<strong>07</strong> I <strong>2013</strong> KUNST & KULTUR32Explosive BambusrohreDass gerade ein Feuerwerk den Höhepunktder Veranstaltung bildete, ist keine Überraschung– ganz besonders in China. DennBöller <strong>und</strong> Raketen haben dort eine langeTradition. Angeblich hat es im Reich derMitte bereits im ersten Jahrh<strong>und</strong>ert nachChristus eine relativ einfache Form vonSchießpulver gegeben. Sie bestand vermutlichaus Kaliumnitrat oder Salpeter,Schwefel <strong>und</strong> Kohlenstaub <strong>und</strong> ähnelte damitbereits verblüffend dem berühmtenSchwarzpulver.Ungewöhnlich ist auch, dass in einem um 1330von den mongolischen Herrschern Chinasherausgegebenem Gesetz bei der Aufzählungaller bekannten Waffen weder Pulver nochSchusswaffen genannt werden. MancheForscher vermuten daher, dass die gefährlicheMischung aus 75 Prozent Kaliumnitrat, 15Prozent Holzkohle <strong>und</strong> zehn Prozent Schwefel,eher zufällig in Arabien entdeckt wurde.Die alten Chinesen füllten mit diesemMix Bambusrohre, warfen sie auf religiösenFesten ins Feuer <strong>und</strong> ließen esauf diese Wiese schon damals so richtigkrachen. Doch damit war die Experimentierfreudenoch längst nicht befriedigt.Einige Zeit später banden sie dieexplosiven Bambusböller schon an Pfeile <strong>und</strong>schossen die angezündeten „Raketen“ mitBogen in die Luft.Fliegendes FeuerWas als Spektakel auf religiösen Veranstaltungenseinen Anfang nahm, wurdedann auch für militärische Zwecke genutzt.So setzte die chinesische Armee währendder Schlacht von Kai-Keng im Kampf gegenmongolische Invasoren bereits im Jahr 1232nach Christus einen wahren Regen aus„fliegendem Feuer“ ein. Die Geschosseirritierten nicht nur die Pferde der Angreifer, sieversetzten anscheinend auch die wilden Reiterin Angst <strong>und</strong> Schrecken. Die mongolischeAttacke jedenfalls, soviel ist sicher, wurdeauch aufgr<strong>und</strong> der urtümlichen Raketenabgeschmettert.Ur-Raketen <strong>und</strong> Böller könnten demnach ausChina stammen. Aber was ist mit derErfindung des Schwarzpulvers, die ihnenhäufi g ebenfalls zugeschrieben wird? Da sindsich Archäologen <strong>und</strong> andere Wissenschaftlernicht einig.Erfinder gesuchtGegen eine Herkunft aus Fernost spricht unteranderem, dass historische chinesischeQuellen, wie das Werk Wu Ching Tsung Yaoaus dem Jahr 1044 nach Christus, zwar vonsalpeterhaltigen Brandsätzen sprechen. Dieälteste erhaltene Kopie dieser Schrift stammtaber nachweislich aus dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<strong>und</strong> entsprechende Textstellen könntendaher auch später eingefügt worden sein.Foto: R_by_Lutz Stallknecht_pixelio.deAndere Wissenschaftler dagegen vertretendie Ansicht, dass der „Vater“ des leicht entzündlichenPulvers der FranziskanermönchRoger Bacon gewesen sein könnte. Baconexperimentierte Mitte des 13. Jahrh<strong>und</strong>ertsebenfalls mit den notwendigen Ingredienzen<strong>und</strong> berichtet in seinem Werk „Opus Majus“1268 nach Christus sogar über eine Nutzungdes Gemisches für Knallkörper.Natrium macht Böller gelbWie dem auch sei: Das Schwarzpulver jedenfallsverbreitete sich seit seiner Erfindungschnell über die ganze Welt <strong>und</strong> wurde langeZeit nicht nur für Feuerwerkskörper sondernauch als Explosivstoff <strong>und</strong> Antriebsmittelin Handwaffen <strong>und</strong> Kanonen eingesetzt.Heute ist der Hype um diesen Explosivstoffweitgehend vorbei. Meist leistet er nur nochbei der Produktion von spektakulärenBöllern<strong>und</strong> Silvesterraketen gute Dienste.
