Einwohnergemeinde - Grellingen
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>Grellinger Portrait<br />
Imre Saling-Vögtlin<br />
Den schönsten Platz<br />
gefunden<br />
Sein Dialekt tönt etwas hart und rau, manche<br />
meinen, er sei vielleicht Bündner. Imre* Saling ist<br />
Ungare, geboren in Kisbodak, einem Dörfli an der<br />
Donau, etwa 80 Kilometer südwestlich von Wien.<br />
Aufgewachsen mit zwei Schwestern, in einfachen<br />
Verhältnissen.<br />
Mit 20 auf der Flucht<br />
Als Anfang November 1956 die Russen zur Bekämpfung<br />
des Ungarischen Volksaufstands einmarschierten<br />
und die jungen Männer in Scharen einsammelten<br />
und wegbrachten, beschlossen Imre und<br />
elf andere aus dem Dorf, in den Westen zu flüchten.<br />
Sie hatten grosse Angst. Es war der 10. November<br />
1956, morgens um 7 Uhr, als sie mit dem Bus eines<br />
Bekannten wegfuhren. In der Eile hatte die Mutter<br />
ein Huhn geschlachtet, paniert und gebraten. Das<br />
war alles, was er dabei hatte. In der nächsten grossen<br />
Stadt wechselten sie den Bus und gelangten an die<br />
österreichische Grenze. Auf dem Mistkarren eines<br />
Bauern schaukelten sie zu einer Sammelstelle, von<br />
dort gings weiter per Bus nach Eisenstadt in eine Militärkaserne.<br />
Sie wurden gefragt, wohin sie wollen, da<br />
Österreich nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne.<br />
Amerika war der Traum von vielen, das amerikanische<br />
Rote Kreuz war aber noch nicht vor Ort, und so<br />
schlug man ihnen die Schweiz vor. Von da aus könne<br />
man jederzeit überall hin. Ein Extrazug durchquerte<br />
Österreich und brachte sie nach Buchs/SG. In Zweierreihen<br />
mussten sie sich dort hinstellen. Pfadfinder<br />
verteilten Schoggistückli, spanische Nüssli und Bananen.<br />
Imre kannte diese Esswaren von Bildern, jetzt<br />
konnte er sie erstmals probieren. Er nahm die Nüssli<br />
mitsamt der Schale in den Mund, kaute drauflos und<br />
musste sie dann wieder ausspucken, was beim Pfadfinder<br />
einen Lachkrampf auslöste. Nun hatten sie<br />
sich nackt auszuziehen und ihre Kleider mit einer<br />
*Imre = Emmerich (männl. Pendant zu Emma)<br />
Nummer versehen, abzugeben. Gruppenweise wurde<br />
unter Aufsicht geduscht, unterdessen wurden ihre<br />
Kleider desinfiziert – alles lief recht militärisch ab.<br />
Danach durften sie eine gute Suppe essen und eine<br />
grosse Schüssel mit verschiedenen Käse,Wienerli und<br />
Kartoffeln. Das musste das Paradies sein! Zwei Tage<br />
später waren sie in Zürich und wurden von dort in<br />
die ganze Schweiz verteilt. Imre landete in Goldiwil<br />
im Berner Oberland. Es folgte eine Arztuntersuchung,<br />
wo er als «unterernährt» gestempelt wurde<br />
und eine Dose Banago zur Stärkung erhielt. Täglich<br />
musste er dies nun in Milch eingerührt zum Morgenessen<br />
trinken. Studenten kamen zu reichen Familien,<br />
wo sie womöglich weiter studieren konnten,<br />
Imre wurde im Dezember zur Portlandcement AG<br />
in Liesberg in den Steinbruch zum Steine laden im<br />
Zweischichtbetrieb weitergereicht. Etwas später war<br />
er Hochlöffel-Baggerfahrer und verdiente 3.60 pro<br />
Stunde in einer 50-Stunden-Woche.<br />
Mit über 30 in der Lehre<br />
1960 wechselte er zu den Brac-Werken AG Breitenbach<br />
in die Akkordarbeit. Er galt als der «verrückte<br />
Ungare», war pünktlich und fleissig und wollte gutes<br />
Geld verdienen. Deutsch lernte er auf der Arbeit, im<br />
Gespräch mit Kollegen und Vorgesetzten. Das Wörterbuch<br />
hatte er immer im Sack, wenn er in einen<br />
Laden ging, musste er nachschlagen, nachfragen.<br />
Bald verstand er auch Dialekt. Ab 1969 folgte eine<br />
Zeit in der Aluminium Laufen AG, und dann bekam<br />
er bei Felix Gartenbau die Möglichkeit, Gärtner zu<br />
lernen, was ihm sehr gefiel. Dort war er kurz danach<br />
auch Vorarbeiter.Von 1976 bis 1982 war Imre bei der<br />
Papierfabrik Zwingen AG als Gärtner und Direktionschauffeur<br />
beschäftigt. Er hatte ein kleines Telefon,<br />
und wenn der Direktor rief, musste er ihn fahren.<br />
Überall hin, auch ins Ausland. Heidi Vögtlin aus<br />
<strong>Grellingen</strong> arbeitete als Sekretärin in der «Papieri»,<br />
sie wurde seine zweite Ehefrau. Sie wohnten zuerst<br />
in Dornach und bezogen 1989 die Abwartswohnung<br />
im Dachstock des Primarschulhauses <strong>Grellingen</strong>. Erst<br />
war Imre Abwart für das heutige Gemeindehaus, ab<br />
1993 bis zur Pensionierung für beide Schulhäuser<br />
und die Turnhalle zuständig. Heidi und Imre haben<br />
einen Sohn – Tobias –, der heute 25 ist, Kaminfeger<br />
gelernt und im Rang abgeschlossen hat, wie der stolze<br />
Eggflue-Echo 3 2012