988) und "Die Wissenschaftder Gesellschaft" (1990) nun auch das"Recht der Gesellschaft" (1993), die Kunstder Gesellschaft ist in Beobachtung und diePolitik der Gesellschaft absehbar.Ausgangspunkt ist die Frage, "wie mandas Recht als J-tinheit begreifen" und dieseEinheit als System definieren kann. In allerBescheidenheit. vermerkt Luhmann, außerder Theorie autopoietischer Systeme "keineandere theoretische Konstruktion (zu kennen),die auch nur versuchte, sowohl derAutonomie des Rechts als auch der Zugehörigkeitdes Rechts zur GesellschaftRechnung zu tragen". Die Einheit eines Systemsbesteht in seiner Selbstproduktion("Autopoiesis"), mit der es alle Unterscheidungenund Bezeichnungen, alle Strukturenund Grenzen durch die Operationen des Systems(in Form "sinnhafter Kommunikationen") selbst produziert und reproduziert.Leitdifferenz ist die Unterscheidung von Systemund Umwelt, die in der Folge "eineganze Galaxie von Unterscheidungen erforderlichmacht".Das Recht ist, wie alle sozialen Systeme,ein sich selbst beobachtendes und beschreibendesSystem. Die binäre CodierungRecht/Un<strong>recht</strong> setzt bereits die Beobachtungder unmittelbaren Normprojektionenvon Beobachtern voraus, sie kann nur auf der"Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung"gehandhabt werden, die die Voraussetzungfür die "Ausdifferenzierung eines operativgeschlossenen Rechtssystems" ist. Der Codeist "die Struktur eines Erkennungs- und Zuordnungsverfahrensder <strong>gesellschaft</strong>lichenAutopoiesis" (jedes System hat seinen eigenenCode, die Wissenschaft z.B. wahr/unwahr),es geht um Zugehörigkeit/Nichtzugchörigkeitzum System. Von der Codierungist die Programmierung zu unterscheiden,dic angibt, ob die Codewerte richtig bzw.falsch zugeordnet werden. Die Programme(Normen) füllen die Codierung mit Inhalt.Nr 3/94Die (externe) Beobachtung der Systemtheorieliefert über weite Strecken einenquasi immanenten Nachvollzug der Selbstbeschreibungund -konstruktion des Systems,muß sich aber immer, wenn es darumgeht, die -laufend operativ repröduzierte -Einheit eines binär codierten Systems zu beobachten(was systemintern höchstens mittelssimplifizierender Konstruktionen möglichist), auf die "Ebene einer Beobachtungdritter Ordnung" schwingen. Bei der Rekonstruktiondes Rechtssystems, das sich in Europaab dem 11./12. Jahrhundert evolutivd.h.immer höheren Komplexitätslagen ge<strong>recht</strong>werdend - hin zum modernen, funktionaldifferenzierten (Welt) Gesellschaftssystemausdifferenziert, als einer "historischenMaschine, die sich mit jeder Operation in eineandere Maschine verwandelt", geht es somitimmer auch um das, was Rechtstheorienin ihrer Selbstbeschreibung des Rechtssystemsverborgen bleiben muß.Wenn man sich auf die Vorgaben der Systemtheorieeinläßt, gelangt man zu ihrem"Heiligtum", der Paradoxie. Die UnterscheidungRecht/Un<strong>recht</strong>, der Code kann nichtohne eine das weitere Beobachten blockierendeParadoxie auf sich selbst angewandtwerden. Das ist der "blinde Fleck" jeder Beobachtung,der zu "Invisibilisierungsstrategien"führt: "ein irgendwo zu placierenderVerzicht auf die Weiterverfolgung der Begründungsfrage".Operativ geschlossene, autopoietische,autonome Systeme sind an ihre Umwelt"strukturell gekoppelt": das Rechtssystemmit dem politischen System und dem Wirtschaftssystemdurch die "hochspezifischenEinrichtungen" Verfassung, Vertrag, Eigentum.Sie "kommunizieren" jedoch nicht mitdieser, sondern immer nur über sie, d.h. einsoziales System läßt sich von anderen sozialenSystemen lediglich "irritieren", um dieseIrritationen in systemeigener Weise zu operationalisieren.Es geht folglich immer um die Differenzvon Innen (Selbstreferenz) und von einemAußen, das eigentlich auch innen ist (Fremdreferenz):(umweltindifferente) Codierungund Programmierung; Unterscheidung vonNormen und Fakten; normative Geschlossenheitund kognitive Offenheit; die unterEntscheidungszwang stehende Gerichtsbarkeitim Zentrum und die "Kontaktzone" derPeripherie (Gesetzgebung, Vertragsschluß),in der Irritationen in Rechtsform gebrachtwerden, etc.Indem Luhmann diese vorgegebeneKonstruktion mehr oder weniger durchhaltenmuß, produziert er bisweilen schon mehrals "blinde Flecken", etwa was die "Autonomie"des Rechts im Nationalsozialismus anlangt.Daß die "Fremdbeschreibung" desRechtssystems immer wieder von SelbstbeschreibungenLuhmanns durchzogen wird(z.B. seine Wohlfahrtsstaat-Paranoia), machtdas Ganze nicht ergiebiger.Die System theorie setzt an die Stelle ge-JURIDIKUMSehen / Hören / LesenseIlschaftstheoretischer Zusammenhänge("Die geläufige empirische Analyse derRechtssoziologie beschreibt das Rechtssystemgar nicht als Rechtssystem. Sie erfaßtihren Gegenstand unvollständig. ") denGlanz von Paradoxien. Die Funktion desRechts, seine soziale Dimension ("es hat sozialeKonsequenzen, wenn Erwartungenzeitstabil gesichert werden können"), liegt inder "systemischen Stabilisierung normativer(=kontrafaktischer) Erwartungen". Luhmannempfiehlt daher eine "stärkere Beachtungder Zeitdimension in der Selbstbeschreibungdes Rechtssystems". Aber er hatauch Trost für diejenigen, denen das Angebotder Systemtheorie zuwenig ist: "Kein Juristwird sich hier angemessen informieren,geschweige denn angesichts rapider Entwicklungenauf dem laufenden halten können.Anwendungen sollen damit nicht ausgeschlossensein, aber sie werden sich mehrsporadisch und punktuell, eher zufällig undmehr in der Form von Irritationen als in derForm logischer Schlüsse ergeben."Max PeintnerNiklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft. Suhrkamp,Frankfurt am Main, 1993, 597 5., ÖS 453,-.Michel Foucault(15.10.1926 - 25.6.1984)Michel Foucault war im umfassendenSinne Philosoph. Mit seiner philosophischenTätigkeit, die ihm auch Lebensformwar, stellte er eine besondere Beziehungzu sich selbst und den anderen her.Wenig dachte er daran, eine <strong>gesellschaft</strong>licheFunktion einzunehmen, etwa als moralischeInstanz aufzutreten.Sich von sich selber lösenWie auch vor allem seine letzten Bücher zeigen,hat Foucault oft über das philosophischeLeben nachgedacht, auch um herauszufinden,welchen ethischen Ansprüchen esheute ge<strong>recht</strong> werden könnte.Es ist nicht sicher, ob unsere Zeit mitihren Zwängen und Leidenschaften, ihrerGeschäftigkeit überhaupt noch für die drängendenFragen der Philosophie aufnahme-Seite 45


