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Zusatzstoff oder Verarbeitungshilfsstoff? - Zenk Rechtsanwälte

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Rechtsprechung LebensmittelrechtFoto: Hogan LovellsZur PersonThomas Salomon istPartner im Bereich HandelsundVertriebsrecht beiHogan Lovells. Er leitet diePraxisgruppe Commercialdes Hamburger Standorts.Seine Schwerpunkteliegen im Vertragsrecht mitbesonderem Fokus aufVertriebsrecht sowie imBereich Pharma- und Lebensmittelrecht.Zusätze“ Fluor und Jod aus Sicht des Verbrauchererwünschte Zusatznutzen haben. Damitsind die Werbeaussagen irreführend.Das widerspricht auch nicht dem Grundsatz,dass unvollständige Vergleiche nicht per seunrichtig <strong>oder</strong> irreführend sind (BGH GRUR1988, 764, 767). Bei Vergleichen zu Werbezweckenerwartet der Verkehr nicht, dass derWerbende jeden Nachteil der eigenen Wareund jeden Vorteil der fremden Ware hervorhebt.Allerdings darf nicht durch das gezielteVerschweigen wesentlicher, für die Entscheidungdes Verkehrs relevanter Aspekte einunrichtiger <strong>oder</strong> irreführenderGesamteindruckerwecktwerden (BGHGRUR 1988, 764,767). Dem Verkehrmuss eine sachlicheGesamtabwägungder Vor- undNachteile möglichsein. Daran fehlt esbei der Werbung derBeklagten, wenn sie verschweigt, um welcheStoffe es sich bei den dem Kochsalz zugesetztenchemischen Mitteln handelt und welcheMineralien und Spurenelemente bei der Raffinationverloren gehen. Der Verbraucher hat sokeine Möglichkeit, die Bedeutung der Aussagenzu erfassen. Damit ist aber - entgegen derAnsicht des OLG - die Grenze zur Irreführungüberschritten und ein Verstoß gegen § 5 UWGgegeben.Eine sachliche Erörterung setzt auch die Nachprüfbarkeitder aufgestellten Behauptungenvoraus (vgl. § 6 II lit a UWG). Ein allgemeinerVergleich, der Mitbewerber und ihre Produktepauschal, d.h. mit nicht nachprüfbaren Behauptungenabwertet, verstößt gegen § 4 Nr. 1bzw. Nr. 7 UWG. Den Rahmen der sachlichenErörterung hat die Beklagte verlassen, indemsie auf den Zusatz chemischer Mittel und denVerlust von Mineralien und Spurenelementenbei Kochsalz hinweist, ohne diese Stoffe zu benennen.Hier spielt sie nur mit der diffusen Ablehnungvon chemischen <strong>Zusatzstoff</strong>en, die imWiderspruch zu den tatsächlichen Produkteigenschaftensteht. Das ist unlauter.<strong>Zusatzstoff</strong> <strong>oder</strong> <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>?Der Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 5.August 2010 verdeutlicht erneut die Schwierigkeitender Abgrenzung.Die Abgrenzung zwischen <strong>Zusatzstoff</strong>enund <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>enist oft schwierig, für Lebensmittelunternehmeraber entscheidend. Denn <strong>Zusatzstoff</strong>eunterliegen gemäß § 6 LFGB einem sog.Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h. dass sienur dann eingesetzt werden dürfen, wenn sieausdrücklich zugelassen sind. Im Gegensatzdazu besteht für Stoffe, die (nur) als <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>eeingesetzt werden, in der Regelkeine Zulassungspflicht. Der Beschlussdes Niedersächsischen OVG, der sich mit der202DIE ZEITSCHRIFT FÜR EUROPÄISCHES LEBENSMITTELRECHT · Ausgabe 4/2010


Rechtsprechung LebensmittelrechtFrage der Abgrenzung zwischen <strong>Zusatzstoff</strong>enund Verarbeitungshilfsstof fen beschäftigt,stößt daher in der Lebensmittelbranche aufgroßes Interesse.Es ging um folgendes: Die Antragstellerinstellte Frühstücksspeck („Bacon“) für den britischenMarkt her. Im Rahmen des Herstellungsprozessessetzte die Antragstellerin einenaus Polysiloxanen bestehenden Schaumverhüter(EP-386 N) ein. Diesen injizierte sie zusammenmit einer Pökellake in das Fleisch. DerSchaumverhüter entfaltete während der Herstellungdes „Bacon“ seine Wirkung, indem