ist denn?“ Da sagt er: „Wir sind auf dem Titel!“Ich sage: „Was ist auf dem Titel?“ „Na ja, einSkandal!“Und wie lange hat es gedauert, bis dieses Bild „Diegroße Nacht im Eimer“ ins Museum gekommen ist?Endlos. Bei der ersten Ausstellung haben wirein Bild an meinen alten Chef und eine Zeichnungverkauft. Dann habe ich zwei Jahre lang gar nichtsmehr verkauft. Ich bin auch aus der Galerierausgeflogen, denn der Onkel hat dann das Schlossausgebaut und da musste ich wieder eine neueGalerie, meine eigene, eröffnen. Ich habe mitBaselitz eröffnet, habe aber nach anderthalb Jahrenzugemacht. Dann hatte ich nur noch eine Galerie inmeiner privaten Wohnung – wir waren drei Jungs ineiner Dreizimmerwohnung. Die zweite Galerie, dieich machte, war nahe Kurfürstendamm und sie kostetedreißig Mark Miete. Der Grund dafür war, dass dorthundert Jahre lang Kohle verkauft worden war – dieGalerie war schwarz. Dann haben wir sie den „Erstenorthodoxen Salon“ genannt und haben die Schwärzenoch mit schwarzen Vorhängen betont. Meine ersteAusstellung dort war auch Baselitz.Und die anderen Künstler – Lüpertz und Penck?Das ging alles sehr langsam, denn man konnte nichtsverkaufen: Baselitz wurde „Post-Corinth“ genannt,nach dem deutschen Spätimpressionisten. Man kanndas gar nicht mehr beschreiben… Wenn ich mit einemBild von Baselitz kam, haben die Leute erst einmalgelacht. Das war massiv unmodern. Das hat sehrlange gedauert. 1963 war die erste Ausstellung,Ende 1969 bin ich nach Köln gegangen – ich binaus Berlin geflohen, denn dort hat man kein Geldverdient. Dann habe ich teilweise mithilfe meinerKünstlerfreunde Ausstellungen gemacht. Ich habezum Beispiel mit Baselitz und seiner Frau eineAusstellung von Gaston Chaissac installiert. Daswar der Anfang, dass ich überhaupt ein bisschenGeld verdient habe, denn ich bin nach Parisgefahren und habe mir Kommissionsbilder von Leutengeholt, die sie dort nicht verkaufen konnten. Dassind alles Zufälle. Ich bin nach Paris gefahrenund bin an die zwei richtigen Händler gekommen. InParis war so eine merkwürdige Situation: ModerneAvantgardekunst wollte keiner mehr. Die Galeristenkonnten ihre Mieten nicht mehr bezahlen. Diebeiden Händler waren Iris Clair, die eigentlichschon weltberühmt war, aber sie konnte nichtsmehr verkaufen. Das war 1970/71. Und der anderewar Jean Lecarde, das ist eine Galerie, die auchweltberühmt geworden ist, weil er in den fünfzigerJahren schon eine Rauschenberg-Ausstellung undeine Jasper-Johns-Ausstellung gemacht hat undalles andere auch – Yves Klein usw. Und dieserMann – ich habe ihn vielleicht vor zehn Jahrendas letzte Mal erlebt – ist Clochard geworden.Er konnte seine Miete nicht mehr bezahlen. Erhatte ein phantastisches Lager, dort habe ich für40 000 Mark ein Combine Painting von Rauschenberggekauft, ein Witz. Ich hatte höchstens 400 Markund so musste ich mir das Geld leihen. Es hat allessehr lange gedauert. Mit meinen Künstlern habeich überhaupt nichts verdient. Aber ich habe immerBilder von meinen Künstlern gekauft, denn siemussten ja irgendwie leben. Ich habe immer für siegearbeitet. Als ich in Köln war, habe ich Baselitzdann „ausgeliehen“, wie ich das genannt habe, anFranz Dahlem, das war ein einflussreicher Akteur.Eigentlich kann man sagen, Erfolg kam erst1980. Biennale. Es gab viele Schritte. Ich habegearbeitet, um aus der Provinz herauszukommen,über die Schweiz, über Holland nach England, vonEngland nach Amerika und so weiter. Aber Erfolgkann man das nicht nennen.Und der riesige Erfolg kam dann in den USA?Den ersten wirklichen Erfolg hatte ich