Sehen / Hören / Lesenbereit ist. In den Humanwissenschaften hatsich ohnehin der Glaube festgesetzt, daß ihrePositivität die Philosophie ersetzen könne.Heute erwartet man von Philosophie allenfallseine neue theoretische Synthese, dieder Ungewißheit über gültige Werte ein Endebereitet. Als ob die Krise der Ideologiennach einer neuen, erlösenden Ideologie rufenwürde.Foucaults Arbeit ging in eine andereRichtung: Sein Denken ist absolut kritisch.Das heißt aber nicht, die Anderen im Nameneiner Wahrheit zu bekämpfen, die erbesessen hätte. Solchen denunziatorischenRitualen wollte sich Foucault verweigern.Sein Werk unterwirft sich weder der Selbstsicherheitgroßartiger Theorien, noch führtes ins Faulbett intellektueller Paralyse. Foucaultführt uns direkt zur Analyse unsererDenksysteme. Kritik bedeutet deren Aufarbeitung,zu zeigen, wie sie unsere Sicht derWelt beschränken, unsere Kämpfe entscheidendbestimmen, zugleich aber durch ihreBeschränktheit den Horizont der Wahl derKämpfe eingrenzen.Wenn Foucaults Philosophie keine Moralpostuliert, nicht sagen will, was zu tun ist,dann nicht aus Ohnmacht, sondern weil siedas Problem der Moral in den Begriffen einerEthik neu formuliert, also der Maximefolgt, mit der seine letzten Bücher beginnen:"Sich von sich selber lösen"."Arbeiten heißt, etwas andereszu denken, als das, was manvorher dachte." (M. F.)Sein philosophisches Anliegen hat Foucaultauf sehr verschiedenen Ebenen zum Ausdruckgebracht: durch seine Bücher, dieLehre am College de France (M. F. hat sichin seinen Vorlesungen rückhaltlos verausgabt,ihnen widmete er oft seine ganze Arbeitskraft)und durch die Art und Weise seinerpolitischen Praxis, in der die Gegenwartauf dem Umweg über die Geschichte Aktualitätgewann. Foucaults Programm war es, eine"Geschichte der Wahrheit" zu entfalten,jene Diskurse bloßzulegen und zu analysieren,die uns etwas als" wahr" erkennen lassen,also "Wahrheit" konstituieren.Dieses Programm enthält eine Reihe vonSchwierigkeiten. Die Formulierung "Geschichteder Wahrheit" erscheint zunächstwidersprüchlich. Wie kann man Geschichteund Wahrheit verbinden? Ist Wahrheit nichtetwas, das gerade keine Geschichte habenkann? Im Sinne Foucaults bedeutet Wahrheitnicht die aufgedeckte Wahrheit einesGegenstandes. Man weiß, daß solche "Wahrheiten"selbst in der Naturwissenschaftnicht endgültig sind. Newton folgt auf Descartesund Einstein auf Newton. Die Geschichteder Naturwissenschaften berichtetnicht über dauernde Abfolgen vom Irrtumzur Wahrheit; eher ist sie als Kette vonWahrheiten zu verstehen. Die Wahrheit liegtalso mehr in dem, was einen Gelehrten mitdem anderen, eine Entdeckung mit der anderenverbindet, darin also, was eine Wissenschaftsgeschichtemöglich macht. In diesemFoucaultschen Sinn können Wahrheit undGeschichte verbunden werden, sodaß dieWissenschaft sich in Gestalt einer Geschichteder Wahrheit konstituiert.Archäologie derHumanwissenschaftenFoucault geht es in seiner Archäologie umdie Analyse der Grundlagen unserer neuzeitlichenRationalität, wie sie sich am deutlichstenin den sog. Wissenschaften vom Menschen(Medizin, Psychologie) manifestieren.Am Beginn seiner Untersuchungen stand dieFrage nach der Legitimation der Psychiatrie,Menschen als krank oder gesund zu klassifizierenund in weiterer Folge in der Ausübungihrer Freiheiten einzuschränken. Foucaulthat festgestellt, daß die Psychiatrie,lange bevor sie sich um eine wissenschaftlicheBegründung bemüht hat, eine sozial-politi.scheStrategie gewesen ist. Dieser Befundpr6voziert die Frage, wie es überhaupt umdas rationale Fundament jener Wissenschaftsteht, deren Objekte die Menschen sind.Foucaults Analyse zielt darauf darzutun,daß die Humanwissenschaften