<strong>07</strong> I <strong>2013</strong> KUNST & KULTUR33Die intensiven Farben der explodierendenpyrotechnischen Produkte beruhen dabeiauf der Beimischung von Metallionen.Natriumionen sorgen beispielsweise für gelbesLicht, Kupfer- oder Kobaltionen für blaues<strong>und</strong> Strontiumionen für rotes.Schreiben, Abklatschen, DruckenAuch die Druckkunst stammt aus FernostEr wurde um das Jahr 1400 in Mainz geboren<strong>und</strong> sein berühmtestes Werk ist eine Bibel:Johannes Gutenberg gilt bei Vielen nochimmer als Erfinder des Buchdrucks <strong>und</strong> istbei uns ungeheuer bekannt <strong>und</strong> populär. Ineiner Zuschauerwahl der besten Deutschenkam er vor einigen Jahren sogar auf Rangacht - noch vor Albert Einstein. Dabei ist Kunstdes Druckens von Büchern nicht in Deutschlandentstanden, sondern erlebte in Chinabereits einige Jahrh<strong>und</strong>erte vor Gutenberg inder Song-Dynastie (960 bis 1279 nach Christus)eine Blütezeit. Begonnen hatte dort allesmit der Erfi ndung des Papiers vermutlich umdas Jahr 100. Von da an gab es die Möglichkeitwichtige Ereignisse, aber auch Gesetze<strong>und</strong> Verordnungen, problemlos schriftlich festzuhalten.Doch wie konnte man diese möglichsteinfach vervielfältigen, ohne sie immerwieder mühsam abschreiben zu müssen?Abklatschen statt DruckenIn China wurde man bei der Suche nach einerLösung für das Problem schon um 175 n. Chr.ansatzweise fündig. Wichtige Texte verewigtenSchreiber zunächst in Steinplatten. Vondiesem Muster erstellte man dann so genannteAbklatsche. Dabei handelte es sich um mithilfevon Tusche erzeugte Papierabdrucke, aufdenen die Schriftzeichen weiß auf dunklemUntergr<strong>und</strong> zu erkennen waren.Dieses Ur-Druckverfahren wurde anschliessendstetig weiter entwickelt bis es schließlichr<strong>und</strong> fünf h<strong>und</strong>ert Jahre später von einemHochdruckverfahren, dem so genannten Holztafeldruckabgelöst wurde. Die Technik beschreibtdas Team "Mainz. Gutenberg 2000"auf seiner Internetseite so: „Jedes Zeichenwurde seitenverkehrt in einen Holzstock geschnitten,indem man alles umgebende Holzentfernte. So entstanden erhabene Linien, dieentsprechend eingefärbt <strong>und</strong> auf Papier abgerieben,in positiver Gestalt den gewünschtenText abfärbten.“ Damit hatten die Chineseneine Möglichkeit gef<strong>und</strong>en, Bücher, Gesetzestexteoder einfache Zeichnungen problemloszu reproduzieren.Drucken mit beweglichen LetternSelbst der Druck mit beweglichen Lettern warin China schon vor r<strong>und</strong> 1.000 Jahren ansatzweisebekannt. Als Pionier dieser Technikgilt Bi Sheng, der die dafür notwendigenDruckstempel aus Keramik herstellte. „Umzu drucken, setzte er einen Eisenrahmen aufeine Eisenplatte <strong>und</strong> ordnete darin die Stempelan. War der Rahmen voll, dann ergab dieseinen Druckstock, den er dann erhitzte, bisdie Paste [an der Rückseite der Lettern] zuschmelzen begann. Mit einem Brett, das er andie Vorderseite drückte, ebnete er die Oberfläche des Druckstocks, damit sie glatt wurdewie geschliffen,“ beschreibt Tsuen Hsuin Tsienin Joseph Needhams Buch „Science andCivilisation in China“, die erstmals von Shengverwendete Technik. Vermutlich aufgr<strong>und</strong>der Vielzahl der chinesischen Schriftzeichenblieb dieses Verfahren im Reich der Mittejedoch ein Nischenprodukt. Erst im 20.Jahrh<strong>und</strong>ert setzte sich auch hier der Druckmit beweglichen Lettern endgültig durch.Gutenbergs LeistungBuchdruck? Wurde in China erf<strong>und</strong>en. DerDruck mit beweglichen Lettern? Vermutlichebenfalls. Warum aber ist dann der DeutscheGutenberg noch immer in aller M<strong>und</strong>e, wennes um das die Druckkunst geht? „Schreibtechnikenzu beherrschen - das war vor Gutenbergein exklusives <strong>und</strong> überaus teures Handwerk.Nur die wenigsten konnten lesen <strong>und</strong>schreiben, geschweige denn die wertvollen,weil einzeln kopierten Handschriften kaufen.Gutenbergs Erfindung des Setzkastens <strong>und</strong>des Druckstocks hat dieses tradierte Kunsthandwerkdemokratisiert. Übrigens ohnedies ausdrücklich zu wollen“, erklärt JochenHörisch, Professor für Neuere Germanistik<strong>und</strong> Medienanalyse an der Universität Mannheimin der Zeitung Rheinpfalz. Und weiter:„Gutenbergs Ziel war es vielmehr, besondersschöne Abschriften zu garantieren, also dieschönsten Kopistenleistungen zu überbieten.Eine unscheinbare Erfindung mit gewaltigenWirkungen. Um zu pointieren: ohne Gutenbergkeine Reformation, keine Schulpflicht, keineGoethe-Ausgaben, keine Aufklärung, keinQuelle-Katalog <strong>und</strong> keine Zeitungen - nichtauszudenken!“Quelle: scinexx - Das Wissensmagazin(www.scinexx.de)