inHolland, denn dort gab es ja wichtige Institute.Einer meiner wenigen Sammler, die ich in Berlinkennengelernt habe, ein internationaler Sammler,war der Künstler Johannes Gachnang. Er warRadierer und hat fantastische Radierungen zuArchitektur und Ähnlichem gemacht. Er war Nomadeund Künstler. Er war in Berlin, wo er als Zeichnerfür den Architekten Scharoun arbeitete.Er reiste dann weiter nach Istanbul. Ernahm komische Jobs an: Einer dieser Jobs warHausmeister in einem großen Bürgerhaus an derHerengracht in Amsterdam. Diese Häuser musste manimmer belegen, denn es war die Zeit der Kraaker.Diese Jugendlichen besetzten ein Haus und warenjuristisch nicht mehr herauszubekommen. Wenn abereiner dort wohnte, dann konnte er die Polizeirufen und dann konnten sie die hinauswerfen. Alsoer war dort Hausmeister, das war 1973 oder so, mitden Jahreszahlen bin ich etwas schlecht. Auf alleFälle schrieben wir uns damals. Korrespondenz warnoch normal, man schrieb Briefe und versandte siemit der Post. Wir hatten also immer Briefkontakt,als er in Istanbul war und auch als er inAmsterdam war. „Ich kann nicht so viel radieren,bis die Augen kaputt sind. Das ist furchtbar.Ich denke, wir sollten hier in diesem Haus einmaleine Ausstellung machen.“ Da habe ich gesagt: „Jawunderbar!“ Dann haben wir in diesem Grachtenhauseine Ausstellung gemacht. Auf die Art und Weisehaben wir dann einen sehr wichtigen Sammlerkennengelernt, Martin Visser, und dann kam RudiFuchs…Michael Werner a jeho umělci / Michael Werner und seine Künstlerzleva / v.l.n.r.: Michael Werner, Detlef Gretencord, Per Kirkeby, A. R. Penck,Markus Lüpertz, Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Kodaň / Kopenhagen, 1983Wie nehmen Sie die Tschechische Republik unddie tschechische Kunst wahr? Sind Sie über dietschechische Kunst informiert?Nein. Ich habe eine gewisse Biographie in Prag,weil ich irgendwann nicht mehr nach Ostdeutschlandkam, weil sie mich nicht mehr hineingelassenhaben. Da musste ich Penck immer in Prag treffen.Das war nicht sehr angenehm, ich musste immer dreiTage bleiben.Zu welcher Zeit war das?In den siebziger Jahren. Mit anderen Worten, inTschechien weiß ich, dass es eine Sammlung Kramářgibt, ich kenne das Museum aus der Ostblockzeit,und ich kenne ein paar Vorkriegskünstler –Gutfreund, Kupka… –, aber sonst keine Info.Komischerweise gibt es auch keine Künstler, diemich ansprechen würden. Es gibt eine ganze ReiheKünstler in Russland, wo ich mich emotionalinvolviere, Michail Vrubel zum Beispiel. Alsoselbst Postimpressionisten… Es kommt heutenoch vor, dass ich in irgendeiner Auktion einrussisches Bild sehe und denke: „Das solltestdu vielleicht kaufen.“ Aber zu Tschechien habeich keine emotionale Anbindung gefunden. Warum?Keine Ahnung. Aber Polen habe ich ernsthaftrecherchiert. In den achtziger Jahren gabes dort auch eine Ausstellung, der Künstlerheißt Witkiewicz, ein wahnsinnig interessanterpolnischer Künstler, sehr modern, über die Bilderkann man sich streiten, aber… Da habe ich mir jedesBuch angeschaut, das es gibt, und habe überlegt,ob ich da vielleicht irgendwie herankomme oderob es da einen Nachlass gibt. Aber mit einemtschechischen Künstler ist mir das nicht passiert.Denken Sie, dass sich die ästhetische Wahrnehmungin Deutschland, die Seele des deutschen Publikumsauch dank Ihrer Arbeit verändert hat?Es gibt nur einen Händler, der durch die Auswahlseiner Bilder ästhetisch Einfluss genommen hat.Das war die Galerie Schmela. Als ich aus Berlinsozusagen nach Köln geflüchtet bin, da hatte erschon jede Menge Sammler im Rheinland