Sausewind - Familienfüchse
Sausewind - Familienfüchse
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Familienleben<br />
Alleinerziehend bedeutet nicht allein erziehen<br />
Ein Erfahrungsbericht<br />
Es ist nicht leicht. Nein verdammt, es<br />
ist gar nicht leicht, wenn gerade die<br />
langjährige Beziehung beendet wurde,<br />
die neue Freundin des Partners schon<br />
wartet und man den Ex gar nicht mehr<br />
wiedererkennt. Plötzlich tut er Dinge,<br />
die er vor der Trennung verabscheut<br />
hat und kleinbürgerlich oder langweilig<br />
fand. Er trägt neue Klamotten, wirkt<br />
zufrieden und entspannt. Wie kann das<br />
denn bitte sein?<br />
Und was ist eigentlich mit mir? Ich habe<br />
für ihn alles aufgegeben, bin umgezogen<br />
in eine Stadt, die ich eigentlich gar nicht<br />
mag und die mir berufl ich wenig bis gar<br />
nichts bieten kann. Selbst schuld, sagen<br />
die einen – Schicksal, die anderen. Irgendwas<br />
dazwischen wird´s wohl sein.<br />
Aber worum geht es hier eigentlich? Nicht<br />
um ihn, nicht um mich und auf keinen Fall<br />
um Gefühle, die jeden vernünftigen Gedanken<br />
vernebeln! Es geht um unsere gemeinsame<br />
Tochter. Sie wird bald drei und<br />
ist „mein kleines Äffchen“. Sie klammert<br />
sich oft an mich und sagt, sie sei ein Affe.<br />
Sie hat das mal gesehen, dass die kleinen<br />
Affen immer an der Mama hängen. Ich<br />
könnte jedes Mal weinen, weil ich das so<br />
rührend fi nde. Und nun soll ich sie „teilen“<br />
oder „hergeben“?<br />
Plötzlich stellen sich tausend Fragen, und<br />
ich werde von Ängsten überrannt, über<br />
die ich noch nie nachgedacht habe oder<br />
über die ich nicht nachdenken wollte.<br />
Wo wird sie wohnen? Wird sie die neue<br />
Freundin mit „Mama“ ansprechen? Nimmt<br />
er sie mir weg? Nimmt er mir mein Leben<br />
jetzt ganz? Schaff ich das überhaupt allein?<br />
Wie will ich meiner Tochter Entscheidungen<br />
erklären – jetzt und später. Eine<br />
Flut von Fragen, die erst einmal für mich<br />
selbst geklärt werden müssen. Schwierig!<br />
Ich habe den Wald vor lauter Bäumen<br />
nicht gesehen, konnte mich in keinster<br />
Weise auf das Wesentliche konzentrieren.<br />
Es brauchte ein paar Sitzungen beim Psychologen<br />
und mehrere Termine bei einer<br />
Familienberatungsstelle.<br />
Es folgte ein gemeinsamer Termin bei einer<br />
Beratung (für mich eine absolut wertvolle<br />
Einrichtungen). Erstmals konnte ich<br />
einigermaßen gestärkt äußern, was ich<br />
überhaupt will. Ich wollte ihn so weit wie<br />
möglich aus meinem Leben raus haben,<br />
aber meine Tochter soll unbedingt eine<br />
gesunde und gute Bindung zu ihrem Papa<br />
haben. Zu viele Beispiele von Fehlverhal-<br />
ten getrennter Eltern und dessen Folgen<br />
schwirren in meinem Kopf. Trotzdem soll<br />
sie ihren Lebensmittelpunkt bei mir haben<br />
und grundsätzlich auch bei mir wohnen.<br />
Er soll sich bitteschön mit Besuchen zufrieden<br />
geben. Ich frage mich, wie es ihm<br />
dabei geht - ärgere mich aber, dass ich<br />
das tue. Hat er jemals an mich gedacht?<br />
Kurzer Rückfall. Es geht um unsere Tochter.<br />
Ein Jahr, viele Erkenntnisse, Tränen und<br />
Kompromisse später haben wir eine vorläufi<br />
g gut funktionierende Basis gefunden.<br />
Unsere Tochter hat regelmäßig Kontakt zu<br />
ihrem Papa, war auch schon mit ihm und<br />
seiner Freundin im Urlaub; und ich glaube,<br />
es geht ihr gut. Wir haben dieses „alle<br />
zwei Wochen am Wochenende“-Modell<br />
gewählt, und er verbringt zusätzlich zwei<br />
Nachmittage in der Woche mit ihr. Sie<br />
entwickelt sich wunderbar, und ich bin<br />
mächtig stolz auf meine Kleine. Mittlerweile<br />
kann ich sogar die kinderfreie Zeit<br />
genießen.<br />
Ich denke, wir sind nun auf einem guten<br />
Weg. Dennoch bleibt es schwierig. Die<br />
Regelungen müssen permanent angepasst<br />
werden. Die Kleine wird größer.<br />
Auch meine Ängste sind noch da: Findet<br />
sie ihren Papa vielleicht viel cooler als<br />
Mama, das Spielen mit ihm aufregender,<br />
die neue Freundin viel netter? Hat sie mich<br />
noch lieb, wenn ich schimpfe? Schimpft er<br />
auch? Sagt er ihr auch, dass ich eine tolle<br />
Mama bin, so wie ich ihr erzähle, dass<br />
Papa der großartigste Papa der Welt ist<br />
,weil er auf Bäume klettern kann?<br />
Es ist nicht sicher, dass ich jemals das<br />
„Patchwork-Modell à la Boris Becker“ leben<br />
kann und fröhlich mit seiner Freundin<br />
Kaffee trinke. Aber ein schöner Gedanke<br />
ist es schon – irgendwann so gestärkt und<br />
zufrieden auf die andere Partei zu treffen,<br />
dass keine Ängste oder Unwohlsein im<br />
Weg stehen.<br />
Meine Tochter hat zwei Familien, und ich<br />
wünsche mir von Herzen, dass sie es als<br />
Bereicherung erlebt und glücklich ist und<br />
bleibt!<br />
M.P.<br />
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