»Und Claudia...«, begann er schließlich wieder mit leiser Stimme, »...es ist ihrnicht gelungen, nicht wahr?«»Was glaubst du?« Der Vampir lehnte sich zurück und sah den Jungenaufmerksam an.»Daß sie... vernichtet... wurde, wie Sie sagten.« Der Junge schluckte nach demWort »vernichtet«. »Wurde sie es nicht?«»Glaubst du nicht, daß sie dazu imstande war?«»Aber Lestat war doch so mächtig. Sie haben selber gesagt, daß Sie nie wußten,was für Kräfte er hatte, welche Geheimnisse er kannte. Wie wollte sie ihn denntöten?«Der Vampir schaute den Jungen lange an, mit einem Ausdruck, den dieser nichtenträtseln konnte, so daß er wegblickte, als seien die Augen des Vampirs glühendeLichter. Dann sagte der Vampir: »Warum trinkst du nicht aus der Flasche, die du inder Tasche hast? Es wird dich wärmen.«»Ach so... Ja, ich wollte gerade. Ich dachte...«Der Vampir lachte. »Du dachtest, es sei nicht höflich?«»Ja, das stimmt«, sagte der Junge achselzuckend und lächelte, zog die kleineFlasche aus seiner Jackentasche, schraubte den goldenen Deckel ab und nahmeinen Schluck. Dann hielt er die Flasche dem Vampir entgegen und sah ihn fragendan.»Danke«, sagte der Vampir lächelnd und hob ablehnend die Hand. Dann wurdesein Gesicht wieder ernst, und er fuhr in seiner Erzählung fort.»Lestat war mit einem jungen Musiker befreundet, der in der Rue Dumainewohnte. Wir hatten ihn bei einem Hauskonzert bei einer gewissen Madame LeClairkennengelernt, und diese Dame, mit der Lestat sich gern gelegentlich unterhielt,hatte dem jungen Mann ein Zimmer in derselben Straße besorgt, wo Lestat ihnhäufig besuchte. Du weißt, daß er mit seinen Opfern zu spielen pflegte, ihreFreundschaft suchte und ihr Vertrauen, ja sogar ihre Liebe zu erringen verstand,ehe er tötete. So spielte er offenbar auch mit diesem Jüngling, doch es hielt längeran, als ich je in ähnlichen Fällen beobachtet hatte. Der Musiker komponierte auch,und oft brachte Lestat ein neues Lied von ihm mit und spielte es auf dem Flügel inunserem Salon. Ein sehr großes Talent, doch es war ersichtlich, daß er keinenErfolg haben würde, denn seine Musik war zu verwirrend. Lestat unterstützte ihnund verbrachte viele Abende mit ihm, führte ihn in teure Restaurants, die er sichallein nicht hätte leisten können, und kaufte ihm das Papier und die Federn, die erfür seine Noten brauchte.Wie ich schon sagte, dauerte dies länger als jede andere von LestatsFreundschaften. Und es war nicht ersichtlich, ob er tatsächlich - wider Willen -einen Sterblichen liebgewonnen hatte oder ob er nur eine besonders großeVerräterei und Grausamkeit vorbereitete. Und natürlich fragte ich ihn nicht danach,denn es wäre den Aufruhr nicht wert gewesen, den meine Frage verursacht hätte.Lestat von einem Sterblichen hingerissen! Wahrscheinlich hätte er vor Wut dieZimmereinrichtung zertrümmert.Am nächsten Abend - nach dem, welchen ich dir soeben geschildert habe - setzteer mir heftig zu, mit ihm den jungen Mann in seiner Wohnung zu besuchen. Er war96
ausgesprochen freundlich, in einer jener Stimmungen, wo ihm an meinerGesellschaft gelegen war. An solchen Abenden mußte ich ihn ins Theater, in dieOper oder zum Ballett begleiten. Ich glaube, ich habe allein Macbeth eindutzendmal mit ihm gesehen. Wir besuchten jede Vorstellung, auch die vonAmateurtheatern, und auf dem Heimweg pflegte Lestat gutgelaunt Verse zuwiederholen und sogar harmlose Vorübergehende mit erhobenem Finger zuapostrophieren, so daß sie dachten, er sei betrunken, und einen Bogen um ihnmachten. Doch sein Überschwang war hektisch und konnte im Nu wiedererlöschen; es genügten ein oder zwei liebenswürdige Worte von mir oder dieAndeutung, daß ich seine Gesellschaft angenehm empfände, um solcheAnwandlungen viele Monate lang zu unterdrücken. Aber nun kam er in gehobenerStimmung zu mir und bat mich dringend mitzukommen, ja, er faßte mich sogarbeschwörend am Arm. Und ich, unlustig und hin und her gerissen, gab irgendeinedürftige Entschuldigung; denn ich dachte nur an Claudia, an den Agenten, an diebevorstehende Katastrophe. Ich fühlte sie kommen und fragte mich, ob er sie nichtauch fühlte. Schließlich ergriff er ein Buch und warf es nach mir und rief: >Dannlies deine verdammten Gedichte!