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Familie ist nicht gleich Familie: Für eine bedarfsgerechte Politik, die ...

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<strong>Familie</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>gleich</strong> <strong>Familie</strong>: <strong>Für</strong> <strong>eine</strong> <strong>bedarfsgerechte</strong><strong>Politik</strong>, <strong>die</strong> verschiedene <strong>Familie</strong>nformen berücksichtigtDiskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- undJugendhilfe – AGJDie zunehmende Komplexität und Heterogenität der gewandelten<strong>Familie</strong>nrealität birgt Chancen für ein selbstbestimmtes <strong>Familie</strong>nleben, <strong>ist</strong> aberauch mit Risiken verbunden; sie stellt spezifische Herausforderungen aneinzelne <strong>Familie</strong>nmitglieder und erfordert familienpolitische sowie kinder- undjugendhilfepolitische (Gestaltungs-)Le<strong>ist</strong>ungen, <strong>die</strong> der familiären Vielfaltgerecht werden. Mit dem vorliegenden Diskussionspapier will <strong>die</strong>Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ für <strong>die</strong> spezifischenBedürfnisse unterschiedlicher <strong>Familie</strong>nformen sensibilisieren und <strong>die</strong>Perspektive der verschiedenen <strong>Familie</strong>nmitglieder einbeziehen. Im Mittelpunktsteht dabei <strong>die</strong> Sicherung förderlicher Rahmenbedingungen für dasAufwachsen von Kindern und Jugendlichen.<strong>Familie</strong> heute: Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener<strong>Familie</strong>nkonstellationenDas Erscheinungsbild von <strong>Familie</strong> hat sich in den vergangenen Jahrzehntenverändert, <strong>ist</strong> vielfältiger und bunter geworden. Sowohl <strong>die</strong> Konstellationen, indenen <strong>Familie</strong> gelebt wird, als auch <strong>die</strong> Art und Weise, wie <strong>Familie</strong>nleben undfamiliärer Alltag gestaltet werden, haben sich in <strong>eine</strong>m hohen Maßeausdifferenziert. Art und Intensität, Dauerhaftigkeit und Ort desZusammenlebens unterscheiden sich: Neben der <strong>Familie</strong> mit Vater, Mutterund Kind(ern) finden sich Einelternfamilien, neben ehelichen sind <strong>nicht</strong>eheliche Lebensgemeinschaften vorhanden, neben <strong>Familie</strong>n mit leiblichenKindern gibt es Stief-, Patchwork- und Pflegefamilien, nebenheterogeschlechtlichen ex<strong>ist</strong>ieren <strong>gleich</strong>geschlechtliche Lebensgemein-


schaften, neben Zweigenerationenfamilien bestehen Mehrgenerationenhaushalteund schließlich kommen neben <strong>Familie</strong>n, <strong>die</strong> an <strong>eine</strong>m Ortzusammenleben auch multilokale <strong>Familie</strong>n vor, deren Mitglieder – zumindestüber bestimmte Phasen – an unterschiedlichen Wohnorten leben.Die fortschreitende Diversifizierung ergibt sich <strong>eine</strong>rseits daraus, dass neue<strong>Familie</strong>nformen entstehen und andererseits durch Verschiebungen in derquantitativen Verbreitung einzelner <strong>Familie</strong>nformen, <strong>die</strong> sich insbesondere ander Zunahme von <strong>nicht</strong> ehelichen Geburten und von Einelternfamilien ablesenlassen. 