erein Aufschäumen der Kochflüssigkeit verhinderte.Im Endprodukt entfaltete der Schaumverhüterkeine technologische Wirkung mehr.Ob und in welcher Form der Schaumverhüterim Endprodukt noch vorhanden war, konnteletztlich nicht festgestellt werden, da es offenbartechnisch schwierig ist, cyclische Polysiloxanebzw. ihre Abbauprodukte in dieser Mengenachzuweisen.Nicht als Lebensmittelzusatz zugelassen.Der Schaumverhüter EP-386 N warnicht als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen.Die Antragstellerin war aber der Auffassung,dass sie den Stoff als <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>einsetzen durfte. Die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehördewar hingegen derAuffassung, dass es sich um einen nicht zugelassenen<strong>Zusatzstoff</strong> handelte und verbot mitsofortiger Wirkung das Herstellen, Behandelnund Inverkehrbringen von Bacon, der mit EP-386 N behandelt wurde. Gegen dieses Verboterhob die Antragstellerin Klage und beantragte,die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellenbzw. anzuordnen. Über diesenAntrag hatte in zweiter Instanz das Nieders.OVG zu entscheiden.In seinem Beschluss vom 5. August 2010führte das Nieders. OVG aus, dass der Klagekeine aufschiebende Wirkung zukommen könne,da diese keine hinreichenden Erfolgsaussichtenhabe. Denn bei EP-386 N handele essich in diesem Fall nicht um einen <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>,sondern um einen nicht zugelassenen<strong>Zusatzstoff</strong>, der nicht hätte eingesetztwerden dürfen.Die Begründung. Zu Begründung führtdas Nieders. OVG zunächst folgendes aus:Nach dem Wortlaut des Art. 3 Nr. 2 a) undb) Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 würden<strong>Zusatzstoff</strong>e einem Lebensmittel aus technologischenGründen zugesetzt, währendVerarbeitungshilfsstof fe nur aus technologischenGründen verwendet würden. Gegendie Verwendung eines Stoffes als bloßer <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>spreche daher schon dasabsichtliche Zusetzen des Stoffes in das Lebensmittel(hier: Injektion eines Schaumverhütersin Schweinefleisch).Weiterhin argumentierte das Nieders. OVG,dass der Schaumverhüter EP-386 N hier zumindestdeshalb nicht als <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>eingesetzt worden sei, weil bei <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>ennur unbeabsichtigteRückstände im Lebensmittel verbleiben dürften.Hingegen sei der Stoff als <strong>Zusatzstoff</strong> zuqualifizieren, wenn er zu einem Bestandteildes Lebensmittels wird <strong>oder</strong> werden könne.Von einem „unbeabsichtigten Rückstand“ könnenicht ausgegangen werden, wenn ein Stoffin ein Lebensmittel injiziert werde und derVer wender sich über den Verbleib keine Gedankenmache.Das Argument des Nieders. OVG, schon das„absichtliche Zusetzen“ sei ein Indiz für dasVorliegen eines <strong>Zusatzstoff</strong>es, ist nicht überzeugend.Entsprechendes lässt sich insbesonderenicht aus dem Wortlaut der Verordnung (EG) Nr.1333/2008 entnehmen.Zwar definiertArt. 3 Nr. 2a) der VO (EG)Nr. 1333/2008den Begriff „<strong>Zusatzstoff</strong>“so, dassdieser einem Lebensmittelaus technologischenGründen bei derHerstellung, Ver-Foto: MEVDIE ZEITSCHRIFT FÜR EUROPÄISCHES LEBENSMITTELRECHT · Ausgabe 4/2010 203


