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IRREALIGIOUS! Parallelwelt Religion in der Kunst

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16 04<br />

AnnA und BernhArd Blume<br />

kreuzWeg, 2011,<br />

4 teilig, Fotopr<strong>in</strong>t, je 110x180 cm. Courtesy the artist<br />

religion erlebt am beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts e<strong>in</strong> unerwartetes Comeback: 9/11, kopftuch-,<br />

kreuz- und relativismusdebatten, karikaturenstreit, die grammatik von Fundamentalismus<br />

und gewalt haben Politik, gerichte, ja sogar geistige Wertehierarchien <strong>in</strong>sgesamt durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gewirbelt.<br />

gleichzeitig werden <strong>der</strong> ruf nach Werten und die oft diffuse angst „sich<br />

abzuschaffen“ immer lauter. Wie aber reagiert aktuelle kunst auf solche religionsdebatten?<br />

„irrealigious!“ br<strong>in</strong>gt künstlerische Positionen im schnittfeld von glaubenssystemen zusammen,<br />

Werke, die sich für offenbarungen ebenso <strong>in</strong>teressieren wie für das Vakuum<br />

nicht bewältigter gegenwart, und die so e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>kehr <strong>der</strong> religion <strong>in</strong> <strong>der</strong> kunst bezeugen<br />

– e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>kehr auf dem grat zwischen <strong>der</strong> angst vor orientierungsloser säkularisierung<br />

auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en und totalitären gottesstaaten auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en seite.<br />

rückkehr <strong>der</strong> religion: Wie f<strong>in</strong>det sich ihre<br />

spiegelung <strong>in</strong> <strong>der</strong> kunst wie<strong>der</strong>? Die geistigen<br />

anstrengungen waren doch bislang vielmehr<br />

mit <strong>der</strong> Destruktion von geschichte, gott,<br />

gesellschaft, ich beschäftigt. im s<strong>in</strong>nverlust<br />

jenseits <strong>der</strong> glücksversprechen mo<strong>der</strong>ner<br />

konsumgesellschaften mit dem „schneller,<br />

schneller, mehr, sofort“ haben sich auch<br />

<strong>Parallelwelt</strong>en e<strong>in</strong>genistet, die sich zwischen<br />

unmittelbaren Heil- und erlebniswelten und<br />

Fundamentalismus ihren raum verschaffen.<br />

<strong>in</strong> die zonen dieser „selbst verschuldeten unsicherheit“<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> löst zudem die begonnene<br />

Völkerwan<strong>der</strong>ung mit den unterschiedlichen<br />

Fertilitätsperspektiven zunehmend unruhe<br />

aus. Der ruf nach Werten wird rigi<strong>der</strong>, die<br />

angst „sich abzuschaffen“ laut. religionen liefern<br />

sich rank<strong>in</strong>gs aus.<br />

Wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> geistesgeschichte nach Wurzeln für<br />

<strong>Parallelwelt</strong>en sucht, landet <strong>in</strong> <strong>der</strong> zu ende gehenden<br />

antike. im zusammenbruch <strong>der</strong> glanzzeit<br />

von e<strong>in</strong>st hatte august<strong>in</strong>us von Hippo e<strong>in</strong>e<br />

geniale, äußerst folgenreiche und lange währende<br />

zwei-Welten-lehre entwickelt, die <strong>der</strong><br />

damaligen destruktiven gegenwart e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

e<strong>in</strong>pflanzen wollte. aber daraus folgende geschichtstheologien<br />

s<strong>in</strong>d im Prozess <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne<br />

hAnnes Priesch<br />

oben: joel, kaP. 3, 2006, acryl auf le<strong>in</strong>en, 229x153 cm<br />

sammlung <strong>der</strong> Diözese graz-seckau<br />

rechts: eVangelist mark, 2010, 9 teilige serie, acryl auf le<strong>in</strong>en,<br />

Höhe: zwischen 160 und 220 cm, Breite: 120 cm. Courtesy of the artist<br />

schließlich ausgeflossen. säkularisiert endeten<br />

sie <strong>in</strong> den politischen katastrophen des vergangenen<br />

jahrhun<strong>der</strong>ts. sakralisiert im totalitären<br />

gottesstaat. Vor beidem haben wir angst.<br />

religion und Politik s<strong>in</strong>d zu trennen und,<br />

wenn schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em atemzug, dann parallel<br />

zu denken – das ist <strong>der</strong> konsens mo<strong>der</strong>ner<br />

Weltgesellschaft. und gleichzeitig bilden<br />

se<strong>in</strong>e nichtbewältigung und se<strong>in</strong>e auflösung<br />

<strong>in</strong> schnittmengen jene konfliktzonen, die religion<br />

zurück <strong>in</strong>s Debattenfeld geschleu<strong>der</strong>t<br />

haben – auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> kunst. Das macht das<br />

erstaunen darüber, als auch die skepsis <strong>der</strong><br />

Bilddebatten auf dem niveau nachmo<strong>der</strong>nen<br />

Denkens aus.<br />

unWirkliCH WirkliCH<br />

Die ausstellung bei den m<strong>in</strong>oriten arrangiert <strong>in</strong><br />

anlehnung an das thema des steirischen herbst<br />

2011 künstlerische Positionen, die <strong>in</strong>teresse für<br />

„zweite Welten“ an <strong>der</strong> grenze zu glaubenssystemen<br />

bekunden. sie rechnet mit <strong>der</strong> Verwun<strong>der</strong>ung,<br />

aber behält sich die skepsis vor. IRREALI-<br />

GIOUS! sucht kunst zur <strong>Parallelwelt</strong> religion<br />

aufzuknüpfen. sie favorisiert Werke, die die<br />

Bil<strong>der</strong>flut <strong>der</strong> religion und ihre <strong>in</strong>szenierungstaktik<br />

mit den mitteln <strong>der</strong> kunst reflektieren: <strong>der</strong><br />

katholizismus ist bekanntlich dabei e<strong>in</strong> musterknabe.<br />

Der verstorbene Papst hat sich für se<strong>in</strong>e<br />

Botschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise <strong>der</strong> medien bedient, die<br />

auch künstlerisch nicht ohne spuren geblieben<br />

05

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