den Seitenfluren, sogar im Ballsaal, und eine unerklärliche Angst überfiel mich beidem Gedanken, daß sie dort allein sein könne. Schließlich sah ich sie durch dieSeitentür der Halle kommen, das Haar unter dem Hutrand glitzernd von einemleichten Regen, wie ein mutwilliges Kind, das fortgelaufen war und zurückkehrt;und die Gesichter der Herren und Damen erhellten sich verzückt, als sie die großeTreppe hinaufstieg und an mir vorüberging, als wenn sie mich überhaupt nichtgesehen hätte.Ich schloß die Tür hinter mir, während sie ihren Umhang abnahm und dieTropfen abschüttelte. Mir wurde merklich leichter, als ich die kindliche Kleidungsah und etwas wundervoll Tröstliches in ihren Armen, eine kleine Porzellanpuppe.Noch sagte sie nichts zu mir, sie spielte nur mit der Puppe, deren winzige Füße wieein Glöckchen klingeln konnten. >Es ist eine PuppendameSiehst du es? Eine Puppendame.Ich sehe esDie Frau in einem Laden hat sie für mich gemacht. Sie machtsonst Puppenkinder, den ganzen Laden hat sie davon voll, bis ich zu ihr sagte: Ichmöchte eine Puppendame.Weißt du, warum die Frau sie fürmich gemacht hat?< fragte sie. Ich wünschte in dem Moment, es hätte Schatten indiesem allzu hellen Zimmer gegeben, damit ich nicht dasitzen mußte wie auf einererleuchteten Bühne und sie vor mir sehen, vervielfältigt von den zahlreichenSpiegeln. »Weil du ein hübsches Kind bist und sie dir eine Freude machen wollteEin hübsches Kind!< wiederholte sie und sah zu mirherauf. >Glaubst du, ich bin es noch immer?< Und ihr Gesicht verdunkelte sich,während sie weiter mit der Puppe spielte und mit dem kleinen Finger die winzigeNackenlinie entlangfuhr. >Ja, ich ähnele ihren Puppenkindern. Du solltest sie inihrem Laden arbeiten sehen, mit ihren Puppen, alle mit den gleichen Gesichtern,Augen, Mündern.< Sie berührte ihren eigenen Mund. Etwas schien sich plötzlichzu verschieben in den vier Wänden dieses Zimmers, und die Spiegel mit ClaudiasAbbild zitterten, als seufze die Erde unter den Fundamenten. In den Straßen rolltenund ratterten die Wagen, aber sie waren zu weit weg. Und dann sah ich, was sie,noch immer ein Kind, machte: In einer Hand hielt sie die Puppe, die andere hattesie an die Lippen geführt, und die Hand, die die Puppe hielt, zerdrückte sie undbrach sie zu Scherben, die nun aus der blutenden Hand auf den Teppich fielen. Sienahm das Puppenkleidchen und schüttelte die winzigen Bruchstücke ab; ich kehrtemich weg, doch sie verfolgte mich mit den Blicken aus dem geneigten Spiegel überdem Kamin und musterte mich vom Kopf bis zu den Füßen.>Warum schaust du fort, warum siehst du mich nicht an?< fragte sie, und ihreStimme war wieder ganz das Silberglöckchen. Doch dann lachte sie leise, einFrauenlachen, und sagte: >Hast du gedacht, ich würde immer deine Tochterbleiben? Bist du der Vater von Narren, der Narr unter den Vätern?Dein Ton ist ungehörige sagte ich.>Hmmm... ungehörige Ich glaube, sie nickte. Sie war wie ein loderndes Feuer in146
meinem Augenwinkel, wie blaue und goldene Flammen.>Und was halten sie von dirda draußen?Vielerlei. Die Menschen sind sehr erfinderisch, wenn es umErklärungen geht. Hast du die Liliputaner in den Parks und den Zirkussen gesehen,die kleinen Mißgeburten, die sich für Geld sehen lassen?«>Ich war nur ein Zauberlehrlinge brach ich plötzlich wider Willen aus. >EinLehrlinge Ich wollte sie berühren, ihr Haar streicheln, doch ich blieb sitzen in derFurcht, ihr Zorn könne wie ein Streichholz aufflammen.Dann saß sie neben mir, zog meine Hand in ihren Schoß und legte die ihredarauf. >Ein Lehrling, jaAber verrate nur das eine, von deinererhabenen Höhe herab - wie war das, was die Menschen Liebe nennen?Du erinnerst dich nicht?< fragte sie mit vollendeter Ruhe, als ich die Hand auf dieTürklinke legte.Ich hielt beschämt inne, spürte ihren Blick in meinem Rücken, und dann wandteich mich um, als ob ich überlegen müßte: Wohin gehe ich eigentlich, was soll ichtun, warum stehe ich noch hier? >Es war meist eine hastige Angelegenheit, sagteich und versuchte, ihrem Blick zu begegnen. Was für makellose, kühlblaue Augen!Wie ernsthaft! >Und...es wurde selten ausgekostet... es war scharfund heftig und schnell vorbei. Ich glaube, es war nur der blasse Schatten desTötens.Ach...Wie wenn ich dich verletze, wie ich es jetzt tue... auch dasist der blasse Schatten des Tötens.Ja, MadameMir scheint, das trifft ins Schwärzen Und mit einerkurzen Verbeugung bot ich ihr gute Nacht.