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M.I.A.<br />
Missing in America<br />
Animal Collective<br />
Broken Social Scene presents: Kevin Drew<br />
Hard-Fi<br />
Gentleman<br />
Talib Kweli<br />
Thomas Harlan
Wort ab<br />
Inhalt<br />
004 Monitor<br />
<strong>Intro</strong> _ Inhalt _ 003<br />
Melt! Klar, was anderes kann hier nicht an erster Stelle stehen. Zu gegenwärtig sind noch die Erinnerungen<br />
an tolle Auftritte, grandioses Wetter und, gerade wegen euch allen: die super Stimmung. Herzlichen Dank an<br />
alle, die ihren Teil dazu beigetragen haben, unser Festival zum Highlight dieses Sommers zu machen. Und<br />
da wir das alles geahnt haben, produzierte Steil die Modestrecke diesmal auf dem Gelände. Arbeitstitel:<br />
»Flatrate saufen«. Aber da die Protagonisten namhafte Autoren des Hauses sind und somit Vorbildcharakter<br />
haben (sollten), sei schnell angemerkt: Bei der Produktion dieser Strecke wurde nur Mineralwasser<br />
verabreicht. Alle Models sind hervorragende Schauspieler. Und Alkohol ist generell eh zu meiden... Ansonsten<br />
hat uns diesmal nach diversen Specials der Alltag eingeholt. Gut, gut, das ist sehr kokett ausgedrückt,<br />
schließlich bringt auch der immer besondere Momente in Pop mit sich. So durfte diesmal Heiko Behr M.I.A. in<br />
Chicago treffen, wo diese erste Konzerte zum neuen Album »Kala« gab. Dieses setzt da an, wo der Vorgänger<br />
aufhörte: Dancehall-Electro, der von der Prägung seiner Protagonistin zwischen Sri Lanka und United<br />
Kingdom zeugt. Und dabei noch ‘ne Spur souveräner und radikaler als das Debüt anmutet.<br />
Liebe Grüße aus Köln,<br />
die Redaktion<br />
001 Titel 003 Wort ab / Inhalt 004 Aufmacher: Chloé 006 Melt! 008 Monitor: Der Vergnügungspark ganz vorne<br />
010 Impressum<br />
016 Musik<br />
016 Hot Hot Heat 018 You Say Party! We Say Die! 020 Okkervil River 022 Moneybrother 024 Beach House 026<br />
Talib Kweli 028 M.I.A. 032 Der Geist des Kollektivs: Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin<br />
Drew 036 Kunstfreiheit für G-Hot 038 Menomena 040 Hard-Fi 042 The Go! Team 044 Future Dance City Berlin:<br />
Boys Noize / Wahoo / Troy Pierce / Modeselektor 046 Tel Aviv 048 Kochen mit Gentleman<br />
050 Steil<br />
050 Mix mir einen Drink 056 Roxy Jam Biarritz 058 Strandgut Clothing / DeinDesign / Nike / Zehnvierdreisieben<br />
/ Bench / Levi’s / FlyPink / Eastpak 060 Rendez-Vous Hommes Paris 062 Lockengelöt 063 Für dich<br />
065 Und so<br />
065 Urbi Et Orbi – Zur Kunst des Plakatabrisses 066 David Mackenzie / Hallam Foe 068 Thomas Harlan /<br />
Wandersplitter 070 Neue Filme 072 Neue DVDs 074 TV-Serien-Special 076 Neue Bücher 080 Flipperautomaten<br />
082 Sam & Max: Season One 084 Neue Spiele 086 Neue Technik<br />
089 Probefahrt Musik<br />
089 Charts 090 Platten vor Gericht 092 Neue Alben und DVDs 114 Heimspiel<br />
120 Das geht<br />
120 <strong>Intro</strong> empfiehlt 121 Das geht 122 Festivalguide 124 Da geht’s 128 Das ging 130 Textmarker / All The Next
004 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor _ Chloé Text: Thomas Venker _ Interview: Thomas Venker & Susanne Pospischil<br />
CHLOÉ.<br />
HOMECOMING-SET<br />
IN BIARRITZ
Es ist nicht leicht, an Chloé heranzukommen<br />
an diesem lauen Sommerabend.<br />
Nicht, da der Rummel um<br />
die französische DJ mittlerweile so<br />
groß wäre, dass sie sich in einem<br />
Strandstädtchen wie Biarritz nicht mehr ungestört<br />
bewegen könnte. Es ist ihre persönliche<br />
Geschichte mit der Stadt, die für eine vertraute<br />
Menschenmenge um sie herum sorgt. Ihre<br />
Familie stammt aus Biarritz (ein Onkel lebt<br />
hier immer noch): Hier hat sie parallel zu Paris<br />
ihre ersten DJ-Schritte gemacht (und legt regelmäßig<br />
im nahe gelegenen Spanien auf – »da<br />
im spanischen Basken-Hinterland im Gegensatz<br />
zu Biarritz eine Technoszene existiert«),<br />
und hier hat sie auch das erste Mal in ihrem Leben<br />
gesurft. Eine Leidenschaft, die sie noch immer<br />
bei jedem Besuch auslebt. Insofern war es<br />
geradezu ideal, dass sie zum »Roxy Jam« nebst<br />
angeschlossener Longboard-WM der Frauen<br />
gebucht wurde. Überhaupt sieht sie Gemeinsamkeiten<br />
der Milieus. Sowohl in der Surfals<br />
auch in der DJ-Szene haben Frauen einen<br />
schweren Stand. Es sind von Männern dominierte<br />
Szenen. <strong>Als</strong> sie zu surfen begann, waren<br />
die Jungs noch irritiert: »Klar hatten sie gerne<br />
Mädchen am Strand, aber die Wellen, die sollen<br />
wir ihnen nicht streitig machen.« Eine ignorante<br />
Haltung, die sie auch beim Aufl egen erlebt<br />
hat. Chloé begegnete ihr, indem sie sich ihr<br />
zunächst nicht stellte: Ihr DJ-Coming-out hat-<br />
te sie in der lesbischen Clubszene Paris’ rund<br />
um den Le Pulp Club. Hier legte sie gemeinsam<br />
mit Jennifer Cardini und Ivan Smagghe den<br />
Grundstein für das, was wir heute als die Pariser<br />
Technoszene kennen. Mittlerweile haben<br />
sie und ihre Freunde mit Labels wie Karat, Tigersushi<br />
und Katapult den Sound und die Botschaft<br />
dieser familiären Szene längst in die<br />
Welt getragen – und sich selbst erfolgreich positioniert.<br />
Die Clubnacht im Le Pulp hieß übrigens<br />
»KillTheDJ«, genauso wie das gemeinsame<br />
Label der Clique, auf dem nun auch das<br />
Debütalbum Chloés erscheint. Es dürfte keinen<br />
wundern, dass ihre Art, mit diesem umzugehen,<br />
eine sehr emphatische mit feingliedriger<br />
Dramaturgie ist. Ganz wie ihre Freunde vom<br />
Dial-Label – bei unserem Treffen erscheint sie<br />
passend im Hamburger Bohemian-Look mit<br />
Hemd und umgelegtem Pullover, sehr stillvoll,<br />
ja, fast schon glamourös, aber eben auf eine dezente,<br />
zurückgenommene Art – will sie mehr<br />
rüberbringen als nur die klare Botschaft der<br />
Bassdrum. Nicht nur, dass sie nicht die Langsamkeit<br />
scheut, sich gefühlvoll herantastet,<br />
es ist vor allem eine Offenheit für Experimente,<br />
die ... Nein, das greift zu kurz, das hier geht<br />
darüber hinaus, ist Teil einer Schule des Zuhörens,<br />
des sich nicht Wegwendens. Natürlich<br />
zieht sie im Verlauf das Tempo an. Natürlich<br />
lässt sie auch hier wie in ihren Sets die Bassdrum<br />
sprechen. Und natürlich wollen wir das<br />
<strong>Intro</strong> _ Monitor _ Chloé _ 005<br />
genau so haben. Überhaupt. Genau jetzt wollen<br />
wir es haben. Und auch die Freunde warten<br />
bereits vorm DJ-Pult, neben dem die Sonne<br />
den ihr angedachten Untergang bereits halb<br />
performt hat. Die zweite Hälfte wird Chloé mit<br />
knarzigem, Acid-angehauchtem Techno begleiten.<br />
Schon heftig für einen Cocktail-Empfang.<br />
Aber auch hier gilt: Die Handschrift prägt den<br />
Sound. Sie bringt so viel Wärme ein, dass alle<br />
nur lächelnd mitwippen und gar nicht mitbekommen,<br />
wie energisch das Set eigentlich angelegt<br />
ist. Bei ihrem zweiten Set des Tages, gegen<br />
Mitternacht in einem Etepetete-Club am<br />
Stadtstrand von Biarritz, sollten wir aber nicht<br />
mit so viel Konsequenz rechnen, warnt sie uns.<br />
Sie habe vorhin schon dem Betreiber ihren<br />
Sound beschreiben müssen. Das sei eben ein<br />
– und dann macht sie eine reibende Handbewegung<br />
mit Daumen, Zeige- und Mittelfi nger<br />
– Club, in dem es mehr um das Sehen und Gesehen-Werden<br />
gehe und um Geld. Das sei überhaupt<br />
das Problem in Frankreich: Man könne<br />
zwar, wenn man es in Paris geschafft hat, überall<br />
spielen, »aber in der Regel haben selbst große<br />
Städte wie Bordeaux und Nantes nur einen<br />
Laden – und kleine wie Biarritz eigentlich gar<br />
keinen«, wo sie ihren Sound aufl egen kann.<br />
Chloé<br />
The Waiting Room<br />
CD // Kill The DJ / Nocturne / VÖ 10.10.
006 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor _ Melt 2007<br />
MELT! #10<br />
Deichkind<br />
Polarkreis 18<br />
Dendemann<br />
Du x 16.000<br />
I‘m From Barcelona auf Konfetti<br />
Totenkopf – Rassel. Schick.<br />
Digitalism links, rechts: »Wurst« und »Käse« sind<br />
das »Love« und »Hate∑« 2007? Na dann.
Fotos: Arne Sattler<br />
Der dicke Zauberer von Deichkind<br />
»Ich glaube, ich war nach einem Festival<br />
noch nie so gut gelaunt, sogar jetzt, drei<br />
Tage danach, bin ich immer noch glücklich.<br />
Ab und zu erwische ich mich sogar<br />
Kopfnickend durch die Stadt laufend,<br />
ohne dass ich Musik höre oder ein Lied<br />
in meinem Kopf habe. Meine Lebenseinstellung<br />
hat sich irgendwie geändert. Ich<br />
bin total entspannt, nur noch freundlich<br />
zu anderen und das Neueste....ich bin geduldig<br />
geworden. Hört sich alles vielleicht<br />
blöd an. Aber das MELT! war einfach nur<br />
das Beste, was ich bis jetzt in meinem<br />
ganzen Leben erlebt habe.........Danke an<br />
alle netten Leute, die dort waren. Genießt<br />
weiterhin euer Leben. Man sieht sich<br />
dann nächstes Jahr!!!«<br />
saddlecreekfreak 18.07.2007 17:09:59<br />
auf www.intro.de<br />
Lady Sovereign<br />
I‘m From Barcelona oben, Jeans Team rechts<br />
Tocotronic<br />
Kelis<br />
Hot Chip. Auftritt: glatte 1. Brillen: 5 – 6.<br />
<strong>Intro</strong> _ Monitor _ Melt 2007 _ 007<br />
Auf intro.de: Zahllose Melt-Auftritte im<br />
Video-Stream, Video-Interviews mit fast<br />
allen Acts und mucho Vorfreude auf 2008.<br />
www.meltfestival.de<br />
DANKE
008 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />
DREI FRAGEN AN<br />
OLIVER USCHMANN<br />
Du wanderst eine längere Lesetour<br />
von Ende August barfuß. Ist das inspiriert<br />
von Kerkeling und Andrack<br />
– oder bist du nur wahnsinnig? Ich mache<br />
quasi die Dreifaltigkeit laufender Humoristen<br />
perfekt: Hape pilgerte, Manuel wanderte,<br />
und ich wandele. Der Wandeler geht in der<br />
Natur auf, vor allem dadurch, dass er barfuß<br />
läuft. Außerdem geht er gern querfeldein, er<br />
ist Dekonstruktivist, er lässt sich die Kategorie<br />
»Weg« nicht vorschreiben. Er ist die kontemplative<br />
Version der Parcours-Läufer in den<br />
Städten.<br />
Du hast tatsächlich deine Festanstellung<br />
gekündigt, um dich lieber als (Pop-) Lite-<br />
rat durchzuschlagen. Bist du denn so erfolgreich?<br />
Oder stimmt am Ende das Buch »Wir<br />
nennen es Arbeit«, und Festanstellung und<br />
Krankenversicherung sind ein unzeitgemäßer<br />
Klotz am Bein? Mein Nachfolger bei Visions<br />
sagte einmal so schön: »Ich gehe jetzt nach<br />
Hause, im Büro schafft man ja nichts.« So ist<br />
das, und das macht einen arbeitssüchtigen<br />
Freigeist wahnsinnig. Festanstellung bedeutet<br />
heute, 85 % seiner Zeit in einem Negativ-Flow<br />
aus unsinnigen Mails, überfl üssigen Telefonaten,<br />
Flurfunk, Plätzchen und Kaffee zu verbringen.<br />
Unterbrechung ist die Regel, Konzentration<br />
absolute Ausnahme. Das ist überall so, aber<br />
so kann man auf Dauer weder Romane schrei-<br />
»<br />
Woher kennt ihr denn alle<br />
den Text? Wir haben doch gar<br />
keine Platten verkauft!«<br />
Philipp von Deichkind zum Melt!-Publikum, als dieses bei »Remmi Demmi« sogar die Rap-<br />
Parts mitbrüllen kann. So entfesselt hat man das sonst so düstere Dilemma der rückläufi gen<br />
CD-Käufe noch nie auf den Punkt gebracht bekommen.<br />
ben noch sein Leben organisieren.<br />
Du hast mit den Figuren »Hartmut und ich«<br />
jetzt auch das dritte Buch besetzt. Geht es<br />
mit ihnen noch weiter, oder sehnst du dich<br />
jetzt langsam mal nach anderen Charakteren?<br />
Ach, Nebenschauplätze habe ich ja genug,<br />
hier mal eine Geschichte in »Am Erker«,<br />
da ein Aufsatz im ersten Band der »Kafka-Gesellschaft«.<br />
Die hartmuteske Welt bleibt allerdings<br />
der rote Faden. Warum sollte sie schon<br />
fertig sein? Fragt ihr auch JJ Abrams, warum<br />
er »Lost« auf acht Staffeln angelegt hat? War<br />
selbst Kafka nicht recht eintönig? Immer wieder<br />
diese Betten, Türschwellen, Türen, Flure.<br />
Akt. Buch »Wandelgermanen« (Fischer Verlag)<br />
IN DER ZITATHÖLLE<br />
Mit Venom »Welcome To Hell« und Vegan »Welcome<br />
To Health« (siehe http://vegan-wonderland.de)
VERZWEIFELT GESUCHT<br />
PHIL DAUB<br />
Karriere-Warm up bei Viva: Phil Daub,<br />
Heike Makatsch und Niels Bokelberg<br />
Phil Daub, Viva-Moderator der ersten<br />
Generation of »Metalla«- und<br />
»WahWah«-Fame. Der schöne Rokker<br />
mit den großen verträumten Dackelaugen,<br />
der sexy schnurrenden Stimme. War<br />
von 1994 bis 2001 dabei. Nach dem Ausstieg<br />
ein kurzes Zwischenspiel im Sakko<br />
als Quizshow-Host bei RTL2s famoser Rate-<br />
KATZ UND GOLDT:<br />
WESTPROPAGANDA-CARTOON ENDLICH ÜBERSETZT<br />
show »Multi-Millionär«. Mittlerweile Produzent<br />
elektronischer Musik, zwischen<br />
Kaffeehaus-Drum’n’Bass, Goa-Trance und<br />
Enigma. Hat zwei Alben raus, »Troponina 1«<br />
(2005) und »Light Of Darkness« (2006). Und<br />
jetzt? Etwa 40, bezeichnet sich in seinem<br />
Tagworld-Profi l (www.tagworld.com/phildaub/)<br />
als »Human Being«. Nennt auf seiner<br />
MySpace-Seite unter anderem Spirits,<br />
Chi, Love, Heaven, Wind und sich selbst als<br />
Einfl üsse. Muss man sich Sorgen machen?<br />
Keineswegs: Bei der dänisch-deutsch-französischen<br />
Märchen-TV-Serie »Das hässliche<br />
Entlein & ich« hat er die Synchronsprech-Rolle<br />
von Ratte Nummer #2 an Land<br />
gezogen. Und mit »Nettwerk Cölln« eine eigene<br />
MySpace-Gruppe aus dem Boden gestampft.<br />
Letzter Stand: bereits 124 Mitglieder!<br />
Kein Wunder bei solch einer Einladung:<br />
»Deshalb lad DU einfach jeden netten Kölner,<br />
den DU kennst, in diese Gruppe ein,<br />
und Rubbeldiekatz wird’s nett und kuschelig,<br />
und es hagelt nette Kölner, und alle<br />
freuen sich. Ist das nett?« Äh, ja, natürlich.<br />
Till Stoppenhagen<br />
<strong>Intro</strong> _ Monitor _ 009<br />
Dass sich im Netz ein <strong>Intro</strong>-Katz-&-Goldt-Beitrag fi ndet, wäre bestimmt kein Erstaunen wert.<br />
Aber so schön in Kyrillisch übersetzt, da guckt man gern zweimal hin. Und hofft natürlich, dass der<br />
freundliche Sinn gut übertragen wurde und die russische Community uns nun als verschmitzte<br />
Aufklärer wahrnimmt. Und nicht etwa als selbstgerechte Verhöhner. Wer’s wieder zurückübersetzen<br />
kann, möge Bescheid geben.<br />
PROMO-ITEM DES MONATS<br />
STAHLHELM<br />
Kollege Felix »ausgemustert« Scharlau behauptet<br />
immer noch, in dem Helm wäre vielleicht<br />
sein Großonkel gestorben. Andererseits<br />
könnte es sich hier aber auch nur um eine Requisite<br />
aus dem Deppen-Film »NVA« von Detlev<br />
Buck handeln. Wie dem auch sei: Der Promo-<br />
Effekt hat sich eingestellt. Und dafür mussten<br />
die Betreiber des Spiels »Hour Of Victory« nur<br />
50 Euro Porto zahlen und ein Bundeswehr-Depot<br />
überfallen. Das ist Einsatz.<br />
INTRO INTIM<br />
@ POPKOMM 2007<br />
21.09. Trentemøller live in concert,<br />
Op:l Bastards, Warren Suicide,<br />
Frozen North Special ft. Jussi Pekka u.a.<br />
Berlin / Maria ... weitere Highlights geplant ...<br />
Update/Info/Ticket: www.intro.de/introducing
010 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />
IMPRESSUM<br />
Verlag <strong>Intro</strong> GmbH & Co. KG, Postfach 19 02 43, 50499 Köln<br />
Fon (0221) 9 49 93-0, Fax (0221) 9 49 93 99<br />
Mail intro@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de<br />
Herausgeber Matthias Hörstmann<br />
Chefredakteur Thomas Venker<br />
Redaktion Peter Flore (Online), Wolfgang Frömberg, Boris Fust,<br />
Matthias Hörstmann, Daniel Koch, Susanne Pospischil (Mode & Foto),<br />
Felix Scharlau, Linus Volkmann, Kristina Engel (Lektorat)<br />
Geschäftsführer Marketing & Online Matthias Fricke<br />
Projektmanagement & Personal Rebecca Wast<br />
Events Stefan Lehmkuhl (Leitung), Hendryk Martin, Julia Gudzent,<br />
Sebastian Siegmund – Büro Berlin, Greifswalder Str. 224,<br />
10405 Berlin, (030) 4 43 18 99-0, termine@intro.de<br />
PraktikantInnen Manuel Czauderna, Philipp Jedicke, Elisa Malzkorn,<br />
Andrea Anez, Michael Noll, Nils Wiere<br />
News news@intro.de<br />
Programmierung & Datenbanken Jan Plogmann (Leitung),<br />
Oliver Zeyen, Sandro Boege<br />
Artdirection Holger Risse (Jürgen und ich)<br />
Layout Jörn Osenberg (osi)<br />
Vertrieb Niels Kleimann (-41 / Leitung), Thomas Lorber,<br />
Sebastian Siegmund (Berlin, Ost)<br />
Abo / Administration Johannes Röder, abo@intro.de<br />
Public & Media Relation Dirk Völler<br />
Anzeigenleitung & Administration Christian Schlage (-12/ Leitung),<br />
Johannes Röder (-14)<br />
Fon (0221) 9 49 93-12, Fax (0221) 9 49 93 88, Leonardo (0221) 9 49 93 66<br />
Head of Marketing & Sales Oliver Bresch (-13)<br />
Marketing & Sales Martin Lippert (-17), Pete Schiffler (-19), Hendryk<br />
Martin (-32), David Winter (-63)<br />
Tonträger Matthias Fricke (-15), Matthias Hörstmann (-11)<br />
Konzertagenturen Stefan Lehmkuhl (030) 4 43 18 99 18<br />
Regionale Kunden Sebastian Siegmund (030) 4 43 18 99 17<br />
Aktuelle Anzeigenpreisliste Nr. 14 (10/2003)<br />
Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G.<br />
BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900<br />
AutorInnen Alex Bechberger, Bernd Begemann, Dirk Böhme, Dana<br />
Bönisch, Georg Boskamp, Jochen Brandt, Andreas Brüning, Silke Bücker,<br />
Lars Bulnheim, Christoph Büscher, Uwe Buschmann, Martin Büsser,<br />
Cay Clasen, Calle Claus, Kerstin Cornils, Lina Dinkla, Jürgen Dobelmann,<br />
Henrik Drüner, Sonja Eismann, Rasmus Engler, Klaus Fiehe, Holm<br />
Friebe, Jens Friebe, Marco Fuchs, Boris Fust, Kerstin Grether, Sandra<br />
Grether, Andreas Grüter, Lutz Happel, Lee Hollis, Silke Hohmann, Ulf<br />
Imwiehe, Sebastian Ingenhoff, Alexander Jürgs, Jan Kage, Christian<br />
Kahrmann, Arnold Kant, Olaf Karnik, Jan Kedves, Kai Klintworth,<br />
Felix Klopotek, Felix Knoke, Christoph Koch, Jörg Koch, Hendrik Kröz,<br />
Jeffrey Kubiak, Alexander Lazarek, Eric Leimann, Aram Lintzel, Hannes<br />
Loh, Jasmin Lütz, Thomas Markus, Oliver Minck, Dörte Miosga, Dirk<br />
Mönkemöller, Jörn Morisse, Severin Most, Tobias Mull, Wolfgang A.<br />
Müller, Michael Münz, Felix Mutter, Markus Naegele, Tobias Nagl,<br />
Jasper Nicolaisen, Ralf Niemczyk, Florian Opitz, Sven Opitz, Rainer Ott,<br />
Jan Pehrke, Bernhard Przybilla, Nils Quak, Arno Raffeiner, Andreas<br />
Reihse, Anja Reinhardt, T.L. Renzsche, Martin Riemann, Ingo Rieser,<br />
Thomas Ritter, Vanessa Romotzky, Gerd Rosenacker, Moritz Sauer,<br />
Frank Sawatzki, Joachim Schaake, Max Scharl, Susanne Schmetkamp,<br />
Frank Apunkt Schneider, Matthias Schneider, Andreas Schnell,<br />
Barbara Schulz, Frank Schuster, Bernd Seidel, Sascha Seiler, Christian<br />
Steinbrink, Till Stoppenhagen, Barbara Streidl, Jörg Sundermeier, Klaas<br />
Tigchelaar, Markus Tomsche, Thees Uhlmann, Benjamin Walter, Klaus<br />
Walter, Matthias Weber, Ralf Weihrauch, Alexandra Welsch, Burkhard<br />
Welz, Christian Wessels, Christian Werthschulte, Franzi Widenmann,<br />
Gregor Wildermann, Roland Wilhelm, Meike Wolf, Peter Wolff, Vina Yun,<br />
Sascha Ziehn<br />
FotografInnen Jean Balke, Monika Bender, Lena Böhm, Barbara<br />
Donaubauer, Sibylle Fendt, Jonathan Forsythe, Dominik Gigler,<br />
Gerrit Hahn, Rainer Holz, Christian Knieps, Miriam Lindthaler,<br />
Sebastian Mayer, Elke Meitzel, Ela Mergels, Monica Menez, Majid<br />
Moussavi, Reiner Pfisterer, Edzard Piltz, Nadine Preiß, Nils Rodekamp,<br />
Claudia Rorarius, Katja Ruge, Arne Sattler, Frank Schuberth, Marc<br />
Seebode, Sandra Steh, Sandra Stein, Oliver Tissen, Maxi Uellendahl,<br />
Christoph Voy, Justin Winz, Henk Wittinghofer, Oskar Ziemba und<br />
Pressefotofreigaben<br />
Coverfoto letzte Ausgabe Claudia Rorarius<br />
Termine für Nr. 154 / Oktober 2007<br />
Redaktionsschluss 24.08.2007<br />
Termin- & Anzeigenschluss 29.08.2007<br />
Druckunterlagenschluss 04.09.2007<br />
Erscheinungstermin 13.09.2007<br />
Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen<br />
Geprüfte Verbreitung<br />
<strong>Intro</strong> II. Quartal 07<br />
Druckauflage: 138.690<br />
Verbreitung: 135.566<br />
Vertrieb an 2.019 Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet<br />
und Ausland, über diverse Mailorder sowie im Abonnement<br />
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, Inhalt aus 100% Altpapier<br />
Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom<br />
Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit<br />
schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete<br />
Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine<br />
Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!<br />
MEIN PLATTENLADEN<br />
MIT HITSVILLE<br />
Wann wurde der Laden gegründet?<br />
Gegründet unter dem Namen<br />
Hitsville wurde der Laden<br />
1986, war praktisch das Nachfolgegeschäft<br />
von Pure Freude. Ich habe Hitsville 1994<br />
übernommen.<br />
Genres – was ist eure Ausrichtung? Eigentlich<br />
alles, was rockt – von den 50ern bis<br />
heute, von Gitarre bis Elektronik – alles neu<br />
oder gebraucht.<br />
Best verkaufte fünf Alben ever (gefühlt)?<br />
O.S.T. »Pulp Fiction«, Turbonegro »Apocalypse<br />
Dudes«, Social Distortion »White<br />
Light White Heat«, Propellerheads »Decksandrumsandrockandroll«,<br />
Kassierer »Heiliger<br />
Geist«, Oasis »What The Story ...«<br />
Aktuelle fünf Top-Seller? Tocotronic »Kapitulation«,<br />
White Stripes »Icky Thump«, Editors<br />
»An End Has A Start«, QOTSA »Era Vulgaris«,<br />
Neurosis »Giving To The Rising«<br />
Wie erreicht euch die und wie reagiert<br />
ihr auf die Krise des Tonträgerhandels?<br />
Auch ich höre immer mehr: »Hab ich mir<br />
schon gebrannt oder runtergezogen ...«<br />
Oder Leute, die sich vielleicht eine Scheibe<br />
im Monat holen, aber dann das komplette<br />
Programm präsentiert haben wollen – so<br />
funktioniert der ganze Apparat halt nicht.<br />
Aber das ist der Zahn der Zeit, totale Reizüberfl<br />
utung. Was heute in einem Monat an<br />
CD/LPs besprochen wird, gab’s früher in<br />
dreien nicht. Aber da kann man den Leuten<br />
keinen Vorwurf machen, ich versuche, unser<br />
Programm zu fi ltern, mehr Qualität zu<br />
bieten und vorwiegend Tonträger anzubieten,<br />
wo ich hinterstehe. Das alles gepaart<br />
mit Freundlichkeit ... Dann klappt’s auch<br />
mit dem Kunden. Hoff’ ich ...<br />
Welche anderen Plattenläden deiner Stadt<br />
kannst du noch empfehlen? Etwas kommerzieller<br />
bzw. konservativer ausgerichtet<br />
ist A&O, aber für den Düsseldorfbesucher<br />
als Ergänzung zu empfehlen.<br />
Gibt es eine witzige Anekdote, die du zu<br />
deinem Plattenladen raushauen könntest?<br />
Mmh, Antiseen haben im Laden gespielt,<br />
danach sah’s aus wie im Männerwohnheim.<br />
Und was ich im Nachhinein<br />
auch noch ziemlich witzig fand: Eines Tages<br />
kam ein Mädel rein, die bekannt dafür<br />
war, sich öfter Jungs an Land zu ziehen, die<br />
Paul-Weller-Lookalikes sind, und auch diesmal<br />
enttäuschte sie nicht, der kam schon<br />
nah ran – dachte ich ... Das erste Mal stutzig<br />
wurde ich, als er sich höfl ich auf Englisch<br />
verabschiedete. Kurze Zeit später kam<br />
ein aufgeregter Kunde: »Paul Weller läuft<br />
durch die Stadt!« Sie hatte es tatsächlich<br />
geschafft ...<br />
Genaue Anschrift plus Webseite<br />
Hitsville Records, Wallstraße 21, 40213 Düsseldorf,<br />
Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr, www.<br />
hitsville.de, info@hitsville.de
»<br />
Ich kann mich an nichts erinnern. Einzig und allein an<br />
die Überraschung, mit welcher Geschwindigkeit die<br />
Mittagshitze auf die Morgendämmerung folgt.«<br />
So beginnt Boris Fusts »schönster Melt-Moment«. Seinen und noch viele mehr fi nden sich auf intro.de<br />
Layer, Layer und dann noch ein Layer –<br />
»Close to Paradise« ist ausgesprochen<br />
verspielt. Wie viele Lichtjahre musstet<br />
ihr euch mit score writing befassen? Ursprünglich<br />
haben wir uns als Teil eines Kunstprojekts<br />
gegründet. Zwischendurch machen<br />
wir zudem Filmmusik. Insofern sind wir geübt<br />
in Arbeitsweisen, die eine gewisse Vorausplanung<br />
erfordern. Unsere ersten beiden Alben<br />
hatten daher ein wenig etwas von einem<br />
Soundtrack.<br />
3 FRAGEN AN<br />
PATRICK WATSON<br />
Wie viel Raum bleibt dabei für Spontaneität?<br />
Inzwischen sind wir ja eine richtige Band, kein<br />
Kunstprojekt mehr. Von daher: Jede Menge.<br />
Wir stecken lediglich vorher eine Begrenzung<br />
ab, um zu entscheiden, zwischen welchen Polen<br />
wir uns bewegen wollen. Dazwischen geht<br />
dann aber alles.<br />
Live geht ja auch alles: Mal spielt ihr großartig,<br />
mal ziemlich beschissen. Das ist sehr<br />
stark abhängig vom Publikum. Auf Showcases<br />
vor Business-Volk fühlen wir uns unwohl<br />
FANG DEN HUMMER<br />
JAPAN<br />
GANZ UNTEN<br />
<strong>Intro</strong> _ Monitor _ 011<br />
Ja, auch wir lieben diese Greifautomaten, bei<br />
denen man immer nur dann gewinnt, wenn »gerade<br />
niemand zugesehen hat«. Aber da geht es<br />
um Plüschtiere oder Fußbälle. Lebende Hummer<br />
auf diese Weise zu angeln ist aber mit das<br />
Krankeste, das wir seit langem gesehen haben.<br />
Bitte stechen Sie den vornehmlich japanischen<br />
Aufstellern und Nutzern dieser Automaten bei<br />
Gelegenheit die Reifen platt.<br />
und spielen auch entsprechend. Wenn wir aber<br />
das Gefühl haben, dass man uns zuhört, befl ügelt<br />
uns das. Und wenn’s dann doch schlecht<br />
läuft, schreien wir uns hinterher an. Jedenfalls<br />
könnten wir nicht auf die Bühne gehen und<br />
einfach unseren Job machen – schon allein deshalb<br />
nicht, weil es ein Job mit mieser Bezahlung<br />
wäre.<br />
Die Fragen stellte Borussia Fust<br />
Akt. Album: »Close To Paradise« (V2 / Universal)
012 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />
Neu<br />
AUF INTRO.DE<br />
Neue Videos und Audiofi les von:<br />
Hot Chip, Hard-Fi, Yeah Yeah Yeahs, Smashing<br />
Pumpkins, Architecture In Helsinki, M.I.A.,<br />
Menomena, Tegan And Sara, Caribou, Róisín<br />
Murphy, Moneybrother, Kevin Drew, dazu<br />
ausgewählte Konzert-Bits von fabchannel.com<br />
Interviews mit: Stars, Portugal.The Man, The<br />
Robocop Kraus, José González, Andrew Bird,<br />
Ben Weaver sowie Heftstory-Lang-Versionen.<br />
The Maccabees: Woher haben die ihren<br />
Namen jetzt eigentlich? Aus ihrer Verehrung<br />
eines milliardenschweren Ex-Beatles? Oder<br />
doch durch zufälliges Blättern in der Bibel.<br />
Das und viel mehr über die UK-Hopefuls aus<br />
Brighton in unserer exklusiven Online-Story.<br />
Log<strong>Intro</strong>-Party: Die <strong>Intro</strong>-Community feiert.<br />
Am 02.10.07 in der Kölner Kneipe Gottes Grüne<br />
Wiese. Das alljährliche Offl ine-Treffen – mehr<br />
dazu im Forum und auf intro.de.<br />
Das war das Melt! 2007: Die Retrospektive:<br />
Nachberichte , Bildergalerien und teilweise<br />
komplette Live-Konzerte mit Hot Chip, Jeans<br />
Team, Dendemann, Digitalism, The Rifl es<br />
und noch vielen mehr! Dazu tonnenweise<br />
Videointerviews mit den Melt!-Acts und<br />
Eindrücke rund um das Jubiläums-Fest in<br />
Ferropolis. Man möchte weinen vor Glück.<br />
Blog<strong>Intro</strong>: Listenwesen, Netz-Nerdism und<br />
teilweise recht gelungene Gags, täglich im<br />
Blog. www.intro.de/blog<br />
Usergalerie-Foto<br />
des Monats:<br />
Jean Sieseby<br />
www.intro.de/galerie/<br />
view/1184890943<br />
» Ich kann auch fummeln wie ein<br />
Weltmeister. Wo ich hinkomme,<br />
wächst kein Gras mehr.«<br />
<strong>Intro</strong> aus Bulgarien<br />
Hoppla? Können wir die vielleicht<br />
verklagen? Oder die<br />
uns? Ach, auf keinen Fall.<br />
Wer diesen Titel trägt, muss<br />
ein gutes Herz haben. Grüße<br />
an alle <strong>Intro</strong>s weltweit.<br />
Diese zwei Sätze muss man sich extrem spackig intoniert<br />
vorstellen. Dann hat man eine kleine Idee von der<br />
Kurzhörspiel-Sammlung »Der Schorf-Opa« mit und von<br />
Heinz Strunk. Es gibt reichlich Jingles und hochpointierte<br />
Comedy. Fanfreundlich und komisch.<br />
Akt. Hörspiel »Der Schorf-Opa« (Tacheles / Indigo)<br />
ZWEI WIE WIR, DIE DÜRFEN SICH<br />
NIE VERLIEREN<br />
Mit Dave Gahan und Heinz Strunk (in den 80ern)<br />
DAS INTRO-SPUTNIK MAGAZIN<br />
Über ein halbes Jahr gibt es unsere Sendung schon, und eine geschätzte Milliarde Podcast-Abonnenten<br />
können nicht irren. Da lassen wir doch die Sektkorken mal mit diesen<br />
Song-Battles knallen. Aua, mein Auge.<br />
06.09. Ausposaunt – Tocotronic »Let There Be Rock« vs. Europe »The Final Countdown«<br />
13.09. Stars und Sternchen – Stars »The Night Starts Here«<br />
vs. Die Sterne »Was hat dich bloß so ruiniert?«<br />
20.09. Ich! Werd!! Bekloppt!!! Ausrufezeichen!!!!! – The Go! Team »Doing It Right«<br />
vs. You Say Party! We Say Die! »Downtown Mayors«<br />
27.09. Krieg und Frieden – PeterLicht »Wir werden siegen« vs. Tocotronic »Kapitulation«<br />
Das <strong>Intro</strong>-Sputnik Magazin: jeden Donnerstag und Sonntag 21h bis 22h auf MDR Sputnik. Unter<br />
www.intro.de/sputnik auch als Podcast abonnierbar und via Player im Stream zu hören.
014 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />
DISCO AMORE<br />
DIE MÄDCHEN<br />
Band treffen, Interview mit ihnen machen,<br />
Text schreiben. So läuft’s gewöhnlich. Christopher<br />
Tauber alias Piwi aus Offenbach zieht<br />
die Sache dagegen ganz anders auf. Er hängt<br />
mit Künstlern rum, bestaunt sie, trinkt einen<br />
mit und zeichnet später Comics drüber. Indie-<br />
Fame erlangte dieses sehr niedlich umgesetzte<br />
Prinzip in dem Buch »Inter View« (Ventil,<br />
2002). Jetzt erscheint »Disco Amore«, in dem<br />
Piwi diesmal lediglich und dafür ganz ausführlich<br />
die Abenteuer von zwei DJ-Mädchen (Disco-Amore<br />
eben) festhält. Beide spielen auch in<br />
der Band Good Heart Boutique, fürs Vorwort<br />
trug Klaus Cornfi eld von Katze Sorge. Alles<br />
also superputzig. Ein Comic wie ein Welpenstreichelgehege.<br />
Akt. Buch »Disco Amore« (Zwerchfell Verlag)<br />
TOP 7<br />
DAS GEHT AUF<br />
KEINE KUHHAUT!<br />
01 You Say Party! We Say Die!<br />
myspace.com/yousaypartywesaydie<br />
02 I Love You But I’ve Chosen Darkness<br />
myspace.com/chosendarkness<br />
03 And You Will Know Us By The<br />
Trail Of Dead<br />
myspace.com/trailofdead<br />
04 Casiotone For The Painfully Alone<br />
www.myspace.com/cftpa<br />
05 Suburban Kids With Biblical Names<br />
myspace.com/suburbankidswithbiblicalnames<br />
06 Someone Still Loves You Boris Yeltsin<br />
myspace.com/boris<br />
07 The Presidents Of The United States<br />
Of America<br />
myspace.com/thepresidentsoftheunited-<br />
statesofamerica<br />
Kurz und knapp und immer auf Braut-, äh,<br />
Freundesschau: www.myspace.com/intromagazin<br />
NEUE PROBLEME<br />
BUNTE BILDER<br />
Ausgabe #37: September 1996<br />
Titel: Rockers Hi-Fi<br />
Interviews mit: Funki Porcini,<br />
Gert Wilden, Sebadoh, Ween,<br />
Murphy’s Law, The Dirty Three<br />
Erster bei Platten vor Gericht:<br />
Dimitri From Paris »Sacrebleu«<br />
Letzter bei Platten vor Gericht:<br />
Hayden »Everything I Long For<br />
You«<br />
Zitat: »Wir hier im Labor dieses<br />
Magazins gehen wie folgt vor:<br />
Wir legen die Disc von Caspar<br />
Brötzmann und Page Hamilton in<br />
einen Player. Nach dem leichten<br />
Druck auf den Wiedergabeknopf<br />
vernehmen Sie nun eine ohrenbetäubende<br />
Kakophonie. Nun neh-<br />
Backissues unter www.intro.de/heftarchiv<br />
INTRO VOR 11 JAHREN<br />
men wir zusätzlich einen handelsüblichen<br />
Fön in Betrieb und<br />
horchen mal, ob sich der Klangeindruck<br />
entscheidend verändert.«<br />
Zu lesen in der Brötzmann-Kritik.<br />
Spektakel: Whirlpool Productions<br />
»Dense Music«, Nas »It Was<br />
Written«, Tuesday Weld »Tombola<br />
Illustrata«, C.O.C. »Wiseblood«<br />
Aus den Redaktionscharts: Rockers<br />
Hi-Fi »Mish Mash«, Zion<br />
Train »Grow Together«, Ween »12<br />
Golden Country Greats«<br />
Besondere Vorkommnisse: Zu<br />
der Zeit existiert eine Band mit<br />
dem Namen Sick For Toys, die begeistert<br />
beworben wird mit einer<br />
Anzeige folgenden Textes: »End-<br />
Fanzine – das bedeutet zumeist Situationismus<br />
und Ruin. Bei der Nummer<br />
zwei von Neue Probleme setzt<br />
man vor allem auf die zweite Komponente,<br />
denn das Ding ist nicht auf Bier<br />
und mit Klebestift hingeschludert,<br />
sondern<br />
komplett wertig<br />
gemacht. Wie aufmerksam. Der arty<br />
Gipfel sind doppelseitige Farbdrucke<br />
mit bisschen Kunst für<br />
zu Hause. Der 2003 verstorbene<br />
Wesley Willis ist mit einem<br />
Panaroma-Bild dabei (das auch<br />
schon seine »Greatest Hits<br />
Vol. 2« schmückte), sowie<br />
Matt Furie und Jenny Mörtsell. Zudem<br />
viele individuelle Storys, deren Glanz von<br />
der Kunstfertigkeit des jeweiligen Autoren<br />
abhängt (u. a. Sebastian Ingenhoff, der<br />
ohne Scheu über seine erste E auf einem<br />
lange vergangenen <strong>Intro</strong>ducing berichtet).<br />
Besonders schön auch, wie Amélie, Elisabeth<br />
und Katharina im Dialog ihr Interview<br />
mit Erlend Øye rekonstruieren müssen.<br />
Das Skript wurde Letzterer nämlich beim<br />
Spanienurlaub geklaut. Und sie musste voll<br />
weinen. So was steht da. Wie nett!<br />
Zu beziehen für acht Euro<br />
über www.neue-probleme.de<br />
»Sonnenaufgang am Samstag, Dutzende Versehrter<br />
schleppen sich schweigend Richtung See-Ufer. Ihre schwarzen<br />
Silhouetten ergeben eine Szene aus ›Dawn Of The Dead‹.<br />
Highlights: Bester Tocotronic-Auftritt seit Jahren!«<br />
Noch mehr Melt-Momente. Dieser von Felix »Romero« Scharlau. Siehe: www.intro.de<br />
37<br />
lich!!! Das Sick-For-Toys-Debüt-<br />
Album mit Sänger Tommy – bekannt<br />
als deutsche Stimme von<br />
Beavis & Butthead, den MTV-Chaoten.«<br />
Stimmt, »die MTV-Chaoten«<br />
scheiterten ja mal kurzzeitig<br />
in einer entsetzlichen Synchro-<br />
Version. Verrückte Zeit. Auch im<br />
Heft: Boris Fust über Type O Negative.<br />
Seine ungeschönten Worte<br />
zu den beliebten Vollpfosten<br />
zogen großen Streit mit der damaligen<br />
Plattenfi rma nach sich. Der<br />
Artikel endet übrigens mit: »Das<br />
Album zeugt von ausgewachsener<br />
Muckerlangeweile. Das ist zwar<br />
nicht gerade psychopathisch,<br />
aber wenigstens autistisch.«
Dad [zu seiner Frau]: »Good, you’re up! I have a special<br />
anniversary surprise for you. Your favourite song,<br />
sung by America’s sweetheart: Whitney Houston.«<br />
Whitney: »Come on daddy. I need a fi x!«<br />
Dad: »First you sing then you get your precious cocaine.«<br />
Whitney: [singt] »No matter what they say, they can’t take<br />
away my dignity!«<br />
In der Serie »American Dad« entspinnt sich dieser Dialog, nachdem der bei der CIA<br />
arbeitende Vater den eigenen Hochzeitstag vergessen hat und zur Beschwichtigung<br />
seiner Frau eine komplett derangierte Whitney Houston anschleppt. So behandelt<br />
Cartoon-Hollywood mittlerweile seine Helden ...<br />
Akt. DVD: »American Dad – Staffel 1« (2000 Century Fox)<br />
POPDIS<br />
HAVE A LITTLE HELP<br />
OF THE PROFIS<br />
I Lade<br />
m letztmonatigen »Mein Label und<br />
ich«-Spot kam beim Halbsatzkürzen ja<br />
ein ziemlicher Schnitzer raus, selbstverständlich<br />
dissen die Jungs vom Sonar<br />
Kollektiv nicht ihr eigenes Projekt Popdis.<br />
Wieso auch?<br />
Aber wenn wir schon mal dabei sind:<br />
Popdis, was ist das überhaupt?<br />
Thomas Berres: Popdis macht etwas, was<br />
wir Labelhosting nennen. Das heißt, wir<br />
bieten Labelheads die Möglichkeit, ihr<br />
Label mittels einer sehr schlanken Personalstruktur<br />
zu führen, sodass sie sich<br />
komplett auf die künstlerische Seite konzentrieren<br />
können – während Popdis sich<br />
auf die technisch/administrativen Aspekte<br />
konzentriert. Denn aus unserer Erfah-<br />
rung wissen wir, dass Indie-Labelbesitzer<br />
eher aus dem künstlerischen Umfeld kommen<br />
und sich mit diesen Aspekten oft sehr<br />
schwer tun. Popdis-Mitarbeiter sind dagegen<br />
Spezialisten auf genau diesen Gebieten<br />
und können gewährleisten, dass gute Ideen<br />
und Projekte auch zeitnah umgesetzt werden<br />
können. Popdis übernimmt solche Aufgaben<br />
und geht dabei auch voll ins Risiko<br />
– da wir uns aus einer Umsatzbeteiligung fi -<br />
nanzieren. Unser Service umfasst also derzeit<br />
Teile des Label- und Salesmanagement,<br />
Koordination der internationalen Promotion<br />
und des Marketings sowie Promotion<br />
für Deutschland. More to come. Kunden<br />
sind zurzeit Sonar Kollektiv und Tomlab.<br />
Kontakt: Thomas.Berres@popdis.com<br />
ROCK<br />
DICH<br />
LEER!<br />
T-Mobile begleitet Dich durch<br />
den Festivalsommer 2007.<br />
01.–03. Juni<br />
Rock am Ring, Nürburgring<br />
Rock im Park, Nürnberg<br />
22.–24. Juni<br />
Hurricane, Scheeßel<br />
Southside, Neuhausen op Eck<br />
13.–15. Juli<br />
Melt, Gräfenhainichen<br />
17.–19. August<br />
Highfi eld, Stausee<br />
Hohenfelden bei Erfurt<br />
Dir den kostenlosen T-Mobile Festival Guide<br />
sowie coole Klingeltöne, Soundlogos u.v.m.<br />
passend zu den Festivals auf Dein T-Mobile Handy.<br />
Dazu schicke „Festivals“ an die Kurzwahl 22 22<br />
(Kosten für Standard-SMS und GPRS-Traffi c).<br />
Weitere Infos unter<br />
www.t-mobile.de/festivals
016 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Hot Hot Heat Text: Peter Flore<br />
Hot Hot Heat. Groß, mächtig und dekadent<br />
<strong>Als</strong> wir von der letzten Tour zurückkamen,<br />
habe ich mich von<br />
einem nicht kleinen Teil meines<br />
persönlichen Besitzes getrennt<br />
und bin in ein schäbiges Apartment<br />
gezogen. Ein ziemliches Loch, in das ich<br />
mich zurückgezogen habe, um ein wenig Inspiration<br />
zu fi nden.« Was geschrieben ein bisschen<br />
prätentiös anmutet, klingt aus dem<br />
Munde des Hot-Hot-Heat-Sängers und Gitarristen<br />
Steve Bays wie ein ganz normaler Prozess.<br />
Das Glück, so möchte man fast in Anlehnung<br />
an den Albumtitel »Happiness Ltd.«<br />
sagen, tritt also erst dann ein, wenn man sich<br />
(fast) alles Weltlichen entledigt.<br />
Das dritte Album der Kanadier wurde zu<br />
fast zwei Dritteln bereits während der Tour<br />
zum erfolgreichen letzten Album »Elevator«<br />
geschrieben. Zu Hause sei man eh nur abgelenkt<br />
vom Alltag, da schreibe es sich besser<br />
unterwegs, aus dem Koffer gewissermaßen.<br />
So weit, so gut, nur klingt »Happiness Ltd.«<br />
nach allem anderen als nach einem direkten,<br />
unverfälschten und spontanen Album, trotz<br />
seiner Entstehungsgeschichte. Im Gegenteil,<br />
der klassische Hot-Hot-Heat-Sound wurde<br />
vor allem in die Breite erweitert: »Wir hatten<br />
immer einen recht schlanken Sound: Gitarre,<br />
Bass, Schlagzeug, ein, zwei Overdubs. Bei<br />
diesem Album wählten wir von vornherein<br />
einen epischeren Ansatz. Die Songs sollten<br />
groß, mächtig und dekadent sein. Beim Track<br />
Harmonicas And Tambourines haben wir<br />
vier Schlagzeuge übereinandergelegt, diverse<br />
Keyboardspuren eingespielt, und den Bass<br />
habe ich auch noch mal gedoppelt. Das Ergebnis<br />
klingt schon sehr gewaltig, nicht? The big<br />
thing we wanted to go for.«<br />
In der Tat: Hot Hot Heat klingen versierter<br />
und ausgereifter als je zuvor, der Song »Outta<br />
Here« besticht durch Bays’ neuerlichen Falsett-Gesang,<br />
der vor einem weiblichen Backgroundchor<br />
und dem Summen des Theremins<br />
Kapriolen schlägt. Man habe mit ungefähr<br />
15 Produzenten gearbeitet und selbst ca. 90<br />
% des Materials koproduziert, erzählt Bays,<br />
wohl wissend, dass viele Köche einen Brei<br />
nicht zwingend schmackhafter machen. »Es<br />
ist in dieser Hinsicht fast ein HipHop-Album«,<br />
lacht er. »Nach dem Motto: neuer Track, neuer<br />
Produzent.« Dass es dabei eben doch wie aus<br />
einem Guss klingt, mag an der Klasse des verpfl<br />
ichteten Personals gelegen haben: Green-<br />
Day-Produzent Rob Cavallo oder Tim Palmer,<br />
der auch schon Bowie oder U2 betreute, hatten<br />
unter anderem ihre Finger mit im Spiel.<br />
Große Namen für den großen Sound, der aber<br />
gottlob meilenweit von etwaigen Stadionrock-<br />
Plattitüden entfernt ist.<br />
Und noch etwas hat sich seit dem letzten<br />
Album geändert: Der neue Gitarrist Luke Paquin<br />
ersetzte den 2005 aufgrund musikalischer<br />
Differenzen ausgestiegenen Dante De-<br />
Caro. Man sei jetzt wieder eine Gang, erzählt<br />
Bays stolz. Und betont noch einmal, dass eine<br />
Band eben mehr sein sollte als eine bloße Ansammlung<br />
von Musikern.<br />
intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Let Me In«<br />
Aktuelles Album:<br />
Hot Hot Heat<br />
Happiness Ltd.<br />
CD // Warner / VÖ 07.09.
018 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ You Say Party! We Say Die! Text: Christine Käppeler _ Foto: Markus Feger<br />
You Say Party! We Say Die!. Wer kennt wen?<br />
V<br />
or dem Lido in Kreuzberg hält<br />
ein Taxi. Zwei schlanke Typen<br />
mit sorgfältig fi xierten Slackerfrisuren<br />
und eine Frau<br />
in einem getupften Cocktailkleid<br />
steigen aus. Die bewusst gestylte Gruppe<br />
lässt sich unschwer als Band identifi zieren.<br />
So weit, so richtig geraten. Die gesuchten Interviewpartner<br />
sind sie allerdings nicht, sondern<br />
Teil und Anhang der Vorband Humanzi,<br />
die aus Dublin kommt. Nun ist es nicht so,<br />
dass sie You Say Party! We Say Die! zum Verwechseln<br />
ähnlich wären, doch es existieren so<br />
viele unterschiedliche Bilder von dieser Band,<br />
dass es schwer fällt zu sagen, wie sie defi nitiv<br />
nicht aussieht. Es gibt Fotos, die zeigen<br />
Sängerin Becky Ninkovic als veritables Post-<br />
Punk-Girl in schwarzen Leggings und Streifenshirt,<br />
auf einem Promofoto ihres kanadischen<br />
Labels Paperbag Records sieht sie mit<br />
geglätteten Haaren, Teetasse und einem Silberkettchen<br />
sehr sophisticated aus, und das<br />
Video zur aktuellen Single lässt sie mit rotem<br />
Seidenumhang und bleichem Teint wie<br />
die jüngere, unschuldige Schwester von Dita<br />
von Teese daherkommen. »Ich verkleide mich<br />
gerne«, meint Becky schlicht. »Meistens ist<br />
es die Idee der Fotografen. Der Rest der Band<br />
steht allerdings nicht so drauf.« Sie sitzt mit<br />
Gitarrist Derek Adam und Krista Loewen, die<br />
Keyboards spielt, im Backstageraum, ab und<br />
an kommt Drummer Devon Clifford auf eine<br />
Handvoll Erdnussfl ips vorbei. Die Band sieht<br />
heute eher nach einem gemütlichen Mittag<br />
im Skatepark aus und nicht wie Hipster, denen<br />
der Boden unter den Füßen brennt. Man<br />
mag ihr zweites Album als ein weiteres Hybrid<br />
aus Punkrock, Disco und Sozialkritik verstehen,<br />
doch schon die offensive Wiederholung<br />
der Zeile »This is a test« am Anfang des<br />
ersten Songs ist nicht nach außen gerichtet,<br />
sondern verweist auf die bandinterne Situation<br />
und die Herausforderungen des permanenten<br />
Unterwegs-Seins. Ursprünglich kommen<br />
sie alle aus Abbotsford, und wenn Derek von<br />
dieser wohlhabenden, religiösen Gemeinde<br />
in der Nähe von Vancouver erzählt, dann wird<br />
schnell klar, dass Kanada sich keinesfalls so<br />
sehr von den USA unterscheidet, wie Michael<br />
Moore in seinen Filmen gerne glauben macht.<br />
»Jeder besitzt dort ein Auto«, erzählt Becky.<br />
»Wenn du nachts alleine rumläufst, denken<br />
sie, du wärst eine Prostituierte, und werfen<br />
mit Flaschen nach dir.« Junge Skater wurden<br />
in Abbotsford Mitte der 90er häufi g von tumben<br />
Sportlertypen verkloppt. <strong>Als</strong> Gegenbewegung<br />
entstand der »PCP«, eine 50-köpfi ge<br />
Gang aus angehenden Pro-Skatern und Künstlertypen,<br />
die in zwei besetzten Häusern Konzerte<br />
veranstaltete. »Da liegen die Wurzeln<br />
unserer Band«, erzählt Becky und grinst. Gerade<br />
breitet sich Ferienlagerstimmung aus,<br />
da werden sie zum Soundcheck auf die Bühne<br />
gerufen. Auf der Treppe dreht sich Becky um:<br />
»Wir kennen uns, oder?« – »Dachte ich eben<br />
auch«, ergänzt Derek. Obwohl ich mir sicher<br />
bin, dass ich niemals in British Columbia gewesen<br />
bin, bleibe ich etwas irritiert zurück.<br />
intro.de: Verlosung & Video-Live-Clip<br />
Aktuelles Album:<br />
You Say Party! We Say Die!<br />
Lose All Time<br />
CD // Pias / Rough Trade
020 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Okkervil River Text: Martin Büsser _ Foto: Jonathan Forsythe<br />
Okkervil River. Traurig ist vorbei<br />
A<br />
ufgewachsen in einem kleinen<br />
Nest im Bundesstaat<br />
New Hampshire, hat Will<br />
Sheff eine ähnliche Entwicklung<br />
hinter sich wie Conor<br />
Oberst. Einerseits ganz im Trend, allerdings<br />
auch fast schon zum Klischee geworden, galten<br />
Okkervil River lange Zeit als Inbegriff des<br />
melancholischen Indie-Folk. Das Image des lebensmüden,<br />
verzärtelten Indie-Boys begann<br />
Will ebenso zu nerven wie Conor Oberst. Für<br />
die Arbeit am neuen Album zog er nach New<br />
York und kehrt nun mit einer opulent arrangierten<br />
Platte zurück, die alle Stimmungs-<br />
Register zieht und Americana wie ein großes<br />
Medley klingen lässt. »Ich glaube, dass<br />
die Umstände, unter denen du deine Stücke<br />
schreibst, einen großen Einfl uss auf die Musik<br />
haben«, erzählt er. »Die Songs zu ›Black<br />
Sheep Boy‹ habe ich in einem stickigen Haus<br />
auf dem Land geschrieben, während draußen<br />
Schnee lag. Die Stücke für das neue Album<br />
entstanden in einem hellen Apartment<br />
in Brooklyn, ich war gut gelaunt, bin viel ausgegangen.<br />
Deshalb ist ›The Stage Names‹ un-<br />
sere bislang fröhlichste Platte geworden. Sie<br />
spiegelt auch am ehesten meine Person wider,<br />
denn eigentlich bin ich ein sehr optimistischer<br />
Mensch.« Auch an die Jugendjahre auf<br />
dem Land hat Will nur gute Erinnerungen:<br />
»Ich lese gerade die Briefe von Van Gogh, aus<br />
denen hervorgeht, wie er aus der Isolation heraus<br />
einen eigenen Stil ausgebildet hat. Dann<br />
kam er nach Paris und sah zum ersten Mal die<br />
Bilder der Impressionisten. Das hat sich dann<br />
mit seinem Stil vermischt und wiederum etwas<br />
total Eigenes ergeben. So ähnlich sehe<br />
ich auch meine Entwicklung. Anfangs habe<br />
ich ganz aus mir selbst heraus geschöpft, bis<br />
mich auch andere Musiker beeinfl usst haben.<br />
Dieser Weg ist wahrscheinlich besser, als<br />
wenn du von Anfang an in einer vorgefertigten<br />
Welt aufwächst und gar nicht die Möglichkeit<br />
hast, etwas Eigenes auszubilden.«<br />
Will arbeitet auch als Musik- und Filmkritiker,<br />
kennt also ebenfalls die andere Seite, die<br />
über Musik refl ektiert und sich darüber bewusst<br />
ist, dass das Künstlergenie ein Mythos<br />
ist. Der Text zum ersten Song der neuen Platte,<br />
»Our Life Is Not A Movie Or Maybe«, ist im<br />
Stil einer Filmkritik verfasst. Möglicherweise<br />
hat Wills intensive Beschäftigung mit dem<br />
Kino dazu beigetragen, dass »The Stage Names«<br />
geradezu melodramatische Züge trägt.<br />
»Filmische Vorlieben schlagen sich in der Musik<br />
nieder. Ich bin ein großer Fan von Stummfi<br />
lmen, vor allem von Murnau. Wenn man sich<br />
seine Filme heute ansieht, haben sie etwas<br />
total Irreales, entführen einen in magische<br />
Traumwelten. Obwohl das damals wahrscheinlich<br />
gar nicht so intendiert war. Mit diesem<br />
Effekt spielt auch Guy Maddin, einer meiner<br />
Lieblingsregisseure. Er arbeitet das Surreale<br />
heraus, das den damaligen Regisseuren noch<br />
gar nicht bewusst war. Ich wollte Guy Maddin<br />
schon immer dazu gewinnen, ein Video<br />
für uns zu drehen. habe mich allerdings noch<br />
nicht getraut zu fragen.«<br />
Auf intro.de: Verlosung<br />
Aktuelles Album:<br />
Okkervil River<br />
The Stage Names<br />
CD // Jagjaguwar / Cargo
022 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Moneybrother Text: Martin Riemann _ Foto: Joachim Zimmermann<br />
Moneybrother. Fucking Yellow Submarine!<br />
N<br />
achdem er mit herzzerreißenden<br />
Liebeskummer-Hits<br />
die Herzen im Sturm erobern<br />
konnte, widmet sich Anders<br />
Wendin mit »Mount Pleasure«<br />
nun den Freuden des Lebens. So dreht sich<br />
vieles um gelungene Trinkgelage mit Freunden<br />
oder einfach dieses besondere Sommerfeeling.<br />
Aber Wendin wäre nicht Moneybrother,<br />
wenn nicht auch gute Zeiten bei ihm<br />
eher ein melancholisches Gefühl erzeugen<br />
würden. Er kann eben nicht aus seiner Haut.<br />
Dafür reist er viel in Autos.<br />
Im Gegensatz zu »To Die Alone«, das mit seinen<br />
Streichersätzen stark Richtung Soul<br />
ging, funktioniert »Mount Pleasure« wie<br />
ein klassisches Rockalbum. Das ist mein rockigstes<br />
Album. Die früheren Sachen beruhten<br />
stark auf Sessions. Diesmal wollte ich es<br />
anders machen und übte die Stücke mit den<br />
Musikern über einen langen Zeitraum ein. Sie<br />
sollten die Stücke total verinnerlichen. Dadurch<br />
entstand ein völlig anderer Sound.<br />
Der ist ja ziemlich episch und ornamen-<br />
tal. Es gibt erstaunlich viele Soli, vor allem<br />
vom Saxofon. Ja, wir haben es zunächst anders<br />
konzipiert, aber Musiker wollen eben im<br />
Grunde nur eins: spielen. Und dieses Mal hatte<br />
ich mir ja extra Musiker ausgesucht, von denen<br />
ich erwarten konnte, dass sie den Songs<br />
etwas Eigenes geben würden.<br />
Ist das der Grund, warum du die Aufnahmen<br />
in Los Angeles abgebrochen hast? Die Musiker<br />
in Los Angeles waren großartig. Aber sie<br />
waren zu professionell. Ich mag zwar einen<br />
cleanen Sound, aber man muss in der Lage<br />
sein, den Dreck durchscheinen zu lassen.<br />
Für diese Platte hast du dich angeblich vom<br />
West-Coast-Rock beeinfl ussen lassen. Ich<br />
habe ein halbes Jahr in L.A. gelebt. Manchmal<br />
fuhr ich mit ein paar Bieren intus durch<br />
die Gegend. Und da hörte ich plötzlich »Take It<br />
Easy« von den Eagles im Radio. Ich hatte diesen<br />
Song schon 1000 Mal vorher gehört und<br />
mochte ihn nicht mal. Aber in dieser Situation<br />
verliebte ich mich in ihn.<br />
Eine angetrunkene Autofahrt hat dich zu<br />
deinem neuen Album beeinfl usst? Die Sache<br />
ist in Wirklichkeit so: Ich war in Mexiko<br />
und fuhr oft mit einem Auto rum. Dabei fand<br />
ich einen Sender, der mexikanische Songs aus<br />
den 50ern spielte, diese Conjunto- und Tijuana-Musik.<br />
Ich hörte zwei Tage nur diesen Sender,<br />
und auf einmal spielten sie ganz unvermittelt<br />
»Our House« von Madness. Der Anfang<br />
von diesem Stück haute mich einfach um. Das<br />
war der exakte Moment, in dem ich wusste,<br />
wie mein neues Album klingen sollte.<br />
Conjunto beinhaltet vornehmlich schmerzhafte<br />
Gefühle, dein neues Album spiegelt<br />
aber angeblich die glücklichen Momente deines<br />
Lebens wider. Es klingt allerdings doch<br />
wieder sehr melancholisch. Man muss das im<br />
Verhältnis sehen. Für viele andere Künstler<br />
wäre »Mount Pleasure« das dunkle, tragische<br />
Album, aber für eine Moneybrother-Platte ist<br />
es fucking Yellow Submarine, Mann.<br />
intro.de: Verlosung, Videoclip & ganzes Interv.<br />
Aktuelles Album:<br />
Moneybrother<br />
Mount Pleasure<br />
CD // Columbia Deutschland / SonyBMG
024 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Beach House Text: Sandra Grether _ Foto: Sibylle Fendt<br />
Beach House. Der Spuk im Strandhaus<br />
H<br />
uhu, was wird denn hier alles<br />
geboten an Atmosphäre? Was<br />
ein verwegener Sound, den<br />
uns Victoria Legrand und Alex<br />
Scally, die zwei »No Genre, please«-Individualisten<br />
aus Baltimore, bescheren.<br />
Sie nennen sich Beach House, was nicht<br />
gerade ein besonders eigensinniger Name ist –<br />
das kommt davon, wenn man alle Genres kategorisch<br />
ablehnt. Aber nun gut, so müssen sie<br />
ihren Namen halt selbst füllen. Beach House<br />
haben auf ihrer Webseite eine Bilder-Staffel<br />
erschaffen, um zu zeigen, wie sie sich selbst<br />
defi nieren: »ein Geldstück in einer Tasse mit<br />
öligem Wasser«, »Visionen aus einem Raum<br />
der Taubheit«, »A diamond’s best girlfriend«<br />
oder auch »Twin camels taking a luscious nap<br />
in the sahara«. »Wir wollten mit dem Bandnamen<br />
einen Ort benennen, an dem unsere<br />
Musik existieren kann«, sagt die in Amerika<br />
geborene, in Frankreich aufgewachsene Sängerin<br />
und Keyboarderin Victoria. Sie spielte<br />
zunächst in Paris »experimentelles Theater«,<br />
bis sie 2004 nach Baltimore zog, wo sie ihren<br />
Mitmusiker Alex kennenlernte. »Es war eine<br />
Lebensentscheidung, mich voll auf die Musik<br />
zu konzentrieren. <strong>Als</strong> Schauspieler ist man<br />
ein Medium, ich aber wollte selbst den Inhalt<br />
vorgeben.« Folgerichtig also, dass die meisten<br />
Songs und Texte von ihr sind – Alex arrangiert<br />
und spielt Gitarre. Man legt Wert darauf,<br />
dass die Beats nicht aus dem Computer kommen,<br />
sondern »handgeschlagen« oder Xylofon-veredelt<br />
sind. »Manchmal verwenden wir<br />
auch einfach einen Beat aus der Orgel«, so Victoria.<br />
Oder, um im beseelten Band-Jargon zu<br />
sprechen: »Wir nehmen den Puls des Herzens<br />
der Orgel.« Victoria: »Der Beat muss nicht eindeutig<br />
festgelegt werden, er ist eher wie ein<br />
Schatten der Songs.« Schön. Wer sich so viel<br />
Mühe gibt, seine angeblich nicht kategorisierbare<br />
Musik selbst in Worte zu fassen, der fertigt<br />
natürlich auch besonders detailverliebte<br />
Songs an. Gitarren, die mit dem Wind heulen,<br />
eine Stimme, die mit dunklem Timbre entschieden<br />
und gar nicht ätherisch Weisheiten<br />
und Wunderliches vorträgt, dicht komponierte<br />
Songs voller Ruhe und Zuversicht. Narkotisierend.<br />
Fehler im Spiel empfi nden sie als<br />
Bereicherung, ebenso wie ihren Lo-Fi-Sound.<br />
Und das passt zu einer Band, die sich in nichts<br />
gerne festlegen lassen möchte. Auch was Fotos<br />
betrifft, natürlich. Lieber sich selbst malen,<br />
oder malen lassen: Victoria im elegantelegischen<br />
Kleid, das genauso türkisfarben<br />
ist wie die Gitarre, die Alex um den Hals trägt.<br />
»Tokyo Witch«, mein Lieblingslied des selbstbetitelten<br />
Debütalbums, ist voll von Gespenstern<br />
und Dämonen, hat eine fast psychedelische<br />
Aura. Hätte man sich schon denken<br />
können, dass es auch spukt im Beach House.<br />
»Ein mysteriöses Lied, voll merkwürdiger Visionen«,<br />
pfl ichtet Victoria bei. Will dann aber<br />
mehr nicht verraten. »Der Song spricht für<br />
sich.« Das wundert mich nun natürlich wenig<br />
bei einer Band, die ihre Songs mit »dem hartnäckigsten<br />
und schmerzhaftesten Weisheitszahn<br />
im Mund« vergleicht.<br />
Auf intro.de: Verlosung<br />
Aktuelles Album:<br />
Beach House<br />
Beach House<br />
CD // Bella Union / Coop Music / Universal
026 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Talib Kweli Text: Martin Riemann _ Foto: Joachim Zimmermann<br />
Talib Kweli. Das schwarze Microsoft<br />
T<br />
alib Kweli gestaltet sich die Promo-Arbeit<br />
so angenehm wie möglich.<br />
Wenn er schon seine Zeit mit<br />
Interviews verplempern muss,<br />
dann wenigstens im nobelsten<br />
Hotel am Potsdamer Platz. Kwelis offensichtliche<br />
Abneigung gegenüber ausgedehnten<br />
Pressegesprächen, die dazu führt, dass verschiedene<br />
Journalisten sich die Gesprächszeit<br />
teilen müssen, sorgt für Unbill in der<br />
Interview-Suite des Ritz Carlton. Ein TV-Moderator<br />
sieht einen eklatanten Widerspruch<br />
zwischen Kwelis mangelndem Schoßhundverhalten<br />
gegenüber der Presse und seinem<br />
angeblichen Image als Conscious-Rapper,<br />
also als Rapper, der sich nicht ausschließlich<br />
für Waffen, Sex und Geld interessiert – denn<br />
ein solcher hat gefälligst lieb zu sein!<br />
<strong>Als</strong> der Künstler dann die Suite betritt,<br />
riecht seine makellose Kleidung angenehm<br />
nach frischem Gras. Hungrig greift er zum Telefon:<br />
»Ich hätte gerne den Salat mit Croutons<br />
und Parmesan, aber ohne das gegrillte Gemüse.<br />
Nein, keinen Cesars Salad, die Salatherzen.<br />
Und könnte ich noch die Käseauswahl haben?<br />
Und den Früchteteller? Ach, und könnten Sie<br />
mir noch einen Hummer zum Salat servieren?<br />
Und noch einen Eimer mit Eiswürfeln, bitte!<br />
Danke, Sir.« Lustig, wie er den Hummer so nebenbei<br />
nachschiebt. Vielleicht spürt er, dass<br />
es hierzulande Conscious-Rappern streng verboten<br />
ist, lebende Tiere in kochendes Wasser<br />
schmeißen zu lassen. Dabei macht Kweli<br />
auch auf dem neuen Album »Ear Drum« deutlich,<br />
dass er mit aufoktroyierten Vehikeln wie<br />
Consciousness genauso wenig am Hut hat wie<br />
mit Gangstarap. Sein Ansatz ist eher eigennützig,<br />
eher poetischer als politischer Natur.<br />
Vielleicht beginnt sein neues Album deshalb<br />
mit den achselzuckenden Worten: »You can’t<br />
please everybody!« »Die Natur eines Künstlers<br />
ist zunächst der Wunsch, allen zu gefallen«,<br />
antwortet Kweli, während er in seinem Tee<br />
rührt, »aber ab einem gewissen Stadium muss<br />
man sich von dieser Haltung trennen. Sonst<br />
sollte man besser Politiker werden und kein<br />
Künstler. Du darfst deinem Publikum niemals<br />
erlauben, dir zu diktieren, was du als Nächstes<br />
machst.«<br />
Kweli ist sein Publikum allerdings nicht<br />
egal. Deutlichstes Zeichen: Zuletzt veröffentlichte<br />
er »Liberation«, seine gelungene Zusammenarbeit<br />
mit Madlib, gratis über das Internet:<br />
»Je mehr das Internet ein Teil unseres<br />
Lebens wird, umso besser für mich. Was die<br />
traditionellen Mechanismen der Musikindustrie<br />
angeht – diese Leute agieren wie Hühner,<br />
denen man den Kopf abgeschnitten hat.<br />
Und das ist gut für mich. In dem Maße, wie es<br />
durch die Verbreitung des Internets mit dem<br />
Musikbiz abwärts geht, geht es mit meiner<br />
Karriere aufwärts.«<br />
Zum Schluss noch etwas conscious-gespeiste<br />
Politik. Ob er denn HipHop noch immer als<br />
das einst von Chuck D ausgerufene Black CNN<br />
begreife? »HipHop ist längst mehr als das. Er<br />
ist eher ... Black Microsoft!« Und Jean Grae,<br />
seine Ko-Rapperin für den Auftritt am Abend<br />
in der Maria, fügt grinsend hinzu: »Yeah,<br />
Blackrosoft!«<br />
Aktuelles Album:<br />
Talib Kweli<br />
Ear Drum<br />
CD // Warner
STAGE FEVER CONTEST 2007<br />
ewcomer haben dabei die<br />
Chance, einen exklusiven<br />
Live-Gig im Rahmen der<br />
Popkomm in Berlin zu<br />
gewinnen und sich dort<br />
beim »<strong>Intro</strong> Intim« am 21.<br />
September vor den Größen der Branche<br />
und begeisterten Musik-Fans zu präsentieren.<br />
Mitmachen ist ganz einfach:<br />
Unter www.yahoo.de/ popkomm gibt es<br />
die Möglichkeit, sich mit einem eigenen<br />
Musikvideo zu bewerben. Im Anschluss<br />
daran wird der Gewinner des Wettbewerbs<br />
über ein zweistufi ges Verfahren<br />
ermittelt.<br />
Zunächst trifft eine hochkarätige Jury<br />
aus Branchenkennern von Yahoo!<br />
Musik, der Popkomm und der <strong>Intro</strong><br />
eine Vorauswahl. Die acht besten<br />
Acts dürfen sich und ihre Sounds vor<br />
knapp einer Million Internetnutzern auf<br />
www.yahoo.de/musik präsentieren. Den<br />
fi nalen Sieger des ersten »Stage Fever«-<br />
Wettbewerbs küren jedoch basisdemo-<br />
YAHOO! MUSIK UND INTRO<br />
SUCHEN DIE STARS VON MORGEN<br />
Träume nicht weiter vom großen Gig – hol ihn dir! Pünktlich zur<br />
weltweit größten Musikmesse Popkomm starten Yahoo! Musik<br />
(www.yahoo.de/musik; offi zieller Online-Partner der Popkomm,<br />
kratisch und wie es sich gehört die<br />
Musikfans selbst. Sie stimmen<br />
online für ihre Lieblingskünstler<br />
und legen damit vielleicht<br />
ja sogar den Grundstein<br />
zu einer neuen, großen<br />
Karriere.<br />
Der Gewinner des Online-<br />
Votings darf am 21. September<br />
im Berliner Club<br />
»Maria & Josef« (ehemals<br />
Maria am Ufer)<br />
seine Live-Qualitäten<br />
im Rahmen<br />
des »<strong>Intro</strong> Intim«<br />
vor vielen Profi s aus<br />
der Musikbranche unter<br />
Beweis stellen. Für den<br />
angemessenen »VIP-Status« ist dabei<br />
ebenfalls gesorgt: Neben der Hotelunterbringung<br />
stellt Yahoo! Musik der<br />
Gewinner-Band eine luxuriöse Stretchlimousine<br />
als exklusiven »Stage Fever«-<br />
Star-Shuttle zum Gig zur Verfügung.<br />
AKTION<br />
19.-21.09.2007) und <strong>Intro</strong> den ersten »Stage Fever Contest 2007«<br />
für den musikalischen Nachwuchs in Deutschland.