2010 waren 19 Prozent der <strong>Familie</strong>n all<strong>eine</strong>rziehend, zwölf Jahrezuvor waren es 14 Prozent. Der Anteil <strong>nicht</strong> ehelicher Geburten hat sich seitAnfang der 1990er Jahre mehr als verdoppelt und lag im Jahr 2010 bei 33Prozent. 1Ähnlich vielfältig wie <strong>die</strong> <strong>Familie</strong>nkonstellationen sind <strong>die</strong> Alltagspraxen, wie<strong>Familie</strong> heute gelebt wird. Laut aktuellem <strong>Familie</strong>nbericht „verlieren <strong>die</strong> in der<strong>Familie</strong> vormals gegebenen Rollen und Aufgaben ihre Selbstverständlichkeit.Was <strong>Familie</strong> <strong>ist</strong> und wie sie gelebt wird, entsteht durch <strong>die</strong> alltäglicheInteraktion zwischen den <strong>Familie</strong>nmitgliedern, durch <strong>die</strong> Sinngebungen, <strong>die</strong><strong>die</strong>se an ihre <strong>Familie</strong> herantragen sowie durch <strong>die</strong> Einflüsse, <strong>die</strong> sozialeInstitutionen in <strong>die</strong> <strong>Familie</strong> hineintragen“. 2 Im Ver<strong>gleich</strong> zum ehemalsvorherrschenden Charakter der <strong>Familie</strong> als relativ stabile soziale Institution,erscheint <strong>Familie</strong> heute zunehmend als Herstellungsle<strong>ist</strong>ung, d. h. als„h<strong>ist</strong>orisch und kulturell wandelbares System persönlicher, fürsorgeorientierterGenerationen- und Geschlechterbeziehungen, das sich im <strong>Familie</strong>nverlaufbzw. im Lebensverlauf der Individuen immer wieder hinsichtlichZusammensetzung, Le<strong>ist</strong>ungen, Zeitverwendung und Bedeutung für s<strong>eine</strong>Mitglieder verändert“ 3 .Treibende Faktoren für <strong>die</strong>se Modernisierungsprozesse sind <strong>die</strong> zunehmendeErwerbseinbindung von Frauen und Müttern, aber auch gewandelteGeschlechterpraxen und -konzepte in <strong>Familie</strong>n. Zweiver<strong>die</strong>nerfamilien sowie<strong>die</strong> steigende Zahl weiblicher <strong>Familie</strong>nernährerinnen sind Beispiele für1 vgl. „<strong>Familie</strong>nreport 2011. Le<strong>ist</strong>ungen, Wirkungen, Trends“, Bundesmin<strong>ist</strong>erium für<strong>Familie</strong>, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 20122 „Zeit für <strong>Familie</strong>. <strong>Familie</strong>nzeitpolitik als Chance <strong>eine</strong>r nachhaltigen <strong>Familie</strong>npolitik.Achter <strong>Familie</strong>nbericht“, BMFSFJ 2012, S. 53 ebd.2


Indikatoren <strong>die</strong>ser Veränderungen und weisen auf erweiterteGestaltungsspielräume bei der Verwirklichung individueller Lebensentwürfehin, führen oft aber auch zu neuen Rollenkonflikten und Verunsicherungen.Im Spiegel sozialen Wandels erweisen sich <strong>Familie</strong>n mehr denn je alsdynamische, zum Teil aber auch fragile Netzwerke. Manche <strong>Familie</strong>nformenentsprechen eher vorübergehenden <strong>Familie</strong>nphasen, wie All<strong>eine</strong>rziehendenfamilien;nur ein kl<strong>eine</strong>r Teil von ihnen <strong>ist</strong> auf Dauer angelegt. 4 Kinder, Mütterund Väter erleben immer häufiger Brüche und Übergänge zwischenverschiedenen <strong>Familie</strong>nformen. Das beinhaltet <strong>gleich</strong>zeitig, dass es mehrere<strong>Familie</strong>ngründungsphasen geben kann, <strong>die</strong> mit <strong>Familie</strong>nauflösungenverbunden sind oder <strong>Familie</strong>n in neuer Zusammensetzung fortführen.Biologische, rechtliche und soziale Elternschaft fallen häufiger auseinanderund werden neu und unterschiedlich ausgefüllt. 