03.12.2012 Aufrufe

Zum Vergleich von Schrift und Malerei in den Briefen Gregors d. Gr ...

Zum Vergleich von Schrift und Malerei in den Briefen Gregors d. Gr ...

Zum Vergleich von Schrift und Malerei in den Briefen Gregors d. Gr ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Auffassung, daß die <strong>Malerei</strong>en <strong>in</strong>sbesondere für die des Lesens<br />

Unk<strong>und</strong>igen bestimmt seien, begegnet auch schon früher im griechischen<br />

<strong>Schrift</strong>tum. So heißt es z.B. bei dem griechischen Redner <strong>und</strong> Popularphilosoph,<br />

dem Hei<strong>den</strong> Dio <strong>von</strong> Prusa (ca.40-ca. 120 u.Z.): „wie die Dichter über das Gehör“<br />

ihre Wirkung erreichen, so wür<strong>den</strong> die Bildner <strong>und</strong> Maler „über <strong>den</strong> Gesichtss<strong>in</strong>n<br />

das göttliche Wesen für e<strong>in</strong>e größere Zahl <strong>von</strong> weniger gebildeten Menschen“<br />

auslegen. 95 Den Bildwerken spricht er damit e<strong>in</strong>e breitenwirksamere Wirkung zu<br />

als <strong>den</strong> Gedichten. Auch Neilos <strong>von</strong> Ankyra (gest. um 430 u. Z.) bejaht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Brief an <strong>den</strong> Eparchen Olympiodor die Bilder <strong>in</strong> der Kirche,<br />

„damit die des Schreibens Unk<strong>und</strong>igen, die auch die Heiligen <strong>Schrift</strong>en nicht lesen<br />

können, durch die Betrachtung des Bildes an die Rechtschaffenheit der echten Diener<br />

des wahren Gottes er<strong>in</strong>nert <strong>und</strong> zur Nachahmung der herrlichen <strong>und</strong> großartigen<br />

Tugendwerke angespornt wer<strong>den</strong>, wodurch jene die Erde mit dem Himmel vertauscht<br />

haben, <strong>in</strong>dem sie das Unsichtbare dem Sichtbaren vorzogen. [...].“ 96<br />

S<strong>in</strong>n der <strong>Malerei</strong>en sei es, als <strong>Schrift</strong>ersatz die Gläubigen vom Sichtbaren zum<br />

Unsichtbaren h<strong>in</strong>zuführen. Ebenso heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief des Hypatios <strong>von</strong><br />

Ephesos, der nichts <strong>von</strong> <strong>Malerei</strong>en <strong>und</strong> Skulpturen <strong>in</strong> der Kirche gehalten hat, an<br />

Julianos <strong>von</strong> Atramytion:<br />

„Wir gestatten aber <strong>den</strong> e<strong>in</strong>facheren Menschen, die weniger e<strong>in</strong>geweiht s<strong>in</strong>d, solches<br />

wegen e<strong>in</strong>es ihnen entsprechen<strong>den</strong> H<strong>in</strong>aufführens auch durch <strong>den</strong> ihnen gemäßen<br />

Gesichtss<strong>in</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>führender Weise zu lernen, da wir ja auch oft <strong>und</strong> vielfältig f<strong>in</strong><strong>den</strong>,<br />

daß selbst die göttlichen Anordnungen des Alten <strong>und</strong> Neuen Testamentes sich zu <strong>den</strong><br />

schwachen Seelen um ihres Heils willen herabneigen. [...]. 97<br />

Ob <strong>und</strong> wie weit diese im griechischen <strong>Schrift</strong>tum belegten Auffassungen <strong>Gr</strong>egor<br />

d. <strong>Gr</strong>. bekannt gewesen se<strong>in</strong> können, muß dah<strong>in</strong>gestellt bleiben. Demgegenüber<br />

wichtiger ist die Feststellung, daß die <strong>von</strong> ihm vertretene Auffassung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

langen Tradition steht.<br />

Die <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Briefen</strong> an Serenus als vor <strong>den</strong> gemalten Darstellungen der Heiligen<br />

betende idiotae <strong>und</strong> ignorantes angesprochenen Gläubigen waren auf <strong>den</strong> Priester<br />

oder e<strong>in</strong>e andere, die Kenntnisse der Heiligen <strong>Schrift</strong>en vermittelnde Person<br />

angewiesen: erst mit dem, was ihnen aus der Heiligen <strong>Schrift</strong> <strong>und</strong> aus dem Leben<br />

der Heiligen <strong>und</strong> Märtyrer <strong>in</strong> der Predigt erzählt wurde, konnten sie die <strong>Malerei</strong>en<br />

„sehend lesen“ (vi<strong>den</strong>do legant), <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong>dem sie das Gehörte, so wie die des<br />

Lesens K<strong>und</strong>igen das Gelesene, beim „Anblick“ (visio) der <strong>Malerei</strong>en auf diese<br />

übertrugen. 98<br />

In der Analogie <strong>von</strong> <strong>Schrift</strong> <strong>und</strong> <strong>Malerei</strong> s<strong>in</strong>d auch die Ambivalenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Aussagen des Papstes zur Wirkung gemalter Bilder begründet: da es nun e<strong>in</strong>mal<br />

95 Dio <strong>von</strong> Prusa :„Olympische Rede“ (Or. 12) § 46 (Ed. Hans-Josef Klauck/Balb<strong>in</strong>a Bäbler 2000. S.79).<br />

96 PG: 79: Sp. 577B-580A, bes. 577 B. Zitiert nach Kollwitz 1957. S.17-18.<br />

97 Zitiert nach Thümmel 1999 Nr. 58. S. 104-105.<br />

98 Zur Komplexität der mündlichen Vermittlung: Banniard 1992. Kap. III: „<strong>Gr</strong>égoire le <strong>Gr</strong>and et la pastorale en<br />

Italie lombarde.“ (S. 105-179); bes.: „Ecriture et illiterati“ (S. 138-145) <strong>und</strong> „Statut de la langue parlée populaire.“<br />

(S. 173-179). Insbesondere S. 111 Banniards These: <strong>Gr</strong>egor der <strong>Gr</strong>oße hätte <strong>den</strong> H<strong>in</strong>weis auf die „<strong>in</strong>struction orale“,<br />

die „pastorale phonique“ <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en <strong>Briefen</strong> nicht erwähnt <strong>und</strong> stattdessen die Bilder hervorgehoben, weil Serenus<br />

ihm sonst hätte antworten können, daß ja die mündliche Predigt ausreichend <strong>und</strong> deshalb die „pastorale<br />

iconographique“ überflüssig sei.<br />

18

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!