028 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ M.I.A.<br />
M.I.A.<br />
Missing<br />
in America
Text + Fotos: Heiko Behr<br />
<strong>Als</strong> die kleine Maya mit ihrer Mutter aus Sri Lanka fl oh, sehnte sie sich<br />
nach nichts mehr als einem sicheren Zuhause. Doch auch in der neuen<br />
Wahlheimat London fühlte sie sich nicht willkommen. Nach ihrem besonders<br />
in den USA erfolgreichen Debüt »Arular« konzentrierte sie nicht zuletzt deshalb<br />
ihre Hoffnungen auf New York – ob es hingehauen hat oder nicht, das sagt<br />
uns nun Heiko Behr.<br />
»Wer ist eigentlich M.I.A.?« stöhnt der bullige Stiernacken<br />
und inhaliert einen tiefen Schluck seines Plastikbiers. »Europäischer<br />
HipHop, oder so«, antwortet ihm gähnend der<br />
Crewcut und rückt seine verspiegelte Ray-Ban-Sonnenbrille<br />
zurecht. Danach einigen sie sich auf ein klares »Whatever«<br />
und beginnen eine tief greifende Diskussion über den<br />
Vorteil vom Bongrauchen gegenüber dem Komasaufen.<br />
Wir befi nden uns in Chicago. Genauer gesagt auf dem<br />
Gelände des Lollapalooza-Festivals. Mit derlei Reaktionen<br />
muss Maya Arulpragasam, die hier heute am späten Nachmittag<br />
einen Auftritt ihrer aktuellen Amerikatour durchziehen<br />
muss, in diesem Kontext leider rechnen. Hier wartet<br />
niemand auf den progressiven Hype aus UK, der sein zweites,<br />
so viel sei gleich mal gesagt: großartiges Album, »Kala«<br />
betitelt, promoten will – hier wird stattdessen gerade Ben<br />
Harper gottgleich abgefeiert.<br />
Die 30-Jährige müht sich später auf der fußballfeldgroßen<br />
Bühne dennoch ab, stürmt zwischendurch ins Publikum,<br />
animiert zum Mitsingen. Kurzum: Sie gibt alles. Und<br />
auch ihre Begleit-Tänzerin schwitzt nicht von irgendwoher;<br />
lediglich der DJ schaut etwas verloren ins Rund – und erntet<br />
indirekt für seine fehlende Professionalität Kritik von der<br />
Chefi n: »Manchmal wünsch ich mir in solchen Situationen<br />
dann doch eine Band«, gibt eine verkaterte und trotzdem<br />
(oder gerade deswegen) grinsende Maya am nächsten Tag<br />
beim Interview im Hard Rock Cafe zu Protokoll. Überhaupt<br />
hat sie ausgeprägte Lust zu reden. <strong>Als</strong>o hören wir doch einfach<br />
mal zu:<br />
Ist es nicht schon ein Erfolg, dass du überhaupt in den<br />
USA auftrittst momentan? Ich hörte, du hättest Visum-<br />
Probleme gehabt. Puh. Ich weiß gar nicht, ob ich darüber<br />
reden darf. Mein aktuelles Visum ist nämlich nur auf ein<br />
Jahr beschränkt. <strong>Als</strong>o, wenn ich hier Scheiße erzähle, können<br />
sie mir das Visum auch schnell wieder wegnehmen. Ich<br />
denke mal, das ist ein Mittel, um Leute unter Kontrolle zu<br />
halten.<br />
Empfi ndest du das jetzt als ständige Bedrohung? Eigentlich<br />
nicht. Trotzdem bin ich bei dieser Sache sehr vorsichtig.<br />
Und es bestärkt mich noch: Im Grunde muss man in den<br />
USA leben, um hier auch Kritik üben zu können. Wenn man<br />
das von außerhalb tut, nimmt das niemand wahr. Das hat<br />
hier überhaupt keine Relevanz. Ich teste also gerade noch,<br />
wie weit Freedom of Speech hier überhaupt reicht ...<br />
Glaubst du, deine Texte haben mit deinen Problemen zu<br />
tun gehabt? Du hast ja ziemlich radikal von Selbstmordattentätern<br />
erzählt, hast die PLO als Referenz gedroppt ...<br />
Ich hoffe nicht. Aber sie haben mich gebeten, ihnen einige<br />
Presse-Artikel zuzuschicken, so wollten sie sich über mich<br />
informieren. Eine ziemlich faule Art für eine staatliche Organisation.<br />
Und das kam dann bei ihnen so an: »M.I.A.!<br />
Tochter eines militanten Terroristen! Kommt in die USA!«<br />
Tja, und schon war ich auf der Watchlist.<br />
Hast du nie gedacht: »Okay, wenn ihr mich nicht wollt,<br />
will ich euch auch nicht!«? Genau mit dieser Einstellung<br />
hab ich »Kala« gemacht. Wenn ich nicht in die USA reinkomm,<br />
geh ich in jedes einzelne Anti-USA-Land auf diesem<br />
Planeten und mach da jedes Mal einen Anti-USA-Song! Da<br />
bin ich innerhalb von kurzer Zeit bei acht Alben! Und hey,<br />
das wär okay gewesen. Dann verkauf ich sie halt in China.<br />
Dann wäre ich eine noch größere Bedrohung.<br />
Aber irgendwie bist du ja drangeblieben an diesem Visum.<br />
Was fasziniert dich so sehr an den USA? So viele liberale<br />
Gedanken kommen doch aus Amerika, progressive, revolutionäre<br />
Gedanken. Das muss man respektieren. Und ich<br />
würde gern meinen Teil dazu beitragen, Informationen ins<br />
Land hineinzutragen. Ich glaube, die Amerikaner brauchen<br />
mehr Außenperspektive! Niemand hat in den USA Zeit, sich<br />
mal mit einem Thema zu beschäftigen. Schau dir die Nachrichten<br />
hier an. Es ist also dringend nötig, dass jemand den<br />
Amis etwas kulturell Subversives injiziert: Erinnert euch<br />
an Afrika! Kennt ihr eigentlich China?<br />
Du hast ja bekanntermaßen den Sri-Lanka-Background,<br />
hast dann in London gelebt und die letzte Zeit so ziemlich<br />
überall und nirgends. Quasi aus dem Koffer. Fühlst du<br />
dich kulturell zerrissen? Hast du Heimweh? Nein. Ich fl iege<br />
ja manchmal rüber, um ein bisschen zu helfen. Aber ich<br />
könnte dort nicht leben. Letztes Jahr ist meine Großmutter<br />
an meinem Geburtstag gestorben. Da hatte ich gerade das<br />
»Bird Flu«-Video abgedreht. Auf ihrer Beerdigung habe ich<br />
zum ersten Mal seit langer Zeit so eine Art spirituelle Verbindung<br />
mit dem Land gespürt. Aber in den wenigen Tagen,<br />
die ich damals da war, wurden plötzlich alle Schulen geschlossen,<br />
alle Kinder nach Hause geschickt. Die Regierung<br />
verbreitete Gerüchte, dass die Tamil Tigers damit gedroht<br />
hätten, Bomben zu zünden. Die Tigers hingegen sagten,<br />
das sei ein Wahlkampftrick der Regierung vor den Wahlen,<br />
sie hätten dergleichen niemals angedroht. Stell dir das mal<br />
vor. Das ist so ein unreifer Scheißdreck, der da abläuft. Damit<br />
will ich einfach im Moment nichts zu tun haben. Dieser<br />
Konfl ikt im Land ist so tief greifend! Wenn ich mich damit<br />
beschäftigen würde, müsste ich meine komplette Zeit investieren!<br />
Aber dann wäre ich eine von ihnen – und das will<br />
ich nicht.<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ M.I.A. _ 029<br />
Crewcut<br />
Amerikanischer Slang, steht für<br />
einen mächtig blöde aussehen-<br />
den Kerl mit Bürstenhaarschnitt.<br />
Lollapalooza<br />
1991 gründete Perry Farrell, Ex-<br />
Jane’s-Addiction und -Porno-For-<br />
Pyros, dieses Festival als rokken-<br />
den Wanderzirkus – man tourte<br />
durch die USA, um den Leuten<br />
auch abseits der Großstädte<br />
ein bisschen Popkultur nahezu-<br />
bringen. Mit der Zeit wurden die<br />
Bands zwar größer, die Preise al-<br />
lerdings auch höher und die<br />
Sponsoren-Präsenz erdrückender<br />
– es kam zum Crash. Nach kur-<br />
zer Pause fi ndet das Lolla nun ge-<br />
sundgeschrumpft jährlich in Chi-<br />
cago statt.<br />
Freedom of Speech<br />
Eigentlich garantiert dieses<br />
Grundprinzip liberaler Demokra-<br />
tien die freie Meinungsäußerung<br />
in jedweder Form, in jedem Me-<br />
dium. Eigentlich. Zusehends wird<br />
das Konzept allerdings auf dem<br />
Altar grassierender, hilfl oser Ter-<br />
rorpanik geopfert. Jedes Land<br />
hat seinen Schäuble.
030 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ M.I.A.<br />
Sri Lanka<br />
In Mayas Geburtsland geht der<br />
an- und abschwellende Bürger-<br />
krieg bald ins 25. Jahr. Die Tamil<br />
Tigers, denen ihr Vater zugerech-<br />
net wird, kämpfen als Organisa-<br />
tion einer religiösen Minderheit<br />
gegen die Regierung und fordern<br />
einen separaten Tamilen-Staat<br />
im Norden des Landes. Momen-<br />
tan werden sie daher von insge-<br />
samt 32 Staaten als Terror-Organi-<br />
sation geführt. Darunter auch von<br />
den USA ...<br />
Der MySpace-Killer<br />
Im englischen Ipswich, Suffolk<br />
begann im Dezember des letz-<br />
ten Jahres die Suche nach dem<br />
Mörder von insgesamt fünf Pros-<br />
tituierten. Die Medien sprangen<br />
schnell auf den Zug auf, unaus-<br />
weichlich wurden sofort Paralle-<br />
len zu »Jack the Ripper« gezogen.<br />
Einer der Verdächtigten hatte,<br />
nun ja, eine MySpace-Seite ...<br />
<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />
M.I.A.<br />
Kala<br />
CD // XL Recordings /<br />
Beggars Group / Indigo<br />
Leute, die viel reisen, die ständig unterwegs sind, klagen<br />
ja oft über Identitätsprobleme. Weil sie das Gefühl<br />
für das »Zuhause« verlieren, auch wenn das nur ein geistiger<br />
Ort sein kann. Du bist ja nun ständig unterwegs gewesen,<br />
auch weil du in deine bereits gekaufte Wohnung<br />
in Brooklyn wegen der Einreiseprobleme nicht einziehen<br />
konntest. Wie empfi ndest du das? Meine Familie ist meine<br />
Heimat. Wenn ich es also schaffe, alle an einem Ort zusammenzubringen<br />
– dann fühlt sich das nach einem Zuhause<br />
an. <strong>Als</strong> ich damals Sri Lanka verließ, wusste ich, dass das<br />
niemals wieder passieren würde. Niemals. Mein Zuhause<br />
würde nie, nie, nie, nie wieder so sein, wie es mal war: Meine<br />
Schule existiert nicht mehr, meine Straße ist zerstört, alles<br />
ist mit Landminen gepfl astert. Die Leben dort sind kaputt,<br />
die Hoffnungen sind kaputt. Ich weiß genau, selbst<br />
wenn ich nach Sri Lanka ziehe und mithelfe, eine Straße,<br />
ein Haus wieder aufzubauen, wird es trotzdem anders<br />
sein. <strong>Als</strong>o ist es für mich wichtig, einen Platz zu fi nden, der<br />
meinen Irrsinn unterdrückt, der mich ausbalanciert. Ich<br />
muss in meinem Leben etwas fi nden, das mir eine Ruhe<br />
verschafft. Zu der Zeit, als ich diese Visum-Probleme hatte,<br />
dachten ja alle Leute, ich hätte es geschafft: 200.000 Platten<br />
in den USA verkauft, schöne Wohnung in Brooklyn, ich<br />
kann überall hinreisen, wohin ich will. Aber ganz so einfach<br />
war es dann eben doch nicht. Ich hatte einfach kein Zuhause.<br />
Meine Idee war dann, alles so klein zu halten, dass<br />
ich mein Zuhause überall mit hinnehmen konnte. Ob das<br />
jetzt ein Buch ist oder eine Teetasse, ein Paar Schuhe oder<br />
ein Handy. So kann man dann ein bisschen Ruhe fi nden, in<br />
die man sich zurückziehen kann.<br />
Inwieweit wird dieser Zustand der Heimatlosigkeit in deinem<br />
Album widergespiegelt? Du bist noch hysterischer<br />
in einigen Songs als auf »Arular«, noch entgrenzter ... Oh<br />
ja, ich bin hysterisch auf der Platte, total. Wenn das also der<br />
schlimmste Part von mir ist, dann ist das eben so.<br />
War das das Ziel? Die schlechtesten Seiten aus dir rauszuholen?<br />
Ich geb dir ein Beispiel. Einen Tag, bevor ich »Bamboo<br />
Banga« schrieb, traf ich einen sehr seltsamen Künstler,<br />
der hat mir echt Angst gemacht. Ich lernte ihn mit ein paar<br />
Freunden kennen, er wollte uns ein bisschen von seiner Arbeit<br />
zeigen. Bei ihm zu Hause versuchte er uns dann plötzlich<br />
in einen Keller zu schubsen. Er fühlte sich von Geistern<br />
verfolgt und dachte, ich sei auf ihn angesetzt worden.<br />
<strong>Als</strong> Killer. <strong>Als</strong> wir dann Richtung Haustür fl üchteten, hielt<br />
er mich am Fuß fest. Wir kämpften miteinander. Erst als<br />
wir später sicher im Auto saßen, habe ich so richtig Angst<br />
bekommen. Das war nämlich am gleichen Tag, als in England<br />
dieser MySpace-Killer zuschlug, der innerhalb von einer<br />
Woche fünf Prostituierte ermordete ... Am nächsten Tag<br />
nahmen wir dann »Bamboo Banga« in einem Take auf, ich<br />
höre mich wirklich absolut spooky an auf den Aufnahmen.<br />
Da ist meine ganze Panik vom Tag davor in den Track gefl<br />
ossen. Mein Gott, mein Leben ist so bizarr!<br />
Einschub. Gleiche Stadt.<br />
Andere Bühne<br />
Erwartungsgemäß macht diese dräuende Hysterie am<br />
nächsten Tag im lokalen House of Blues, der von Dan Aykroyd<br />
mitgegründeten Location-Kette, deutlich mehr<br />
Sinn als am Vortag auf dem Lollapalooza. Besonders das<br />
eben angesprochene Stück, »Bamboo Banga«, steigert<br />
sich an diesem Tag live in einen irrlichternden monotonen<br />
Soundirrsinn, kreiert eine körperliche, niemals nachlassende<br />
Anspannung – wie sie eben nur auf dunklen, kleineren<br />
Bühnen spürbar wird. Man merkt sofort, dass sich<br />
Maya hier wohler fühlt. Die Fremdartigkeit der schrägen<br />
Samples, die Autosirenen, die fl atternden Hühner, die intensiven<br />
Tribalbeats, hier werden sie vom Publikum begeistert<br />
als neue Erfahrung aufgenommen. So weit draußen<br />
kann überwältigende Tanzmusik also heute klingen. Wie<br />
ein Trip durch die weißen Flecken der USA-Europa-zentrierten<br />
Weltwahrnehmung.<br />
Blende zurück. Hard Rock Cafe<br />
Eigentlich sollte ja Timbaland dein Album mitproduzieren,<br />
der sich auch gern mal quer durch Indien samplet.<br />
Letztlich ist es nur ein Song geworden – und der wird<br />
auch nur als Bonustrack in den USA erscheinen. Deine<br />
Plattenfi rma läuft sicher Amok ... Wenn ich diese Visum-<br />
Probleme nicht gehabt hätte, wär ich ihm einfach ein Jahr<br />
quer durch die USA immer hinterhergereist, nur um mit<br />
ihm aufzunehmen. <strong>Als</strong> ich ihn dann in Virginia Beach traf<br />
für ein paar kurze Recording-Sessions, merkte ich plötzlich:<br />
Eine Zusammenarbeit mit ihm würde einfach ganz<br />
weit weg klingen vom Rest des Albums, völlig inkonsistent.<br />
Das war mir plötzlich klar, noch bevor die Aufnahmen<br />
begannen.<br />
Angeblich haut der ja auch mal acht Songs am Tag raus.<br />
Klingt nach dem absoluten Gegenteil von deiner Arbeitsweise<br />
... Ich denke, es gibt zwei Arten von Künstlern. Der<br />
eine hat diese Sache, die er gern macht, die er immer machen<br />
will. Und deswegen ordnet er sein ganzes Leben, alle<br />
Leute um sich herum dieser Sache unter. So macht Timbaland<br />
das. Wenn er müde ist, schläft er. Dann wacht er auf<br />
und ist in einer ganz anderen Stimmung. Er schläft auch,<br />
um extra in eine andere Stimmung zu kommen, um Vibes<br />
für Songs zu ändern! Es geht also nur um diesen einen<br />
Moment im ganzen Leben. Ich hingegen bin das genaue<br />
Gegenteil. Ich erschaffe aus dem Chaos heraus, ich muss<br />
aber auch mitten im Leben stehen: Hunde kommen ins Studio<br />
und zerbeißen meine Mikros, ich verfolge sie die Straße<br />
runter, ich stoße mit jemandem zusammen, der sich<br />
prügeln will. Dazu sorge ich mich darum, dass meine Mutter<br />
aus ihrer Wohnung rausgeschmissen wird. Ich muss<br />
mir um alles Sorgen machen, ständig Ärger haben. Bis ich<br />
dann irgendwann brülle: »Warum lassen mich nicht einfach<br />
alle in Ruhe?« Und dann setze ich mich hin und schreibe<br />
einen Song. So und nicht anders können Platten von mir<br />
entstehen!<br />
Ein letzter, schier endloser Hustenanfall beendet das Interview.<br />
In den nächsten Wochen werden garantiert noch<br />
weitere folgen, unterbrochen von endlosen Fotoshootings<br />
und weiteren Konzerten. M.I.A. steht die Erschöpfung angesichts<br />
dieser Zukunftsaussichten ins Gesicht geschrieben.<br />
Wahrscheinlich freut sie sich schon jetzt auf ihr Appartment<br />
in Brooklyn, in dem sie die nächsten Tage etwas Normalität<br />
vortäuschen kann. Viel Zeit für ihr neues Zuhause<br />
hat sie allerdings nicht. Denn wenn ihr das Heft in Händen<br />
haltet, hat ihre Europatour inklusive Deutschlandbesuch<br />
schon begonnen. Wir sehen uns.<br />
Auf intro.de: Videoclips zu »Boyz« und »Bird Flu«
032 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew<br />
Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew.<br />
Der Geist<br />
des Kollektivs<br />
Zweimal Animal Collective, kein Kevin Drew
Text: Martin Büsser _ Foto: Lena Böhm <strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew _ 033<br />
Der Kollektiv-Gedanke erfährt in der Musik seit einigen Jahren eine<br />
Renaissance. Alternative Netzwerke als Basis für einen ästhetischen,<br />
politischen und musikalischen Gegentrend zum sonstigen Konsens in der<br />
Musikindustrie. Martin Büsser befragte Animal Collective und Kevin Drew<br />
von Broken Social Scene anlässlich der neuen Alben für <strong>Intro</strong> zu ihrem<br />
Verhältnis zum Kollektiv.<br />
Der Begriff des Kollektivs ist unmittelbar mit<br />
1968 und dessen Folgen verbunden – mit<br />
Kommune 1, freier Liebe und dem gemeinsamen<br />
Kühlschrank für alle. Mit sozialen Experimenten<br />
also, die gemeinhin als gescheitert<br />
betrachtet werden. So etwas eignet sich höchstens<br />
noch als Stoff für Retro-Filme zum Ablachen oder Kopfschütteln.<br />
Wer in der Bachelor-Generation aufwächst und<br />
alleine schon aufgrund immenser Semestergebühren dazu<br />
gezwungen ist, das Studium innerhalb von zwei Jahren zu<br />
beenden, wird schwer nachvollziehen können, dass es einmal<br />
eine Generation von Studenten gab, der die Suche nach<br />
alternativen Lebenskonzepten wichtiger war, als Scheine<br />
zu sammeln. Glaubt man den heutigen Medien und Uschi-<br />
Obermayer-Filmchen, war das Kommunarden-Gebaren von<br />
einst vor allem eines: unglaublich naiv, pubertär, ja geradezu<br />
hysterisch. Am Ende siegte daher fast immer die Vernunft<br />
in Form der bürgerlichen Ehe.<br />
Abgesehen davon, dass viele Kollektiv-Ansätze tatsächlich<br />
daran gescheitert sind, dass sich doch jemand – in den<br />
meisten Fällen waren das Männer – als Oberhaupt aufspielen<br />
musste, scheint der heutige Refl ex des Lächerlich-Machens<br />
Methode zu haben: Damit die rigiden, in den meisten<br />
Bundesländern bereits durchgesetzten Studienbedingungen<br />
nicht für einen kollektiven Aufruhr sorgen, muss die<br />
Idee der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelkämpfertum<br />
permanent diskreditiert werden. Stereotype Witze über<br />
endlose »Ey du«-Diskussionen unter fi lzigen Sozialarbeiter-Typen<br />
tragen ihren Teil dazu bei, dem Kollektiv ein uncooles<br />
Image zu verpassen.<br />
Umso interessanter, dass der Kollektiv-Gedanke in der<br />
Musik seit einigen Jahren eine Renaissance erfahren hat.<br />
Von Weird-Folk-Gruppen wie The No-Neck Blues Band über<br />
Label-Zusammenhänge wie Constellation sind alternative<br />
Netzwerke entstanden, die der Musikindustrie ästhetisch<br />
wie musikalisch zu trotzen versuchen. Geben solche Kollektive<br />
einen Leitfaden für die politische Praxis in die Hand?<br />
Werden hier auf dem ästhetischen Feld neue Protestformen<br />
ausprobiert, oder entpuppen sich solche Kollektive letzt-<br />
lich doch nur als Hippie-Nostalgie und Flucht in die Wälder?<br />
Antworten hierauf geben bzw. verweigern Animal Collective<br />
(vertreten durch Panda Bear [PB], Avey Tare [AT] und<br />
Geologist [G]) und Broken Social Scene (vertreten durch Kevin<br />
Drew [KD]), die beide mit einem Kollektiv-Ansatz auftreten<br />
oder doch zumindest damit assoziiert werden. Zudem<br />
handelt es sich bei beiden Gruppen um einen losen Verbund<br />
aus Freunden, der Solo-Aktivitäten und Seitenprojekte<br />
nicht ausschließt. Der Einzelne soll sich hier nicht dem Kollektiv<br />
unterordnen – kein halbwegs vernünftiger Mensch<br />
trauert schließlich Pol-Pot-Strategien oder der Mühl-Kommune<br />
nach –, sondern es als Individualist bereichern.<br />
1. Kollektiv<br />
Bedeutet der kollektive Ansatz, dass es bei euch keine<br />
Hierarchien gibt, keine Stars und keinen Bandleader?<br />
AT: Unser Konzept ist nicht total frei. Wir haben sehr<br />
wohl verteilte Rollen: Der eine arbeitet mehr am Songwriting,<br />
der andere mehr am Sound. Aber Animal Collective<br />
weisen keine konventionelle Bandstruktur auf, es ist eher<br />
ein Freundeskreis, dessen Besetzung ständig wechselt. Im<br />
Moment sind wir gerade drei Leute, für die kommende Platte<br />
können es dann auch schon wieder fünf sein.<br />
PB: Nun, es gibt verteilte Aufgaben, aber keine personelle<br />
Hierarchie. Niemand von uns besteht auf die Urheberschaft<br />
einer bestimmten Melodie oder Textzeile. Im Gegenteil,<br />
das Starke an dem kollektiven Konzept ist ja, dass sich<br />
alles ständig verändert.<br />
KD: Broken Social Scene werden immer wieder mit diesem<br />
Kollektiv-Gedanken in Verbindung gebracht. Aber wir<br />
sind kein Kollektiv und waren es auch nie. Eine Gruppe von<br />
zwanzig Leuten braucht auch so etwas wie einen Anführer,<br />
der Ordnung in die Sache bringt. Du brauchst jemanden,<br />
der sich um die Finanzen kümmert, um Plattenverträge<br />
und Konzertauftritte. Zeitweise hat sogar mein Vater<br />
solche Aufgaben übernommen. Wir sind nicht einmal musikalisch<br />
ein Kollektiv. Ein Großteil des Songwritings steuern<br />
Brendan und ich bei. Es gibt also gewisse Hierarchien,<br />
Hippie-Waldschrat-Bands<br />
Zahlreiche Bands haben in den<br />
letzten Jahren die freie Impro-<br />
visation des Free Jazz auf Folk<br />
übertragen. Die Presse hat ihre<br />
Musik mit den Etiketten »Weird<br />
Folk« und »Free Folk« versehen.<br />
Zu diesen Bands, die vor allem<br />
in den USA und in Finnland wie<br />
psychedelische Pilze aus dem Bo-<br />
den sprießen, zählen unter an-<br />
derem Sunburned Hand Of The<br />
Man, The No-Neck Blues Band, Six<br />
Organs Of Admittance und Da-<br />
veport. Sie musizieren bevorzugt<br />
unter freiem Himmel, im Wald<br />
und rund ums Lagerfeuer. Wal-<br />
lende Kleider und Bärte sind der<br />
neue Dresscode. Das musikali-<br />
sche Experiment wird oft von eso-<br />
terischen Weltbildern begleitet,<br />
die Kollektive weisen bisweilen<br />
sektenhafte Strukturen auf.
034 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew<br />
Terrestial Tones<br />
Seitenprojekt von Avey Tare und<br />
Eric Copeland (Black Dice). Sie<br />
haben bislang zwei Platten ver-<br />
öffentlicht, zuletzt »Dead Drunk«<br />
(Paw Tracks, 2006). Die Stücke<br />
wurden im gemeinsamen Apart-<br />
ment in Paris aufgenommen und<br />
basieren vorwiegend auf Samp-<br />
les. Hierfür wurden jede Men-<br />
ge Flohmarkt-Platten bis zur Un-<br />
kenntlichkeit gesampelt und<br />
durch Effektgeräte gejagt. Die<br />
Musik schwankt zwischen Am-<br />
bient, Lo-Fi-Pop und Industrial-<br />
Noise.<br />
Projekt mit Kria Brekkan<br />
Zusammen mit der ehemali-<br />
gen Múm-Musikerin Kria Brek-<br />
kan (Anna Valtysdottir) entstand<br />
2007 die höchst obskure Platte<br />
»Pullhair Rubbeye« (Paw Tracks),<br />
für die ein Großteil der Aufnah-<br />
men rückwärts abgespielt wur-<br />
de. Satanische Botschaften sind<br />
zwar keine zu entnehmen, dafür<br />
aber jede Menge bewusstseins-<br />
erweiternde Klänge, die zusätz-<br />
lich dadurch verfremdet und ver-<br />
zerrt wurden, dass das Album<br />
auf einem billigen Zweispurgerät<br />
(Flohmarktpreis: ein Dollar) abge-<br />
mischt wurde.<br />
Spirit If ...<br />
... ist der erste Teil einer Reihe mit<br />
dem Titel »Broken Social Scene<br />
Presents«, auf der einzelne BSS-<br />
Musiker ihre Soloarbeiten vorstel-<br />
len, eingespielt mit BSS-Mitglie-<br />
dern. Brendan Canning will sein<br />
Soloalbum 2008 rausbringen.<br />
Es bleibt abzuwarten, ob wei-<br />
tere Platten in der Reihe folgen<br />
oder ob sich das »Presents« nur<br />
auf die beiden »Köpfe« der Band<br />
beschränkt. Aus BSS sind bereits<br />
zahlreiche Seitenprojekte wie<br />
Apostle Of Hustle hervorgegan-<br />
gen, ohne dass diese unter »BSS<br />
Presents« liefen.<br />
<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />
Animal Collective<br />
Strawberry Jam<br />
CD // Domino / Rough Trade /<br />
VÖ 07.09.<br />
Broken Social Scene<br />
presents Kevin Drew<br />
Spirit If ...<br />
CD // City Slang / Universal /<br />
VÖ 14.09.<br />
die notwendig sind, um überhaupt halbwegs hörbare Musik<br />
zu machen.<br />
Inwiefern haben euch die Kollektiv-Ideen der 1960er-Jahre<br />
inspiriert, Gruppen wie Amon Düül oder Free Jazz?<br />
G: Musikalisch ist das unglaublich wichtig für uns. Aber<br />
wir leben anders als zum Beispiel Amon Düül. Wir leben<br />
nicht in Kommunen. Animal Collective ist eher ein musikalisches,<br />
kein soziales Experiment.<br />
AT: Trotzdem soll unsere Musik den Leuten etwas davon<br />
vermitteln, wo wir politisch stehen. Dazu benötigen wir keine<br />
politischen Texte oder Statements. Allein unsere Sounds<br />
und die improvisierte Herangehensweise an Musik sind ein<br />
Bekenntnis zur Freiheit und ein Aufruf, mit Konventionen<br />
zu brechen.<br />
PB: Wir wollen allerdings eine Verklärung der 1960er-<br />
Jahre vermeiden. Wir gehören defi nitiv nicht zu diesen<br />
gerade so angesagten Hippie-Waldschrat-Bands. In die<br />
Vergangenheit zu blicken und etwas von früher zu glorifi -<br />
zieren ist nicht unser Ding. Es gibt zwar diese »Tier«-Seite<br />
in AC, dieses archaische Element, zugleich ist unsere Musik<br />
aber auch sehr urban und futuristisch. Die Bands, die<br />
uns beeinfl usst haben, waren zu ihrer Blütezeit ebenfalls<br />
alles andere als nostalgisch: Can, Pink Floyd, Beach Boys –<br />
die blickten alle in die Zukunft!<br />
AT: Wir wollen mit unseren Sounds keine Wertungen abgeben.<br />
Wenn wir afrikanische Rhythmen benutzen oder archaisch<br />
anmutende Klänge, dann ist das keine Aufforderung,<br />
zurück in die Wälder zu gehen.<br />
G: Unsere Musik klingt wahrscheinlich deswegen so frei<br />
und ungewohnt, weil sie nur wenige Anbindungen an Rockmusik<br />
hat. Keiner von uns ist ein großer Fan von Rockmusik.<br />
<strong>Als</strong>o haben wir von Anfang an mit Rhythmen und Klängen<br />
improvisiert, die für Rock völlig untypisch sind. Field<br />
Recordings aus Afrika waren für uns sehr wichtig, denn dort<br />
hörst du zum Teil Sounds, die du gar keinem Instrument zuordnen<br />
kannst. Dieses Prinzip haben wir für unsere Musik<br />
übernommen – Klangquellen zu verwischen. Gitarren hören<br />
sich bei uns manchmal wie Samples, wie Loops an.<br />
KD: Wir haben gar keinen Bezug zu Kollektiven aus den<br />
1960ern. Die Vergangenheit interessiert uns nicht.<br />
2. Individuum<br />
Sind Bandkollektiv und Soloprojekte nicht ein Widerspruch?<br />
AT: Überhaupt nicht. Die Soloarbeiten sind für uns eher<br />
ein Experimentierfeld. Dort können wir Sachen ausprobieren,<br />
die wir später eventuell für AC nutzen. Es ist eine Bereicherung,<br />
neben AC auch mit anderen Musikern zu spielen,<br />
die dem Ganzen neue Facetten hinzufügen. Meine<br />
Arbeit mit Terrestial Tones hat zum Beispiel zu unglaublichen<br />
Soundexperimenten geführt, die ich in dem Maße bei<br />
AC nicht hätte ausleben können. Dasselbe gilt für mein Projekt<br />
mit Kria Brekkan von Múm.<br />
KD: Der Unterschied zwischen den Soloprojekten und<br />
BSS ist erst einmal nur der, dass die Solomusik entschlackter<br />
klingt. Auf »Spirit If ...« sind gerade einmal sechs Musiker<br />
zu hören. Ansonsten unterscheidet es sich gar nicht so<br />
sehr. Die Musik von BSS klingt oft wie ein Mixtape, weil so<br />
viele verschiedene Charaktere an den Aufnahmen beteiligt<br />
sind, die alle ganz individuelle Einfl üsse einbringen. Aber<br />
auch »Spirit If ...« ist am Ende wie ein Mixtape geworden,<br />
obwohl alle Stücke von mir stammen. Das liegt daran, dass<br />
ich es langweilig fi nde, nur einen ganz bestimmten Sound<br />
zu haben oder mit meiner Musik nur eine ganz bestimmte<br />
Stimmung auszudrücken. <strong>Als</strong> Mensch ändert sich meine<br />
Stimmung ja auch stündlich. Entsprechend spontan ist die<br />
Entstehung vieler Stücke. Die Texte habe ich oft in einem<br />
Rutsch geschrieben, ohne dass ich mir groß Gedanken darüber<br />
gemacht habe. Ich habe nicht lange rumgefeilt, sondern<br />
sie so genommen, wie sie rausgerutscht sind. Ein Kind<br />
veränderst du ja auch nicht nachträglich, nur weil dir seine<br />
Augen- oder Haarfarbe nicht passen.<br />
3. Kapital<br />
Wie lassen sich Kollektiv-Gedanke, experimentelle Musik<br />
und das schnöde Überleben im Kapitalismus zusammenbringen?<br />
G: Mit experimenteller Musik kannst du heute nicht<br />
mehr so bekannt werden, wie das in den 1970ern vielleicht<br />
noch bei Can möglich war. Zum einen, weil sich die sozialen<br />
Rahmenbedingungen geändert haben und Experimente gesellschaftlich<br />
nicht mehr angesagt sind. Zum anderen, weil<br />
die Leute heute nicht mehr bereit sind, Geld für Platten auszugeben.<br />
Deshalb musst du ständig auf Tour gehen. Die wenigen<br />
Menschen, die noch Platten von Bands wie uns kaufen<br />
– und das ist fast ausschließlich ein Vinyl-Publikum –,<br />
kannst du an einer Hand abzählen.<br />
AT: Aber wir haben diesen Weg ja freiwillig gewählt. Dadurch<br />
werden wir vielleicht nicht berühmt, aber wir können<br />
überleben. Sogar eine Band wie Wolf Eyes, deren Musik<br />
noch viel sperriger ist als unsere, lebt dank ständigem Touren<br />
– insofern will ich jetzt gar nicht jammern. Wir wollen<br />
unseren Hörern etwas davon vermitteln, dass Selbstbestimmung<br />
wichtiger ist als Geld und Erfolg. Zumindest bringt<br />
es ein erfülltes Leben.<br />
PB: DIY bedeutet für uns, volle Kontrolle über unsere Arbeit<br />
zu haben. Es ist schon schlimm genug, dass eine Band<br />
wie AC inzwischen erste Kompromisse eingehen muss.<br />
G: Genau, es geht nämlich schon los. Obwohl wir auf einem<br />
Indie-Level arbeiten, bekommst du den sanften, aber<br />
bestimmten Hinweis vom Tour-Management, in dieser<br />
oder jener Stadt zu spielen, ganz egal, ob du darauf Lust<br />
hast oder nicht. Oder sie vermitteln dir Interviews mit Zeitschriften,<br />
die du ideologisch gar nicht toll fi ndest. Was haben<br />
AC in einem Lifestyle-Magazin zu suchen? Na ja, wir reagieren<br />
meist mit Gelassenheit.<br />
KD: Wichtiger als die Idee des Bandkollektivs sind Vernetzungen<br />
unter Bands und Labels. Heutzutage musst<br />
du dich vernetzen, um überhaupt noch wahrgenommen<br />
zu werden. Nur so hat es die kanadische Indie-Szene geschafft,<br />
in den letzten Jahren weltweit wahrgenommen zu<br />
werden. Natürlich gab es auch schon vorher jede Menge Indie-Bands<br />
aus Kanada, aber sie haben isoliert gearbeitet.<br />
Dank all der Indie-Netzwerke, die in den letzten Jahren entstanden<br />
sind, machen die Majors nur noch einen winzigen<br />
Teil vom Kuchen aus. Sie stehen draußen und kratzen an<br />
der Tür. Langsam merken sie nämlich, dass ihre Superstar-<br />
Strategie nicht aufgegangen ist. Während die Industrie geschlafen<br />
hat, haben die Indies gelernt, gemeinsame Wege<br />
zu gehen und das Internet zu ihrer Plattform zu machen.<br />
Auf intro.de: Videoclip zu »Fireworks« und eine Verlosung.
1 2 3<br />
1950er/1960er<br />
Sun Ra Arkestra (1)<br />
Die Mutter aller Kollektive: Der 1914<br />
geborene Herman Blount a.k.a. Sun<br />
Ra, der vorgab, vom Planeten Sa-<br />
turn zu stammen, benötigte eine<br />
ganze Bigband, um seinen opu-<br />
lenten Science-Fiction-Jazz umset-<br />
zen zu können. Die Musikerfamilie<br />
lebte unter einem Dach, teilte sich<br />
Essen und die meist karge Gage.<br />
David Peel & The Lower East Side<br />
Der Anarcho-Sänger trat ab Mitte<br />
der 1960er auf den Straßen und in<br />
den Parks von New York auf, sang<br />
gegen den Vietnamkrieg und für<br />
die Legalisierung von Marihua-<br />
na. Seinem Gefolge, der Lower East<br />
Side, konnte sich jeder anschlie-<br />
ßen, der nur wollte. Zu den promi-<br />
nentesten im Backing-Chor zählten<br />
John Lennon und Yoko Ono.<br />
Amon Düül (4)<br />
1967 aus einer Münchener Künst-<br />
lerkommune hervorgegangen. Die<br />
von Velvet Underground beein-<br />
fl usste Gruppe, der anfangs auch<br />
Uschi Obermaier angehörte, spiel-<br />
te lange instrumentale Freak-outs<br />
Trotz Sun Ras Engagement in der<br />
»Black Power«-Bewegung wurde im-<br />
mer wieder kritisiert, dass er das Ar-<br />
kestra autoritär geführt habe und<br />
der Schritt vom Kollektiv zur Aus-<br />
beutung nicht weit gewesen sei.<br />
AMM (2)<br />
Von Lou Gare, Eddie Prevost und<br />
Keith Rowe 1965 gegründetes Kol-<br />
4 5 6<br />
1960er/1970er<br />
unter Einfl uss von Acid. Auf den<br />
»Essener Songtagen« kam es 1968<br />
zum Eklat, weil viele Besucher<br />
nicht verstanden, was diese verkiff-<br />
ten Sounds auf einem politischen<br />
Festival zu suchen hatten. Wegen<br />
musikalischer Differenzen kam es<br />
zur Abspaltung von Amon Düül II.<br />
Embryo<br />
1969 in München gegründetes<br />
Kollektiv zwischen Prog Rock und<br />
Weltmusik. Ihre Hippie-Reisen im<br />
VW-Bus nach Indien wurden 1981<br />
auf der Doppel-LP »Embryos Reise«<br />
dokumentiert.<br />
Los Angeles Free Music Society<br />
In den frühen Siebzigern gegrün-<br />
7 8 9<br />
2000er<br />
Polyphonic Spree (7)<br />
Mehr als 20-köpfi ge, in wallenden<br />
Gewändern auftretende Band,<br />
die nach außen hin wie eine Sek-<br />
te wirkt und lebensfroh der musi-<br />
kalischen Tradition von Musicals<br />
wie »Hair« und »Jesus Christ Super-<br />
star« frönt.<br />
Sunburned Hand Of The Man<br />
1997 in Massachusetts gegrün-<br />
detes Free-Folk-Kollektiv, das<br />
stellvertretend für viele jüngere<br />
Psych-Kollektive dieser Art nahe-<br />
zu alle internen Regeln des Gen-<br />
res beherrscht. Darunter: 1) Benut-<br />
ze einen langen Bandnamen! 2)<br />
Veröffentliche mindestens drei Ton-<br />
träger pro Quartal! 3) Nimm pro<br />
Tonträger mindestens ein Stück<br />
von über 20 Minuten Länge auf!<br />
Dufus<br />
Aus dem experimentellen Straßen-<br />
theater hervorgegangenes Kollek-<br />
tiv, das mal in einer Besetzung von<br />
zwei und mal in einer Besetzung<br />
von über 20 Leuten auftritt. Die-<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew _ 035<br />
lektiv, dem die Musik des Free Jazz<br />
zu hierarchisch und determiniert<br />
war. Während ihrer spontanen,<br />
ohne Vorabsprachen aufgeführ-<br />
ten Konzerte wurde jegliche kon-<br />
ventionelle musikalische Struktur<br />
negiert, das Geräusch trat in den<br />
Mittelpunkt. Die von John Cage<br />
beeinfl usste Gruppe hatte großen<br />
Einfl uss auf spätere »Pop«-Strömun-<br />
detes Musiker- und Label-Kollektiv<br />
aus L.A., das an den experimentel-<br />
len Rändern von freier Improvisati-<br />
on, Klang-Collage, Dada-Pop und<br />
Noise arbeitete.<br />
Henry Cow (5)<br />
Henry Cow waren ein 1968 gegrün-<br />
detes Rock-Kollektiv auf Improvisa-<br />
tionsbasis, dem u.a. Fred Frith und<br />
Chris Cutler angehörten. Sie ver-<br />
banden Rock mit Elementen der<br />
Neuen Musik, verarbeiteten Arbei-<br />
terkampfl ieder sowie die Musik<br />
von Brecht/Weill und Hanns Eisler.<br />
Teil des politischen Konzeptes war,<br />
Grenzen der Tonalität zu sprengen<br />
und mit musikalischen Hierarchi-<br />
en zu brechen.<br />
ses wohl einzige aus der Anti-Folk-<br />
Szene hervorgegangene Kollek-<br />
tiv klingt wie eine Mischung aus<br />
Monty Python und den Mothers Of<br />
Inventions, liebt Dreadlocks, fus-<br />
selige Bärte und sackähnliche Kla-<br />
motten.<br />
Danielson Famile (8)<br />
<strong>Als</strong> sich die Gruppe 1995 gründe-<br />
te, war das jüngste Bandmitglied<br />
gerade mal elf Jahre alt. Die ein-<br />
heitlich in hellblauen Pfl egeruni-<br />
formen auftretende »Familie« aus<br />
gen wie Electro-Minimalismus und<br />
Post-Industrial, unter anderem auf<br />
Jim O’Rourke und das Mille-Pla-<br />
teaux-Label.<br />
Scratch Orchestra (3)<br />
1986 vom Stockhausen-Schüler Cor-<br />
nelius Cardew gegründetes Kollek-<br />
tiv, das im Sinne der Lehren Mao<br />
Tse-tungs das Publikum in den mu-<br />
Magma<br />
Französisches, 1969 von Schlagzeu-<br />
ger Christian Vander gegründetes<br />
Bandkollektiv, das in der eigenen<br />
Kunstsprache Kobaïanisch sang<br />
und vorgab, vom Planeten Kobaïa<br />
zu stammen, dessen Ziel es sei, die<br />
Erde zu vernichten.<br />
Ton Steine Scherben<br />
Die Gruppe, von der der Song »Al-<br />
lein machen sie dich ein« stammt,<br />
hatte einen Kollektiv-Ansatz, zu-<br />
mindest jenseits der Bühne. In der<br />
Berliner Wohnung stand der Kühl-<br />
schrank für alle offen.<br />
Crass<br />
Die Band ging Ende der 1970er aus<br />
South Jersey vertraut auf die frohe<br />
Botschaft von schräger Popmusik –<br />
ihre christlichen Texte sind durch-<br />
aus ernst gemeint. Für Kirchenta-<br />
ge und Zeltmissionen ungeeignet,<br />
spaltet die Famile die Popwelt: Vie-<br />
len Christen sind sie musikalisch<br />
zu »weird«, vielen Indie-Hörern zu<br />
missionarisch.<br />
Godspeed You! Black<br />
Emperor (9)<br />
Aus der soziokulturellen Künstler-<br />
und Hausbesetzerszene von Mon-<br />
sikalischen Prozess miteinbeziehen<br />
wollte und versuchte, traditionel-<br />
le musikalische Urheberschaft zu<br />
überwinden. Konsequenterweise<br />
wurden keine offi ziellen Tonträger<br />
hinterlassen. Cardew musste aller-<br />
dings ernüchtert feststellen, dass er<br />
mit diesen befreiten Klängen kein<br />
Arbeiterklassen-Publikum errei-<br />
chen konnte.<br />
einem Wohnkollektiv hervor und<br />
weigerte sich, mit der Musikindus-<br />
trie zu kooperieren. Ihr Anarcho-<br />
Punk richtete sich gegen Sexismus,<br />
Tierversuche und die Politik von<br />
Margaret Thatcher.<br />
The Ex (6)<br />
1979 aus der Amsterdamer Haus-<br />
besetzer-Szene hervorgegangenes<br />
Anarcho-Punk-Kollektiv mit musi-<br />
kalisch stets offenem Ansatz. Statt<br />
konventionellen Hau-drauf-Punk<br />
zu liefern, experimentierte die<br />
Band mit freier Improvisation und<br />
interpretierte politische Lieder vom<br />
britischen Bergarbeiterstreik bis<br />
zum spanischen Bürgerkrieg.<br />
treal hervorgegangene Band mit<br />
wechselnder Besetzung, deren Mu-<br />
siker auch in anderen Projekten<br />
wie Thee Silver Mt. Zion und Set<br />
Fire To Flames spielen. Dreh- und<br />
Angelpunkt der Community ist<br />
das hauseigene Constellation-La-<br />
bel, ein Label mit dezidiert politi-<br />
schem DIY-Anspruch. Die Musiker<br />
von Godspeed geben keine Inter-<br />
views und vertrauen ganz darauf,<br />
dass der politische Anspruch be-<br />
reits durch die Community und<br />
Vertriebsstrukturen deutlich wird.
036 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ G-Hot<br />
Kunstfreiheit<br />
für. G-Hot<br />
Gökhan Sensan (a.k.a. G-Hot) setzt das Tabubruch-Prinzip von Aggro Berlin konsequent um.<br />
Der von den Lesern des Juice-Magazins zum »Newcomer 2006« gekürte HipHopper hasst mit<br />
seinem Stück »Keine Toleranz« auf Schwule ab – und entfaltet damit eine öffentliche Debatte<br />
über Meinungsfreiheit im HipHop. Jetzt will sein ehemaliges Label nichts mehr von ihm wissen.
Text: Hannes Loh<br />
Rap ist ein hartes Geschäft. Und Rapper sind<br />
raue Gesellen, die unbarmherzig auf ihre<br />
Gegner eindreschen. Specter – einer der drei<br />
Betreiber des Berliner Labels Aggro Berlin<br />
– kann das besonders gut erklären. Er sagt<br />
dann Dinge wie »HipHop ist Kampfkultur« oder »HipHop<br />
ist Männerauffanglager«. Kunst und Gesellschaft sind<br />
Specters Lieblingswörter, die immer dann fallen, wenn Aggro<br />
Berlin wieder einmal zu verkaufsfördernden Tabubrüchen<br />
Stellung nimmt. Die Rapper Sido und Fler etwa werden<br />
gegen Vorwürfe des Sexismus und der Deutschtümelei<br />
so in Schutz genommen: »In ihren Texten schildern sie unter<br />
Zuhilfenahme von künstlerischen Stilmitteln in einem<br />
HipHop-typischen Kontext die Realität, in der sie aufgewachsen<br />
sind. Man darf Ursache und Wirkung nicht verwechseln:<br />
Die Gesellschaft hat diese Personen und die<br />
Welt, in der sie leben, geschaffen. Nicht umgekehrt.«<br />
Wer sich damit nicht zufrieden gibt, den erinnert das Label<br />
an die »Meinungsfreiheit« und daran, dass man sich<br />
»dieses Recht nicht nehmen« lasse. Denn: »Bemühungen,<br />
der Kunst Vorschriften zu machen, sie zu instrumentalisieren<br />
oder gar zu verbieten, [sind] immer der erste Schritt in<br />
Richtung Diktatur und Faschismus.«<br />
Erst vor wenigen Wochen musste Aggro Berlin die Meinungsfreiheit<br />
wieder gegen Wegbereiter von Diktatur und<br />
Faschismus verteidigen: Brothers Keepers e. V., ein Zusammenschluss<br />
von primär afrodeutschen Künstlern und Produzenten,<br />
kritisierte in einer Petition unter anderem den<br />
Titel des aktuellen Albums von Aggro-Rapper B-Tight (»Neger,<br />
Neger«) und Zeilen aus dessen Songs (»Wer rammt immer<br />
noch seinen Penis in dein Loch, sag mir, wer ist immer<br />
straff? Der Neger, der Neger!«). Auch hier fühlt sich Aggro<br />
Berlin zu Unrecht angegriffen. Denn was kann B-Tight dafür?<br />
Steckt nicht hinter allem die Gesellschaft? Und muss<br />
man sich nicht fragen, »warum ein einzelner Künstler am<br />
Pranger stehen soll für eine Debatte, bei der es doch um einen<br />
gesamtgesellschaftlichen Diskurs gehen soll?« Aggro<br />
Berlin fordert deshalb in einer Stellungnahme zur Brothers-Keepers-Petition:<br />
»Kunstfreiheit für B-Tight.«<br />
Auch die bei Aggro Berlin beschäftigten Rapper haben<br />
inzwischen gelernt, wie man sich als Opfer darstellt. Jetzt<br />
heißt es trotzig: »Nicht wir versauen die Jugend, wir sind<br />
die versaute Jugend!« Oder: »Ihr habt damals eure Kinder<br />
vernachlässigt. Das habt ihr jetzt davon!« Mit der stolzen<br />
Haltung eines Rebellen reagiert auch B-Tight auf die Vorwürfe<br />
von Brothers Keepers: »Ich hab mir noch nie etwas<br />
gefallen lassen. Schon gar nicht von solchen Heuchlern.«<br />
PR-Sprecher Specter, der seinen Künstlern »professionelle<br />
Hilfestellung bei ihrer Selbstrefl exion« leistet, gießt das<br />
rassistische Stammtisch-Stereotyp »Den Negern geht’s<br />
hier doch eh viel zu gut« in eine appetitliche Form: »Er [B-<br />
Thight] analysiert in seinen Songs seine schwarze Seite<br />
in einer weißen Gesellschaft und kommt zu dem Schluss:<br />
Schwarz sein hat ihm auch sehr geholfen.«<br />
Einen bedeutenden Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs<br />
leistet aus dieser Perspektive wohl auch G-Hot, von<br />
den Lesern des Juice-Magazins zum »Newcomer 2006«<br />
gekürt, wenn er in seinem Song »Keine Toleranz« einen<br />
Einblick gibt, wie man im prekären Männerbund auf der<br />
Straße über Schwule denkt: dass Aids eine Schwuchtel-Epidemie<br />
sei, dass Gott Homosexualität verbiete und schwule<br />
Liebe überhaupt das Unnatürlichste und Ekelhafteste<br />
sei, was man sich vorstellen könne. Mit dieser »Message<br />
from the Streets« dürften G-Hot und sein Freund Boss A,<br />
mit dem er den Song aufgenommen hat, das Stimmungsbild<br />
eines Großteils (nicht nur) der Berliner Rapszene akkurat<br />
wiedergegeben haben. Denn wo Frauenfeindlichkeit<br />
und Fremdenhass in ihrer Ausgrenzungsdynamik im Hip-<br />
Hop-Kosmos zumindest ambivalent sind (Heilige vs. Hure,<br />
böser Kanake vs. guter Ausländer), ist man sich doch darüber<br />
einig, dass Männer sich nicht küssen sollten. Frauenversteher,<br />
Antifa und Multikulti – all das geht. Ein schwuler<br />
Rapper? Unmöglich!<br />
G-Hots Schwulenhass ist in diesem Sinne ehrlicher und<br />
konsequenter als der Sexismus eines B-Tight oder der Nationalismus<br />
eines Fler. G-Hot spricht aus, wie man in seinem<br />
Umfeld über Homosexuelle denkt und was man von<br />
sich gibt; seine Homophobie mündet in der Aufforderung,<br />
Schwule zu verfolgen, zu quälen, zu töten. Dass er keine Außenseitermeinung<br />
vertritt, zeigt die unverblümte Zustimmung,<br />
die sein Song in vielen Kommentaren auf unterschiedlichen<br />
Foren im Internet erhält.<br />
In diesem Fall fordert Aggro Berlin keineswegs Kunstfreiheit<br />
für G-Hot, das Label geht auf Distanz. G-Hot sei<br />
nicht mehr Teil »unserer Crew«, jede weitere Zusammenarbeit<br />
schließe man aus, und »Mitarbeiter und Künstler<br />
distanzieren sich entschieden von den [...] geäußerten Ansichten«.<br />
Kein Diskurs über Kunst, Gesellschaft oder Meinungsfreiheit.<br />
Mit einem Ankommen im Mainstream,<br />
einer Domestizierung des beispiellos erfolgreichen Rap-<br />
Labels durch das große Geschäft hat das nichts zu tun. Aggro<br />
Berlin opfert vielmehr seinen ehrlichsten Rapper, um<br />
auch in Zukunft Sexismus, Nationalismus und Homophobie<br />
seiner Künstler rechtfertigen zu können. G-Hot hat das<br />
Tabubruch-Prinzip des Labels ernst genommen – und versäumt,<br />
Raum für Interpretationen und Rechtfertigungen<br />
zu lassen.<br />
Den Rummel um das Bauernopfer G-Hot nutzt Aggro<br />
Berlin derweil professionell als PR-Kampagne für seine<br />
verbliebenen Rapper – und geriert sich dabei als Opfer einer<br />
Verschwörung. Aggro Berlin sei »das einzige Sprachrohr einer<br />
sozialen Realität, die große Teile der Gesellschaft nicht<br />
wahrhaben wollen«; nicht sexistische und rassistische Klischees<br />
würden in Songs wie »In den Mund!!« oder »Neger<br />
bums mich« transportiert, sondern »Probleme der Straße<br />
(...) refl ektiert«, erzählte Specter dem Spiegel. Homosexualität<br />
sei zudem kein ghettorelevantes Thema.<br />
Specter weiß natürlich sehr gut, dass Schwulenhass im<br />
Milieu, das seine Rapper verherrlichen, eine gängige und<br />
akzeptierte Haltung ist. Er weiß auch: Mit Klischees und<br />
Vorurteilen kann man viel Geld verdienen. Dass er Störfälle<br />
im Betriebsablauf seines Unternehmens im Jargon eines<br />
Vattenfall-Sprechers schönredet, kann man ihm kaum<br />
zum Vorwurf machen. Die direkte Folge der Skandale um B-<br />
Tight und G-Hot zeigt indes deutlicher als sonst, mit welchem<br />
Kalkül man bei Aggro Berlin die Öffentlichkeit manipuliert.<br />
Im Gegensatz zu Vattenfall ist das Label damit<br />
allerdings sehr erfolgreich.<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ G-Hot _ 037<br />
»Irgendwie alles nicht so<br />
gemeint« – homophobe<br />
Lyrics im Deutschrap,<br />
eine Auswahl:<br />
»Eure Outfi ts sind lächerlich, eure<br />
Bewegungen schwuchtelig.«<br />
(Samy Deluxe, 1999)<br />
»Vergase Rapper mit Lippglous<br />
wie Hitler deine ganze<br />
Sippschaft.« (Der Klan, 1999)<br />
»Mein Style ist wie Aids und trifft<br />
als Allererstes Schwule.« (Kool<br />
Savas, 2000)<br />
»Kein Respekt für Raptucken,<br />
denn ihr seid Nutten, Nutten,<br />
Nutten.« (Spezializtz & Hausmarke,<br />
2000)<br />
»Du bist anders als wir, du bist<br />
schwul, kapiert?« (Die Sekte, 2002)<br />
»Es ist Frank Wild, Sonny Black<br />
und du bist ‘ne Schwuchtel.«<br />
(Aggro Ansage Nr. 1, 2002)<br />
»Keiner von euch Homos ist was<br />
wert.« (Aggro Ansage Nr. 3, 2004)<br />
»Du bist ein schwuler Rapper,<br />
der jetzt seine Stimme verliert.«<br />
(Bushido, 2005)<br />
»Ihr Tunten werdet vergast.«<br />
(Bushido, 2006)<br />
»Keine Toleranz, wir dulden keine<br />
Schwuchteln [...] Nie wieder frei<br />
laufende Gays [...] Knechten<br />
und schlagen! Nie wieder<br />
Regenbogenfarben! [...] Wenn du<br />
einen von ihnen siehst, dann box<br />
ihn!« (G-Hot und Boss A, 2007)<br />
»Dass sich das so eingebürgert<br />
hat, ist natürlich nicht cool.<br />
Wenn Araber jetzt plötzlich ein<br />
Schimpfwort wäre, würde ich<br />
auch sagen: Ey Leute! Ihr benutzt<br />
Araber als Schimpfwort, ich bin<br />
Araber. Wenn die Schwulen<br />
sagen: Ich bin schwul, du benutzt<br />
schwul unter einem negativen<br />
Aspekt, muss ich aber auch<br />
sagen: Tut mir leid, ihr müsst<br />
akzeptieren, dass es in unserer<br />
Szene und auch generell so<br />
im Sprachgebrauch verankert<br />
wurde.» (Bushido im Interview mit<br />
der Netzzeitung)
038 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Menomena<br />
Menomena.<br />
Let there be Widersprüche
Text: Christine Käppeler _ Foto: Sibylle Fendt<br />
Diese Band klingt wie eine Mischung aus The Mercury Rev und Flaming Lips.<br />
Sagt Christine Käppeler. Und was meint die Band? Brent Knopf: »Wenn wir erst<br />
mal anfangen, Drogen zu nehmen ... Wer weiß, vielleicht irgendwann.« Ihre<br />
Songs sind anspruchsvoll komponiert und gleichzeitig ziemlich plemplem.<br />
Wer sind diese drei Typen, und wo kommen die Widersprüche her?<br />
<strong>Als</strong> die Lehrerin wissen möchte, wie sich<br />
ihre Klasse den Himmel vorstellt, hat der<br />
junge Craig Thompson die Vision von einem<br />
Ort, an dem er bis in alle Ewigkeit<br />
zeichnen kann. Die Szene stammt aus<br />
seinem Buch »Blankets«, einem atemberaubend schönen<br />
und melancholischen Coming-of-Age-Comicbuch, das die<br />
Geschichte einer Jugend und von den Nöten eines Außenseiters<br />
im mittleren Westen erzählt. Liest man die Episode<br />
als autobiografi sche Notiz, dann kann man sagen, dass<br />
Thompson jetzt, mit Anfang dreißig, dem Paradies ein ganzes<br />
Stück näher gekommen ist. Das Artwork, das er für Menomenas<br />
zweites Album gezeichnet hat, ist als eine endlose<br />
Bildergeschichte angelegt.<br />
Brent Knopf, Danny Seim und Justin Harris leben in Portland,<br />
Oregon. Eine Stadt, die eben groß genug ist, dass es<br />
die jungen kreativen Leute nicht zwingend in die Ferne<br />
zieht, und doch so überschaubar, dass man sich innerhalb<br />
der Musik- und Kunstszene kennt. Craig Thompson sei ein<br />
alter Surfkumpel von Justin, erzählt Brent Knopf, der das<br />
Interview alleine führt. Ich stelle mir vor, wie der schmale,<br />
blasse Außenseiter aus dem Comic, den die Sportlertypen<br />
in der Highschool »Schwuchtel« oder »Mädchen« nennen,<br />
mit dem Surfbrett unterm Arm zwischen Bikinigirls und<br />
aufgepumpten Machos an der Pazifi kküste steht, und wundere<br />
mich ein wenig. Auch Justin Harris, der für den fulminanten<br />
Showdown im zweiten Teil der Single »Rotten Hell«<br />
und für die wuchtigen Arrangements von »The Pelican« verantwortlich<br />
ist, hätte man nicht unbedingt als Anhänger<br />
Beach-Boys’esker Leichtigkeit im Verdacht.<br />
Der Humor der Band ist eher hintergründig, bisweilen<br />
absurd. Das zeigt sich auch im amateurhaften Video zum<br />
Song »Wet & Rusting«, den ein Freund der Band, der sich<br />
im Vorspann als Lance Bangs vorstellt – und der, wenn man<br />
Brent Knopf denn Glauben schenkt, tatsächlich so heißt –,<br />
gedreht hat. Offensichtlich von Sonic Youth und Beck inspiriert,<br />
lässt er die Band in bester Low-Budget-Manier<br />
im Proberaum spielen, als der Sensenmann an die Türe<br />
klopft und nach ihren letzten Wünschen fragt: Eine Albumproduktion<br />
mit KanYe West steht auf Justins Wunschzettel,<br />
Danny sehnt sich nach einer Abschiedstour im Zeppelin,<br />
und Brent hat ein Perpetuum mobile skizziert, mit dem<br />
sich jede Energiekrise lösen lässt. Am Ende entsteht aus<br />
Brents spießiger Idee eine Art Trampolin auf Rädern, mit<br />
dem die Band durch die Vorgärten hüpft und rollt. Ähnlich<br />
verhält es sich mit vielen Dingen im Kosmos der Band: Hinter<br />
den komplexen Arrangements versteckt sich meist eine<br />
gesunde Portion Quatsch. Und hinter dem Quatsch steckt<br />
wiederum oft System, wie etwa der Titel ihrer ersten Platte<br />
»I’m The Fun Blame Monster« zeigt, der ein Anagramm<br />
von »Menomena’s First Album« ist. Wenn Brent Knopf über<br />
Menomena spricht, dann fällt auf, dass er selten Worte<br />
wie »wir« oder »uns« verwendet. »The Pelican« ist Justins<br />
Song; in Sachen Website müsse ich mich an Danny wenden,<br />
»denn das ist sein Ding«. Obwohl sie seit sieben Jahren<br />
Freunde und Bandkollegen sind, arbeiten sie sehr unterschiedlich<br />
und meistens autark. So entsteht dann ein<br />
Song wie »Rotten Hell«, der halb von Danny, halb von Justin<br />
stammt. »Danny und Justin haben unabhängig voneinander<br />
an dem Song gearbeitet. Beide hatten eine großartige<br />
fertige Songidee. Für die endgültige Version haben wir<br />
dann Dannys abrupten Anfang und Justins langsam anschwellenden<br />
Schluss kombiniert.« Diese Arbeitsweise<br />
wurde ihnen nicht zuletzt durch das Budget diktiert. Eine<br />
gemeinsame Studioarbeit war einfach nicht drin. 800 Dollar<br />
hat die Platte alles in allem gekostet: 700 Dollar das<br />
Mastering, 100 Dollar die eigene Produktion.<br />
Seit ihrer ersten Platte arbeiten sie mit einer von Brent<br />
entwickelten Audiosoftware, die er »The Deeler« nennt und<br />
die, so hat er eben erfahren, einer Software namens Ableton,<br />
die in Berlin hergestellt wird, vergleichbar ist. »Deeler«<br />
ist ein Audiotool, das auf Loops basiert, auch bei der Entstehung<br />
von »Friend And Foe« war die Software bereits im Vorfeld<br />
der Aufnahmen essenziell. »Sie hilft uns, neue Ideen zu<br />
fi nden«, so Brent. Er scheint der Technik-Freak in der Band<br />
zu sein, doch wenn man ihn nach seinen Interessen fragt,<br />
schwärmt er von Wanderausfl ügen in die Natur. Auch privat<br />
gehen sie oft getrennte Wege: »Wir haben alle unsere eigenen<br />
Interessen und Skills.« Justin geht gerne surfen und<br />
ist handwerklich sehr begabt, Danny ist eher der soziale<br />
Typ, der gerne unter vielen Menschen ist und in seiner Freizeit<br />
meistens mit Musikern abhängt. Neben Menomena betreibt<br />
er ein Soloprojekt, und er ist der Drummer der Singer/<br />
Songwriter-Band All Smiles des ehemaligen Grandaddy-Gitarristen<br />
Jim Fairchild. Ob es dennoch etwas gäbe, das für<br />
Menomena typisch ist? »Wir haben wenig Respekt vor Leuten,<br />
die versuchen, komplizierte Dinge immer auf einen einfachen<br />
Nenner herunterzubrechen. Das macht für uns keinen<br />
Sinn. Das Leben ist widersprüchlich. Wir versuchen<br />
nicht zu lügen und lassen Widersprüche stehen.«<br />
Wenn man die illustrierte CD in ihrer perforierten Hülle<br />
dreht, dann ergibt sich zu jedem Song ein neues Bild. Craig<br />
Thompson hat »Friend And Foe« als ein hyperaktives Monsteralbum<br />
gestaltet. Durch die Körperöffnungen von großen<br />
Monstern wuseln kleine Monster, und jedes Mal, wenn man<br />
die Platte aus ihrer Hülle nimmt, entdeckt man ein neues<br />
merkwürdiges kleines Vieh. Diesem durchgeknallten Biest<br />
von einer Platte wird er damit absolut gerecht.<br />
Auf intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Rotten Hell«<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Menomena _ 039<br />
Ein Anagramm<br />
... ist ein Buchstabenspiel, im<br />
Deutschen wird es manchmal<br />
auch Letterwechsel genannt. Die<br />
einzelnen Buchstaben eines Wor-<br />
tes oder Satzes werden dabei so<br />
verdreht, dass ein neuer Satz oder<br />
ein neues Wort entstehen. Das be-<br />
kannteste ist in der deutschen<br />
Popmusik sicherlich der Name<br />
Anna, ein Anagramm muss je-<br />
doch nicht unbedingt »von hin-<br />
ten wie von vorne« lesbar sein.<br />
Grandaddy<br />
... war eine der einfl ussreichsten<br />
amerikanischen Indie-Bands in<br />
Sachen Lo-Fi-Gitarrenrock. Mit der<br />
Single »Summer Here Kids« ge-<br />
lang der Band aus Modesto, Ka-<br />
lifornien 1997 eine Nummer-eins-<br />
Platzierung in den NME-Charts.<br />
2006 veröffentlichte die Band<br />
um Jason Lytle ihr letztes Album<br />
»Just Like The Fambly Cat« und<br />
gab kurz darauf ihre Aufl ösung<br />
bekannt.<br />
<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />
Menomena<br />
Friend And Foe<br />
CD // City Slang / Universal
040 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Hard-Fi<br />
Hard-Fi. Proll-Styler bei der Arbeit
Text: Till Stoppenhagen _ Foto: Joachim Zimmermann<br />
Hard-Fi veröffentlichen mit »Once Upon A Time In The West« ihr zweites<br />
Album. Und legen kräftig im Stil ihres Debüts »Stars On CCTV« nach. Hymnen<br />
der ungebremsten Ladkultur. Immer mit Seele. Unser Autor Till Stoppenhagen<br />
sieht in ihm nicht weniger als die schlichte Eleganz des Northern Soul<br />
aufschimmern. Was er sonst noch so denkt über die Band – hier steht es.<br />
E<br />
s hätte keinen besseren Ort für diese Album-<br />
Premiere geben können: Endlose Schlammwüsten,<br />
Horden Lagerbierbecher schwenkender<br />
junger Männer, dank Vollsuff und Stiff-upperlip-Mentalität<br />
auch nach tagelangem Dauerregen<br />
noch bei bester Laune: Glastonbury, dieses süße Open-<br />
Air-Inferno, dieser Himmel, für den man durch die Hölle<br />
geht. Die Inkarnation britischer Party-Kultur, die selbst<br />
in ihren rustikaleren bis prolligeren Auswüchsen immer<br />
noch ein Maß an Würde und Stil bewahrt, das man sich in<br />
Deutschland so niemals vorstellen könnte. Einer Kultur, die<br />
kaum jemand so perfekt auf den Punkt bringt wie Hard-Fi.<br />
In diesem Jahr spielten sie zum ersten Mal auf dem legendären<br />
Festival. Um ihr neues, zweites Album »Once Upon A<br />
Time In The West« erstmals der Weltöffentlichkeit zu Füßen<br />
zu legen. Schrängelnde Clash-Gitarren, schwere, klotzige<br />
Grooves, schrille Bläser – ein massiver Tanzfl ächenfüller,<br />
der bei aller Bodenständigkeit immer die schlichte Eleganz<br />
des Northern Soul bewahrt. Proletarischer Glamour.<br />
Aus den tristen Tiefen des Londoner Westens – aus Staines,<br />
um genau zu sein – kommen Hard-Fi in die Suite des<br />
edlen Berliner Concord-Hotels nahe dem Kurfürstendamm<br />
gestapft. Drummer Steven Kemp, Bürstenschnitt, ein hartes<br />
Burschengesicht, ist »die hard« Working-Class. Sänger<br />
Richard Archer, weich geschnittene Züge, der Einzige in der<br />
Band, der Musik studiert hat, kommt aus einer Akademikerfamilie,<br />
hat sich in dem grundsoliden Umfeld aber gut<br />
assimiliert. Vorstadt-Jungs und stolz darauf. Können sie<br />
auch sein mit einem Album wie »Once Upon A Time In The<br />
West«. Einem Album, das ohne diesen Background wohl<br />
nicht möglich gewesen wäre.<br />
Richard: Es ist wieder alles in Staines entstanden, wie unser<br />
erstes Album auch. Wir kommen von da, das ist sehr<br />
wichtig für uns, und wir sind auch irgendwie stolz darauf.<br />
Aber es hat nichts mit dem Ort selbst zu tun. Wir könnten<br />
auch aus jedem anderen Ort kommen.<br />
Steven: Wir wohnen immer noch gerne da.<br />
Trotz des frenetisch bejubelten Glasto-Gigs, trotz fünf aufeinanderfolgenden<br />
Konzerten in der Brixton Academy (was<br />
nur wenige Bands jemals geschafft haben), trotz doppelter<br />
Platin-Auszeichnung in Großbritannien für das Debütalbum<br />
»Stars On CCTV« sind Steven, Richard und ihre beiden<br />
Kollegen natürlich schön auf dem Teppich geblieben. Staines<br />
hilft dabei.<br />
Und wie ist es da jetzt als Celebrity auf der Straße?<br />
Steven: Es ist ein kleiner Ort. Jeder kennt uns da schon seit<br />
Ewigkeiten. Ab und zu werden wir mal angesprochen, vor<br />
allem abends im Pub, wenn die Leute besoffen sind, so:<br />
»Dieser Track, Cash Machine, der ist verdammt gut. Aber –<br />
versteh mich nicht falsch – da hättet ihr noch mehr draus<br />
machen können.« Aber ansonsten sind wir da immer noch<br />
dieselben Typen, die wir immer waren.<br />
Dieses gern zur Schau gestellte Working-Class-Ding – man<br />
mag es für Show halten oder nicht – ist nicht nur der Motor<br />
für den rotzig kaltschnäuzigen Scheiß-drauf-Hedonismus<br />
von Songs wie der neuen Single »Suburban Knights« (»Yeahyeah-yeah-yeeeah,<br />
ohohohooo ...!« johlen die vier herrlich<br />
prollig im Refrain – und schon sieht man im Geiste wieder<br />
die lagerseligen Massen im englischen Schlamm), sondern<br />
auch für das unbeirrbare Durchhaltevermögen selbst an<br />
einem endlosen Interview-Marathon-Tag wie diesem hier.<br />
Die beiden wirken fremd in der stylishen Designer-Umgebung,<br />
scheinen sich darüber zu amüsieren, völlig immun<br />
dagegen, sich von dem Glamour vereinnahmen zu lassen.<br />
Wie die Musikindustrie funktioniert, wissen sie gut genug:<br />
Hier muss alles hart verdient werden, geschenkt gibt’s<br />
nichts – auch keinen Zweiseiter im <strong>Intro</strong>. Es ist zwar schon<br />
später Nachmittag und das siebte oder achte oder zehnte<br />
– so genau weiß es keiner mehr – Gespräch seit heute morgen,<br />
doch Steven und Richard, beide schon sichtlich leergequatscht<br />
und müde, liefern immer noch eisern ab. Muss ja.<br />
Richard: In Japan haben wir zwölf Stunden Interviews am<br />
Tag gegeben, das war hart. Vor allem, weil du immer einen<br />
Dolmetscher dabeihast. Und du sitzt da, während er übersetzt,<br />
und er hört überhaupt nicht auf zu lachen, und du<br />
fragst dich, was du jetzt so Witziges gesagt hast.<br />
Steven: Wir wollen ‘ne große Band sein, und das passiert<br />
nun mal nicht über Nacht. Dafür musst du was tun.<br />
Richard: Im Endeffekt ist es halt Showbusiness. Wenn du<br />
eine massive Präsenz in den Medien hast, ist das ein guter<br />
Vorsprung. Den hatten wir nicht, als wir das erste Mal<br />
nach Japan und nach Amerika kamen. In Großbritannien<br />
hatten wir schon eine Fanbasis. Dort mussten wir noch mal<br />
ganz von vorne angefangen. Aber ich mag das, es ist organisch,<br />
es hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Wir haben<br />
die Ochsentour gemacht, waren fast ein ganzes Jahr ununterbrochen<br />
auf Tour, haben jeden Abend in einem Club gespielt.<br />
Mit Jetlag, manchmal sechs Wochen ohne einen Dayoff.<br />
Das ist es, worauf es ankommt. Da stehen vielleicht nur<br />
500 Leute, aber die haben bezahlt, um dich zu sehen. Mit<br />
einer Fernsehshow erreichst du vielleicht 500.000 Menschen,<br />
weshalb die Labels dich da auch unbedingt unterbringen<br />
wollen, aber von denen nimmt dich kaum einer bewusst<br />
wahr und kann sich nachher noch an dich erinnern.<br />
Auf intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Suburban Knights«<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Hard-Fi _ 041<br />
Glastonbury<br />
Die Mutter aller britischen Open<br />
Airs. Eigentlich sollten Hard-Fi<br />
dort schon 2005 spielen, mussten<br />
aber absagen, da Richards Mut-<br />
ter tödlich erkrankt war. Diesmal<br />
spielten sie einen sogenannten<br />
Geheim-Gig auf der Leftfi eld Sta-<br />
ge, der erwartungsgemäß gna-<br />
denlos überrannt wurde. Richard<br />
widmete den Auftritt seiner Mut-<br />
ter, die diesen Erfolg nie erle-<br />
ben durfte.<br />
Staines<br />
In der extrem unaufregenden<br />
Vorstadt im Londoner Westen ha-<br />
ben Hard-Fi ihr Cherry Lips Stu-<br />
dio. Hier wurde der größte Teil ih-<br />
res Debütalbums eingespielt.<br />
Gemixt wurde aber auch mal mit<br />
dem Laptop auf der Bettkante, in<br />
der Küche. Mangels vernünftiger<br />
Studioboxen wurde jeder Mix auf<br />
CD gebrannt und im BMW-Auto-<br />
radio des Managers gehört, zu-<br />
sammen mit Gwen-Stefani- oder<br />
Madonna-Songs als Vergleich.<br />
Dieses Mal ging es etwas profes-<br />
sioneller, aber genauso hemdsär-<br />
melig zur Sache.<br />
Aktuelles Album:<br />
Hard-Fi<br />
Once Upon A Time<br />
In The West<br />
CD // Warner
042 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ The Go! Team<br />
The Go! Team.<br />
Heidi in rosa Latex
Text: Sandra Grether _ Foto: Arne Sattler<br />
The Go! Team zu hören ist, wie in den späten 80er-Jahren eine John-Peel-<br />
Sendung anzuschalten und sich zu freuen – das alles gibt es also: Oldschool-<br />
HipHop, summigen Bienchen-Pop, Cheerleader-Fanfaren, Agitprop-Shouting,<br />
70s-Funk, Actionfi lm-Samples nebst Heidi-auf-der-Alm-Harmonika-<br />
Harmonien, gute Laune und die gehörige Portion verzerrten Gitarrennoise.<br />
Und während man sich noch wundert, dass<br />
man das alles damals als wunderbar empfand,<br />
geradezu als Ausbruch aus einer spießbürgerlichen<br />
Dörfl ichkeit, fühlt man sich<br />
heute irgendwie dörfl ich berührt. Ob angenehm<br />
oder unangenehm ist fast Geschmackssache, wenn<br />
The Go! Team aus Brighton und London vier Songs und<br />
drei Genres in ein Lied packen. Und sich wenig dafür interessieren,<br />
wie sozial codiert ein Musikstil ist oder einmal<br />
war. »Es geht um den Sound«, sagt Go!-Team-Rapperin Ninja<br />
schlicht. Warum also nicht gleich nur mit (Film-) Samples<br />
arbeiten, sich die Musiker (einzeln, nie zwei oder mehr<br />
zugleich) ins Studio kommen lassen, die man braucht? Je<br />
mehr man das Konzept von Ian Parton, dem Go!-Team-Visionär,<br />
akzeptiert und goutiert, desto angezogener kann man<br />
sich davon fühlen, selbst dann, wenn es nicht gleich knallt<br />
beim Hören. (Was vielleicht schlicht am teilweise gewollt<br />
anachronistischen Oldschool-HipHop-Sound liegt.) Denn<br />
alles bei The Go! Team sagt: »Warum nicht?« Ja, warum also<br />
nicht? Noch ein Bollywood-Sample, noch ein Western-Movie-Motiv<br />
– und bitte mit frischer Breakdance-Energie, yeah.<br />
Ian Parton war Dokumentar-Filmer, bevor er 2000 die<br />
Band gründete, zunächst als Solo-Projekt für einen Soundtrack.<br />
Bald aber war The Go! Team auf ein Kollektiv aus<br />
sechs Musikern angewachsen, das live mit zwei Schlagzeugen<br />
und bunt-aggressiver Energy-Show einen wilden Kontrast<br />
zur eher introvertierten Arbeitsweise Partons bildete.<br />
2005 wurden sie für den Mercury Prize nominiert, und<br />
ihr verblüffend vielstilsicheres, reichlich experimentelles<br />
Debütalbum »Thunder, Lightning, Strike« war zur allgemeinen<br />
Überraschung recht erfolgreich. Und man liebt die<br />
Engländer dafür, dass sie die Go!-Team-Songs in die Charts<br />
kauften. Zumal die mit ihren fröhlich-appelativen Mädchen-Gesängen,<br />
den rhythmisch-verschrobenen Spielereien<br />
und sloganhaften Refrains stellenweise wie eine HipHop-<br />
Version der britischen Wiiija-Riot-(Girl-)Bands der frühen<br />
und mittleren Neunziger klangen.<br />
Ian Parton und Ninja, die Rapperin, bilden Kern sowie<br />
größten Kontrast innerhalb einer Band, die auf Fotos genauso<br />
großartig kindisch und chaotisch deplatziert wirkt<br />
wie ihre Musik. Zum Beispiel, wenn jedes der sechs Mitglieder<br />
einen Buchstaben aus »Go Team« auf dem T-Shirt trägt.<br />
Nur für das Ausrufezeichen und das »The« fehlen noch ein<br />
paar Körper. Aber das Ausrufezeichen ist bei The Go! Team<br />
ein Computer. Und das »The« eine Formalität, denn von der<br />
sich konsequent an EINEM Stil, Sound oder Stadtstreich<br />
abarbeitenden »The-Band« sind sie Welten entfernt. Ninja,<br />
die live besonders viel Energie rauspowert, setzt den ohnehin<br />
schon variantenreichen Sample-Songs dann live noch<br />
ein neues Krönchen auf. Sie singt nicht die Texte der Studio-<br />
Versionen, sondern komplett neue Lyrics: »Ian arbeitet ja<br />
mit diversen Gesängen und Stimm-Samples. Chuck D rappt<br />
zum Beispiel bei einem Song mit. Ich selbst singe nur zwei,<br />
drei Songs auf dem neuen Album. Aber ich bin nun mal ein<br />
Rapper. Ich bin ich! Und ein Rapper singt seine eigenen Texte.<br />
Unsere neue Single Grip Like A Vice z. B. basiert vor allem<br />
auf Achtziger-Einfl üssen. Deshalb gibt’s live von mir einen<br />
Text, wo es um Breakdance geht. Breakdance steht für<br />
mich vor allem für einen bestimmen Sound. Und für Kindheitserinnerungen.<br />
Darauf spielt auch der Titel unseres<br />
neuen Albums Proof Of Youth an.«<br />
Ihr seid ja nie alle zugleich im Studio. Wie empfi ndest du<br />
diese Arbeitsweise von Ian Parton, euch nie zeitgleich im<br />
Studio einspielen zu lassen, mit dem wohl gewünschten Effekt,<br />
dass jedes Bandmitglied nur ein Teil des Puzzles ist<br />
und gar nicht weiß, wie das Ganze am Ende klingt, frage ich<br />
etwas zaghaft und umständlich. Denn bei aller Sympathie<br />
für die Band – man hört ihr dieses Vorgehen natürlich an,<br />
und das nicht nur zu ihrem Vorteil. Wenn zu viele Sounds<br />
und Spuren übereinandergeschichtet sind, klingen Songteile<br />
schon mal etwas zu gebastelt und unkonturiert. Parton<br />
hat aber vermutlich genau das beabsichtigt. Und wenn<br />
man bedenkt, wie viel Absprache und Inszenierung bei vermeintlich<br />
konventionell strukturierten Rockbands am<br />
Start ist, dann hat das zappelige Go!-Team-Konzept wiederum<br />
auch etwas unvermittelt Naives, was man gemeinhin<br />
ja dem »Authentischen« unterstellt usw. In diese Richtung<br />
geht auch Ninjas Antwort, wenn sie sagt, dass man ohnehin<br />
beim Einsingen oder Einspielen eines Albums noch<br />
nicht ganz genau wisse, wie das Stück am Ende dann klingen<br />
wird -»Unser neues Album klingt lebendiger, aggressiver<br />
und weniger anachronistisch. Es gab ja echt Leute, die<br />
Thunder, Lightning, Strike zurück in den Laden brachten,<br />
weil sie dachten, die Platte wäre eine Fehlpressung.«<br />
The Go! Team verdanken ihren Erfolg also auch ihrer<br />
wahnwitzigen Ausrichtung auf DIE geile Live-Show, die<br />
sie mit derselben Leidenschaft betreiben wie ihr »Mastermind«<br />
die einsame Studio-Bastelei. So stellt sich ein super<br />
Ausgleich her, und die Songs gehören wieder allen. Selbstverständlich<br />
auch den Leuten vor der Bühne. »Wir wollen<br />
unser Publikum wirklich involvieren. Sie sollen Spaß haben<br />
und glücklich sein«, erzählt Ninja und wirkt selbst ganz<br />
glücklich, während sie das sagt. Schön. Und natürlich wird<br />
alles aufgefahren, was auf eine Bühne passt: zwei Schlagzeuge,<br />
Harmonika, Spielzeugtiere, ein Style aus rosa Latex-Hosen<br />
usw. Das alles mit einer Aggression, die nicht<br />
wütend ist, sondern vergnügt Energie ablässt und mitunter<br />
schlicht und gefährlich funkelt. »No, you will never stop<br />
me« (zweimal wiederholt). »Nobody’s ever gonna« (achtmal<br />
wiederholt). Und so weiter.<br />
intro.de: Verlosung, Audiostream zu »Grip Like A Vice«<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ The Go! Team _ 043<br />
John Peel<br />
Der Beitrag des britischen Radio-<br />
Moderators und DJs John Peel<br />
(1939-2004) zur modernen Musik<br />
und zur Musikkultur gilt als »uner-<br />
messlich«. Seine einfl ussreichen,<br />
visionären, extremen, avantgar-<br />
distischen Radiosendungen wur-<br />
den in vielen Ländern ausge-<br />
strahlt, in Deutschland war er via<br />
des britischen Soldatensenders<br />
BFBS 30 Jahre lang, vor allem im<br />
norddeutschen Raum und in Ber-<br />
lin, zu hören. Seine Programmaus-<br />
wahl bot von Metal, Folklore, Riot<br />
Girl, Punk bis hin zu Techno, Hip-<br />
Hop usw. eine seltene Vielfalt.<br />
Chuck D<br />
... ist Gründer, Texter und Lead-<br />
Rapper von Public Enemy, politi-<br />
scher Aktivist und Radio-Mode-<br />
rator. Public Enemy wurden Ende<br />
der Achtziger bekannt. Für vie-<br />
le sind sie DIE Rap-Band aller Zei-<br />
ten. Ihr Hardcore-Rap und ihre<br />
radikalen revolutionären Bot-<br />
schaften, vor allem die schwar-<br />
ze Community betreffend, revo-<br />
lutionierten das Genre HipHop<br />
– das Chuck D mal als »CNN für<br />
Schwarze« bezeichnete – nach-<br />
haltig und bis heute.<br />
<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />
The Go! Team<br />
Proof Of Youth<br />
CD // Memphis Industries /<br />
Cooperative Music / Universal
044 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Tel Aviv<br />
Tel Aviv.<br />
Meschugge<br />
Dance<br />
Party<br />
Was ist dran am Nachtleben von Tel Aviv? 24 Stunden Party auf dem Vulkan, wie es die<br />
Medien gern vermelden? Nachdem der vom Libanon-Konfl ikt 2006 arg gebeutelte Israel-<br />
Tourismus jüngst mit leichtbekleideten Ex-Soldatinnen vom Stern bis zur Knesset wieder<br />
punkten konnte, hat man nun in den zuständigen Ministerien Populär-Musik als Asset<br />
entdeckt – den »Sound of Tel Aviv«.