nicht überdie rationale Fundierung verfügen, mit dersie sich dennoch legitimieren. Dieser Umstandist umso beachtlicher, als diese Wissenschaftenmit Machtwirkungen ausgestattetsind, die den Lebensalltag der Menschenentscheidend prägen. Foucault spricht in seinemBuch" Überwachen und Strafen" diesbezüglichvon einer "Normalisierungs<strong>gesellschaft</strong>",in der vielfältige Kontrollinstanzenund Normierungsweisen wirksam werdenund so erst Subjekte geschaffen werden, diewir den modernen Menschen nennen. Mankönnte meinen, unsere modernen westlichenGesellschaften werden letztlich nichtvon einem Kodex des Rechts, sondern voneinem humanwissenschaftlichen Kodex gesteuert.Marxens Kritik der politischen Ökonomieund Nietzsches Kritik der evolutionistischenMorallehren sind gewissermaßenEckpfeiler dieser Analysen Foucaults." ••• neue Versuche des Lebensund der Gemeinschah" (Nietzsche)Die Philosophie Nietzsches war sicherlicheiner der wichtigsten Orientierungspunktedes Foucaultschen Denkens schlechthin.Foucaults oft und gern mißverstandene Redevom "Tod des Menschen" ist nicht alsAuslöschung unserer individuellen Existenzenzu verstehen, sondern nur als Ansatz zurÜberwindung einer alten Lebens- und Erkenntnisform"Mensch ". Für Gilles Delenzeist der Versuch, neue Freiheiten und Kräftedes Lebens im Menschen zu entfalten, ganzim Sinne Nietzsches.Deshalb seine Forderung: Wir müssennicht entdecken, was wir sind, sondern dieuns zugeschriebene Identität verweigern."klall frage mich nicht, wer ich bin, tlnd man sagemir nicht, ich solle der Gleiche bleiben; das ist eineMoral des Persollenstandes; sie beherTscht tlllserePapiere. Sie soll tlllS freilassen, wenll es sich dartimhalldelt, zu schreiben lind zu denken. " (M. F.)Günther Webervon G. B. Trudeau$IR, f>JffE.,ICI-le:"t.Auee,OIE: FI2A~e:l


von PatriciaHeindlvor, den Frauen an der Universitätein Terrain einzuräumen,welches in den weiteren Folgenunmöglich zu begrenzen wäre. "(I)" ... was ein günstiges Geschickverhüten möge." DasSchicksal war nicht günstig. Esließ zu, daß Universitäten vonneugierigen Frauen gestürmtwurden. Es gibt Lehrerinnen,Ärztinnen, sogar Richterinnen.Die Türen der Universitätenwurden den Frauen geöffnet.Die Universität wurde folgerichtigfrauenfreundlicher. Ein zwingenderSchluß - ein Trugschluß?Fallbeispiel:Juridicum 1994Studentin öffnet die Tür zumJuridicum. Eine buntbedrucktefrau-Sein amJuridi,umEine Änderung des" scientifischen und disciplinarischenCharakters derUniversitäten aber zu Ungunstender Männer und zu Gunstender Frauen, namentlich einiger,im besten Falle lediglichneugieriger und solcher, welche,den ihnen durch Natur und Sitteangewiesenen Wirkungskreisverkennend, darüber hinaus inden Kreis der Männer störendeinzutreten beabsichtigen, kannweder im Interesse der Wissenschaftnoch einer selbst fortschrittlichensozialen Ordnungliegen. Die Universität ist heutenoch und wohl für lange hinauswesentlich eine Vorschule fürdie verschiedenen Berufszweigedes männlichen Geschlechts,und so lange die Gesellschaft,was ein günstiges Geschick verhütenmöge, die Frauen nichtals Priester, Richter, Advokaten,Ärzte, Lehrer, Feldherren, Kriegeraufzunehmen das Bedürfnishat, das heißt, so lange derSchwerpunkt der Leitung dersozialen Ordnung noch in demmännlichen Geschlechte ruht,liegt auch keinerlei NötigungEinladung wird ihr