nun für immer von Lestat befreit. >Ich liebe dich, Louis!< sagte sie immer wieder,als sich der Sargdeckel schloß und das Dunkel uns umfing und barmherzig allesBewußtsein auslöschte.Als ich erwachte, war sie schon auf und damit beschäftigt, Lestats Sachendurchzusehen. Sie tat es schweigend, beherrscht, mit verbissenem Eifer, leerteSchränke und Schubladen, nahm jeden Anzug vom Bügel und kehrte die Taschenum, häufte alles auf dem Teppich auf, warf Zettel, alte Theaterbilletts und Münzenfort. Sein Sarg, den sie drapiert hatte, stand daneben, und mir war, als müsse ichihn öffnen, um Lestat drin liegen zu sehen. >Nichts!< sagte Claudia endlichenttäuscht und angeekelt. Sie stopfte die Kleider in den Kamin. >Kein Hinweis,woher er kam oder wer ihn gemacht hat. Nicht der kleinste Fetzen.< Sie sah michan, als erwarte sie Verständnis von mir; doch ich wandte mich ab, ich konnte sienicht anschauen. Ich ging in mein Zimmer, wo ich meine Bücher und dieAndenken an meine Mutter und Schwester hatte, und setzte mich auf das Bett. Ichhörte sie eintreten, aber ich wollte sie nicht sehen. >Er hat es verdient zu sterbenDann verdienen wir es ebenfalls>, sagte ich. >Auf die gleiche Weise, jedeNacht unseres Lebens. Geh fort von mir!< Ich sprach, wie es mir in den Sinn kam,in meinem Kopf wirbelte alles durcheinander. >Ich werde weiter für dich sorgen,weil du nicht selber für dich sorgen kannst. Aber ich will dich nicht mehr nebenmir haben. Schlafe in dem Sarg, den du dir gekauft hast. Komm mir nicht in dieNähe!Ich habe dir gesagt, daß ich es tun werde; ich habe es dirgesagt...< Nie hatte ihre Stimme so zart geklungen, wie ein Silberglöckchen. Dochihr Gesicht, als ich endlich zu ihr aufschaute, schien nicht das gleiche. EinPuppengesicht kann nicht solche Erregung zeigen. >Ich habe es dir gesagt, LouisIch habe es für uns beide getan. Damit wirfrei sind.< Ich konnte ihren Anblick nicht ertragen, ihre Schönheit, ihre scheinbareUnschuld, und jetzt diese Erregung; ich ging an ihr vorbei, vielleicht habe ich siebeiseite gestoßen, ich weiß es nicht, und wollte das Haus verlassen. Als ich schonauf der Treppe war, hörte ich einen seltsamen Ton.Einen solchen Ton hatte ich während unseres ganzen gemeinsamen Lebens nichtgehört. Nicht seit der Nacht, vor langer, langer Zeit, da ich sie gefunden hatte, einsterbliches Kind, an ihre Mutter geklammert. Sie weinte!Wider Willen kehrte ich um. Aber es klang so unbewußt, so hoffnungslos, alssolle niemand es hören oder als sei es ihr gleichgültig, ob die ganze Welt es hörte.Sie lag auf meinem Bett, wo sie so oft gesessen und gelesen hatte, die Knieangezogen, und der ganze Körper erbebte unter ihrem Schluchzen. Es warschrecklich anzuhören, grauenvoller, herzzerbrechender als ihr sterbliches Weinenje gewesen war. Ich setzte mich neben sie und legte ihr die Hand auf die Schulter.Sie hob den Kopf, mit großen Augen und zitterndem Mund, das Gesicht mitTränen beschmiert, in die sich noch kleine Blutflecken mischten. Auch ihre Handzeigte noch Blutspuren. Sie schien es nicht zu merken, sie strich das Haar aus derStirn und stieß einen tiefen Seufzer aus. >Louis...wenn ich dichverliere, habe ich nichts mehr. Ich würde es ungeschehen machen, um dich zu104
ehalten. Aber ich kann es nicht ungeschehen machen -< Sie legte die Arme ummich, klammerte sich an und schluchzte an meiner Brust. Noch zögerten meineHände, sie zu berühren; dann hoben sie sich wie von selber, um sie zu umfassenund ihr Haar zu streicheln. >Ich kann nicht ohne dich lebenLieberwürde ich sterben - auf die gleiche Weise sterben, wie er gestorben ist. Ich kann esnicht ertragen, daß du mich so ansiehst; ich kann es nicht ertragen, wenn du michnicht liebst!< Ihr Schluchzen wurde heftiger und leidenschaftlicher, bis ich michschließlich niederbeugte und ihr Hals und Wangen küßte, ihre weichen Wangen,duftig und zart wie Früchte eines Zauberbaums, die nie von den Zweigen fallen,wo die Blüten nie welken und sterben. >Schon gut. Liebsten sagte ich zu ihr,>schon gut!< Und ich wiegte sie langsam in meinen Armen, und sie murmelte. daßwir ewig glücklich sein würden, frei von Lestat für immer, und daß jetzt das großeAbenteuer unseres Lebens begänne.«»Das große Abenteuer unseres Lebens! Was bedeutet es zu sterben, wenn du biszum Ende der Welt leben kannst? Und ist >Das Ende der Welt< nicht auch nureine Phrase, denn wer weiß schon, was die Welt ist? Ich hatte nun schon in zweiJahrhunderten gelebt und gesehen, wie die Illusionen des einen von dem nächstenzerschlagen wurden, war ewig jung und ewig alt gewesen und hatte keineIllusionen mehr, lebte von Augenblick zu Augenblick in einer Weise, daß ich aneine silberne Uhr in einem leeren Raum denken mußte: das gemalte Zifferblatt, diezierlichen Zeiger - sie zeigten nichts an, und niemand schaute sie an, und sieleuchteten in einem Licht, das kein Licht war, so wie das Licht gewesen seinmußte, bei welchem Gott die Welt erschuf, bevor er das Licht befahl. Ticktack,ticktack - eine Uhr in einem Raum so groß wie das Universum.Eines Abends war ich auf der Straße, nachdem Claudia aufgebrochen war zutöten, und hatte noch den Duft ihres Haares, ihres Kleides an den Fingerspitzenund auf meinem Rock. Meine Augen leuchteten mir voran