5Das Verbindende von <strong>Familie</strong> in ihren unterschiedlichen Formen <strong>ist</strong>, dass inihr Menschen füreinander Verantwortung übernehmen und <strong>die</strong> Sorge fürKinder tragen, deren Wohlbefinden und Entwicklung ihnen am Herzen liegt.Sie stellen <strong>Familie</strong> täglich aufs Neue her – oft unter Rahmenbedingungen, <strong>die</strong>dem eher entgegenstehen als sie dabei zu unterstützen. <strong>Familie</strong>nmitgliederbetreuen, erziehen, sorgen und versorgen, organisieren den Alltag und stellenGemeinschaft her. Gleichzeitig <strong>ist</strong> <strong>Familie</strong> verstärkt ein Ort für Aushandlungengeworden, an dem es darum geht, zwischen den Bedürfnissen der einzelnenMitglieder zu vermitteln und <strong>die</strong>se in <strong>eine</strong> Balance zu bringen.Brüche, Wechsel, Loyalitäten: <strong>Familie</strong>ndynamiken undEntwicklungschancen von KindernDie zunehmende Vielfalt der <strong>Familie</strong> führt <strong>nicht</strong> automatisch zu größerenRisiken des Aufwachsens; unabhängig von der jeweils gelebten Form sind <strong>die</strong>me<strong>ist</strong>en <strong>Familie</strong>n imstande, ein gelingendes Aufwachsen von Kindern zugewährle<strong>ist</strong>en. Auch <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en Kinder fühlen sich in ihren <strong>Familie</strong>n wohl undsind gerne mit ihrer <strong>Familie</strong> zusammen; unabhängig von der <strong>Familie</strong>nform, inder sie leben. 6 Unterschiedliche <strong>Familie</strong>nkonstellationen gehen jedoch mit4vgl. „All<strong>eine</strong>rziehende in Deutschland – Potenziale, Lebenssituation undUnterstützungsbedarfe“, Monitor <strong>Familie</strong>nforschung, Ausgabe 15, BMFSFJ 20085 vgl. Peuckert, Rüdiger, „<strong>Familie</strong>nformen im sozialen Wandel“, Wiesbaden 20056 vgl. Brake, Anna, „Wohlfühlen in der <strong>Familie</strong>? Wie Mütter und 8- bis 9-jährige Kinderihr Zusammenleben bewerten“, in: Alt, Chr<strong>ist</strong>ian (Hrsg.), „Kinderleben. Aufwachsen3


spezifischen und höheren Belastungen und Risiken einher, <strong>die</strong> <strong>die</strong>Problemlösungskapazitäten und das Wohlbefinden der <strong>Familie</strong>nmitgliederbeeinträchtigen können.Aus der Perspektive der Kinder bestehen besondere Herausforderungen inder Bewältigung und Überbrückung horizontaler und vertikaler Diskontinuität.<strong>Für</strong> sie geht es unter anderem darum, <strong>die</strong> Kontinuität der Beziehung zu <strong>eine</strong>m<strong>nicht</strong> im Haushalt lebenden Elternteil, zu Geschw<strong>ist</strong>ern oder Großelternaufrechtzuerhalten, zwischen unterschiedlichen Haushalten zu pendeln und<strong>eine</strong>n multilokalen Alltag zu bewältigen oder sich in neue <strong>Familie</strong>nkonstellationeneinzufinden. Oft müssen sie mit <strong>eine</strong>r hohen Komplexität vonBeziehungen zurechtkommen, <strong>die</strong> <strong>nicht</strong> zuletzt zu Loyalitätskonflikten führenkann.Gegenwärtig wird verstärkt darüber diskutiert, ob <strong>die</strong> Struktur der <strong>Familie</strong> ansich oder vielmehr <strong>die</strong> Dynamik des <strong>Familie</strong>nverlaufs