Rechtsprechung LebensmittelrechtFoto: ZENK RechtsanwälteZur Personarbeitung, Zubereitung, Behandlung,Verpackung, Beförderung <strong>oder</strong> Lagerungzugesetzt wird. Ein <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>ist ein Stoff, der bei derVerarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln<strong>oder</strong> deren Zutaten aus technologischenGründen während der Be- <strong>oder</strong> Verarbeitungverwendet wird (vgl. den Wortlaut des Art. 3Nr. 2 b) VO (EG) Nr. 1333/2008). Der Begriff„verwenden“ ist allerdings ein weiterBegriff, der schon begrifflich nicht nurdie äußerliche, sondern auch die Verwendungim Lebensmittel umfasst. DieAussage, dass <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>efür die Verwendung an Lebensmitteln gedachtsind, während <strong>Zusatzstoff</strong>e in Lebensmittelnverwendet werden, ist daherunzutreffend. Vielmehr werdenzahlreiche typische <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>eauch und gerade „in“Lebensmitteln ver wendet, alsoLebensmitteln während der Be<strong>oder</strong>Verarbeitung zugesetztund dann meist entweder ausgefiltert<strong>oder</strong> deaktiviert.Stattdessen ist für die Abgrenzungzwischen <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>enund <strong>Zusatzstoff</strong>ennach den Definitionen der VO(EG) 1333/2008 entscheidend, dass ein<strong>Zusatzstoff</strong> zu einem Bestandteil des Lebensmittelswird, während ein <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>nur unbeabsichtigte, technisch unvermeidbareRückstände hinterlässt. Diesbestätigt letztlich auch das Nieders. OVG indem zweiten Teil seiner Ausführungen.Dabei ist „unbeabsichtigt“ nicht etwa so zuverstehen, dass ein <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>,der absichtlich zugesetzt wurde, per se keine„unbeabsichtigten Rückstände“ hinterlassenkönnte, weilvon vornherein klarImke Memmler ist Rechtsanwältinder Sozietät ZENKRechtsanwälte. Sie ist u.a. imLebensmittel- und Bedarfsgegenständerechttätig. In diesenBereichen hält sie regelmäßigVorträge und veröffentlichtFachbeiträge.Foto: www.sxc.hu/ © by Sparaist, dass Rückständeverbleiben kann.Denn sonst wärenahezu jeder Rückstand„beabsichtigt“. Vielmehrsind die beidenDefinitionsmerkmale „unbeabsichtigt“und „technisch unvermeidbar“einheitlich so zu verstehen, dass derRückstand bis auf geringe Restmengengemindert wurde und dies technischnicht vermeidbar ist. Soweitdies der Fall ist und der Rückstandüberdies gesundheitlich unbedenklichist und sich technologisch nichtauf das Enderzeugnis auswirkt, handeltes sich um einen <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>.Wann ein Rückstand „technologischunvermeidbar ist“, kannnur anhand des konkreten Einzelfallsentschieden werden. Im Falledes Schaumverhüters EP-386 Nreichte es aus Sicht des Nieders. OVGaus, dass die Antragstellerin einenSchaumverhüter in das Lebensmittelinjiziert und sich anschließend keineGedanken darüber gemacht hatte, obder Stoff im Endprodukt noch vorhandenwar <strong>oder</strong> nicht. Ob insofern schonvon einem „unbeabsichtigten, technischunvermeidbaren Rückstand“ gesprochenwerden kann, ist zwar fraglich, da der Stoffimmerhin im Endprodukt nicht mehr nachweisbarwar. In jedem Fall ist es für Verwendervon <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>en, die in einem Lebensmittelverwendet werden, aber sinnvoll,sich mit dem Verbleib <strong>oder</strong> dem Abbau derStoffe auseinanderzusetzen.Fazit. Für die Abgrenzung zwischen <strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>enund <strong>Zusatzstoff</strong>en ist entscheidend,ob der Stoff zu einem Bestandteildes Lebensmittels wird <strong>oder</strong> ob nur unbeabsichtigte,technisch unvermeidbare Rückständeverbleiben. Vorsicht ist beim Einsatz vonStoffen geboten, die bei der Herstellung austechnologischen Gründen in das Lebensmitteleingebracht und anschließend nicht entfernt,ausgefiltert, deaktiviert <strong>oder</strong> nachweislichabgebaut werden. Bei diesen kann es nachdem Beschluss des Nieders. OVG im Einzelfallschwierig werden, eine Gruppierung als reine<strong>Verarbeitungshilfsstoff</strong>e ohne entsprechendeZulassung zu rechtfertigen.204DIE ZEITSCHRIFT FÜR EUROPÄISCHES LEBENSMITTELRECHT · Ausgabe 4/2010

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