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Jahresbericht Murg-Stiftung 2008

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Selbst- und Fremdbestimmung in derWerkstätteChristine Amstutz, Leiterin Geschützte WerkstättenSein Leben selbst zu bestimmen, istim Alltag gar nicht so einfach. Dies istauch für unsere Klienten in unsererGeschützten Werkstätte der <strong>Murg</strong>-<strong>Stiftung</strong> eine grosse Anforderung.Viele haben bereits einen langen Weghinter sich, auf dem sie zum Teilnicht selber bestimmen konnten oder wollten. Oft haben sieden Mut nicht, selber zu bestimmen und Entscheide zu treffen.Sie haben Angst, die Verantwortung für ihren Entscheidzu übernehmen. Schon oft habe ich gehört: «Sagen sie mir,was ich tun soll!» oder «Es ist mir egal!»In unserer Institution werden vor allem Kundenaufträgeerledigt. Wir sind auf sie angewiesen und sie bestimmen dieAusführung und den Liefertermin. Diese Vorgaben führenimmer wieder zu Diskussionen unter den Klienten. «Es wäredoch viel besser, wenn …!» oder «Weshalb eilt es schon wieder?».Wo kann der Klient mitbestimmen?Er ist freiwillig in die Geschützte Werkstätte der <strong>Murg</strong>-<strong>Stiftung</strong>eingetreten und hat mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertragesden Regeln unserer Institution zugestimmt. Da dieGeschützte Werkstätte sehr kundenorientiert arbeitet, sindbereits viele Vorgaben gegeben. Der Klient wie auch das Personalsind ausführende Personen.Wie sieht aber der Werkstattalltag nun wirklichaus? Kann jeder Klient selber bestimmen, was erheute arbeiten will und was nicht? Egal, ob derAuftrag am nächsten Tag ausgeliefert werdenmuss?Unsere Klienten werden von Anfang an in die Auftragsabwicklungmiteinbezogen. Sie wissen, auf wann die einzelnenAufträge terminiert sind. Dadurch haben sie die Möglichkeit,Zusammenhänge zu erkennen und so Entscheidungenzu treffen. Sie übernehmen Verantwortung, indem sie mithelfen,den Auftrag termingerecht auszuliefern. EinzelneArbeitsschritte werden vorgängig von den Gruppenleiternausprobiert und wenn nötig mit sogenannten Lehren vereinfacht.Das Ziel ist, dass möglichst viele Klienten die Arbeitenausführen können, unabhängig von ihrer Behinderung oderBefindlichkeit.Wir arbeiten sehr stark nach dem Normalitätsprinzip.Wie in jedem Betrieb gibt es Arbeiten, die beliebter sind undandere, die weniger beliebt sind. Die Gruppenleiter habeneine grosse Vorbildfunktion. Je grösser die Selbstverständlichkeitist, dass jeder jede Arbeit macht, desto normalersieht unser Werkstattalltag aus. Wichtig ist auch, dass dieKlienten den Verwendungszweck der Arbeit sowie den Kundenkennen. Auch wenn unsere Arbeit nur ein Bruchteileines grossen und wichtigen Erzeugnisses ist, haben wireinen Beitrag geleistet. Machen wir unsere Arbeit nicht gut,kann das Gelingen davon abhängen. Diese Bedeutung unsererArbeit weiterzugeben, ist ein Bestandteil der pädagogischenArbeit in der Geschützten Werkstätte. Dieses Bewusstseinstärkt die Motivation unserer Klienten. Sie haben dieMöglichkeit, einen persönlichen Beitrag zum Gelingen einesAuftrages beizusteuern.In diesem Zusammenhang kommt mir eine Situation inden Sinn, die ich vor Jahren in einer Institution für schwerstbehinderteMenschen erleben durfte: Ein völlig gelähmterKlient hatte ein Werkzeug im Mund, mit dem er auf mühsamsteWeise an einem Apparat ein kleines und unscheinbaresTeilchen montierte. Auf die Frage, was er mache, antworteteer voller Stolz und Begeisterung: «Ich arbeite für Siemens.»Die Frage, ob unsere Klienten nun selber bestimmen können,was sie heute arbeiten wollen oder nicht, ist immer nochnicht beantwortet. Das Vermitteln der Wichtigkeit einerArbeit führt automatisch dazu, dass die Leute ihren Beitragleisten wollen. Sie übernehmen Verantwortung, indem siesich an jeder Arbeit beteiligen. Also kann die Frage gar nichtbestimmt mit ja oder nein beantwortet werden!Ein wichtiger Bestandteil unserer täglichen Arbeit bestehtdarin, unsere Klientinnen und Klienten zu unterstützen, ihreSelbstbestimmung wahrzunehmen, denn dies führt automatischzu mehr Selbstverantwortung.■9

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