für das Wohlbefindenvon Kindern ausschlaggebend <strong>ist</strong>. Die Tendenz in der neueren Forschunggeht dahin, dabei <strong>die</strong> <strong>Familie</strong>ndynamik zu fokussieren. D. h. weniger dasMuster, sondern (wiederholte) Veränderungen der <strong>Familie</strong>nform werden vonKindern als besonders belastend empfunden. Der Wechsel zwischen<strong>Familie</strong>nformen stellt für Kinder vielfach ein einschneidendes Lebensereignisdar, das oft zu<strong>gleich</strong> mit <strong>eine</strong>r Veränderung der wirtschaftlichen Lage der<strong>Familie</strong>, <strong>eine</strong>m Wohnort- und Schulwechsel, eventuell <strong>eine</strong>r Veränderung derErwerbssituation der Eltern o. ä. verbunden sein kann. So sind Kinder, derenEltern sich haben scheiden lassen, in vielen Fällen mit <strong>eine</strong>r Verschlechterungihrer materiellen Situation konfrontiert. Sie haben somit <strong>nicht</strong> nur den Verlust<strong>eine</strong>r zentralen Bezugsperson zu verkraften, sondern müssen außerdem mitEinschränkungen im Alltag fertig werden. Aber auch dem Wechsel von<strong>Familie</strong>nkonstellationen vorgelagerte Konflikte können zu Belastungen beiKindern führen.Wichtig <strong>ist</strong> ebenso, <strong>die</strong> langfr<strong>ist</strong>ige Dynamik in den Blick zu nehmen.Längsschnittstu<strong>die</strong>n aus den USA verweisen auf bessere Entwicklungschancenvon Kindern, <strong>die</strong> in stabilen <strong>Familie</strong>nkonstellationen aufwachsen imVer<strong>gleich</strong> zu Kindern in instabilen Konstellationen, deren Lebenslage oft durchzwischen <strong>Familie</strong>, Freunden und Institutionen.“, Bd. 1 „Aufwachsen in <strong>Familie</strong>n“,Wiesbaden 2005, S. 45-624


ein Pendeln zwischen verschiedenen prekären Situationen gekennzeichnet<strong>ist</strong>. 7 Kinder, <strong>die</strong> nach Trennungen mit Beziehungsabbrüchen oder mit demEingehen neuer Partnerschaften ihrer Eltern konfrontiert sind, sind dabeibesonderen Belastungen ausgesetzt.Armut, Zeitdruck, Überforderung: Strukturelle Problemeverschiedener <strong>Familie</strong>nformenÖkonomische, zeitliche und Erziehungsbelastungen konzentrieren sichunterschiedlich auf verschiedene <strong>Familie</strong>ntypen. <strong>Politik</strong> und Fachpraxismüssen darauf angemessen reagieren, <strong>gleich</strong>zeitig aber Etikettierungenvermeiden.Kinder in Einelternfamilien sind stat<strong>ist</strong>isch häufiger von Armut betroffen alsKinder, <strong>die</strong> mit zwei Elternteilen zusammenleben, unabhängig davon, ob siemit den leiblichen Eltern oder in Stieffamilien aufwachsen. <strong>Für</strong> <strong>die</strong> jüngsteAltersgruppe <strong>ist</strong> dabei <strong>die</strong> Armutsgefährdung am höchsten und nimmt danachsukzessive ab, da mit zunehmendem Alter der Kinder mehr Müttererwerbstätig sind. 8 Erwerbstätigkeit mindert bei All<strong>eine</strong>rziehenden <strong>die</strong>Armutsgefährdung, ohne sie jedoch ganz ausschließen zu können. So beziehtjeder vierte All<strong>eine</strong>rziehenden-Haushalt trotz Erwerbstätigkeit ALG II-Le<strong>ist</strong>ungen. 9 Ohne <strong>die</strong> Personen in besonderen Beschäftigungsformen, wieMini-Jobs o. ä., liegt der Anteil der ALG II-Beziehenden unter denberufstätigen All<strong>eine</strong>rziehenden bei rund zehn Prozent, bei vollzeitbeschäftigtenAll<strong>eine</strong>rziehenden bei vier Prozent. 