Text & Foto: Stefan Rambow<br />
Was macht ein DJ in »der Stadt, die niemals<br />
schläft«? »Er hat zwei oder drei<br />
andere Tages-Jobs ...«, meint Amir<br />
Egozy, der unlängst die Red-Bull-<br />
Music-Academy-Compilation über<br />
den Electro-Underground von Tel Aviv mit Acts wie Kutiman,<br />
Kalbata oder Radio Trip zusammengestellt hat. Egozy<br />
und sein Partner Nadav Ravid vom Botanika-DJ-Kollektiv<br />
freuen sich nach einem ersten Berlin-Trip zum popdeurope-Festival<br />
über die aufkeimende Aufmerksamkeit in Europa<br />
und übernehmen netterweise die Kaffee-Rechnung, obwohl<br />
der Shekel bei ihnen nicht übermäßig rollt: Ein fi eser<br />
Umtauschkurs zum Pfund hat Vinylkäufe in England heftig<br />
verteuert, und die Mieten der In-Viertel wie Neve Zedek<br />
haben Münchner Niveau – ohne Gelegenheitsjobs bei Zeitungen<br />
oder im Radio geht’s nicht. Nadav, der seine Militärzeit<br />
beim Army-Sender GLZ (Galei Tzahal) absolviert hat,<br />
springt dort hin und wieder ein. »Auf dieser Welle geht inhaltlich<br />
mehr als bei den Privatradios, da herrscht nur formatierte<br />
Langeweile ...« Außerhalb Tel Avivs können die Botaniker<br />
höchstens im nördlich gelegenen Haifa oder auf<br />
der funktionierenden Achse mit Jerusalem aufl egen. In die<br />
nur eine knappe Auto-Stunde entfernte, in letzter Zeit ein<br />
eigenes Nachtleben entwickelnde Hauptstadt fahren manche<br />
Partygänger zum Afterhour-Chill-out, in Szene-Treffs<br />
wie das Uganda oder in die Bars der Nahalot-Area. Das arabische<br />
Umland schließt sich locationwise für die Israelis<br />
aus, obwohl Amir und Nadav auch von der sich entwickelnden<br />
Beiruter Szene gehört haben. In Europa kriegt man<br />
auch so leicht kein Bein auf den Boden: »Zu viele DJs, alle<br />
dichter dran als wir. Die Flüge von Israel aus sind einfach<br />
zu teuer.«<br />
Ein guter Freund der beiden hat diese Sorgen nicht mehr.<br />
Guy Gerber ist, seit er von Sven Väth unter dessen Cocoon-<br />
Fittiche genommen wurde, innerhalb eines Jahres zum international<br />
gefragten Tech-House-DJ avanciert. Ein New-<br />
Order-Remix, sein aktuelles Debütalbum »Late Bloomers«<br />
und internationale Auftritte von Sonar bis Greenfi eld bestimmen<br />
neuerdings seinen Terminplan. Aber Guys Ton ist<br />
der gleiche wie der seiner Freunde zu Hause: »DJ nur im Nebenjob<br />
war für mich nie ‘ne Option, obwohl das in Tel Aviv<br />
nicht gerade leicht ist. Lokale DJs bekommen meist kein<br />
Geld, oft genug nicht mal gutes Equipment. Ich trete da im<br />
Moment kaum mehr auf, obwohl mich viele Clubbesitzer<br />
jetzt beknien, dass ich ihnen den Laden voll mache.« Ob es<br />
einen »Sound of Tel Aviv« gibt: »Das ist so ein Klischee. Die<br />
Szene ist überschaubar: ein paar gute Produzenten mit Labels,<br />
die die Fahne hochhalten, eine gute Crowd, die alles<br />
mitmacht, die hübschesten Frauen und nette Läden wie Fetish<br />
oder Shesek, in denen es wirklich um die Musik geht.<br />
Der Sound defi niert sich – wie meine Musik – weniger über<br />
Stile, sondern über die Leute. Manchmal kocht auch alles<br />
etwas im eigenen Saft, aber du kannst alles an Inspirationen<br />
aus London, Berlin oder New York ausprobieren, bis es<br />
sich gut anfühlt.«<br />
Tagsüber am Gordon Beach gibt das Klackern der Matkot-Beach-Tennis-Holzschläger<br />
den Takt an. Man kann<br />
von Glück sagen, wenn man am Shabbat im Leibermeer<br />
nicht einem der Squashball-Geschosse oder einer entfesselt<br />
klampfenden Stampede von Israel-Fahnen schwingenden<br />
National-Kibbuzniks zum Opfer fällt. Wer kein Hebräisch<br />
kann und die potenziell lebensrettenden Kommandos<br />
der örtlichen Baywatch-Sheriffs überhört, ist ähnlich verloren<br />
wie im Schilderwald der City, wo das hebräische Silbenalphabet<br />
regiert.<br />
Im geschäftigen Ballungsraum Tel Aviv drängen sich weniger<br />
Araber und orthodoxe Juden, dagegen mehr säkulare<br />
Israelis als anderswo im Land. Hier leben und arbeiten<br />
mehr als eine Million Menschen recht friedlich beieinander,<br />
sitzen auf den Basaren der Altstadt Jaffa beim Karaoke,<br />
essen beim libyschen Grill-Imbiss oder shoppen auf Hipster-Meilen<br />
wie der Sheinkin Street. Viel sauberer und farbiger<br />
ist die Stadt geworden. Im Viertel Neve Zedek blühen<br />
Boutiquen, Agenturen, Ateliers und Cafés – die letzten Anschläge<br />
liegen Jahre zurück. Und am Hafen, der mit seinen<br />
Piers zu einem großen Vergnügungsviertel ausgebaut wird,<br />
sieht man nicht einmal die sonst gängigen Sicherheitssperren.<br />
Dort räkelt sich Nightlife-Impresario Homer Gershon<br />
in einem Korbstuhl mit Strandblick: »Es gibt – wegen der<br />
Intifada behördlich gewollt – weniger große Diskotheken,<br />
die werden in die Vororte gedrängt. Dafür machen buchstäblich<br />
jeden Tag neue Bars auf. Es wird persönlicher. Ich<br />
möchte nirgendwo anders leben. In die Luft fl iegen kannst<br />
du schließlich auch auf Bali oder in Berlin. Aber wenn es<br />
mich doch treffen sollte, dann habe ich hier wirklich gelebt.<br />
Nirgends geht es so ab wie in Tel Aviv, egal, welche Uhrzeit.<br />
Die Leute lassen Dampf ab, schnurz, ob sie am Morgen arbeiten<br />
müssen oder nicht.« Homer hat sich sichtlich in seiner<br />
Seifenblase Tel Aviv eingerichtet, er verlässt die Stadt<br />
nur, um ins Ausland zu fl iegen.<br />
»Tel Aviv ist der einzige progressive Ort in Israel, nur<br />
hier stellen die Leute auch mal – anders als die Orthodoxen<br />
– die Regierung in Frage oder äußern sich künstlerisch<br />
zur Gesellschaft und Krieg«, erzählt Yuval »Tuby« Zolotov<br />
von der Surf-Polka-Band Boom Pam, die in der Bandszene<br />
der Stadt gerade sehr beliebt ist. Die Band hat – trotz dieser<br />
Worte – ebenso wie der bekannte liberale Singer/Songwriter<br />
Dudi Levy (»A New Gaza«) ohne zu zögern während des<br />
im Ausland als israelischer Angriffskrieg gebrandmarkten<br />
Libanon-Kriegs auch in Trainingslagern der Armee gespielt.<br />
Dafür wurden sie natürlich kritisiert. Wie auch der mit Abstand<br />
erfolgreichste Rapper des Landes Subliminal (a.k.a.<br />
Kobi Shimoni), der es mit seinen zum Teil nationalistisch<br />
angehauchten Pro-Army-Parolen in der Underground-Szene<br />
zum »guy everyone loves to hate« gebracht hat. »Mit dem<br />
identifi zieren wir uns nicht«, merkt Zolotov an und fügt zur<br />
Verteidigung hinzu, dass, »es einfach eine breite Front der<br />
Unterstützung gegen diesen Raketenterror gab, egal, ob du<br />
religiös, national oder ganz normal unterwegs bist.«<br />
Wenn sie nicht gerade im Camp »unterstützen«, spielen<br />
Boom Pam oft auf Hochzeiten – so auch heute und als Rahmenprogramm<br />
für einen DJ namens Lustigmakher (!), der<br />
eine »Meschugge Party« ausgerufen hat, und den Bräutigam,<br />
der ein eigens für die Braut geschriebenes Stück zum<br />
Besten gibt. Nun ja, diese auch bei säkularen Israelis in der<br />
Regel auf Hebräisch und mit Rabbi abgehaltenen Feiern<br />
sind eben eine veritable Einnahmequelle.<br />
Später nachts landen wir wieder bei Botanika, im Kellerklub<br />
Levontin 7, der sich innerhalb kurzer Zeit als der genreübergreifende<br />
Veranstaltungsort Tel Avivs etabliert hat.<br />
Eine gute Wahl, denn unter Mithilfe der DJ-Kollegen Yogo<br />
und Walter Einstein Frog zeigt Amir & Nadavs »Electro<br />
Bass-ment Bounce«, wie man hier bis fünf Uhr morgens in<br />
rhythmischer Bewegung bleibt, zum »Sound of Tel Aviv«.<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Tel Aviv _ 045<br />
Bandszene Tel Aviv<br />
Beispielhaft für viele andere: die<br />
aus Jerusalem zugereisten Funk-<br />
HipHopper Hadag Nachash, die<br />
Bigband Funk’n’Stein, die Psyche-<br />
delic-Bastler Izabo und der Bal-<br />
kan-Beat-Box-Sänger Tomer Yosef<br />
(der israelische Manu Chao). Vie-<br />
le von ihnen berufen sich auf is-<br />
raelische Pop-Wurzeln wie den<br />
tragisch abgetretenen »King« der<br />
mediterranen Mizrahi-Musik, Zo-<br />
har Argov, oder den griechisch-<br />
stämmigen 60s-Gitarren-Helden<br />
Aris San. Bindeglied zu Electro-<br />
nica-Acts wie Botanika, Kalbata<br />
oder Guy Gerber ist Ofer Tal, Mas-<br />
termind von Radio Trip und den<br />
Apples. Tal arbeitet tagsüber im ...<br />
Plattenläden<br />
... Black Box, kleiner Second-<br />
hand-Eckladen in der Bar Koch-<br />
va Street. Schräg gegenüber das<br />
mehrstöckige The Third Ear, 48<br />
King George Street, www.third-<br />
ear.com. Der etablierte Mailorder-<br />
Shop Krembo Records liegt di-<br />
rekt auf der Sheinkin Street, Nr. 18,<br />
www.kremboshop.com. The Third<br />
Ear ist der Arbeitsplatz des Mitt-<br />
zwanzigers Noam, einer der Hel-<br />
den von ...<br />
Beirut<br />
Auf intro.de fi ndet sich der im<br />
Jahresrückblick 2006 gebrach-<br />
te Beitrag von Thomas Burkhal-<br />
ter zur Musikszene Beiruts nach<br />
dem Krieg.<br />
The Bubble<br />
IL 2006<br />
R: Eytan Fox; Panorama Berlinale<br />
und diverse Gay-Festivals<br />
Das in Tel Avivs Sheinkin-Street-<br />
Area gedrehte sehenswerte Dra-<br />
ma um ein israelisch-palästi-<br />
nensisches schwules Paar läuft<br />
ab dem 6. September regulär<br />
im deutschen Kino. »The Bubb-<br />
le« (bzw. »Ha-Buah«) bezeichnet in<br />
der hebräischen Alltagssprache<br />
und im restlichen Israel generell<br />
das Leben in Tel Aviv. www.pro-<br />
fun.de/the-bubble/ & www.imdb.<br />
com/title/tt0476643/
046 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Future Dance City. Berlin<br />
Boys Noize Wahoo Troy Pierce<br />
Boys Noize. Hooligan-Rave<br />
Das Keyser Soze, ein Café in Berlin-Mitte.<br />
Alex Ridha bestellt Latte<br />
Macchiato, stilles Wasser und<br />
kommt schnell auf Dinge wie seine<br />
Talkbox oder analoge Kompressoren zu<br />
sprechen. Denn was den smarten jungen<br />
Mann hinter den Projekten Kid Alex und Boys<br />
Noize am Musikmachen am meisten interessiert,<br />
ist der eher nerdige Produktionsaspekt.<br />
Feiern geht er eigentlich nur, wenn er selbst<br />
hinter den Plattenspielern steht. Angesichts<br />
der Partysaumucke von Boys Noize möchte<br />
man das kaum glauben: So brachial, Testosteron-geschwängert<br />
und schweißtreibend war<br />
elektronische Musik schon lange nicht mehr.<br />
Zumindest nicht, bis neben Alex auch Typen<br />
wie Ed Banger oder Digitalism aufgetaucht<br />
sind. Und gerade zu seinen Pariser Freunden<br />
Justice passt Boys Noize wie eine Faust in die<br />
Magengrube.<br />
Der Titel deines Album »Oi Oi Oi« klingt wie<br />
ein Hooligan-Schlachtruf. Beziehst du dich<br />
damit auf die alten Oi-Punks und Skins? Ich<br />
verknüpfe das mit der Art, wie ich mein Label<br />
führe und wie ich bisher Musik gemacht habe.<br />
Ich ziehe das einfach so durch, wie ich will. Es<br />
geht einerseits um diese Haltung, und auf der<br />
anderen Seite passt das auch gut zur Musik.<br />
Ich habe alle möglichen Plattendeals abgesagt<br />
und mache alles selbst. Das ist eben so ein bisschen<br />
diese Scheiß-drauf!-Haltung.<br />
Warum bist du aus deiner Heimatstadt Hamburg<br />
nach Berlin gezogen? Es gibt auf der<br />
Welt ja durchaus andere Orte, wo der Boys-<br />
Noize-Sound besser hinpassen würde. Ich<br />
bin meiner Freundin wegen hierher gezogen.<br />
Es stimmt schon, hier ist diese Szene nicht so<br />
groß. Wenn ich in Deutschland spiele, sagen<br />
mir die Leute immer wieder, dass sie solche<br />
Musik noch nie gehört haben, was mich total<br />
Wahoo. Exoten im Radio<br />
Ein so schlichter wie großzügiger<br />
Konferenzraum im Headquarter von<br />
Four Music. Steffen Berkhahn (DJ<br />
Dixon), mit seinen Innervision-Partys<br />
die House-Institution in der Stadt, und<br />
Georg Levin, der als elektronischer Songwriter<br />
und einfühlsamer Sänger auf dem Sonar<br />
Kollektiv zu hören war, machen sich Gedanken<br />
über ihren Status als Exoten im Berliner<br />
Clubland. Wer weiß, vielleicht ändert sich dieser<br />
Status gerade durch das Debütalbum ihres<br />
Projekts Wahoo, und zwar nicht nur in<br />
der Hauptstadt, denn Angst vor einem möglichen<br />
Mainstream-Erfolg ist bestimmt die<br />
letzte Sorge der beiden. Im Gegenteil: Mit unverschämtem<br />
Popfaktor, Schunkel-Soul und<br />
Party-HipHouse wird direkt in Richtung Radioplay<br />
gezielt. Aller Vielfältigkeit zum Trotz<br />
lässt sich das Wahoo-Album dennoch leicht<br />
auf einen Nenner bringen: Ohrwurm.<br />
Georg, du hast lange in London gelebt. Warum<br />
bist du nach Berlin gekommen?<br />
G: Weil ich das Gefühl hatte, hier etwas bewegen<br />
zu können. Man ist Teil einer Generation,<br />
die eine Stadt mitformt. Berlin ist eine besondere<br />
Stadt, die es so eigentlich gar nicht<br />
geben dürfte, die aber wegen geschichtlicher<br />
und wirtschaftlicher Konstellationen eben so<br />
ist, wie sie ist: ein angenehmer Moloch.<br />
Wie viel Berlin steckt in eurer Musik?<br />
G: Beim ersten Hinhören nicht besonders<br />
viel. Wir machen die Musik, die wir vermissen.<br />
D: Wir lassen bei dem Projekt außen vor,<br />
dass ich Dixon bin, der House macht, und dass<br />
Georg mal ein langsames Soul-Album gemacht<br />
hat. Bei Wahoo machen wir völlig frei von jeglicher<br />
Vergangenheit das, worauf wir Lust haben.<br />
Das ist ein Punkt, den wir uns hier in Berlin<br />
eben leisten können. Man riskiert Sachen.<br />
Wie fi ndet ihr das Nachtleben hier? D: Ich bin<br />
Texte: Arno Raffeiner _ Fotos: Gerrit Hahn<br />
überrascht, denn ich erfi nde das Rad ja nicht<br />
neu. Aber die fi nden das super und drehen total<br />
durch, als hätten sie noch nie gehört oder vergessen,<br />
dass es auch eine andere Art von Techno<br />
gibt.<br />
Trotzdem: Wie viel Berlin steckt in deiner<br />
Musik? Schon so 7 bis 9 %, würde ich sagen.<br />
Vor allem das Dreckige, das Harte.<br />
Dein liebster Club in Berlin? Ich gehe generell<br />
ungern aus und bin ungern zwischen vielen<br />
verdrogten Leuten. Das Nachtleben in Berlin<br />
interessiert mich wirklich gar nicht, und ich<br />
kenne die ganzen Clubs hier auch nicht.<br />
Berlin ist ... ... verdrogte Arbeitslosen-Lebenskünstler-Touristen-Afterhour-Party-City.<br />
Aktuelles Album:<br />
Boys Noize<br />
Oi Oi Oi<br />
CD // Boys Noize / Rough Trade / VÖ 14.09.<br />
nicht mit aller Musik einverstanden, aber ich<br />
fi nde, es ist das progressivste Nachtleben der<br />
Welt, weil es in den Händen von Musikenthusiasten<br />
ist und nicht von Business-Typen. Meine<br />
Lieblingsclubs sind das Weekend und die Panorama<br />
Bar, weil sie zwei gegensätzliche Seiten<br />
widerspiegeln.<br />
Was hasst oder vermisst ihr an Berlin?<br />
D: Eigentlich vermisse ich hier nichts, einen<br />
großen Flughafen höchstens.<br />
G: Das Meer!<br />
Berlin ist ...<br />
D: ... Future-Dance-City. Was heute hier die<br />
Clubs dominiert, fi ndet man ein Jahr später<br />
überall.<br />
Aktuelles Album:<br />
Wahoo (DJ Dixon Project)<br />
Take It Personal<br />
CD // Fine / Rough Trade / VÖ 07.09.
Modeselektor<br />
Troy Pierce. Geister-Techno<br />
Zu Hause in Troy Pierces Maisonette<br />
am Prenzlauer Berg. Der Hausherr<br />
räumt ein paar Platten aus dem Weg,<br />
macht CNN aus. Das sympathische<br />
Chaos und die eher spärliche Einrichtung der<br />
Wohnung zeigen, dass der amerikanische DJ<br />
und Produzent wohl ziemlich selten zu Hause<br />
ist. Und so hat er tatsächlich alle Tracks auf<br />
seiner Doppel-EP »Gone Astray« on the Road<br />
produziert. Die AkteurInnen im globalisierten<br />
Techno-Zirkus sind zwar jedes Wochenende<br />
woanders, aber irgendwie trotzdem immer<br />
zu Hause, speziell, wenn sie wie Troy eingebunden<br />
sind in die Minimal-Vorzeigefamilie<br />
um Richie Hawtin und dessen Label M_nus.<br />
Das Gefühl, dass man dazwischen immer wieder<br />
mal verloren gehen kann – und sei es nur<br />
in der Musik –, bleibt allerdings, und Troy hat<br />
genau dieses Gefühl in der geisterhaften Atmosphäre<br />
seiner Sounds eingefangen.<br />
Ein traditionsreiches Gasthaus am<br />
Prenzlauer Berg. Sebastian Szary<br />
und Gernot Bronsert stärken sich<br />
hier gerne mit üppigen Fleischrationen<br />
und referieren über ihre Modeselektor-<br />
Version von »Sausage Music«. Deftige Kost<br />
mochten die beiden Berliner Originale ja<br />
schon immer, und so servieren sie auch auf<br />
ihrem zweiten Album die ganze Palette von<br />
Rave-Fanfaren über IDM-Geknurpsel bis<br />
zu Dubstep-Grummeln, soundtechnisch<br />
extrem verfeinert und garniert mit einer<br />
extrafetten Gästeliste von Maximo Park<br />
bis zu Thom Yorke. Doch ihr Sausage-Sound<br />
kommt hoffentlich nicht nur bei grölenden<br />
Biertrinkern an, sondern auch bei Kleinkindern.<br />
Denn schließlich ist »Happy Birthday«<br />
das perfekte Geschenk für den Nachwuchs,<br />
den Szary und Bronsert diesen Herbst fast<br />
zeitgleich erwarten.<br />
Du arbeitest in deinen Tracks viel mit Noise<br />
und Reverb. Würdest du sagen, dass das<br />
die wichtigsten Elemente deiner Musik sind?<br />
Mir geht es weniger um einzelne Elemente als<br />
darum, wie am Ende alles zusammenpasst.<br />
So eine Art gespenstischer oder unheimlicher<br />
Vibe ist mir wichtig, und der entsteht eben<br />
manchmal aus weißem Rauschen, aus Reverb<br />
und verrückten Soundeffekten oder aus einer<br />
Kombination von all diesen Elementen.<br />
Warum bist du von New York nach Berlin gezogen?<br />
Ich dachte mir: Lass mich nach Berlin<br />
gehen, mehr aufs Musikmachen fokussieren<br />
und einfach schauen, was passiert! Ich habe in<br />
New York zwar an Tracks gearbeitet, aber man<br />
wird so leicht abgelenkt, von der Stadt und den<br />
vielen Freunden, die immer ausgehen wollen ...<br />
Und in Berlin ist das nicht schwierig? Nicht<br />
für mich! <strong>Als</strong> ich hergezogen bin, hatte ich<br />
noch nicht so viele Gigs und habe die ganze<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Future Dance City. Berlin _ 047<br />
FUTURE DANCE<br />
CITY. BERLIN<br />
Modeselektor. Auffanglager-Step<br />
Wie viel Berlin steckt in eurer Musik?<br />
B: 115 %, glaub ich. Würden wir in San Francisco<br />
leben, würde Modeselektor total nach Hi-<br />
Fi-HipHop klingen.<br />
S: Viele Sachen sind kleine Mitbringsel von<br />
unterwegs, die man dann in den Songs verarbeitet:<br />
von HipHop bis schottischem Techno ...<br />
B: ... Londoner Dubstep oder Neuköllner Rap.<br />
Liebster Club in Berlin?<br />
B: Ich mag Off-Locations gerne, wo du kein<br />
Stammpublikum und keine Touristen hast und<br />
alles ein bisschen Ghetto-mäßiger abläuft. Ey,<br />
was meinst du, wie z. B. der Hackesche Markt<br />
vor zehn Jahren ausgesehen hat? Das hättest du<br />
nicht geglaubt!<br />
S: Das war ein Parkplatz.<br />
Was hasst ihr an Berlin?<br />
S: Die Münchifi zierung.<br />
B: Die Münchifi zierung, das Zerstören von<br />
Subkultur durch Immobilienhandel und durch<br />
Zeit nur an Musik gearbeitet. Ich bin auf jeden<br />
Fall nicht in die Berliner Rund-um-die-Uhrausgehen-Falle<br />
getappt.<br />
Dein liebster Club in Berlin? Ich gehe ja fast<br />
nie aus hier. Mein liebster Club zum Aufl egen<br />
ist das Watergate, da war es immer super.<br />
Was hasst du an Berlin? Es gibt nur schlechte<br />
Zustelldienste! Das war in NYC viel besser.<br />
Und die Wohnungen haben keine Klimaanlagen.<br />
Berlin ist ... ... überwältigend, und zwar auf<br />
eine positive Art. Es gibt so viele Clubs, so viele<br />
Möglichkeiten. Du kannst die Dinge einfach<br />
nirgends so machen, wie du sie in Berlin<br />
machst.<br />
Aktuelles Album:<br />
Troy Pierce<br />
Gone Astray<br />
CD // Min_s / Al!ve / MDM<br />
Konsum generell.<br />
S: Und dass der Flughafen Tegel schon<br />
abends um zehn Uhr zumacht.<br />
Minimal Techno, Dubstep oder Old Rave?<br />
B: Das alles zusammen, schön durchgeshaket.<br />
Ein bisschen mehr Dubstep und mehr Rave<br />
vielleicht und ein bisschen weniger Minimal.<br />
Obwohl, es gibt echt gute Minimal-Platten! Dan<br />
Bell oder Robert Hood haben ja nichts anderes<br />
gemacht. Eigentlich hat sich nichts verändert,<br />
nur dass jetzt alle ihre Haarschnitte zeigen.<br />
Berlin ist ...<br />
B: ... wie ‘n extrem großes Uffanglager. Wofür,<br />
kann man sich aussuchen, das ist das Schöne<br />
an diesem Auffanglager.<br />
Aktuelles Album:<br />
Modeselektor<br />
Happy Birthday!<br />
CD // BPitch Control / Rough Trade
048 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Kochen mit Gentleman<br />
Wicleff<br />
Das zielt auf die Wicleff Straße in<br />
Berlin. Dort unterhielt der Großva-<br />
ter eine Bar, die mitunter durch il-<br />
legale Swingpartys auffi el und in<br />
der während der Nazizeit auch<br />
Verfolgte Unterschlupf fanden. Zu<br />
Ehren des Opas, der vor kurzem<br />
97-jährig verstarb, nannte Chris-<br />
toph sein Lokal daher Wicleff.<br />
Rezept<br />
Pfi fferlinge auf Semmelknödeln:<br />
4 alte Brötchen zerbröseln und<br />
mit warmer Milch vermischen.<br />
Zwiebel in Würfel schneiden, an-<br />
braten und unterheben. Wenn<br />
die Masse abgekühlt ist, 2 Eier<br />
dazu, mit Salz, Pfeffer und Muskat<br />
würzen. Daraus Knödel formen<br />
und so lange kochen, bis sie an<br />
die Oberfl äche kommen. Dann<br />
noch 15 Min. bei schwacher Hit-<br />
ze ziehen lassen. Die Pfi fferlinge<br />
mit Zwiebeln in Olivenöl anbra-<br />
ten. Mit Sherry ablöschen, Sah-<br />
ne dazu. Am Ende abschmecken<br />
und mit Schnittlauch garnieren.<br />
(Rezept von Csaba Hajdu, Kü-<br />
chenchef des Wicleff)<br />
Essen mit. Gentleman<br />
Köln hat ja nicht gerade weltberühmte No-Go-<br />
Areas. Zu harmlos, zu fröhlich, zu provinziell<br />
ist man hier für solch brisantes Ornament.<br />
Keine marodierenden Clans in Köln-Nippes,<br />
keine aufgegebenen Vorstädte bar jeglichen<br />
Rechts, die anmuten wie die Kulisse von »Mad Max 4«.<br />
Nein, Köln ist sicher. Und dennoch gibt es auch in diesem<br />
putzigen rheinischen Puppenhaus ein Ranking der Stadtteile.<br />
Neu-Ehrenfeld zum Beispiel, heißt es immer, sei das<br />
Letzte. Und wer wären wir, solch halbgares Secondhand-<br />
Weltwissen zu hinterfragen? Kolumbus? Voltaire? Nö. Kein<br />
Fußbreit nach Neu-Ehrenfeld, so handhaben wir das seit<br />
Jahren.<br />
Bis heute. Denn wir wollen Gentleman treffen. Diesen<br />
bärtigen, kumpeligen Toaster, der im ausgehenden letzten<br />
Jahrtausend zum Boom von Deutsch-HipHop von Plattenfi<br />
rmen den Rat erhielt, doch bitte auch in Muttersprache<br />
abzuliefern. Gentleman unterließ das – und mit dieser<br />
konkreten Standhaf- sowie einer allgemeinen Nachhaltigkeit<br />
ist er mittlerweile einer der erfolgreichsten deutschen<br />
Künstler im Ausland. Gerade auch in Ländern, in denen<br />
keiner je von Grönemeyer, ja noch nicht mal von Rammstein<br />
gehört hat. Globales Reisen als Grundmotiv für Gentlemans<br />
Karriere. Warum sollten wir für ihn also nicht wenigstens<br />
Neu-Ehrenfeld aufsuchen? Ein Kollege gibt uns<br />
noch den Hinweis mit, an roten Ampeln immer vor- und zurückzufahren<br />
– dann hätten es Gauner schwerer, die Radkappen<br />
zu klauen.<br />
Neu-Ehrenfeld Lenaplatz. Wenn das ein sozialer Brennpunkt<br />
sein soll, dann ist Monaco die Bronx. Ist ja voll<br />
Text: Linus Volkmann _ Interview: Thomas Venker + Linus Volkmann _ Fotos: Rainer Holz<br />
hübsch hier! Und an einer der Ecken des Platzes kann man<br />
auch schon das Wicleff entdecken. Das ist das Restaurant<br />
von Christoph, dem älteren Bruder Gentlemans. Gutbürgerliche<br />
Karte mit einigen Spitzen ins Mediterrane, sogar<br />
Mexi kanische. Ist das schon Fusion-Food? Nee, einfach nur<br />
eine undogmatische Küche. Hübscher Hometurf für Mitglieder<br />
der Dynastie Gentleman, die Schwester zeichnet<br />
hier zum Beispiel für Gemaltes verantwortlich. In diesem<br />
Familienverbund heißt Gentleman übrigens auch noch so,<br />
wie er getauft wurde, also Tilmann. Und, Frage an den Bruder,<br />
hat Tilmann hier eigentlich schon mal kellnern müssen?<br />
»Nee, aber wenn er mit der Band in der Stadt ist, treffen<br />
sich alle immer hier. Das sind schon oft rauschende<br />
Nächte gewesen.«<br />
Klingt plausibel. Aber wo ist eigentlich jetzt dieser Gentleman?<br />
Die Überfahrt ins unbekannte Stadtviertel hat uns<br />
hungrig gemacht. Na also, da kommt er. Schnell mal abgleichen<br />
mit dem etwas grotesken Bild, das mir immer in<br />
den Sinn kommt, wenn es um Gentleman geht: nämlich<br />
das einer pulsierenden Regenrinnen-dicken Halsschlagader,<br />
die in die Sprechmuschel eines Oldschool-Telefons<br />
singt. Bisschen wie die Musical-Version des Colin-Farrell-<br />
Films »Bitte nicht aufl egen« – wenn man mir so viel Assoziation<br />
verzeihen mag. Profi s wissen, mir ist sein Video zu<br />
»Superior« von der letzten Platte »Confi dence« noch in Erinnerung.<br />
In echt sieht Gentleman relaxter aus, der mittlerweile<br />
sehr dichte Bart verdeckt dabei ein wenig eine gewisse<br />
Erschöpftheit. Kein Wunder: »Another Intensity kommt<br />
jetzt in 16 Ländern gleichzeitig raus, also bei Confi dence<br />
waren es noch drei. Da ist allein schon der Promoaufwand
immens. <strong>Als</strong>o jetzt nur für Deutschland allein, meine ich.<br />
Und wegen Konzerten: Früher konnte man abends manchmal<br />
sogar noch heimfahren. Mittlerweile ist es ja nicht nur<br />
so, dass man in einem anderen Land wäre, es ist jetzt schon<br />
richtiges Kontinenthopping, was abgeht. Weißt du, dann<br />
sind wir mit der Band in Surinam, danach Bermuda, über<br />
Jamaika dann Gambia und danach Amsterdam. Dann haste<br />
mal ein paar Tage Pause, und dann geht’s nach Schweden<br />
und Portugal.«<br />
Gar nicht so einfach alles. Gentleman hat immerhin Familie:<br />
»Und ich habe halt auch keinen Bock, so ein Vater zu<br />
sein, der seinem Sohn immer sagt: Ja, ich muss halt jetzt<br />
weg, musst du verstehen. Das kenne ich selbst, und das ist<br />
nicht schön.«<br />
Gentleman bestellt sich einen Salatteller mit Putenstreifen,<br />
ich Semmelknödel mit Pfi fferlingen in Cognac-Soße,<br />
geil, was? Kollege Venker nimmt dasselbe und noch als<br />
Deko eine Zucchinisuppe, die er aber stehen lassen wird<br />
wie eine unliebsam gewordene Urlaubsfl amme.<br />
Und wie hält man das nun alles aus, Gentleman? »Das<br />
werde ich zuletzt immer öfter gefragt. Aber diese Reisen beinhalten<br />
ja nicht nur Stress, sondern die Begeisterung der<br />
Leute gibt dir auch so viel Kraft. Wenn 15.000 Surinamesen<br />
deine Songs mitsingen können, obwohl du da noch nie<br />
vorher aufgetreten bist, die Platte eigentlich nicht zu kaufen<br />
ist, dann wiegt das viel von den Momenten auf, wo du<br />
denkst: Ich kann jetzt nicht mehr.»<br />
Und Letztere gab es tatsächlich. Gentleman erzählt beneidenswert<br />
uneitel auch davon. Wie schwer es zum Beispiel<br />
fi el, mit Texten für das neue Album auf Kurs zu<br />
kommen. »Ich war da echt durch nach der Zweieinhalb-Jahre-Tour.<br />
Aber dann habe ich einfach das benutzt: Ich bin<br />
leer. Aha, der Song heißt »Emptiness∑«! Ja, das klingt blöd.<br />
Aber das war der erste Song, der hat es dann auch nicht aufs<br />
Album geschafft, aber so kam ich erst mal wieder an den<br />
Punkt. Zum Schluss lief es ganz locker.«<br />
Gentleman isst nicht auf, besteht aber darauf, sich den<br />
Rest einpacken zu lassen, und trinkt dazu Bionade. Und wir<br />
bestehen natürlich noch auf dem Bekenntnis eines so internationalen<br />
Reggae-Artists gegen die im Genre weit verbreitete<br />
Homophobie. »<strong>Als</strong>o, auf meinen Platten werden<br />
Minderheiten unterstützt und nicht gedisst. Und ich kenne<br />
viele Jamaikaner, die es auch nervt, wenn es auf deren Festivals<br />
immer heißt Put da hands in the air, if you don’t like<br />
chichi-man. Aber da hast du wenig Einfl ussmöglichkeiten,<br />
da ist dieses Alttestamentarische der Kultur, da sind auch<br />
Frust und Aggression, und die entladen sich an Minderheiten.<br />
Und ein Artist, der keine Kreativität hat, der bringt<br />
dann Zeilen gegen Schwule. Da haben viele keinen Bock<br />
drauf, aber sie kommen irgendwie nicht davon weg – und es<br />
traut sich auch keiner.«<br />
Auch Gentleman selbst schreibt sich das Brechen des<br />
Dancehall-Homophobie-Konsens’ nicht offen auf seine Fahnen,<br />
wirbt aber in seinen Stücken für Toleranz. Mehr sei,<br />
realistisch betrachtet, nicht drin, erfahren wir. Wie frustrierend.<br />
Die ästhetische wie ideologische Marktlücke<br />
»schwuler Dancehall« füllen – das wär’s doch! Wäre mein<br />
Venker bloß nur nicht so unrhythmisch und latent hetero.<br />
Aber das alles soll Gentlemans Sorge nicht sein. Der isst zu<br />
Hause auf und fl iegt durch die Welt. Viel Spaß dabei.<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Kochen mit Gentleman _ 049<br />
Keine Toleranz für<br />
Schwule<br />
Das Thema Homophobie in Rap<br />
und Dancehall entzündete sich<br />
an dem aktuellen Fall von G-<br />
Hot. Der elende Song des Aggro-<br />
«Künstlers« »Keine Toleranz für<br />
Schwule« tauchte im Netz auf.<br />
Daraufhin verstieß ihn sein La-<br />
bel, und er wurde wegen Aufruf<br />
zur Gewalt angezeigt. Die Karrie-<br />
re von einem Arsch ist so immer-<br />
hin im Eimer.<br />
... und es traut sich<br />
auch keiner<br />
Schwierig eben auch, wenn die<br />
einfl ussreichsten Acts wie Buju<br />
Banton, Beenie Man oder Sizzla<br />
in ihren Texten Schwulenhass voll<br />
ausleben.<br />
Aktuelles Album:<br />
Gentleman<br />
Another Intensity<br />
CD // Four Music / SonyBMG
051 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode Fotos: Christoph Voy _ Produktion: Christoph Voy, Linus Volkmann, Susanne Pospischil<br />
* Feeling B »Mix mir einen Drink«<br />
Ines _ T-Shirt: H&M _ Hose: Miss Sixty _ _ Sandra _ Rock: adidas _ Schuhe: Nike _ T-Shirt: typotheque.com _ Kapuzenjacke: H&M _ Sonnenbrille: Stüssy _ _ Benjamin _ Jacke: ADD _ T-Shirt: DURKL _ Jeans: Cheap Monday<br />
*
052 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />
Arne _ Hemd: Humana _ Jacke: Vintage _ Jeans: Diesel<br />
* Jello Biafra & Mojo Nixon »Drinkin with Jesus«<br />
*
053 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />
* Dinosaur Jr. »Freak Scene«<br />
*<br />
Sebastian _ Jacke: American Apparel _ Tuch: Cheap Monday _ _ Linus _ Brille: Tom Ford _ T-Shirt: Early Man
054 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />
* King Rocko Schamoni »Sex, Musik und Prügeleien«<br />
Brille: Camden Market _ Schal & Hemd: RAdAR h _ T-Shirt: American Apparel _ Hose: Ksubi _ Hut: Camden Market<br />
Felix _ T-Shirt: 25 Years Touch & Go Records _ Jeans: H&M _ _ Benni _ Schuhe: Gravis _ Jeans: H&M _ Gürtel und<br />
Hemd: Levi’s _ Strickjacke und Polohemd: Fred Perry _ Hut: Stüssy _ Uhr: Nixon<br />
*
055 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />
* Lemonheads »Ride with me«<br />
** Boxhamsters »Beende deine Jugend«<br />
**<br />
*<br />
Hemd Roland & T-Shirt: _ Jacke: Surface American to Air, Hose: Apparel Ksubi, Schuhe: _ T-Shirt: RAdAR Delphi h _ Hose: Carharrt _ Schuhe: Nike _ Uhr: Swatch
056 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Roxy Jam<br />
Roxy Jam. Elegant auf der Welle<br />
Text: Susanne Pospischil _ Interview: Thomas Venker, Susanne Pospischil<br />
Es war Kaiserin Eugénie, die das verschlafene Fischerdörfchen Biarritz entdeckt hat – dieser lauschige Fleck eignete sich ideal für<br />
ihre Sommerresidenz. Und auch Quiksilver und Roxy erlagen den Reizen der Region und siedelten ihr Firmenimperium ganz in der<br />
Nähe von Biarritz an. Und so sind sie wohl bis heute nicht ganz unschuldig am Hype um die Biskaya-Welle. Roxy richtete im Juli<br />
zum zweiten Mal die Longboard-Weltmeisterschaft für Frauen in der mittlerweile mondänen Surfhochburg aus. Nicht nur die Stars<br />
unter den Surferinnen waren geladen, auch die weibliche französische Independent-Szene glänzte durch Anwesenheit und setzte<br />
Zeichen im sonst so Männer-dominierten Business. DJ Chloé eröffnete mit einem packenden Set zum Sonnenuntergang den Roxy<br />
Jam, und am nächsten Abend wirbelten Pravda und CSS krachend über die Bühne am Strand. Zwischendurch haben wir einige<br />
Surf-Talente und -Koryphäen mit langen Brettern in der Hand zum Interview gebeten:
057 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Roxy Jam<br />
Candice<br />
O’Donnell (GB)<br />
Wie ist heute das Meer?<br />
Wunderbar, gute Bedingungen<br />
für Longboarder, schöne<br />
kräftige Wellen und Bilderbuchwetter.<br />
Wo ist dein Homespot? Ich bin in Südafrika geboren,<br />
lebe aber seit Langem im Südwesten Englands,<br />
in Cornwall.<br />
Ist das auch dein liebster Ort zum Surfen? Nein,<br />
der ist tatsächlich hier in Biarritz, das ist nicht<br />
allzu weit, und ich mag die Lebensart und das<br />
gute Essen hier.<br />
Bist du viel auf Reisen? Ja klar, ich bin oft in Irland,<br />
Schottland, Wales, Spanien, Portugal, Südafrika<br />
und Australien und ...<br />
Wann hast du angefangen zu surfen? Eigentlich<br />
schon, als ich ganz klein war, damals habe ich mit<br />
dem Bodyboard angefangen und bin dann irgendwann<br />
aufs Longboard gekommen.<br />
Wie ist die Szene im Vergleich zu den Männern<br />
einzuordnen? Das kann man überhaupt<br />
nicht vergleichen, das sind unterschiedliche Level.<br />
Männer surfen doch sehr hart und progressiv,<br />
Frauen dagegen viel eleganter und stylisher in<br />
fl ießenden Bewegungen.<br />
Und wie wirkt sich das auf die gesamte Industrie<br />
und die Strukturen im Surfsport aus? Die<br />
ist bislang sehr Männer-dominiert. Ich komme<br />
also gerade zur richtigen Zeit an im Wettkampf,<br />
zukünftig wird sich das hoffentlich ändern.<br />
Wie alt bist du? 23 Jahre.<br />
Welche Platte hörst du im Moment? Schwer zu<br />
sagen, doch immer wieder gerne The Cure.<br />
Schuyler Mc-<br />
Ferran (USA)<br />
Woher kommst du? Aus San<br />
Diego in Kalifornien.<br />
Wann hast du angefangen<br />
zu surfen, und wer hat dich<br />
darauf gebracht? Mit zehn<br />
Jahren. Meine Eltern surfen beide, irgendwie bin<br />
ich schon in den Wellen aufgewachsen und ihnen<br />
auch treu geblieben.<br />
Letztes Jahr hast du den Contest gewonnen, ich<br />
gehe mal davon aus, du surfst professionell? Ja,<br />
das kann ich zum Glück schon seit ich 16 Jahre alt<br />
bin, mittlerweile bin ich 20.<br />
Warum surfst du Longboard? Zum Spaß surfe<br />
ich auch Shortboard, aber mein Herz gehört den<br />
langen Brettern, das ist einfach ein sehr anmutiger<br />
Sport.<br />
Wo betreibst du den am liebsten? Meine Heimatstrände<br />
und Australien sind unschlagbar.<br />
Wie reagieren deine Freunde und die Jungs aus<br />
der Szene auf diesen Wettbewerb? Die sind begeistert<br />
und interessieren sich sehr dafür, mehr<br />
Aufmerksamkeit für Surferinnen bringt den gesamten<br />
Sport weiter.<br />
Aber es ist noch ein langer Weg, um die gleiche<br />
Aufmerksamkeit und Akzeptanz zu bekommen<br />
wie Männer? Ehrlich gesagt haben wir die besseren<br />
Sponsoren-Verträge, soweit ich weiß. Mit einem<br />
Label wie Roxy im Rücken, das den Sport mit<br />
dieser Weltmeisterschaft enorm pusht, sind wir<br />
gut aufgestellt.<br />
Welche Musik hörst du gerne? Kings Of Convenience<br />
und The Weepies.<br />
Crystal Dzigas<br />
(USA)<br />
Seit wann kannst du nicht<br />
mehr vom Surfen lassen?<br />
Mit 14 Jahren habe ich angefangen,<br />
in Waikiki auf Hawaii,<br />
seit drei Jahren kann<br />
ich ganz gut davon leben, jetzt bin ich 24.<br />
Wie fi ng das alles an, wie wurdest du entdeckt?<br />
Ich surfe am North Shore Beach, und da haben<br />
mich irgendwann immer mehr Fotografen registriert<br />
und für Zeitschriften fotografi ert oder Videos<br />
gedreht. So kam das ganz von selbst.<br />
Vergleiche mal das Meer von Biarritz mit den<br />
Wellen vor deiner Haustür. Auf Hawaii sind die<br />
Wellen viel kraftvoller und unkalkulierbarer und<br />
dadurch auch schwieriger zu surfen. Hier ist es<br />
einfacher, macht aber auch Spaß.<br />
Kann ich mir die Szene als große Surfer-Familie<br />
vorstellen, die um den Globus zieht, oder ist es<br />
oft doch recht einsam? Auf Hawaii haben wir ein<br />
sehr enges Netzwerk, jeder kennt jeden, und alle<br />
sind irgendwie verwandt oder befreundet, sonst<br />
habe ich ein paar Leute an den verschiedenen<br />
Spots, die ich immer mal wieder treffe.<br />
Ist es nicht irre anstrengend, so lange unterwegs<br />
zu sein? Ja, z. B., wenn dein Koffer mal wieder<br />
nicht angekommen ist. Am meisten vermisse<br />
ich ein gutes, gekochtes Essen, und natürlich<br />
schlafe ich auch im eigenen Bett am besten.<br />
Wie sieht deine Planung aus: Was glaubst du,<br />
wie lange du noch professionell surfen wirst? So<br />
lange es geht, das ist nämlich doch eine wirklich<br />
angenehme Art zu leben. Natürlich geht es gerade<br />
bei den Frauen aber nicht nur um Erfolge bei<br />
Wettkämpfen, sonder auch darum, wie du aussiehst<br />
und wie lange du ins Konzept passt.<br />
Welche Musik hörst du am liebsten? Bloc Party,<br />
The (International) Noise Conspiracy und Dashboard<br />
Confessional.<br />
Coline<br />
Menard (F)<br />
Wo bist du zu Hause? Auf La<br />
Réunion, ganz in der Nähe<br />
von Madagaskar.<br />
Das klingt, als hättest du<br />
schon mit drei angefangen<br />
zu surfen? Ich war acht Jahre alt, mein Vater<br />
ist auch ein Longboarder und hat es mir und meinem<br />
Bruder beigebracht.<br />
Wie unterschiedlich sind jeweils die Voraussetzungen<br />
fürs Surfen? Wie sind die Bedingungen<br />
im Indischen Ozean? Ganz anders, etwas extremer,<br />
weil ich dort an einem Riff surfe und es z. B.<br />
auch Haie gibt.<br />
Dann ist das hier ein Kindergeburtstag für<br />
dich? Nein, kann man so nicht sagen, hier<br />
muss ich mich auf die neuen Bedingungen erst<br />
einstellen.<br />
Kannst und willst du vom Surfen leben? Ich studiere<br />
Biologie, aber ich bin eben doch schon sehr<br />
oft unterwegs, weil mir das Surfen im Moment<br />
sehr wichtig ist.<br />
Welcher Spot hat dich bislang am meisten beeindruckt?<br />
Die Wellen in Australien sind ganz besonders<br />
toll.<br />
Und deine Lieblingsband? Tracy Chapman und<br />
Jack Johnson.
058 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Paris Text & Fotos: Silke Bücker<br />
Paris. Unterwegs auf der Rendez-Vous Hommes<br />
Mindestens vier Mal im Jahr ist Paris Nabel der Modewelt, immer dann, wenn die Messe – jeweils separiert nach Männer- und<br />
Frauenmode – ihre Tore, Showrooms, Schatzkammern und Laufstege dem begierigen Publikum öffnet. Auch ich bin dabei<br />
(dienstreisend als Journalistin und Einkäuferin für den eigenen Laden), immer auf der Suche nach beeindruckenden DesignerInnen<br />
und ihren Kollektionen.<br />
Donnerstag, 28.06.07<br />
Die Zeit in Paris beginnt anstrengend mit der obligatorischen<br />
Stunde Warten aufs Taxi am Gare du Nord – ganz gemäß dem landestypischen<br />
Laisser-faire. So verpasse ich die erste Show von Attachment,<br />
einem vielversprechenden Label aus Japan. Nicht ärgern und<br />
gleich weiter, jetzt aber mit der Metro, rein in den Showroom von<br />
A.P.C., der Lieblingsmarke scheinbar aller Franzosen. Dort präsentiert<br />
mir ein schmucker junger Mann die Kreationen für das kommende<br />
Frühjahr. Drei Stunden und zahlreiche petits Cafés später ist<br />
eine kleine, aber feine Selektion getroffen, für Mädchen und Jungs.<br />
19 Uhr, kein Termin mehr für heute, deshalb ist noch ein kurzer<br />
Abstecher in das vielleicht schlimmste Kaufhaus drin, die Galeries<br />
Lafayette. Was verheißungsvoll klingt und auf den ersten Blick auch<br />
so aussieht, ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein Bau von beeindruckender<br />
Größe, in dem der Konsumterror bizarre Blüten treibt. Die<br />
kleinen Shops bekannter Luxuslabels reihen sich wie Glieder einer<br />
Kette im Rund der Etagen aneinander. Auf Chanel folgt Marc Jacobs,<br />
dann Prada, dazwischen lieblose Wühltische mit Billigware. Hier zeigen<br />
die schönen und begehrenswerten Must-Haves der Mode ein anderes<br />
Gesicht, das, was von ihrem Glanz übrig bleibt, wenn sie auf das<br />
runterreduziert sind, was sie sind: Produkte, die am Ende der Saison<br />
zu Dumpingpreisen einfach nur an die Frau oder den Mann müssen.<br />
Freitag, 29.06.07<br />
19 Uhr, die Präsentation von Stephan Schneider, einem meiner<br />
Lieblingsdesigner aus Antwerpen, beginnt. Vielmehr eine Installation<br />
aus Fleisch und Blut. Extrem junge Kerle, die meisten deutlich<br />
unter der Volljährigkeit, lümmeln sich betont lässig in den Schneider-Kreationen<br />
auf coolen 90er-Jahre-Barhockern, schlürfen<br />
Drinks und rauchen. Drinks gibt’s auch für die geladenen Gäste,<br />
ein hochprozentig gelungener Start in die Freitagnacht also. Nach<br />
einigen Gläsern Schampus geht es leicht beschwipst zur nächsten<br />
Station, der Show von Ute Ploier. Auch hier ist der Andrang groß.<br />
Der Hype um die Österreicherin ist extrem. Ihre minimalistische<br />
Show ernüchtert allerdings. Das sind Momente, in denen ein Fragezeichen<br />
stehen bleibt: Was soll toll daran sein, wenn streichholzdürre<br />
Jungs im Stechschritt ihre Runde in einem kargen Raum drehen,<br />
dazu ein Gesicht ziehen, als hätte ihnen grade jemand fi es auf<br />
den Fuß getreten, und uninspirierte Kleidung tragen?<br />
Samstag, 30.06.07<br />
Gleich am nächsten Morgen geht die Sonne wieder auf, die Show<br />
von Veronique Branquinho steht auf dem Programm. Eine tolle<br />
Frau, diese belgische Designerin, deren Entwürfen immer ein<br />
Hauch Nostalgie anhaftet. Im prunkvollen Saal der Tranoï (einer<br />
der Pariser Modemessen in der altehrwürdigen Börse) verheißen<br />
bereits die beim Einlass aufgebauten Instrumente, dass eine Band<br />
geladen ist, um das Defi lee musikalisch zu begleiten. Ganz persönlich<br />
gesprochen: Der Erfolg einer Fashion-Show steht und fällt mit<br />
der Musikauswahl, damit, wie der Sound die Kollektion trägt und<br />
welches Grundgefühl beim Publikum erzeugt wird. Die geladene<br />
Band heißt Monky Pussy, alte Kumpels von Mrs Branquinho, die in<br />
Kürze ihr erstes Album veröffentlichen. Auch wenn sie mich musikalisch<br />
nur mäßig überzeugen, gelingt es ihnen, dem Rundlauf der<br />
Models seine archetypische Strenge zu nehmen. Bei der Kollektion<br />
fehlt dann aber der rote Faden, die Stringenz, die ihren Look ansonsten<br />
auszeichnet. Die Kombinationen sind zum Teil ziemlich<br />
abenteuerlich zusammengewürfelt. More Random, less Style, von<br />
einer Vision ganz zu schweigen. Pyjamahose zu glänzender Collegejacke<br />
mit asiatischer Stickerei am Ärmel? Hinzu kommt, dass<br />
die Jungs allesamt Flip-Flops tragen. Das geht, wenn überhaupt,<br />
nur am Strand. Nein, bei Jungs geht das eigentlich gar nicht. Außer,<br />
sie gehen am Sonntagmorgen mal kurz zum Kiosk, Zeitung, Kaffee<br />
und Kippen kaufen.<br />
www.rendez-vous-paris.com
060 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Short Cuts Texte: Andreas Grüter<br />
Strandgut Clothing.<br />
Einmal die Welt<br />
Surfer sind Getriebene, dazu verdammt, den<br />
Wellen zu folgen und ihr Leben dem steten<br />
Rhythmus von Gezeiten, Winden, Mondphasen<br />
und Luftdruckgebieten zu unterwerfen. Strandgut<br />
Clothing, 1999 vom Kölner Thorsten Kegler<br />
gegründet, ist das Resultat eines solchen<br />
endlosen Trips durch alle Facetten des Surferlebens.<br />
Mal kopfüber und glücklich in den Brechern<br />
des Atlantik oder im Line-up irgendeines<br />
Secret Spots mitten im Pazifi k, mal gestrandet<br />
und ohne Geld auf dem trockenen Festland, fungierte<br />
das Label anfangs vor allem als trickreiche<br />
Teilzeitalternative zum drögen Nine-to-fi ve-<br />
Arbeitstrott, um sich über die Jahre zum festen<br />
Bestandteil der aktiven internationalen Surfcommunity<br />
zu entwickeln. Neben jeder Menge<br />
long- und shortsleeved Shirtdesigns, Sweatern<br />
und Hoodies werden im hauseigenen Online-<br />
Store aktuell auch verschiedene Underwear-Styles<br />
sowie Kaffeebecher und Schlüsselanhänger<br />
angeboten. Enjoy the real thing.<br />
www.strandgutclothing.com<br />
DeinDesign.<br />
Computerkleider<br />
Hart im Niemandsland zwischen Kunstapproach<br />
und Trashgrenze bewegen sich die Klebefolien<br />
von DeinDesign. Während Cellphone-Pimp-ups<br />
defi nitiv in Kategorie zwei fallen,<br />
fungieren die unikaten Modifi zierungselemente<br />
für Plattenspieler, Laptops, Spielekonsolen<br />
und Organizer richtig kombiniert als<br />
durchaus stilvolle Hilfsmotoren auf der Suche<br />
nach der vollindividualisierten Produktwelt.<br />
Neben verschiedenen Camoufl agemustern, Fashionprints<br />
und einer erstaunlich breiten Auswahl<br />
gelungener grafi scher Exkurse in Streetart-<br />
und Mangagefi lde können zudem eigene<br />
Entwürfe eingesandt werden. Die passgenau<br />
zugeschnittenen Vinylhüllen schützen dabei<br />
nicht nur vor Kratzern und Abrieb, sondern<br />
lassen sich aufgrund der speziellen Wabenstruktur<br />
auch problemlos und ohne Rückstände<br />
entfernen.<br />
www.dein-design.com<br />
Nike. Mehr Schuh<br />
weniger Müll<br />
Umweltbewusstsein und gutes Gewissen sell.<br />
Auch die Großen der Branche rücken sukzessive<br />
von den Prinzipien des reinen Massenkonsum-<br />
Modus ab und setzen mit ausgesuchten Kollektionen<br />
auf ökologische Nachhaltigkeit. Jüngstes<br />
Beispiel dafür ist Nikes outdoorbeseelte Considered-Footwear-Linie,<br />
die bereits 2005 in ersten<br />
Kleinserien auf den Markt geworfen wurde<br />
und mittlerweile mit einer klug durchdachten<br />
Kombination aus technischer Raffi nesse, recycelten<br />
Gummierungen und extrem minimiertem<br />
Produktionsausschuss zur festen Größe im Unternehmensportfolio<br />
herangewachsen ist. Die<br />
leichten, schnell trocknenden und extrem atmungsaktiven<br />
Hybridstyles kommen mal als<br />
Sandale oder futuristischer Überzieher, mal im<br />
klassischen Sneakerlook und überzeugen nicht<br />
zuletzt durch hohen Designapproach und jede<br />
Menge ausgeklügelte Funktionaldetails.<br />
www.nike.com<br />
Zehnvierdreisieben. Die<br />
Kunst des Sitzenbleibens<br />
Der Berliner Industriedesigner Mathias Muchenberger<br />
ist ein Mann der behutsamen gestalterischen<br />
Metamorphosen. Nachdem er sich in<br />
den vergangenen Jahren mit dem Projekt Surf-<br />
Lounger ganz der kontextuellen Neueditierung<br />
des traditionellen Custom-made Surfboardbaus<br />
vom Sportgerät zum Sitzobjekt verschrieben<br />
hatte, steht aktuell mit der b.bank ein weiteres<br />
Möbelstück mit Geschichte auf dem Modifi zierungsplan.<br />
In Form und Format an die klassische<br />
DDR-Gartenbank angelehnt, wurde Plaste<br />
und Elaste durch robuste handlaminierte und<br />
glasfaserverstärkte GFK-Kunststoffqualitäten<br />
ersetzt und mit behutsamen Dekorentwürfen<br />
veredelt. Der absolut witterungsbeständige und<br />
deshalb sowohl für den Innen- als auch den Außenbereich<br />
geeignete Zweisitzer kann je nach<br />
Kundenwunsch individuell gestaltet werden.<br />
Anfragen unter www.zehnvierdreisieben.de.