und nichtnur dort. Er hatte nur Vorlieben für Bilder, dieim weitesten Sinne grau, weiß oder schwarz waren.Und diese Ästhetik hat sich in Deutschland bisnach München durchgesetzt. Das ist also eine ganzbestimmte Form. Das Komische dabei ist, wenn sichein Sammler ästhetisch auf etwas eingeschossenhat, dann ist der Sammler für Künstler von mirverloren, denn die stören überall. Das schlimmsteist Lüpertz. Früher hat er diese einfachen großenFormen gemalt. Wenn man so ein Bild von Lüpertzin einer Sammlung hat, dann sieht man nur nochLüpertz und der Rest ist weg. Und das will keinSammler. Inzwischen ist es nicht mehr so schlimm,denn er hat sich verbreitert.14 15
In der Kunstgeschichte war es zum Beispiel ähnlichmit Léger. Seine Bilder ab 1945 unverkäuflich,also die Arbeiterbilder, die Zirkusbilder und soweiter. Da hing ein wunderschönes kubistischesBild von Léger – Picasso, Braque und plötzlich soein schwarzweißes Bild mit knallrot, knallgelb undso. Man konnte diese Légers nicht verkaufen.Lässt sich die Persönlichkeit eines Galeristencharakterisieren? Worin liegt das Wesendes Galeristen? Was haben die Galeristen imAllgemeinen gemeinsam?Als ich anfing, gab es in Berlin einen wunderbarenSpruch, der hieß: Galerie, Regie und Schlagzeugkann jeder.Haben Sie noch andere Interessen als Kunst? Ichhabe das Gefühl, dass Sie sich 24 Stunden am Tagmit Kunst beschäftigen? Müssen Sie sich von derKunst erholen?Das ist ein gewisses Problem, ich kann micheigentlich nicht über etwas anderes unterhalten.Aber ich kann erzählen, wie ich dem begegne. 1974war ich schon so gelangweilt – immer mit meinenfünf oder zehn Künstlern, je nachdem, wie vielees gerade waren –, dass ich im Antiquariat einBuch gefunden habe – „Afrikanische Kunst“. Ichhabe dann recherchiert und habe herausgefunden,dass das die erste Publikation über Afrika-Kunstals autonome Kunst, als Hochkunst ist. Dann habeich in alten Zeitschriften weitergelesen und habegesehen, dass es in Deutschland einen richtigenHandel gegeben hatte, und habe festgestellt, dasses jetzt in Deutschland gar keinen Handel mehr gab.Es gab keinen Händler für Afrika-Kunst. Da war ichganz aufgeregt, bin sofort nach Brüssel und Parisgefahren, weil ich gedacht habe: „Jetzt hast duendlich noch ein Standbein, wo man Geld verdienenkann.“ Aber dann habe ich festgestellt, dass ichgenauso gut mit Kandinsky und Klee handeln könnte,weil diese Dinge genauso teuer sind.Das zweite Mal, wo mich die Situation dazugebracht hat, etwas anderes zu machen, war inNew York. Ich habe erst mit meiner damaligenFrau Mary Boone zusammengearbeitet. Wir hattenunterschiedliche Vorstellungen davon, wie man eineGalerie macht. Dabei ging es hauptsächlich darum,dass die Amerikaner reine Kommissionshändlersind. Es gibt keinen amerikanischen Kunsthändler,der ein Lager hat. Ich habe immer auf meine Fraueingeredet und habe gesagt: „Du musst doch aucheinmal ein paar Bilder behalten. Lass uns doch malein Lager aufbauen!“ Mehr oder weniger aus diesemGrund habe ich dann gesagt: „Gut, dann mache ichhier meinen eigenen Laden auf. Was soll das?“ Aberich habe gar keine amerikanischen Künstler, außerdenen, die ich in Köln schon hatte, z.B. James LeeByars. Also langer Rede kurzer Sinn: Als ich dannin New York meine eigene Galerie aufgemacht habe,musste ich überlegen: „Was machst du jetzt? Machstdu jetzt junge Amerikaner?