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GEFÜHL UND GEFUGE - MEK

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133Mystik, das sind die Pole der Zeit" - notiert Musil 1920 in sein Tagebuch,und seine Bemühungen, diesen beiden Polen gleichzeitig gerechtzu werden, gipfeln dann in dem großen Roman, von dem man behauptenkonnte, daß sich das Mysterium darin durch die gänzliche Abwesenheitvon etwas Mysteriösem ausdrückt. Das ist die "taghelleMystik", von der Musil in einem der Nachlaßkapiteln schreibt; unddaß Musil in all den Jahren seinen Roman nicht abschließen konnte,zeigt, wie schwer es ist, Wortführer der taghellen Mystik zu sein."Mystik und Erzählbarkeit" - sagte Musil 1940 einem Freund - "stehenin einem heiklen Verhältnis zueinander." Nicht von ungefährbehauptete doch Wittgenstein im Tractatus, daß man bloß Sätze derNaturwissenschaft aussprechen kann - denn "es gibt allerdings Unaussprechliches.Dies zeigt sich", schrieb er, "es ist das Mystische". Wittgensteinkam, wie wir wissen, zu dem Schluß, daß wovon man nichtsprechen kann, darüber man schweigen müsse. Und da möchte ichgleich bemerken, daß er dieser Maxime in seiner sogenannten Spätphilosophiekeineswegs untreu wurde. Im Gegenteil, er befolgte sie mitäußerster Strenge. Wittgenstein - so berichtet von seinen 1932-33gehaltenen Vorlesungen eine Studentin - "gebrauchte die Sprache desAlltags. Und da war keine Andeutung von Mystizismus, kein Hinweisauf das Unsagbare. Was rätselhaft war, war sein Gebrauch vonanschaulichen Beispielen, die an sich leicht zu begreifen waren, derenPointe mir jedoch unfaßbar blieb. Es war, wie wenn man eine Parabelhörte, ohne aus ihr die Lehre ziehen zu können."Ich komme nun zu weiteren Parallelen. Der Begriff "Geist" spielteine zentrale Rolle sowohl in Musils Betrachtungen als auch in Wittgensteinsspäteren Schriften. Die Fragen, mit welchen sich Musil bzw.Wittgenstein hier beschäftigen, sind verwandt, und diese Verwandtschaftäußert sich in manchen Formulierungen. Wie Musil in demEnde 1930 erschienenen ersten Buch seines Romanes schreibt, istGeist..., in Verbindung mit irgendetwas, das Verbreitetste, das es gibt. DerGeist der Treue, der Geist der Liebe, ein männlicher Geist, ein gebildeterGeist, der größte Geist der Gegenwart...: wie fest und unanstößig klingtdas bis in die untersten Stufen. ... Aber wenn Geist allein dasteht, alsnacktes Hauptwort, kahl wie ein Gespenst, dem man ein Leintuch borgenmöchte, - wie ist es dann? ... Dieser Geist ist so fest verbunden mit derzufalligen Gestalt seines Auftretens! ... Wohin, wo, was ist er? Vielleichtwürde es, wenn man mehr davon wüßte, beklommen still werden um diesesHauptwort Geist?!

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