10Trotz <strong>eine</strong>r hohen Erwerbsorientierung all<strong>eine</strong>rziehender Mütter stehenfehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder ungeeignete Arbeitszeiten, zumTeil auch fehlende oder <strong>nicht</strong> abgeschlossene Ausbildungen, der Aufnahme<strong>eine</strong>r (umfangreicheren) Erwerbstätigkeit häufig im Weg.Auch wenn sich verschiedene <strong>Familie</strong>nkonstellationen unterschiedlichenzeitlichen Belastungen ausgesetzt sehen, gilt generell, dass <strong>Familie</strong>n <strong>eine</strong>n7 vgl. Beck, Audrey N.; Cooper, Carey E.; Mc Lanahan, Sara and Brooks-Gunn,Jeanne (2010), „Partnership Transitions and Maternal Parenting“, in: Journal ofMarriage and Family, Volume 72, Issue 2, pages 219–2338 vgl. „<strong>Familie</strong>nreport 2011. Le<strong>ist</strong>ungen, Wirkungen, Trends“, BMFSFJ 20129 vgl. „Dossier Vereinbarkeit von <strong>Familie</strong> und Beruf für All<strong>eine</strong>rziehende. Materialienaus dem Kompetenzzentrum für familienbezogene Le<strong>ist</strong>ungen im BMFSFJ“, BMFSFJ200910 vgl. „<strong>Familie</strong>nreport 2011. Le<strong>ist</strong>ungen, Wirkungen, Trends“, BMFSFJ 20125


erhöhten Zeitdruck erleben, worunter auch das Wohlbefinden von Kindernleidet.Folgt man der World Vision Kinderstu<strong>die</strong> 11 , so sind es vor allem zwei Gruppenvon Kindern, <strong>die</strong> mit der zeitlichen Zuwendung durch <strong>die</strong> Eltern unzufriedensind; zum <strong>eine</strong>n Kinder, deren Eltern arbeitslos sind und zum anderen Kindervon erwerbstätigen All<strong>eine</strong>rziehenden. In der Stu<strong>die</strong> berichten 37 Prozent der6- bis 7-jährigen Kinder von Arbeitslosen und 40 Prozent derer, <strong>die</strong> bei <strong>eine</strong>mall<strong>eine</strong>rziehenden, erwerbstätigen Elternteil aufwachsen, dass ihre Eltern bzw.ein Elternteil zu wenig Zeit für sie haben.Die zeitlichen Belastungen von Einelternfamilien ergeben sich daraus, dasssich <strong>die</strong> Verantwortung sowohl für <strong>die</strong> materielle Ex<strong>ist</strong>enzsicherung als auchfür <strong>die</strong> <strong>Für</strong>sorge- und Erziehungsle<strong>ist</strong>ungen auf den all<strong>eine</strong>rziehendenElternteil konzentriert. Gleichzeitig können zeitliche Zuwendungsdefizite durchden abwesenden Elternteil – z. B. den „Wochenendvater“ – offenbar <strong>nicht</strong>kompensiert werden.Bei <strong>Familie</strong>n mit schulpflichtigen Kindern ergeben sich für berufstätige Mütterbzw. Paare mit beidseitiger Erwerbstätigkeit, für All<strong>eine</strong>rziehende und fürEltern, <strong>die</strong> institutionalisierte Betreuungsangebote nutzen, besonders häufigProbleme bei Unterrichtsausfall, Ferienbetreuung oder Krankheit des Kindes. 12Dass sich in bestimmten <strong>Familie</strong>nformen tendenziell Belastungen verdichtenund damit das Risiko steigt, dass Eltern <strong>die</strong> Erziehungsanforderungen <strong>nicht</strong>mehr all<strong>eine</strong> bewältigen können und frühzeitiger Unterstützung bedürfen, zeigtbeispielsweise <strong>die</strong> überdurchschnittlich häufige Inanspruchnahme vonerzieherischen Hilfen in Patchwork- und All<strong>eine</strong>rziehendenfamilien. Währendbei Kindern, <strong>die</strong> mit beiden leiblichen Eltern zusammen leben, <strong>eine</strong>s von 750Kindern stationäre Erziehungshilfe in Anspruch nimmt, <strong>ist</strong> es bei Kindern inStiefelternkonstellationen <strong>eine</strong>s von 16 und bei Kindern all<strong>eine</strong>rziehenderEltern <strong>eine</strong>s von 37 Kindern, wie Analysen für Baden-Württemberg zeigen. 