wie der Strahl einerLaterne. Plötzlich stand ich vor der Kathedrale. Was bedeutet es zu sterben, wenndu bis zum Ende der Welt leben kannst? Ich mußte an meines Bruders Tod denken,an den Rosenkranz und den Weihrauch. Und plötzlich hatte ich den Wunsch, in dieBeerdigungskapelle zu gehen, zu hören, wie die Stimmen der Frauen beim Ave sichheben und senken, und den Geruch der Wachskerzen zu riechen. Ich konnte michan den Singsang erinnern, als sei es erst gestern gewesen. Ich sah mich selbst einenKorridor entlangeilen und der Tür einen sanften Stoß versetzen.Die große Fassade der Kathedrale ragte wie ein dunkler Fels auf, die Türenwaren geöffnet, und ich sah das gedämpfte, flackernde Licht im Innern. Es war amfrühen Samstagabend,' und die Leute gingen zur Beichte für die morgige Messeund Kommunion. Die Kerzen brannten in ihren Leuchtern; am Ende des Schiffeserhob sich der mit Blumen bedeckte Altar aus dem Schatten. Es war die alteKirche, in die man meinen Bruder zu den Exequien gebracht hatte, ehe man ihnbegrub. Und mir fiel ein, daß ich seitdem nie mehr hier gewesen, nie wieder dieStufen hinaufgestiegen und durch die offenen Türen gegangen war.Ich hatte keine Furcht. Vielleicht wünschte ich sogar, daß sich etwas ereignete -daß die Steine zu zittern anheben würden -, als ich durch den Vorraum ging und105
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»Er hatte auf einmal Visionen.«»
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Visionen< erfahren zu lassen. Sie s
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noch, daß ich den Priester zum Hin
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Ja, du wolltest wissen, wie es vor
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Geist ein Messer ergreifen und mir
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sehr in die Nacht, damit du nicht d
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Der Vampir schien damit beschäftig
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meines Körpers, nicht von der Poli
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waren noch nicht ganz die eines Vam
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hinunter, dann schoß er in die Fin
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Leben etwas reibungsloser verlaufen
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Salon saßen und stundenlang über
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»Wie ich?« flüsterte der Junge.
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dessen, was er mit dem Scharfsinn e
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Dutzendemal empfing ich in meinem v
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wir beide die Hampelmänner sind. G
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Ich weiß, daß er mein Vater ist.
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Inzwischen war Lestat hinter den Sk
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»Ich hatte für Babette... ein sta
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Empfindung, würde ich sagen - ist
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edeutet, daß der Tod deinen Namen
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menschlicher Gebärden.Er öffnete
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anderen, sein glattes Gesicht und s
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ich glaube, ich wiederholte die Wor
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trommelte an die Terrassentür. Ich
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schimmerte. So wie ich dir jetzt er
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Geächtete, daß ihr Verbrecher sei
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mit den Händen und griff mir mit d
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Ich wandte mich ab und hob instinkt
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Der stechende Schmerz über den Ver
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meine Handfläche. Es durchfuhr mic
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Aber ich erkannte nicht, wie besess
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flüsternd. Madeleine über ihre fl
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außer Claudia.>Ich kann die Bewohn
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Kleidung vom gleichen Schnitt wie i
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neunzehnte Jahrhundert finden und e
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Eine Stimme weckte mich auf, entfer
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und Mondschein. Aber dann bewegte s
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hatte es angenommen, denn sooft ich
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Sei ruhig!Gib mir etwas Holze, sagt
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schierer Lebenslust.Zahlte er jetzt
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Ich dachte, er hätte dir vielleich
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Es gibt nichts mehr, was ich sagen
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ihn mit beiden Händen von sich sch