13.07.2015 Aufrufe

Download - Schöpfung.AvE.

Download - Schöpfung.AvE.

Download - Schöpfung.AvE.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ausgesprochen freundlich, in einer jener Stimmungen, wo ihm an meinerGesellschaft gelegen war. An solchen Abenden mußte ich ihn ins Theater, in dieOper oder zum Ballett begleiten. Ich glaube, ich habe allein Macbeth eindutzendmal mit ihm gesehen. Wir besuchten jede Vorstellung, auch die vonAmateurtheatern, und auf dem Heimweg pflegte Lestat gutgelaunt Verse zuwiederholen und sogar harmlose Vorübergehende mit erhobenem Finger zuapostrophieren, so daß sie dachten, er sei betrunken, und einen Bogen um ihnmachten. Doch sein Überschwang war hektisch und konnte im Nu wiedererlöschen; es genügten ein oder zwei liebenswürdige Worte von mir oder dieAndeutung, daß ich seine Gesellschaft angenehm empfände, um solcheAnwandlungen viele Monate lang zu unterdrücken. Aber nun kam er in gehobenerStimmung zu mir und bat mich dringend mitzukommen, ja, er faßte mich sogarbeschwörend am Arm. Und ich, unlustig und hin und her gerissen, gab irgendeinedürftige Entschuldigung; denn ich dachte nur an Claudia, an den Agenten, an diebevorstehende Katastrophe. Ich fühlte sie kommen und fragte mich, ob er sie nichtauch fühlte. Schließlich ergriff er ein Buch und warf es nach mir und rief: >Dannlies deine verdammten Gedichte!< Und stapfte davon. Ich blieb verwirrt zurück,verwirrt und unruhig, ich kann dir gar nicht sagen, wie. Ich wünschte ihn kalt,leblos, für immer dahin, und zugleich wollte ich Claudia bitten, es zu unterlassen.Ich fühlte mich machtlos und hoffnungslos müde. Aber ihre Tür war verschlossengewesen, bis sie das Haus verließ; und ich hatte sie nur einen Augenblick gesehen,als sie in ihren Mantel schlüpfte, während Lestat schwatzte, ein lieblicher Traum inSeide und Spitzen, mit weißen Spitzenstrümp fen unter dem Rocksaum unduntadelig weißen Schuhen. Sie warf mir einen kalten Blick zu, als sie davonging.Als ich später heimkehrte, gesättigt und zu träge, mich von meinen Gedankenbeunruhigen zu lassen, dämmerte mir allmählich, daß dies die Nacht war. Heutenacht würde sie es versuchen. Ich könnte nicht sagen, wie mir die Gewißheit kam.Geräusche, die ich in unserer Wohnung hörte, machten mich stutzig. Claudiahantierte in dem rückwärtigen Salon hinter verschlossenen Türen; und mir war, alsvernähme ich eine zweite Stimme, ein Flüstern. Claudia brachte nie jemand inunsere Wohnung mit, und ich auch nicht; nur Lestat holte sich seine Frauen vonder Straße herauf. Aber ich wußte, daß jemand da war, obwohl ich keinebesonderen Düfte wahrnahm, keine bestimmten Töne hörte. Doch dann war derGeruch von Speise und Trank in der Luft. Und Chrysanthemen standen in derSilbervase auf dem Flügel - Blumen, die für Claudia Tod bedeuteten.Dann kam Lestat. Er sang halblaut auf der Treppe, fuhr mit dem Stock über dieGeländerstäbe und schritt durch den Korridor, das Gesicht gerötet vom Töten, dieLippen rosig. Er setzte sich an den Flügel. >Habe ich ihn getötet oder nicht?< Erwarf mir die Frage zu wie einen Ball. >Was meinst du?Nein! Denn du hast mich aufgefordert, dich zu begleiten, und duhättest mich nicht eingeladen, ihn mit dir gemeinsam zu töten.Ach was! Vielleicht habe ich ihn im Zorn getötet, weil du nicht mitkommenwolltest!< sagte er und schlug den Deckel von den Tasten zurück. Ich sah, daß erbis zum Morgengrauen so weitermachen konnte. Er war gut gelaunt. Ich sah ihnrasch in den Noten blättern, die er mitgebracht hatte, und dachte: Kann er sterben?97

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!