“ – Es ist mir keinereingefallen. Ich hatte keinen Kontakt. Da bin ichrückwärts in die deutsche Kunst gegangen und habealles gezeigt, was nicht expressionistisch war.Meine Künstler wurden in Amerika und Europa immerals Neoexpressionisten betrachtet. Sie habensich ewig dagegen gewehrt, aber es hat nichtsgenützt. Jeder der Künstler hat gesagt: „Ich habemit Expressionismus überhaupt nichts am Hut unddas interessiert mich nicht.“ Dann habe ich alsodie Künstler aus der weniger expressionistischenGeschichte der Moderne in Deutschland gezeigt. Dieerste Ausstellung war Schwitters, dann Lehmbruckals Manierist. Das war wieder so ein Reflex, dassich ein anderes Gebiet gewählt habe, womit ichmich ablenken konnte. Das war dann aber rationalbegründet, denn mit acht Künstlern kann man einJahr beschicken, dann fängt man wieder mit dengleichen Namen an.Was haben Sie in Ihrer privaten Sammlung?Nur Zeichnungen. Ich habe eine großeZeichnungssammlung.Nur zu dem Sinn der Ausstellung, die ich in Pragmache: Das ist eine Feier des Namens Werner, damitbekannt wird, dass es private Aktivitäten gibt,die sich mit Kunst beschäftigen und die auch etwasfür die Kunst und für die Künstler tun.Das habe ich nicht verstanden. Noch einmal: Wirhaben eine Ausstellung von…Penck, Lüpertz und <strong>Typlt</strong>.…drei Künstlern – da müsste es eigentlich um dieKünstler gehen. Wenn Sie Pech haben, dann kommtLüpertz sogar. Ich bin für solche Feiern vonLeuten nicht so geeignet. Das provoziert mich zuZynismen.Wie haben Sie das jetzt in Köln bei der Übergabedes Preises „Art Cologne“ überstanden?Erst einmal habe ich überlegt, ob ich den Preisüberhaupt annehme. Dann habe ich mir gesagt:„Das kannst du dir nicht leisten, denn das ist janicht privat, das ist sozusagen für alle.“ Dannhabe ich gesagt: „Ich nehme den Preis an, wennich nichts machen muss.“ Dann haben sie gesagt:„Nein, nein, Sie brauchen nichts zu machen.“ Undda habe ich gesagt: „Sie haben nicht zugehört: Garnichts muss ich machen. Das heißt, ich will nichtinvolviert werden, in Fragen und Ähnliches.“ Dannhaben sie gesagt: „Ja ja, selbstverständlich.“Sobald ich zugesagt hatte, kamen schon jede MengeFragen, nach Listen von irgendwelchen Leuten, dieeingeladen werden wollten… Ich habe alles striktabgelehnt. Ich habe gesagt: „Ich will überhauptkeinen. Das müsst ihr selber machen.“ Und dann –eine Rede. Ich habe gesagt: „Nichts, ich machenichts. Nichts ist nichts, ja?“ „Aber Sie brauchensich ja nur zu bedanken.“ „Nein.“ Irgendwie habeich das dann gemacht. Das war o.k. Ich habe zweiZitate vorgelesen, ganz bösartige.Warum denken Sie, dass Sie von der Öffentlichkeit„König der deutschen Galeristen“ genannt werden?Ich habe diesen Ausdruck noch nie gehört.Man liest das jetzt überall in den Zeitungen.Keine Ahnung. Ich bin wahrscheinlich der Einzige,der daran herummeckert. Ich kenne das Problem inTschechien nur ein bisschen. In Tschechien ist essicherlich auch ganz schwierig.Denken Sie, dass die Größe unseres Volkes eineBeschränkung ist?Nein, lediglich eine ökonomische und auch einestrukturelle Beschränkung, denn man kann ja nurmachen, was man machen kann. Und dann kommt nochdie psychologische Seite dazu. Es gibt ja auchnoch – ich möchte nicht von Völkern reden, wollenwir lieber von Stämmen reden – die Seele einesStammes. Ich sage immer: „Ich bin Rassist, weilich absolut glaube, dass die Tschechen spezifischeEigenheiten haben, die tschechisch sind, dassman, wenn man Tschechen Bier trinken sieht, sofortsagen kann: ‚Ah, das ist ein Tscheche.‘“ Davon binich vollständig überzeugt. Die Psychologie desStammes ist existent bis hin zur Körpersprache,das ist so.Herr Werner, wir bedanken uns sehr herzlich fürdas Gespräch.Ivona Raimanová, Zdeněk Sklenář, Lubomír <strong>Typlt</strong>16 17