< Und stapfte davon. Ich blieb verwirrt zurück,verwirrt und unruhig, ich kann dir gar nicht sagen, wie. Ich wünschte ihn kalt,leblos, für immer dahin, und zugleich wollte ich Claudia bitten, es zu unterlassen.Ich fühlte mich machtlos und hoffnungslos müde. Aber ihre Tür war verschlossengewesen, bis sie das Haus verließ; und ich hatte sie nur einen Augenblick gesehen,als sie in ihren Mantel schlüpfte, während Lestat schwatzte, ein lieblicher Traum inSeide und Spitzen, mit weißen Spitzenstrümp fen unter dem Rocksaum unduntadelig weißen Schuhen. Sie warf mir einen kalten Blick zu, als sie davonging.Als ich später heimkehrte, gesättigt und zu träge, mich von meinen Gedankenbeunruhigen zu lassen, dämmerte mir allmählich, daß dies die Nacht war. Heutenacht würde sie es versuchen. Ich könnte nicht sagen, wie mir die Gewißheit kam.Geräusche, die ich in unserer Wohnung hörte, machten mich stutzig. Claudiahantierte in dem rückwärtigen Salon hinter verschlossenen Türen; und mir war, alsvernähme ich eine zweite Stimme, ein Flüstern. Claudia brachte nie jemand inunsere Wohnung mit, und ich auch nicht; nur Lestat holte sich seine Frauen vonder Straße herauf. Aber ich wußte, daß jemand da war, obwohl ich keinebesonderen Düfte wahrnahm, keine bestimmten Töne hörte. Doch dann war derGeruch von Speise und Trank in der Luft. Und Chrysanthemen standen in derSilbervase auf dem Flügel - Blumen, die für Claudia Tod bedeuteten.Dann kam Lestat. Er sang halblaut auf der Treppe, fuhr mit dem Stock über dieGeländerstäbe und schritt durch den Korridor, das Gesicht gerötet vom Töten, dieLippen rosig. Er setzte sich an den Flügel. >Habe ich ihn getötet oder nicht?< Erwarf mir die Frage zu wie einen Ball. >Was meinst du?Nein! Denn du hast mich aufgefordert, dich zu begleiten, und duhättest mich nicht eingeladen, ihn mit dir gemeinsam zu töten.Ach was! Vielleicht habe ich ihn im Zorn getötet, weil du nicht mitkommenwolltest!< sagte er und schlug den Deckel von den Tasten zurück. Ich sah, daß erbis zum Morgengrauen so weitermachen konnte. Er war gut gelaunt. Ich sah ihnrasch in den Noten blättern, die er mitgebracht hatte, und dachte: Kann er sterben?97
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Visionen< erfahren zu lassen. Sie s
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noch, daß ich den Priester zum Hin
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Ja, du wolltest wissen, wie es vor
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Geist ein Messer ergreifen und mir
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sehr in die Nacht, damit du nicht d
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Der Vampir schien damit beschäftig
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meines Körpers, nicht von der Poli
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waren noch nicht ganz die eines Vam
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hinunter, dann schoß er in die Fin
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Salon saßen und stundenlang über
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»Wie ich?« flüsterte der Junge.
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dessen, was er mit dem Scharfsinn e
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Dutzendemal empfing ich in meinem v
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wir beide die Hampelmänner sind. G
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schimmerte unter der Laterne, und d
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»Das >Theâtre des Vampires< war n
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stehenblieb, den Mund wie ein Kind
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edeutet, daß der Tod deinen Namen
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menschlicher Gebärden.Er öffnete
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sein hartes Geschlecht, das sich an
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anderen, sein glattes Gesicht und s
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dieses Aussprechen ihre Gestalt ann
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ich glaube, ich wiederholte die Wor
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Unrecht, das Sterblichen widerfahre
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Saal schien von unirdischem Geläch
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trommelte an die Terrassentür. Ich
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schimmerte. So wie ich dir jetzt er
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mit den Händen und griff mir mit d
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Ich wandte mich ab und hob instinkt
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Der stechende Schmerz über den Ver
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meine Handfläche. Es durchfuhr mic
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Aber ich erkannte nicht, wie besess
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Kleidung vom gleichen Schnitt wie i
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neunzehnte Jahrhundert finden und e
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und Mondschein. Aber dann bewegte s
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Sei ruhig!Gib mir etwas Holze, sagt
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schierer Lebenslust.Zahlte er jetzt
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Es gibt nichts mehr, was ich sagen
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ihn mit beiden Händen von sich sch