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Dowload - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Recht & GesellschaftEs gehört zu den unverzichtbaren Garantieneines <strong>recht</strong>sstaatlichen Verfahrens, daßjede Person so lange als unschuldig gilt, bissie in einem fairen Verfahren verurteilt wordenist. Diese Unschuldsvermutung hat überArt. 6 MRK Verfassungsrang.Zu diesem Grund<strong>recht</strong> gehört das selbstverständlicheRecht jeder beschuldigtenPerson zu schweigen. Niemand braucht sichdurch eigene Aussage "ans Messer liefern".Was bleibt von diesem Recht, wenn nichtnur die komplette Aussage der Person, diesie beim trauten Zusammensein mit ihremEhegatten von sich gab, auf der Spule ist,sondern auch noch etwaige offene Fragendurch Vorspielen der Gestik geklärt wedenkönnen. Gut, reden braucht die Beschuldigtenicht mehr, sie hat ja auch das Schweige<strong>recht</strong>und ihre Einlassung benötigt manüberhaupt nicht mehr. Soll so das moderneStrafverfahren aussehen?Unverzichtbar sind in der Strafprozeßordnungauch Zeugnisverweigerungs<strong>recht</strong>e vonnahen Verwandten, Pfarrern, Ärzten, Redakteurenusw. Wer wollte bestreiten, daß auchhier Einbrüche entstehen, sollte der GroßeLausch-und Spähangriff Gesetz werden?Das Schlimme daran ist, daß all diese peinlichgenauen Vorschriften nicht etwa aufgehobenwerden, sondern weiterhin in der St­PO stehen und doch nur noch für einen Teilder Verfahren Geltung haben werden. Eswird also zu einer krassen Zweiteilung derVerfahren kommen, einmal dem klassischenmit allen Rechtsgarantien und dann den anderen,in denen alles nicht mehr so genaustimmt.Dies gilt besonders für ein weiteresGrund<strong>recht</strong>, nämlich das in Art. 19 IV GGgarantierte Rechtsstaatsprinzip. Es ist in derStPO exakt geregelt, wie und wann mit jedemEingriff über die möglichen Rechtsmittelbelehrt werden muß. Selbst wenn ich einemBeschuldigten, der allein am Steuer sitzendvon der Polizei gestoppt wird und überzwei Promille im Blut hatte, die Fahrerlaubnisvorläufig entziehe (und er weiß, daß diesdie gesetzliche Folge seiner Trunkenheitsfahrtist), gebe ich pflichtgemäß eine detaillierteRechtsmittelbelehrung, die sogarförmlich zugestellt werden muß. Wenn jedocheine Person, die rein gar nichts davonahnt (z.B. der oben genannte Zahnarzt) einenviel gravierenderen staatlichen Eingrifferduldet, indem nämlich ohne irgendeineSchuld seine persönlichen Gespräche, Gefühlsäußerungenund Gesten belauscht, aufgezeichnetund gespeichert werden, kann ersich nicht dagegen wehren. Zwar gilt natürlichauch für ihn die Rechtsstaatsgarantie -nur, wenn er nicht weiß, daß er belauschtwird, wie soll er sich denn wehren? Zwarwerden spätere Benachrichtigungen vorgeschlagen,wie sie jetzt schon beim KleinenLauschangriff gelten, aber erstens sind dieseerst zulässig, wenn die Maßnahme beendetist (was ja logisch ist, denn sonst würde er janicht mehr frei reden), d.h. gegen die laufen-Seite 20de Observation gibt es überhaupt keinRechtsmittel. Aber selbst die nachträglicheist mit solchen Kautelen versehen, daß mannicht von irgendeiner Garantie sprechenkann.Es gibt noch eine Fülle von Argumentengegen den Großen Lausch- und Spähangriff,die die technischen Gegenmaßnahmen raffinierterGanoven betrifft, was vor allem dieverquere Rechtspolitik betrifft, die statt Ursachender Kriminalität zu bekämpfen, nurhärtere Gesetze zur Antwort auf ungelösteGesellschaftsfragen gibt, keine offene Diskussionüber mögliche Entkriminalisierungim "weichen" Drogengeschäft zuläßt oderwie mit dem Phänomen der Neuen Armut,der Zweidrittel<strong>gesellschaft</strong> umgegangenwerden soll.Im Rahmen dieser Darlegung kann dasThema nur bruchstückhaft erörtert werden.Dennoch möchte ich noch auf einen Aspektzum Schluß kurz eingehen: Viele Befürworterdes Großen Lausch-und Spähangriffs,insbesondere im Lager der SPD, haben eingewisses, nicht ruhig zu stellendes Unbehagenbei ihrem Vorschlag. Irgendwie merkensie, daß es hier tatsächlich an die Grundprinzipieneines freiheitlichen Rechtsstaatesgeht; darf man alles, was man tun kann, oderbindet das Grundgesetz und die