061 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Shortcuts Texte: Susanne Pospischil, Heiko Behr (Fly Pink)<br />
Bench.<br />
Central Station Design<br />
Die Brüder Matt und Pat Carroll sind zusammen<br />
mit Karen Jackson Central Station. In Manchester<br />
(er)lebten sie das Glück der Frühgeborenen<br />
und waren schon Ende der 1980er-Jahre<br />
prägender Teil der Madchester-Szene. Ihr Cousin<br />
Shaun Ryder war gerade dabei, einen Plattenvertrag<br />
mit Factory Records für seine Band Happy<br />
Mondays auszuhandeln, während die drei sich<br />
im Bereich Artwork und Cover-Design hohe Ziele<br />
steckten: »Wir wollten, dass die Leute fähig<br />
sind, eine Mondays-Platte aus 250 Schritten Entfernung<br />
inmitten von 500 anderen auf den ersten<br />
Blick zu erkennen.« Matt hat nun seine erste<br />
nicht-musikalische Arbeit als Hommage an<br />
berüchtigte Rave-Zeiten für Bench produziert.<br />
Sieben Styles (T-Shirts, Sweatshirts und Trainingsjacken)<br />
für Frauen und acht für Männer<br />
gibt es diesen Sommer ab sofort und exklusiv bei<br />
www.frontlineshop.com/bench.<br />
Levi’s.<br />
The original Must-Have<br />
Prada hat es auf High-Fashion-Level vorgemacht,<br />
jetzt setzt Levi’s als erstes Jeans-Label<br />
im Bereich Spitzentechnologie steile Direktiven.<br />
Und legt mit einem Handy los. Das robuste<br />
Edelstahlgehäuse des neuen Levi’s Mobile<br />
Phone ist in alter Tradition mit Nieten besetzt,<br />
um noch besser auszusehen. Unser allerliebstes<br />
Accessoire kommt mit einer abnehmbaren<br />
Kette, die an passender Hose oder Tasche überzeugend<br />
funktional angebracht werden kann.<br />
MP3-Player, 2-Mega-Pixel-Kamera und ein integriertes<br />
Modem gehören zum hohen Standard,<br />
die Ausführungen Chrom, Schwarz und<br />
Bronze zum guten Geschmack. Bleibt die Frage,<br />
warum vorher noch kein Hersteller auf die<br />
Idee gekommen ist, den Screen (wie bei der Edition<br />
»Silver Shiny« und »Gold Shiny«) gleichzeitig<br />
als Spiegel benutzbar zu machen? eu.levi.<br />
com/mobile<br />
Eastpak.<br />
Rückenbekenntnisse<br />
Stell dir vor, du bist berühmt und/oder begabt<br />
und kannst dir deinen eigenen Rucksack entwerfen.<br />
The Hives, The Prodigy und Kaiser Chiefs<br />
hatten die Ehre bzw. Aufgabe und meisterten sie<br />
bravourös. Im Auftrag von Eastpak und der gemeinnützigen<br />
Organisation Whatever It Takes<br />
gestalteten sie ganz persönliche Rucksäcke, die<br />
ab September 2007 in einer Aufl age von 3000<br />
Stück in ausgewählten Läden zu ergattern sein<br />
werden. Die stylishen Schweden Hives fi nden ihren<br />
Bandnamen Zierde genug, während Liam<br />
Howlett & Co., also Prodigy, in New-Rave-Manier<br />
unzählige Krabbeltierchen loslassen. Die Leedser<br />
Kaiser Chiefs sind ebenfalls tierlieb, stehen<br />
aber eher auf lustige Gattungen. Jeder einzelne<br />
dieser Eastpak-Klassiker (Padded Pak’r) ist nummeriert<br />
und mit signiertem Bandlabel versehen,<br />
10 % des Verkaufspreises (49,99 Euro) kommen<br />
einer von den Künstlern ausgewählten wohltätigen<br />
Vereinigung zugute. www.e-eastpak.com /<br />
www.whateverittakes.org<br />
FlyPink.<br />
Über den rosa Wolken<br />
»Oje, ist das öde hier in Liverpool, aber bloß nicht<br />
nach London, diese ganzen Posh-Clones da. Lass<br />
uns doch nach Paris fl iegen. Kurz noch eine kostenlose<br />
Maniküre am Gate, dann pinken Champagner<br />
trinken, in einem pinken Flugzeug!« So<br />
in etwa muss sich das Adam Charles, der Gründer<br />
der britischen Fluglinie FlyPink, vorgestellt<br />
haben. Er nennt den obskuren Geistesblitz<br />
»a boutique airline designed especially for women«.<br />
Ab sofort soll vom Liverpooler John Lennon<br />
Airport zweimal wöchentlich eine Maschine<br />
Richtung Frankreich abheben und später auch<br />
die Ziele New York und Mailand anfl iegen. Aber<br />
kann man Kundinnen tatsächlich allein durch<br />
die Farbgestaltung ansprechen? Und was für<br />
ein verkürztes, schräges Frauenbild steckt eigentlich<br />
hinter dieser Idee? Susi Weaser, Redakteurin<br />
der Website Shiny Shiny, erkennt einen<br />
Trend: Zunehmend werden pinke Versionen von<br />
technischen Geräten angeboten, diese Produkte<br />
sorgen bestenfalls für Spaß, nicht aber unbedingt<br />
für eine gesteigerte Glaubwürdigkeit.«
062 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Lockengelöt Text: Susanne Pospischil<br />
Lockengelöt. Gebrauchtwaren-Neuerfi nder<br />
Vor drei Jahren war eine Idee nicht mehr aufzuhalten: Dennis Schneling, Carsten Jägering und Carsten Trill beschlossen, ihre Jobs<br />
als Industrieelektroniker, Feingerätemechaniker und Grafi ker an den Nagel zu hängen, um zukünftig lieber stilvoll zu recyceln. In<br />
ihrer Kombination aus Werkstatt und Ladenlokal in Hamburg St. Pauli befreien sie seitdem Toploader-Waschmaschinen aus deren<br />
klammem Dasein, leisten Aufbauarbeit für frustrierte Staubsauger und lassen zerkratztes Vinyl bestimmt nicht hängen.<br />
»Wir versuchen mit Rohstoffen überraschend umzugehen, Sachen anders zu sehen und der<br />
Wegwerfgesellschaft geistreich zu begegnen«, erklärt Carsten Trill. So zaubern sie Lampen,<br />
Schalen, Schränke, Toilettenpapierhalter und viele andere Besonderheiten und Nützlichkeiten<br />
hervor und schenken Ölfässern, Wäschetrommeln oder Trockenhauben ein zweites glamouröses<br />
Leben. Sonderanfertigungen und besondere Herausforderungen sind immer erwünscht; wer<br />
sich also unmöglich von seinem alten Freund, dem Mac-Monitor, trennen mag, kann ihn hier<br />
z. B. zu einer Lampe umbauen lassen – Lötkolben und Schweißbrenner werden die Herausforderung<br />
lieben.<br />
www.lockengeloet.org _ www.therickykings.com _ www.frauhedi.de<br />
Und weil ein besonderes Geschäft auch nach außergewöhnlicher Kundschaft verlangt, laden Dennis<br />
und Carsten (der dritte Mitbegründer widmet sich inzwischen wieder anderen Aufgaben) regelmäßig<br />
zu besonderen Veranstaltungen. So startet das Clubschiff Frau Hedi am 20. September zur Lockengelöt-Bingo-Butter-Ocean-Explosion-Fahrt.<br />
Jeder Kassenbon ist als Einladung zu verstehen und mit entsprechenden<br />
Bingozahlen bedruckt, die dann auf rasanter Elbfahrt zum Einsatz kommen. Zur guten<br />
Unterhaltung spielen die Lockengelöt-Betreiber dort auch auf als Teil der Tanzkapelle The Ricky Kings.<br />
Klingt nach ganzheitlichem Konzept mit persönlicher Rund-um-die-Uhr-Einbindung ohne Kompromisse.<br />
Kein Wunder also, dass sie sich schon lange keine bessere Berufung mehr vorstellen können.
0 63 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Für Dich<br />
Für Dich.<br />
Du willst gewinnen? Dann Postkarte mit Gewinnwunsch und Album-Top-10 an: <strong>Intro</strong>, »Für dich«, PF 19 02 43, 50499 Köln. Oder per E-Mail<br />
an verlosung@intro.de. Alle Preise fi ndest du auch noch mal unter intro.de/gewinne. Viel Glück.<br />
Mit Axe und Durex zum Tauchen<br />
nach Hurghada<br />
Axe geht mit dem bekannten Kondom-Hersteller Durex ein Stück gemeinsamen<br />
Wegs: Ab diesen Monat sind nämlich 1,3 Millionen Axe-<br />
Bodysprays mit jeweils einem Durex-Kondom als Gratiszugabe im<br />
Handel erhältlich. Das bedeutet Axe Effect und Safer Sex in einem.<br />
Zum Beispiel mit dem gerippten und genoppten Kondom namens<br />
»Perlentaucher«. Wir verlosen eine Tauchreise nach Ägypten für zwei<br />
Personen. Weitere Infos fi nden sich unter www.axe-durex.de.<br />
Sony Ericsson W200i<br />
Mit dem neuen Xtra-Nonstop-Tarif von T-Mobile telefoniert man<br />
rund um die Uhr ab der zweiten Gesprächsminute für null Cent.<br />
Passend dazu gibt es derzeit das Prepaid-Package »Fun Edition«,<br />
das auch das Walkman-Handy Sony Ericsson W200i enthält (www.<br />
t-mobile.de/xtrafriends). Wir verlosen zwei W200i-Handys.<br />
WeSC Headphones »Street«<br />
Die im High-Tech-Look designten »Street«-Headphones von WeSC<br />
bieten die perfekte Mischung aus Passform & Komfort. DJ Steve<br />
Aoki ist Namensgeber des WeSC DJ Pro Headphone. Wir verlosen 3<br />
Stk. in Weiß.<br />
Cooldudes Shirts<br />
Wir verlosen Shirts des brandneuen Hamburger Labels »cooldudes«.<br />
Genauer gesagt 2x das »Psychedelic Sally«-Top für die Dame<br />
und 2x »Oh Freedom« für den Herrn. www.sandsbay.com<br />
Smokin’ Aces Fanpakete<br />
Zwei Sets für Fans des cleveren Thrillers inkl. DVD (Universal Pictures),<br />
Poster und Soundtrack (Universal Music) mit u.a. The Stooges<br />
und Motörhead.<br />
Abenteuer-DVDs im Steelbook<br />
Abenteuer zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Wir verlosen je ein<br />
Mal die Steelbook Special Edition von »Eragon«, »Master & Commander«<br />
und »Königreich der Himmel« (Fox), dazu zwei Gamer-<br />
Headsets »Medusa 5.1 ProGamer Edition – SL-8793« von www.<br />
speedlink.de.<br />
Magic: The Gathering Einstiegs-Packs<br />
»Magic: The Gathering« begeistert als erstes strategisches Sammelkartenspiel<br />
bereits in der zehnten Edition. Die neuen Einstiegs-Packs<br />
erleichtern die ersten Runden. Wir verlosen fünf Mal<br />
zwei Sets (www.playmagic.com).<br />
28 Weeks Later Fanpakete<br />
Zum Kinostart von Danny Boyles Zombie-Sequel (30.08., Fox) verlosen<br />
wir drei Sets aus Poster, dem Atari-PC-Game »Obscure 2« und<br />
einem Nuclear-Blast-T-Shirt.<br />
CDS, GAMES, SCHUHE UND SO.<br />
Zehn Meter Feldweg: Wir verlosen 3 x das im Juli erschienene Album<br />
»Phantom Power« von Zehn Meter Feldweg in einer schicken<br />
Kachel-Box (Kurbad St. Pauli / Motor).<br />
The Darkness: Zum jüngst erschienenen Adventure-Shooter »The<br />
Darkness« verlosen wir ein Hoodie (L), ein Longsleeve (L), ein T-<br />
Shirt (M) und ein signiertes und somit limitiertes Bild im Rahmen.<br />
Bitte Item angeben! (Take 2)<br />
Trauma Center – Second Opinion: Wir verlosen 3 x den zweiten<br />
Teil der Chirurgen-Simulation für Wii. (Nintendo)<br />
K-Swiss: Das Sneakerlabel unterstützt in diesem Sommer das Badeschiff<br />
an der Arena Berlin. Wir verlosen 1 Paket aus je einem<br />
Paar Damen- und Herren-Sneaker der Deckschuh-Kollektion, zwei<br />
Liegestühlen und zwei Tageskarten für das Schiff.
Text: Lars Brinkmann<br />
Eine beliebige Straßenecke irgendwo in einer<br />
Metropole unserer Welt. Um dich herum ein<br />
Wald aus Plakaten, überall buhlen sie um Aufmerksamkeit.<br />
Vorsichtig geschätzt hat jeder<br />
Städter täglich ein paar tausend ungewollte<br />
Werbe-Kontakte; in den 90ern sprach man noch von 2.000<br />
bis 5.000, inzwischen dürfte sich diese Zahl vervielfacht<br />
haben. Früher oder später stellt sich unweigerlich ein Gefühl<br />
von Ohnmacht ein. Und das ist genau der richtige Moment,<br />
zurückzuschlagen. Nein, nicht in die Werbung gehen,<br />
bloß nicht! Davon ist jedem Menschen nur abzuraten.<br />
Lieber an den alten, wahlweise von John Cage, Picassos<br />
Mätresse oder Attila dem Hunnenkönig geprägten Wahlspruch<br />
denken: You have to destroy to create.<br />
Und wer sich weder von den Staatsmächten noch vom<br />
Leben für seine Kreation der Zerstörung bestrafen lassen<br />
möchte, lese vor dem Schritt zur Tat »Urbi Et Orbi«,<br />
denn diese Sammlung von Vernissagen-, Katalog- und Zeitschriftenbeiträgen,<br />
die der umtriebige Künstler Jacques<br />
Villeglé zwischen 1965 und 1996 geschrieben hat, legitimiert<br />
nicht nur, wie es der Klappentext so schön formuliert,<br />
»das Werk der Affi chisten vor der Kunstgeschichte«<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ Kunst _ Urbi Et Orbi – Zur Kunst des Plakatabrisses _ 065<br />
Und so 09.2007<br />
Urbi Et Orbi –<br />
Zur Kunst des Plakatabrisses.<br />
Vandalismus mit Überbau<br />
(Affi che: frz. für Plakat). Darüber hinaus zeigt das Buch<br />
mit dem Untertitel »Zur Kunst des Plakatabrisses« sowohl<br />
Streetart-Aktivisten als auch überzeugten Vandalen, wie<br />
man seinem Treiben einen zünftigen geistigen Überbau<br />
zimmert. Villeglé führt die Ende der 40er von ihm erfundene<br />
Form der Decollage auch gern mal auf eine 40.000 Jahre<br />
fortwährende Tradition zurück. An anderer Stelle zeigt<br />
er die Parallelen zur surrealistischen Technik der écriture<br />
automatique, die er als verwandte »spontane Methode des<br />
irrationalen Erkennens«, als »Ankämpfen gegen den kontrollierten<br />
Ausdruck« versteht.<br />
»Urbi Et Orbi« kann als exemplarisches Lehrbuch gelesen<br />
werden, aber auch als Kampfbibel oder als ein Stück<br />
äußerst gelehrte Kunstgeschichte. Es ist eine Freude, dem<br />
1926 geborenen Villeglé bei seinen hemmungslos ausufernden<br />
Re- und Dekontextualisierungen zu folgen. Wer<br />
sein Wissen über die Kunst des Plakatabrisses vertiefen<br />
möchte und praktische Beispiele braucht, hat noch bis<br />
zum 27. Januar 2008 im Hannoveraner Museum Kestner<br />
Pro Arte die Gelegenheit, eine umfangreiche Werkschau<br />
mit über vierzig Arbeiten von Villeglé zu sehen. Die Stadt,<br />
egal welche, wird danach nie mehr dasselbe sein.<br />
Jacques Villeglé<br />
Urbi Et Orbi – Zur Kunst<br />
des Plakatabrisses<br />
Edition Nautilus, 256 S., EUR 24<br />
Ausstellung<br />
07. Juli 2007 bis<br />
27. Januar 2008<br />
Hannover, Museum Kestner<br />
Pro Arte
066 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Film _ David Mackenzie / Hallam Foe Text: Wolfgang Frömberg / Foto: Elke Meitzel<br />
David Mackenzie /<br />
Hallam Foe.<br />
Glücklich wie ein<br />
Korkenzieher<br />
David Mackenzie debütierte 2002<br />
mit »The Last Great Wilderness«. Der<br />
Durchbruch als Regisseur gelang<br />
ihm kurz darauf mit »Young Adam«<br />
und einer Wasserleiche. Wasser<br />
taucht auch in seinem neuen Film<br />
»Hallam Foe« auf. Hallam, der<br />
andere Menschen beobachtet,<br />
weil deren Wirklichkeit ihm<br />
fremd erscheint, wird gespielt<br />
von Jamie Bell (»Billy Elliot«). Er<br />
trauert um seine Mutter, mit deren<br />
Doppelgängerin er in Edinburgh<br />
eine reale Affäre beginnt. Was<br />
lauert unter der Oberfl äche? Ein<br />
Gespräch mit David Mackenzie<br />
über die Geister, die ihn rufen.
Woher kommt eigentlich deine Obsession<br />
für Flüsse und Seen und die<br />
Rätsel, die unter ihrer Oberfl äche<br />
verborgen liegen? Da spielst du nicht<br />
nur auf »Hallam Foe«, sondern auch<br />
auf »Young Adam« an, wo es einiges unter der Oberfl äche<br />
zu entdecken gibt und die Metapher sehr stark ausgeprägt<br />
ist. In der Tat scheinen Gewässer in meinem Werk ein Eigenleben<br />
zu entwickeln. Aber das ist bloß Zufall. Keine Ahnung,<br />
warum ich mich in diesen Projekten wiederfi nde, in<br />
denen Wasser und Dinge, die daraus auftauchen oder darin<br />
untergehen, wichtig sind. Ich bin nicht gerade ein besonders<br />
guter Schwimmer, vielleicht ist das ein Grund ... Andererseits:<br />
Mein Vater war in der Navy, also hatte ich gewissermaßen<br />
eine ganze Zeit meines Lebens Wasser um mich<br />
herum. Ich habe keine Angst davor, möchte aber auch nicht<br />
gerade aufs offene Meer hinaus schwimmen. Nun ja, wir<br />
kommen alle daher – Wasser ist ein starkes Bild. Aber ich<br />
bin nicht darauf aus, in der Art von John Boorman die Wasserthematik<br />
zu entfalten.<br />
Wann hast du mit der Arbeit an »Hallam Foe« begonnen?<br />
Vor drei oder vier Jahren. Das Buch wurde von Peter Jinks<br />
geschrieben. Peter ist ein Freund von mir. Mit der Geschichte<br />
bin ich bestens vertraut. Die kannte ich schon, bevor<br />
sie aufgeschrieben wurde. Und ich war von Anfang an<br />
sehr interessiert daran.<br />
Ich wollte schon fragen, wie du an die Romane gerätst,<br />
die du dann verfi lmst. »Young Adam« fußte auf der Vorlage<br />
des schottischen Beat-Autors Alexander Trocchi. Ja, in<br />
diesem Fall war es einfach. Normalerweise ist es schwierig,<br />
einen passenden Roman zu fi nden. Es scheint so, dass die<br />
Rechte für alle guten Bücher bei Hollywood-Studios liegen.<br />
Was hat dich an Peter Jinks’ Romanvorlage interessiert?<br />
Vor allem die Hauptfi gur. Ich mochte die Vorstellung eines<br />
leidgeplagten 17-Jährigen, der sich durch einen Haufen Probleme<br />
kämpft. Ich wollte eine Story, die ihn quasi rehabilitiert.<br />
Der Soundtrack ist ja gespickt mit Songs von Domino-<br />
Bands, vielleicht kam mir deshalb ein Song von Smog in<br />
den Sinn ... Ah! Leider durfte ich die amerikanischen Domino-Bands<br />
nicht einsetzen. Da gibt es eine Menge weiterer<br />
Acts, die auch im Soundtrack auftauchen könnten, hätte<br />
ich diesbezüglich freie Hand gehabt. Trotzdem bin ich<br />
sehr glücklich mit der jetzigen Auswahl, auch wenn Bonnie<br />
»Prince« Billy oder auch Smog sich ebenfalls gut im Film<br />
gemacht hätten ...<br />
Es gibt eine hintergründige Zeile von Smog, die lautet: »I<br />
want to be of use / Like a horseshoe / Like a corkscrew.«<br />
So scheint sich Hallam zu Beginn des Films zu fühlen.<br />
Doch er entscheidet sich zunächst, ein Nichtsnutz zu<br />
bleiben. Er möchte weiter zu Hause wohnen, um seinen<br />
Vater und seine Stiefmutter zu quälen, die er für den Tod<br />
seiner leiblichen Mutter verantwortlich macht... Hallams<br />
Perspektive auf die »böse Stiefmutter« ist märchenhaft. Sie<br />
selbst sieht das ganz anders, möchte Vater und Sohn über<br />
deren Trauer hinweghelfen. Hallam verteidigt das Andenken<br />
seiner Mutter. Das ist sein Kampf. Er möchte der Toten<br />
die Treue halten. Ich sehe es so, dass der Film vor allem davon<br />
handelt, sich von dieser Umklammerung zu lösen.<br />
Für »Young Adam« komponierte David Byrne den Score.<br />
Diesmal setzt du die Songs ein wie auf einem Mixtape.<br />
Ich musste an Sofi a Coppolas »Marie Antoinette« denken,<br />
wo der Soundtrack aus dem Mädchenzimmer die Vorstellung<br />
vom Leben als Prinzessin illustriert und dem Genre<br />
des Historienfi lms eine neue Dimension hinzufügt.<br />
Da Hallam im gesamten Film fast nie beim Musikhören zu<br />
sehen ist, habe ich mir immer vorgestellt, dass der Soundtrack<br />
aus den Songs besteht, die er hören würde. »Marie<br />
Antoinette« habe ich leider noch gar nicht gesehen ...<br />
Dein Film hat einen exzellent inszenierten Turning-<br />
Point. Anfangs sitzt die Familie beim Abendessen.<br />
Hallam bezeichnet seine Stiefmutter durch die Blume<br />
als Prostituierte. Diese Bemerkung fällt auf besonders<br />
irrwitzige Weise auf ihn zurück, als Hallam von seiner<br />
Stiefmutter verführt wird. Danach wirft sie ihn eiskalt<br />
raus. Später gibt es eine Szene, wo Kate, in die er sich in<br />
Edinburgh verliebt, ein Kleid seiner Mutter trägt. Hallam<br />
fällt ihr weinend in die Arme. Zwei Fälle von Therapie im<br />
Handumdrehen ... Die Sex-Szene zwischen Hallam und seiner<br />
Stiefmutter funktioniert so: Die beiden machen nicht<br />
Liebe miteinander, sie treiben stattdessen ihren Hass auf<br />
den Höhepunkt. Hallam muss das Nest verlassen, und er<br />
hätte es nie im Leben freiwillig getan ...<br />
Hallam geht nach Edinburgh und nimmt einen Job an in<br />
dem Hotel, in dem auch seine »Mutter« – in Gestalt von<br />
Kate, die ihr sehr ähnlich sieht – arbeitet. An seinem Arbeitsplatz<br />
versucht er sich dem Milieu anzupassen, um<br />
die Doppelgängerin nicht zu enttäuschen. Das ist eine<br />
ziemlich komische Wendung. Überhaupt gibt es im Gegensatz<br />
zum düsteren »Young Adam« mehr lustige Momente<br />
... Eigentlich ist »Hallam Foe« eine düstere Geschichte.<br />
Es gibt ein romantisches und ein erlösendes Element<br />
darin, außerdem geht es um einen 17-Jährigen. Und wenn<br />
du es mit einem 17-Jährigen zu tun hast, kommen die Extreme<br />
zum Vorschein – große Freude, tiefe Depression, mächtige<br />
Wut. In dem Alter besitzt man noch nicht das emotionale<br />
Werkzeug, um all diese Gefühle zu kontrollieren. Du<br />
probierst erst mal jeden Weg aus, den du gehen kannst, und<br />
das führt natürlich zu sehr komischen Situationen. »Young<br />
Adam« plätscherte eher dahin, nahm einen ruhigeren Verlauf,<br />
bis es mit der Hauptfi gur bergab ging. Auch Hallam<br />
scheint am Ende verloren, doch immerhin geht er leichtfüßig<br />
ins Ungewisse ...<br />
Edinburgh wirkt auf der Leinwand beeindruckend. Wie<br />
ist dein Bezug zur Stadt? Ich bin mit 17 Jahren in Edinburgh<br />
angekommen und habe im selben Hotel wie Hallam<br />
Foe gearbeitet. Man könnte das einen weiteren Zufall nennen<br />
... Jedenfalls liebe ich Edinburgh, das ist ein großartiger<br />
Ort. Für dieses leicht realistisch angehauchte Märchen<br />
war es die perfekte Kulisse, nicht nur wegen der gotischen<br />
Bauten. Die Luft in Edinburgh schmeckt nach Melancholie,<br />
die Stadt hat eine gespenstische Aura. Das ist so ein Ort, an<br />
dem Geister und Doppelgänger herumschleichen. Hallam<br />
kann ein Lied davon singen. Seine Mutter erscheint ihm als<br />
eine Art Geist in Kate. <strong>Als</strong> ich in Edinburgh lebte, verfolgte<br />
ich selbst dort meinen Doppelgänger. Nicht zu vergessen:<br />
Dr. Jekyll und Mr. Hyde wurden dort erfunden. Der Spirit<br />
von Edinburgh passt außerordentlich gut zu mir – und<br />
zu Hallam Foe.<br />
Preview »Hallam Foe – This is my story« am 27.08.<br />
im Cinenova, Köln. www.intro.de/previews<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ Film _ David Mackenzie / Hallam Foe _ 067<br />
John Boorman<br />
... wurde 1933 geboren. Der briti-<br />
sche Regisseur, Drehbuchautor<br />
und Produzent zeichnet nicht nur<br />
für den enttäuschenden »Excor-<br />
cist II« verantwortlich, sondern ist<br />
berühmt für Klassiker wie »Point<br />
Blank« und »Hell In The Pacifi c«.<br />
Nachdem sein Plan scheiterte,<br />
Tolkiens »Lord Of The Rings« zu<br />
verfi lmen, machte er sich 1981 an<br />
die Artus-Legende ran. Preisfrage:<br />
Wo wird das magische Schwert<br />
»Excalibur« (so auch der Filmtitel)<br />
versenkt?<br />
Hallam Foe -<br />
This is my story<br />
GB 2007<br />
R: David Mackenzie<br />
D: Jamie Bell, Sophia Myles,<br />
Claire Forlani; 30.08.
068 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Film _ Thomas Harlan / Wandersplitter Text: Olaf Möller<br />
Jud Süß<br />
... entstand 1940 unter der Regie<br />
von Veit Harlan als Propaganda-<br />
fi lm, um das Judentum im Sinne<br />
der nationalsozialistischen Ideo-<br />
logie zu diskreditieren. Veit Har-<br />
lan arbeitete nach dem Krieg<br />
weiter als Regisseur. Sein Sohn<br />
Thomas Harlan dazu: »Wenn du<br />
das weißt, dass du einen Ham-<br />
mer gemacht hast, mit dem man<br />
andere totgeschlagen hat, kannst<br />
du nicht mehr ein Hammerma-<br />
cher sein.« »Jud Süß« darf heute<br />
in D-Land nur mit begleitendem<br />
Kommentar aufgeführt werden.<br />
Thomas Harlan –<br />
Wandersplitter<br />
D 2006<br />
R: Christoph Hübner; 30.08.<br />
Thomas Harlan<br />
Die Stadt Ys<br />
Eichborn, 280 S., EUR 19,95<br />
Jean-Pierre Stephan<br />
Thomas Harlan<br />
Das Gesicht deines Feindes.<br />
Ein deutsches Leben<br />
Eichborn, 280 S., EUR 22,95<br />
Thomas Harlan – Wandersplitter.<br />
Ein anderes deutsches Leben<br />
Gespräche mit Thomas Harlan im Kino und als Buch. Dazu neue Erzählungen<br />
des Filmemachers, Schriftstellers und Nazijägers, dessen Vater den<br />
Propagandafi lm »Jud Süß« verbrochen hat. Eine Würdigung von Olaf Möller.<br />
Im September erscheint endlich Thomas Harlans Erzählungenzyklus<br />
»Die Stadt Ys«, fl ankiert von Jean-<br />
Pierre Stephans durch Dokumente, Bilder sowie Archivschätze<br />
geweitetem Gesprächsband »Thomas<br />
Harlan – Das Gesicht deines Feindes. Ein deutsches<br />
Leben«. Derweil startet im Kino Christoph Hübners und<br />
Gabriele Voss’ »Thomas Harlan – Wandersplitter«; die DVD-<br />
Fassung – halb »Director’s Cut de luxe«, halb interaktives<br />
Experiment – soll parallel dazu in den Handel kommen.<br />
In den meisten Darstellungen, quer durch alle Medien,<br />
ist Thomas Harlan vorrangig der Sohn von Hilde Körber<br />
und Veit Harlan, einem der entscheidenden deutschen Filmemacher<br />
der 30er- bis 50er-Jahre. »Jud Süß«, Veit Harlans<br />
historisch notorischstes Werk, machte ihn zu einem Verfemten<br />
des Kinos. Weshalb Thomas Harlans Lebenswerk,<br />
all sein Schaffen und Suchen und Werden, meist psychologisch<br />
gedeutet wird. Dann gelten seine frühen Stücke aus<br />
den 50ern, kulminierend in »Ich selbst und kein Engel –<br />
Chronik aus dem Warschauer Ghetto«, seine Jagd auf Nazi-<br />
Verbrecher in den 60er-Jahren, sein schmales, aber reiches<br />
fi lmisches Schaffen in den 70ern und 80ern mit »Wundkanal.<br />
Hinrichtung für vier Stimmen«, seine Triumphe als Romancier<br />
in den Nullerjahren des dritten Millenniums mit<br />
»Rosa« und »Heldenfriedhof« vor allem als Reaktion auf<br />
die moralischen Versäumnisse, Vergehen, Verbrechen des<br />
Vaters. Das stimmt vielleicht sogar und ist ja auch nicht<br />
schlimm. Wichtiger aber wäre es, Harlans Arbeit als Konsequenz<br />
von Lern- und Erkenntnisprozessen zu verstehen.<br />
Da hat einer sein Unrecht, wie abstrakt es sein bzw. wirken<br />
mag, erkannt. Nun versucht er, andere Wege zu begehen.<br />
Einige davon müssen erst durch Dickichte gehackt werden.<br />
Andere sind unter Sträuchern verborgen, allein die Erinnerung<br />
legt sie wieder frei.<br />
Im Zentrum von Harlans Werk steht die Frage, wie das<br />
Leben durch die Biografi en vieler anderer zum eigenen<br />
wird. »Thomas Harlan – Wandersplitter« ist angelegt als<br />
Anti-Biografi e und beginnt mit einer Erzählung »ohne ich«,<br />
in der es um Zeugenschaft geht. Harlan bezeugt das Leben<br />
eines Sowjet-Bürgers, den er zwar nicht kennt, der ihn aber<br />
eines Tages in seine Wohnung mitnahm, um ihm alte Zeitungen<br />
zu zeigen, die beweisen, dass er in einem entscheidenden<br />
Jahr in Deutschland gewesen war. Es geht um historische<br />
Solidarität. »Wundkanal. Hinrichtung für vier<br />
Stimmen« erzählt davon, wie – Schatten des bewaffneten<br />
Kampfes in der Bundesrepublik – ein Nazi so lange drastisch<br />
bearbeitet wird, bis er seine Taten wider die Menschlichkeit<br />
gesteht. Zwischen der Zeugenschaft und dem Geständnis<br />
liegen immer Akten und Beweise. Das Gewebe aus<br />
Erzählungen, Perspektiven, Ebenen, Zeiten, Stilen und Brüchen,<br />
das Harlans Roman »Heldenfriedhof« ist, wird von Fotos<br />
diverser Haupt- und Nebencharaktere der Geschichte<br />
geklammert. Das Gefühl des Augenblicks darin ist brutal,<br />
übrig bleibt das Dokument.<br />
Thomas Harlan wäre es lieber, die Menschen würden einfach<br />
die Wahrheit sagen und sich der Gnade ergeben, die in<br />
allen Menschen lebt. Im schlimmsten Fall wären dann die<br />
Verbrecher geächtet und deshalb allein unter sich. In der<br />
Geschichte waren sie immer unter uns. So muss es zwar<br />
nicht weitergehen. Aber kann Veränderung ein Ereignis<br />
werden zu einer Zeit in einem Land, das einem Versager am<br />
Leben wie Günther Grass nicht das Wirken eines Heinz von<br />
Cramer oder eben eines Thomas Harlan entgegenhält? Gerade<br />
dann.
070 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme im Kino<br />
Neue Filme im Kino 09.2007<br />
Beim ersten Mal<br />
Der US-amerikanische Komödienregisseur Judd<br />
Apatow ließ in »Jungfrau (40), männlich sucht ...« die<br />
Hauptfi gur ein halbes Leben lang warten, ehe die<br />
Triebkräfte durchbrechen konnten. In »Knocked Up<br />
– Beim ersten Mal« hadern die Protagonisten nach der<br />
unproblematischen Triebabfuhr eher mit der Arterhaltung.<br />
So schnell sich Ben und Alison (Seth Rogen<br />
und Katherine Heigl) nach einem Abend gemeinsam<br />
im Bett wiederfi nden, so schnell offenbart der Morgen<br />
danach die Unterschiede. Hier der sorglos in den<br />
Tag hinein lebende Twentysomething, dort die ambitionierte<br />
Medienfrau. Doch ein Schwangerschaftstest<br />
macht deutlich, dass die Nacht Folgen hat. Und die<br />
One-Night-Standler nutzen trotz der Warnungen aus<br />
ihren Bekanntenkreisen das knappe Zeitfenster bis<br />
zum Ablaufen der biologischen Uhr. Ob vielleicht zusammenwächst,<br />
was nicht zusammengehört? Klingt<br />
nach dem perfekten Ausgangspunkt für den fi lmischen<br />
Entwicklungsroman über einen Nerd, der sich<br />
dem Ernst des Lebens stellt und darüber erwachsen<br />
wird. In so feste Tücher will Apatow seine Geschichte<br />
jedoch nicht wickeln. Schon in seinem Debüt gewann<br />
die Jungfräulichkeit in einer oversexsten und<br />
hochkomplexe Geschlechterverhältnisse ausbildenden<br />
Gesellschaft zunehmend an Attraktivität. Folgerichtig<br />
hat auch der Lifestyle Bens einiges für sich.<br />
Wenn Erfolg bedeutet, wie Jessica Simpson zu sein, es<br />
zu Beförderungen Diätkurse als Geschenk gibt und<br />
der Weg zum Kind über unzählige Gynäkologen-Besuche<br />
und Regale von Fachliteratur führt, dann stoßen<br />
berufl iche und private Underachiever durchaus auf<br />
Verständnis. So hält der Regisseur zu seinem Antihelden,<br />
zieht ihn eher verstohlen aus seiner Chaos-WG ab<br />
und verschafft ihm einen Schreibtisch-Job – sorgsam<br />
darauf bedacht, keinen Vorwand für einen Spießigkeitsdiskurs<br />
zu liefern. Dem heutzutage gängigsten<br />
Familienplanungsmodell des »Projekt-gebundenen<br />
Kindes« entspricht der Nerd-Nachwuchs dann ja auch<br />
nicht gerade. Ähnlich wie den Filmen der Farrellys und<br />
vielen anderen besseren US-Komödien liegt »Beim<br />
ersten Mal« ein tiefer Humanismus zugrunde. Dessen<br />
Quellen sind allerdings weniger philosophischer, vielmehr<br />
ganz profaner Natur: Judd Apatow gehörte zu<br />
den Jungen, die beim Sport immer zuletzt in ein Team<br />
gewählt wurden. Die Popkultur-bildende Kraft dieser<br />
Erfahrung ist nicht zu unterschätzen.<br />
Jan Pehrke<br />
Beim ersten Mal<br />
USA 2007<br />
R: Judd Apatow; D: Seth Rogen,<br />
Katherine Heigl; 23.08.<br />
Ostpunk<br />
Es ist nicht gerade schwer, die Meinung zu vertreten,<br />
Punk sei immer und überall gleich. Und zwar:<br />
verkürzter Rock, der von seiner Attitüde lebt und sich<br />
durch einen gewissen Verweigerungsstyle erkennbar<br />
macht. Punkt. Gähn. So ist es. Die ästhetische Starrheit,<br />
die bierige und hundige Vereinsmeierei tun ein<br />
Übriges. Man muss denken, Punk habe als hedonistischer<br />
Nihilismus komplett abgewirtschaftet. Das<br />
mag schon so sein, aber es gibt immer noch was zu<br />
entdecken. Hey, zum Beispiel Ostpunk. Musikalisch<br />
sind die Differenzen zum West-Pendant nicht der<br />
Rede wert – viel Geboller, bisschen Avantgarde. Aber<br />
durch die Agonie der DDR in den 80ern erfüllte Punk<br />
eine ganz andere gesellschaftliche Rolle, war hochgradig<br />
dissident und bescherte einer ganzen Generation<br />
von Protagonisten ernste Schwierigkeiten. Und<br />
solche vereinen auch ausnahmslos die Veteranen des<br />
Films »Ostpunk«. Knastaufenthalte für alle. Von so<br />
viel Brisanz konnte der harmlose Dorfpunk West nur<br />
(schlecht) träumen. Die Regisseure Fiebeler und Boehlke<br />
besuchen sechs Charaktere der Zeit mit der Kamera.<br />
Sammeln dabei krasse Anekdoten, zeigen alte<br />
Wunden, genutzte und verpasste Chancen. Der selbstständige<br />
Bauunternehmer, der Reihenhausharmonie<br />
genau wie eine Feierabend-Hardcore-Punkband<br />
lebt, die alleinerziehende Mutter, die noch an der Vehemenz<br />
der damaligen Zeit knabbert, oder Cornelia<br />
Schleime, die mittlerweile als etablierte Künstlerin<br />
in Paris, Amsterdam und New York ausstellt. Den Geschichten<br />
zu folgen ist erwartungsgemäß kurzweilig,<br />
und wie gesagt: neben Nostalgie werden auch Erkenntnisgewinne<br />
ausgeschüttet. Gerade auch im globalen<br />
Zusammenhang mit dem vor kurzem erschienenen<br />
Film über Punks in China, »Bejing Bubbles«, der<br />
Punk ebenfalls im Kontext von ungleich konsequenterer<br />
Lebensführung darstellt. Befremdlich nur, dass<br />
die Filmemacher dem Genre Doku nicht wirklich trauen<br />
und immer wieder mit technischen Stilmitteln nerven.<br />
Formalistischer Quatsch, der wohl als Aufl ockerung<br />
des seriösen Formats zu verstehen ist. Tja, Punk<br />
kann man eben leicht missverstehen. In diesem Fall<br />
als Aufforderung, eine unkonventionellere, brüchige<br />
Bildersprache zu schaffen. Das soll hier aber nur<br />
am Rande erwähnt werden, der Power des Films tut es<br />
letztlich keinen Abbruch (erwähnenswert auch das dazugehörige<br />
Buch, erschienen im Verbrecher Verlag).<br />
Linus Volkmann<br />
Ostpunk – Too Much Future<br />
D 2007<br />
R: Carsten Fiebeler, Michael Boehlke;<br />
D: Daniel Kaiser, Colonel, Mita Schamal; 23.08.<br />
Yella<br />
Der Berliner Filmemacher Christian Petzold ist den<br />
meisten VertreterInnen des deutschen zeitgenössischen<br />
Kinos gleich mehrere Schritte voraus: Bei<br />
ihm sind Film-Genres keine leeren Zitate, sondern<br />
glaubhaft belebte Erzählformen. Sujets des Kriminalfi<br />
lms, des Familienmelodrams oder gar des Mystery-<br />
Thrillers verpfl anzt Petzold in eine deutsche Realität,<br />
die spezifi sch ist und sich nicht an großen generellen<br />
Themen, dafür an genauen Figuren und wirklichen<br />
Räumen versucht. Auf diese Weise entstand eine<br />
der wenigen Autoren-Handschriften, deren Schwung<br />
man in diesem Land noch gerne folgt – und das jetzt<br />
schon über sieben Filme hinweg, zu denen die kleinen<br />
Geniestreiche »Die innere Sicherheit« (2001) und »Gespenster«<br />
(2005) gehören. Petzolds Arbeiten sind geprägt<br />
von reduzierter Ruhe und einem refl ektierten<br />
Realismus, der Magie in den getriebenen Figuren der<br />
neodeutschen Republik sucht, wenn sie probieren, ihren<br />
Platz in zerbröckelnden Gesellschaftsgefügen zu<br />
fi nden. Frauenfi guren gehören zu seinen stärksten<br />
Charakteren – so ist es auch bei der Ostdeutschen Yella,<br />
die von einer der großen Petzold-Schauspielerinnen,<br />
Nina Hoss, gespielt wird.<br />
Yella will weg – aus dem Neverland-Dorf Wittenberge,<br />
von ihrem anhänglichen Ex-Mann Ben und ihrem<br />
hemdsärmelig-liebevollen Vater. Im Westen erhofft<br />
sie sich Unabhängigkeit. Doch der Ballast ihres bisherigen<br />
Lebens verfolgt sie. Die Firma in Hannover, bei<br />
der sie als Buchhalterin auf Probezeit arbeiten soll,<br />
ist schon insolvent, als sie ankommt. Glücklicherweise<br />
trifft sie Philipp (Devid Striesow), einen Investment-Typen,<br />
der um Anteile von Firmen feilscht. Kurz<br />
werden die beiden ein Paar, eine Art Bonnie und Clyde<br />
des Neoliberalismus. Virtuos ziehen sie bei Meetings<br />
die Geschäftspartner über den Tisch. Solche kleinen<br />
Thrills kicken Yella und überzeugen sie von dem pragmatischen<br />
Philipp. Aber funktioniert das neue, bessere<br />
Leben so einfach? Macht es glücklich? Natürlich<br />
nicht. Petzold schafft es, dem neuen Markt der immateriellen<br />
Anteile konkrete Bilder – und seiner Heldin<br />
eine faszinierende Innenwelt darin aufzubauen. Aber<br />
wie unangenehme Echos der Vergangenheit Yellas<br />
Lebensentwurf bedrohen und schließlich versenken,<br />
wie der Traum zerplatzt, lässt sich zwischen unwirklicher<br />
Mystery und postrealistischer Erzählung kaum<br />
genauer beschreiben.<br />
Tim Stüttgen<br />
Yella<br />
D 2007<br />
R: Christian Petzold; D: Nina Hoss, Devid Striesow,<br />
Hinnerk Schönemann; 13.09.
28 Weeks Later<br />
GB 2007<br />
R: Juan Carlos Fresnadillo;<br />
D: Robert Carlyle, Rose Byrne,<br />
Jeremy Renner; 30.08.<br />
Aus Danny Boyles »28 Days Later« kennen<br />
wir die wutentbrannten Zombies<br />
schon. Auf der Jagd nach dem nächsten<br />
Biss wollen sie nicht bloß ihren Hunger<br />
stillen. Sie werden getrieben von einem<br />
hirnlosen Impuls – von reiner Gier,<br />
die keine Sättigung kennt. In Boyles<br />
Version waren noch die Insignien einer<br />
Kritik der Kosum- und Kontrollgesellschaft<br />
angelegt; im zweiten, postapokalyptischen<br />
Teil »28 Weeks Later«<br />
scheint der zivilisatorische Restbestand<br />
vollends auf zerrüttete Familien<br />
und ein dysfunktional-militärisches<br />
Kontrollregime zusammengeschrumpft<br />
zu sein. Das von Juan Carlos<br />
Fresnadillo (»Intacto«) inszenierte<br />
Sequel setzt ein, als alle Infi zierten<br />
verhungert sind. Kleinbritannien soll<br />
mit einigen Tausend Überlebenden unter<br />
der Leitung einer amerikanischen<br />
NATO-Einheit im Londoner Distrikt Isle<br />
of Dogs wiederaufgebaut werden. Dort<br />
empfängt Don Harris (Robert Carlyle)<br />
seine zurückkehrenden Kinder Andy<br />
(Mackintosh Muggleton) und Tammy<br />
(Imogen Poots). Fortan sollen sie in<br />
dem sterilen Hochsicherheitstrakt leben.<br />
Aber die Kinder stehlen sich an allen<br />
Kontrollen und Barrikaden vorbei,<br />
um zumindest ein Erinnerungsfoto ihrer<br />
geliebten Mutter Alice (Catherine<br />
McCormack) zu besorgen. Diese wurde<br />
von Don während einer Zombieattacke<br />
im Stich gelassen und gilt als tot. Sie<br />
lebt aber zu Hause, zwar immun gegen<br />
die Krankheit, doch Trägerin des wütenden<br />
Virus’. So wird Alice zu Untersuchungszwecken<br />
in die Sicherheitszone<br />
geführt. Von Schuldgefühlen geplagt,<br />
ignoriert nun auch Don alle Vorschriften<br />
und gibt seiner Frau einen Kuss mit<br />
fatalen Folgen. Die Sicherheitszone verwandelt<br />
sich binnen Sekunden in ein<br />
Vernichtungslager. Auch hier scheitert<br />
das allzu menschliche Kontrollregime.<br />
Peter Scheiffele<br />
Hippie Masala<br />
CH 2006<br />
R: Ulrich Grossenbacher,<br />
Damaris Lüthi; 30.08.<br />
Indische Bauern vermuteten eine<br />
Dürre im Westen als Ursache für die<br />
Einwanderung von Millionen junger<br />
Menschen in ihr Land in den 60er- und<br />
70er-Jahren. Vielleicht hatten sie damit<br />
gar nicht so unrecht, zumindest in mentaler<br />
oder spiritueller Hinsicht. Von einem<br />
inneren Ausgetrocknet-Sein, vom<br />
Hunger nach Erfahrung und Freiheit<br />
künden zumindest die Leben jener Personen,<br />
die im Dokumentarfi lm »Hippie<br />
Masala« von einem ebenso zärtlichen<br />
wie humorvollen Kamerablick begleitet<br />
werden. Etwa der gekrümmte und wie<br />
verdörrt wirkende Körper des Asketen<br />
Cesare, der sein Herkunftsland Italien<br />
in der Hippieära verließ und dann eher<br />
zufällig einfach in Indien geblieben ist.<br />
Beinahe alle ProtagonistInnen erzählen<br />
identische Geschichten von einer<br />
wilden Jugend, von Problemen mit Autoritäten,<br />
die deshalb abhandengekommenen<br />
sind – illegale Migration mal andersrum.<br />
Sie erzählen die Geschichte einer<br />
Flucht, die wohl auch im Dschungel,<br />
in ärmlichen Dörfern und in einer malerischen<br />
Landschaft nur oberfl ächlich<br />
besehen ein Ende fi ndet. Denn dass sie<br />
im Land ihrer Träume niemals wirklich<br />
ankommen können, ist allen bewusst.<br />
Und so ziehen sie sich in ihre jeweiligen<br />
Reservate zurück: in Kunst und Kleinfamilie,<br />
in die Askese oder auch in die Re-<br />
konstruktion ihrer Heimat. Wunderbar<br />
grotesk, dem Schweizer Hanspeter dabei<br />
zuzusehen, wie er so bekifft wie ungeschickt<br />
an seinem Bergbauernidyll<br />
samt protzigem Eigenheim und verbotenen<br />
Jagdausfl ügen baut – und wie seine<br />
indische Frau umgekehrt von ihrem<br />
Lebenstraum erzählt: weit weg von hier<br />
allein sein.<br />
Arno Raffeiner<br />
Sakuran –<br />
Wilde Kirschblüte<br />
J 2006<br />
R: Mika Ninagawa;<br />
D: Anna Tsuchiya,<br />
Masanobu Ando; 30.08.<br />
Carassius auratus, goldene Fische.<br />
Bei Mika Ninagawa tanzen sie im 15-<br />
Minuten-Takt zu J-Pop im hochpreisigen<br />
Kurtisanenmilieu der Edo-Zeit vor<br />
den Augen des Publikums. Das Kinodebüt<br />
der international renommierten<br />
Fotografi n provoziert den Vergleich<br />
zwischen den leibeigenen Sexarbeiterinnen<br />
des Vergnügungsghettos Yoshiwara<br />
und der beliebten Karpfenart<br />
im Glas. Aber wer mag den androzentrischen<br />
Gemeinplatz der sexualisierten<br />
Asiatin in der spärlichen Geschichte<br />
um die Prostituierte Tomeki monieren,<br />
wenn J-Punkstar Anna Tsuchiya als<br />
Geisha Kiyoha ihre Kolleginnen verprügelt?<br />
Die Adaption des Mangas »Sakuran«<br />
würde wohl kaum in Ninagawas<br />
Polaroidstil funktionieren, porträtierte<br />
sie das Leben eines der wesentlich zahlreicheren,<br />
eher unbezahlten »Teemädchen«<br />
des 17. Jahrhunderts. Das Dilemma<br />
der als Kind verkauften Kiyoha, die<br />
auf die Kirschblüte wartet, weil sie damit<br />
die Befreiung aus ihrem Gefängnis<br />
assoziiert, ist aber durchaus kurzweilig<br />
– zwischen bitterbösen Kommentaren<br />
über einschläfernde Stammkunden<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme im Kino _ 071<br />
fortgeschrittenen Alters und dem Ekel<br />
während der medizinischen Inspektion<br />
durch den Besitzer. Wem die japanischen<br />
Verhältnisse vertraut sind, mag<br />
an die vagabundierenden Mädchen in<br />
Tokios jetzigem Vergnügungsviertel<br />
Shibuya denken – daran, wie sie sich mit<br />
Beauty-One-Night-Stand-Ausstattung<br />
auf dem Rücken im Kentucky Fried<br />
Chicken vor einem ihrer »kompensierten<br />
Dates« für eine Gucci-Tasche neben<br />
Burger und Coke die Locken nachdrehen.<br />
Fürwahr, die zeitgenössischen<br />
Goldfi schbecken sind größer geworden.<br />
Birgit Binder<br />
<strong>Intro</strong> verlost je 2 x 20 Karten für Previews<br />
in Berlin (28.08.) und Köln (05.09.). www.<br />
intro.de/previews<br />
Video Kings<br />
D 2007<br />
R: Daniel Acht, Ali Eckert;<br />
D: Fabian Busch, Wotan Wilke<br />
Möhring, Monica Nancy Wick; 06.09.<br />
»Video Kings« ist so ein Film, den man<br />
eigentlich auf Anhieb scheiße fi nden<br />
möchte: Da wollen wohl welche zwanghaft<br />
auf Kult machen. Und wie immer,<br />
wenn man es mit einem voll geil dreckigen<br />
und selbst gemachten deutschen<br />
Film zu tun hat, ist Til Schweiger in einer<br />
Nebenrolle mit dabei. Und Bela B.<br />
auch. Klaro. Und der voll auf die Zwölfe<br />
gehende Soundtrack kommt von, ähem,<br />
Sympathieträgern wie den Beatsteaks,<br />
Muff Potter und Elke.<br />
Aber für eine deutsche Screwball-Komödie<br />
ist »Video Kings« gar nicht mal<br />
so übel. Daniel Acht und Ali Eckert inszenieren<br />
eine dünne, aber akzeptable<br />
Story als Plattform für allerhand Schabernack.<br />
Wer also weiß, worauf er sich<br />
einlässt, wird hier gut bedient.<br />
Oliver Minck
072 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme auf DVD<br />
Neue Filme auf DVD 09.2007<br />
The Fountain<br />
<strong>Als</strong> »The Fountain« Anfang dieses Jahres ins Kino<br />
kam, galt der Film als großes, kaum zu entschlüsselndes<br />
Rätsel. Das rief, oberfl ächlich betrachtet, Parallelen<br />
zum anderen großen Rätselfi lm des Jahres,<br />
David Lynchs »Inland Empire«, auf den Plan. Doch anders<br />
als Lynchs Digicam-Kryptogramm, das allerorten<br />
– zu Recht – als große Kunst gefeiert wurde, hinterließ<br />
Aronofskys Meditation über Leben und Tod eher<br />
ratlose, vor allem aber enttäuschte Gesichter. Teilweise<br />
verständlich. Irgendwie hatten sich die Zuschauer<br />
von Lynchs zirkularem Zeitbegriff ja nichts anderes<br />
erhofft als ein nicht betretbares Labyrinth; bei Aronofsky<br />
war die Erwartungshaltung eine andere. Sowohl<br />
»Pi« als auch »Requiem For A Dream«, beide mittlerweile<br />
Klassiker des Independent-Kinos der 90er-<br />
Jahre, waren ebenfalls kryptische, bildgewaltige Rätsel,<br />
die sich aber selbst genügten und den Zuschauer<br />
nicht vor universalen philosophischen Fragestellungen<br />
kapitulieren ließen. Dennoch muss man, gerade<br />
auch mit der Möglichkeit, diesen Film jetzt auf DVD<br />
zu genießen, konstatieren, dass die negative Rezeption<br />
nicht ganz fair war.<br />
Aronofsky erzählt drei Geschichten, die den Zeitraum<br />
von 1000 Jahren umspannen. Eine spielt in der<br />
Vergangenheit, wo ein Mitglied des Stamms der Maya<br />
nach dem Baum des Lebens sucht, um seine gefangene<br />
Königin zu befreien. In der Gegenwart sucht ein<br />
Mediziner anhand von Baumextrakten eine Medizin<br />
für seine sterbende Frau. In der Zukunft schließlich<br />
versucht ein Astronaut, der mit einem Baum in einer<br />
Kapsel reist, sich einem sterbenden Stern zu nähern,<br />
um die ewige Liebe zu fi nden. Nacheinander erzählt,<br />
würde hier vielleicht wenigstens noch der »Solaris«-<br />
Effekt eintreten, doch Aronofsky überlagert seine Geschichten<br />
und lässt die Figuren auch noch von den<br />
gleichen Schauspielern spielen. Dies deutet dem Zuschauer<br />
die Richtung: die Negation linearer Zeit, ja,<br />
die Negation von Geschichte als konstituierendem<br />
Element und die Bestätigung eines zirkularen Systems,<br />
das von zwei Pfeilern getragen wird: Liebe und<br />
Leben. Manchmal ist die Suche von Erfolg gekrönt,<br />
manchmal nicht, aber es ist eine ewige Suche, die natürlich<br />
an Kurt Vonneguts Tralfamadorianer und deren<br />
zirkulares Zeitkonzept denken lässt. Und an Borges.<br />
Und an Kafka. Ein Film, der dringend neu bewertet<br />
werden muss.<br />
Sascha Seiler<br />
The Fountain<br />
USA 2006<br />
R: Darren Aronofsky; D: Hugh Jackman, Rachel<br />
Weisz; Kinowelt<br />
Michael Haneke Box<br />
Die Handschrift des österreichischen Filmemachers<br />
Michael Haneke ist unverkennbar. <strong>Als</strong> Seziertechnik<br />
eines Pathologen, der in entfremdete Verhältnisse<br />
eingreift, um sie offenzulegen, modellhaft zu<br />
verdichten und den Zuschauer zu konfrontieren, ist<br />
die Signatur in fast allen seinen Filmen präsent – die<br />
vorliegende Box bestätigt dies. In »Code unbekannt«<br />
und »Wolfszeit« modelliert Haneke gesellschaftliche<br />
Szenarien des Scheiterns der Kommunikation<br />
und des fast beiläufi gen Einbruchs von Gewalt, dramaturgisch<br />
unversöhnlich und mit je unterschiedlichen<br />
Konsequenzen für die Protagonisten: Abschiebung<br />
oder Verhaftung, Demütigung oder Traumatisierung.<br />
Haneke verwendet Mittel, die den psychologischen<br />
Realismus des Mainstream stets zu umgehen<br />
versuchen. Dem Zuschauer wird keine Möglichkeit<br />
gelassen, sich in der Pathologisierung des Einzelfalls<br />
aus der Verantwortung zu stehlen. Die Verfi lmung von<br />
Franz Kafkas »Schloss«-Fragment mag auf den ersten<br />
Blick aus der Reihe tanzen: Hölzern wirkt die Erzählstimme<br />
aus dem Off, fast theatralisch die Szenerie.<br />
Jedoch erkennt man ein Leitmotiv, das Hanekes<br />
Werk durchzieht: das Fremdsein in der Welt. Der entfremdende<br />
bürokratische Verwaltungsakt, die dezentrale<br />
Macht der Agentenschaft erscheinen vollständig<br />
in die sozialen Verhältnisse eingelassen, leiten sie<br />
an und sind der Rückbindung auf Verantwortlichkeiten<br />
entzogen. Doch die Strenge und Klarheit, mit der<br />
Haneke die emotionale Vereisung in seinen Filmen<br />
herausarbeitet, wird nicht in die Rezipienten hineinverlängert.<br />
Indem Haneke konsequent die gewohnten<br />
fi lmischen Techniken der emotionalen Bindung<br />
und Identifi kation verweigert, eröffnet er auf Seiten<br />
der Zuschauer einen Refl exionsraum und löst bisweilen<br />
eine Bewegung aus, Ähnlichkeiten mit dem Vorgeführten<br />
im eigenen Leben zu suchen. Denn eine Antwort<br />
auf die Frage, wer das auf der Leinwand ist und<br />
was er mit dem persönlichen Alltag gemein hat, liefert<br />
bei Haneke niemals der Film selbst, sondern obliegt<br />
stets der Verantwortung der Zuschauer. Wer von der<br />
kritischen Haltung Hanekes und von seinem selbstrefl<br />
exiven Umgang mit den Medien noch mehr erfahren<br />
will, als dieser selbst eh schon in seinen Filmen durchblicken<br />
lässt, der sei auf das ebenfalls im Paket enthaltene<br />
Porträt »24 Wirklichkeiten in der Sekunde« von<br />
Nina Kusturica und Eva Testor verwiesen.<br />
Peter Scheiffele<br />
Michael Haneke Box<br />
Wolfzeit / Das Schloss / Code<br />
unbekannt / 24 Wirklichkeiten in<br />
der Sekunde; Absolut Medien<br />
Der letzte König<br />
Wie fi lmt man Afrika? Wie soll man sich ein adäquates<br />
Bild machen von einem derart differenzierten<br />
und doch in der Außenwahrnehmung immer wieder<br />
zwangshomogenisierten Kontinent? Einen möglichen<br />
Weg beschreitet der Dokumentarfi lmer Kevin<br />
MacDonald mit seinem Spielfi lmdebüt »Der letzte König<br />
von Schottland«. Der narrative Kniff zum Einstieg<br />
ist fast so alt ist wie das Filmemachen selbst: MacDonald<br />
schickt einen Protagonisten, der dem Zuschauer<br />
vertraut scheint – den übermütigen, abenteuerlustigen<br />
schottischen Arzt Nicholas Garrigan –, in eine<br />
für ihn fremde Umgebung. Das Publikum nähert sich<br />
dem neuen Terrain im Tempo der Filmfi gur an. Nur<br />
dass der Zuschauer hier dem Jungmediziner einen<br />
entscheidenden Schritt voraus ist: Er weiß schon, als<br />
welches Scheusal sich der gerne mal als »Kannibale«<br />
titulierte ugandische Diktator Idi Amin (Forest Whitaker)<br />
entpuppen wird, bevor Garrigans und Amins<br />
Wege sich kreuzen. MacDonald schließt den afrikanischen<br />
Kampf gegen die Kolonialmächte und das<br />
schottische Ringen um Unabhängigkeit kurz – jeweiliger<br />
Feind ist das Commonwealth. Außerdem lässt er<br />
einen kindlich-naiven Lebensretter auf einen psychotisch-kindlichen<br />
Gewaltmenschen prallen. Zwischen<br />
den beiden entfaltet sich eine seltsame Ebene voller<br />
schulbubenhafter Zoten und feixender Scherze – Arzt<br />
und Diktator kommen sich auch menschlich näher.<br />
MacDonalds Thriller zeichnet zwei verschiedene Abstiege<br />
in ungeahnte Untiefen nach, ohne je eindimensional<br />
oder platt zu wirken. Idi Amin werden viele widersprüchliche<br />
Facetten zugestanden – am Ende wird<br />
sein Wahn doch entlarvt. Forest Whitaker verkörpert<br />
eindrucksvoll die Neigung hin zur Paranoia. Garrigan,<br />
hervorragend dargestellt von »Shameless«-Star<br />
James McAvoy, bewegt sich weg von der kognitiven<br />
Dissonanz, hin zur Erkenntnis. <strong>Als</strong> Höhepunkt dient<br />
dem Film Amins legendärer Auftritt auf der Bühne der<br />
Weltpolitik: die Flugzeugentführung von Entebbe.<br />
Ein Ereignis am Scheideweg. Amin profi liert sich ein<br />
letztes Mal, für Garrigan ergibt sich ein Fluchtpunkt<br />
im wahrsten Sinne des Wortes. Afrika bleibt zurück.<br />
Wie man es in einem Spielfi lm mit nicht unproblematischem<br />
Thema fi lmen könnte, zeigt Kevin MacDonald<br />
teils eindrucksvoll. Und er offenbart, dass dabei<br />
nicht das einheitliche Bild entstehen muss, das viele<br />
Europäer erwarten.<br />
Hias Wrba<br />
Der letzte König von Schottland<br />
GB/D 2006<br />
R: Kevin MacDonald; D: Forest Whitaker,<br />
James McAvoy; Fox Home Entertainment
Indianapolis<br />
USA 1969<br />
R: James Goldstone; D: Paul<br />
Newman, Joanne Woodward,<br />
Robert Wagner; Koch Media<br />
Im amerikanischen Original trägt dieser<br />
Rennwagen-Film einfach den Titel<br />
»Winning«, und genau darum geht es<br />
auch. Ein noch relativ junger Paul Newman<br />
spielt einen aufstrebenden Rennfahrer,<br />
dessen großer Traum es ist, einmal<br />
die 500 Meilen von Indianapolis<br />
zu gewinnen – das prestigeträchtigste<br />
Rennen der Welt. Während sein größter<br />
Rivale ihm die Ehefrau ausspannen<br />
will. James Goldstones Film gelang ein<br />
Klassiker im Genre der Rennfahrerfi lme,<br />
die in den 70er-Jahren äußerst beliebt<br />
waren.<br />
Sascha Seiler<br />
Kippenberger –<br />
Der Film<br />
D 2006<br />
R: Jörg Kobel; Absolut Medien<br />
Wer war Martin Kippenberger? Auch<br />
der Dokumentarfi lm von Jörg Kobel<br />
gibt darauf keine endgültige Antwort.<br />
Zum Glück. Die Verweigerungsstrategie<br />
war zentraler Bestandteil von Kippenbergers<br />
Leben und Arbeit. Für die<br />
Neuen Wilden war er zu konzeptuell,<br />
für die Concept Art zu ungestüm, für<br />
den Kunstbetrieb zu frech, für Punk zu<br />
gut angezogen. Kippenberger sei darin<br />
erfolgreich gewesen, nicht zu gefallen,<br />
heißt es im Verlauf des Films über einen<br />