«»Erst nach einer geraumen Weile verlangsamte ich meinen Schritt. Ich hatte dieSeine überquert. Mich verlangte nach Dunkelheit, um mich vor Claudia zuverbergen und zugleich vor den Gefühlen, die in mir aufstiegen, vor der großenverzehrenden Sorge, daß ich ganz und gar unfähig sei, sie glücklich zu machenoder mich selber glücklich zu machen, indem ich sie zufriedenstellte.Ich hätte eine Welt dafür gegeben, die ganze Welt, die wir besaßen und die mirzugleich leer und unabänderlich schien. Doch ich war verletzt von ihren Wortenund ihren Blicken, und keine der vielen Erklärungen - die mir wieder und wiederdurch den Kopf gingen und sich sogar in verzweifeltem Geflüster auf meinenLippen formten, als ich die Rue Saint-Michel verließ und mich immer tiefer in dendunklen Gassen des Quartier Latin verlor - keine Erklärung schien mir geeignet,ihre tiefe Unzufriedenheit oder meine Pein zu lindem.Die Worte, die ich vor mich hin sprach, wurden zu einem seltsamen Gesang.>Ich mache sie nicht glücklich, ich kann es nicht, ich kann es nicht, und ihrUnglück wächst mit jedem Tag.< Das war mein Gesang, den ich wiederholte,abbetete wie einen Rosenkranz, eine Zauberformel, um die Wahrheit zu verändern,nämlich Claudias unvermeidliche Enttäuschung über unsere Pilgerfahrt, die uns indiese Hölle geführt hatte, eine Hölle, in der sie sich von mir abwandte und mich147
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»Er hatte auf einmal Visionen.«»
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Visionen< erfahren zu lassen. Sie s
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Ja, du wolltest wissen, wie es vor
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Geist ein Messer ergreifen und mir
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sehr in die Nacht, damit du nicht d
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Der Vampir schien damit beschäftig
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meines Körpers, nicht von der Poli
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waren noch nicht ganz die eines Vam
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hinunter, dann schoß er in die Fin
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Leben etwas reibungsloser verlaufen
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Salon saßen und stundenlang über
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»Wie ich?« flüsterte der Junge.
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dessen, was er mit dem Scharfsinn e
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Dutzendemal empfing ich in meinem v
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wir beide die Hampelmänner sind. G
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Ich weiß, daß er mein Vater ist.
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Inzwischen war Lestat hinter den Sk
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»Ich hatte für Babette... ein sta
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Empfindung, würde ich sagen - ist
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unbewegt, ausdruckslos, als verlör
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was ich für Babette fühlte, war d
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und sah zu, wie der alte Mann schw
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Leiche. Als das Mädchen mich sah,
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»Das stimmt schon; doch er hätte
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»Was dachten Sie sich, als Sie das
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ich vom Blut der Tiere leben kann,
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sprach, hatte sie mich angestarrt.>
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ich mich abwandte und aus dem Zimme
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»Ich weiß nicht. Ich glaube nicht
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unverwöhnten Kindes, und sie staun
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konnte sie plötzlich über Lestats
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und gar; sie war so sehr die Gefäh
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Friedhöfe, um die Gräber ihrer Li
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wissen konnte, denn sie war mir fre
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das Wort Vampiraugen. Du lehrtest m
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hausen können wie ein Vampir aus d
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daß er in dem Stil weiterleben kö
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Weil ich es jetzt weiße erklärte
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Eine Stimme weckte mich auf, entfer
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hatte es angenommen, denn sooft ich
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schierer Lebenslust.Zahlte er jetzt
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Ich dachte, er hätte dir vielleich
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Es gibt nichts mehr, was ich sagen
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ihn mit beiden Händen von sich sch