freundlichentgegengehalten. Studenten­Clubbing. "Toll", denkt sichStudentin. "Ich bin zwar genaugenommenkein Student, abersicher bin auch ich damit gemeint.Denn immer wieder wurdemir gesagt, die männliche Bezeichnungschließt uns alle, auchuns Frauen, ein. Die männlicheBezeichnung ist ja das Allumfassende."Offensichtlich erfreut überdiese Erkenntnis betrachtet siedie Einladung genauer: ja, sogareine junge, aufstrebende Studentinist malerisch dargestellt:hochhackige Schuhe, langeMähne, tiefdekolletiert - eine"wahre Frau" wird sich derKünstler wohl gedacht haben!?"Doch nein, ich bin schon hysterischund sehe überall nur mehrfrauenfeindliche Aussagen ",denkt sich Studentin. "Calmdown, das ist sicher nicht so gemeint."Mit der fröhlichen Aussichtauf einen netten Abend beimStudenten-Clubbing begibt sichStudentin in die erste Übungsstundefür heute. Ein Fall wirdausgeteilt: "Dr. A. ist Univ. Prof.aus Salzburg und arbeitet nun inMünchen. Regelmäßig zu denWochenenden kommt er heimzu Frau und Kindern. Wo istsein ordentlicher Wohnsitz?"Kurz schießt Studentin ein Gedankein den Kopf: "Theoretisch,rein theoretisch könnte jaauch Frau Dr. A. Univ. Prof. seinund an den Wochenenden heimzu Mann und Kindern kommen...Aber das ist ohnehinnicht so wichtig, ob Frau oderMann, um die <strong>recht</strong>lichen Problemedes Falles geht es undnicht um solche ,Nebensächlichkeiten'.Außerdem wäre es dochzu weit hergeholt, aus der Auswahldieses Falles zu schließen,wie das Idealbild des lehrendenAssistenten von der normalenFamilie beschaffen ist."Nächste Übung,nächster Fall"Der Malergeselle Leichtsinnfährt mit seinem Fahrrad zurnächsten Einsatzstelle. Auf seinerSchulter führt er, trotz wiederholtenVerbots seines Chefs,des Malermeisten Tausendwasser,die Stehleiter mit. Währender das Schreibwarengeschäft Federpassiert, schüttet die Bedienerindes Herrn Feder, Martha, diegerade den Gehsteig gereinigthat, einen Eimer Wasser auf dieStraße. Leichtsinn kommt dadurchzu Sturz. Schadenersatzansprüche?"Ein Sachverhalt -aus dem Leben gegriffen.Um sich optimal auf ihre bevorstehendemündliche Prüfungbei Prof. X vorzubereiten, hörtStudentin einer seiner Prüfungenzu: Frage - Schweigen -Versuch einer Antwort - Frage -Antwort - Frage - Schweigen.Ein kleiner Scherz am Randezur Auflockerung der geneigtenZuhörerInnen gefällig? Des ProfessorsRat für die nächste Studienreise:"Das Copyright Registerin Washington war immerschon eine Frauendomäne. Dassind dort sehr hübsche Frauen,nicht so Handarbeitslehrerinnen.Also für Männer lohnt es sich,das Register in Washington malzu besuchen."Und zum Drüberstreuen einfachlicher Kommentar zu geschlechtsspezifischenBerufsbezeichnungen:"Das ist einKrampf sondergleichen, wennman Richterin sagen muß, wennman funktionale Bezeichnungenaufs Geschlecht anwendet. Dashaben wohl einige Feministinnenangezettelt. So was ist derGipfel. Sorgen haben wir ... "Weitere Beispiele gefallig?Ich glaube, das genügt, umder LeserIn einen Eindruck davonzu vermitteln, was frau amJuridicum hören, sehen, meistschweigend über sich ergehenlassen muß. Schweigend, dennwill frau als Spaßverderberin dastehen?Denn: "Es ist ja allesnicht bös' gemeint, nur einScherz, nur ein x-beliebigerSachverhalt. Nur militanteEmanzen lesen aus diesen AussagenFrauenfeindlichkeit heraus."Ich bezeichne mich nichtals Emanze, noch nicht, schongar nicht als