Künstler, der wie kaum ein anderer Widersprüche<br />
produktiv gemacht hat und<br />
aufgrund einer fundamentalen Skep-<br />
sis (nennen wir sie ruhig Punk-Haltung,<br />
da sie für den frühen Punk konstitutiv<br />
war) jegliche Berechenbarkeit scheute.<br />
Wie kein anderer Künstler nach Andy<br />
Warhol hat Kippenberger permanent<br />
produziert, unentwegt Bücher und Flyer<br />
auf den Markt geworfen und so eine<br />
eigene kleine Kippenberger-Industrie<br />
am Leben erhalten. Ein Privatleben im<br />
herkömmlichen Sinne gab es nicht,<br />
selbst noch die einsamen Nächte im Hotel<br />
verbrachte er damit, das in den Zimmern<br />
ausliegende Briefpapier vollzuzeichnen.<br />
Die nächtlichen Saufgelage,<br />
so sein Assistent, waren ebenfalls<br />
nie privat, sondern dienten dazu, neue<br />
Themen für die Arbeit zu fi nden. Kobels<br />
Porträt reduziert Kippenberger nicht<br />
auf seine Kalauer und Trinkgelage, sondern<br />
zeigt auch einen ernsten Menschen,<br />
der sich identitären Zuweisungen<br />
verweigerte und nirgends dazugehören<br />
konnte. »Er brauchte einen Pegel,<br />
um die Leute zu ertragen«, kommentiert<br />
seine Schwester. Der Film liefert<br />
einen wichtigen Beitrag zum Verständnis<br />
von Kippenbergers Arbeit, die seit<br />
geraumer Zeit der Gefahr ausgesetzt<br />
ist, isoliert vom unbequemen »Gesamtkunstwerk«<br />
rezipiert zu werden.<br />
Martin Büsser<br />
Die neun Pforten<br />
F 1999<br />
R: Roman Polanski; D: Johnny<br />
Depp, Frank Langella, Lena Olin;<br />
Kinowelt<br />
Bücher, die nicht mehr aufgelegt werden,<br />
sind schwer zu beschaffen. Vor allem,<br />
wenn der Teufel persönlich der Au-<br />
Tribute: John Waters<br />
Seien wir doch mal ehrlich und nennen ihn – einen<br />
großen Meister. Schmeißen wir selbstbewusst<br />
mit einem Superlativ um uns, der gewöhnlich<br />
für ein gelungenes Verhältnis von<br />
Form und Inhalt, Handwerk und Anspruch steht. Dass<br />
man bei dem mittlerweile 60-jährigen John Waters an<br />
tor ist. Dementsprechend auf eine Odyssee<br />
begibt sich der leicht schmierige<br />
Buchhändler Dean Corso (Johnny Depp)<br />
in Roman Polanskis »Die neun Pforten«.<br />
Das erinnert an »Angel Heart« und »Necronomicon«.<br />
Mysteriöse Auftraggeber,<br />
Intrigen und eine Lektüre, die es wert<br />
ist, das eine oder andere Menschenleben<br />
für sie zu opfern. Klischierte Rahmenbedingungen,<br />
aus denen Polanski<br />
einen soliden Thriller bastelt.<br />
Hias Wrba<br />
The Place Promised<br />
In Our Early Days<br />
J 2004<br />
R: Makoto Shinkai;<br />
Rapid Eye Movies<br />
Der eigenen Überzeugung zufolge hat<br />
der Regisseur Makoto Shinkai mit<br />
seinem ersten abendfüllenden Anime<br />
»The Place Promised In Our Early<br />
Days« ein fi lmzeichnerisches Werk<br />
mit Realkino-Ambiente geschaffen,<br />
das die kurze Phase der Adoleszenz abbildet.<br />
Folgerichtig wühlte er im utopischen<br />
Genre der alternate History. Warum<br />
nur lässt der anachronistische Blick<br />
des Regisseurs aber Brüche und Faltenwürfe<br />
während der Übergangsphase<br />
seiner Dreierheldinnenbande im Pathos<br />
absaufen? So zwingend die Kombination<br />
von Pathos – als eines der drei<br />
Überzeugungsmittel der (rhetorischen)<br />
Rede – und Jugend auch scheinen mag,<br />
der Film verschenkt es jovial mit abgeschmackten<br />
Monologen, die das erklärte<br />
Thema beleidigen. Dies gelingt durch<br />
einen hermetischen, aseptischen und<br />
asexuellen Blick auf die Schüler Hiroki<br />
solchem Lob oft gespart hat, liegt an seinem spezifi -<br />
schen künstlerischen Schaffen. John Waters macht<br />
Camp – für manche Kritiker unzumutbar.<br />
Camp ist queere Handwerkskritik und Zerstörung<br />
des guten Geschmacks. Es bedeutet Zerstückelung der<br />
ästhetischen Totalität und Zerrüttung von Kategorien<br />
wie »Geschlossenheit« und »Objektivität«. Camp<br />
bezeichnet die schwul genossene Fetischisierung von<br />
Nebensachen. Wer will schon falsche Hauptsachen?<br />
Das provoziert Zuschreibungen wie »Trash« oder »Lo-<br />
Fi«. Es führt zu genervten Zensurbehörden, angeekelten<br />
Zuschauern – und ein paar Tausend Kultfans.<br />
Kult war John Waters schon immer. Kult war die<br />
grandios fettleibige Dragqueen Divine als Hauptdarstellerin<br />
seiner Frühwerke »Pink Flamingos«, »Female<br />
Trouble« und »Polyester«. Kult war auch die albernkonsequente<br />
Verballhornung des amerikanischen<br />
Spießeralltags. Kult ist Waters noch heute, nicht nur<br />
wegen seines letzten Films »A Dirty Shame«, in dem<br />
David Hasselhoff eine Gastrolle für einen Klobesuch<br />
hat und ein ganzes Dorf an einer Sexsucht zugrunde<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme auf DVD _ 073<br />
und Takuya, deren klein gehaltene Welt<br />
ein Gruppengeheimnis um Mitschülerin<br />
Sayuri zusammenhält. Verlust und<br />
geschütteltes Urvertrauen – gekauft.<br />
Aber wenn die »böseböse Welt« hereinkommt<br />
und den Heldinnen aufgeht,<br />
dass ihre Verbündeten keine hehren Absichten<br />
haben, werden wohl nur noch<br />
Afi cionados am Bildschirm kleben. Und<br />
eine eigene Erinnerungsleinwand aufspannen,<br />
sortieren und archivieren.<br />
Birgit Binder<br />
Wie ich zum ersten Mal<br />
Selbstmord beging<br />
USA 1997<br />
R: Stephen T. Kay; D: Thomas Jane,<br />
Claire Forlani, Keanu Reeves,<br />
Gretchen Mol; Kinowelt<br />
Für große Sehnsüchte waren die Literatur<br />
und der Film stets Projektionsfl<br />
äche, Ursprung und Ausdrucksmittel<br />
zugleich. Wer Holden Caulfi eld zu<br />
seinem Bekanntenkreis zählt und auch<br />
der geografi sch grenzenlosen Freiheitsliebe<br />
in der Hobo-Beatnik-Romantik<br />
Jack Kerouacs oder der Poesie Allen<br />
Ginsbergs nicht abgeneigt ist, dem sei<br />
»Wie ich zum ersten Mal Selbstmord beging<br />
– The Last Time I Committed Suicide«<br />
schon aus Nostalgiegründen zu<br />
empfehlen. Der Film schildert, basierend<br />
auf einem Brief Neal Cassadys an<br />
Jack Kerouac, einige Episoden aus dem<br />
Leben Cassadys, der seinem Studienfreund<br />
Kerouac seinerseits u. a. als Vorbild<br />
für die Figur des Dean Moriarty in<br />
seinem wohl bekanntesten Werk »On<br />
The Road« diente.<br />
Cay Clasen<br />
geht. Schön, dass in der nun veröffentlichten DVD-Kollektion<br />
»Very Crudely Yours, John Waters« (Warner)<br />
auch dieses Spätwerk nicht fehlt, wo es schon im vertriebsbehinderten<br />
Deutschland keinen Kinostart hatte.<br />
Es steht hier in einer Reihe mit »Polyester« und dem<br />
80er-Klassiker »Hairspray«. Dass Camp kein Kitsch<br />
und Drag kein Karneval ist, hat Adam Shankmann, der<br />
für das bald in die Lichtspielhäuser kommende Feelgood-Musical-Remake<br />
von »Hairspray« (Start: 06.09.)<br />
verantwortlich ist, offensichtlich nicht kapiert. Mit einer<br />
Handvoll prominenter DarstellerInnen wie John<br />
Travolta, Queen Latifah, Christopher Walken und Michelle<br />
Pfeiffer reduziert er Waters’ Meisterwerk auf<br />
eine heftig entqueerte Hab-dich-lieb-Integrationshymne<br />
mit Regenbogenfarben und schmierigen Musikeinwürfen.<br />
Immer noch okay scheinen kleine dicke<br />
Mädchen als Heldinnen zu sein. Vielleicht läuft dieser<br />
Film ja irgendwann mal im Nachmittagsprogramm an<br />
Heiligabend und ich schaue ihn mir an. Doch für das<br />
ästhetisch-inhaltliche Projekt von Waters ist er – eine<br />
Zumutung. Tim Stüttgen
074 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ TV-Serien auf DVD<br />
TV-Serien-Special<br />
VERONICA MARS<br />
Der kesse »Teen Detective« Veronica erspielte<br />
sich, trotz kontinuierlich sinkender Quoten,<br />
von Anfang an eine treue Fangemeinde. Den<br />
Mix aus Highschool-Setting, Film-noir-Stilmitteln,<br />
Staffel-umfassenden Murder-Mysterys<br />
und episodisch angelegten Fällen, garniert<br />
mit schlagfertigen Dialogen und reichhaltigen<br />
Pop-Referenzen, ereilte im Mai nach<br />
drei Staffeln das endgültige Aus. Bei uns verheizt<br />
das ZDF diesen Geheimtipp mit mieser<br />
Synchro und mutlosen Sendeplätzen. RM<br />
USA: EINGESTELLT<br />
D: SEASON 1, FR 00:55 H (ZDF)<br />
USA: SEASON 3 AB 23.10. (WARNER)<br />
D: OHNE TERMIN<br />
Der Tag des Serientäters hat 24 Folgen<br />
– und jedes Morgengrauen ist ein<br />
Cliffhanger. Über 50 TV-Serien-DVD-<br />
Boxen erscheinen in den nächsten<br />
Monaten. Hier die aktuellen VÖs –<br />
und ein Blick über den großen Teich:<br />
Was kommt noch auf uns zu? Die<br />
gute Nachricht: Es hört nicht auf. Das<br />
Serien-Special wird fortgesetzt.<br />
FAMILY GUY<br />
Erst als »Simpsons«-Plagiat abgetan, vom<br />
Sender verschmäht und nach drei Staffeln<br />
abgesetzt, dann durch eine einzigartige Fan-<br />
Kampagne zurückgeholt – diese animierte<br />
anarchische Familiensaga hat ein Zeichen<br />
in der US-Serienlandschaft gesetzt. Karikiert<br />
wird in »Family Guy« die typische amerikanische<br />
Vorstadt-Spießer-Familie, aufgerüstet<br />
durch einen sprechenden zynischen<br />
Hund und ein Baby mit dem Hirn eines James-Bond-Superschurken.<br />
SaS<br />
USA: SEASON 6 AB 23.09. (FOX)<br />
D: SEASON 3+4 CA. 3X TÄGLICH (SAT.1 COMEDY)<br />
USA: SEASON 5 AB 18.09. (FOX)<br />
D: SEASON 3 AB 10.09. (FOX)<br />
A3<br />
B2<br />
DEADWOOD<br />
A1<br />
WEEDS – KLEINE DEALS<br />
UNTER NACHBARN<br />
Wenn verzweifelte »Hausfrauen« wie Nancy<br />
Botwin (Marie-Louise Parker) zu konkreteren<br />
Mitteln greifen, um sich und die restliche<br />
Familie vor dem fi nanziellen Ruin zu bewahren<br />
.... So tacky das Grundgerüst – Vorstadt-Mami<br />
verdealt Gras an die wohlhabenden<br />
Nachbarn – auch klingen mag, unter<br />
der Führung von u. a. »Igby«-Regisseur Burr<br />
Steers wird daraus ein so zynischer wie Bewusstseinsveränderung<br />
versprechender<br />
Reigen der Abgründe von Suburbia. HW<br />
USA: SEASON 3 SEIT 13.08. (SHOWTIME)<br />
D: SEASON 2, MI 23:10 H (PROSIEBEN)<br />
USA: SEASON 3 NOCH OHNE TERMIN<br />
D: SEASON 2 SEIT 09.08. (SONY)<br />
David Milchs hochgelobtes Western-Epos<br />
gilt als erste Fernsehserie, die den Wilden<br />
Westen abseits aller Gutmenschen-Klischees<br />
anders zeigte: rau, erbarmungslos<br />
und vor allem bevölkert von pausenlos fl uchenden<br />
Gestalten. »Deadwood« erzählt<br />
über drei Staffeln die Geschichte einer Siedlung<br />
und steht als Allegorie für die Besiedlung<br />
Amerikas als Ganzes. Kein versöhnliches<br />
Bild: Es zeigt die hässliche Fratze des<br />
täglichen Kampfs ums Überleben. SaS<br />
USA: EINGESTELLT<br />
D: SEASON 3 AB 24.08. (PREMIERE SERIE)<br />
USA: SEASON 3 SEIT JUNI (HBO HOME)<br />
D: SEASON 3 SEIT 16.08. (PARAMOUNT)<br />
B3<br />
DEXTER<br />
Ein Serienmörder zum Knutschen: Dexter<br />
Morgan (Michael C. Hall, »Six Feet Under«)<br />
ist Forensiker der Miami Police und Blut-Experte.<br />
Kein Wunder. Der charmante Junggeselle<br />
verbirgt einen Killerinstinkt, den er<br />
aber nur an jenen auslebt, die es auch verdienen.<br />
Klingt auf dem Papier wie ein »CSI«-<br />
Aufguss-with-a-Twist, ist aber der beste und<br />
unterhaltsamste Serienstart 2006. Eine<br />
bonbonbunte Film-noir-Variante, basierend<br />
auf der Buchtrilogie von Jeff Lindsay. RM<br />
USA: SEASON 2 AB 30.09. (SHOWTIME)<br />
D: OHNE TERMIN, RECHTE BEI TMG (RTL II, TELE 5, ATV)<br />
USA: SEASON 1 AB 21.08. (PARAMOUNT)<br />
D: OHNE TERMIN<br />
D2<br />
PRIMEVAL – DIE RÜCKKEHR<br />
DER URZEITMONSTER<br />
Wenn sich das nicht anhört wie feinster<br />
Trash: Dinosaurierjäger auf Dinosaurierjagd!<br />
Doch die britische Herkunft macht den vermeintlichen<br />
Müll, was Cast und Plotlines betrifft,<br />
erstaunlich stilsicher – wenn auch nicht<br />
in Hinsicht auf alle Effekte. Typisch für die<br />
ITV, dass die erste Staffel nur magere sechs<br />
Episoden zu bieten hat. Die Story um den Evolutionsbiologen<br />
Cutter und sein furchtloses<br />
Team ist jedoch inzwischen selbst zum unheimlichen<br />
Phänomen geworden. HW<br />
GB: SEASON 2 AB 2008 (ITV)<br />
D: SEASON 1 LIEF AUF PROSIEBEN<br />
GB: SEASON 1 SEIT MÄRZ (2 ENTERTAIN)<br />
D: SEASON 1 AB 24.08. (POLYBAND)<br />
MY NAM E I S E AR L<br />
Earl Hickey ist ein White-Trash-Slacker mit<br />
so einigem auf dem Kerbholz. Nach einem<br />
Unfall plant er, jede einzelne seiner Untaten<br />
wiedergutzumachen – aber die Liste ist genauso<br />
lang wie skurril. Neben Skater-Profi<br />
Jason Lee als Earl brilliert insbesondere<br />
Ethan Suplee (»Cold Mountain«) mit seiner<br />
herzzerreißenden Darstellung von Earls infantilem<br />
Bruder Randy in diesem brüllend<br />
komischen Plädoyer für das Gute im Menschen.<br />
RM<br />
USA: SEASON 3 AB 27.09. (NBC)<br />
D: OHNE TERMIN, RECHTE BEI RTL<br />
USA: SEASON 2 AB 25.09. (FOX)<br />
D: OHNE TERMIN<br />
B1<br />
DR. PSYCHO<br />
C1<br />
»Mein neuer Freund« war brillant. Nun<br />
wurschtelt sich Christian Ulmen aber nicht<br />
mehr durchs Halbdokumentarische, in der<br />
Rolle des Dr. Max Munzl wagt er den Sprung<br />
in einen ganz und gar fi ktionalen Stoff. In<br />
den besseren Momenten besticht die Serie<br />
durch Ulmen-typische Verschrobenheiten,<br />
in den schlechteren verliert sie sich in wirren<br />
Plots. Vergönnt war ihr leider bisher nur eine<br />
Staffel, dann schaute der Quotensensenmann<br />
vorbei. Zukunft ungewiss. HW<br />
USA: --<br />
D: STAFFEL 1 LIEF AUF PROSIEBEN<br />
USA: --<br />
D: STAFFEL 1 AB 24.08. (SONYBMG)<br />
THE ADDAMS FAMILY<br />
Charles Addams’ morbider Haufen darf als<br />
Blaupause gelten für alle folgenden dysfunktionalen<br />
TV-Familien. Vom quirlig seltsamen<br />
und nicht zuletzt elektrisch geladenen<br />
Onkel Fester bis zu den liebreizenden<br />
Kindlein Wednesday und Pugsley. Immer<br />
ein wenig düsterer als die konkurrierenden<br />
»Munsters« und mit makabren Scherzen gespickt...<br />
Und dysfunktionale Familien, die je<br />
ihren eigenen versprühen, gibt es vor dem<br />
Bildschirm ja auch noch genug ... HW<br />
USA: 1964-1966 (ABC)<br />
D: REGELMÄSSIG SEIT 1970, INZWISCHEN PREMIERE<br />
D2<br />
USA: SEASON 3 AB 11.09. (FOX)<br />
D: SEASON 2 SEIT 13.08. (FOX)<br />
AMERICAN GOTHIC<br />
A2<br />
Im Zuge der großen Mystery-Welle in den<br />
90er-Jahren entstanden und leider nach einer<br />
Staffel wieder abgesetzt, glänzt dieses<br />
düstere Drama um einen Provinzsheriff, der<br />
mit dem Bösen paktiert, vor allem durch seine<br />
fortlaufende Story und seine mysteriöse<br />
Atmosphäre. <strong>Als</strong> düsterer Bruder von »Akte<br />
X« inspirierte »American Gothic« in Stil und<br />
Optik zahlreiche zeitgenössische Serien, so<br />
gibt es beispielsweise eine Echtzeit-Episode,<br />
die sehr an »24«-Ästhetik erinnert. SaS<br />
USA: 1995-1996 (CBS)<br />
D: LIEF ZULETZT AUF PREMIERE 13TH STREET<br />
USA: COMPLETE SERIES SEIT 2005 (UNIVERSAL)<br />
D: COMPLETE SERIES AB 07.09. (KOCH)<br />
C2
Autorenangabe: RM: Robert Meissner / HW: Hias Wrba / SaS: Sascha Seiler / PF: Paula Fuchs<br />
THE KING OF QUEENS<br />
Ob Ingmar Bergman sich das heimlich angeschaut<br />
hat? Was auf den ersten Blick wirkt<br />
wie eine generische Sitcom, entpuppt sich<br />
bei genauerem Hinsehen als Diskurs über<br />
den Sinn halbwegs bürgerlicher Existenzen.<br />
Wie schon in den vorangegangenen sieben<br />
Staffeln zeigen Doug und Carrie und die übrigen<br />
Schrullen nichts anderes als Szenen<br />
einer Ehe. Für Unterhaltung sorgen nicht zuletzt<br />
die, u. a. mit Jim-Goad-Intimus Patton<br />
Oswalt, besetzten Nebenrollen. HW<br />
USA: EINGESTELLT<br />
D: MO-FR, 12:15 & 18:15 H (KABEL EINS)<br />
USA: SEASON 9 AB 25.09. (SONY)<br />
D: SEASON 8 AB 24.08. (KOCH)<br />
C3<br />
FAME – CLASS OF 1982<br />
Die Serienvariante des Oscar-prämierten<br />
Tanzschuldramas von Alan Parker erzählt<br />
dem Vorbild entsprechend die epochentypische<br />
80er-Jahre-Hatz nach dem großen<br />
Ruhm. Getanzte Intrigen, ausgefahrene Ellbogen,<br />
geplatzte und erfüllte Träume dies-<br />
und jenseits der Art School inklusive. Frei<br />
nach Sophie Baxter: Murder on the Dancefl<br />
oor eben. Diese Dinger, die die Welt bedeu-<br />
ten, bleiben bis heute ein stark vermintes,<br />
tödliches Pfl aster. Remember Leroy? HW<br />
USA: 1982-1987 (NBC)<br />
D: ZULETZT AUF TELE 5<br />
USA: SEASON 2 OHNE TERMIN<br />
D: SEASON 1 SEIT 13.08. (FOX)<br />
MCLEODS TÖCHTER<br />
Pointierte S-Opera um eine Ranch in den<br />
australischen Outbacks, die von den Schwestern<br />
Claire und Tess nach dem Ableben ihres<br />
Vaters geschmissen wird. Rund um liebeskranke<br />
Ochsen, sexgeile Teufel und eine<br />
mächtig schuftende und auf eigene Faust<br />
wirtschaftende Frauenbande gibt es auch<br />
ein paar hohle Typen, die sich mehr oder weniger<br />
nachdenklich, romantisch durchtrieben<br />
geben. Seife muss ordentlich in den Augen<br />
brennen, sonst ist sie nicht echt. PF<br />
AUS: SEASON 7 (NINE)<br />
D: SEASON 5, MO-FR 15:00 H (VOX)<br />
AUS: SEASON 6 (SONY)<br />
D: SEASON 4.1/4.2 SEIT 03.08. (KOCH)<br />
C4<br />
D2<br />
ROM<br />
4400 – DIE RÜCKKEHRER<br />
»4400« steht für 4400 von Aliens entführte<br />
Menschen, die zurückkehren und fortan<br />
übersinnlich bewandert sind. In der dritten<br />
Staffel wird zunehmend der Verschwörungstheorie-Plot<br />
verfolgt. Die Serie gewinnt zusehends<br />
an Reiz, denn niemand scheint zu ahnen,<br />
was die seltsame Gesellschaft um den<br />
verschollenen Jordan Collier von den 4400<br />
will. Der Zuschauer tappt wie die ermittelnden<br />
Agenten im Dunkeln und muss das Puzzle<br />
langsam zusammenfügen. SaS<br />
USA: SEASON 4 LÄUFT GERADE<br />
D: SEASON 3, MO 20:15 H (PROSIEBEN)<br />
USA: SEASON 4 OHNE TERMIN<br />
D: SEASON 3 SEIT 12.07. (PARAMOUNT)<br />
Eine große, breit angelegte und mit viel Liebe<br />
zum Detail inszenierte HBO-Produktion,<br />
die eigentlich als 10-teilige Miniserie konzipiert<br />
war, wegen des großen Erfolges aber in<br />
die zweite Runde ging. »Rom« glänzt mit bewährten<br />
HBO-Mitteln, z.B. hervorragendem<br />
Storytelling. Erzählt wird die ja eigentlich<br />
bekannte Geschichte Roms, allerdings ohne<br />
Scham oder Rücksicht auf zartbesaitete Zuschauer,<br />
was die perfekte Symbiose aus Geschichte<br />
und Entertainment garantiert. SaS<br />
RUDIS LACHARCHIV<br />
Dass Rudi Carrell, jüngst verstorbene Fernsehikone,<br />
nicht nur ein Star der Samstagabend-<br />
Unterhaltung war, sondern sich auch um das<br />
einst sehr beliebte Genre der Fernsehsketche<br />
verdient gemacht hat, beweist diese Compilation<br />
mit dem Besten aus Rudis Archiv. Die<br />
Sendung lief Anfang der 90er und dokumentierte<br />
mehrere Jahrzehnte deutscher TV-Humorgeschichte.<br />
Nun sind die besten Sketche<br />
zusammengefasst. Nicht nur Nostalgiker<br />
werden ihren Spaß damit haben. SaS<br />
USA: --<br />
D: ZURZEIT NICHT IM TV<br />
USA: 2005-2007, KEINE 3. SEASON GEPLANT<br />
D: SEASON 2 AB 20.09. (PREMIERE SERIE)<br />
USA: SEASON 2 SEIT 07.08. (HBO HOME)<br />
D: SEASON 1 SEIT 13.08. (WARNER)<br />
Von jeder auf unseren TV-Serien-Quartett-Karten<br />
vorgestellten<br />
Serien (ausser Dexter, My Name<br />
Is Earl und Veronica Mars) verlosen<br />
wir je drei DVD-Boxen der aktuell<br />
erscheinenden Staffeln. E-Mail an<br />
verlosung@intro.de mit Betreff »TV«<br />
und Angabe der Wunschserie genügt.<br />
USA: --<br />
D: DAS WITZIGSTE AB 29.08. (STUDIO HA<strong>MB</strong>URG)<br />
A4<br />
B4<br />
D2<br />
WEITERE TV-SERIEN AUF DVD<br />
STAFFEL 1<br />
Mord ist ihr Hobby<br />
(1.2, Universal; 23.08.)<br />
STAFFEL 2<br />
Medium<br />
(Paramount; 06.09.)<br />
Switch Classics<br />
(Turbine; 30.07.)<br />
STAFFEL 3<br />
Dempsey & Makepeace<br />
(Koch; 24.08.)<br />
Die fl iegenden Ärzte<br />
(Kinowelt; 07.09.)<br />
Grey’s Anatomy<br />
(Buena Vista; 11.09.)<br />
STAFFEL 4<br />
Die wilden 70er<br />
(Sunfi lm; 17.08.)<br />
Kalkofes Mattscheibe:<br />
Premiere Klassiker<br />
(Turbine; 20.08.)<br />
The Dead Zone<br />
(Paramount; 16.08.)<br />
The Sun always shines on TV?<br />
N<br />
ach dem Erfolg von »24«, »Lost« und anderen<br />
»Serials« – also Serien mit Staffelumspannendem<br />
Handlungsbogen – buhlten<br />
im US-Serienherbst 2006 gleich mehrere<br />
Handvoll davon um die Gunst der Zuschauer. Zu<br />
viel für die quotenrelevante Masse der Konsumenten,<br />
die ohnehin ein gesundes Misstrauen gegenüber Sendern<br />
entwickelt haben, die bei ausbleibendem Erfolg<br />
schneller den Stecker ziehen, als man, sic!, gucken<br />
kann. So verschwanden eine Menge spannender, gut<br />
umgesetzter Ideen auf halber Strecke im TV-Nirwana<br />
– ohne befriedigendes Ende, versteht sich.<br />
Darunter z. B. »The Nine« (ABC), das im Stil von<br />
Spike Lees »Inside Man« einen Banküberfall über<br />
eine Staffel retrospektiv aufrollen wollte, »Day Break«<br />
(ABC), eine Art »Und täglich grüßt das Murmeltier«<br />
meets »Auf der Flucht«, oder die beiden Entführungsdramen<br />
»Vanished« (Fox) und »Kidnapped« (NBC).<br />
Das gleiche Schicksal ereilte trotz massiver Promotion<br />
auch »Drive« (Fox): Nach vier Episoden war Schluss<br />
mit dem illegalen Autorennen. Immerhin auf eine<br />
Staffel brachte es »Studio 60 On The Sunset Strip«.<br />
Produzent Aaron Sorkin hatte 2006 nach sieben Staffeln<br />
das brillante Politdrama »The West Wing« beendet.<br />
Die hinter den Kulissen einer fi ktionalen Live-Comedy<br />
spielende Satire (»Saturday Night Live« lässt<br />
grüßen) stagnierte, wenn auch auf höchstem Niveau.<br />
Vielleicht aber auch, weil sich das System von innen<br />
heraus ungern kritisch beleuchtet<br />
sieht. Keine der genannten<br />
STAFFEL 5<br />
Columbo<br />
(Universal; 28.08.)<br />
Die Waltons<br />
(Warner; 14.09.)<br />
STAFFEL 6<br />
CSI: Crime Scene Investigation<br />
(6.2, Universum; 03.09.)<br />
Magnum<br />
(Universal; 23.08.)<br />
STAFFEL 7<br />
Dallas (Warner; 17.08.)<br />
STAFFEL 9<br />
Baywatch<br />
(Kinowelt; 03.08.)<br />
Komplettboxen & Best Ofs:<br />
Lars von Triers Geister<br />
/ arte Edition<br />
(Koch; 03.08.)<br />
Peanuts – Complete<br />
(Al!ve; 30.08.)<br />
Serien wird wohl den Sprung zu<br />
uns schaffen.<br />
Ausgerechnet das derzeit bei<br />
ProSieben ausgestrahlte »Jericho«<br />
(CBS) hat überlebt. Bereits<br />
eingestellt, rettete eine<br />
Fankampagne die Serie für sieben<br />
weitere Folgen. Die Story<br />
um eine nach massiven Atomanschlägen<br />
auf die USA isolierte<br />
Gemeinde scheint einen<br />
Nerv zu treffen, obwohl sie gerade<br />
mal Soap-Mittelmaß erreicht<br />
und zudem mit dumpfem<br />
Hurra-Patriotismus<br />
nervt. Wie die kommerziellen<br />
Sender den schmalen Grat<br />
zwischen Quotendruck und<br />
der Frustrationsgrenze des<br />
Zuschauers beschreiten wollen,<br />
bleibt abzuwarten. Der<br />
US-Serienherbst 07 sieht kon-<br />
zeptionell deutlich konservativer aus. Derweil brillieren<br />
die Kabel- und Pay-TV-Sender FX, Showtime und<br />
HBO mit hervorragenden Produktionen wie »Dexter«<br />
(siehe links), »John From Cincinnati« oder »Eureka«.<br />
Dazu dann mehr, ihr ahnt es, im nächsten Heft. RM<br />
TO BE CONTINUED<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ TV-Serien auf DVD _ 075
076 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Literatur _ Courtney Loves Tagebücher<br />
Courtney Love<br />
Dirty Blonde.<br />
Die Tagebücher<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
432 S., EUR 14,95<br />
Courtney Loves Tagebücher.<br />
Studien in Anti-Dämonisierung<br />
Subversion, wie sie im Buche steht: romantisch, rebellisch, von der<br />
Wirklichkeit erleuchtet. Kerstin Grether hat Courtney Loves Notizen »Dirty<br />
Blonde« gelesen und erklärt, warum Courtney keine Pop-Heilige wurde.<br />
In seinem Artikel über den Simpsons-Film hat Diedrich<br />
Diederichsen neulich überzeugend dargelegt,<br />
inwiefern die großen Werte der US-amerikanischen<br />
1960er-Jahre – »umfassende Gesellschaftskritik«<br />
und »Emanzipation des Körpers« – heute meist zu<br />
»asozialem Hedonismus« und »leerem Moralismus« verkommen<br />
sind. Den Simpsons attestierte er eine bewundernswerte<br />
»skeptizistische Selbstrefl exivität«, die nicht<br />
zu verwechseln sei mit »Kritik« oder »Subversion«. Von<br />
Letzterer fi ndet man hingegen jede Menge in Courtney<br />
Loves Tagebüchern »Dirty Blonde«, die u. a. noch mal belegen,<br />
wie bittersüß Mainstream-unfreundlich der öffentliche<br />
Auftritt dieser beiden anderen Gelben, Kurt<br />
und Courtney, wirklich war – zumal in der heißen Simpsons-Grunge-Change-Phase<br />
der 90er-Jahre. Was mit dem<br />
Selbstmord Kurt Cobains endete, konnte natürlich nicht<br />
die Emanzipation des Körpers sein, geschweige denn eine<br />
hoffnungsfrohe Gesellschaftskritik begleiten. Sonst wäre<br />
Courtney Love längst eine Pop-Heilige wie z. B. Patti Smith.<br />
Nichtsdestotrotz: Courtney war asozial hedonistisch<br />
und, mit dem ganzen herzhaften Trotz der Hippie-Töchter,<br />
Heimkinder und weiblichen Genies ausgestattet, um originelle<br />
Aufklärung bemüht! Das dokumentiert z. B. der eigenwillige<br />
Gestus der Tagebücher, dieser poetisch-burroughseske,<br />
Songtext-vernarrte, romantisch-rebellische Stil ihrer<br />
Notizen. So wirklichkeitserleuchtet und vom eigenen Beispiel<br />
getrieben, dass man sofort den 98er-Hole-Hit »Celebrity<br />
Skin« versteht – Cobains Witwe bezeichnet sich darin<br />
sarkastisch als »wandelnde Studie in Dämonologie«.<br />
Ihre Tagebücher – in der US-Ausgabe so bunt und special,<br />
dass es einer großen Leistung gleichkommt, wie gleichsam<br />
spannend die toll übersetzte deutschsprachige s/w-Ausgabe<br />
in eigenständiger und doch unverfälschter Anordnung<br />
Text: Kerstin Grether<br />
zusammenkomponiert wurde – sind eine Studie in Anti-Dämonisierung:<br />
bezaubernd, nachdenklich, klug. Und das in<br />
originalhandschriftlichen Dokumenten, die bei aller Privatheit<br />
nicht zu intim wirken. Auch weil die Botschaften<br />
und Bilder eine sehr seltene Mischung aus Exhibitionismus<br />
und Künstlichkeit ausstrahlen, den Flair des Geworden-Seins<br />
im Zustand größter Verzweifl ung: Bildchen von<br />
kaputten Puppen, genialische Songtextzettel, gut informierte<br />
Lieblingslisten, die beweisen, dass Courtney schon<br />
früh und in Eigenregie die Ästhetik von Hole kreierte. Darüber<br />
hinaus dekonstruiert und korrigiert sie stets ihr eigenes<br />
Image – lustig, dass dennoch immer alle besser zu wissen<br />
glauben, wer sie ist – und das ihrer Helden gleich mit.<br />
Sie sieht die größeren Zusammenhänge.<br />
Die Drogen, den Exzess, ihre Bad-Girls-Rolle, die Schönheits-OPs<br />
und Oscar-Nominierungen, den sarkastischen<br />
Verstand – ja, selbst den Selbstmord des Ehemanns hätten<br />
sie der stets selbstrefl exiven, dauertherapierbaren, humorbereiten<br />
Courtney vermutlich längst verziehen. Nur eins<br />
nicht: dass sie ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Erfolgs<br />
ihres suizidalen Ehemanns ein vergleichsweise ähnlich<br />
großartiges Album gemacht hat.<br />
Kate Moss und Pete Doherty mögen noch so viele Hotelzimmer<br />
zerlegen, doofe Bilder von sich knipsen lassen und<br />
Rausch als letzte souveräne Rock’n’Roll-moralische Geste<br />
gegen und für das Zur-Marke-Werden aufführen: Courtney<br />
und Kurt hatten ihre eigene Bilderwelt, hungrig nach dem<br />
perfekten Rock-Song, der einzig und allein noch »Kritik<br />
und Wahrheit« verkraftete, in einer Phase, in der skeptizistische<br />
Selbstrefl exivität das Höchste aller Familien-Fernsehseriengefühle<br />
war. Es würde jetzt darum gehen, aus der<br />
spleenig-klaren Wahrheit von Courtney oder Kurts Tagebüchern<br />
das Vitale neu zu schöpfen.
078 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Literatur<br />
Kopftuch und Liposuktion<br />
Nicht nur in Sofi a Coppolas Amerika, auch<br />
im osttürkischen Kars nehmen sich junge<br />
Mädchen das Leben. Orhan Pamuk erzählt<br />
in seinem Roman »Schnee« (Carl<br />
Hanser Verlag, 512 S., EUR 25,90) von Frauen, die eher<br />
Hand an sich legen, als auf ihr Kopftuch zu verzichten.<br />
<strong>Als</strong> man der Anführerin der rebellischen Turbanmädchen<br />
vorschlägt, im Namen aller muslimischen Feministinnen<br />
an eine westliche Zeitung zu schreiben, antwortet<br />
sie eisig: »Ich möchte niemanden repräsentieren.<br />
(...) Ich möchte nur mit meiner eigenen Geschichte,<br />
allein, mit allen meinen Sünden und Fehlern den<br />
Europäern gegenübertreten.«<br />
In Silke Scheuermanns »Stunde zwischen Hund<br />
und Wolf« (Schöffl ing & Co., 172 S., EUR 17,90) trifft<br />
Die Absage des als Sensation angekündigten<br />
Starkochs Ferran Adrià, Wasserschäden<br />
in den Aue-Pavillons und ein brachliegendes<br />
Reisfeld – die documenta 12 ist vor<br />
allem wegen ihrer Pannen in die Schlagzeilen geraten.<br />
Das erfreut die »gesunde Volksseele«, der im Zusammenhang<br />
mit zeitgenössischer Kunst bloß »Steuergelder«<br />
in den Sinn kommen. Allein diese Häme wäre ein<br />
Grund, das Kuratorenteam Roger Buergel und Ruth<br />
Noack in Schutz zu nehmen – wären nicht das Konzept<br />
und die Auswahl der Exponate dieser documenta<br />
die eigentliche Panne. Schlagwörter wie »Migration<br />
der Form«, »Korrespondenzen« und »ästhetische<br />
Querverbindungen« entpuppen sich schnell als esoterisches<br />
Blendwerk, das vom Betrachter nicht Analyse,<br />
eine Frankfurter Journalistin ihre beneidete schöne<br />
Schwester wieder. Erinnerungen an die Unzufriedenheit<br />
mit dem eigenen Körper unterbinden die Wiedersehensfreude:<br />
»Ich war gerade sechzehn Jahre alt geworden.<br />
Ich hatte gelesen, alle Teenager in Amerika<br />
tun es, und am liebsten hätte ich gleich alles gemacht,<br />
hätte am liebsten alle unter dem Fachbegriff Liposuktion<br />
aufgezählten Gliedmaßen behandeln lassen,<br />
Oberschenkel, Taille, Oberarme.«<br />
Pamuks und Scheuermanns literarische Varianten<br />
des Weiblichen haben auf den ersten Blick nicht das<br />
Geringste gemein. Während sich die eloquente türkische<br />
Kopftuchträgerin selbstbewusst gegen die Autorität<br />
des laizistischen Staates stellt und über Fragen<br />
feministischer Identitätspolitik refl ektiert, fühlt<br />
sich die Frankfurterin wie »die x-fache Spiegelung eines<br />
vor Jahren beendeten Lebens«. Die eine versteckt<br />
ihr Haar, die andere pusht ihr Selbstbewusstsein mit<br />
kurzen erbsengrünen Röcken. Es hieße, die Möglichkeiten<br />
der Literatur überzustrapazieren, fasste man<br />
die beiden Romanfi guren als realistische Repräsentantinnen<br />
ihrer Herkunftsländer auf – und doch bildet<br />
sich in den Frauen die türkische respektive die deutsche<br />
Geschlechterordnung ab.<br />
In Deutschland fungiert das Kopftuch als leerer Signifi<br />
kant, der wahlweise mit Unbildung, der Unterdrückung<br />
der Frau, islamischer Fortschrittsfeindlichkeit<br />
und Terrorismus gleichgesetzt werden kann.<br />
Die Kulturwissenschaftlerinnen Christina von Braun<br />
und Bettina Mathes warnen in »Verschleierte Wirk-<br />
Töpferkurs und Häkeldecke<br />
sondern reines Einfühlen und ehrfurchtsvolles Staunen<br />
verlangen möchte. Dementsprechend sind kaum<br />
Installationen zu sehen. Dafür wird wieder gehäkelt,<br />
gestrickt, gestickt, beherzt bunt gemalt und mit Ton<br />
modelliert. Die Keramiken von Maria Bartuszova, die<br />
Seidentücher von Hu Xiaoyuan und die sich in Seilen<br />
windenden Ausdruckstänzer in der Arbeit von Trisha<br />
Brown erinnern frappant an das Kunstverständnis<br />
von Waldorfschulen, anderes wiederum an Wandbehänge<br />
aus dem Eine-Welt-Laden oder an das Ergebnis<br />
eines Sparkassen-Malwettbewerbs.<br />
Das Naive, Volkstümliche und Kunsthandwerkliche<br />
kann einen subversiven Gehalt haben, wie Martin<br />
Kippenberger bewies. Doch die hier gezeigten Tendenzen<br />
des Naiven lassen weder Bruch noch Ironie<br />
erkennen, sondern sind im handwerklich schlechten<br />
Sinne Gebasteltes und Geklebtes, das als schön wahrgenommen<br />
werden möchte. Dass viele solcher Arbeiten<br />
von Frauen aus sogenannten Dritte-Welt-Ländern<br />
stammen, macht sie nicht weniger angreifbar.<br />
Damit wird vielmehr ein ebenso essenzialistisches<br />
wie rückschrittliches Bild von weiblicher wie auch<br />
nicht-westlicher Kunst vermittelt. Frauen, kehrt an<br />
den Webstuhl zurück! Die feministische Arbeit »Love<br />
Songs« der US-amerikanischen Künstlerin Mary Kelley<br />
nimmt sich wie ein Fremdkörper aus – einer der wenigen<br />
Beiträge, denen man anmerkt, dass die seit den<br />
1960er-Jahren geführten Diskurse in Kunst und Gesellschaft<br />
angekommen sind. Gender, Medien, Pop,<br />
Subkultur, Urbanismus – all die Fragen, die im Mittel-<br />
lichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen« (Aufbau<br />
Verlag, 476 S., EUR 24,95) vor Kurzschlüssen: Eine<br />
unter die Burka gezwängte und aus dem Klassenzimmer<br />
vertriebene Afghanin ist anders zu bewerten als<br />
eine iranische Studentin, die sich einer feministischen<br />
Grassroots-Bewegung anschließt. Eine ukrainische<br />
Zwangsprostituierte ist nicht unbedingt freier<br />
als eine verschleierte muslimische Politikerin. Akribisch<br />
zeigen die Autorinnen, dass das westliche Bedürfnis<br />
nach Entschleierung von »Orientalinnen« in<br />
schwülen kolonialistischen Haremsfantasien wurzelt<br />
und eine Ordnung des Blicks reproduziert, die den<br />
Mann zum Betrachter, die Frau aber zum Objekt der<br />
Betrachtung stempelt. Auch das feministische Engagement<br />
gegen den Schleier hat seine Tücken: »Indem<br />
die westliche Frau in der Orientalin die kulturell<br />
andere erblickt und sich dieser anderen im Gestus<br />
der Überlegenheit zuwendet, wird es ihr (...) möglich,<br />
die Position des universellen Subjekts zu besetzen.«<br />
Mithin lässt die Bemitleidung der Verschleierten die<br />
westliche Gleichberechtigung vollkommener erscheinen,<br />
als sie ist. Seitdem Delacroix die Französische<br />
Revolution als barbusige Barrikadenkämpferin dargestellt<br />
hat, fasst man weibliche Nacktheit in Europa<br />
als Zeichen der Befreiung auf. Kopftuch und Suizid<br />
mögen im Kampf für Geschlechtergleichheit keine<br />
probaten Mittel sein, der Bikini ist es auch nicht – Bulimie<br />
und Liposuktion dämpfen den Glanz, in dem die<br />
Freiheit des Westens erstrahlt.<br />
Kerstin Cornils<br />
punkt von Katherine Davids documenta X standen –<br />
sind 2007 zugunsten einer fast nur noch auf Sinnlichkeit<br />
und Autonomie der Form setzenden Ausstellung<br />
ausgeklammert worden. Wo Okuwi Enwzor auf Fragen<br />
der Globalisierung mit einer kritischen Kunst aus<br />
Afrika und Lateinamerika reagierte, sucht diese documenta<br />
die Antworten im Exotismus sowie dem Konstrukt<br />
von Volks- und Glaubensgemeinschaften.<br />
Identität und Authentizität bilden das reaktionäre<br />
Zwiegespann einer Kunstschau, die in der Politik von<br />
Israel und den USA das Hauptübel unserer Zeit ausgemacht<br />
hat. Der australische Künstler Juan Davila präsentiert<br />
die USA-Flagge mit Hakenkreuz, die palästinensische<br />
Fotografi n Ahlam Shibli sprach gegenüber<br />
der Zeitschrift Monopol davon, dass Israel ein Land<br />
sei, dessen »Legitimität sie anzweifelt«. Und dann ist<br />
noch die Giraffe namens Brownie, das Maskottchen<br />
dieser documenta, an Herzversagen gestorben nach<br />
dem Einmarsch israelischer Truppen im Westjordanland.<br />
So plakativ hat Kunst sich schon lange nicht<br />
mehr als Propaganda zu erkennen gegeben. Solche<br />
auf einfache Antworten zielenden Arbeiten korrespondieren<br />
mit dem nebulösen Geraune der Katalogtexte,<br />
die Banales mittels Heidegger-Slang aufzuwerten<br />
versuchen und neoromantischen Kitsch als »Wiederverzauberung<br />
der Welt« verkaufen. Tröstlich ist<br />
da nur, dass diese documenta keinen repräsentativen<br />
Querschnitt heutiger Kunst bietet, sondern lediglich<br />
eine individuelle Entgleisung.<br />
Martin Büsser
080 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Spiele _ Flipper<br />
Der Flipper<br />
Eigentlich bezeichnet das Wort<br />
»Flipper« nur die beiden beweg-<br />
lichen Arme, die nach Gottliebs<br />
Pinball-Automaten »Humpty Dum-<br />
pty« (1947) zum Standard wurden.<br />
Zuvor hatte es in der Regel kei-<br />
nerlei Einfl uss auf die Bewegung<br />
des abgeschossenen Balles ge-<br />
geben – Flippern war noch reines<br />
Glücks-, kein Geschicklichkeits-<br />
spiel. Der im Englischen noch ge-<br />
bräuchliche Begriff »Pinball« ist<br />
übrigens auf die heutige Zeit be-<br />
zogen ähnlich unzutreffend. Er re-<br />
feriert auf ebenjene Zeit, als es<br />
noch keine Flipper und praktisch<br />
keine interessanten Tisch-Aufbau-<br />
ten jenseits von Löchern und Nä-<br />
geln (engl.: Pins) gab. Ursprüng-<br />
lich lässt sich der Flipper auf die<br />
Zeit von Ludwig XIV. zurückver-<br />
folgen, als der klassische Billard-<br />
Tisch hin zum Spiel »Bagatelle«<br />
verändert wurde. Neben den er-<br />
wähnten Flipperarmen setzten<br />
sich mit der Zeit folgende Stan-<br />
dards bei den Tischen durch:<br />
Tilt-Mechanismus: ca. 1932<br />
Bumper: 1936<br />
Freispiel: ca. 1945<br />
Multiball: 1956<br />
Extra Ball: 1969<br />
Sprechender Flipper: 1979<br />
Extraball<br />
Deutsches Flippermuseum<br />
Hermannstr. 9<br />
56564 Neuwied<br />
Öffnungszeiten: Sa + So 14-18<br />
Uhr und nach Vereinbarung<br />
Zurzeit befi nden sich im Museum<br />
ca. 70 bespielbare Tische.<br />
www.fl ippermuseum.eu<br />
Flipper.<br />
Alle Credits verspielt<br />
195 neue Flippertische wurden 2006 nach einer Studie des Ifo-Instituts<br />
für Wirtschaftsforschung in Deutschland verkauft. 1979 waren es 40.000<br />
– Flipper sind vom Aussterben bedroht. Ein sentimentaler Text über die<br />
bewegte Geschichte der vielleicht schönsten Spielgeräte der Welt. Über<br />
Nachlassverwalter, Filmemacher, leuchtende Augen und darüber, dass es<br />
Hoffnung im Privaten gibt.<br />
Die Geschichte des Flippertischs ist lang und<br />
ruhmreich – leider aber auch äußerst tragisch.<br />
Seit den 1930ern, seit sich allmählich<br />
die heutige Form des Flippers herausschälte,<br />
feierte das Spiel viele Erfolge, Tiefschläge,<br />
Endzeitstimmungen und Revivals. So waren die 1970er<br />
zum Beispiel das Flipper-Jahrzehnt schlechthin, die 1980er<br />
so gut wie tot, und die 1990er erlebten, zumindest für die<br />
Dauer von wenigen Jahren, ein Revival, das unter anderem<br />
den mit über 20.000 gebauten Geräten erfolgreichsten<br />
Flipper aller Zeiten hervorbrachte: »The Addams Family«.<br />
Kein Problem, wird bestimmt schon wieder, könnte man<br />
meinen. Leider nicht. 2007 sieht es so aus, als habe die Tradition<br />
defi nitiv einen Point of no Return erreicht. Mit Stern<br />
gibt es (abgesehen von der australischen Firma The Pinball<br />
Factory, die alte Modelle nachbaut) nur noch einen kommerziellen<br />
Flipper-Hersteller weltweit. Der baut in Illinois,<br />
seit den 1930ern die amerikanische Flipperwiege, immer<br />
weniger neue Modelle pro Jahr in immer geringerer Stückzahl<br />
– zuletzt einen »Family Guy«- und einen »Spiderman«-<br />
Flipper. Der Grund für die Misere: An Orten, wo man vor<br />
einigen Jahren noch reihenweise Automaten fand – in Spielhallen,<br />
Eckkneipen, Jugendzentren und Discos –, steht heute<br />
ein Geldspielautomat, eine Plastikpalme oder nicht selten:<br />
gar nichts. Die Gründe dafür sind vielfältig.<br />
»Früher wurden Flipper in Spielhallen als Raumfül-<br />
Text + Fotos: Felix Scharlau<br />
Reparatur eines Flippers Linus Volkmann hat einen Multiball Vlnr.: NBA Fastbreak (2x), Scared Stiff, Junk Yard<br />
ler aufgenommen: Die Lizenz galt immer nur für eine bestimmte<br />
Anzahl von Geldspielgeräten, und der Rest musste<br />
irgendwie ausgefüllt werden. Durch Billard-Tische, durch<br />
Flipper, was weiß ich«, so Harald Fleischhauer vom Flippermuseum<br />
»Extraball« in Neuwied. »Dabei nimmt ein Flipper<br />
von seiner Standfl äche her doppelt so viel Platz ein wie ein<br />
Geldspiel- oder Videospielautomat. Und die bringen viel,<br />
viel Geld ein, während ein Flipper praktisch keine Einnahmen<br />
bedeutet.« Das hat leider seine Gründe: Flipper waren<br />
und sind in der Anschaffung teuer und bedürfen einer starken<br />
Wartung. Schon beim kleinsten Fehler im Flipperarm<br />
verliert der Tisch seinen Reiz, wird nicht mehr gespielt. Ein<br />
Handwerker des Aufstellers muss kommen. Eine mühsame<br />
und teure Angelegenheit – aber das war schon immer so.<br />
Eine besondere Dynamik nach unten brachte erst das<br />
letzte Vierteljahrhundert mit sich: Flipper waren vor dem<br />
Boom der Videospiele lange Zeit unangefochtene Zukunftstechnik.<br />
Die gefeierte Avantgarde des Freizeitspiels sozusagen.<br />
Das Herz der Geräte war zunächst rein mechanisch,<br />
dann elektro-mechanisch und mit dem Aufkommen der<br />
Mikroprozessoren seit den 1970ern elektronisch (die sogenannte<br />
Solid-State-Ära). Zu dieser Zeit entstanden einige<br />
der schönsten und aufwendigsten Geräte – spätestens<br />
seit jetzt gerieten Flipper aber zugleich zu einem Atavismus<br />
der Technikgeschichte. Denn während Heim-Videospiele<br />
langsam kommerziell zu boomen begannen und mit-
tels Voll-Digitalisierung und -Virtualisierung die Zukunft<br />
der Freizeitkultur defi nierten, war der Flipper nach wie vor<br />
der launische Zwitter, der halb aus Mechanik und halb aus<br />
Computerchips bestand. Ein aus der Mode gekommener<br />
Held vergangener Epochen, der irgendwo zwischen der realen<br />
und virtuellen, der mechanischen und digitalen Welt<br />
festhing und anfälliger war als alle Videospielsysteme.<br />
Harald Fleischhauer und Axel Hillenbrand vom Flippermuseum<br />
»Extraball« erleben heute eine entsprechende<br />
Wahrnehmungsverschiebung bei den Jugendlichen, wenn<br />
jene auf den mittlerweile über 70 sauber restaurierten Exponaten<br />
spielen – was in diesem Museum übrigens ausdrücklich<br />
erwünscht ist. »Gerade junge Spieler sehen Flipper<br />
fälschlicherweise oft in der Tradition der Videospiele.<br />
Da sagt das Kind zur Mutter schon mal so was wie: Nein, wir<br />
können noch nicht gehen, ich hab noch zwei Leben. Leben<br />
anstatt Bällen oder Kugeln, wie man früher sagte. Das ist<br />
schon sehr auffällig«, so Hillenbrand, der mit Fleischhauer<br />
Ende letzten Jahres das Museum eröffnet hat. Ihre Einrichtung,<br />
die aus einer Sammelleidenschaft heraus entstand,<br />
die irgendwann auf Öffentlichkeit drang, bildet mit Geräten<br />
aus 80 Jahren fast die komplette Geschichte des Genres ab.<br />
Was ihnen unter anderem noch fehlt, ist ein Gerät der sogenannten<br />
»Pinball 2000«-Serie der Firma Williams aus den<br />
1990er-Jahren. Die 1990er – das war das letzte verheißungsvolle,<br />
im Ergebnis aber rabenschwarze Jahrzehnt der Flipper-Geschichte,<br />
über das es sogar einen Dokumentarfi lm<br />
mit dem bezeichnenden Titel »Tilt« gibt. Jener beleuchtet<br />
aus der Retrospektive den verzweifelten Kampf der Ingenieure<br />
und Programmierer von Williams, in Zeiten sinkender<br />
Verkäufe die Zukunftsvision eines Flippers zu entwickeln,<br />
um ihre Jobs zu retten. Das gelang mit Hilfe eines integrierten<br />
Monitors, der von oben abstrahlte und so virtuelle Figuren<br />
auf den Tisch projizierte. Eine technische Meisterleistung.<br />
Geholfen hat jene nicht – nach »Revenge From Mars«<br />
und »Star Wars – Episode 1« wurde die Division aufgelöst.<br />
Der einst so gefeierte Flipperproduzent Williams baut heute<br />
zynischerweise nur noch Geldspielautomaten.<br />
Greg Maletic, Regisseur des Films, hat die Tragik des Moments<br />
und womöglich auch die letzte Niederlage der kommerziellen<br />
Flipper-Geschichte eingefangen. Er interviewte<br />
weinende Ex-Mitarbeiter des Unternehmens, die zum<br />
Teil bis heute nicht verstehen können, warum die Konzernführung<br />
trotz gefeierter Technik und passabler Verkäufe<br />
so agierte, wie sie es tat. »Mein Plan war ursprünglich, einen<br />
Film über Technik-Design und über die Tragik zu drehen,<br />
wenn technisch hochkomplexe Geräte entworfen und<br />
von einem Tag auf den anderen obsolet werden. Pinball<br />
2000 war dafür ein Paradebeispiel«, sagt er im <strong>Intro</strong>-Interview.<br />
Für die USA konstatiert er, dass Flipper zunehmend<br />
nur noch in öffentlich gemachten Sammlungen und ausgewählten<br />
Arcades für die Nachwelt überleben werden.<br />
Ein Zustand, der auch in Deutschland Realität werden<br />
dürfte. Denn obwohl es einen großen Privatmarkt für gebrauchte<br />
Flipper, Messen, Flipperturniere und sogar einen<br />
Ligabetrieb gibt – der Flipper befi ndet sich massiv auf<br />
dem Rückzug ins Private, hin zu einem eingeschworenen<br />
Fachpublikum. Es bildet sich einerseits eine treue Checker-<br />
Nichtöffentlichkeit, andererseits bekommt der potenzielle<br />
Nachwuchs immer weniger Chancen, die Begeisterung<br />
an Orten seiner Jugend zu teilen. »Derzeit gehe ich davon<br />
aus, dass Flipper im öffentlichen Bild aussterben werden«,<br />
so Hillenbrand. »Die Kernfrage ist: Inwieweit kann die Nostalgie<br />
unserer Generation die Flipper in die nächste Generation<br />
rüberretten?« Und Greg Maletic meint für die USA:<br />
»Ein Pinball-Revival ist nicht ausgeschlossen. Aber ich würde<br />
sagen, es ist unwahrscheinlich.«<br />
Bleibt nur die Bitte: Füttern Sie Flippertische, wo Sie nur<br />
können. Und so lange Sie noch können. Es handelt sich um<br />
eine vom Aussterben bedrohte Art.<br />
Im Blog auf intro.de: Nachlese – Die <strong>Intro</strong>-Redakteure<br />
Volkmann und Scharlau machen eine Sauf-Radtour durch<br />
miese Schlagerkneipen – anhand ihrer Recherche-Ergebnisse<br />
bei fl ippern.de.<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ Spiele _ Flipper _ 081<br />
Harald Fleischhauer + Axel Hillenbrand im Museum Designer Steve Kordek mit dem letzten Williams-Flipper Szene aus »Tilt«<br />
Die Top7-Flipper<br />
der <strong>Intro</strong>-Redaktion<br />
Indiana Jones (Williams, 1993)<br />
Scared Stiff (Bally, 1996)<br />
Junk Yard (Williams, 1996)<br />
Star Wars (Data East, 1987)<br />
White Water (Williams, 1993)<br />
Medieval Madness (Will. 1997)<br />
The Getaway: High Speed II<br />
(Williams, 1992)<br />
Links:<br />
www.fl ippern.de:<br />
tolle Metasuchmaschine für<br />
Flipperstandorte in Deutschland<br />
www.ipdb.org: wichtigste<br />
Internet-Datenbank für Flipper<br />
www.pingamejournal.com:<br />
wichtigstes Flipper-Printmagazin<br />
www.sternpinball.com: Stern –<br />
der letzte Flipper-Produzent<br />
www.gelsen-fl ipper.de:<br />
Deutsche Pinball-Convention<br />
Tilt – The Movie<br />
USA 2006<br />
R: Greg Maletic<br />
Die DVD mit zahlreichen<br />
Extras gibt es hier zu bestellen:<br />
www.tilt-movie.com
082 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Spiele _ Sam & Max: Season One Text: Marc Seebode<br />
Sam & Max: Hit The Road<br />
... war 1993 das erste Point&Click-<br />
Adventure von LucasArts, dessen<br />
Bedienkonzept erstmals auf die<br />
bewährten Aktionsverben ver-<br />
zichtete und den kompletten Bild-<br />
schirm für die Spielegrafi k nutzte.<br />
Sandra Schwittau<br />
Bekanntheit hat Sandra Schwit-<br />
tau vor allem durch die Synchro-<br />
nisation der Figur Bart Simpson<br />
(»The Simpsons«) erlangt. Zudem<br />
ist sie die deutsche Stimme von<br />
Hilary Swank, Milla Jovovich, He-<br />
lena Bonham Carter, Eva Mendes<br />
und Renée Zellweger.<br />
Auf intro.de<br />
Das komplette Interview mit dem<br />
Entwickler Telltale<br />
Sam & Max:<br />
Season One<br />
Telltale Games / CDV<br />
Software Entertainment<br />
PC<br />
Genre: Adventure<br />
Sam & Max: Season One.<br />
Zeit der Abenteuer<br />
Ein kaffeesüchtiger Hase namens Sam und ein Hund namens Max feiern<br />
mit dem Spezialgebiet »unnötige Gewaltanwendung« ihr Revival in 3-D. Und<br />
haben gleich das Revival des ganzen Adventure-Genres mit im Schlepptau.<br />
Wir erinnern uns: Nach dem großen Erfolg<br />
von »Sam & Max: Hit The Road«<br />
(1993) gab LucasArts Ende 2002 die<br />
Entwicklung eines Nachfolgers bekannt.<br />
Doch nachdem auf diversen<br />
Spielemessen bereits Grafi ken und Trailer gezeigt worden<br />
waren, wurde das Projekt Anfang 2004 auf Eis gelegt, da<br />
LucasArts keinen Markt mehr für Adventures sah. Die bis<br />
dato mit der Entwicklung des Spiels betrauten Entwickler<br />
Dan Connors und Kevin Bruner glaubten jedoch weiterhin<br />
an das Projekt und gründeten die Firma Telltale Games, deren<br />
innovatives Geschäftsmodell es vorsieht, Spiele in Episodenform<br />
zu veröffentlichen. Nachdem im Mai 2005 LucasArts<br />
die Rechte an der Nutzung von »Sam & Max« verlor,<br />
begann Telltale Games wenig später zusammen mit Steve<br />
Purcell (der geistige Vater von »Sam & Max«), an einem<br />
neuen, vom ursprünglichen Projekt unabhängigen Nachfolger<br />
zu arbeiten. Der effi zienteste, kostengünstigste und im<br />
Endeffekt schnellste Veröffentlichungsweg war, die Folgen<br />
online zu verkaufen. Deswegen vertrieben Telltale Games<br />
seit Herbst 2006 nach und nach die produzierten Episoden<br />
ausschließlich als Download. Für die deutsche Version aller<br />
sechs Teile, die regulär in die Läden kommt, wurde jetzt<br />
wie zuvor Sandra Schwittau als deutsche Stimme von Max<br />
engagiert, und auch Hans-Gerd Kilbinger konnte wieder für<br />
die Synchronisation von Sam gewonnen werden.<br />
Das Hauptaugenmerk von »Sam & Max: Season One«<br />
liegt auf den zu lösenden Rätseln und beansprucht gleichermaßen<br />
das Zwerchfell des Spielers. Die Dialoge stecken<br />
voll satirischer Bemerkungen, wunderbarem Irrsinn und<br />
subtilen Andeutungen. Auch außerhalb der Wortgefechte<br />
gibt es genügend zu lachen: In der zweiten Episode holen<br />
die Schreiber beispielsweise zum Rundumschlag gegen<br />
die gesamte Fernsehwelt aus: Neben Koch- und Quizsendungen<br />
bekommen auch Casting-Shows und der Todfeind<br />
der gelungenen Unterhaltung, die Nachmittags-Talkshow,<br />
ihr Fett weg. Mit den liebevollen Charakteren, der dem Comic-Stil<br />
angepassten 3-D-Grafi k und dem Point&Click-Gameplay<br />
könnte »Sam & Max: Season One«, das Ende August<br />
als Komplettpaket auf DVD in den Handel kommt, zum spaßigsten<br />
PC-Spiel des Jahres werden. Dies hat seine Gründe.<br />
»Klassische Games sind wie Spielfi lme. Sie erzählen eine<br />
lange Geschichte, und um sie gut zu erzählen, bedarf es einer<br />
Menge Zeit und Geld. Spiele in Episodenform funktionieren<br />
eher wie TV-Serien«, so der Entwickler Telltale im<br />
Interview. »Wir verwenden auch viel Mühe darauf, eine<br />
gute Geschichte zu erzählen, aber wir können fokussierter<br />
und effi zienter arbeiten. Außerdem ist es möglich, das Gamer-Feedback<br />
auf einzelne Episoden in kommende Episoden<br />
einfl ießen zu lassen.« Alle sechs Episoden stehen so im<br />
Ergebnis für sich alleine, sind aber zusätzlich durch eine<br />
übergreifende Geschichte verbunden.<br />
Der kommerzielle Erfolg von »Sam & Max« bereits in der<br />
Download-Variante scheint eines von vielen Indizien für<br />
ein Comeback des ganzen Adventure-Genres zu sein. Fakt<br />
ist, dass derzeit wieder vermehrt Adventures auf neuen<br />
Plattformen (wie zum Beispiel dem Nintendo DS) veröffentlicht<br />
werden und beispielsweise das Line-up der diesjährigen<br />
Games Convention mit etlichen neuen Adventures aufwartete.<br />
Telltale Games setzt zumindest weiterhin auf das<br />
Genre und veröffentlichte neben »Sam & Max« unter anderem<br />
auch »Bone« oder »Ankh«. Der Erfolg gibt ihnen recht.<br />
Deswegen will Telltale Games auch bei der indirekt bestätigten<br />
zweiten Staffel von »Sam & Max« dem episodischen<br />
Veröffentlichungskonzept treu bleiben. Man darf gespannt<br />
sein.