Menschen<strong>recht</strong>skonventionden Gesetzgeber doch, aufdiesem Wege weiterzugehen? Da kommt als"Erlösung" das Argument, daß dieses Institutnur unter Richtervorbehalt statthaft seindarf, hierdurch könnte der Verfassung Rechnunggetragen werden. Dieses Argumentzieht nicht. Zunächst ist es schon dogmatischausgeschlossen, daß ein verfassungswidrigerEingriff (weil er den Kernbereich... und hierzulande?" ... es (ist) völlig unsinnig, über denl;Lauschangriff' oder sachlicher die akustischeRaumüberwachung isoliert zu diskutieren.. .. die akustische Raumüberwachung(kann)nur Teil eines ganzen Paketssein, über das diskutiert werden muß. DerOberbegriff lautet ,technische Beweissicherung'.Zu dem erwähnten Paket zählenaußerdem die verdeckte Fahndung, unterEinschluß des Einsatzes von V-Leuten; dieSchleppnetz- und Rasterfahndung; derKronzeuge; das Zeugenschutzprogramm. "(Mag. Alfred Ellinger, Strafrichter in Eisenstadt;Der Kriminalbeamte April 94)"Betrachtet man aber die <strong>recht</strong>lichen Möglichkeitenzur effizienten Bekämpfung despolitisch oder. kriminell motivierten Verbrechens,soist die Bilanz ernüchternd: sogenannte,verdeckte Ermittlungen' sindnicht einwandfrei positiv<strong>recht</strong>lich geregelt;der eingeschleuste Informant wäre gemäߧ 25 StPO ein ,agent provocateur'; ein Zeugenschutzprogramm(Geheimhaltung derPersonaldaten, veränderte Identität, finan-JURIDIKUMder Menschenwürde angreift) dadurch <strong>recht</strong>mäßigwird, daß eine Richterin ihn anordnet.Wer die gerichtliche Praxis kennt, weiß, daßErmittlungsanträge auf Hausdurchsuchung,Telefonüberwachung lind andere, zu denenauch jener zur Anordnung des GroßenLausch- und Spähangriffs gehören würde,fast ausschließlich Eilsachen sind. Das liegtin der Natur der Sache, denn der Waffenschieberwird ja nicht in Ruhe abwarten, bisjemand Akten durchgearbeitet hat. Das bedeutet,daß Zeitdruck besteht und daß auchnur jene Akten dem Gericht vorgelegt werden,die zur Zeit der AntragsteIlung fertiggestelltwerden konnten. Inwieweit diese wirklichkomplett sind, ist nicht nachprüfbar.Unmittelbar anschließend auftauchendeErkenntnisse, etwa eine entlastende Zeugenaussage,die den Anfangsverdacht abgeschwächtund damit zu einer anderen Gerichtsentscheidunggeführt hätte, könnenvom Ermittlungsgericht nicht berücksichtigtwerden. Sofort nach der Entscheidung gehtder Aktenvorgang zurück an die Staatsanwaltschaftbzw. Polizei; es gibt nicht wie imfrüheren Recht die Untersuchungsrichterin,die den "Fall" weiterverfolgt. Vielmehr liegtder Vollzug und damit auch die Ausführungsmodalitätselbst nur bei den Ermittlungsbehörden.Das Gericht kann zwar Protokolleanfordern, aber es wäre weder technischnoch vom Zeitaufwand machbar, beider derzeitigen Personalstruktur der Justizdas Abhören nicht nur bei Tag sondern auchin der Nacht vom Gericht selbst vorzunehmen.Dadurch wird praktisch nur für denZeitpunkt entschieden, in dem die Akte aufder Richterbank liegt. Da die Ermittlungsanträgegerade stockende Erkenntnisse fördernzielle Unterstützung beim Aufbau einerwirtschaftlichen Existenz etc.) fehlt; unddie audiovisuelle Beweissicherung(,Lauschangriff') ist nicht nur unzulässig,sondern sogar strafbar - § 120 StGB. (MR.Mag. Herbert Fuchs war Gruppenleiter imInnenministerium;Öffentliche Sicherheit 7-8193) •"Wir sind am Verhandeln. Unsere Forderungen,gerade im Hinblick auf die organisierteKriminalität, stehen fest: Zeugen~schutz, Vertrauens käufe, Kronzeugenrege"lung und der umstrittene Lauschangriff.(Zu den Verhandlungen zur StPO-Reform­Red.) ... wird die Justiz wahrscheinlichnach dem Sommer in die Verhandlungeneingebunden ... Schließlich geht es nichtum das Vorverfahren, sondern um die StPOals ganzes. Eine Realisierung des Gesamtprojektskann ich mir vor 1996 ni~ht vorstellen."(Mag. Manfred Sika, Generaldirektorfür öffentliche Sicherheit; Der KriminalbeamteApril 94)Ähnliches fordern u.a.: Der Vorstand desSicherheitsbüros Wien, Edelbacher, SP-SicherheitsprecherElmecker, sein VP-KollegePirker, SP-Generalsekretär Marizzi undauch der Innenminister selbst.Nr 3/94

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