militant. Ich spüre. aber, daß Frau-Sein am Juridicumunerwünscht ist. Daß frauschneller, besser (?), durch dasStudium kommt, wenn sie nichtzu oft, nicht zu laut den Mundaufmacht. Sehr oft sehe ich michin Situationen, wo ich schweigendScherze, die Frauen abwerten,über mich ergehen lasse.Sehr oft löse ich widerspruchslosFälle, in denen Frau nur dannauftaucht, wenn eine Kücheneinrichtung,ein Staubsauger gekauftwerden soll, wenn eine geschwätzigeBedienerin Betriebsgeheimnisseausplaudert, wennFrau ausschließlich Ehegattinund Mutter ist.Solidarität ist gefordert. Solidaritätvon Frauen am Juridicum,denen es auch fast täglichspeiübel wird in Konfrontationmit derartigen Situationen.Nicht mehr mitlachen, nichtmehr schweigen. Damit die (leidernoch in der überwiegendenMehrzahl männlichen) Professorenund Assistenten aufgerütteltwerden, ihr antiquiertes Weltbildneu zu überdenken undnicht auf ihrem Arbeitsplatz alsMultiplikatoren für überholteund <strong>recht</strong>lich unhaltbare Rollenklischeesagieren.Damit der Lebensraum Universitätauch für Frauen lebenswertwird.(I) Zitat aus einem Gutachten derAkademischen Senate aus dem Jahre1895, in welchem die Zulassung vonFrauen zum Universitätsstudiumu.a. mit dieser Begründung abgelehntwurde Abgedruckt bei Merkl,Adolf: Grundzüge des ÖsterreichischenHochschul<strong>recht</strong>s. bl: ZÖR 12(1962/63), S.285Nr 3/94JURIDIKUMSeite 47


ServiceDie weitreichenden Souveränitätsverluste Österreichs beieinem Beitritt zu EU lassen sich an den erzwungenenVeränderungen der Verfassung ermessen, deren Prinzipiende jure und de facto ausgehöhlt und demontiert würden.Schon der erste Verfassungsartikel, der aussagt, daß unserLand eine demokratische Republik ist, deren Recht vomVolk ausgeht, wäre erheblich eingeschränkt, da wirGesetzen unterworfen wären, die sich nicht von einerWillensbildung durch unser Volk herleiten.Mit der Brüsseler Zentrale werden wir eine Oberbehördebekommen, wodurch sowohl der republikanische als auchder bundesstaatliche Grundsatz verletzt und durchlöchertwird.Auch das <strong>recht</strong>sstaatliche Prinzip würde eine bedeutendeEinschränkung erleiden, da unsere Gerichte in Fragen derUnion an Urteile der EG-Gerichte gebunden wären.Bei all diesen Änderungen handelt es sich keineswegs umbürgerferne, juristisch-theoretische Modifikation, sondernum Verformung unseres Staates, deren Folgen jedenBürger angehen und auf die eine oder andere Weiseunmittelbar betreffen können.Ein Nein am 12. Juni bewahrt unsere Souveränität undimmerwährende Neutralität.Prof. Paul Blau, Univ. Prof. Dr. Heinz Fabris, Univ. Prof. Dr.Alfred Haiger, Univ. Prof. Dr. Gerhard Jagschitz, FredaMeissner-Blau, Prof. Josef Müller, Univ.Prof.DDr. RupertRiedl, Dr. Norbert Rozsenich, Univ. Prof. Dr. ThomasSchänfeld, Univ.Doz.Dr. Peter WeishÖSTERREICHZukunft ÖsterreichMölkersteig 4AA-1010 WienTel/Fax: 0222/533 6636PSK 93.024.907Hier könnte Ihre Veranstaltungangekündigt seinWir bieten für Veranstaltungs-Hinweise im Service-Teil desJURIDIKUM einen Sondertarif, der gegenüber dem Normaltarifum 25% verbilligt ist.Diese Einschaltung (1/4 Seite hoch) kostet z.B. nur 1.275,­ÖS (zuzüglich 10% Anzeigenabgabe).Sie können uns entweder eine reproduktionsreife Druckunterlageim passenden Format zur Verfügung stellen oderuns einfach den Text und ein allfälliges Logo schicken - wirübernehmen bei Bedarf die Gestaltung. Das tun wir für Siekostenlos.DATENSPIEGELFORT$CHRlnLICHE 52(1WISSENSCUAFT l~h'(~!rm",lemid,;,