1311 vgl. Hurrelmann, Klaus; Andresen, Sabine und TNS Infratest Sozialforschung,„Kinder in Deutschland 2010, 2. World Vision Kinderstu<strong>die</strong>“, World Vision Deutschlande.V. (Hrsg.), Frankfurt am Main 201012vgl. „Zur Vereinbarkeitssituation von Eltern mit Schulkindern“, Monitor<strong>Familie</strong>nforschung, Ausgabe 25, BMFSFJ (Hrsg.) 2011, S. 713 vgl. „Kinder- und Jugendhilfe im demografischen Wandel. Herausforderungen undPerspektiven der Förderung und Unterstützung vonjungen Menschen und deren<strong>Familie</strong>n in Baden-Württemberg. Berichterstattung 2010“, Kommunalverband fürJugend und Soziales Baden-Württemberg, Stuttgart 20106


Müttern und Vätern zu ermöglichen, ihren Kindern <strong>die</strong> nötige zeitlicheZuwendung zu geben. zu berücksichtigen, dass <strong>nicht</strong> nur kl<strong>eine</strong>, sondern auch ältere Kinder inbestimmten Phasen, etwa in der Pubertät und Adoleszenz, in TrennungsundScheidungssituationen o. ä., besondere Zeit und Zuwendungbrauchen. ausreichende und passgenaue Angebote der <strong>Familie</strong>nunterstützung fürunterschiedliche <strong>Familie</strong>nformen vorzuhalten. der <strong>bedarfsgerechte</strong> Ausbau der frühen Hilfen, auch unter dem Aspekt derUnterstützung und Stabilisierung unterschiedlicher <strong>Familie</strong>nformen. der <strong>bedarfsgerechte</strong> Ausbau flexibler Kinderbetreuung, auch über <strong>die</strong>Phase der frühen Kindheit hinaus. niedrigschwellige Angebote für Eltern vorzuhalten, <strong>die</strong> ihrem Bedarf,Erziehungsaufgaben zu teilen und Rat und Unterstützung zu finden,entsprechen. <strong>eine</strong> niedrigschwellige Erziehungsberatung, z. B. angedockt an Kindertageseinrichtungenund Schule. <strong>eine</strong> mit Eltern gemeinsam organisierte Übergangsgestaltung, z. B. vonder Kindertageseinrichtung in <strong>die</strong> Grundschule. <strong>die</strong> Förderung von (<strong>Familie</strong>n-)Selbsthilfenetzen im Sozialraum. <strong>Familie</strong>n so zu unterstützen, dass Eltern auch Zeit für Partnerschaft bleibt.Die Kinder- und Jugendhilfe sieht sich in besonderer Verantwortung, <strong>eine</strong>kinder- und familienfreundliche Umwelt zu gestalten. Um alle genanntenMaßnahmen mit Leben zu füllen und <strong>Familie</strong>n entsprechend ihrer individuellenBedarfe zu unterstützen, sind jedoch gesamtgesellschaftliche Anstrengungenund Strategien, auch von Seiten der Wirtschaft und Arbeitswelt, nötig. DieAnsätze für <strong>eine</strong> sinnvolle Verknüpfung von finanzieller Unterstützung, demAusbau und Erhalt von Infrastruktur und ausreichender Zeit für Verantwortungin der <strong>Familie</strong> sind zu begrüßen, müssen sich aber noch mehr an denvielfältigen Bedürfnissen der gelebten familiären Alltagspraxis ausrichten.Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJBerlin, 30. November 20128

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