084 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Neue Spiele<br />
Neue Spiele 09.2007<br />
Die Siedler DS<br />
Story: Alles beginnt im Hauptquartier. Das alleine<br />
klingt als Spielanreiz nicht gerade prickelnd, aber es<br />
liegt in der Natur der Sache, dass Aufbau-Simulationen<br />
am Anfang immer merkwürdig karg wirken. <strong>Als</strong>o<br />
muss man dem Schicksal Beine machen und erst einmal<br />
dafür sorgen, dass der Magen gefüllt wird. Fisch,<br />
Brot und Fleisch fallen noch nicht einmal in der Bibel<br />
vom Himmel, und auch die entsprechenden Häuser<br />
müssen erst einmal von Steinmetz und Holzfäller mit<br />
Baustoffen errichtet werden. Zuvor hat man aber die<br />
Wahl zwischen vier verschiedenen Völkern in der politisch<br />
korrekten Mischung aus Wikingern, Römern,<br />
Nubiern und Asiaten. Zu den 30 spielbaren Berufsgruppen<br />
gesellen sich noch sechs Soldatentypen, die<br />
ihrem Gewerbe entsprechend dafür sorgen, dass mühsam<br />
erbautes Hab und Gut auch wieder sorgsam vernichtet<br />
wird.<br />
Handling: Abseits eines anfangs mühsamen Spielverlaufs<br />
leiden Aufbau-Simulationen später schnell<br />
an einem unübersichtlichen Chaos von Charakteren<br />
und Statusmeldungen, die auf den ersten Blick nur<br />
von studierten Statistikern verwaltet werden können.<br />
Auf dem eher beschränkten Bildschirmplatz des Nintendo<br />
DS erleichtert die Stylus-Steuerung der einzelnen<br />
Symbole via Touchscreen enorm die Spielbarkeit.<br />
Zwei Zoomstufen und Zeitraffer zollen den technischen<br />
Gegebenheiten Tribut, was nach kurzer Eingewöhnungszeit<br />
dann auch gut funktioniert. Und wer<br />
keine Lust darauf hat, allzu zielstrebig zu spielen,<br />
kann auch den »Freies Spiel«-Modus wählen.<br />
Was bleibt: Diese Siedlervariante basiert auf einem<br />
nun schon gut zehn Jahre alten Titel, mit dem das<br />
deutsche Entwicklerstudio Blue Byte einen Klassiker<br />
des Genres schuf. Das Grundprinzip hat sich bewährt,<br />
und eine Portierung auf eine mobile und auch spielerisch<br />
reizvolle Plattform war längst fällig, auch wenn<br />
man bei der Optik seine Ansprüche tiefer ansiedeln<br />
muss. Etwas technischer Feinschliff hätte dem DS-Titel<br />
ebenfalls gutgetan, denn ein Mehrspieler-Modus<br />
fehlt komplett, und es kommt relativ oft noch zu heftigen<br />
Rucklern, was beim Konkurrenzspiel »Anno 1701«<br />
auf der gleichen Spielplattform besser gelöst war.<br />
Glanzlicht: Ein Kind zeugen, einen Baum pfl anzen,<br />
einen Kredit platzen lassen oder einen Krieg führen?<br />
Es ist einfach zu verlockend, auf so bequeme Weise<br />
dem Schicksal einen Schubs geben zu können.<br />
Gregor Wildermann<br />
Die Siedler<br />
Ubisoft<br />
Nintendo DS<br />
Genre: Aufbau-Simulation<br />
Big Brain Academy Wii<br />
Story: Gesellt sich zum nicht abreißenden Schönheitswahn<br />
in Medien und Gesellschaft eine Neo-Sexiness<br />
des Geistes? Wie hoch soll der Druck auf das Individuum<br />
denn noch werden? Wer solche Fragen heute<br />
stellt, lebt bekanntlich hinterm Mond. Denn dank IQ-<br />
Spiele-Wahn und der Verwissenschaftlichung des Videospiel-Gameplays<br />
ist es bekanntlich längst schon<br />
so weit. Überall hagelt es Statistiken über die erworbene<br />
Geisteskraft beziehungsweise – viel schlimmer<br />
– über deren Verfall seit dem letzten Spiel. »Dr. Kawashima«<br />
(dessen Sequel auf der nächsten Seite vorgestellt<br />
wird) sei Dank. »Big Brain Academy« ist nun keine<br />
ganz neue Variante dieses Booms, immerhin erschien<br />
die DS-Version bereits letztes Jahr. Aber erst<br />
für Wii macht das Ganze so richtig was her.<br />
Handling: Das Menü zeigt das eigene Mii im Gang<br />
einer Highschool. Klassenzimmer führen zu den<br />
Testdisziplinen aus den Bereichen »Vision«, »Piktura«,<br />
»Algebra«, »Memoria« und »Analyse«, wobei<br />
die Grenzen recht fl ießend sind und auch gemischte<br />
Tests möglich sind. Die Aufgaben aus diesen Segmenten<br />
müssen unter höchstem Zeitdruck durch Zielen<br />
auf den Bildschirm gelöst werden. Das Ergebnis wird<br />
am Ende in prognostizierter Gehirnmasse verkündet<br />
– übrigens ein demütigendes Schauspiel, z. B., wenn<br />
das eigene Gehirn nur unter 700 Gramm wiegt. Im<br />
Mehrspieler-Modus gibt es dank Splitscreen Aufgaben<br />
gegen einander und die Uhr. Das wird gerade bei<br />
Fragestellungen, die Orientierung und dreidimensionales<br />
Verständnis erfordern, zur absoluten Qual.<br />
Was bleibt: Nach einer Stunde ein seltsam angeregtes<br />
Gefühl im Oberstübchen. Bin ich klüger? Oder<br />
ist mir nur schwindelig? Wahrscheinlich beides.<br />
Denn der Stress, der den Reiz und die Spannung dieses<br />
Spiels bedingt, ist nicht zu unterschätzen. Spielt<br />
man gegeneinander, wird die Konzentration durch die<br />
enervierende Musik, den Spielsound des Gegners und<br />
das Ticken der Uhr gestört. Und als sei das noch nicht<br />
genug, kommentiert eine piepsige Stimme aus dem<br />
Lautsprecher der Fernbedienung das eigene Spiel.<br />
»Schneller!« »Du bist gleich da!« »Noch ein kleines<br />
Stück!« Ein Spiel, hervorragend geeignet zur Abhärtung<br />
von Unfallchirurgen und Fluglotsen.<br />
Glanzlicht: Die Aufgabe mit den Vogelkäfi gen<br />
– Bauernfängern besser bekannt als »Das Hütchenspiel«.<br />
Darin war ich nämlich ziemlich gut.<br />
Felix Scharlau<br />
Big Brain Academy<br />
Nintendo<br />
Wii<br />
Genre: Gehirntrainer<br />
PaRappa The Rapper<br />
Story: Was macht man nicht alles, um cool zu sein: Der<br />
junge PaRappa hat sich in Sunny Funny verguckt, und<br />
um die starke Dame zu beeindrucken, will er als Rapper<br />
Eindruck schinden. Wir schreiben das Jahr 1996,<br />
und lange, bevor das eigene Genre der Musik- und<br />
Rhythmusspiele überhaupt erfunden war, brachte<br />
der japanische Entwickler NanaOn-Shi mit »PaRappa<br />
The Rapper« ein Spiel, das zunächst als Unikat auffi el.<br />
Die bunten zweidimensionalen Figuren von Rodney<br />
Greenblat und die schreiend banale Geschichte waren<br />
so schlecht, dass es einfach Spaß machen musste.<br />
Handling: Eigentlich ist der Begriff des Musikspiels<br />
eher irritierend, denn der Spieler an sich macht<br />
keine eigene Musik. Die Mischung aus zeitnaher Reaktion<br />
und ansteigender Komplexität ist eher ein<br />
klassisches Geschicklichkeitsspiel, das, mit Musik<br />
kombiniert, auch bis heute in Titeln wie »Guitar<br />
Hero« Verwendung fi ndet. Immer, wenn PaRappa die<br />
verschiedenen Rap-Texte einstudiert oder vorträgt,<br />
leuchten auf der oberen Bildhälfte die Tastatursymbole<br />
der PSP in unterschiedlichen Kombinationen<br />
auf. Je nach Treffergenauigkeit und eigenem Timing<br />
wird die Leistung mit vier Einstufungen bewertet. Das<br />
reicht dann von »cool« bis »awful«, wobei auf Eindeutschung<br />
verzichtet wurde und nur die Untertiteltexte<br />
der jeweiligen Landesprache angepasst wurden.<br />
Was bleibt: Man mag sich schnell fragen, warum<br />
Sony so lange gebraucht hat, um diesen Klassiker auf<br />
die PSP zu bringen. Dazu verwundert ebenfalls, warum<br />
lediglich einige neue Instrumentalstücke als<br />
Download die einzige wirkliche Neuerung sind, das<br />
Spiel aber trotzdem 35 Euro kostet. Ähnliche alte Spiele<br />
im gleichen Genre wie zum Beispiel »ToeJam & Earl«<br />
von Sega gibt es bei den Wii-Channels schon für acht<br />
Euro als Download. Auch die Ad-hoc- sowie die Game-<br />
Sharing-Funktion sind auf der PSP nicht wirklich ein<br />
Mehrwert, da man nicht parallel spielen kann.<br />
Glanzlicht: In seinen besten Momenten erinnert<br />
das Spiel mit dem unschuldigen Rapper und dessen<br />
großer orangenen Skimütze an die Zeit des ersten De-<br />
La-Soul-Albums. Statt mit Gangster-Rappern in düsteren<br />
Hinterhofszenen rappt man hier zusammen<br />
mit einem zwiebelköpfi gen (!!) asiatischen Rapmeister<br />
namens Chop-Chop in einer bunten und leicht verstrahlten<br />
Jim-Avignon-Welt. Und in welchem Spiel<br />
heißt der Endgegner schon MC King Kong Mushi?<br />
Gregor Wildermann<br />
PaRappa The Rapper<br />
Sony<br />
PSP<br />
Genre: Musik-Rhythmusspiel
Rote Augen mit Scharlau<br />
Steigen wir gleich mit einem Eklat ein: <strong>Intro</strong> bespricht<br />
erst im September, also deutlich nach<br />
der Tour de France, den »Radsport Manager<br />
Pro 2007« (Crimson Cow; PC)? Seid ihr von Sinnen?<br />
Das kann natürlich nur von jemandem kommen,<br />
dessen kürzlich generiertes Tour-Feeling noch bis Juli<br />
2008 vorhalten wird. Und das dürfte, Hand aufs Herz,<br />
so gut wie niemandem so gehen. <strong>Als</strong>o rauf auf die virtuellen<br />
Drahtesel, immerhin stehen 60 Teams und<br />
200 verschiedene Rennen zur Auswahl. Die Dopingmittel<br />
der Saison sind ein neuer Prozessor sowie der<br />
Epo-Ersatz »Hersteller-Patch« – die PC-Kaufversion<br />
ist nämlich mit Bugs leider nur so übersät.<br />
Übersät, allerdings mit Blut, sind etliche Level von<br />
»Vampire Rain« (AQ Interactive; Xbox 360). Der Hor-<br />
ror-Splinter-Cell-Klon bietet streckenweise spannende,<br />
aber stark repetitive Schleich-Unterhaltung und<br />
weiß auf voller Länge nicht wirklich zu überzeugen.<br />
Immerhin ist er als Kompensation für mangelndes<br />
Gameplay streckenweise so brutal, dass bei uns die Jugendfreigabe<br />
verweigert wurde. Möglicherweise wird<br />
das Spiel für seine Klientel ja dadurch interessanter.<br />
Mit solchen Problemen hat »G1 Jockey« (Koei; Nintendo<br />
Wii) nicht zu kämpfen. Per Fernbedienung und<br />
Nunchuk wird gepeitscht und die Sporen gegeben, bis<br />
die Mähre vor der Ziellinie fast zusammenbricht. Die<br />
gute Nachricht: Im Menü der in der Vergangenheit bereits<br />
für PS2 erschienenen Pferderenn-Simulation<br />
stehen noch Hunderte anderer Pferde zur Auswahl.<br />
Durchdacht kommen die erstaunlich komplexen Steuerungsmechanismen<br />
und der Story-Modus daher. Unverständlich<br />
ist allerdings, dass nur die Anleitung auf<br />
Deutsch, das Spiel jedoch in Englisch gehalten ist.<br />
»Call Of Juarez« (Ubisoft; Xbox 360) ist ebenfalls<br />
nicht neu, gibt es jetzt aber endlich auch für die Videokonsole.<br />
Der Western-Action-Shooter stellt auch in<br />
dieser Form eine Ausnahmeerscheinung dar: Perfekte<br />
Grafi k, eine komplexe Story und stimmungsvolle Musik<br />
lassen eine manchmal etwas unausgereifte Steuerung<br />
schnell vergessen. Highlight: Man spielt abwechselnd<br />
zwei Figuren, darunter Ray, einen ehemaligen<br />
Revolverhelden, der dann Prediger wurde. <strong>Als</strong> Teil<br />
seiner Rückbesinnung (Stichwort: Rache üben) knallt<br />
er Bösewichte ab und liest zwischendrin plötzlich wie<br />
von Sinnen Passagen aus dem Alten Testament vor,<br />
<strong>Intro</strong> _ und so _ Neue Spiele _ 085<br />
während rechts und links neben ihm die Schüsse einschlagen.<br />
Auch für den Spieler der Figur eine unheimliche<br />
Psychonabelschau. Beklemmend und absolut<br />
empfehlenswert.<br />
Die – hier allerdings gottlose – Macht des Geistes<br />
müssen auch die Gegner in »Harry Potter und der Orden<br />
des Phönix« schmecken (EA; diverse Systeme).<br />
Ein schönes Spiel. Besonders hervorzuheben: die Wii-<br />
Fassung, bei der der Stab mit der Hand geschwungen<br />
und die Zaubersprüche sogar gerufen (!) werden müssen,<br />
um zu wirken. Schade nur, dass Harry am Ende<br />
nach einer komplizierten Schlüsselbein-Fraktur im<br />
Krankenhaus an einer nosokomialen Infektion stirbt.<br />
Oder etwa doch nicht?<br />
Vor menschlichen Gebrechen sind die Transformers,<br />
die derzeit mal wieder über die Kinoleinwände<br />
rumpeln, bekanntlich gefeit. Davor und vor so ziemlich<br />
allem anderen. »Transformers – The Game« (Activision;<br />
PC und alle Konsolen) bietet das erwartbare<br />
Actionszenario, bei dem jeder sichtbare Spielgegenstand<br />
– Haus, Auto, Baum – zerstört werden kann.<br />
Sinnlose Gewalt, eingebettet in Missionen. Beeindruckend:<br />
Bei PC und Next-Gen-Konsolen sehen die eigentlichen<br />
Spielszenen grafi sch bisweilen besser aus<br />
als die Zwischensequenzen.<br />
»Dr. Kawashima – Mehr Gehirnjogging« (Nintendo;<br />
DS) war selbstredend nur eine Frage der Zeit. <strong>Als</strong><br />
neue Modi müssen unter anderem Musikstücke nachgespielt<br />
und »Schnick Schnack Schnuck« zelebriert<br />
werden.<br />
E3 2007 – Die schlanke Linie …<br />
Es ist schon bemerkenswert, wenn im Land der<br />
Superlative plötzlich tiefer gestapelt wird.<br />
Über Jahre war die Electronic Entertainment<br />
Expo (E3) als weltweit wichtigste Videospielmesse<br />
in Ausstellerzahl und Flächenquadratmeter<br />
gestiegen. Was als Fachmesse gedacht war,<br />
wurde jedoch zum bunten Rummelplatz, und wirklich<br />
wichtige Titel zeigte man dann doch oft lieber »behind<br />
closed Doors«. <strong>Als</strong>o sah man in Los Angeles das<br />
»Downsizing« als rettende Lösung – vom großen Convention<br />
Center in Downtown zog man in einen kleinen<br />
Flugzeughangar sowie in umliegende Hotels in Santa<br />
Monica. Bei den Pressekonferenzen blieb man dafür<br />
den gewohnten Verhältnissen treu, was in einer Medienwelt<br />
von YouTube & Co. für die Berichterstattung<br />
wohl auch so bleiben wird. Vielleicht passt die Mini-<br />
E3 auch besser zur Neuigkeitenlage, denn wirkliche<br />
Überraschungen hatte man im Vorfeld nicht erwartet.<br />
Bei den großen drei Konsolenherstellern stand eine<br />
Bestandsanalyse auf dem Plan. Dabei konnte sich<br />
Nintendo besonders entspannt zurücklehnen. Ihre<br />
Wii-Konsole geht wie fangfrischer Thunfi sch über die<br />
Ladentheke, und beim Nachschlag wird konsequent<br />
in die gleiche Kerbe geschlagen: Dank einem begehbaren<br />
und berührungsempfi ndlichen Balance Board<br />
in Kombination mit »Wii-Fit« verwandelt man selbst<br />
eine verrauchte Nerdbude in einen Fitnesstempel. Für<br />
den eher klassischen Gamer zeigte Nintendo endlich<br />
das fi nale Design ihres Wii-Zapper, mit dem Shooterspiele<br />
endlich auch auf der Wii anständig spielbar<br />
werden.<br />
Auch die Vorstellungen bei Sony zeigten, dass die<br />
Firmen jetzt endlich eine gute Balance zwischen Freizeitspielern<br />
und den Dauerdaddlern suchen. Das Supergrafi<br />
k-Macho-Shooterspiel »Killzone 2« gesellt<br />
sich da direkt neben das kindlich verspielte »Little<br />
Big Planet«, mit dem Mann und Frau ihre Spielwelten<br />
im Baukastenprinzip plus Tim-Burton-Ästhetik<br />
selbst basteln können. Die lange eher stiefmütterlich<br />
behandelte PSP wurde von Sony auf einige<br />
ihrer Schwachpunkte hin verbessert. Das Ergebnis<br />
kann sich weniger sehen als fühlen lassen: Der Akku<br />
hält länger, die UMD-Discs werden dank größerem<br />
Arbeitsspeicher schneller gelesen, und passend zur<br />
schlanken Linie wurde das Gesamtgewicht der mobi-<br />
len Konsole um rund 30 Prozent verringert. Der Schatten<br />
aller alten PlayStation3-Rückschläge war auf der<br />
E3 dagegen kaum noch sichtbar, und es scheint nun<br />
eher eine konkrete Preisfrage, wie oft das Gerät ins<br />
Wohnzimmer einzieht.<br />
Auch bei Microsoft konzentrierte man sich abseits<br />
der mit HDMI-Anschluss hochgerüsteten Xbox360-<br />
Elite, einem neuen Controller für Casualgames, und<br />
der sehr praktischen, weil direkt ansteckbaren Konsolentastatur<br />
Chatpad ganz auf die Software. Während<br />
es bei den diesjährigen Blockbustern wie »Halo3«<br />
oder den exklusiven Inhalten zu »Grand Theft Auto<br />
IV« kaum Neuigkeiten gab, zeigte ein Trailer zu »Project<br />
Gotham Racing 4« spektakuläre Motorradsequenzen<br />
und Wettereffekte, die selbst im kleinsten<br />
Quicktime-Fenster beeindruckend aussehen. Bei den<br />
Drittherstellern bekam ElectronicArts für das neue<br />
»Simpsons«-Spiel den wohl größten Applaus. Denn<br />
bei diesem Titel wirkt es tatsächlich so, als könne man<br />
jede Folge nun interaktiv noch mal erleben.<br />
Ein Name wurde in Los Angeles in Verbindung mit<br />
dem Neuanfang der E3 ebenfalls immer wieder genannt:<br />
Leipzig. Längst keine »German Kleinigkeit«<br />
mehr, hat sich die Stadt mit ihrer Games Convention<br />
(23. – 26.08.) fest bei den Herstellern etabliert. Auch<br />
wenn sich dieses Jahr nochmals beweisen dürfte, dass<br />
die Messe an ihrem bisherigen Standort in puncto Kapazitäten<br />
an ihre Grenzen angelangt ist. Umzug oder<br />
Verkleinerung? Leipzig wird hoffentlich eine bessere<br />
Antwort als Los Angeles einfallen. Gregor Wildermann
086 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Neue Technik<br />
Neue Technik 09.2007<br />
Live 6 LE<br />
Wer Nutzer ist und weiß, dass zuletzt mit großer Regelmäßigkeit<br />
für den Herbst des jeweiligen Jahres<br />
eine neue Version von Abletons Musikproduktionssoftware<br />
»Live« angekündigt wurde, wird 2007 möglicherweise<br />
traurig sein – alle Rookies dürfen sich allerdings<br />
freuen. Denn »Live 6 LE« ist die letztjährige<br />
Fassung – aber in einer »Light Edition«. Das heißt:<br />
Mehr Verständlichkeit und Übersichtlichkeit für Neueinsteiger,<br />
aber nicht viel weniger Funktionen. Aufgenommen<br />
wird in bester Qualität (bis zu 32 Bit / 192<br />
kHz) auf maximal 64 Audio- und unbegrenzt vielen<br />
MIDI-Spuren. Bearbeitet werden die Spuren anschließend<br />
mit über 20 Effekten, wobei bereits vorhandene<br />
VST- oder AU-Effekte beziehungsweise –Instrumente<br />
unter »Live« eingebunden werden können. Auch die<br />
Möglichkeiten des Mixings und Dejayings in Echtzeit<br />
unterliegen kaum Einschränkungen im Vergleich<br />
zur Vollversion. Hervorzuheben sind die enthaltenen<br />
Software-Instrumente Simpler (für Sample-basierte<br />
Synthese) und Impulse (für eine bessere Beat-Produktion).<br />
Und wem die Software dann irgendwann zu<br />
wenig ist, der kann problemlos und voraussichtlich<br />
günstig zur Vollversion upgraden. Bettina Gutsohn<br />
Live 6 LE<br />
Musikproduktionssoftware<br />
Ableton / ca. EUR 129 (Download bei Ableton)<br />
bzw. EUR 169 (Handel)<br />
Zoom Ex-Z77<br />
Im Prinzip ist die neue Casio-Kamera mit dem nicht<br />
gerade schmuckvollen Namen »Exilim Zoom Ex-<br />
Z77« eine ganz normale Kamera, bei der zunächst<br />
die ganz normalen Eigenschaften einer Digitalkamera<br />
ins Auge fallen: 7,2 Megapixel, 6,6-cm- bzw. 2,6-<br />
Inch-Display, optimale Schärfe durch Gesichtserkennung<br />
und Motion-Analyse, elektronischer Verwackelungsschutz<br />
und – besonders schön, weil selten bei Kameras<br />
dieser Preisklasse – Serienbildaufnahme für<br />
bis zu fünf Bilder pro Sekunde. So weit, so normal. Dabei<br />
liegt das Besondere hier absurderweise jenseits<br />
der fotografi schen Eigenschaften. Im Fokus der Entwicklung<br />
stand nämlich die sonst meist stiefmütterlich<br />
behandelte Videoaufnahme: Ex-Z77 fi lmt direkt<br />
in einem für YouTube optimierten Bildformat unter<br />
Verwendung des hocheffi zienten Videokompressionsstandards<br />
H.264. Dank mitgelieferter Software bedeutet<br />
das: vom Set zu YouTube in genau zwei Schritten.<br />
Nicht schlecht. Denn außer, es hagelt bei YouTube<br />
demnächst umfassende Klagen wegen der zahlreichen<br />
Urheberrechtsverletzungen, wird uns die Plattform<br />
als Phänomen noch eine ganze Weile erhalten<br />
bleiben. Jakob Schramma<br />
Exilim Zoom Ex-Z77<br />
Digitalkamera,<br />
optimiert für YouTube<br />
Casio / ca. EUR 229<br />
Klangexplosion<br />
Gadget des Monats<br />
Spätestens der Flipper-Artikel auf Seite 80 macht<br />
deutlich: Wenn der Prophet nicht zur Spielhalle<br />
kommt, muss eben doch die Spielhalle zum Propheten<br />
gehen – oder so ähnlich. Und vor allem: Sie kann!<br />
Apex nennt sich der Arcade-Automat, der fortan unsere<br />
Wohnzimmer zieren könnte und den Schwund<br />
der Geräte in der Öffentlichkeit halbwegs erträglich<br />
macht. Zwar sind 3500 Euro quasi unbezahlbar, aber<br />
dafür gibt es auch eine Menge. Nämlich nicht nur den<br />
Automaten (90 kg Gewicht, Höhe: 175 cm, Breite: 56<br />
cm, Tiefe: 65 cm) inklusive Joystick und den gängigen<br />
Aktionstasten für zwei Spieler, sondern auch jede<br />
Menge vorinstallierte Game-Software. Über 140 klassische<br />
Arcade-Spiele der Firmen Midway, Taito, Capcom,<br />
Namco und natürlich Atari umfasst die Sammlung<br />
nämlich. Und sollten der verbaute 19-Zoll-TFT-<br />
Monitor und der 3-GHz-Rechner mit 160-GB-Festplatte<br />
nicht begeistern – spätestens diese wohligen Schatten<br />
der Vergangenheit werden es tun: Defender, Joust,<br />
Bubble Bobble, Great Swordsman, Jungle Hunt, OperationWolf,<br />
Rainbow Islands, Space Invaders, ZooKeeper,<br />
Streetfi ghter, Gunsmoke, 1942, 1943, Pac Man, Asteroids,<br />
Battlezone, Pong ... Felix Scharlau<br />
Apex<br />
Spielautomat<br />
z. B. www.gremlinsolutions.co.uk<br />
ca. EUR 3.520<br />
Live 6 ist da, die neueste Version des von Produzenten, Komponisten, Live-Musikern<br />
und DJs gleichermaßen geschätzten Software-Studios. Die neue Library bietet eine<br />
umfassende Palette an sofort einsetzbaren Instrumenten und Sounds. Alle wichtigen<br />
Klangeigenschaften sind mit einem Griff verfügbar. Nicht nur am Bildschirm, sondern<br />
auch vorkonfiguriert für viele gängige Controller-Keyboards. Dabei fehlt es nicht an<br />
Tiefe: Lives intuitive Oberfläche macht es leicht, alle Klänge bis ins kleinste Detail zu<br />
verstehen, zu bearbeiten oder neu zusammenzusetzen.<br />
Mehr Infos, Videos, Artist Stories<br />
auf www.ableton.com
SEQUEL. GET LIVE!<br />
Wie oft hat man sie nicht schon gehört, die alte Leier vom bloß einmal auf »Play« drückenden Laptop-Performer! Dass<br />
dem natürlich längst nicht so sein muss, wissen alle, die bei einem spannenden Live-Set eben auch mal von vorne auf den<br />
Monitor geguckt haben. Denn da geht so einiges, von exzessivem Effekteinsatz über das Verbiegen einzelner Sounds bis<br />
zur Kunst des Live-Remixens. Auch in Steinbergs Sequel wird auf Live-Kompatibilität großen Wert gelegt, und so hält die<br />
Software mit Arranger Parts, Live Pads und Chain Play Mode einige effektive und zugleich sehr intuitive Werkzeuge für den<br />
Bühneneinsatz bereit. Die zu Hause ausgetüftelten Songs oder Skizzen lassen sich damit im Club komplett umgestalten, wie<br />
die dritte und letzte Folge unseres Sequel-Tutorials hiermit kurz demonstrieren wird.<br />
Das Wichtigste und<br />
Grundlegendste<br />
für das Arbeiten<br />
mit Sequel im<br />
Live-Einsatz ist erst<br />
mal, dass die Arranger-Spur<br />
ganz<br />
oben über den einzelnen<br />
Audio- und<br />
MIDI-Tracks angezeigt<br />
wird. Dafür<br />
oben im Menü<br />
einfach auf das Symbol mit den vier kleinen Quadraten klicken. Bei gedrückter<br />
Alt- bzw. Option-Taste lassen sich nun mit der Maus in dieser Spur einzelne,<br />
beliebig lange Teile des Songs markieren. Die dadurch erzeugten einzelnen Arranger<br />
Parts können dann intuitiv von den sogenannten automatisch zugeordneten<br />
Live Pads angesteuert werden. Damit wird der Song im Handumdrehen<br />
komplett neu arrangiert und quasi live geremixt.<br />
Auch unten in der<br />
Multi Zone des Sequel-Fensterserscheinen<br />
nach einem<br />
Klick auf die<br />
vier Quadrate die<br />
charakteristischen<br />
Live Pads. Die Anzahl<br />
gleichzeitig benutzbarer<br />
Pads ist<br />
auf 16 begrenzt –<br />
man will ja nicht<br />
komplett den Überblick verlieren. Allerdings kann ein Song in bis zu 26 einzelne<br />
Arranger Parts zerlegt werden, so viele, wie das Alphabet an Kennbuchstaben<br />
zur Verfügung stellt. Über den entsprechenden Buchstaben auf dem Keyboard<br />
oder natürlich auch mit einem Mausklick auf das Pad werden die Parts<br />
direkt abgefeuert. Der Übersicht halber können sie nach einem Alt-Klick auch<br />
genauer benannt werden (<strong>Intro</strong>, Strophe, Refrain, Bridge etc.).<br />
Sequel bietet für<br />
die Live-Performance<br />
zwei unterschiedliche<br />
Modi,<br />
zwischen denen<br />
man links oben in<br />
der Multi Zone umschalten<br />
kann. Im<br />
»Live Mode« werden<br />
die einzelnen Pads<br />
praktisch unmittelbar<br />
abgespielt und<br />
loopen so lange, bis die nächste Eingabe erfolgt. Das Pad des jeweils aktiven<br />
Parts leuchtet bei der Wiedergabe auf, während der nächste sich mit Blinken<br />
ankündigt. Der »Chain Play Mode« hingegen erlaubt etwas genaueres Vorausplanen:<br />
Hier kann die Reihenfolge der einzelnen Parts über Maus oder Keyboard<br />
eingegeben und auch abgespeichert werden. Startet man die Wiedergabe,<br />
werden die Parts in der zuvor festgelegten Abfolge in voller Länge abgespielt.<br />
Eine wichtige Feineinstellung<br />
im »Live<br />
Mode« betrifft natürlich<br />
die Frage,<br />
wann genau der<br />
nächste angewählte<br />
Part gestartet werden<br />
soll. Hier gibt es<br />
sechs mögliche Optionen<br />
(von »Now«<br />
über »4 Bars / 2 Bars<br />
/ 1 Bar« bis zu »1<br />
Beat« oder »End«), die sich nach kurzem Ausprobieren von selbst erklären, aber<br />
auf das Resultat großen Einfl uss haben. Schon in Verbindung mit Sequels einfachsten<br />
Mixerfunktionen wie Stumm- oder Soloschalten (ebenfalls ganz leicht<br />
über die Tastatur steuerbar) kriegt man mit den Arranger Parts und den Live Pads<br />
schnell aufregende Performances hin. Ganz egal, ob der Superstar-DJ also wieder<br />
mal abgesagt hat, mit Sequel ist die nächste Party auf jeden Fall gerettet!<br />
SEQUEL STEINBERG www.sequel-music.net / Euro 99<br />
PROMOTION
<strong>Intro</strong> Abo<br />
+ Nur 25 Euro für 11 mal <strong>Intro</strong> plus Festivalguide-Magazin<br />
+ Bequem, pünktlich, nie vergriffen: Dein <strong>Intro</strong> kommt immer genau richtig<br />
+ 1 Prämie für jeden Abonnenten (siehe Auswahl unten)<br />
Bestellung unter www.intro.de/abo oder persönlich: 0221/949930<br />
Die Prämien<br />
Melt! Vol.3<br />
Compilation<br />
2CD<br />
The Fountain<br />
DVD<br />
Das Kleingedruckte<br />
M.I.A.<br />
Kala<br />
CD<br />
Dirty Soundsystem<br />
presents<br />
Dirty Space Disco<br />
CD<br />
Broken Social Scene<br />
presents: Kevin Drew<br />
Spirit If ...<br />
CD<br />
Junior Senior<br />
Hey Hey My My Yo Yo<br />
CD<br />
The Go! Team<br />
Proof of Youth<br />
CD<br />
Patrick Watson<br />
Close To Paradise<br />
CD<br />
Es steht ein begrenztes Kontingent an Prämien zur Verfügung. Wir garantieren nicht die Lieferung der Wunschprämie. Der Versand der Prämie erfolgt erst nach dem Veröffentlichungstermin des jeweiligen<br />
Tonträgers. Das Abonnement kostet im Inland 25 Euro (inkl. Prämie), im Ausland 30 Euro frei Haus (ohne Prämie). Für den Prämienversand ins Ausland erheben wir zusätzlich 7 Euro (optional). Es handelt sich<br />
um eine Jahrespauschale. Eine vorzeitige Kündigung bedingt daher nicht die Rückzahlung eines Restbetrages. Das Abo kann 10 Tage nach Bestellung widerrufen werden. Das Jahresabonnement verlängert sich<br />
automatisch, sofern wir keine Kündigung 6 Wochen vor Ablauf der Jahresfrist erhalten. Dieses Angebot gilt bis auf Widerruf, spätere Erhöhungen sind nach Ablauf des einjährigen Abonnements nicht auszuschließen.<br />
Bestellung und weitere Informationen unter www.intro.de/abo oder persönlich am Telefon (0221/9499314).<br />
O.S.T.<br />
Hallam Foe<br />
CD<br />
Pinback<br />
Autumn Of The Seraphs<br />
CD
A N I M A L<br />
C O L L E C T<br />
I V E A G A I<br />
N S T M E ! D<br />
I R T Y S O U<br />
N D S Y S T E<br />
M F U N N Y<br />
V A N D A N<br />
N E N H A R<br />
D - F I P I N B<br />
A C K S U P E<br />
R M A Y E R<br />
<strong>Intro</strong>s liebste neue Platten<br />
01 M.I.A. Kala<br />
02 Hard Fi Once Upon A Time In The West<br />
03 Animal Collective Strawberry Jam<br />
04 Chloe The Waiting Room<br />
05 Talib Kweli Eardrum<br />
06 The Go!Team Proof OF Youth<br />
07 Maccabees Colour It On<br />
08 Hot Hot Heat Happiness Ltd.<br />
09 Broken Social Scene presents Kevin Drew<br />
10 Moneybrother Mount Pleasure<br />
11 The Enemy We’ll Live And Die In These Towns<br />
12 You Say Party! We Say Die! Loose All Time<br />
13 Against Me! New Wave<br />
14 O.S.T. Hallam Foe Domino<br />
15 Swayzak Some Other Country<br />
16 Menomena Friend Or Foe<br />
17 Pinback Autumn For The Seraphs<br />
18 Dirty Soundsystem presents Dirty Space Disco<br />
19 Rilo Kiley Under The Blacklight<br />
20 Nick Drake The Family Tree<br />
Ermittelt aus Stimmabgaben von Redakteuren<br />
und Autoren.<br />
Des Lesers liebste Platten<br />
01 Tocotronic Kapitulation<br />
02 Editors An End Has a Start<br />
03 Justice Cross<br />
04 Interpol Our Love to Admire<br />
05 Diverse MELT! Compilation Vol. 3<br />
06 Queens Of The Stone Age Era Vulgaris<br />
07 The White Stripes Icky Thump<br />
08 Maximo Park Our Earthly Pleasures<br />
09 Feist The Reminder<br />
10 Bloc Party A Weekend In The City<br />
11 Digitalism Idealism<br />
12 Simian Mobile Disco Attack Decay Sustain …<br />
13 Arctic Monkeys Favourite Worst Nightmare<br />
14 Die Fantastischen Vier Fornika<br />
15 The Chemical Brothers We Are the Night<br />
16 Shout Out Louds Our Ill Wills<br />
17 UNKLE War Stories<br />
18 Art Brut It’s a Bit Complicated<br />
19 Turbostaat Vormann Leiss<br />
20 Wir Sind Helden Soundso<br />
Sendet eure Top 10 per Postkarte an <strong>Intro</strong>, PF 19 02 43,<br />
50499 Köln oder Mail an charts@intro.de.<br />
Alle Einsendungen nehmen an den Verlosungen teil.<br />
Bitte kommen!<br />
Supermayer Save The World<br />
Beirut The Flying Club<br />
Múm Go Go Smear My Poison Ivy<br />
Róisín Murphy Overpowered<br />
The Robocop Kraus Blunders And Mistakes<br />
Alben für Oktober. Heute schon gehört.<br />
Demnächst mehr.<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 089<br />
Probefahrt 09.2007
090 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
PVG 09.07<br />
Platten vor Gericht<br />
Patrick Watson<br />
Close To Paradise<br />
V2 / Universal<br />
Menomena<br />
Friend And Foe<br />
City Slang / Universal<br />
Black Strobe<br />
Burn Your Own Church<br />
Playloud / Beggars Group / Indigo<br />
Modeselektor<br />
Happy Birthday!<br />
BPitch Control / Rough Trade<br />
Okkervil River<br />
The Stage Names<br />
Jagjaguwar / Cargo / VÖ 07.09.<br />
Figurines<br />
When The Deer Wore Blue<br />
Pop-U-Loud / Pias / Rough Trade<br />
Black Francis<br />
Bluefi nger<br />
Cooking Vinyl / Indigo<br />
Boys Noize<br />
Oi Oi Oi<br />
Boys Noize / Rough Trade / VÖ 14.09.<br />
Turbostaat<br />
Vormann Leiss<br />
Same Same But Different / Warner<br />
Omar Rodriguez Lopez<br />
Se Dice Bisonte, No Bufalo<br />
Gold Standard Laboratories / Cargo<br />
The Cribs<br />
Men’s Needs, Women’s …<br />
Warner<br />
Moneybrother<br />
Mount Pleasure<br />
SonyBMG<br />
All Time Faves<br />
Tocotronic<br />
Jan Müller<br />
Ø 8,41<br />
»Man muss dem bornierten Ernst<br />
in der Musik das Genie der Heiterkeit<br />
entgegenstellen.« (9)<br />
»Musik ersetzt die Religion.« (9)<br />
»Musik ist die Zufl ucht der vom<br />
Glück angewiderten Seelen.« (10)<br />
»Music is the healing force of the<br />
universe.« (9)<br />
»Ohne Musik wäre das Leben ein<br />
Irrtum.« (9)<br />
»Im Verhältnis zur Musik ist<br />
alle Mitteilung durch Worte von<br />
schamloser Art.« (9)<br />
»Die guten Musiker sind alle Einsiedler<br />
und außer der Zeit.« (9)<br />
»Wer tanzen will, muss zu der Musik<br />
tanzen, die geboten wird.« (9)<br />
»Gerade die Musik leidet und fordert<br />
unter allen Künsten am meisten<br />
Wiederholung.« (9)<br />
»In der Musik nämlich lassen sich<br />
die Menschen gehen, weil sie wähnen,<br />
es sei niemand da, der sie selber<br />
unter ihrer Musik zu sehen vermöge.«<br />
(9)<br />
»Musik bedarf weniger der Neuheit,<br />
ja vielmehr, je älter sie ist, je<br />
gewohnter man sie ist, desto mehr<br />
wirkt sie.« (9)<br />
Langweiler. (1)<br />
Yanka Dyagileva Ne Polezheno<br />
Ingrid Caven Der Abendstern<br />
Abwärts Ich seh die Schiffe den<br />
Fluss herunterfahren<br />
Franz Josef Degenhardt Wenn …<br />
Cotzbrocken Jedem das seine<br />
Digitalism<br />
Isi und Jence<br />
Ø 4,00<br />
Ist uns zu ruhig und zu soft und<br />
so. (2)<br />
Bisschen psychedelisch. (3)<br />
Ivan Smagghe hat jetzt einen<br />
Moustache, genau wie Metallicas<br />
James Hetfi eld. Schöner Harley-Sound.<br />
Aber mehr Harleys mit<br />
Elektro-Motor. (7)<br />
Ist nix für Mutti. Hat was von Booty<br />
Techno. (5)<br />
Ist nicht so ganz unser Fall. (2)<br />
Gut fürs Auto zum Durchhören.<br />
60s-angehaucht. (4)<br />
Schöner Garagen-Rock’n’Roll! (5)<br />
Wow, hier müssen die Verzerrer 24<br />
Stunden lang in Betrieb gewesen<br />
sein. »This is the fi rst Boys Noize<br />
album brought to you by Boys Noize<br />
Records.« Club ahoy! (7)<br />
Oh, mal was auf Deutsch! Na, das<br />
könnte doch was für Fans von den<br />
Toten Hosen sein. (3)<br />
Genau so stellen wir uns ein Chillout<br />
auf einem Festivalgelände mittags<br />
in der Sonne vor. (4)<br />
Mischmasch zwischen The Kooks<br />
und Franz Ferdinand. Wobei The<br />
Cribs schon vorher da waren. (4)<br />
Zum Weghören! (2)<br />
_<br />
Malajube<br />
Julien Mineau, Thomas<br />
Augustin und Mathieu<br />
Cournoyer Ø 6,00<br />
J: He’s a good friend of ours. Ten!<br />
T: Ten. M: I love it. Nice guy. I’m<br />
a fan! (10)<br />
T: They rip us off. Sounds good. M:<br />
I think I will like it once I listen to it<br />
more often. (8)<br />
J: Okay if you’re on lots of cocaine.<br />
A French band with an English<br />
name? That’s bad. T: I don’t feel<br />
anything. Rob Zombie in boring.<br />
M: Clubby. (0)<br />
J: I don’t like it. Too minimal for me.<br />
T: Very disturbing cover. The fi rst<br />
song is a rip-off from an ad for a moving<br />
company in Québec. Song #16<br />
sounds like a goth song. But it’s<br />
good. M: Great cover! (5)<br />
J: Great drum sound! T: Sounds<br />
like a mixture between Sting & Arcade<br />
Fire. It’s for the big stage. M:<br />
The singer sounds like Robert<br />
Smith. (6)<br />
J: It’s okay music. It seems to be<br />
good, like Sunny Day Real Estate. T:<br />
Weird. It sounds like a fairy tale. (7)<br />
J: He’s too old to play punk rock! Too<br />
fat and too bald! But it’s the best<br />
so far. T: Weird song title: »Tight<br />
Black Rubber«! M: His new old<br />
name doesn’t make it better. (7)<br />
J: That is better electronic music<br />
than Modeselektor. T: It’s good. I<br />
wanna keep that one. M: Must be<br />
great when you’re on drugs. It gets<br />
on my nerves. (8)<br />
J: He’s mad at the world! Sounds<br />
better than Rammstein. T: They<br />
start by singing »Guten Tag!«<br />
That’s enthusiastic! M: The voice<br />
is annoying. At least they sing in<br />
German. (3)<br />
M: Sounds like a Mars Volta album.<br />
J: Yeah, that’s a way to maximize<br />
profi ts. T: Sounds like »Gumma<br />
Gumma« from Pink Floyd, but the<br />
sax is killing it. (8)<br />
J: Like Hot Hot Heat. M: Sounds like<br />
a million bands. But the British<br />
love that sound. (-)<br />
T: Great autotune! [lacht] M: Punk<br />
rock for 35-year-olds. (4)<br />
Paul McCartney Ram<br />
Weakerthans Reconstruction Site<br />
Propagandhi Less Talk, More Rock<br />
Piebald When Life Hands You<br />
Lemons<br />
Herbie Hancock Chamaeleon<br />
Shout Out Louds<br />
Adam und Carl<br />
Ø 6,14<br />
C: We played with them! A: I like it<br />
more on record than live.<br />
A: I like this damaged kind of music.<br />
Sounds like the singer of TV On<br />
The Radio. (7)<br />
A: I like his voice, very dark – but a<br />
little bit too dramatic. (5)<br />
C: Feels kind of fresh, I like it a lot.<br />
A: The song with Thom Yorke is<br />
very beautiful. (6)<br />
C: I like the production. A: This is<br />
good, it’s quite intimate. (7)<br />
A: They have beautiful harmonies,<br />
I like that. One of the best bands<br />
from Denmark.<br />
C: It’s Frank Black! A: I don’t listen<br />
much to rock music, but I<br />
would love it, when I’m really, really<br />
drunk. (6)<br />
A: I’ve listened to a few of their remixes<br />
– they are very good. But this<br />
is the kind of music you have to listen<br />
to closer, so I can’t grade it. (-)<br />
A: The German Hives! Probably<br />
nice to see live, but it’s not really my<br />
cup of tea. It’s hard to grade, because<br />
of the language. (-)<br />
A: Woodstock! [lacht] I like it because<br />
you don’t get this kind of music<br />
often. Very psychedelic. But I cannot<br />
decide: It could be real good, it<br />
could be real bad. (-)<br />
C: Very energetic. Feels very British.<br />
A: Good melodies, but a lot of<br />
British bands sound like this today.<br />
And I don’t like the sound, they<br />
should experiment more. (5)<br />
C: We know a few of these guys,<br />
sounds like a good continuing album.<br />
A: They are very big in Sweden.<br />
Very soulful! (7)<br />
Beach Boys Pet Sounds<br />
Yo La Tengo alles<br />
Dave Brubeck Take Five<br />
Destroyer Thief<br />
Håkan Hellström Ett Kolikbarns<br />
Bekännelser
Aereogramme<br />
Campbell McNeil (Bass)<br />
und Martin Scott (Drums)<br />
Ø 4,59<br />
M: After hearing two songs I think<br />
everybody who is interested in that<br />
kind of music should invest lots of<br />
time in that album. (9)<br />
M: If I hear any more overachieving<br />
American disc – drunk and in charge<br />
of an explosive suicide, I’m gonna<br />
fucking scream. The songs are<br />
nice but under quality. (5,5)<br />
M: This guy sounds like he knows<br />
what to do in bed. Could be a fabulous<br />
lover. The production is pretty<br />
sexy, a little bit of Depeche Mode,<br />
some dub pieces. We give that fucker<br />
a: (9)<br />
S: Seems to be a cool guy. And it’s<br />
a dead cool album for his circumstances.<br />
(4)<br />
S: Nice production, good tunes. Vocals<br />
sound like Jonathan Richman<br />
from The Modern Lovers. (7,5)<br />
M: Bands from Denmark have to<br />
get over the band Mew to realize<br />
that there are more kinds of music.<br />
This is the 4th band from Denmark<br />
I've heard this year which sounds<br />
like Mew. Please, diversify! (4)<br />
S: It can not be low apart Rocket<br />
From The Crypt than like that vocal.<br />
The music could be okay but I<br />
don’t like his singing. (4)<br />
M: It’s just nothing for me, the Berlin<br />
kids probably listen to that<br />
while they go fucking crazy and<br />
shave their head. Let’s give it a ten.<br />
S: Are you weird? One point. (5,5)<br />
M: We’ve got problems, we don’t understand<br />
German. It could be the<br />
same as with Blumfeld. Everybody<br />
told us it’s all about the lyrics,<br />
otherwise the music is meaningless.<br />
So we are undecided. (-)<br />
S: Omar can’t fuck off far enough.<br />
He should rehire his old rhythmsection.<br />
(0)<br />
M: The kids are going to love it but I<br />
think it sounds piss. (2)<br />
M: That’s really bad. Nothing that<br />
makes me want to talk about it unless<br />
somebody is holding a tape<br />
recorder to my mouth. Nobody likes<br />
that. (0)<br />
Mark Eitzel Songs Of Love<br />
Kate Bush Hounds Of Love<br />
David Bowie Low<br />
Guns N’ Roses Appetite For<br />
Destruction<br />
Tom Waits Rain Dogs<br />
Alter Ego<br />
Jörn Elling Wuttke,<br />
Roman Flügel<br />
Ø 4,00<br />
Postrock mit Folkwurzeln auf den<br />
Spuren der Beach Boys. Sehr sympathisch!<br />
(9)<br />
In den schlimmsten Augenblicken<br />
treffen hier die Beach Boys auf Genesis.<br />
Zu den besten Momenten<br />
gießt man sich noch schnell einen<br />
Erdbeertee ein. (4)<br />
Nicht verarbeitete Jugendtraumata<br />
einer schon lange anvisierten<br />
Rockerkarriere werden hier<br />
zwar zeitversetzt, aber offensichtlich<br />
endlich ad acta gelegt. Leider<br />
zu oberfl ächlich. (5)<br />
Bei so viel Gästen wird auch der<br />
eine oder andere Hit für Spiegel online<br />
dabei sein. Tolle Platte, weil so<br />
viel mehr passiert als bei anderen<br />
und Humor nicht zu kurz kommt.<br />
Modeselektor bleiben cool. (7)<br />
Immer schwierig, wenn einem der<br />
Sänger schon nicht gefällt. Das<br />
große Drama der Rockmusik im 21.<br />
Jahrhundert bleibt ihre Austauschbarkeit.<br />
(3)<br />
Schon wieder so ein tiefer Griff ins<br />
tiefe Klo der Popmusikgeschichte.<br />
Natürlich nicht ungekonnt, aber so<br />
gekonnt unspannend. (4)<br />
Schwarzer Finger, schwarzer<br />
Sonntag, Fäulnis allenthalben.<br />
Tschüssikovsky! (1)<br />
Electroclash ohne Gesang im Kielwasser<br />
von Justice und Erol Alkan.<br />
Splendid! (7)<br />
Deutschpunk. Leider zehn Jahre zu<br />
spät. Hätte sich damals auch nicht<br />
gelohnt ... Auf den Spuren der Boxhamsters.<br />
(0)<br />
Stonerrocker, die einen Trip zu viel<br />
genommen haben. Die Santana-Gitarre<br />
nervt. (1)<br />
Herrje! College-Rabauken. Und<br />
jetzt noch schnell eine Stiege Miller<br />
Bier (aber bitte Rauchverbot beachten).<br />
(2)<br />
Wie die Libertines ohne Pete Doherty.<br />
Gut abgehangener Pubrock<br />
auf den Spuren von The Clash. (5)<br />
_<br />
Proton Team<br />
Henning, Jens und<br />
Thomas<br />
Ø 7,23<br />
H: Schöne Sonntagnachmittagsmusik.<br />
(8)<br />
H: Teilweise etwas anstrengend,<br />
auch die Stimme ist nicht jedermanns<br />
Sache, live aber sicherlich<br />
der absolute Kracher. (7) J: Fest-<br />
Platte fürs Feuilleton. (8) T: Nass &<br />
rostend. (10) – (~8,3)<br />
H: Heißer Scheiß. T: Rufus Wainwright<br />
steht durchgestrichen auf<br />
dem Rohling. (10)<br />
H: Nicht mein Ding. (0) J: Mir reicht<br />
die TTC-Koop alleine schon. Gebongt.<br />
(10) T: Hier ist fast alles drin.<br />
In der Kaufversion dann alles.<br />
(10) – (~6,7)<br />
H: Super Band, super Platte. Die<br />
werden noch mal ganz groß. (10) J:<br />
Puschen pushen! (10) T: Down by<br />
... (9) – (~9,7)<br />
H: Nice Indiepop. (8)<br />
H: Alte Qualität leuchtet zu selten<br />
auf. (5) J: Wanna be in Los Angeles.<br />
Nostalgiewellen surfende: (10) T:<br />
Vorsicht beim Schließen der Türen.<br />
(9) – (8)<br />
H: ??? J: Krass freche Kopierschutz-<br />
Punchline im 30-Sekunden-Takt.<br />
Dafür glatte: (0) T: Nicht hörbar. (0)<br />
H: Trotz Vorurteilen als gut empfunden.<br />
(8) J: Turboomakommandodackel!<br />
Superdanke. (9) T: Haubentaucherwelpen.<br />
(8) – (~8,3)<br />
H: Hippies Hate Water. (3) J: Soundtrack<br />
für den Pilzfreunde e. V. bzw.<br />
das danach. ‘ne durchdrehende:<br />
(8) T: Albert Hofmann ist heuer 101<br />
Jahre alt geworden. (10)<br />
H: Hab ich schon mal gehört, die<br />
Band hieß aber anders. (2) J: Leider<br />
die »New Fellas«-Schnoddrigkeit<br />
im Hi-Fi-Land versoffen. Im Andenken<br />
(5) Halbe bitte. T: Kann mal als<br />
Freunde haben. (8) – (5)<br />
H: Erstaunlich frisch! Würde ich<br />
mir kaufen. (8) J: Kann mich einfach<br />
nicht wehren. Schwelgende<br />
(10) Punkte. T: Ane Brune ist dabei.<br />
(5) – (~7,7)<br />
Nirvana Nevermind<br />
The Cure Boys Don’t Cry<br />
Duran Duran Duran Duran<br />
The Buggles The Age Of Plastic<br />
Sonic Youth 1981-2007<br />
<strong>Intro</strong><br />
Peter Flore<br />
Ø 6,42<br />
Dachte erst, das sei Antony Hegarty,<br />
weil Timbre und Phrasierung<br />
schon übereinstimmend geklaut<br />
wurden. Diebstahl hat mich aber<br />
noch nie von Lob abgehalten. Schöner<br />
Songwriter-Folk. (8)<br />
Mannomann! »I love you all too<br />
much«, schreit das kleine Männchen<br />
auf dem Cover. Das borge ich<br />
mir als Quintessenz dieses tollen<br />
Albums: zu viel Liebe für bestimmt<br />
viel zu wenige HörerInnen. (9)<br />
Düstere Dancefl oor-Tracks der beiden<br />
Pariser EBM-Wiederentdecker<br />
mit einer Stromgitarren-Schlagseite.<br />
Damals im Sauerland gab es<br />
immer nur Dark-Disco, was mich<br />
aber nie nachhaltig prägte. (6)<br />
Schon wieder Berlin – mit vielen<br />
Gästen, die den Brei aber nicht verderben.<br />
Extrapunkte gibt es für die<br />
Scooter-Adaption, ansonsten lege<br />
ich das dann mal beim Redaktions-<br />
DJ-Contest auf. (8)<br />
Erst wollte ich schimpfen, dann<br />
ist doch wieder einiges hängen geblieben,<br />
was man bei mehrmaligem<br />
Durchhören ruhig mal mögen<br />
kann. Schmeiße ich beim nächsten<br />
Vater-Sohn-Abend drauf. (6)<br />
Die Dänen machen wieder fast alles<br />
richtig, schöner Indie-Pop,<br />
phasenweise voller Beach-Boys-<br />
Seligkeit. Da ich ein Harmonie-bedürftiger<br />
Mensch bin, soll mich<br />
das durch den Herbst bringen. (7)<br />
Soll ja angeblich wieder nach Pixies<br />
klingen, tut es aber nur bedingt.<br />
Rumpelt aber schön. Dazwischen:<br />
Engelschöre und ein<br />
hyperventilierender Glatzkopf -<br />
immer noch schlecht gelaunt. (8)<br />
Mmh, dieser Electro-Proll-Haufen<br />
kann mich nicht auf seine Seite holen.<br />
Allen Berlinerinnen und Berlinern<br />
wünsche ich aber beizeiten<br />
viel Spaß! (2)<br />
Schön, klappt also auch beim Major:<br />
Auch wenn man höchstens die<br />
Hälfte der Texte (akustisch wie inhaltlich)<br />
versteht. Hier ist über allen<br />
Wipfeln Unruh, und das tut<br />
dann eben auch mal wieder gut. (7)<br />
Die Mars-Volta-Hälfte kommt<br />
hier fast ohne Gesang aus, was es<br />
freilich nicht unbedingt leichter<br />
macht. Bräuchte man mal eine Woche<br />
Urlaub für. Und dann danach<br />
am besten noch eine. (5)<br />
Die Gebrüder Cribs konnten mich<br />
merkwürdigerweise noch nie begeistern.<br />
Daran ändern auch das<br />
Alex-Kapranos-Namedropping<br />
und die deutlichen Strokes-Anleihen<br />
nichts. (4)<br />
Richtig Englisch kann er immer<br />
noch nicht, trotz L.A.-Aufenthalt.<br />
Und er klingt immer noch wie Bruce<br />
Springsteen. Alles wie gehabt<br />
bei Anders Wendin. Zum Beispiel<br />
auch: schöne Songs. (7)<br />
R.E.M. Automatic For The People<br />
Blumfeld Old Nobody<br />
Tocotronic Tocotronic<br />
Björk Debut<br />
Helloween Keeper Of The Seven<br />
Keys Pt. 2<br />
Durchschnitt<br />
7,86<br />
6,73<br />
6,50<br />
6,34<br />
6,28<br />
6,14<br />
6,00<br />
5,50<br />
5,05<br />
4,86<br />
4,43<br />
4,21<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 091<br />
MODE- & FOTOREDAKTION/<br />
VOLONTARIAT<br />
Ab 01. November 2007<br />
Du arbeitest in der <strong>Intro</strong>- Redaktion<br />
und bist eigenverantwortlich für die<br />
Steil-Strecke und die Fotoredaktion<br />
zuständig.<br />
PRAKTIKUM VERLAG<br />
Ab 01. Oktober 2007<br />
Du arbeitest beim <strong>Intro</strong>-<br />
Aboservice mit und übernimmst<br />
abteilungsübergreifende Aufgaben.<br />
PRAKTIKUM PR & TV<br />
Ab 15. Oktober 2007<br />
Du unterstützt die PR- Arbeit zu allen<br />
Verlagstiteln und Events. Zudem<br />
schneidest du Videos für die Online-<br />
Verwendung.<br />
PRAKTIKUM REDAKTION<br />
BOLZEN<br />
Ab 01. Oktober 2007<br />
Zu deinen Aufgaben gehört u.a. die<br />
Mithilfe in der Bolzen- Redaktion und<br />
bei Turnieren.<br />
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50672 Köln
092 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Probefahrt 09.2007<br />
3 Normal Beatles<br />
We Name It Justice<br />
Buback / Indigo<br />
Sie spielen auf der Straße und an Orten,<br />
wo sie ein Publikum erreichen,<br />
das nicht zur herkömmlichen Indie-Peergroup<br />
gehört. Die »normalen<br />
Beatles«, das sind Klaus Ramcke,<br />
Thorsten Seif und Ted Gaier. Wer aufgrund<br />
dieser Biografi en Agitprop erwartet,<br />
liegt nicht mal ganz falsch: Zwischen<br />
den Stücken wird gerne lange mit<br />
dem Publikum diskutiert (was auch seinen<br />
Platz auf die Platte fand), da gibt es<br />
Pamphlete und Parabeln, Sinnbilder<br />
und Parolen in bester Brecht-Tradition<br />
zu hören. Zu der Musik will das auf<br />
den ersten Blick gar nicht passen, denn<br />
die besteht vorwiegend aus Mittsechziger-Coverversionen<br />
– Songs wie »Painterman«,<br />
»My Generation« und »Set Me<br />
Free«, also Perlen der Mod-, Beat- und<br />
Soul-Ära. Das Repertoire der 3 Normal<br />
Beatles soll inzwischen mehr als 90<br />
Stücke umfassen, ein knappes Viertel<br />
davon hat nun den Weg auf Vinyl gefunden.<br />
Das Trio bemüht sich dabei weder<br />
um möglichst originalgetreue Wiedergabe<br />
noch um spieltechnische Finessen.<br />
Es kommt ruppig daher, dem rauen<br />
Stil der Straßenmusik angemessen,<br />
wo nichts allzu ausgetüftelt sein darf,<br />
da man das Publikum sofort packen<br />
muss. Eine Spur Nostalgie ist nicht von<br />
der Hand zu weisen: Der Furor, mit dem<br />
diese Stücke eingespielt wurden, lässt<br />
keinen Zweifel daran aufkommen, dass<br />
hier Fans am Werk sind. Fans, die womöglich<br />
auch der gesellschaftlichen<br />
Wirkung nachtrauern, welche Pop und<br />
Style in den Sechzigern einmal hatten.<br />
Allen an diesem Projekt Beteiligten<br />
dürfte allerdings klar sein, dass Popkultur<br />
längst in der Mitte der Gesellschaft<br />
angekommen ist. Weil der Bürgermeister<br />
von Hamburg – frei nach den<br />
Goldenen Zitronen – inzwischen Tocotronic<br />
hört und der Kampf um linken<br />
Vorsprung durch Style erst einmal verloren<br />
ist, wird bei den Normal Beatles<br />
nicht der Rebell rausgehängt, sondern<br />
der Streetworker. Rock’n’Roll als Erziehungsmaßnahme.<br />
Nur eine Frage noch zum Thema, um<br />
über alles reden zu können. Beatles<br />
oder Kinks?<br />
Ted Gaier: Beatles oder Kinks? Keine<br />
Ahnung, wir machen diese Musik<br />
nicht aus Fantum und jugendkultureller<br />
Abgrenzung. (Hängen geblieben<br />
sein auf Jugendkulturweltbildern<br />
mit 42? – Schlimme Vorstellung!) Nein,<br />
es geht um Hysterie und eine egalitäre<br />
Direktheit – und das Kommunikationsmittel<br />
dafür ist diese Musik, die auf<br />
archaische Weise funktioniert. Nämlich<br />
darüber, dass sie kollektives Wissen<br />
oder besser Empfi nden antriggert<br />
und unmittelbar in die Körper geht. Ge-<br />
rade beim Spielen auf der Straße haben<br />
wir gemerkt, dass diese Musik auch bei<br />
Leuten, die die Songs nicht kennen und<br />
sich vielleicht sogar gar nicht wirklich<br />
bewusst mit Musik auseinandersetzen,<br />
ein familiäres Gefühl herstellt. Zum<br />
Klang, zum Rhythmus, der Haltung.<br />
Und das gilt für Leute, die mit Elvis und<br />
dem Starclub groß geworden sind, gleichermaßen<br />
wie für Punk-Sozialisierte<br />
und Mojo-Club- oder WMF-Gänger. Und<br />
alle, die seit den 50er-Jahren mit irgendwie<br />
rebellischer Popkultur in Kontakt<br />
kamen, können darin ein Stück eigener<br />
Erinnerung wiederfi nden. Denn es ist<br />
tatsächlich so, dass der Kram trotz des<br />
rohen Sounds auch auf bürgerlichen<br />
Hochzeiten generationsübergreifend<br />
funktioniert. Die Songs sind also pures<br />
Rohmaterial für diese Art von Verknüpfung.<br />
Welche das dann im Einzelnen<br />
sind, ist fast schon egal.<br />
Martin Büsser<br />
Aesop Rock<br />
None Shall Pass<br />
Defi nitive Jux / Rough Trade<br />
Spricht in HipHopland eigentlich<br />
noch irgendjemand vom next Level,<br />
das doch bitteschön dringend erreicht<br />
werden müsse? Oder geht es nur noch<br />
um das ewige Ausdehnen in die Breite<br />
einerseits, die immer tiefere Versenkung<br />
ins eigene Material andererseits?<br />
Auch wenn Labelboss El-P die Messlatte<br />
mit seinem diesjährigen Album hoch<br />
gelegt hat, Aesop Rock scheint sich<br />
nicht recht von der Stelle zu bewegen.<br />
Auch auf seinem fünften regulären Studioalbum<br />
ist sein Wordplay exzellent,<br />
die komplexen Doppelreime sitzen, der<br />
Fremdwörterduden ruht wohl immer<br />
noch auf seinen Knien. Noch immer<br />
bleibt er den Klischee-Codes fern, er ist<br />
idiosynkratisch und ganz höchstpersönlich.<br />
Ja, er hat seinen Modus Operandi<br />
gefunden. Dieser Ansatz war allerdings<br />
auch immer sein Problem: Sein<br />
stählerner, stoischer Flow bleibt auf die<br />
Dauer allzu einseitig – sogar das Tempo<br />
bleibt ähnlich ausgependelt. Kein Hass,<br />
keine Wut, kein Enthusiasmus, nur wenig<br />
Dynamik. Nirgends. Die Kunst ist es<br />
doch, auch den banalsten Quatsch mit<br />
einer derartigen Selbstsicherheit vorzutragen,<br />
dass sich niemand entziehen<br />
kann. So bleibt Aesop Rock ein gewaltiger<br />
Hirnfuck. Allein das träge Fleisch<br />
bleibt unberührt.<br />
Heiko Behr<br />
Beatallica<br />
Sgt. Hetfi eld’s<br />
Motorbreath Pub Band<br />
Oglio / Cargo<br />
Lars Ulrich schickt ja schon mal seine<br />
Anwälte los. Unlängst dem Vernehmen<br />
nach sogar ausnahmsweise mal nicht,<br />
um die eigenen Fans in den Kerker wer-<br />
fen zu lassen, sondern im Dienste einer<br />
guten Sache: Die Quatschcombo Beatallica<br />
aus Milwaukee war in Streit mit<br />
den Inhabern der Rechte an den Beatles-<br />
Songs geraten: Die fanden es ungehörig,<br />
dass Beatallica Beatles-Songs<br />
mit denen von Metallica verschneiden<br />
und »Hey Jude« in »Hey Dude« überführen.<br />
Dass das gar nicht verklagenswert,<br />
sondern enorm lustig ist, zeigen<br />
bereits Songtitel wie »Blackenend The<br />
U.S.S.R.«, »Leper Madonna« und »... And<br />
Justice For All My Loving«. Im humororientierten<br />
Teil des Internets kursierten<br />
die Songs schon länger, jetzt durften<br />
sie auf CD erscheinen. Jaymz Lennfi<br />
eld, Grg Hammetson, Kliff McBurtney<br />
und Ringo Larz gehören natürlich trotzdem<br />
verklagt – und zwar von Hetfi eld<br />
wegen übler Nachsingerei. Denn dessen<br />
musikalisches Wirken nimmt durch<br />
punktgenaue Parodie von Phrasierung<br />
und Vokalfärbung ernsten Schaden: Zukünftig<br />
wird man sich nicht nur bei Beatallica<br />
schrottlachen, sondern auch jedes<br />
Mal, wenn man das Original hört.<br />
Obwohl, wenn das tatsächlich der Effekt<br />
wäre, ist wirklich eine Klage fällig.<br />
Boris Fust<br />
Blood Red Shoes<br />
I’ll Be Your Eyes<br />
V2 / Universal<br />
England hat eine neue, überaus verlässliche<br />
Geschmackspolizei. Die<br />
heißt weder NME noch Artrocker Magazine.<br />
Sie geht noch zur Schule, treibt<br />
sich sonntagnachmittags in den angesagtesten<br />
Clubs herum, ist zwischen<br />
zehn und achtzehn Jahre alt und nennt<br />
sich selbst »Underage«. Die aktuellen<br />
Darlings der Szene heißen Blood Red<br />
Shoes, kommen aus Brighton und liefern<br />
den passenden Soundtrack zu<br />
Teenage Angst und Kleinstadtenge.<br />
»It’s Getting Boring By The Sea«, singen<br />
Steven Ansell und Laura-Mary Carter<br />
im Opener und beschwören den adoleszenten<br />
Ausbruch aus den Kurorten<br />
dieser Welt. Von ähnlich essenzieller<br />
Roughness sind auch »You Bring Me<br />
Down« und »Try Harder«. Insgesamt<br />
gibt uns das Duo auf seiner EP »I’ll Be<br />
Your Eyes« die britische Version der<br />
White Stripes, nur eben mit vertauschten<br />
Rollen, viel viel tighter und in der<br />
Tat eben auch ein bisschen authentischer.<br />
Und genau das gehört, wie das by<br />
the Way formidable Artwork von Sängerin<br />
Laura-Mary Carter, zum Gesamtkonzept<br />
von Blood Red Shoes. »We don’t<br />
want to come off like rock stars or some<br />
amazing otherworldly beings – we’re<br />
just two people making music and the<br />
whole fan and band divide is boring<br />
and old now. We’re all part of the same<br />
thing«, fi nden Steven und Laura-Mary.<br />
Da kann es schon mal vorkommen, dass<br />
die Band nach einem Gig mit ihren eige-<br />
nen Fans verwechselt wird. Ein Türsteher<br />
beobachtete Sängerin Laura-Mary<br />
beim Weintrinken, hielt sie für »underage«<br />
und verfrachtete sie kurzerhand<br />
sehr unsanft vor die Tür. Der Legende<br />
nach sollen die Kumpels von den<br />
Rumble Strips rechtzeitig eingeschritten<br />
sein. Well done, kids!<br />
Christine Franz<br />
Broken Social Scene<br />
presents Kevin Drew<br />
Spirit If ...<br />
Arts & Crafts / City Slang /<br />
Universal<br />
Okay, ich gebe zu, ich habe das Konzept<br />
nicht verstanden: Da nimmt Broken-<br />
Social-Scene-Chef Kevin Drew ein Soloalbum<br />
auf und lädt dazu als Musiker,<br />
genau, Broken Social Scene ein. Und so<br />
klingt das Album dann eben auch wie<br />
ein Album seiner Band. Egal. Ist ja doch<br />
sehr gut so. Denn meinetwegen könnten<br />
BSS jedes Jahr ein Album raushauen.<br />
Dieser Überschwang, die Melodien,<br />
der Krach, das Sentiment, der Witz, die<br />
Arrangements mit Pauken und Trompeten<br />
– ein Traum. Aber das weiß ja hoffentlich<br />
eh jeder schon. Noch nicht?<br />
Dann rufe ich es allen zu, auch wenn<br />
es einige die-Buttons-an-ihrer-Cordjacke-polierenden<br />
Jünglinge verstört:<br />
Nein, das ist kein Indierock. Das ist Popmusik.<br />
POPMUSIK. Oder besser noch:<br />
Das ist Musik – eingespielt mit ein paar<br />
Freunden. (Und mit dem Songtitel des<br />
Jahres: »You’re Too Beautiful To Fuck«.)<br />
Gemeinsam ist man eben doch weniger<br />
allein.<br />
Tobias Mull<br />
Caribou<br />
Andorra<br />
City Slang / Universal<br />
Vorspiel war gestern. Hier geht es<br />
gleich richtig zur Sache. Keine zwei<br />
Sekunden dauert es, da hat Dan Snaith<br />
schon voll aufgedreht und saugt einen<br />
in einer knallbunten Spirale ekstatischer<br />
60s-Psychedelik ein. Treibende<br />
Garagen-Drums, wildes Schellenrasseln,<br />
ein verzerrter Bass, Hippie-Querfl<br />
öten, sich förmlich überschlagende<br />
Twang-Gitarren und ein völlig abgedrehter<br />
Gesang lösen bereits beim<br />
Opener »Melody Day« das ein, was der<br />
Snaith-Freund Kieran Hebden (Four Tet)<br />
mit seinem letzten Albumtitel meinte:<br />
»Everything Ecstatic«. Im Info verrät<br />
der gebürtige Kanadier, der Anfang des<br />
Jahrtausends die Welt noch als Manitoba<br />
mit richtungsweisender Folk-Electronica<br />
beglückte, dass er sich seine<br />
Kicks nach dem Abschluss seiner Mathe-Promotion<br />
nun beim Trampolin-<br />
