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Zum Vergleich von Schrift und Malerei in den Briefen Gregors d. Gr ...

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Das entspricht, etwas ausführlicher formuliert, der Aussage im ersten Brief. Ist<br />

dort <strong>von</strong> Buchstaben (litteras) <strong>und</strong> <strong>Schrift</strong>en (codices), so hier <strong>von</strong> <strong>Schrift</strong><br />

(scriptura) die Rede: <strong>den</strong>en, die die <strong>Schrift</strong> lesen können, s<strong>in</strong>d die „idiotae“ <strong>und</strong><br />

„ignorantes“ unter <strong>den</strong> „gentes“ gegenübergestellt, e<strong>in</strong> Wort, das Völker, Barbaren<br />

<strong>und</strong> Hei<strong>den</strong> gleichermaßen bedeuten kann. Als idiotae <strong>und</strong> ignorantes s<strong>in</strong>d unter<br />

ihnen diejenigen angesprochen, die auf <strong>Gr</strong><strong>und</strong> ihrer niedrigen sozialen Herkunft<br />

weder schreiben noch lesen konnten <strong>und</strong> deshalb als „Unwissende“ (ignorantes)<br />

galten. 52 Als Analphabeten sollten sie die <strong>Malerei</strong> „lesen“ so wie die des Lesens<br />

K<strong>und</strong>igen die <strong>Schrift</strong>. Für sie sollte die <strong>Malerei</strong> Textersatz <strong>und</strong> <strong>in</strong>sofern „Lektüre“<br />

(lectio) se<strong>in</strong>.<br />

Der Papst ermahnt <strong>den</strong> Bischof: er, der er unter Hei<strong>den</strong> <strong>und</strong> Barbaren lebe,<br />

müsse bemüht se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em berechtigten Eifer (recto zelo) <strong>in</strong> deren „wil<strong>den</strong><br />

Gemütern“ nicht unachtsam Aufruhr (scandalum) zu entfachen. Noch e<strong>in</strong>mal stellt<br />

er fest:<br />

„Daher soll nicht zerbrochen wer<strong>den</strong>, was <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kirchen nicht zum Anbeten, sondern<br />

alle<strong>in</strong> für die zu belehren<strong>den</strong> Geister der Unwissen<strong>den</strong> angebracht war. (Frangi ergo non<br />

debuit quod non ad adorandum <strong>in</strong> ecclesiis sed ad <strong>in</strong>struendas solummodo mentes fuit<br />

nescientium collocatum.). 53<br />

Dazu, worüber die gemalten Bilder belehren sollten, äußert er sich nicht. Die <strong>den</strong><br />

<strong>Malerei</strong>en <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kirchen zugewiesene Funktion des Belehrens rechtfertigt er mit<br />

dem H<strong>in</strong>weis auf das „Altertum“ (vetustas):<br />

„[...] Und weil das Altertum nicht ohne <strong>Gr</strong><strong>und</strong> zugelassen hat, daß an <strong>den</strong><br />

verehrungswürdigen Orten die Geschichten der Heiligen gemalt wer<strong>den</strong>, [...]“ (Et quia<br />

<strong>in</strong> locis venerabilibus sanctorum dep<strong>in</strong>gi historias non s<strong>in</strong>e ratione vetustas admisit [...].)<br />

Unter „Altertum“ wird der Zeitraum der voraufgegangenen zweih<strong>und</strong>ert Jahre zu<br />

verstehen se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en zunehmend Kirchen mit Bildern ausgestattet wor<strong>den</strong><br />

s<strong>in</strong>d. 54<br />

Der Papst rügt <strong>den</strong> Bischof, weil er es an dem für <strong>den</strong> Umgang mit <strong>den</strong> idiotae<br />

<strong>und</strong> ignorantes erforderlichen „Unterscheidungsvermögen“ (discretio) habe fehlen<br />

lassen. 55 Durch das „Zerbrechen“ der <strong>Malerei</strong>en habe er die ihm als „Lämmer“<br />

Anvertrauten ause<strong>in</strong>andergetrieben, anstatt sie <strong>in</strong> der Kirche zur „Herde“ zu<br />

versammeln. Er fordert Serenus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Bruderschaft auf, diejenigen, die sich<br />

<strong>von</strong> ihm getrennt hätten, im Dienste des pastoralen Auftrags mit aller<br />

„Anstrengung <strong>und</strong> allem Bemühen“ (omni annisu om<strong>in</strong>ique studio) <strong>in</strong> „väterlicher<br />

52 Zur Bedeutung <strong>von</strong> idiotae: <strong>Gr</strong><strong>und</strong>mann 1958. S. 6-8 unterscheidet zwei Bedeutungen: diejenigen, die sich nur <strong>in</strong><br />

ihrer Muttersprache ausdrücken konnten (Laien, Priester <strong>und</strong> Mönche) <strong>und</strong> später bei Beda Venerabilis diejenigen,<br />

die weder Late<strong>in</strong> verstehen noch schreiben konnten. In diesem S<strong>in</strong>n (ebd. S. 7) zur Formulierung <strong><strong>Gr</strong>egors</strong> d. <strong>Gr</strong>.:<br />

„[...] an <strong>den</strong> Bildern sahen die Nicht-Leser, die Nicht-Late<strong>in</strong>er, was zu befolgen sei.“ Dazu kritisch: Banniard 1992.<br />

S. 109-112.<br />

53 Registrum XI,10: 29-31 Ed. Dag Norberg 1872. (S. 874); dies ist die zweite Aussage zum Zerstörungsverbot im<br />

Brief vom Oktober 600; die erste: ebd. XI,10. 17-19 (Ed. Dag Norberg 1982. S. 873).<br />

54 Brown 1998 zu „antiquitas“.<br />

55 Registrum XI,10: 31-32 (Ed. Dag Norberg 1982. S. 874); zum Term<strong>in</strong>us discretio: Regula pastoralis II, 10 (Ed.<br />

Bruno Judic 19 . S. 238-253) mit dem Titel: „Quae esse debet rectoris discretio correptionis et dissimulationis,<br />

fervoris et mansuetud<strong>in</strong>is.“ Zu discretio <strong>in</strong> der Term<strong>in</strong>ologie <strong><strong>Gr</strong>egors</strong> d. <strong>Gr</strong>.: Dagens 1977: „Examen et contrôle de<br />

l’expérience: la discretio“ ( S. 117-123); Banniard 1992. S. 131-133: „éloquence et discretio“ als <strong><strong>Gr</strong>egors</strong> d. <strong>Gr</strong>.<br />

„théorie de la communication“ <strong>in</strong> der antiken Rhetorik begrün<strong>den</strong>d.<br />

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