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Das nächste JURIDIKUM erscheintam 3. Oktober 1 994Thema:Die Grenzen des Rechtsstaats(Manuskriptschluß: 9. 9. '94)Interessierte laden wir zu den Redaktionssitzungen (jeden 1. und 3.Dienstag im Monat um 19 3Q im Amerlinghaus/Teestube, Stiftgasse 8,1070 Wien) ein.Brauchbare InformationAbsenderln:Alles, was Recht istAnContextVertriebBergsteiggasse 43/16A-1170 WienAnJURIDIKUMVertriebJURIDIIUMRffM!T11im·mNtfitfu jIMPRESSUM~~a~ti()Il:'1Ii~I):Mag, Josef Bischof,Mafjq .. K


DOKUMENTENSERVICEDES GRÜNEN KLUBSMit dem Dokumentenservice will der Grüne Klub seine parlamentarischen Initiativen und andere im Bereich des Grünen Klubs erarbeitete Materialien einer breiterenÖffentlichkeit zugänglich machen. Aufgenommen werden aber auch wichtige Berichte und Vorlagen der Bundesregierung.Die ausgewählten Dokumente sind im Anschluß aufgelistet. Bitte auf der nebenstehenden Postkarte die jeweilige Kennziffer vermerken.Weiters plant der Grüne Klub, sämtliche parlamentarische Anträge, Anfragen, Presseaussendungen, etc. per Mailbox unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. ZurKommunikation mit dieser Mailbox ist ein ganzer Telephonanschluß, ein Modem und ein Computer notwendig. Sollten Sie an dieser Mailbox Interesse haben, bittenwir Sie, dies auf dieser Bestellkarte beim Absender zu vermerken.Europa• Abweichende Stellungnahme des AbgeordnetenVoggenhuber zum EWR-Abkommen, Best.Nr.101, S 10,-• Bericht und Entschließungsantrag des AußenpolitischenAusschusses zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungenmit den EG und AbweichendeStellungnahme des Abgeordneten Smolle,Best.Nr. 102, S 10,-• EWR-Bundesverfassungsgesetz - Antrag desGrünen Klubs, Best.Nr. 103, S 10,-• Bericht der Bundesregierung über das Ergebnisder Verhandlungen über den Beitritt Österreichszur EU, Best.Nr. 104, S 80,-• Ergänzender Bericht der Bundesregierung überdas Ergebnis der Verhandlungen über den BeitrittÖsterreichs zur Europäischen Union, Best.Nr.105, S 10,-• Der EU-Beitritt im Parlament, AbweichendeStellungnahme der Grünen, Best.Nr. 106, S 20,-Wohn<strong>recht</strong>• Antrag der Abgeordneten Petrovic, Freundinnenund Freunde zur Änderung des Miet<strong>recht</strong>sgesetzes,Best.Nr. 150, S 10,-• Abweichende Stellungnahme der AbgeordnetenStoisits zum 3. Wohn<strong>recht</strong>sänderungsgesetz,Best.Nr. 151, S 10,-Wahl<strong>recht</strong>• Abweichende Stellungnahme des AbgeordnetenVoggenhuber zur neuenNationalratswahlordnung, Best.Nr. 180, S 10,-• Grüner Antrag Nationalratswahlordnung, Best.Nr.181, S 20,-Umwelt• Anfragebeantwortung des BMwA Nr. 303911:Aufzählung," :atlicher Bewilligungsbescheide fürdas BBU-Werk Arnoldstein/Kärnten, Best.Nr.201, S 50,-• Abweicheade Stellungnahme zur GewO-Novelle1992, Best.Nr. 202., S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum Umweltinformationsgesetz,Best.Nr. 203, S 50,-• Anfragebeantwortung des BMwA Nr. 4573/J:Stand der Umsetzung des Energieeinsparungs­Staatsvertrags durch die Länder, Best.Nr. 204, S10,-• Materialien zum Thema "Abfallpolitik", Best.Nr.206, S 10,-• Materialien zum Thema "Ökosteuern", Best.Nr.207, S 10,-• Materialien zum Thema "Ozon", Best.Nr. 208, S10,-• Materialien zum Thema "Pestizide", Best.Nr. 209,S 10,-• Materialien zum Thema "Naturschutz", Best.Nr.21O,S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum Umweltförderungsgesetz,Best.Nr. 211, S 10,-• Marlies Meyer, Materialien zum UVP-Gesetz,Best.Nr. 212, S 50,-Rechnungshof• Schriftliche Ausführungen des Grünen Klubs imRahmen der ParI. Enquete "Zukunftsperspektiveneiner effizienten öffentlichen Gebarungskontrolledurch Parlament und RH", Best.Nr. 300, S 10,-Ausländer/innen• Zweiter Alternativer Wanderungsbericht, Best.Nr.300, S 10,-• Abänderungsanträge zum Asylgesetz,Aufenthaltsgesetz und Fremdengesetz, Best.Nr.311, S 10,­Ausländer/innenombudsmann/fraugesetz, Best.Nr.312, S 10,-• Entwurf zur Novellierung desStaatsbürgerschaftsgesetzes, Best.Nr. 313, S 10,-Justiz• Abweichende Stellungnahme zum "Privatkonkursgesetz",Best.Nr. 350, S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum Strafvollzugsgesetz,Best.Nr. 351, S 10,-Medien• Abweichende Stellungnahme zum Regionalradiogesetz,Best.Nr. 370, S 10,-• Grüner Entwurf Privatradiogesetz, Best.Nr. 371, S10,-Wirtschaft• Anmerkungen, Stellungnahme und Anträge zumSteuerreformgesetz 1993, Best.Nr. 390, S 20,-Verkehr• Transitvertrag: Zahlen, Daten Fakten, Best.Nr.410, S 10,-• Text des Transitabkommens, Best.Nr. 411, S 20,-• Selbstbindungsbeschlüsse des Parlaments und derBundesregierung zum Transitvertrag, Best.Nr.412, S 10,-Dokumenteservice des Grünen KlubsBestellung:Ich bestelle hiermit folgende DokumenteBestellnummerSumme:KostenbeitragBitte die Postkarte und die angegebene Bearbeitungsgebühr inGeldscheinen oder Briefmarken in ein Kuvert stecken.• Entschließungsantrag des Grünen Klubs betreffendgenerelles Tempolimit 80/100, Best.Nr. 413, S 10,-• Entschließungsantrag des Grünen Klubs betreffendgenerelles Nachtfahrverbot, Best.Nr. 414, S 10,-• Flugverkehr und Umwelt, Best.Nr. 415, S 20,-• Kostenwahrheit im Verkehr, Best.Nr. 416, S 10,-Soziales• Grundlagen eines grünen Pensionsmodells,Best.Nr. 450, S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum arbeits<strong>recht</strong>lichenBegleitgesetz im Rahmen des Gleichbehandlungspakets,Best.Nr. 451, S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum Bundesgesetzüber Berichte der Bundesregierung betreffend denAbbau von Benachteiligungen von Frauen, Best.Nr. 452, S 10,-• Artikel "Bundespflegegeldgesetz und die Rolleder Frau", Best.Nr. 453, S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum Familienlastenausgleichsgesetz,Best.Nr. 454, S 10,-• Antrag betreffend Direktauszahlung der Kinderbeihilfean die Kinder ab deren 16. Lebensjahr,Best.Nr. 455, S 10,-• Abweichende Stellungnahme zum Arbeitslosenversicherungsgesetz1977 und Insolvenz­Entgeltsicherungsgesetz, Best.Nr.456, S 10,-• Abweichende Stellungnahme zur 52. ASVG­Novelle, Best.Nr. 457, S 10,-Außenpolitik• Dokumentation über das Verona Forum (inenglischer Sprache), Best.Nr. 500, S 20,-Landwirtschaft• Dringliche Anfrage des Abgeordneten Wablbetreffend EU-Beitrittsverhandlungen im Bereichder Land- und Forstwirtschaft, Best.Nr. 520, S 10,-Zivildienst• Abweichende Stellungnahme zur Zivildienstgesetznovelle1994, Best.Nr. 600, S 10,-Bitte an den Grünen Klub imParlament, Z.H. Bärbel Swoboda,1017 Wien schicken.Absender:o Ich möchte über das Mai!­boxservice des Grünen Klubsinformiert werden.

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