Springen und musikalisch u. a. bei den<br />
Zombies und cineastisch bei Werner<br />
Herzogs 60er-Jahre-Dokumentarfi lmen<br />
holt. Ein Jahr auf Tour und ein weiteres
in Isolation hat Dan Snaith Zeit gehabt<br />
für dieses Album. Dafür sprüht »Andorra«<br />
nun nur so vor grandiosen Einfällen,<br />
abenteuerlichen Sounds und großartig<br />
abgehobenen Melodien. Vom einstigen<br />
Elektronik-Gefrickel ist nur noch wenig<br />
zu hören, und obwohl Snaith alle Instrumente<br />
selbst einspielt, strotzen die<br />
Songs nur so vor unmittelbarer Live-Energie.<br />
»She’s The One«, eine Kollaboration<br />
mit Jeremy Greenspan von den Junior<br />
Boys, klingt z. B. so, als hätte Timbaland<br />
auf LSD die Beats produziert und<br />
dann Brian Wilson die Melodie und das<br />
Streicherarrangement überlassen. Bei<br />
»Irene« eiern die Synths, dass einem<br />
schwindelig wird, und Songs wie »Sandy«<br />
oder »Eli« sind sowieso hörbar beeinfl<br />
usst von Kraut und Psychedelik,<br />
und bei »Sundialing« fragt man sich,<br />
wie so ein eigenbrötlerisches Vorgehen<br />
solch explosive Musik hervorbringen<br />
kann. »Andorra« ist ein echtes Ein-<br />
Mann-Wunder, bei dem man nach neun<br />
Stücken irgendwann wieder verdutzt<br />
im Diesseits landet und sich fragt, warum<br />
Dan Snaith nicht schon längst von<br />
irgendjemandem zum größten Freak<br />
auf Erden gewählt worden ist.<br />
Christoph Büscher<br />
Cepia<br />
Natura Morta<br />
Ghostly International /<br />
Rough Trade<br />
Süße Maschinenmusik, sanfte Melodie-Matrix<br />
oder doch sonnig-melancholisches<br />
Mysterium? »SMM« lautete<br />
das geheimnisvolle Kürzel, mit dem das<br />
US-Label Ghostly International vor einiger<br />
Zeit auf einer Compilation einen<br />
neuen Genrebegriff lanciert hatte. Was<br />
genau sich dahinter verbirgt, war nicht<br />
so ganz klar, doch zu den verträumten<br />
Electronica-Stücken von Huntley Miller<br />
alias Cepia, die auf jenem Label-Sampler<br />
vertreten waren, schienen diese drei<br />
Buchstaben perfekt zu passen. Mit dem<br />
ersten Cepia-Album gelingt Miller nun<br />
ein weiteres Mal das paradoxe Kunststück,<br />
die Uneindeutigkeit von SMM genau<br />
auf den Punkt zu bringen. Bei »Natura<br />
Morta« geht es grob gesprochen<br />
um Atmosphärenmusik, die sich aufgrund<br />
ihrer Ruhe und ihrer gleichzeitigen<br />
Freude am Melodischen auch mit<br />
dem Schlagwort Pop-Ambient fassen<br />
ließe. Knistern, Wabern und Dröhnen<br />
werden von harmonischer Watte und<br />
Weichzeichner-Beats in die zuckersüße<br />
Popwelt eingemeindet. Dabei wirken<br />
die Texturen von Millers instrumentalen<br />
Tracks tatsächlich so, als wären sie<br />
in Sepia getaucht worden. Diese Computermusik<br />
klingt wie vergilbt und hat in<br />
den endlosen digitalen Kreisläufen eine<br />
dicke Schicht Patina angesetzt, an die<br />
es sich behaglich anschmiegen lässt.<br />
Arno Raffeiner<br />
Animal Collective<br />
Strawberry Jam<br />
Domino / Rough Trade<br />
Bestimmt gab es einmal eine Zeit, in der Musik mehr war<br />
als Dudelfunk im Kaufhaus, Dauerbeschallung und omnipräsente<br />
Tapete in Aufzügen und U-Bahnhöfen oder Emotionsverstärker<br />
in Fußballstadien. In der Musik nicht als<br />
ein Produkt unter vielen der puren Reproduktion des ewig<br />
Gleichen und Erhaltung des Status quo diente und, um es im<br />
Jargon zu sagen, nicht »Thema« war, sondern »Erfahrung«<br />
meinte, vielleicht sogar eine kollektiv erlebte. Daran erinnern<br />
Animal Collective im Zeitalter der Entmaterialisierung<br />
der Musik. Sie erzählen die Geschichte einer Band, die sich<br />
live selbst und mitsamt dem Publikum wegtragen lässt, die<br />
das klassische Nächstes-Stück-Applaus-Zugaben-Medley<br />
aufzulösen scheint, und dabei geschieht etwas, was bei manchen<br />
schon mal in epiphanische Zustände münden kann.<br />
Die Alben stellen den Versuch dar, den Reifeprozess des Materials<br />
abzuschließen, um zum Zeitpunkt der Veröffentlichung<br />
schon längst wieder zu neuen Ufern aufgebrochen zu<br />
sein. »Neuerfi ndung« ist das Wort, dabei entwickeln sie sich<br />
nur asynchron zum Zirkus und gemäß ihrer eigenen Parameter.<br />
Bislang jedenfalls. »Strawberry Jam« speist sich verstärkt<br />
aus elektronischen Klangquellen, der Gesang ist weniger<br />
verfremdet, weiter nach vorne gemischt, die Produktion<br />
deutlich komprimierter und glatter, das Ganze aber detailgespickter<br />
und, wie immer: freak-out. Panda Bears Soloalbum<br />
»Person Pitch« scheint noch recht nah, der AC-Vorgänger<br />
»Feels« auf rein klanglicher Ebene nicht mal mehr in Reichweite.<br />
Die Essenz dessen, was diese Band ausmacht, bleibt<br />
trotz veränderter Mittel spürbar. Was live Spannungsbögen<br />
auf viel ausgedehntere und verspieltere Weise aufbaut, fi n-<br />
Chrome Hoof<br />
Pre-Emptive False<br />
Rapture<br />
Southern / Soulfood<br />
Im Zentrum der britischen Spektakelband<br />
Chrome Hoof stehen die Brüder<br />
Leo und Milo Smee. Der eine spielt nebenbei<br />
bei den Doom-Metallern Cathedral,<br />
der andere ist Mitbegründer des<br />
Tanzrockprojektes 5 Mic Cluster, das<br />
auf dem legendären Output-Label von<br />
Trevor Jackson mal ein paar Stücke veröffentlicht<br />
hat. Doom Metal vs. Hipster-<br />
Discopunk also. Die Mission ist eindeutig.<br />
Der psychedelische Funkjazz von<br />
Sun Ra oder Parliament soll auf ziemlich<br />
rockistische Weise fortgeführt<br />
bzw. neu interpretiert werden. Teilweise<br />
klingt das dann, als würde bei !!! oder<br />
Battles ein waschechter muskelbepackterAchtzigerjahre-Metal-Schlagzeuger<br />
mit immenser Wut auf die Trommeln<br />
dreschen. Weiter vorne auf der<br />
Bühne dürfen sich die beiden gebuchten<br />
Soulsängerinnen dazu austoben<br />
und den Stücken den nötigen Groove<br />
einhauchen. Zu den Fans der Band zählen<br />
bereits die Klaxons, Sun O)) und Jarvis<br />
Cocker, von dem man ja auch nicht<br />
gedacht hätte, dass dieser zartbesaitete<br />
Schmalhüftler solch viriles Geballer<br />
goutiert. Schlussendlich bietet diese<br />
Platte nämlich weniger Disco, als der<br />
Promozettel noch großspurig versprochen<br />
hat. Dafür aber sehr viel Rock. Teilweise<br />
klingt das einfach wie Cathedral<br />
mit etwas weniger Gitarre, aber drei-<br />
mal so viel Schlagzeug. <strong>Als</strong>o um einiges<br />
breitbeiniger als beispielsweise der fl uffi<br />
ge Funkpunk einer Band wie !!!. Für<br />
mich persönlich ist das nichts. Heißt<br />
aber nichts. Denn ich habe auch nie<br />
wirklich verstanden, warum man Bands<br />
wie die Melvins oder die Queens Of The<br />
Stone Age interessant fi nden muss.<br />
Demnach ist hier also für viele viel drin.<br />
Sebastian Ingenhoff<br />
The Clientele<br />
God Save The Clientele<br />
Track And Field /<br />
Rough Trade / VÖ 14.09.<br />
Auch schon wieder das vierte Album<br />
der Band aus London. Im UK so lala,<br />
in den USA doch recht erfolgreich und<br />
bei uns weiterhin eine »Ferner liefen«-<br />
Band, was sich vielleicht ändern könnte,<br />
wenn der Link zu Lambchop und Bonnie<br />
»Prince« Billy gelingt, und zwar über<br />
den Produzenten Mark Nevers. Dabei<br />
musste er das Rad nicht neu erfi nden,<br />
denn der traumwandlerisch ins Ohr säuselnde<br />
60s-Pop der vier war auch schon<br />
vorher gute Ware, hier aber nun etwas<br />
fröhlicher und fokussierter. Abwechslungsreiche,<br />
harmlos-schöne Songs mit<br />
verehrenden Handzeichen in Richtung<br />
The Monkees, Felt, Galaxie 500 und<br />
Kings Of Convenience. Die entspannte<br />
Grundstimmung und der massive Einsatz<br />
von Slide-Gitarren-Akzenten sind<br />
musikalisch letztlich die einzige Verbindung<br />
zu Kurt Wagner und Bonnie<br />
»Prince« Billy, aber mit diesem stimmi-<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 093<br />
det sich hier konzentriert auf ganze 26 Sekunden wieder, ehe<br />
sich die verschwurbelten Rhythmen im Opener »Peacebone«<br />
zu einem dichten Strang gebündelt haben. Bei »Reverend<br />
Green« oder dem großartigen »Fireworks« entfaltet die rhythmisch-perkussive<br />
Vielfalt (der Mittelteil!) eine treibende Sogwirkung,<br />
und der bisweilen hymnische Charakter scheint seine<br />
Aufl ösung stets schon mitzutragen. Avey Tares Gesang,<br />
Lead- und Backing-Vocals atemlos zusammenpressend und<br />
lautmalerisch mit Worten spielend, ist derart demaskiert<br />
ein Spiegelbild der Entwicklungsstufe, den die Band erreicht<br />
hat: »Strawberry Jam« legt, von »Peacebone« und »Winter<br />
Wonder Land« mal abgesehen, all das Wissen um Gitarrenmusik<br />
ohne die gängigen Strukturen – auf den letzten Alben<br />
mit Gitarren umgesetzt – nun quasi auf elektronischem Weg<br />
rückübersetzend frei. Das kommt zunächst in leicht entrückter<br />
Popgestalt daher, um mit besagtem »Reverend Green« einen<br />
neuen Anlauf in epischere Gefi lde zu nehmen und gegen<br />
Ende mit dem verstörenden »Cuckoo Cuckoo« und dem besänftigenden<br />
»Derek« den Wegbegleiter mit einer Masse an<br />
gehörten Eindrücken zurückzulassen.<br />
Mit dem mittlerweile achten Album hätten sie es sich bequem<br />
machen und das Spielchen einfach mitspielen können.<br />
Sinnigerweise fi ndet sich die Auseinandersetzung mit Alternativen<br />
in einem Kommentar zu einem Livemitschnitt auf<br />
YouTube wieder: »I’m thinking of quitting my job and seeing<br />
them in N. Mexico. WTF is money anyway, how long can this<br />
go on?« Wer kann das schon wissen? Ihnen noch einen schönen<br />
Abend und eine geruhsame Nacht.<br />
Joachim Henn<br />
gen Album voller Jingle-Jangle-Sounds<br />
sollten The Clientele auch ohne Namedropping<br />
ein paar Ohren öffnen können.<br />
Klaas Tigchelaar<br />
The Coral<br />
Roots & Echoes<br />
Deltasonic / Red Ink /<br />
Rough Trade<br />
Wenn Bands von Neuanfängen erzählen,<br />
versuchen sie meist, ihre Fans und<br />
nicht zuletzt sich selbst davon zu überzeugen,<br />
dass das letzte Album doch<br />
nicht alles gewesen sein kann, dass da<br />
noch mehr geht. Auch Coral-Frontmann<br />
James Skelly, gerade zarte 26 Jahre alt,<br />
bilanziert melodramatisch: »When you<br />
almost lose everything, you don’t take<br />
it for granted any more.« Er meint es offensichtlich<br />
ernst, er meint den Aus-<br />
und Einstieg von Gitarrist Bill, Drogenprobleme<br />
und den Ausverkauf der eigenen<br />
Supersingle »In The Morning«. Für<br />
»Roots & Echoes« haben sich die sechs<br />
Westengländer wieder zusammengerauft<br />
und ihren Graskonsum reduziert:<br />
Leichter und zielgerichteter klingen<br />
die Aufnahmen, die zum größten Teil<br />
in Noel Gallaghers Studio entstanden<br />
sind. Wie immer schwingen die 60s, die<br />
Doors, die Isley Brothers. Auf einigen<br />
Stücken bricht dazu der Northern Soul<br />
sehr angenehm durch. »Zeitlos« möchte<br />
die Band klingen. Tut sie auch, im besten<br />
und unpeinlichsten Sinne. Auch<br />
textlich hat Skelly mittlerweile einen<br />
guten Mix gefunden, orientiert am rich-
094 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Against Me!<br />
New Wave<br />
Sire / Warner<br />
»New Wave« wurde bereits heiß diskutiert, bevor auch nur<br />
einer der Songs das Licht der Welt erblickt hatte. Echt!<br />
Denn schließlich handelt es sich dabei, nach drei ziemlich erfolgreichen<br />
Indie-Alben, um das Major-Debüt von Against<br />
Me!. Denjenigen, die bereits beim Wechsel zu Fat Wreck<br />
Chords skeptisch die Brauen hochgezogen hatten, wird dieser<br />
Schritt noch weniger geschmeckt haben. Mit der Verpfl<br />
ichtung von Star-Produzent Butch Vig (Garbage) dürften<br />
dann wohl einige Hardliner des Genres endgültig die ohnehin<br />
gerümpfte Nase voll gehabt haben. Trotzdem scheinen<br />
Against Me! keine Band der schnellen Entschlüsse zu sein.<br />
Das alles wirkte gut überlegt. Wie als Beweis liest sich da die<br />
Zeile »Take some time to think fi gure out what’s important<br />
to you« aus »Stop«. Außerdem sei gesagt, dass trotz Major-<br />
Label die ideologischen Texte nicht zu kurz kommen. Keine<br />
sichtbaren Einbußen in der Haltung. Aber ja, die Skeptiker<br />
haben recht: »New Wave« ist das bisher poppigste Album von<br />
tigen Leben: Er singt über Beziehungen,<br />
Einsamkeit und seine Großmutter.<br />
Christian Wessels<br />
Crescent<br />
Little Waves<br />
Pias / Fat Cat / Rough Trade<br />
Nach vier Jahren Abstinenz kommen<br />
die momentan sechs Künstler aus<br />
Bristol mit ihrem fünften Longplayer<br />
um die Ecke. Die aus der äußerst fruchtbaren<br />
Bristol-Postrock-Dynastie der<br />
NEW<br />
PORNOGRAPHERS<br />
>> challengers<br />
The New Pornographers<br />
feat. Carl Newman, Dan Bejar, Neko Case<br />
“Das Konzept der New Pornographers ist einfach wie<br />
auch effektiv: Sie repräsentieren die für kanadische<br />
Indie-Bands so typische Gelassenheit und treten aktuelle<br />
Populär-Konzepte mit Füßen. Dass dabei trotz alledem<br />
eine Platte entstanden ist, die vor großen Pop-Hymnen<br />
nur so sprudelt, ist eine Tatsache, die wir aus der<br />
Vergangenheit nur allzu gut kennen.“<br />
>> Live: 02.10. Berlin<br />
frühen 90er um Flying Saucer Attack,<br />
Movietone, Foehn oder Third Eye Foundation<br />
stammenden Crescent verfolgen<br />
konsequent den schon auf dem Vorgänger<br />
»By The Roads And The Fields« eingeschlagenen<br />
Weg der Reduktion, der<br />
Drosselung konsequent weiter. Es wird<br />
immer ruhiger und trauriger, bleibt jedoch<br />
angenehm ungeschliffen. Über<br />
dem weitestgehend akustischen Songwriting<br />
liegen allerlei seltsame Samplefetzen,<br />
Fehler; rhythmische Unstim-<br />
Against Me!. Allerdings ist diese Entwicklung doch mehr als<br />
nachvollziehbar: Schon auf »Searching For A Former Clarity«<br />
war zu erkennen, dass der reine Folk-Punk der ersten Platten<br />
diese Band nur einschränkt. »New Wave« setzt genau dort an,<br />
wo der Vorgänger aufhörte: Trotz vermehrtem Pop-Appeal,<br />
Discobeats hier und da und mit »Borne On The FM Waves Of<br />
The Heart« einer Ballade, die diesmal kein Akustik-Song ist,<br />
geht die Punk-Seele auch auf »New Wave« nicht verloren.<br />
Beim Titeltrack und »Up The Cuts«, ach was, bei nahezu allen<br />
Songs möchte man sich das Shirt runterreißen, die Bierfl<br />
asche oder Aktentasche hochreißen und lauthals mitgrölen.<br />
Nach wie vor besitzen Against Me! nämlich diese einzigartige<br />
Energie. Dass sie diese auch in dem einen oder anderen<br />
musikalischen Experiment umsetzen können und wollen,<br />
macht »New Wave« umso besser. Major-Debatte oder nicht, es<br />
dürfte schwer werden, in diesem Jahr eine bessere Punk-Platte<br />
zu veröffentlichen. David Winter<br />
ELVIS PERKINS<br />
>> ash wednesday<br />
migkeiten wurden extra beibehalten,<br />
die Aufnahmen stammen nicht nur von<br />
zu Hause, sondern auch aus englischen<br />
Kinos und Wäldern. Die Tendenz geht<br />
zu mehr wankelmütigen Saxofonen,<br />
Trompeten und jeder Menge Outdoor-<br />
Recordings, kurz: hin zur Verschrobenheit.<br />
Dem gegenüber stehen die mitunter<br />
recht verlebte Stimme Matt Jones’,<br />
ein paar Referenzen ganz alter Grammofon-Platten<br />
und der Psych- und Folk<br />
der 60er. Insgesamt eine Platte, die<br />
„Ash Wednesday“ ist das bewegende Debüt eines<br />
Menschen, den Schicksalsschläge nicht zugrunde<br />
gerichtet, sondern zu einem Künstler gemacht haben.”<br />
Laut.de<br />
“Ash Wednesday ist ein ausgezeichnetes Singer/<br />
Songwriter-Album, das trotz seiner Tragik auch Platz für<br />
erleuchtende Momente zu bieten hat und auch gerade<br />
deshalb so wunderbar ehrlich und lebendig klingt.”<br />
CD Starts<br />
www.beggarsgroup.de www.myspace.com/beggarsgermany<br />
nicht besser als mit einem ihrer Songtitel<br />
zu beschreiben ist: »Hey, September,<br />
I’m Glad To See You Again.«<br />
Lutz Happel<br />
The Cribs<br />
Men’s Needs, Women’s<br />
Needs, Whatever<br />
Warner<br />
Euphorie und Knarz bleiben die<br />
Hauptzutaten einer Cribs-Platte. Nur<br />
muss man diesmal noch einen Schuss<br />
Namedropping addieren. Immerhin<br />
stand hier nicht nur Ferdinand Franzens<br />
Alex Kapranos als Produzent an<br />
den Reglern, sondern auch Lee Ranaldo<br />
von Sonic Youth am Mikro. Der raunt<br />
bei »Be Safe« ein herrlich mies gelauntes<br />
Gedicht vor sich hin, während die<br />
Cribs Gitarre und Bass bearbeiten und<br />
den gegrölten Refrain beisteuern. Dieser<br />
Track ist ihr Meisterwerk, und vielleicht<br />
ist es bezeichnend, dass ein außen<br />
stehender Künstler den Hauptanteil<br />
daran für sich beanspruchen kann.<br />
Nicht, dass man die Drillinge aus Wakefi<br />
eld, West Yorkeshire als unoriginell<br />
abwatschen sollte. Ihr angetrunkener,<br />
zynischer Punkpop ist passgenau<br />
geschneidert und reißt einen bei Tanzlaune<br />
gleich vom Pub-Hocker. Dennoch<br />
verlaufen die Songs zu oft nach Schema<br />
Cribs. Schlagzeugpoltern, Gitarrenknarz<br />
in tanzbare Melodien gehackt<br />
und der Refrain zum Unter-die-Arme-<br />
Greifen. Das haben sie drauf, das wis-<br />
Neues Album „Kala“<br />
ab 24.08. im Handel
sen wir bei Album Nummer drei. Aber es<br />
sind gerade die stilistischen Ausbrüche<br />
wie besagtes »Be Safe« oder die Ballade<br />
»Shoot The Poets«, die schmerzhaft<br />
zeigen: Verdammt, die könnten ja sogar<br />
noch mehr! Anyway, ihr Major-Debüt<br />
dürfte den Durchbruch klarmachen,<br />
und dann heißt’s: Rückgrat zeigen.<br />
Daniel Koch<br />
Dilated Peoples<br />
The Release Party<br />
DVD+CD / ABB / Groove Attack<br />
Die Dilated Peoples gehören<br />
mit Sicherheit zu den verdientesten<br />
HipHop-Acts dieses Jahrzehnts, und<br />
deshalb macht es durchaus Sinn, ihnen<br />
eine abendfüllende Doku zu widmen.<br />
Die Back-to-the-Basics-Helden<br />
lernen die Tücken der Musikindustrie<br />
kennen, ziehen sich am eigenen Schopf<br />
aus Knebelverträgen, erzielen in Eigenregie<br />
erste Erfolge, werden erneut vom<br />
Major geködert und feiern nach Beendigung<br />
ihres 5-Record-Deals mit Capitol<br />
endlich die namensgebende Befreiungsparty.<br />
Gnadenlos gut gekickt haben<br />
sie sowieso immer, und hier gewähren<br />
sie glücklicherweise einen interessanten<br />
Einblick in ihre Zunft. Von niedlichen<br />
Aufnahmen des 7-jährigen Babu<br />
beim DJing (!) über Evidences Arbeit am<br />
Sampler bis zu der Wahl des richtigen<br />
Mics und der Zusammenarbeit mit Giganten<br />
wie Eric Sermon, B-Real, KanYe<br />
West, Guru und DJ Premier kann man<br />
JETZT<br />
AUF DVD!<br />
einiges darüber lernen, wie man erstklassige<br />
Musik macht. Das Ganze wird<br />
von Musikvideo-Regisseur Jason Goldwatch<br />
schnell, unterhaltsam und mit<br />
dem gewissen Sinn für unfreiwillige<br />
Komik in Szene gesetzt, und das Schöne<br />
ist: Diesen ständig breiten Typen<br />
wünscht man den Erfolg wirklich von<br />
ganzem Herzen. Auf der DVD sind u. a.<br />
noch alle Videos der Band, und eine vorwiegend<br />
mit Remixen bestückte Bonus-<br />
CD ist auch im Package. Das ist doch<br />
mal was Reelles!<br />
Martin Riemann<br />
Diverse<br />
OST – Freigespielt<br />
Stereo Deluxe / Edel<br />
Ach, wie gern haben wir auf den Rängen<br />
gesungen: »Mehmet Scholl ist heterosexuell,<br />
heterosexuell, heterosexuell!«<br />
Und noch viel lieber sahen wir<br />
das bayerische Supertalent mit dem<br />
türkischen Vornamen spielen. Oft verletzt,<br />
gern mal mit Auszeiten auf dem<br />
Feld, aber letztlich doch ein richtiger<br />
Knaller. Schade, schade, dass er sich<br />
jetzt vom aktiven Sport verabschiedet<br />
hat. Na, dann bleibt immerhin mehr<br />
Zeit für sein zweites Steckenpferd:<br />
»sexy aussehen« und sein drittes: Musik.<br />
Nach der Compilation auf Blickpunkt<br />
Pop vor Jahren nun eine weitere<br />
Zusammenstellung nach Gusto des Indie-Kickers.<br />
Es gibt bajuwarisch Patriotisches<br />
wie Fertig Los!, »Ein Geheim-<br />
nis«, und wie schon auf seiner ersten<br />
Nummer die Sporties (mit »Dem Fritz<br />
sein Wetter«), aber auch Internationales<br />
wie Beirut, Peter Bjorn And John und<br />
CocoRosie oder Klassisches wie Velevet<br />
Underground (»Sunday Morning«) und<br />
»Für mich soll’s rote Rosen regnen« von<br />
Hildegard Knef.<br />
Helmar Becker<br />
Diverse<br />
Goldkante. Das Lolila<br />
Familienalbum<br />
&<br />
Kombinat Feinripp<br />
Probantenstadt<br />
Beide Lolila / Broken Silence<br />
Wohlklingende Namen wie Bout<br />
D’Chou, Kiesgroup oder Pawnshop Orchestra,<br />
die allesamt auf dem fein alliterierenden<br />
und seit nun schon zehn Jahren<br />
prosperierenden »lovely little label«<br />
(lolila) erscheinen, waren mir bisher Synonyme<br />
für anstrengende Abenteuer in<br />
Lo-Fi, die meine nicht sein sollten. Derart<br />
verschlossen hielt ich mich für leise<br />
Töne weiterhin an jene Bands, die so<br />
dicht aneinander niedergeschrieben<br />
an ein Bild aus den Händen eines Dreijährigen<br />
erinnern: Busch und Wolke.<br />
Zumindest Letztere linken jedoch ein<br />
Stück in die Welt des liebenswerten Lilas:<br />
<strong>Als</strong> labelfremde Freunde besuchen<br />
sie das »Familienalbum« mit ihrem Klavier-Smasher<br />
»Drei Worte«, der sich prima<br />
in diesen Querschnitt des gar nicht<br />
J O H N N Y D E P P<br />
DIE NEUN PFORTEN<br />
Kinowelt Home Entertainment GmbH mbH – Ein Unternehmen der Kinowelt Gruppe<br />
www.kinowelt.de<br />
SPECIAL EDITION<br />
so leisen Clever-Pop einreiht. Entdecker<br />
wie ich staunen über den schönen Titel<br />
»Urlaub in der Nachbarstadt« oder das<br />
absolut unmathematische Gefrickel<br />
von Graph und erwerben die Zusammenstellung<br />
zum Nichtpreis von vier<br />
Euro. Fortgeschrittene schielen auf die<br />
Limited Edition, die mit Blattgold, äh<br />
..., Goldprägedruck daherkommt. Zu all<br />
dem Glitzerglitzer gibt es zur Feier der<br />
Dekade noch Aufkleber, Buttons und<br />
so. Was man halt braucht als Fan des lolila-Komplex’.<br />
Denn ein solcher wird<br />
man mitunter recht fl ott.<br />
Bei mir zündete nach Vorarbeit des<br />
Samplers das Ein-Mann-Kombinat<br />
Feinripp mit »Probantenstadt«. Wie<br />
geil es ist, wenn hier Blumfeld-, Lennon-<br />
und gar Tracy-Chapman-Verweise die<br />
hochmelodiösen, bei tatsächlich jedem<br />
Durchgang wachsenden, meist nur behutsam<br />
von einem Piano begleiteten Gitarrenstücke<br />
dekorieren. Dazu Zeilen<br />
wie »Ich liebe dein Gespür für Chatchiness«.<br />
Ich, lieber Zloty Vazquez, deines<br />
für dieses Album und ganz besonders<br />
für »Last Waltz«. Eine gewaltige Platte.<br />
Glückwunsch auch dazu.<br />
Peter Wittkamp<br />
Diverse<br />
OST – Hallam Foe<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 095<br />
Domino / Rough Trade<br />
Den beeindruckenden Film von David<br />
Mackenzie konnte man via <strong>Intro</strong> ja gerade<br />
als Preview sehen. Genau so lohns-<br />
EDLES 2er LEDER-MEDIABOOK MIT<br />
UMFANGREICHEM BOOKLET<br />
- RANDVOLL MIT BONUSMATERIAL -
096 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Dirty Soundsystem presents<br />
Dirty Space Disco<br />
Tigersushi / Al!ve<br />
Freiheit macht arm. <strong>Als</strong> Musik-Act, der veröffentlicht wird,<br />
kann man sich gut und gern auch mal völlig eingeknastet fühlen.<br />
Man kann nur Alben rausbringen, muss also stets einen<br />
Entwurf mit zehn, zwölf Tracks fertig stellen. Und am besten<br />
auch noch eine Hitsingle. Und sich sklavisch an Vö-Daten halten<br />
und immer nur auf Tour, wenn gerade was in den Läden<br />
steht. Ziemlich tightes Schedule, wenn man bedenkt, wie wenig<br />
ein Album nur noch über das Szenario Plattenladen verkauft.<br />
Dirty Soundsystem haben sich von Anfang an (und das<br />
meint Anfang dieses Jahrtausends) gegen diese Railroad ge-<br />
wert in Bezug auf Schauspielskills, Detailfreude,<br />
Breitwand-Emo und Weirdness<br />
präsentiert sich der Soundtrack.<br />
Statt eiskalter abgegriffener Klassiker<br />
wird hier fein säuberlich der musikalische<br />
Background des Films ausgeleuchtet.<br />
Und das fördert richtige Schätze zu<br />
Tage. U.a. von King Creosote, Hood, Future<br />
Pilot Aka, Franz Ferdinand, Clinic,<br />
Orange Juice, Junior Boys. Eine dominolastige<br />
Zusammenstellung plus X. Damit<br />
kann man doch was anfangen.<br />
Kai Klintworth<br />
Diverse<br />
Nu Juwish Music<br />
V2 / Universal / VÖ 07.09.<br />
Was unterscheidet »jüdische Musik«<br />
von »Musik von Juden«? Folgt man die-<br />
sem Sampler, auf dem weder Yo La Tengo<br />
noch die Beastie Boys vertreten sind,<br />
ist es der Klezmer-Faktor, der jedenfalls<br />
nicht unbedeutend ist. Dabei stehen<br />
am Anfang und am Ende einer durchaus<br />
eklektischen Reise durch Musik,<br />
deren Jiddischkeit keineswegs selbstverständlich<br />
ist, einfach nur bezaubernde,<br />
traumhafte und doch grundverschiedene<br />
Songs – zu Beginn ein Track<br />
vom kanadischen HipHop-Bastler So-<br />
Called, der in dieser Form auch von den<br />
Roots mit Unterstützung durch Erykah<br />
Badu hätte kommen können, und<br />
mit Yael Naims (auf Hebräisch gesungenem)<br />
»Paris« eine zerbrechliche Folk-<br />
Song-Miniatur am Ende. Was dazwischen<br />
zu hören ist, zeigt, dass der Begriff<br />
»Klezmer« nicht zwingend allein<br />
wehrt. Hauten Songs, wenn sie fertig waren, schon (weit vor<br />
dem MySpace-Boom) einfach auf ihre Webseite, organisierten<br />
lieber Partys statt Touren und sammelten Freunde und<br />
ähnliche Styler für eigene Compilations ein. Ein solches Disco-Gulasch<br />
haben sie nun auch für Tigersushi zusammengestellt.<br />
Auf Genre-Schranken ist gekotzt und trotzdem klingt<br />
alles wie aus einem Guss. Das muss man erstmal hinkriegen.<br />
Heiß, kalt, Fast Forward oder Stop And Go. Alles ist möglich<br />
und alles ist auch nötig, wenn man nicht in der Gefälligkeit<br />
versumpfen will. Großartiger Entwurf. Helmar Becker<br />
eine bestimmte Musik-Form bezeichnet,<br />
sondern auch eine Einstellung zur<br />
Musik, einen Fundus, aus dem diese<br />
Musik schöpft. Da bietet diese »Nu Juwish<br />
Music« einiges von dem, was auch<br />
unbedarfte HörerInnen bei dem Etikett<br />
»jüdisch« vielleicht erwarten (Klarinetten<br />
und traurige Geigen), und anderes,<br />
das eher überrascht. Gerade die<br />
vielen orientalischen Klänge zeigen,<br />
dass hier eine Kulturvielfalt regiert, die<br />
weit entfernt ist von einer Multikulti-<br />
Beliebigkeit – die Frage, ob auch Nicht-<br />
Juden (Goyim) Klezmer spielen dürfen,<br />
wird zwar gestellt, bis auf Weiteres aber<br />
auch bejaht. Denn die Mischung, zu der<br />
natürlich auch Goyim etwas beitragen<br />
können, macht’s noch immer.<br />
Mark Swatek-Evenstein<br />
EA80<br />
Reise<br />
Musikzimmer<br />
Es gibt Bands, die fungieren als Katalysatoren<br />
der Negativität. Angst, Wut,<br />
Trauer rein, Power raus. EA80 gehören<br />
nicht dazu. Denn diese vier Musiker<br />
sind nicht dazu da, uns zu dienen und<br />
Erleichterung zu verschaffen. Dazu ist<br />
ihre ästhetische, geschäftliche und stilistische<br />
Verweigerungshaltung viel<br />
zu ausgeprägt. Katharsis-Dealer ebenso<br />
wenig wie Befi ndlichkeits-Masturbatoren,<br />
beschreibt die seit über 25 Jahren<br />
aktive Punkrock-Macht aus Mönchengladbach<br />
das Dasein so poetisch<br />
wie nüchtern. EA80 evozieren in ihrer<br />
Musik auch heute noch Bilder von Tristesse<br />
und Schönheit und geben dem Gefühl,<br />
im nachmittäglichen Dauerregen<br />
in der Bauwagensiedlung zu sitzen und<br />
sich zugleich als Beobachter und Verstoßener<br />
zu fühlen, eine Stimme. Sie durchdringen,<br />
beschwören und fordern auf,<br />
versprechen aber nicht, dass alles gut<br />
wird, solange die Kids nur ordnungsgemäß<br />
united sind und die Regeln einer<br />
Szene befolgen, die »Freiheit« sagt und<br />
zu weiten Teilen »Lifestyle« meint. Keine<br />
Furcht vorm Denken, Pathos zum<br />
Kumpel, Trübsal als Motor und die Kraft<br />
des Nonkonformismus, der Autonomie<br />
– nach wie vor beseelen sie die Songs dieser<br />
einzigartigen Band. Zum Verkauf<br />
aber steht hier rein gar nichts. Schon<br />
gar nicht die Erlösung. Ulf Imwiehe
The Enemy<br />
We’ll Live And Die<br />
In These Towns<br />
Warner<br />
»Entweder du hängst den ganzen Tag<br />
in Pubs rum, oder du gründest eine<br />
Band.« Tom Clarke, Sänger und Gitarrist<br />
von The Enemy, hat sich für Letzteres<br />
entschieden. »Wir wollen gar<br />
nicht wie Billy Bragg werden oder politische<br />
Statements ablassen, wir wollen<br />
die Leute einfach nur aufwecken.«<br />
Das scheint zu klappen: Mit zwei Freunden<br />
kämpft Clarke seit gut anderthalb<br />
Jahren erfolgreich gegen die Langeweile.<br />
Die Milchbubis aus Coventry veröffentlichten<br />
eine erste Single auf dem<br />
wiederbelebten Stiff-Label (The Damned,<br />
Elvis Costello), landeten mit »Away<br />
From Here« einen Top-Ten-Hit, und zum<br />
guten Schluss stieg ihr Debütalbum<br />
Mitte Juli an der Spitze der UK-Charts<br />
ein. Warum die ganze Aufregung? Nun<br />
... das Trio powerpoppt zwischen Ash,<br />
Clash und Maximo Park – ein paar griffi<br />
ge Slogans, überzeugende Hooks, catchy<br />
Melodien. Hier und da ein Gitarrenbrett,<br />
dazu mitunter die gereckte Faust.<br />
Klar, ein bisschen arrogant und größenwahnsinnig<br />
ist man auch. Behauptet<br />
jedenfalls die Plattenfi rma. »Respekt,<br />
Jungs«, könnte man das unter<br />
dem Strich wohl nennen und sich nicht<br />
weiter darum kümmern. Aber man ist ja<br />
kein Engländer ...<br />
Christian Wessels<br />
Figurines<br />
When The Deer<br />
Wore Blue<br />
Pop-U-Loud / Pias / Rough Trade<br />
Dass Skandinavier gute Cowboys abgeben,<br />
konnte in den letzten Jahren ja erstaunlicherweise<br />
immer wieder bewiesen<br />
werden. Bisher nicht unbedingt bekannt<br />
waren allerdings ihre Qualitäten<br />
im Bereich der Surf-Musik. Und doch:<br />
Die amerikanische Westcoast ist ab jetzt<br />
in Dänemark zu fi nden, denn was die Figurines<br />
auf ihrem dritten Album zelebrieren,<br />
würde Brian Wilson vor Neid erblassen<br />
lassen. Wie einst die Beach Boys<br />
in ihren besten Tagen stehen hier wunderbare<br />
Harmoniegesänge neben träumerischen<br />
Melodien und ausufernden<br />
Arrangements. Klar, zwischendurch ertönt<br />
die eine oder andere Indierock-Gitarre<br />
– die Band will ihre Herkunft ja<br />
auch nicht negieren –, doch ansonsten<br />
herrscht Westcoast-Surf-Atmosphäre,<br />
die neben den Beach Boys auch an die<br />
Zombies oder Love erinnert, allerdings<br />
ohne jemals so richtig Retro zu sein, was<br />
dem Ganzen einen angenehm unaufdringlichen<br />
Aktualitätsnachweis verleiht.<br />
Eine Entdeckungsreise, nicht nur<br />
für Liebhaber der großen Wellen.<br />
Sascha Seiler<br />
Fog<br />
Ditherer<br />
Lex / Rough Trade<br />
Glaubt man der Promotion, so han-<br />
delt es sich bei Fog um die künstlerisch<br />
wertvollste Rettung der elektrischen<br />
Gitarre seit mindestens Radiohead.<br />
Aber in der Pop-Verwertungskette<br />
sind Manowar ja auch eine authentische<br />
Band und Linkin Park radikale<br />
Innovateure. Im Falle von Fog aus Minneapolis,<br />
USA haben wir es angeblich<br />
mit Avantgarde-Rock’n’Roll zu tun.<br />
Dabei ist das Trio weder das eine noch<br />
das andere. Was hier mit der Worthülse<br />
»avantgardistisch« bemüht E-musikalische<br />
Weihen erhalten soll, haben<br />
Dutzende ähnlich agierende Künstler<br />
bereits wesentlich spannender inszeniert.<br />
Und so richtig die Rawk-Sau lassen<br />
Fog auch nie raus. Dennoch ist ihre<br />
Mixtur aus versponnenem Prog, folkigen<br />
Grübeleien und zuckerschnutigem<br />
Indie-Pop, abgeschmeckt mit mal knispeligen,<br />
mal altbackenen Electronica-<br />
Einsprengseln, durchaus gefällig. Gelegentlich<br />
gibt man sich zwar betont verstiegen<br />
und stellt den gedankenschweren<br />
Dichter aus, macht aber nix, solange<br />
die Musik so schlau und dabei unauffällig<br />
perlt. Schließlich will man ja niemandem<br />
wehtun.<br />
Ulf Imwiehe<br />
Genepool<br />
Sendung/Signale<br />
Noise-o-lution / Indigo<br />
Das nennt man wohl Sound-Signatur:<br />
Ein Akkord, eine Melodie – und sofort<br />
erkennt man die Handschrift von Noi-<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 097<br />
se-Papst Guido Lucas. Und so fi nden<br />
sich auch bei dieser Kooperation von<br />
Krawalleros aus dem Dunstkreis der<br />
Kieler Rock-Bestien Smoke Blow und<br />
dem bärtigen Maestro die typisch wavigen<br />
Cure’esken Flanger, wehmütigen<br />
Gesangslinien und traurig-trotzigen<br />
Riffs. So weit, so desensibilisierend<br />
gewöhnlich. Genepool geben sich aber<br />
nicht mit schnödem Krachgerocke alter<br />
Schule ab. Der Knüppel, den sie der auch<br />
nicht mehr ganz so drahtigen Mähre<br />
Noiserock zwischen die Hufe schmeißen,<br />
ist vom Disco-Baum gebrochen<br />
und dürfte Tausende Ärsche auf dem<br />
Dancefl oor zum Wackeln bringen. Da<br />
bounct die Bassdrum, da zirpen die Synthesizer,<br />
und alles ballert so ziseliert<br />
wie hoolig rockend nach vorne, dass<br />
sich die Band, käme sie aus England,<br />
wohl in kürzester Zeit als das nächste<br />
ganz große Wild im Blätterwald wiederfi<br />
nden könnte. Die perfekte Mischung<br />
aus düster-melancholischer Gitarrenwucht<br />
und nacktem Hedonismus.<br />
Ulf Imwiehe<br />
Gentleman<br />
Another Intensity<br />
Four Music / SonyBMG<br />
Reggae ist in erster Linie eine Haltung.<br />
Das zeigt auch Gentleman wieder<br />
deutlich auf – mit »Another Intensity«<br />
legt er nun bereits sein viertes Album<br />
vor. Und obwohl er unzählige Konzerte<br />
auf allen fünf Kontinenten erfolgreich
098 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
dgd<br />
15. BIS 22.<br />
DEZE<strong>MB</strong>ER 2007<br />
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absolviert hat, bleiben auch die neuen<br />
Songs unverwässert wie an seinem ersten<br />
Auftrittstag. Hier wird kein künstliches<br />
World-Music-Gebräu destilliert,<br />
kein affektiertes Bad-Boy-Image getestet<br />
oder werden Riddims vom Computer<br />
geknechtet. Wo Gentleman draufsteht,<br />
ist auch immer der originäre Gentleman<br />
drin: straighter Reggae, mit richtigen<br />
Instrumenten in seine klassisch<br />
skankende oder steppende Bewegung<br />
versetzt, ohne sich als bloßer Roots-Copycat<br />
anzubiedern. Gastauftritte gibt’s<br />
von Jack Radics & Rings, aber auch Reggae-Maniac<br />
Sizzla und der Soulsängerin<br />
Diana King. Dabei lohnt sich umso<br />
mehr, auf jedes Detail zu achten: Reggae<br />
Music war lange nicht mehr so bunt<br />
wie hier, ohne sich von den drei Farben<br />
der Jah-Truppe zu entfernen.<br />
Uwe Buschmann<br />
Guy Gerber<br />
Late Bloomers<br />
Cocoon / Intergroove<br />
Spätzünder? Das kann man Guy Gerbers<br />
Neo-Trance-Pop-Techno eigentlich<br />
nicht schimpfen. Denn auch wenn<br />
der Produzent aus Tel Aviv die Höhepunkt-Dramaturgie,<br />
den Dancefl oor-<br />
Gesetzen entsprechend, in die Länge<br />
zieht und immer schön weiter hinauszögert,<br />
so leuchten und glitzern seine<br />
Tracks aufgrund ihrer klaren, fetten<br />
und eben auch ziemlich edlen Soundästhetik<br />
schon vom ersten Moment an.<br />
Das funktioniert sogar noch bei Downtempo-Nummern,<br />
die verschämt der<br />
Space Disco Gute Nacht sagen, oder bei<br />
dezentem Acid-House-Gezwitscher.<br />
Gerber holt Einfl üsse von Samba bis<br />
Kraftwerk auf seine Aussichtsplattform<br />
und schenkt dort kollektiv gute<br />
Laune aus. »Late Bloomers« ist Sekt auf<br />
Eis im Musikformat. Genau so muss Balearica<br />
eben zu Hype-Zeiten von Minimal<br />
Techno klingen.<br />
Arno Raffeiner<br />
Giardini Di Mirò<br />
Dividing Opinions<br />
Homesleep Music / Cargo<br />
Wenn Postrock Musik ohne Worte bedeutet,<br />
sind Giardini Di Mirò in ihre<br />
Post-Postrock-Phase getreten. Die italienische<br />
Band hat die Sprache (wieder)<br />
gefunden und lässt so viel singen wie<br />
selten zuvor. Nur einer der neun Titel<br />
auf dem neuen, dritten Album ist instrumental.<br />
»July’s Stripes« ist zugleich<br />
einer der Höhepunkte: Aus melancholischem<br />
Anfangs-Gitarrengezupfe steigt<br />
schweres monolithisches Gedröhne<br />
auf, das sich zu einem spacigen Outro<br />
weiterspannt – Motorpsycho hätten es<br />
kaum besser hingekriegt. Doch auch<br />
in den gesungenen Titeln sind GDM<br />
Meister der Dynamik und Dramatik,<br />
nur eben songintegrierter. <strong>Als</strong> Gastsänger<br />
holten sie sich Jonathan Glancy<br />
(Settlefi sh) und Glen Johnson (Piano<br />
Magic). Besonders betörend jedoch:<br />
Kaye Brewster in der Leise-Nummer<br />
»Clairvoyance«.<br />
Frank Schuster<br />
Richard Hawley<br />
Lady’s Bridge<br />
Mute / Emi<br />
Ich will zurück auf die Straße? Freundchen,<br />
gar nicht so leicht in England,<br />
wenn du ungeilen und lauten Mist gebaut<br />
und einen Platzverweis erhalten<br />
hast. Mit dem ASBO (Anti-Social Behaviour<br />
Order) fegen Staat und Kommunen<br />
die Städte sauber und die Probleme<br />
unter den Teppich. »Tonight The<br />
Streets Are Ours«, hält eine große, rostige,<br />
milde Stimme dagegen, atemberaubend<br />
schön umkränzt von Streichern,<br />
säuselnden Sirenen und edelstahlglitzernden<br />
Gitarrenakkorden. Richard<br />
Hawleys Musik klingt immer, als sei er<br />
der Welt und der Zeit abhandengekommen.<br />
Hingerissen, fortgeschwemmt<br />
von einem süßen, dunklen Fluss, entsprungen<br />
in der Prä-Beatles-Ära. Doch<br />
von den Möglichkeiten, mit ästhetisch<br />
überholten Spielweisen umzugehen,<br />
wählt der bodenständige Sheffi elder<br />
Sentimentalist instinktiv eine, die<br />
mehr Bedeutung stiftet als Retro-Späßchen<br />
oder klangliche Dekonstruktionstricks.<br />
Was schon auf »Coles Corner«<br />
so altsamten daherkam, spinnt sich<br />
in großkalibrigen Metaphern und vor<br />
noch breiterer Leinwand um den seit Elvis<br />
und Roy umkreisten Kern: die ambivalente<br />
Rhythmik und emotionale<br />
Komplexität des von sozialem Auf- und<br />
Ausbruchsverlangen aufgewühlten Lebens,<br />
das gleichzeitig Familie und Herkunft<br />
treu ist. Hier die Hobo-Existenz,<br />
die auf staubiger »Long Dark Road«<br />
zwischen Johnny Cash und Lee Marvin<br />
marschiert, dort die Intimität Liebender,<br />
natürlich im Dunkeln, in »Our<br />
Dark ness«. Dazwischen zarte Flirts mit<br />
Rockabilly, Ortsgeschichte als Blaupause<br />
universeller Erfahrung, herzergreifend<br />
erzählt in einem Idiom, das im<br />
Brill Building und in den Sun-Studios<br />
zu Hause ist. Erzähl doch mal mehr,<br />
Richard:<br />
»Lady’s Bridge« ist nach der ältesten<br />
Brücke in Sheffi eld benannt. Kommt<br />
ganz schön romantisch rüber.<br />
Ist es. Mehr noch hat es für mich<br />
Symbolgehalt als Kreuzungspunkt im<br />
Leben, an dem du von einer Seite auf<br />
die andere wechselst. Ich musste einiges<br />
zurücklassen, das ich nicht wollte.<br />
Es geht ums Weitermachen und Veränderung.<br />
Während der Aufnahmen zu »Lady’s<br />
Bridge« starb dein Vater, selbst Musiker<br />
und dein erster Gitarrenlehrer.<br />
Wir wollten beide, dass sich das nicht<br />
auf die Platte auswirkt. Natürlich tat es<br />
das. Mein Vater hat mich in meinem Leben<br />
positiv beeinfl usst. Und daran denke<br />
ich, an alles, was er mir gab.<br />
»Roll River Roll« erinnert an die Opfer<br />
der Flut von 1864 in Sheffi eld. Kurz<br />
nachdem du den Titel aufnahmst,<br />
stand erst Sheffi eld und dann halb England<br />
unter Wasser. Was zum Teufel ...?<br />
Oh, ich fühlte mich sehr seltsam. Ich<br />
hätte den Song ja irgendwann in den<br />
letzten 20 Jahren schreiben können,<br />
doch jetzt war das alles schon sehr bi-
zarr, als die Flutwellen kamen. Fast, als<br />
ob ich es herbeigewünscht hätte. Ist totaler<br />
Quatsch, aber da soll man nicht<br />
nachdenklich werden?<br />
Wolfgang A. Müller<br />
Heavy Trash<br />
Going Way Out With<br />
Heavy Trash<br />
Crunchy Frog / Cargo<br />
Es ist, als wolle Jon Spencer alles, was<br />
er früher genüsslich zertrümmert<br />
hat, wiedergutmachen. Denn so vehement,<br />
wie der ewige Griffbrett-Hipster<br />
dereinst mit seiner Band Pussy Galore<br />
populärmusikalische Konventionen zu<br />
Klump gehauen hat, so akribisch und<br />
liebevoll ergeht er sich seit der Aufl ösung<br />
jenes Krawall-Kunstwerks in der<br />
Pfl ege und Wartung des alten Schnauferl-Rock’n’Roll.<br />
Spencer und sein Partner<br />
Matt Verta-Ray lassen auf ihrem<br />
jüngsten Glaubensbekenntnis den<br />
Geist alter pomadiger Crooning-Rebellen<br />
wiederauferstehen und versehen alles<br />
mit einer diffus diabolischen Aura.<br />
Dabei hat das Duo seinen Voodoo-Knarz<br />
mit drei verschiedenen Bands in drei<br />
verschiedenen Studios in drei verschiedenen<br />
Städten aufgenommen. Diese<br />
Dreifaltigkeit macht das Resultat nicht<br />
revolutionärer, sorgt aber, bei aller dezidierten<br />
Simplizität, immerhin für Abwechslung.<br />
Jon Spencer wäre nicht er<br />
selbst, würde dieses Album nicht auch<br />
mit der für ihn typischen fl irrenden<br />
THE HIVES<br />
OHRBOOTEN<br />
BMX MINIRAMP & WAKEBOARD CABLE CONTEST<br />
25.-26.08.07 HA<strong>MB</strong>URG<br />
PINNEBERG, WASSERSKI-ARENA<br />
Nervosität und bluesigen Brachialität<br />
aufwarten. Und so kracht, groovt und<br />
rifft es hier wie Elvis auf Meskalin. Das<br />
schafft Kurzweil, ohne Zweifel. Spannend<br />
geht aber anders.<br />
Ulf Imwiehe<br />
MORE ACTS TO<br />
BE ANNOUNCED<br />
A.J. Holmes<br />
The King Of The<br />
New Electric Hi-Life<br />
Pingipung / Kompakt<br />
Perfektes Timing! Genau an dem Tag,<br />
an dem sich das verpeilte Wetter an seine<br />
sommerlichen Pfl ichten erinnert,<br />
landet so eine, nein, genau diese tolle<br />
Platte im Briefkasten. Soso, es gibt nun<br />
also einen »King of the new electric hilife«,<br />
sein Name ist A.J. Holmes a.k.a.<br />
Vanishing Breed. Und er hat das Zepter<br />
mit Recht in der Hand: An Mother Africa<br />
andockend (»Hi-Life« ist dieser fl iegende<br />
Gitarrenpicking-Stil aus dem<br />
Westen des Kontinents: Denken wir an<br />
Afrika, ist der Sound sofort im Ohr), begibt<br />
sich A.J. Holmes nicht plündernd in<br />
die Weltmusik, sondern bleibt auf ganzer<br />
Linie Gentleman. Zusammen mit<br />
Gästen aus dem Pingipung/Blankrecords-Umfeld<br />
und den Ko-Produzenten<br />
Anne Laplantine und Sculpture hat der<br />
Londoner eine echte Perle eingespielt<br />
– eine liebevolle Kollektion internationaler<br />
Folk-Popsongs. Selten wurde die<br />
schwierige Balance aus Handmade und<br />
Elektronik so aus dem Ärmel geschüttelt:<br />
»The King Of The New Electric Hi-<br />
INFOS UND TICKETS UNTER WWW.T-MOBILE-PLAYGROUNDS.DE<br />
VVK-STELLEN, WWW.KARTENHAUS.DE ODER 01805-570000(0,14/MIN.)<br />
Life« ist eine gelungene Hommage an<br />
das genreübergreifende, vielleicht sogar<br />
weltumspannende Medium Musik.<br />
Wer auch immer diese Platte hört, wird<br />
Freude fi nden.<br />
Hendrik Kröz<br />
Hot Hot Heat<br />
Happiness Ltd.<br />
Sire / Warner / 07.09.<br />
Den sympathischen Hysterikern aus<br />
Kanada drohte mit ihrem Vorgängeralbum<br />
der Abstieg in die Liga der austauschbaren<br />
Clubhit-Ablieferer: Auf<br />
»Elevator« dominierte Refrain-zentrierte<br />
Powerpop-Alltagsware, und<br />
gleichzeitig fehlte der trotzige Ansatz<br />
des Debüts. Aber schon beim Einsteiger<br />
und Namensgeber von »Happiness<br />
Ltd.« gibt es die erste Überraschung:<br />
Die Band lässt sich Zeit. Der<br />
Beat kommt nur auf jede vierte Zählzeit,<br />
dazu brummt stimmig ein zurückgelehntes<br />
Bassriff, am Ende gibt es sogar<br />
ein Fade-out. Wann hat man so was<br />
zuletzt gehört? Und ähnliche unerwartete<br />
Gimmicks fi nden sich auch später:<br />
Immer mehr Songs drängen weg<br />
vom fröhlichen Gepolter der Anfangstage<br />
hin zu ..., ja, wohin eigentlich? Wahrscheinlich<br />
in die großen Hallen. Dafür<br />
sprechen die um allerlei Soundeffekte<br />
erweiterte Instrumentierung ebenso<br />
wie die Auswahl von Produzent Rob Cavallo<br />
(u. a. Green Day, Goo Goo Dolls, My<br />
Chemical Romance). Breitwandsound,<br />
BMX STREET/VERT<br />
& SKATEBOARD STREET/VERT CONTEST<br />
LIVE MUSIC<br />
ACTS<br />
12.-13.10.07 BERLIN<br />
VELODROM<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 099<br />
hooray! Doch »Happiness Ltd.« biedert<br />
sich trotz seiner ausgefeilten Produktion<br />
nicht an. Zwar werden bei Hot<br />
Hot Heat nun auch große Gefühle zugelassen,<br />
aber ohne dass es dabei cheesy<br />
zu muffeln beginnen würde wie bei<br />
den oben genannten US-Kollegen. Positiv<br />
zu verzeichnen ist auch der wesentlich<br />
abwechslungsreichere Gesang, der<br />
beim stärksten Song, der Spätsommer-<br />
Hymne »Outta Heart«, gar gecroont und<br />
mit viel Kopfstimmen-Einsatz daherkommt.<br />
Überhaupt hatte Steve Bays offensichtlich<br />
die ewigen Robert-Smith-<br />
Vergleiche satt. So klingt das Album refl<br />
ektierter als die Vorgänger. Nach wie<br />
vor gibt es das eine oder andere Zugeständnis<br />
an den mittlerweile von sich<br />
selbst gelangweilten Neo-New-Wave-<br />
Hype, diese Stücke sind dann allerdings<br />
auch die Schwachstellen des Albums.<br />
Die Veränderungen bei Hot Hot Heat<br />
mögen zwar nicht fundamental sein,<br />
aber deutlich spürbar – und sie tun ihrem<br />
Sound ziemlich gut.<br />
Philipp Jedicke<br />
Inferno<br />
Pioneering Work<br />
Destiny / SPV<br />
Man muss nicht das Deutsch-Punk-<br />
Superhirn Jan »Tocotronic« Müller<br />
sein, um Inferno zu kennen. In den<br />
Achtzigern und bisschen drüber hinaus<br />
prügelte man sich durch die Klischees<br />
des Genres und landete in den besten
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Momente sogar daneben und war dann<br />
richtig gut. Gut, dieses Attribut lässt<br />
sich beim besten Willen nicht jedem<br />
der hier befi ndlichen 56 Songs verleihen,<br />
und in der erschlagenden Gesamtheit<br />
ist das auch mit Vorsicht zu genießen.<br />
Aber es ist defi nitiv auch zu genießen.<br />
Immerhin brachten Inferno Hardcore<br />
in Deutschpunk. »Tod und Zerstörung«,<br />
»Birne muss Kanzler bleiben«<br />
oder »Linke Sau« wirken immer noch<br />
respektabel und sind nicht bloß Sicherheitsnadel-Nostalgie<br />
pur. Ach, und für<br />
unsere jüngeren Zuschauer: Bei Inferno<br />
spielte Archi McMotherfucker of<br />
später Terrorgruppen-Fame.<br />
Bernd Seidel<br />
Jingo De Lunch<br />
The Independent Years<br />
Rookie / Cargo<br />
Von Jingo De Lunch zu berichten ist,<br />
als würde Opa von seinen Kriegsabenteuern<br />
schwärmen. Da ging damals<br />
was ab in Berlin, Anfang der 90er. Da<br />
knallten ein paar wilde Kerle Hardcore-<br />
Einfl üsse mit ordentlich Rock’n’Roll,<br />
Blues, Metal und poppigem Punk zusammen,<br />
und ihre charismatische Sängerin<br />
Yvonne Ducksworth dirigierte<br />
dazu die nach Bier und frischen Sounds<br />
gierenden Massen. Somit gehörten Jingo<br />
De Lunch hierzulande zur Speerspitze<br />
des Crossovers, der bald als Alternative-Rock<br />
half, tonnenweise Lifestyle<br />
zu verkaufen. Auch die Jingos sollten<br />
damals mit aller Macht gebreakt werden,<br />
schafften es aber trotz massiver<br />
Medienpräsenz nie nach ganz oben.<br />
Nun steht die Tour zum 20. Jubiläum an,<br />
und die ganzen ollen Hits sind in einem<br />
handlichen, von der Band höchstselbst<br />
kompilierten, klanglich für die Gegenwart<br />
fi tgespritzten Best-of-Package abzugreifen.<br />
Das kracht, das macht Spaß,<br />
und trotzdem ändert es nichts daran,<br />
dass Yvonne Ducksworth zwar eine fantastische<br />
Stimme hat, aber oft dermaßen<br />
schrecklich neben der Spur singt,<br />
bis sich Blutblasen auf den Trommelfellen<br />
bilden. Doch genau dies machte<br />
Jingo De Lunch ja so einzigartig. Ungeachtet<br />
einiger verpupter Dad-Rock-Momente<br />
und grauenvoller Soli: ganz gut<br />
gealtert, der Scheiß!<br />
Ulf Imwiehe<br />
Kula Shaker<br />
Strangefolk<br />
Essential Music / Indigo<br />
Seit acht Jahren gab es kein neues Album<br />
von Kula Shaker. Die Band hatte<br />
sich aufgelöst, Sänger/Gitarrist Crispian<br />
Mills den Nachfolger The Jeevas gegründet,<br />
nachdem die Erfolgskurve<br />
nach unten wies. Dabei hatten die Britpopper<br />
1997 mit ihrem Debüt »K« einen<br />
fulminanten Start hingelegt. In einer<br />
Zeit, als Oasis und Blur um das Erbe<br />
der Beatles und Kinks stritten, traten<br />
Kula Shaker in die Fußstapfen der frühen<br />
Pink Floyd. Sie hauchten dem Britpop<br />
Psychedelia und Räucherstäbchen-<br />
Spiritualismus ein. Davon ist auf dem<br />
Comeback wenig übrig, es setzt eher<br />
den Kurs des 1999er-Albums »Peasants,<br />
Pigs & Astronauts« fort: kerniger Rock<br />
samt bratzelnder Gitarren und pluckernder<br />
Hammond-B3-Orgel – gleichwohl<br />
komplex arrangiert. Eine gelungene<br />
Symbiose aus Cool-Britannia-Pop<br />
und Heavy-Prog-Rock. Mal ausnahmsweise<br />
kein unnötiges Comeback.<br />
Frank Schuster<br />
Talib Kweli<br />
Ear Drum<br />
Blacksmith<br />
»HipHop’s not dead, it was on vacation«,<br />
ist das Credo dieses ungewöhnlich<br />
kompakten und dritten Kweli-Albums.<br />
Findet das Genre jetzt wieder zu sich<br />
selbst? Wenn man »Ear Drum« und das<br />
kommende Common-Album »Finding<br />
Forever« in Betracht zieht, scheint jedenfalls<br />
eine bemerkenswerte Reduzierung<br />
auf die Tugenden Dynamik, pointiert<br />
freigelegte Beats und anschubsender<br />
Rap zu beobachten zu sein. Dazu<br />
passt auch, dass die Singleauskopplung<br />
»Listen« vom ehemaligen Stevie-Wonder-Protegé<br />
und HipHop-Wunderkind<br />
Kwamé produziert wurde und viele Hits<br />
mit rein sampleorientierten Producern<br />
wie Pete Rock (der mit »Holy Moly« direkt<br />
in Richtung Magengrube geht),<br />
Madlib und dem erstaunlichen KanYe<br />
West angefertigt wurden. Kweli stellt<br />
sich hier mit seinen eloquenten Raps<br />
ganz in den Dienst des Bewegungsapparates<br />
und kommt auf der Suche nach<br />
dem perfekten Beat auch mit Giganten<br />
wie KRS-One klar. Ob es nun stimmt<br />
oder nicht, dass er für den »real Hip-<br />
Hop« steht, er behauptet es jedenfalls<br />
mit einiger Überzeugungskraft.<br />
Martin Riemann<br />
Liars<br />
Liars<br />
Mute / Emi<br />
Gute Neuigkeiten für Freunde des<br />
Abseitigen: Die Liars machen jetzt<br />
wieder Songs! Ja, echt. Offensichtlich<br />
ist ihnen ihr letzter monumentaler<br />
Schrotthaufen »Drums Not Dead«<br />
nach eineinhalbmaligem Hören selbst<br />
auf den Wecker gefallen. Im Übrigen<br />
habe ich noch nie jemanden getroffen,<br />
der die 36 Filmchen, die dieser Irrsinns-<br />
Produktion angeheftet waren, alle oder<br />
gar zu Ende gesehen hat. Schwamm<br />
drüber, mit ihrem vierten Album schaffen<br />
sie es, dass man sie wieder lieb hat.<br />
Und auch wenn das in ihren Sphären<br />
vielleicht beleidigend klingt – »Liars«<br />
ist ein richtig hittiges Album geworden.<br />
Es gibt richtigen Gesang, Melodien,<br />
die man sich merken kann, heilbar<br />
gebrochene Rhythmen, Wall-of-Sound-<br />
Zeug und alles, was sonst noch so dazugehört.<br />
Äußerst ungewöhnlich für<br />
diese lärmigen Leute. Natürlich fi nden<br />
sich trotzdem genug Flashbacks aus<br />
der Zeit, als das Trio noch in irgendeinem<br />
Evil-Dead-Häuschen im Wald<br />
hockte und über den Hexensabbat sinnierte;<br />
»Leather Prowler« ist z. B. so ein<br />
Stück, das einem den Angstschweiß auf<br />
die Stirn zaubern kann. Dafür klingen
sie dann bei »Sailing To Byzantium«<br />
wie Klaxons auf Valium. Sogar wunderschöne<br />
Surfgitarren haben diese nervenzerfetzenden<br />
E-Rock-Styler in ihr<br />
bestes Album eingebaut. Klasse. Die aktuelle<br />
Platte zum Abkrachen.<br />
Martin Riemann<br />
Laura Lopez Castro<br />
Y Don Phillipe Inventan<br />
El Ser Feliz<br />
Nesola / Four / SonyBMG / 07.09.<br />
In der Ruhe liegt die Kraft, in der Simplizität<br />
der Reiz und in der Reduktion<br />
die Fülle. Daran hat sich auch auf<br />
dem zweiten, wieder mal sehr intimen<br />
Werk von Laura Lopez Castro nichts geändert.<br />
Wunderschöne, fast schon rudimentär<br />
runtergestrippte Akustik-<br />
Songs voller Wärme und Melancholie.<br />
Dass das zuerst mal wie ein schales Urlaubsklischee<br />
spanischer Touristen-<br />
Musik klingt, liegt wohl eher an unserer<br />
für gewöhnlich wieder viel zu skeptischen<br />
Slacker-Wahrnehmung als an<br />
der sehr gelassenen, souveränen Umsetzung<br />
der Künstlerin und ihres hochmusikalischen<br />
Mitstreiters. Muss wohl<br />
einfach mal gesagt bzw. geschrieben<br />
werden. Und somit ist auch dieses kleine,<br />
stille Songwriter-Meisterwerk erneut<br />
ganz schlicht über alle peniblen<br />
Vergrößerungsglas-Zweifel erhaben.<br />
Zeitlos betörendes Originalmaterial sowie<br />
einige ausgewählte Coverversionen<br />
für den Schaukelstuhl und natürlich<br />
den Strand – man merkt den Unterschied<br />
gar nicht. Augen zu und wohlfühlen.<br />
Glücklich sein und gleichzeitig<br />
schwer ums Herz werden, das geht. Ein<br />
kleines Glück ist’s fürwahr und deswegen<br />
irgendwie ganz groß.<br />
Georg Boskamp<br />
The Maccabees<br />
Colour It In<br />
Universal<br />
Was für ein Einstieg. Im Land von New<br />
Rave und Mainstream-Indie punkteten<br />
The Maccabees mit ihrem Debüt<br />
»Colour It In« nicht nur auf dem legendären<br />
Glastonbury Festival, sondern<br />
auch bei ihren Musikerkollegen. So<br />
setzte ihnen das Projekt LDN Is A Victim<br />
gleich ein musikalisches Denkmal: »At<br />
the moment The Klaxons are kinda the<br />
shit but I think they are a bit gay I prefer<br />
The Maccabees but my mates can’t<br />
get enough of it.« Und New Rave sind<br />
The Maccabees tatsächlich nicht, eher<br />
das, was man im Mutterland des Pop in<br />
der Plattenladenrubrik »Artschool« zusammenfasst:<br />
Fünf ehemalige Kunststudenten<br />
spielen Brit-typische Gitarrenriffs,<br />
gepaart mit feingetuneten Alltagsbeobachtungen.<br />
Da geht es mal um<br />
Küssen nach dem Zähneputzen, mal darum,<br />
wie man dem Date mit der Zigarette<br />
fast das Kleid abfackelt, und um das<br />
örtliche Hallenbad. »No bombing and no<br />
heavy petting. Stay in your lanes. Came<br />
out of the changing room and absolutely<br />
nothing had changed. Latchmere’s got a<br />
wave machine.« Tanzen geht gut, zuhören<br />
aber fast noch besser. »Colour It In«<br />
ist eines der smartesten Debüts des Jahres<br />
aus dem für hitzige Kickstarts bekannten<br />
britischen Indiezirkel.<br />
Christine Franz<br />
Maps<br />
We Can Create<br />
Mute / Emi<br />
Das Erstlingswerk von James Chapman<br />
ist ein Album voller typischer<br />
Nachtmusik. Dabei klingen die 16-<br />
Spur-Schlafzimmer-Aufnahmen des<br />
Engländers keineswegs düster. Doch<br />
die Mischung aus elektronischer und<br />
psychedelischer Popmusik hat etwas<br />
Schwereloses, sehr Schwelgerisches<br />
und klingt auf eine besondere Art und<br />
Weise entrückt. Denn Chapman schichtet<br />
Synthie-Streicher und Gitarren mit<br />
elektronischen Klängen zu einem Gesamtsound,<br />
der an die besten Momente<br />
klassischer Shoegazer-Bands wie Slowdive,<br />
Ride oder Lush erinnert – My Bloody<br />
Valentine und Spiritualized nicht<br />
zu vergessen, die sogar im Info explizit<br />
Erwähnung fi nden. Anders als bei Caribou,<br />
dem zweiten großen Psychedelik-Freak<br />
dieser Tage, leben Songs wie<br />
»Lost My Soul« oder »Don’t Fear« nicht<br />
unbedingt von ihrer ungewöhnlichen<br />
Instrumentierung, stattdessen begeistern<br />
diese Nummern durch eingängige<br />
Melodien und ihren Breitwand-Sound.<br />
Ein tolles Debüt voller Musik, die hoch<br />
aus den Wolken kommt.<br />
Christoph Büscher<br />
Meat Puppets<br />
Rise To Your Knees<br />
Side Che / Cargo<br />
Mensch, waren die mal gut. Anfang<br />
der Achtziger hatten die Meat Puppets<br />
Punk und Country auf einen gemeinsamen<br />
Nenner gebracht, ohne dabei je in<br />
albernen Cow-Punk abzudriften. Für einen<br />
kurzen Augenblick waren sie neben<br />
Minutemen eine der besten Bands auf<br />
SST, was für Frühachtziger-Verhältnisse<br />
bedeutete: eine der besten Bands der<br />
Welt. So viel Stilsicherheit und gleichzeitige<br />
Energie ließ sich natürlich nicht<br />
lange halten. Doch im Gegensatz zu Kollegen<br />
wie den Replacements, die nach<br />
einem glühenden Punk-Debüt ganz<br />
schnell den Blinker in Richtung Middle<br />
of the Road gesetzt hatten, spielten die<br />
Meat Puppets noch für einige Jahre soliden,<br />
ja, anspruchsvollen und unpeinlichen<br />
SST-Rock-Standard ein. Mit solchem<br />
melden sie sich nun wieder zurück<br />
– unaufgeregt und ohne den Anspruch,<br />
die Mauern von Jericho oder irgendwelche<br />
Hörgewohnheiten zu Fall zu bringen.<br />
Öde Balladen wie »On The Rise«<br />
hätten sie sich zwar ebenso sparen können<br />
wie die oft allzu schaumigen Gitarren<br />
und eine ausufernde Griffbrett-<br />
Akrobatik, doch bei mindestens jedem<br />
zweiten Song schimmert noch die große<br />
SST-Schule durch, die Hardcorepunk<br />
einmal aus der Knüppel-Sackgasse geholt<br />
hatte. Wer nun behauptet, die Meat<br />
Puppets würden inzwischen bloß noch<br />
Adult orientated Rock spielen, sollte<br />
sich vor Augen halten, dass 80 Prozent<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 101<br />
©2007 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO ® and Rome SM are service marks of Home Box Office, Inc.
102 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Funny Van Dannen<br />
Trotzdem danke<br />
JKP / Warner<br />
Funny Van Dannen erweist sich auf seinem neuen Tonträger<br />
»Trotzdem danke« erneut als feinsinniger Alltags-Beobachter,<br />
der mit simplen Mitteln Hintergründiges offensichtlich<br />
werden lässt. Wäre eine schöne Einleitung. Ist leider<br />
gelogen, denn FVD ist endlich irgendwo angekommen: im<br />
Schoß der berufsverwuschelten Toten-Hosen-Familie. Sein<br />
zehntes Album erscheint beim Hosen-Label JKP, und damit<br />
wächst zusammen, was zusammengehört. »Bayern« hieß<br />
die Stammtisch-Hymne, bei der die im Laufe der Jahre textlich<br />
immer unsinniger werdenden »Ex-Punks« erstmals auf<br />
den Berliner Klampfenträger zurückgriffen. Auf ähnlichem<br />
Niveau rhabarbert »Trotzdem danke« endlos erscheinende<br />
24 Stücke lang vor sich hin. Die Liebste ist mit einem Chinesen<br />
durchgebrannt (»Scheiß Globalisierung«, haha), man<br />
hat ja schließlich »Kohl und Cholera« überstanden (Scheiß<br />
CDU, na logisch!), und einst wird man – Zwinker! Zwinker! –<br />
Bayern-Fan, sich – Öchel! Öchel! – »irgendwann integrieren«<br />
und »das Hirn absaugen« lassen. Halt der ganze Quatsch,<br />
über den sich der gemeine Zukurzgekommene so seine Gedanken<br />
macht und dabei mit Händen und Füßen an den Status<br />
des »Outlaws« klammert, obwohl er so simpel mehrheitsfähige<br />
Ansichten und Anekdoten dampfplaudert, dass man<br />
aus dem Schulterzucken gar nicht mehr rauskommt. Aber er<br />
singt nicht nur so, er meint es ernst: »Alleine aus politischen<br />
Vernunftgründen sollte man doch einsehen, dass die Hosen<br />
einen wichtigen Bereich abdecken. Denn wenn ich sehe, dass<br />
die Böhsen Onkelz mit einer Single auf Platz zwei kommen<br />
können, kann ich nicht verstehen, dass diese Leute etwas gegen<br />
die Toten Hosen haben«, gab er einst dem Interviewer der<br />
– natürlich – Toten-Hosen-Homepage mit auf den Weg.<br />
»Trotzdem danke«? Nein, nein und nochmals nein.<br />
Marco Fuchs<br />
Für & Wider<br />
Was ist denn hier los? Kaum dreht man den »Kollegen« mal<br />
kurz den Rücken, werden alle langfristigen Verträge des<br />
Wohlwollens aufgekündigt? Ist schon wieder Hitler-Stalin-<br />
Pakt, oder was? Und wer soll es ausbaden laut Hauptmann<br />
Fuchs? Funny Van Dannen? Dieser wunderbare Mann, was<br />
hat der schon viele tolle Hits geschrieben. Nicht nur so halbtolle,<br />
sondern großartige. Gerade so ein androgyner Typ wie<br />
Marco Fuchs musste doch sicher in der Schulzeit und in der<br />
Arbeitswelt viel von MännerMännern einstecken. Und wie<br />
könnte ihn dann ein Song wie »Anita war ein Junge« kalt gelassen<br />
haben? Gut, das Stück stammt vom Album »Melody<br />
Star«, und das hat schon diverse Jahre auf dem Rücken (aber<br />
übrigens auch den Funny-Konsens-Hit »Lobdefi zit« drauf).<br />
Aber auch seitdem ging noch einiges – vor allem auch die respektable<br />
wie unterhaltsame Buchkarriere. Und selbst wenn<br />
man meinen wollte, die neue Platte könne den eigenen Kosmos<br />
nicht mehr groß erweitern, sondern variiere die bekannten<br />
Motive des schön religiösen Familienvaters. Aber wenn<br />
das schon ein Grund ist, solche Abnabelungsmails, äh, -rezis<br />
zu verschicken, dann läuft bei den ältlichen Indie-Jugendlichen<br />
doch was falsch. Und dass Funny den Hosen immer mal<br />
zugearbeitet hat und die jetzt seine Platte pressen, ist doch<br />
nur konsequent und wäre höchstens noch ein Affront für<br />
Hardliner-Zines wie Zap oder Plot. Die gibt’s aber längst nicht<br />
mehr. Und daher auch keinen Grund, Funny hier runterlaufen<br />
zu lassen. Glaubt nicht Ciao Marco Ciao, sondern mir. »Trotzdem<br />
danke« ist eine sehr hübsche Platte. Martina Hergenröther<br />
dessen, was SST in der zweiten Hälfte<br />
der Achtziger veröffentlicht hat, nichts<br />
anderes als Adult orientated Rock war.<br />
Darin bestand ja der Trick: Dinge wieder<br />
hoffähig und bestenfalls sogar cool zu<br />
machen, die Punk einst niedergerissen<br />
hatte. Heute mag sich das nicht mehr<br />
zwingend im Sinne einer pophistorischen<br />
Weichenstellung anhören, doch<br />
ein Song wie »Tiny Kingdom« ist immer<br />
noch klasse und entschädigt für den bisweilen<br />
allzu starken Dire-Straits-Faktor.<br />
Dass sich »Tiny Kingdom« fast wie eine<br />
Coverversion von Tocotronic anhört,<br />
dürfte allerdings Zufall sein.<br />
Martin Büsser<br />
Menomena<br />
Friend And Foe<br />
City Slang / Universal<br />
In den USA sind Menomena die Entdeckung<br />
der Stunde. Dabei klingt das Debüt<br />
des Trios aus Portland zunächst etwas<br />
sperrig. Der Sound ist ungewöhnlich:<br />
Wuchtige Drums – leicht übersteuert<br />
– und der Gesang stehen beim<br />
Opener »Muscle’n Flo« weit im Vordergrund<br />
des Mixes, während Orgeln, Piano<br />
und diverse Gitarren sparsame, psychedelisch<br />
angehauchte Akzente setzen,<br />
bevor das Stück zu einer echten<br />
Hymne mutiert. Während die Vocals<br />
bei »Air Aid« ein wenig an den frühen<br />
Peter Gabriel g(die Genesis-Phase) erinnern<br />
und etwas Zeit brauchen, ihre<br />
Größe voll zu entfalten, entwickeln sich
andere Stücke – etwa das stärker durch<br />
Loops strukturierte »My My« – trotz ihrer<br />
gebrochenen Struktur schnell zu<br />
brillanten Popsongs. Veredelt durch<br />
das Cover-Artwork des Comic-Künstlers<br />
Craig Thompson, ist das Album ein<br />
Muss für alle Jäger und Sammler. Krautig,<br />
kantig und einfach genial. Das unfassbare<br />
Zusammentreffen der unterschiedlichsten<br />
Einfl üsse lässt »Friend<br />
And Foe« musikalisch leuchten. Menomena<br />
sind mit diesem Album zu Recht<br />
schon echte Giganten.<br />
Christoph Büscher<br />
Carsten »Erobique«<br />
Meyer / Jacques<br />
Palminger<br />
Songs For Joy<br />
Nobistor / Indigo<br />
Ein öffentliches Studio im Foyer der<br />
Studiobühne des Berliner Maxim Gorki<br />
Theaters. Ein Radiojingle und ein<br />
paar Zeitungsanzeigen: »Lieben Sie<br />
Musik? Singen Sie gerne? Schreiben Sie<br />
Gedichte? Schicken Sie uns Ihre Texte!«<br />
Was daraus entstand, ist die beste<br />
Zeit, die man mit Musik nur haben<br />
kann. Das sagen Carsten Meyer und<br />
Jacques Palminger, die zusammen mit<br />
Christoph Dietermann die Stücke arrangierten<br />
und einspielten, die ihnen<br />
diese wunderbaren Amateure um die<br />
Ohren schmissen. Voller Inbrunst die<br />
schlafenden Hunde wecken, die ansonsten<br />
als Schattenriss in Studierzimmern<br />
verenden. »Volksmusik« im einzig wahren<br />
Sinn des Wortes, alles voll Soul.<br />
Soul, Alter! Mehr als 70 Minuten Kreativ-Antipausen,<br />
schief und schön. Die<br />
Autoren? Nie gehört. Will never either.<br />
Aber für eine Platte die Schätze heben,<br />
die da draußen glänzen. Jenseits von irgendwelchen<br />
Jugendzentren, Plattenindustrie-Mechanismen,<br />
Schindlers<br />
Gästeliste. Eine bezaubernde Gegenwelt,<br />
so gänzlich unaufgesetzt und – ja,<br />
es muss gesagt und auch so gemeint<br />
werden – ehrlich.<br />
Marco Fuchs<br />
MF Doom<br />
Mm.. Food<br />
Rhymesayers / Rough Trade<br />
Mit der Wiederveröffentlichung von<br />
MF Dooms 2004er-Coup »Mm.. Food«<br />
erfüllt sich mal ein echter Fall von Angebot<br />
und Nachfrage, denn es dürfte<br />
nicht wenige gegeben haben, die sauer<br />
waren, sich die Preise für die Originalveröffentlichung<br />
nicht leisten zu können.<br />
Das ist vor allem für diejenigen von<br />
Vorteil, denen MF Doom erst durch sein<br />
Dangerdoom-Projekt ans Herz gewachsen<br />
ist, denn »Mm.. Food« ist die perfekte<br />
Ergänzung zu der erfolgreichen Kollaboration<br />
mit DJ Dangermouse. Allerdings<br />
sind hier sogar noch raffi niertere<br />
Happen drauf. Exzessiv gebrauchte uralte<br />
Serials und »Fantastic Four«-Hörspiele,<br />
in denen ständig die Niederträchtigkeit<br />
des Erzfeindes Dr. Doom geprie-<br />
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sen wird, erhöhen den Unterhaltungswert<br />
immens und sind so geschickt in<br />
dieses Meisterwerk eingewoben, dass<br />
die Skits auch nach dem 50. Hören nie<br />
nerven. Wie groß Dooms Geschicklichkeit<br />
ist, abstrakte Assoziationsketten<br />
in seinen unwiderstehlichen Flow unterzubringen<br />
(wie der Titel schon sagt,<br />
dreht es sich hier hauptsächlich um Lebensmittel),<br />
zeigt die beigelegte DVD,<br />
auf der man den Meister auf seiner US-<br />
Tournee für dieses Album begleiten<br />
kann. Seine unheimliche Maske zieht er<br />
dabei übrigens nie aus, der Bösewicht.<br />
Und jetzt bitte, bitte noch »Operation<br />
Doomsday« nachlegen, Leute!<br />
Martin Riemann<br />
Mob<br />
Polygon<br />
Quartermain / Broken Silence<br />
Da sind sie wieder, die zwei Charakteristika<br />
des dänischen Fünfers Mob:<br />
Sie glauben an die Schönheit von Krach<br />
und an das moralische Dilemma, das<br />
das Streben nach Veränderung bei<br />
gleichzeitigem Bedürfnis von Stetigkeit<br />
mit sich bringt. Drei Alben haben<br />
die Kopenhagener seit 1999 veröffentlicht,<br />
zuletzt vor zwei Jahren »We All Repeat<br />
The Past«, und unnachahmlich erkunden<br />
sie die feinen Unterschiede zwischen<br />
musikalischen Stimmungen, erleuchten<br />
die Grauzonen von Atmosphäre<br />
und Emotionen. »Polygon« ist nur<br />
eine EP, vier Stücke, 20 Minuten. Doch<br />
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jeder der vier Songs hilft eifrig mit beim<br />
Bau einer glühenden Distortion-Wand.<br />
Stein auf Stein. Durch die Wechsel in<br />
Dynamik und Harmonien entstehen<br />
Sounds voll bleischwerer Nebelschwaden,<br />
aus denen Wortfetzen dringen.<br />
Einzelne luftige Zwischenspiele wirken<br />
wie Schmetterlinge, die plötzlich<br />
von einem 10-Tonner mitgerissen werden.<br />
Das kennen und lieben wir auch<br />
bei Mogwai, bei der Intensität von Motorpsycho<br />
oder frühen Helmet-Platten,<br />
wenn alle Instrumente in dieselbe Richtung<br />
drücken. Sänger und Gitarrist<br />
Morten Haaber reibt sich am Refrain<br />
von »Wait For Me« auf, wiederholt die<br />
Zeile herzzerreißend oft und unterzieht<br />
seine Stimmbänder einer Zerreißprobe.<br />
Am Ende verglühen die Feedbackorgien<br />
im Off. Zurück bleiben offene Münder.<br />
Henrik Drüner<br />
Moneybrother<br />
Mount Pleasure<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 103<br />
SonyBMG<br />
<strong>Intro</strong>-Logbucheintrag, Sternzeit August<br />
07: »Hey, wie geil fi ndet ihr eigentlich<br />
die neue Moneybrother-Single?«<br />
Die Antwort ist doch wohl klar, also fange<br />
ich headbangend an zu singen: »Another<br />
summer, it’s just another summer,<br />
another lover, it’s just another lover!« Ja,<br />
toppt das mal. Aber was ist denn hier los?<br />
Nur hängende Mundwinkel und allgemein<br />
abweisende Fressen. Ich solle vom<br />
Schreibtisch runtergehen und die Pa-<br />
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104 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Hard-Fi<br />
Once Upon A Time In The West<br />
Warner<br />
Wenn ich einen Verriss schreiben wollte, würde ich so starten:<br />
Der siebte Track auf Hard-Fis zweitem Album »Can’t Get<br />
Along« klingt wie eine Coverversion der furchtbar dummen<br />
Smash Mouth. Dann aber würde ich nicht weiter wissen und,<br />
um ehrlich zu sein: Ich habe ihnen diesen kleinen Ausrutscher<br />
längst verziehen. Weil sie mich davor schon nach Hause<br />
gebracht haben, weil allein die ersten drei Tracks mich<br />
dazu veranlasst haben, wildfremde Menschen zu küssen und<br />
zu merken, dass ich das Jubeln noch nicht verlernt habe. Das<br />
geht nämlich so: Selten hat mich das Zweitwerk einer hoff-<br />
piere aufheben, die ich vor Begeisterung<br />
runtergetreten habe. Und, nee, die neue<br />
Moneybrother fände man echt nicht so<br />
toll. Ey, mit wem arbeite ich denn hier<br />
beim <strong>Intro</strong>? Mit meinen Eltern? Wenn<br />
doch nur die beiden größten Moneybrother-Künderinnen<br />
noch auf Sendung<br />
wären. Namentlich Karl-Otto Roche und<br />
Sandra Kuttner. Die hätten mich verstanden.<br />
Die neue Moneybrother-Platte<br />
ist mehr Boogie und Rock’n’Roll als früher<br />
– und das, ohne dass man extra Elvis<br />
mögen muss. Und das kann ich getrost<br />
sagen, denn ich mag Elvis nicht. »Mount<br />
Pleasure« läuft gut und variantenreich<br />
durch, und die Single ist einfach der Hit<br />
des Jahres. Wer etwas anderes behauptet,<br />
lügt mal wieder oder ist bescheuert.<br />
Linus Volkmann<br />
The New<br />
Pornographers<br />
Challengers<br />
Matador / Beggars / Rough Trade<br />
&<br />
Immaculate Machines<br />
Fables<br />
Mint / Broken Silence<br />
Der überdurchschnittliche kanadische<br />
Musiker hat nicht eine Band, sondern<br />
mindestens zwei musikalische<br />
Projekte sowie Soloambitionen. Dass<br />
daher bezaubernd beharrliche Gruppen<br />
wie die seit 1997 musizierenden New<br />
Pornographers in der Vielzahl absonderlich<br />
guten Outputs unterzugehen<br />
scheinen, ist skandalös. Doch das vierte<br />
Album »Challengers« überrascht als Synergienbündel<br />
der Nebenprojekte der<br />
nungsvoll gestarteten Band so überzeugt. Die erste Single<br />
»Suburban Knights« tritt die Tür ein, und nach dem hymnischen<br />
Loblied »I Shall Overcome« oder dem Pop-Postulat »We<br />
Need Love« habe ich aus dem Fenster gerufen: »Ja! Genau!«<br />
Natürlich sind die The-Clash- und Dub-Referenzen auch auf<br />
»Once Upon A Time In The West« immer noch allgegenwärtig,<br />
aber eingebettet in dieses schillernde Pop-Universum sind es<br />
nur zwei von Millionen von Sternen. Konnte man das erwarten?<br />
Vielleicht. Aber dankbar bin ich trotzdem. Was für ein<br />
schönes Album! Peter Flore<br />
Bandmember. Die folkigen Balladen<br />
von Neko Case (»Challengers«), die von<br />
Dan Bejar im Sinne seiner Band Destroyer<br />
eingespielten rumpeligen Popperlen<br />
(»Myriad Harbours«) und den geliebten<br />
geistreichen Powerpop der Band<br />
gibt es nun alles auf einmal. Sicherlich<br />
das abwechslungsreichste, eingängigste<br />
und daher wohl auch beste New-Pornographers-Album<br />
bisher.<br />
Während die Mutterband endlich<br />
ihre Trümpfe ausspielt, bringt Keyboarderin<br />
Kathryn Calder mit der Side-Band<br />
Immaculate Machine »Fables« heraus.<br />
Mit bemerkenswertem Understatement<br />
werden da schon im ersten Track<br />
Alexander Kapranos und The Cribs als<br />
nur Backgroundsänger angeheuert,<br />
wobei die Gaststars in all dem wirbeli-<br />
gen Pop mit ihren Bah-Bah-Bahs genau<br />
das Richtige beisteuern. Die beatlastige<br />
Rhythmusgitarre, bei der die Bezeichnung<br />
noch Sinn macht, klopft davon<br />
und überlässt die Melodieführung ganz<br />
den Sängern, den Streichern (Owen Pallett<br />
[Final Fantasy, Arcade Fire]) und<br />
kleinen orgeligen Dingen, die immer<br />
»bing!« machen. Dabei entsteht ein Indiepop-Charme,<br />
den gerade die frühen<br />
New Pornographers gerne pfl egten. Erfrischend<br />
überdurchschnittlich.<br />
Anne Westphal<br />
Northern State<br />
Can I Keep This Pen?<br />
Ipecac / Soulfood<br />
<strong>Als</strong> Hesta Prynn, Spero und Sprout<br />
einst spaßeshalber auf einer Party beschlossen,<br />
eine Rap-Group zu gründen,<br />
ahnten sie nicht, dass sie auch noch<br />
sieben Jahre später als New Yorks favourite<br />
All-White-HipHop-Girl-Band<br />
jene Lücke ausfüllen sollten, die Luscious<br />
Jackson hinterlassen haben. Mit<br />
ihrem dritten Album haben sich Northern<br />
State von den Major-Fesseln von<br />
Columbia/Sony befreit und erweitern<br />
nunmehr das eher männlich-«sicke«<br />
Repertoire von Mike Pattons Label Ipecac,<br />
indem sie – unterstützt von Chuck<br />
Brody von Shitake Monkey und Beastie<br />
Boys’ Adam Horowitz – sehr lässig zwischen<br />
Oldschool-HipHop, Electro und<br />
College-geschulten Rockgitarren pendeln.<br />
B-Girl-Feminism, you go! Vina Yun
Pechsaftha<br />
Dick in Frisco<br />
Tumbleweed / Broken Silence<br />
Pechsaftha sind diese Clique aus grafzahl,<br />
Junge von EA80 und Martin Büsser,<br />
dem Adorno-sicheren Weinkönig<br />
der Filterlosen of Zap-Fame. Immer<br />
wieder treffen sie sich in einem Häuschen,<br />
ich glaube, es liegt im Grenzgebiet<br />
zu Holland, kann aber auch wo ganz anders<br />
sein. <strong>Als</strong>o, da treffen sie sich und<br />
machen Musik. Das Häuschen bzw.<br />
dessen Einrichtung sieht man in den<br />
Videos (drei davon gibt es hier als Bonus),<br />
und die entsetzlich leblose Kleinfamilien-Reihenhaus-Aura<br />
des Ortes<br />
konterkariert jede Vorstellung, hier<br />
handele es sich um ein hippieeskes Happening-Projekt.<br />
Nein, der Ort, an dem<br />
diese Musik entsteht, ist Selbstbestrafung<br />
und damit eine gute Basis für die<br />
paranoid düstere Grundstimmung der<br />
Songs. Und ich weiß nicht, ob es daran<br />
liegt, dass ich mich mittlerweile an den<br />
regional eingefärbten Sprechgesang<br />
von Martin gewöhnt habe, oder ob die<br />
Band sich tatsächlich so entwickelt hat,<br />
aber mir kommt »Dick in Frisco« weit<br />
besser vor als der Vorgänger. Sound und<br />
Musik besitzen eine hörbare DIY-Attitüde,<br />
es wird mit Rhythmik bis hin zur<br />
Kuhglocke experimentiert, aber die<br />
Songstrukturen sind dennoch nachvollziehbarer<br />
und die Stücke immer auf den<br />
Punkt. Textlich ist natürlich viel drin,<br />
wäre natürlich auch ein Skandal, wenn<br />
nicht. Aber man muss es Büsser und seinen<br />
Freunden hoch anrechnen, dass sie<br />
sich nicht in Formalismus, Verweigerung<br />
oder Abstraktion verschwenden.<br />
In »Für immer in Pop« wird erzählt von<br />
der Omnipräsenz des coolen Styles, der<br />
damit einhergehenden Ökonomie und<br />
– da wird es dann richtig ätzend – dem<br />
Faustschlag gegen all die kollaborierenden<br />
Jammerer, dass, wenn es anders<br />
wäre, »wärst du nicht dabei«. Genau.<br />
Und ätzend im Sinn von Säure natürlich<br />
und nicht im Sinn von schlecht. (Worauf<br />
bezieht sich das grammatikalisch?)<br />
Selbstkritik und überhaupt das Sichtbar-Machen,<br />
dass es in all dem schicken<br />
Konsens noch Kritik geben kann,<br />
das ist die große Leistung von Martins<br />
Texten. Da stört es auch nicht, wenn die<br />
Freundin beim Hören der Platte Folgendes<br />
zu Protokoll gibt: »Klingt wie das<br />
Wort zum Sonntag.« Denn selbst wenn<br />
– warum nicht? Sang nicht schon Tilman<br />
Rossmy auf einer sehr alten Platte:<br />
»Hab gehört, du bist jetzt so ’ne Art Prediger<br />
/ Find ich ganz normal«?<br />
Linus Volkmann<br />
Phlatline Club<br />
Movement<br />
Splash!<br />
The Mixtape 2007<br />
Phlatline / Groove Attack<br />
Große Ereignisse werfen ihre Schatten<br />
voraus und auch hintendran. Das<br />
HipHop-Festival Splash! beispielswei-<br />
se. »Splash! The Mixtape 2007«, die CD<br />
zum HipHop-Event, ist eine ungebrochene<br />
Ode an phatte Beats & slicke Reime,<br />
ist eins a Before- and Afterhour-Material<br />
für echte HipHop-Fans. Perfekter<br />
Block-Party-Soundtrack – egal, ob<br />
als Car-Speaker-Futter auf dem Anreiseweg<br />
oder als Ausklangkonserve, um<br />
langsam den Kopfnickerkrampf zu lösen.<br />
Absolute US-Rap-Stars wie Snoop<br />
Dogg, KanYe West, Redman, Swizz Beatz,<br />
Dr. Dre, Talib Kweli und The Roots<br />
werden gekonnt ineinandergefadet mit<br />
einheimischen Mikrofonhelden wie<br />
Kool Savas, Nico Suave, Prinz Pi, GBZ<br />
oder Olli Banyo. Ein pulsierendes Andenken<br />
an den HipHop-Sommer 2007,<br />
wenn ich schon mal so weit vorausargumentieren<br />
darf.<br />
Uwe Buschmann<br />
Planetakis<br />
Out Of The Club Into<br />
The Night<br />
Peng Musik / Cargo<br />
»Klingt wie Nena on Crack.« Was eine<br />
gewagte Selbstbeschreibung, die mit<br />
maximalem Nerv-Potenzial kokettiert.<br />
Und in diese Nähe reichen die Kölner<br />
Planetakis auf Albumlänge dann auch<br />
fast heran. In spärlicheren Dosen sind<br />
die zwölf Electro-Rock-Bastarde dagegen<br />
verträglicher, jedoch nie zwingend,<br />
zu oft streiten sich Mutter Dancefl<br />
oor und Vater Indie um das Sorgerecht.<br />
So etwas verstört die Kinder, das<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 105<br />
weiß man doch von ZDF-Reihen wie »37<br />
Grad«! Und dass ein ähnliches musikalisches<br />
Konzept bereits deutlich pointierter<br />
und mit zwingenderen Texten<br />
auf dem Spillsbury-Debüt »Raus« perfektioniert<br />
worden ist, lässt mir das Album<br />
leider mitunter reichlich entbehrlich<br />
erscheinen. Untergehen aber werden<br />
Jenny Fey und Robert Drakogiannakis<br />
(ehemals Angelika Express) dank<br />
My Space wohl kaum. Or can 15.000 Planetakis<br />
fans be wrong?<br />
Peter Wittkamp<br />
The Polyphonic Spree<br />
The Fragile Army<br />
Institute Recordings / Indigo<br />
Jetzt also Uniformen. Die wallenden<br />
weißen Gewänder, derentwegen man<br />
die mehr als 20-köpfi ge Band The Polyphonic<br />
Spree in den USA schon für<br />
eine Hippie-Sekte hielt, sind weg. Dafür<br />
tragen die Mitglieder nun schwarze<br />
Jacken und Hosen. Die Rocksymphoniker<br />
um Sänger/Songschreiber Tim<br />
DeLaughter marschieren jedoch zum<br />
Glück nicht Richtung rechts-martialisch;<br />
die im CD-Titel benannte »zerbrechliche<br />
Armee« trägt Friedens-Embleme<br />
wie ein Herz und ein rotes Kreuz<br />
an Hüfte und (linker) Brust. Der Outfi t-<br />
Wandel spiegelt zugleich den musikalischen<br />
Kurswechsel wider. Zwar dröhnt<br />
der Sound immer noch bombastisch<br />
prog-rockig, die Songs sind jedoch insgesamt<br />
nicht mehr so verspielt, labyrin-
Hop mit Buschmann + DJ Explizit<br />
Mr. J Medeiros »Of Gods And Girls«<br />
(Rawkus) – UB: Das US-Label Rawkus<br />
war ja mal für fünf Minuten der Mittelpunkt<br />
der HipHop-Welt. Doch seine<br />
Lyricist-Lounge ist schnell zum Club der toten Dichter<br />
mutiert. Diese Platte ist aber echt wieder gut, fi nde<br />
ich. DJ Explizit (Main Concept / 58beats): Das war<br />
noch die Zeit, in der man mit Bemusterungen überhäuft<br />
wurde, speziell mit Veröffentlichungen dieses<br />
Labels. Ich kann wirklich behaupten, fast die komplette<br />
Rawkus-Sammlung zu besitzen. Da waren auf jeden<br />
Fall ‘ne Menge gute Dinge dabei, wie z. B. Pharoahe<br />
Monchs erste Solo-Platte oder auch Big Ls Vermächtnis.<br />
Auch Eminem hat auf Rawkus ein paar seiner<br />
früheren Sachen rausgebracht. Alles immer sehr DJfreundlich<br />
mit Instrumentalplatten und so. Hat mir<br />
damals gut gefallen. Ich wusste gar nicht, das Rawkus<br />
überhaupt noch als Plattform für amerikanischen Indie-Rap<br />
existiert. Diese Platte ist auf jeden Fall im typischen<br />
Stil gehalten. Track Nr. 5 fi nd ich ganz fresh.<br />
Da macht auch Rez von den Procussions mit, deren<br />
zwei letzten Alben einige Perlen zu bieten hatten und<br />
sich von der Produktionsweise mit dieser Neuveröffentlichung<br />
durchaus vergleichen lassen.<br />
Diverse »Essential Dub« (Roir Cat / Cargo) – UB:<br />
Gibt es wirklich eine Verwandtschaft zwischen Reggae<br />
und HipHop? Und warum gibt es eigentlich keine<br />
Dub-Mixe von HipHop-Songs? DJ: Da Kool DJ Herc als<br />
Jamaikaner einer der HipHop-Pioniere ist, kann man<br />
sicherlich kulturell wie auch technisch (siehe DJ/Selekta-Team)<br />
eine Verwandtschaft nicht wegleugnen.<br />
Jetzt, wo du’s sagst, fällt mir auf, dass meistens eher<br />
versucht wurde, Rap über Reggae zu stülpen (z. B. Mad<br />
Lion produziert von KRS-One oder sog. HipHop-Remixe<br />
von Bounty Killer oder Red Fox), als andersherum.<br />
Mir fallen jetzt auf Anhieb nur die Dub-Mixe von<br />
Roots Manuva ein. Zur Compilation: Die gedubbte Version<br />
von »Witness Tha Fitness« gefällt mir sogar besser<br />
als das Original. Mein absoluter Liebling in Dub ist<br />
immer noch Mad Professor, gleich gefolgt von Umberto<br />
Echo aus München, der über Enja 19rec. sein Debüt<br />
»Dubtrain« veröffentlicht hat. Unbedingt reinhören,<br />
es lohnt sich!<br />
Psycho Les, Al Tariq & Problemz a.k.a. Big City<br />
»The City Never Sleeps« (Nature Sounds) – UB: Fast so<br />
etwas wie eine Supergroup. Dass die es einzeln nicht<br />
zum ganz großen Stardom gebracht haben, ist schon<br />
fast tragisch. DJ: Die Einzigen aus diesem Dunstkreis,<br />
die es ein wenig geschafft haben, rauszukommen, waren<br />
die Beatnuts als Rap-Crew oder Produzenten (vor<br />
allem Psycho Les). Al Tariq hatte sich bei den Nuts ja<br />
nur als Gast-MC die Ehre gegeben. Nach seinem Soloalbum,<br />
das ihn 1995 sogar bis nach München, auf unsere<br />
Livin’Large-HipHop-Jam, brachte, hab ich MCs<br />
wie Black Attack oder Problemz für mich entdeckt.<br />
Unter Missin’ Linx (produziert damals von DJ Honda)<br />
haben die Jungs, noch vor Dr. Dre, David Axelrods »The<br />
Edge« gesampelt. Unsere erste 58beats-Veröffentlichung<br />
war 1998 ein Collabo-Track mit Problemz, und<br />
ich kann mich erinnern, dass wir alle eine gute Zeit<br />
im Studio hatten. Nicer Typ, auf jeden. Ob diese neue<br />
Platte ihnen zu mehr Ruhm verhelfen wird, speziell in<br />
Deutschland, bleibt dahingestellt. Zu wünschen wäre<br />
es ihnen. Track Nr. 3 »Stickem Up« ist auf jeden Fall<br />
mein Favorit, nicht zuletzt wegen dem Host des Jahrtausends,<br />
Greg Nice, und die Tracks Nr. 6 und Nr. 8 gehen<br />
auch gut rein.<br />
Galactic »From The Corner To The Block« (Anti- /<br />
SPV) – UB: Diese HipHop-Fusion-Bands funktionieren<br />
ja ganz selten. Hier scheint es aber irgendwie aufzugehen.<br />
Die Gitarre ist wunderbar in den 70er-Jahren stekken<br />
geblieben. DJ: Schön funky und gute Raps dazu,<br />
bin ich immer für zu haben. Da ich selbst auch ein kleiner<br />
Hobby-Drummer bin, steh ich auf solche Drum-<br />
Patterns. Ohne Raps würde das Ganze aber auch ganz<br />
gut funktionieren. Das sollte so ‘ne Platte auch ausmachen<br />
– sprich, die Musik und Atmosphäre sollten<br />
im Vordergrund sein, und wenn die gefeaturten Rapper<br />
noch ihr Bestes dazugeben, um das Ganze dann<br />
gebührend zu garnieren, auch gut ...<br />
Echorausch »Kennst du des« (Piranha / SonyBMG)<br />
– UB: Die kommen aus München. Das ist also dein Terrain.<br />
Freund oder Feind – das ist hier wohl eine der Fragen?<br />
DJ: Defi nitiv Freund. Man ist sich früher ab und<br />
an gegenseitig auf die Füße gestiegen, das ließ sich<br />
damals nicht vermeiden. Rap ist ja bekannterweise<br />
Competition. Die Situation hat sich aber geändert. Ich<br />
hab mich persönlich mit den Jungs zusammengerauft<br />
und das Kriegsbeil begraben. Man sieht sich ab und<br />
an in meinem Resident-Club Erste Liga und trinkt gemeinsam<br />
– in aller Freundschaft. Die Jungs meinen,<br />
das hier sei ihr letztes Album, aber das glaube ich noch<br />
nicht ganz. Vielleicht ergibt sich ja mal das eine oder<br />
andere Feature. Time will tell ...
thisch angelegt, sondern stringenter, zugleich härter.<br />
Statt Polyphonie mehr Unisono. Das tut dem Ganzen<br />
keinen Abbruch. Doch beim nächsten Mal bitte wieder<br />
mehr Debussy als Wagner.<br />
Frank Schuster<br />
Primal Scream<br />
Live From London<br />
DVD / Rough Trade<br />
Es gibt Bands, die implodieren unerwarteterweise.<br />
Und es gibt Bands, die implodieren unerwarteterweise<br />
nicht. Wie Primal Scream. 25 Jahre haben<br />
Bobby Gillespie und die anderen mittlerweile allen<br />
Ernstes auf dem Buckel. 25 Jahre »echter«, »dreckiger«,<br />
»wahrer« Rock’n’Roll. Was auch immer ihr für<br />
Assoziationen habt, sie stimmen und werden sicherlich<br />
noch locker getoppt von diesen Profi -Drogenfressern.<br />
Auf dieser DVD wird das Jubiläum entsprechend<br />
abgefeiert: ein sattes Best-of-Programm einer Show in<br />
London (»Jailbird«, »Accelerator«, »Rocks«, »Swastika<br />
Eyes« und pipapo). Die ganz großen Brüche im Sound,<br />
die sie ja seit Jahren auf ihren Platten pfl egen, werden<br />
in der Live-Situation allerdings nicht abgeliefert. Das<br />
klingt dann oft auch mal nach Boogie-Woogie-Südstaatenrock.<br />
Hat hier jemand die Black Crowes ins<br />
Spiel gebracht? Gemeinheit. Dankbarerweise illustrieren<br />
die zwölf Videos dann doch die unwahrscheinliche<br />
Flexibilität, die Primal Scream immer ausgezeichnet<br />
hat. Schmankerl: das für mich absolut unübersetzbare<br />
Herumalbern von Mani und Bobby im Backstagebereich.<br />
Dieser Akzent öffnet Poren.<br />
Heiko Behr<br />
Rhythm King And Her Friends<br />
The Front Of Luxury<br />
Kitty-Yo<br />
Wer ist denn bei <strong>Intro</strong> ausgeschieden, dass ich<br />
über RKAHF schreiben darf? Mir soll’s recht<br />
sein, handelt es sich bei dem Duo Linda und Pauline<br />
um einen der hiesigen wie konkurrenzfähigen<br />
Electronica’n’Gender-Acts. Kennt komischerweise<br />
immer noch nicht jeder, aber wer sich für feministisch<br />
geprägte Acts wie Erase Errata, Robots In Disguise<br />
oder auch Le Tigre interessiert, weiß natürlich<br />
so was von Bescheid. »The Front Of Luxury« ist für<br />
Kitty-Yo als Veröffentlichung dabei so wichtig, dass<br />
man davon Abstand nimmt, sie nur digital rauszuhauen.<br />
Inkonsequent, aber toll. Denn dem neuen Entwurf<br />
sollen keine Schranken, sondern offene Münder blühen.<br />
So unrockig muss man elektronischen Rock erst<br />
mal inszenieren. Pappige Beats, sexy aufgeladene<br />
Nicht-Härte – ohne dass Songs wie »No Picture Of The<br />
Hero« dann nicht doch knallen würden. Subtilität als<br />
Power, danke King Kong, äh, Rhythm King. Ein schönes<br />
Referenz-Erleben ist übrigens auch, dass man an<br />
die Pop Tarts denken kann. An die Stücke, bei denen<br />
die damals die Gitarren im Schrank ließen. So was wie<br />
»Kindheit Jugend Sex«. Alles auch hier drinnen. Nur<br />
eben nicht fröhlich dilettantisch, sondern checkermäßig<br />
und mit vollster Absicht. Wer sich da noch die<br />
Zeit mit Jungsbefi ndlichkeitsrock totschlägt, dem ist<br />
auch nicht mehr zu helfen.<br />
Linus Volkmann<br />
Rilo Kiley<br />
Under The Blacklight<br />
Warner<br />
Auf ihrem vierten Album haben die Kalifornier mittlerweile<br />
das letzte bisschen Saddle-Creek-Verschrobenheit<br />
aufgegeben. Rilo Kiley sind zu einem<br />
gefälligen, eingängigen und dabei gar nicht belanglosen<br />
Pop-Act geworden. Die meisten der neuen Songs<br />
stehen der Band und besonders Sängerin Jenny Lewis<br />
sogar sehr gut. Das subtilere und dabei buntere<br />
Soundgewand lässt deutlich mehr Platz für die außer-<br />
ordentlichen Texte der Ex-Schauspielerin. Das stilistische<br />
Spektrum wurde dabei neben den bekannten<br />
Rock-, Folk- und Country-Anleihen um Funk und Disco,<br />
z. B. in »Breakin’ Up«, erweitert. Außerdem steht<br />
Lewis mit ihrem Gesang noch präsenter im Mittelpunkt<br />
der Platte als zuvor schon. Manche Tracks lassen<br />
sogar die Vermutung zu, dass sie als eine Art rothaarige<br />
Madonna aufgebaut werden soll. »Under The<br />
Blacklight« zeigt wie schon das extravagante Video<br />
zur ersten Single »The Moneymaker« zumindest fürs<br />
Erste, dass sie dazu durchaus in der Lage ist.<br />
Christian Steinbrink<br />
Schneller Autos Organisation<br />
Noch mehr Hoffung für noch<br />
mehr Menschen<br />
Dian / Broken Silence<br />
Die aktuelle Turbostaat gefällt mir gut. Und – mit<br />
Verlaub – von Nagel von Muff Potter habe ich dieses<br />
Jahr einen Kuss auf den Mund bekommen – und<br />
deren »Steady Fremdkörper« ist doch auch ein Highlight.<br />
Halten Sie mich für zurechnungsfähig und diese<br />
beiden Aussagen für nachvollziehbar? Na, dann<br />
kann’s ja weitergehen. <strong>Als</strong>o so nach dem Motto »Leute,<br />
die folgende Platte gekauft bzw. Musiker gestalkt<br />
haben, haben auch Folgendes bestellt«. Nieder mit der<br />
regulären Kritik, hoch lebe die Relation. Oder ist das<br />
schon die Rückkehr der Mengenlehre – mit dem Claim<br />
»Schnittmengen fi nden«? Na, egal. Schneller Autos<br />
Organisation kommen jedenfalls aus Hamburg und<br />
haben vor Jahren schon mal ein schönes Vinyl-only-<br />
Album rausgebracht. Nun geht’s weiter. Sogar auf<br />
CD. Musikalisch fällt dabei erst mal auf, dass sich immer<br />
noch alles um Punk und Verzweifl ung dreht – allerdings<br />
haben sich die ästhetischen Ausdrucksmittel<br />
verschoben. Die Musik ist nicht mehr so Dackelblut-mäßig<br />
verzerrt, aber dafür wirken die Songs in<br />
dem entblätterten Modus viel dringlicher, viel aufreibender.<br />
Mir fällt der – ja, immer leicht blasphemische<br />
– Vergleich mit den frühen Blumfeld ein, gerade beim<br />
Opener »Ohne mich (aber auch ohne dich)«. Aber so<br />
unangemessen, wie es immer ist, so Mittelstandsmucker<br />
wie Schrottgrenze mit dem jungen Distelmeyer<br />
in Relation zu bringen, so gut passt es hier. <strong>Als</strong>o als ein<br />
Aspekt unter vielen. Ein anderer: Das Gefühl, dass die<br />
Musik so aufwühlend rüberkommt, obwohl sie eigentlich<br />
ja recht hermetisch und stehend ist, kennt man<br />
sonst so nur von The Sea And Cake. Und irgendwie<br />
Emo ist das alles auch. Toller Gestus, wenn wieder und<br />
wieder wiederholt wird »Armer Junge, armer Punk«<br />
– halb verächtlich, halb rührend. Man weiß nicht genau,<br />
woran man bei Band und den Texten ist, aber das<br />
macht die Spannung aus. Mal nachfragen:<br />
Was gleich bei der neuen Platte auffällt, ist, dass die<br />
Songs nicht mehr ganz so gitarrenpunkig umgesetzt<br />
sind, aber dennoch oder gerade deshalb viel drastischer<br />
klingen. Würdet ihr das auch so sehen, wie hat<br />
sich das ergeben? Wie immer hat es in den vergangenen<br />
Jahren Veränderungen gegeben. Wie bei allen, so<br />
auch bei uns. Die Aufnahmen dokumentieren diese<br />
Entwicklung, die von Geschmacksveränderungen,<br />
persönlichen und personellen Umbrüchen und neuen<br />
Erkenntnissen begleitet wurde; es handelt sich um<br />
Lieder, die in genau jenem Zeitraum entstanden sind.<br />
Dazu kommen Zufall, Tagesform und unbeabsichtigte<br />
Nebeneffekte. Natürlich ist nämlich nichts so geworden,<br />
wie man es sich vorher vorgestellt hat, und deshalb<br />
ist es in Wirklichkeit banal: Wir machen Musik,<br />
und wenn uns gemeinsam etwas gefällt, haben wir ein<br />
neues Lied.<br />
Textlich ist man mitunter angenehm ratlos. Spendet<br />
ihr Trost für den »armen Punk« und Co. oder doch<br />
eher ein wenig fatalistische Verächtlichkeit für ihn<br />
und sein Hamsterrad? Beides bzw. weder noch.<br />
Was für die Musik gilt, gilt zunächst einmal auch
für die Texte. Sie handeln – weiterhin<br />
– von Abschluss und Anfang, von Trennung<br />
und Zusammenschluss und von<br />
Stillstand und Bewegung, von Prozessen<br />
also, die je nach Geschmack und<br />
Sichtweise von Autor und Zuhörer sogenannte<br />
private oder sogenannte politische<br />
Dimensionen haben, traurig stimmen<br />
und gleichzeitig aber auch – der Titel<br />
der Platte ist ja nicht als bloßer Zufall<br />
zu verstehen – das Prinzip Hoffnung<br />
herbeizitieren. Das ist unser Resümee<br />
der letzten fünf Jahre. Kerngedanke:<br />
Die Dinge fl iegen durcheinander, die<br />
Begriffe verlieren ihre Bedeutung, die<br />
Lage ist unbeschreiblich, aber die Menschen<br />
hören deshalb ja noch lange nicht<br />
auf, Antworten zu suchen und zu fi nden.<br />
Punk, Pop, Demonstration, Liebesbeziehung:<br />
Die Ergebnisse sind falsch,<br />
die Wirklichkeit ist traurig und der Ton<br />
schroff. Und das Schöne ist: Wir sind<br />
selbst davon betroffen. Das hilft, nach<br />
noch besseren Antworten zu suchen ...<br />
Eure erste Platte stammt noch aus<br />
2003 – seht ihr Schneller Autos Organisation<br />
eher als Hobbyband, oder versucht<br />
ihr euch jetzt auch als Band zu<br />
professionalisieren?<br />
Nein.<br />
Aber das war quasi eine Entweder-<br />
Oder-Frage und die Antwort soll »Nein«<br />
sein?<br />
Wir haben die Frage verstanden und<br />
die Antwort so gemeint. Es ist eine gute<br />
Frage und eine gute Antwort.<br />
Linus Volkmann<br />
Setsubun Bean Unit<br />
Setsubun Bean Unit<br />
Accidental / Pias / Rough Trade<br />
Bohnen gegen das Böse: Die kulturellen<br />
Gebräuche des fernen Ostens machen<br />
es allen westlichen Weltverbesserern<br />
scheinbar wieder mal extra<br />
einfach. Setsubun bezeichnet im Japanischen<br />
den Wechsel der Jahreszeiten<br />
und wird speziell Anfang Februar<br />
als großes Winteraustreibungsfest begangen.<br />
Bei dem Ritual spielen Sojabohnen,<br />
die alle Schlechtheit des vorangegangenen<br />
Jahres vergessen machen<br />
und generell böse Geister austreiben<br />
sollen, eine maßgebliche Rolle. Wenn<br />
nun eine Bande, bestehend aus drei Mitgliedern<br />
der englischen Weltmusikverwurster<br />
Bellowhead mit vier Musiker-<br />
Innen sowie zwei traditionellen TänzerInnen<br />
aus Japan, Setsubun zu ihrem<br />
musikalischen Programm erhebt,<br />
kann man sich in etwa vorstellen, was<br />
zu erwarten ist. Und so plumpst in den<br />
Shinto-Schreinen plötzlich der Folklore-Humor<br />
in die Echokammer des Dub:<br />
Verhallte Offbeat-Gitarrenlicks, quäkende<br />
Bläser und Jazz-Jams tanzen gemeinsam<br />
zum konstanten Schlagzeugzischen<br />
und Elektronikbrummen. Das<br />
ist schön lo-fi , unernst und nicht gerade<br />
besonders avanciert. Aber der Truppe<br />
scheint es sowieso hauptsächlich um<br />
den Spaß am gemeinsamen Rumdaddeln<br />
zu gehen. Warum also nicht schon<br />
mal zu Herbstbeginn präventiv die Wintergeister<br />
verschrecken? Das Dschin-<br />
derassabum der Setsubun Bean Unit ist<br />
dafür bestimmt geeignet.<br />
Arno Raffeiner<br />
Shantel<br />
Disko Partizani!<br />
Essay Recordings / Indigo<br />
Der selbstbezogene Popmusikdiskurs<br />
hat immer noch Berührungsängste<br />
mit einer klischeebehafteten »Weltmusik«.<br />
Vielleicht ändert sich das mit<br />
DJ Shantel, der den Spagat zwischen<br />
den divergierenden Gruppen von Rezipienten<br />
meistert, während dies den Gipsy-Brassbands<br />
wie der Fanfare Ciocãrlia<br />
oder den Taraf De Haïdouks weniger<br />
gelingt. Vor zehn Jahren ist Shantel<br />
in die Heimat seiner Familie nach<br />
Bucovina gereist, wo er für sich die Musik<br />
der Gipsys entdeckt hat, die Fanfaren<br />
und Brassbands, die jedes Konzert<br />
in ein trink- und tanzfreudiges Fest verwandeln.<br />
Shantel beginnt, ihre Musik<br />
in Clubs aufzulegen und mit elektronischen<br />
Beats zu unterfüttern. Der Bucovina<br />
Club ist geboren, der ihm sogar einen<br />
Worldmusic-Award der BBC einbringt.<br />
Shantels aktuelles Album besteht<br />
trotz des clubverdächtigen Titels<br />
»Disko Partizani!« aus Eigenkompositionen,<br />
die von Musikern eingespielt<br />
wurden. Grandiose Virtuosen verschiedenster<br />
Kulturen konnte Shantel für<br />
dieses Projekt gewinnen, das ihn zum<br />
Manu Chao des Balkan-Pop kürt.<br />
Matthias Schneider<br />
Shiny Toy Guns<br />
We Are Pilots<br />
Mercury / Universal<br />
Eine Band, zwei Geschichten aus Pop.<br />
Oder besser: die gleiche Geschichte aus<br />
zwei unterschiedlichen Blickwinkeln<br />
erzählt. Version #1: Shiny Toy Guns aus<br />
L.A. sind eine Band auf dem Weg in den<br />
»Pop-Olymp«. Sie machen alles richtig<br />
und haben auch noch das nötige Glück<br />
gepachtet: Zunächst in kleinem Rahmen<br />
vertrieben, machte das Debüt, das<br />
Anfang 2005 erschien, gepowert durch<br />
MySpace, Fans und A&Rs großer Firmen,<br />
seinen Weg durch die Hierarchien<br />
der Industrie und Medien. Bis es hier<br />
und jetzt auch in Europa und auf einem<br />
Major-Label gelandet ist. Spitze, wie im<br />
Märchen. Oder? Version #2: Shiny Toy<br />
Guns sind eine Band auf dem Weg ins<br />
Verderben – die Hybris lässt grüßen.<br />
Grund: »We Are Pilots«, also das Europa-Release,<br />
stellt die vierte (!) Neuaufnahme<br />
des Debütalbums dar, das doch<br />
eigentlich schon vor zweieinhalb Jahren<br />
veröffentlicht wurde. Zweieinhalb<br />
Jahre Wiederkäuen des eigenen Ichs,<br />
Ansprüche neu justieren, Chancen abwägen,<br />
künstlerisch schon längst Abgeschlossenes<br />
neu und zwanghaft noch<br />
toller reproduzieren, bis es zu den Ohren<br />
rauskommt. Man muss kein Psychologe<br />
sein, um zu ahnen: Jeder Künstler<br />
mit nur geringem Faible für eigene<br />
Entwicklung oder Würde müsste durchdrehen<br />
bei solch einem schrecklichen<br />
Alltag. Und jeder, der diese Geschichte<br />
erfährt und mit genug Häme sowie dem
Fetisch für Originäres ausgestattet ist,<br />
würde sich freuen, wenn hier jetzt auch<br />
noch stünde, all die Mühe sei so was von<br />
für die Katz gewesen.<br />
Denen sage ich: Auch die vierte Version<br />
von »We Are Pilots« ist in all ihren<br />
redundanten Reminiszenzen an Synthie-Pop,<br />
80er- und Chartspop ganz<br />
hervorragend. Auf ästhetischer Ebene<br />
nahe bei The Sounds, in phänomenologischer<br />
Hinsicht wiederum ziemlich<br />
genau dort, wo The Killers jüngst<br />
aufhörten. Denn das Zitat bleibt auch<br />
hier weitestgehend als Zitat verortbar<br />
– wird aber in einem so redundanten<br />
Auftreten zum Amalgam eigenständiger<br />
Kunst. Pop sowieso und tanzbarer<br />
noch dazu. Eine Art gesampeltes Songwriting,<br />
das zu Hits, Hits, Hits führt. Deren<br />
Oktavbässe und tausendfach gehörter<br />
Pathos unterdrücken die potenzielle<br />
Wut über so ein Vorgehen mit der Zeit<br />
komplett. Eben genau, weil manche der<br />
Songs der Kritik so schutzlos gegenüberzustehen<br />
scheinen wie ein vertrocknetes<br />
Maisfeld einem berstenden Staudamm<br />
– bei genauerer Betrachtung<br />
aber über jeden Zweifel erhaben sind.<br />
»You Are The One«, »Don’t Cry Out« und<br />
»Waiting« heißen nur drei Beweise dieses<br />
Geniestreichs.<br />
Felix Scharlau<br />
Slur<br />
Boo<br />
Pinback<br />
Autumn Of The Seraphs<br />
Touch And Go / Soulfood<br />
Wer Pinback immer schon mochte, hatte schon länger diesen<br />
Eindruck – schöne Musik macht sich bei dieser Band<br />
scheinbar wie von selbst. Ein anderes Projekt verfolgen Zach<br />
Smith und Rob Crow dagegen viel bewusster: die Zerstörung<br />
des eigenen Mythos’. Nicht nur hat Crow unlängst ein Soloalbum<br />
veröffentlicht, und das mit den Zuschreibungen des<br />
süßen sensitiven Indie-Boys aufräumt, nein, auch das vierte<br />
Album seiner Hauptband vermittelt einen ersten optischen<br />
Eindruck von martialischer Metal-Symbolkraft und Fantasy-<br />
Nerdism. So viel dazu, dass Pinback dünne und bartlose Seitenscheitel<br />
in T-Shirts seien – kann man ja so auch nicht stehen<br />
lassen. Musikalisch fällt dieses Statement dann aber erwartbar<br />
nicht ganz so eindeutig aus: Sicher haben Pinback<br />
an ihrer Variabilität und Dynamik, gerade im Schlagzeug-<br />
Part, gefeilt, trotzdem sind die elf Songs auf »Autumn ...« wieder<br />
das Schönste, Leichteste und Erhabenste, was Indierock<br />
zu bieten in der Lage ist. Leicht angeschlagene Gitarrenakkorde<br />
verdichten sich in jedem Song zu unerhört subtilen<br />
Noisedeluxe / Broken Silence<br />
Zu den unerfreulichen Nebenerscheinungen<br />
der Globalisierung gehört<br />
auch, dass inzwischen aus allen<br />
erdenklichen Ländern Pop-Mittelmaß<br />
auf den Markt drängt, das – ohne<br />
Schwellenland-Bonus – nur ein Gähnen<br />
hervorrufen würde. Kein Mensch<br />
braucht Ramones-Klone aus China oder<br />
Grunge-Bands aus Malaysia. Gruppen<br />
wie die chinesischen Joyside, die hierzulande<br />
mit großem Hype eingeführt<br />
werden sollten, sich aber beim Publikum<br />
nicht wirklich durchsetzen konnten,<br />
mögen im eigenen Land durchaus<br />
Sinn und Laune machen – trotzdem darf<br />
an dieser Stelle mal die Arroganz des<br />
Westens ins Spiel gebracht werden: Die<br />
Unbedarftheit, mit der solche Bands Kapitalismus<br />
und Pop aufsaugen und in<br />
eins setzen, wirkt in unseren alten Pop-<br />
Ländern eher befremdlich als belebend.<br />
Umso erfreulicher, dass Slur aus Thailand<br />
ganz und gar nicht epigonal klingen,<br />
sondern britischen Indie-Pop mit<br />
einer Spur Ska auf eine ähnliche Weise<br />
verformt und zu ihrem eigenen Ding<br />
ummodelliert haben wie die Aeronauten.<br />
Auch das ist eine der bizarren Folgen<br />
der Globalisierung – beim Hören<br />
einer thailändischen Band ständig an<br />
eine Band aus der Schweiz denken zu<br />
müssen. »Boo« hört sich an wie der beschleunigte,<br />
beschwingte Nachhall auf<br />
The Smiths, sehr britisch, sehr poppig,<br />
sehr distinguiert. Gesungen wird in<br />
Englisch, mit hörbarem Thai-Akzent,<br />
der das Ganze allerdings eher liebenswert<br />
als bescheuert macht. Hier wird<br />
deutlich, dass es einen hörbaren Unterschied<br />
zwischen bloßer Nachahmung<br />
und Aneignung gibt.<br />
Martin Büsser<br />
Sportfreunde Stiller<br />
La Bum<br />
Universal<br />
Die Sportfreunde Stiller müssen mit<br />
ihrem ersten regulären Album nach<br />
ihrem Ausfl ug zum Mond, dem WM-<br />
Ding, wieder Indiedisco-Bodenkontakt<br />
aufnehmen. Das wird schwer genug.<br />
Auch für die Kritiker. Die wissen<br />
nämlich, nachdem Sportfl o und Kollegen<br />
mit Schweini auf der Fanmeile vor<br />
Millionen moshten, auch nicht mehr,<br />
wo ihnen der Kopf steht. »You Have To<br />
Win Zweikampf«, jenes WM-Album,<br />
war mit Verlaub ein arges Verbrechen<br />
an Style, Understatement und Coolness.<br />
Indie-Fangesänge aus Schüttelreimen<br />
und im Fun-Punk-Modus. Und<br />
dennoch – wer wüsste es nicht? – wurde<br />
diese Platte zum Durchbruch der<br />
Band in Proll-Galaxien, die noch kein<br />
dramatischen Bögen, um im Refrain dann orgiastisch auszubrechen,<br />
ohne auch nur einmal unhörbar laut oder mörderisch<br />
schnell werden zu müssen. Gerade am Anfang wirkt<br />
das Album ungewohnt rockig und rasant, tatsächlich ist es<br />
aber genauso wenig verzerrt wie immer, die neue Wahrnehmung<br />
ist eigentlich nur durch detailversesseneres und noch<br />
mal verbessertes Songwriting zu erklären. Spätestens ab<br />
»Good To Sea«, dem dritten Song, singen Zach und Rob dazu<br />
wieder mit hellen Stimmen hohe und behände hüpfende Achtelnoten,<br />
jedoch darum bemüht, davon nicht die Atmosphäre<br />
des ganzen Songs festlegen zu lassen. So schön, dass man<br />
noch mal erwähnen muss: Hier, in ihrem Segment, sind Pinback<br />
das Beste, was es gibt. Und man schämt sich noch nicht<br />
einmal wirklich, wenn man sich daran erinnert, im euphorischen<br />
Überschwang mal das tumbe Superlativ von der »besten<br />
Band der Welt« gebraucht zu haben. Denn irgendwie<br />
passt das hier schon.<br />
Christian Steinbrink<br />
Immergut-Besucher zuvor je betreten<br />
hatte. Was soll man den sympathischen<br />
Jungs also wünschen? Dass ihre Platten<br />
noch bauernmäßiger werden? Denn das<br />
scheint ein wahrer Erfolgsgarant. Oder<br />
soll man wünschen, dass sie sich von<br />
dem Scum abgrenzen und dementsprechend<br />
ein spezielleres Werk verfassen?<br />
Keine Ahnung, zum Glück gibt »La<br />
Bum« selbst die Antwort: Die Sportfreunde<br />
rocken dort null verkrampft<br />
ihren Stiefel durch. Mit der gewohnt<br />
spitzbübischen Unbedarftheit, die sie<br />
zu unbedrohlichen Indie-Bubblegum-<br />
Helden macht, die sie sind und bleiben<br />
werden. Musikalisch hat man sich sogar<br />
was einfallen lassen: Der Electro-<br />
Pop von dem Brugger-Brüder-Spaß-Projekt<br />
TipTop fi ndet als Versatz seinen<br />
Weg in die Hauptband, und auch »englische«<br />
Gitarren und Intonationen akuter<br />
Insel-Bands wurden eingeschleppt<br />
und für den eigenen Stil urbar gemacht.<br />
Ziemlich amtlich. Einzig die Texte fungieren,<br />
wenn man nicht bereit ist, dauernd<br />
über Stilblüten, Hakeliges oder<br />
Ungeiles hinwegzuhören, als Stolperstein.<br />
Quatsch-Lyrics wie die der ersten<br />
Single, die so was bringen wie »Alles Roger!<br />
Nee, wer ist denn dieser Roger?«,<br />
muss man abkönnen, muss man vielleicht<br />
sogar lustig fi nden. Mir fällt das<br />
mehr als schwer. Aber aufgrund der immensen<br />
Aufmerksamkeit, die den Sporties<br />
mit diesem Album wieder zuteilwerden<br />
wird, dürften sich genug fi nden,<br />
die tatsächlich darüber lachen können.<br />
Dann passt’s doch.<br />
Sandra Brosi<br />
Swayzak<br />
Some Other Country<br />
!K7 / Rough Trade<br />
Swayzaks fünftes Album beginnt<br />
gleich mit einer Hymne: Eine sich mit<br />
weitem Hall ausbreitende Piano-Melodie,<br />
eine Vocal-Catchphrase, die sich<br />
direkt ins Hirn gräbt, dann donnernde<br />
Drums und eine 4/4-Bassdrum, die<br />
man mehr spürt als hört – daraus ha-<br />
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<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 109<br />
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Das 1. internationale Festival<br />
für Musikfilme in Hamburg<br />
23.08.–26.08.2007<br />
Programm und mehr Infos:<br />
www.unerhoert-filmfest.de<br />
Das sind alles wir mit Steinbrink<br />
V<br />
ic Chesnutt »North Star Deserter« (Constellation<br />
/ Southern / Al!ve) – Oh, schon<br />
lange kein Vic-Chesnutt-Album mehr gehört.<br />
Fast vergessen, wie schön das ist.<br />
Wie gut, dass er mit Constellation endlich wieder eine<br />
angemessene, wenn auch stilistisch nicht so richtig<br />
passende Heimstatt gefunden hat. Vielleicht können<br />
die seine surrende Stimme und diese stumpf klingende<br />
Akustikgitarre mal wieder etwas mehr ins öffentliche<br />
Interesse hieven.<br />
Shels »Sea Of The Dying Dhow« (Undergroove / Indigo)<br />
– Wobei dieser Sigur-Rós/Isis-Verschnitt hier<br />
noch viel besser zu Constellation passen würde, aber<br />
auf Undergroove erscheint. Klingt natürlich hymnisch<br />
wie erwartet, wirkt aber trotz beinharter Gitarrennoisewälle<br />
hin und wieder eine Spur zu aufgeräumt.<br />
Moonbabies »At The Ballroom« (V2 / Rough Trade)<br />
– Das ist dagegen doch wieder viel nachvollziehbarer<br />
Pop. Und so süß zwischen Klee und Saint Etienne zu<br />
verorten, dass er eigentlich nur aus Schweden kommen<br />
kann. Songs, so orchestral und romantisch, dass<br />
sie an Divine Comedy erinnern, ohne Plattitüden, dafür<br />
mit Stil und trotzdem einem Stückchen folkig-bravem<br />
Erscheinungsbild.<br />
Uphill Racer »You Will Understand« (Normoton<br />
/ Al!ve) – Komisch, dass man von Oliver Lichtl bisher<br />
kaum etwas gehört hat. Denn die Musik, die der Multiinstrumentalist<br />
aus München macht, ist gerade im<br />
nationalen Vergleich ziemlich einzigartig. Sowohl die<br />
schon sehr außergewöhnlich instrumentierten Indietronic-Popsongs,<br />
die noch einen leichten Bedroom-<br />
Recording-Charakter haben und mit einer an Thom<br />
Yorke erinnernden Stimme besungen sind, als auch<br />
die noch breiter und äußerst kreativ arrangierten Ambient-Soundscapes.<br />
Eine echte Entdeckung, besonders<br />
für Leute, die auf stringente Arrangements gerne<br />
zugunsten von ausschweifendem Schönklang und Experimentierfreude<br />
verzichten.<br />
Sixtoo »Jackals And Vipers In The Envy Of Man«<br />
(Ninja Tune / Rough Trade) – Ein Stückchen weit hat<br />
Sixtoo die raue Undurchdringlichkeit vom Vorgänger<br />
»Chewing On Glass ...« für sein neues Album zurückgeschraubt.<br />
Aber nur ein Stückchen, denn Konzeption ist<br />
dem Kanadier immer noch lieb. Die einzelnen Tracks<br />
sind durchnummeriert und sollen als Ganzes gehört<br />
werden. Trotzdem ist »Jackals ...« keine lustige Rare-<br />
Groove-Kiste. Die Beats grollen metallisch, die wenigen<br />
Soundelemente drum herum verschleiern die stoische<br />
Dynamik der Stücke dieses Mal kaum und blei-<br />
ben im Hintergrund, der HipHop-Bezug ist deutlicher<br />
denn je. Schönes strenges Album, wäre auch auf Anticon<br />
angesichts enttäuschender aktueller Veröffentlichungen<br />
sicher ein Schlüsselrelease geworden.<br />
The Dragons »BFI« (Ninja Tune / Rough Trade) – Eigentlich<br />
ist es für ein kleines Label wie Ninja Tune ja<br />
nicht ganz einfach, so viele Releases kurz nacheinander<br />
zu stemmen. Aber wenn DJ Food vor Ehrfurcht fast<br />
auf die Knie fällt, ist das für die Firmenverantwortlichen<br />
wohl ein deutliches Zeichen. Zumal hinter dem<br />
Album der Dragons ja so eine romantische Geschichte<br />
steckt: Vor 40 Jahren eingespielt, fanden drei Brüder<br />
aus Kalifornien für ihre Platte kein Label. Die Mastertapes<br />
versackten in der Vergessenheit. Bis Food neue<br />
Platten für seine überlebensgroße Sammlung sichtete<br />
und auf einen Track auf einem Surf-Sampler stieß. Er<br />
war hin und weg und kontaktierte die alt gewordenen<br />
Dragons. So kommt »BFI« beim britischen Label für<br />
abstrakte Elektronik zu verspäteten Weihen. Drauf ist<br />
erstaunlich aufgeräumter Psychedelik-Rock, der ernster<br />
als die Doors sein will und doch die Leichtigkeit<br />
der Beach Boys ausstrahlt. Könnte auch als entspannte<br />
Krautrock-Platte durchgehen. Auf jeden Fall schön,<br />
auch wenn die Platte nicht so revolutionär ist, dass<br />
man darüber spekulieren müsste, ob Rock bei zeitnaher<br />
Veröffentlichung von »BFI« eine gänzlich andere<br />
Entwicklung hätte nehmen können.<br />
Zeitkratzer feat. Lou Reed »Metal Machine Music«<br />
(Asphodel / Al!ve / VÖ 04.09.) – Man könnte jetzt<br />
ewig ausholen und über die polarisierende Wirkung<br />
des überlebensgroßen 1975er-«MMM«-Opus’ von<br />
Lou Reed abledern, die Anekdote von der sogenannten<br />
»MMM-Klausel« in Plattenverträgen seit dieser<br />
Zeit erzählen oder die Bedeutung des Zeitkratzer-Ensembles<br />
für die Bühnendarstellung von experimenteller<br />
und Noise-Musik würdigen. Das steht aber schon<br />
woanders. Deshalb hier nur kurz: Zeitkratzer brachten<br />
»MMM« auf die Bühne der Berliner Festspiele, und am<br />
Ende kam auch Reed selbst vorbei. Entstanden ist daraus<br />
eine CD+DVD, dickes schwarzes Digipack, markige<br />
metallene Typografi e, die Feedback-Kakofonie von<br />
einst hier neu und mit klassischem Instrumentarium.<br />
Fast schon martialisch, auf jeden Fall krasser Scheiß.<br />
Dabei darf natürlich nicht fehlen, Reed von Diederichsen<br />
d. Ä. zu dem ganzen Brimborium sehr launig und<br />
informativ live befragen zu lassen.<br />
Ween »The Friends EP« (Schnitzel / Rough Trade) –<br />
Nächstes Jahr steht auch mal wieder ein neues Ween-<br />
Album an, hier vorab eine EP nur mit nicht auf dem Album<br />
enthaltenen Tracks. »Friends« ist sommerlicher<br />
Eurodance und lässt vermuten, dass die Gebrüder ihren<br />
Humor mittlerweile vollends in Richtung »Bloodhound<br />
Gang« verschoben haben. Immer in anderen<br />
Zungen sprechen ist eine große Leistung.<br />
California Snow Story »Close To The Ocean« (Letterbox<br />
/ Al!ve) – Die Schotten Camera Obscura galten<br />
immer als Schwellenband: Man glaubte stets, der ganz<br />
große Durchbruch zum Indie-Olymp stünde kurz bevor.<br />
Aber sie blieben dann doch stets eine Stufe davor<br />
stecken. Jetzt werden die Karten aber noch mal gemischt.<br />
Denn David Skirving von der Camera orgelt<br />
jetzt solo los. Faszinierende Momente, richtig guter<br />
Pop, mehr als ein Geheimtipp.<br />
Los Kung-Fu Monkeys »Los Kung-Fu Monkeys«<br />
(Übersee / Al!ve) – Wenn Namen doch nur sprechen<br />
könnten. Ach so, das können sie ja. Dann muss man<br />
zu diesem Hybrid aus Ska, Folk und Punk aus Mexiko<br />
nicht mehr viel sagen. Der Bierstand im Moshpit.
en z. B. Underworld früher Klassiker wie »Born Slippy«<br />
gezaubert. Hier nun geben James Taylor und David<br />
Brown mit dem Track »Quiet Life« – mit Gastvocals<br />
der Berliner Produzentin Cassy – dem altbewährten<br />
Nebelmaschinen-Laser-Rave wieder einen guten Namen.<br />
Im weiteren Verlauf der Platte wird es aber doch<br />
minimal und dubbig, wie man es von Swayzak kennt.<br />
Gleichfalls zu seinem Recht kommt der Pop-Techno,<br />
besonders wegen der Gastauftritte von Richard Davis<br />
(»No Sad Goodbyes«) oder der Italiener Les Fauves.<br />
Aber auch die deutlich härteren, hypnotischen Instrumental-Tracks<br />
wie »By The Rub Of Love« machen<br />
nicht nur auf dem Dancefl oor, sondern ebenfalls beim<br />
Chillen bei 36 Grad im Schatten eine gute Figur. Sollte<br />
man mal nachfragen.<br />
Was macht euch beim Aufnehmen eines neuen Albums<br />
am meisten Spaß?<br />
James: Das Mastering. Es ist toll zu hören, was der<br />
Engineer macht, wenn er den Sound aus dem Mix herausarbeitet<br />
und das ganze Album ausbalanciert! Eine<br />
Wissenschaft für sich ... Ach ja, und lange aufzubleiben,<br />
wegen des Stress’ ...<br />
Du warst ja in den letzten drei Jahren so was wie im<br />
Vaterschaftsurlaub. War es schwer, wieder ins Musikbusiness<br />
zurückzukehren?<br />
Ja, das fand ich schon anstrengend.<br />
Ihr sagt selbst, »Some Other Country« sei dunkler<br />
und schwerer als das vorherige Album. Was meint ihr<br />
damit genau, und was war der Grund?<br />
»Dunkel« meint in diesem Fall, die Stimmungen<br />
sind dunkler, der Sound ist härter als sonst. Wir hatten<br />
das Gefühl, wir müssten so auf diesen ganzen prätentiösen<br />
Minimal-Kram antworten ... Natürlich gibt<br />
es auch ein paar gute Minimal-Sachen. Und die können<br />
auch ganz schön dunkel und hart sein.<br />
Christoph Büscher<br />
Skuli Sverrisson<br />
Sería<br />
&<br />
Jóhann Jóhannsson<br />
Dís<br />
&<br />
Reykjavík!<br />
Glacial Landscapes, Religion,<br />
Opression & Alcohol<br />
Alle 12 Tónar / Cargo<br />
Reykjavík. Es mag wie ein Klischee klingen, diese<br />
Kolumne isländischer Musik mit dem Namen der<br />
Hauptstadt zu beginnen. Aber alle drei Alben drehen<br />
sich irgendwie um diese Stadt. Skuli Sverrisson<br />
hat dort den Großteil seines »Sería« eingespielt,<br />
Jóhann Jóhannsson bezeichnet »Dís« als »my Reykjavík<br />
Album«, und Reykjavík! – nun ja. Letztere sind<br />
auch sonst eher direkt. Wo Sverrisson und Jóhannsson<br />
ästhetischen und ätherischen Sounds nachspüren,<br />
schweinerocken Reykjavík! einfach geil. Doch der<br />
Reihe nach:<br />
»Sería« ist das zweite Album von Sverrisson, und<br />
mit Bass, Gitarren und Streichern malt er mal bedrohliche,<br />
mal schwerelose, aber immer erhabene Melodien<br />
in den Nachthimmel. Manchmal verirrt sich eine sanfte<br />
Stimme auf die Tracks. In »One Night Of Swords«<br />
sprechsingt dann sogar Laurie Anderson – und ist dabei<br />
ähnlich ergreifend wie ihre Liebe Lou Reed am Anfang<br />
des Antony-And-The-Johnsons-Stücks »Fistfull<br />
Of Love«. Die Musik von Jóhannsson ist ähnlich gelagert.<br />
Er setzt mehr auf Keyboards und Komposition,<br />
klingt jedoch auch eher kontemplativ – allerdings hier<br />
nicht so abgrundtief abgehoben wie auf seinem letztjährigen<br />
Werk »IBM 1401 – A Users Manual«. »Dís«<br />
stammt bereits aus dem Jahre 2004 und war damals<br />
für den Icelandic Music Award nominiert: eine oft an<br />
die 80er-Jahre erinnernde Reise durch die Straßen einer<br />
Stadt. Keine Ahnung, ob Jóhannsson bei seiner<br />
Reykjavík-Hommage auch an die isländische Band<br />
Reykjavík! gedacht hat, die so ganz anders klingt als<br />
die Herren mit ihren Plings und Sounds. Die fünf Jungs<br />
spielen, nun ja, einfach geilen Schweinerock und haben<br />
dabei auf ihrem Debüt einige Momente, die bleiben.<br />
Wenn zum Beispiel bei »7-9-13« nach etwas mehr<br />
als zwei Minuten die Gitarren plötzlich so excuse-mewhile-I-touch-the-sky-mäßig<br />
durchdrehen. Herrlich.<br />
»You Always Kill« klingt dann sehr emotional nach den<br />
späten At The Drive-In – und ist vielleicht sogar so etwas<br />
wie ein Liebeslied. Ach, darum dreht es sich ja eh<br />
in der Rockmusik und in der Musik überhaupt: viel zu<br />
früh und immer wieder: Liebeslieder.<br />
Tobias Mull<br />
The Tacticians<br />
Some Kind Of Urban Fulfi lment<br />
Setanta / Rough Trade<br />
Das Beste an den Tacticians aus London sind sicherlich<br />
und mit Abstand ihre Texte, die die ironisch gebrochene<br />
Antirockstar-Haltung Art Bruts nachahmen<br />
und im Zuge dessen u. a. von verfl ossenen Lieben erzählen,<br />
die jetzt im Pornobusiness unterwegs sind.<br />
Das ist zunächst kein besonders beeindruckendes<br />
Qualitätsmerkmal, aber besser wird es einfach nicht.<br />
Denn die Musik, die die Brüder spielen, ist willenloser,<br />
angerauter Britrock, der so von 1960 bis heute irgendwie<br />
immer hätte stattfi nden können. Weder die Melodien<br />
noch die Arrangements haben großen Widererkennungswert,<br />
und der Gesang ist sogar ziemlich<br />
schwach. Aber die Tacticians wollen offensichtlich<br />
auch nur leicht unterhalten und ein paar lustige Schoten<br />
erzählen, und wem das reicht, der kann sich das<br />
hier bedenkenlos holen. Aber gerade vom sonst so guten<br />
Setanta-Label hätte man eigentlich mehr erwartet.<br />
Christian Steinbrink<br />
Team Avantgarde<br />
Absolut<br />
Edit Entertainment / Groove Attack<br />
Die Berliner HipHop-Formation Team Avantgarde<br />
hat sich einges vorgenommen, z.B. den verrückten<br />
Kids eine echte Alternative anzubieten. Reime, die<br />
gekonnt den Alltag refl ektieren und jenseits aller üblichen<br />
Text-Klischees auch über Drogen und Sonnenbänke<br />
Tacheles reden. Die Beats bouncen dazu auf beachtlichem<br />
Level. Kurz: Mensch, so könnte HipHop<br />
doch auch sein – und nicht nur in dieser Ausnahme.<br />
Uwe Buschmann<br />
This Moment In Black History<br />
It Takes A Nation Of Assholes<br />
To Hold Us Back<br />
X-Mist / Broken Silence<br />
Willkommen im Schilderwald der Verweise. Der LP-<br />
Titel von Public Enemy entliehen, das Artwork von Velvet<br />
Underground. Doch statt einer Banane ziert eine<br />
Aids-Schleife das Cover (abziehbar wie einst beim VU-<br />
Original) – das von Josephine Baker eingeführte und<br />
im Laufe der Jahre immer wieder rassistisch konnotierte<br />
Symbol für Blackness, Exotismus und Hinterwäldlerei<br />
ist vom Symbol für eine Krankheit abgelöst<br />
worden, die halb Afrika dahinrafft. Kein Zweifel<br />
– TMIBH melden Handlungsbedarf an. Wir haben es<br />
nach Jahren wieder einmal mit einer politisch ernst<br />
zu nehmenden Hardcore-Band zu tun, deren Message<br />
sich nicht auf Anti-Bush-Slogans beschränkt. Das<br />
Quartett aus Cleveland, Ohio, dem auch zwei afroamerikanische<br />
Musiker angehören, vermittelt Dringlichkeit.<br />
Politisches hört sich hier weder nach Style noch<br />
nach Attitüde an. Das liegt nicht zuletzt daran, dass<br />
die Musik hier nicht zweitrangig als bloßes Sprachrohr<br />
der Botschaft fungiert. Die ehemaligen Musiker<br />
von Neon King Kong und Bassholes spielen tollen<br />
Post-Core, der vom ersten Ton an klarmacht, wo-<br />
KARSTEN JAHNKE KONZERTDIREKTION <strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ G<strong>MB</strong>H 111<br />
INTERPOL<br />
16.11. MÜNCHEN // TONHALLE<br />
17.11. BERLIN // COLU<strong>MB</strong>IAHALLE<br />
19.11. KÖLN // PALLADIUM<br />
24.11. HA<strong>MB</strong>URG // DOCKS<br />
MÚM<br />
25.11. HA<strong>MB</strong>URG //MANDARIN KASINO<br />
30.11. BERLIN // VOLKSBÜHNE<br />
01.12. KÖLN // GEBÄUDE 9<br />
02.12. FRANKFURT // BROTFABRIK<br />
Joanna JoannA Newsom<br />
11.09. HA<strong>MB</strong>URG // KAMPNAGEL - K2<br />
13.09. FRANKFURT // DREIKÖNIGSKIRCHE<br />
18.09. MÜNCHEN // MUFFATHALLE<br />
ARCHITECTURE<br />
IN HELSINKI<br />
19.09. BIELEFELD // FORUM<br />
22.09. MÜNCHEN // AMPERE<br />
30.09. DÜSSELDORF // ZAKK<br />
THE HIVES<br />
19.11. HA<strong>MB</strong>URG // DOCKS<br />
20.11. BERLIN // COLU<strong>MB</strong>IAHALLE<br />
28.11. KÖLN // PALLADIUM<br />
30.11. WIESBADEN // SCHLACHTHOF<br />
01.12. MÜNCHEN // ZENITH<br />
!!!<br />
25.10. HA<strong>MB</strong>URG // KNUST<br />
26.10. KÖLN // GEBÄUDE 9<br />
SONIC SEDUCER<br />
EDITORS<br />
02.11. HA<strong>MB</strong>URG // UEBEL & GEFÄHRLICH<br />
03.11. BERLIN // POSTBAHNHOF<br />
07.11. MÜNCHEN // ELSER-HALLE<br />
08.11. KÖLN // LIVE MUSIC HALL<br />
KARTEN AN ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN.<br />
Ticketservice: 018 05 - 62 62 80 (€ 0,14/Min.)<br />
040 - 413 22 60 (Mo-Fr, 10 -18 Uhr) · www.karsten-jahnke.de
112 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Supermayer<br />
Save The World<br />
Kompakt / VÖ 17.09.<br />
Man kann ihnen einfach nicht böse sein. Einem charmanten<br />
Doppel aus Michael Mayer und Superpitcher verzeiht<br />
man sogar einen ebenso allerweltsmäßigen wie doofen Projektnamen<br />
samt großkotzigem Albumtitel und entsprechender<br />
Superheldeninszenierung auf dem Cover-Artwork. Supermayer<br />
retten also die Welt. Klar, für Baby Ironie und Mister<br />
Größenwahn waren bei diesem Abenteuer von Anfang<br />
an zwei Hauptrollen vorgesehen. Das Gute daran: Mit ihrem<br />
selbstbewussten Auftreten haben unsere beiden Comic-Helden<br />
gar nicht so unrecht, denn tatsächlich versöhnen sie die<br />
zickige Popgeschichte mit dem dicken Tanzbeat. Die Songs<br />
und Discostampfer auf »Save The World« sind überraschend,<br />
quirlig und auf jeden Fall nicht das, was man von einem Kölschen<br />
Dreamteam of Schaffeltechno und Neo-Trance, das bis-<br />
her er kommt und wohin er will. Black<br />
Flag, Fugazi und The Bad Brains – die<br />
trotz ihrer Homophobie und religiösen<br />
Spinnerei eine Band waren, deren historische<br />
Bedeutung man anerkennen<br />
muss, wenn auch zähneknirschend –<br />
bilden hier die Blaupause für einen musikalisch<br />
sehr offenen HC-Ansatz, der<br />
von Steve Albini entsprechend schneidend<br />
produziert wurde. Das zappelt und<br />
lodert, pfeift auf Trends, vermittelt Wut<br />
und Aufbegehren und gibt allen, die<br />
musikalisch in den 1980ern sozialisiert<br />
wurden, das tröstliche Gefühl, dass die<br />
HC-Szene doch noch mehr als lebende<br />
Schatten ihrer selbst zu bieten hat.<br />
Martin Büsser<br />
Two Gallants<br />
Full Bleed<br />
Saddle Creek / Indigo<br />
Erst kürzlich, anlässlich der Veröffentlichung<br />
der EP »The Scenery Of<br />
Farewell«, konnte man den Eindruck<br />
gewinnen, dass Two Gallants mittlerweile<br />
Spaß daran gefunden haben,<br />
ihre Songs endlich mal behutsam<br />
und bedächtig zu arrangieren. Diesen<br />
Eindruck lässt das nun folgende<br />
volle Album wieder ein Stück weit<br />
verfl iegen. Die beiden Typen haben<br />
es einfach nicht übers Herz gebracht,<br />
ihren omnipräsenten Dylan-Bezug<br />
zurückzudrängen, und knödeln sich<br />
wieder voller Lust durch Hillbilly-<br />
Gitarren und Mundharmonika-Soli.<br />
Das ist zwar wie gewohnt gekonnt und<br />
auch stimmungsvoll über die pure<br />
Replik hinaus, aber eben doch ziemlich<br />
gewohnt. Am schönsten ist die Platte,<br />
wenn die Verstärker ausgestöpselt werden<br />
und etwas Ruhe und Melancholie<br />
einkehrt, wie z. B. in »Trembling Of The<br />
Rose«. Ansonsten regt besonders die<br />
haargenaue Nachahmung von Bobs<br />
Antigesang auf. Dieses Flirren in um<br />
Halbtöne schiefen Tonlagen muss man<br />
sowieso erlernen, das kann man doch<br />
auch gleich bleiben lassen. Klar war<br />
und ist: Was die Two Gallants machen,<br />
machen sie gut. Dieses Album lässt<br />
aber weiterhin die Vermutung zu, dass<br />
sie etwas anderes noch viel besser<br />
könnten. Was der wieder beruhigtere<br />
Schluss mit den Stücken »Fly Low Carrion<br />
Crow« und »My Baby’s Gone« auch<br />
äußerst hübsch beweist.<br />
Christian Steinbrink<br />
her fast nur remixend aufgetreten ist, erwartet hätte. Eine<br />
quäkende, verdammt nach Jim Avignon klingende Stimme<br />
macht auf dem ersten Stück die programmatische Ansage:<br />
»The Art Of Letting Go«. Und in der Folge wird mit jedem einzelnen<br />
Stück dieser Platte alles an Erwartungshaltungen losgelassen<br />
und der Anspruch, den Kompakt an sich selbst stellt<br />
und auch gerne nach außen kommuniziert, endlich mal eingelöst,<br />
nämlich, schlicht und einfach ein Poplabel zu sein.<br />
So vielfältig, zitierfreudig, catchy und glamourös wie Supermayer<br />
war Kompakt noch nie und Köln seit Forever Sweet<br />
nicht mehr. Und gerade in dieser Offenheit liegt die Qualität<br />
der Platte. Techno gerettet, Pop gerettet, Welt gerettet. Dann<br />
ist ja wohl alles supermayer! Mehr im nächsten Heft.<br />
Arno Raffeiner<br />
Patrick Watson<br />
Close To Paradise<br />
V2 / Universal<br />
Uhh, was ist denn das für eine irre<br />
Nummer? Eine Stimme irgendwo am<br />
Ende der Garage aufgenommen, höhenlastigeFolk’n’Banjo’n’Schüttel-Ei-Untermalung<br />
und zwischendurch noch<br />
Frauenchöre wie in einem Sixties-Popsong.<br />
Wer macht denn so was? Augenscheinlich<br />
Patrick Watson aus Montreal.<br />
Kanada ist das neue Skandinavien,<br />
möchte man mal wieder meinen.<br />
Zumindest in puncto relevanter Pop-<br />
Output. Soundmäßig macht er natürlich<br />
keine Zugeständnisse an schwedische<br />
Perfektionsliebe. Es geht eher<br />
um diese leicht hippieeske Detailfreude<br />
von Kommunen-Musizieren – wie<br />
bei Broken Social Scene. Nur dass Patrick<br />
dabei ziemlich verlassen klingt.<br />
Und durch den angezerrten Hall auf seiner<br />
Stimme verdichtet sich dieses Gefühl<br />
von aufgewühlter Vereinzelung<br />
nur noch. Das ist Musik von einem Bartträger<br />
– wenn man diesen Umstand tatsächlich<br />
hören kann, dann hier. Ach,<br />
und zuletzt steuerte er seine genauso<br />
zarte wie kräftige Stimme bei eini-<br />
PRINCE Band Support. Pepe Mula<br />
PRINCE hat für Musiker mit Leidenschaft<br />
ein großes Herz und deswegen<br />
den »PRINCE Band Support« ins Leben<br />
gerufen, um ambitionierten Bands unter<br />
die Arme zu greifen. Dieses Förderprogramm<br />
bietet den Rockstars in spe<br />
im <strong>Intro</strong> regelmäßig die Möglichkeit,<br />
sich der Welt vorzustellen. Um also<br />
auch mal Schlagzeilen zu machen, einfach<br />
eine Mail mit »Band Report« im<br />
Betreff an service@prince.de schicken<br />
und die Post abwarten.<br />
Die Gründungsgeschichte von Pepe<br />
Mula ist ganz klassisch: Sänger sucht<br />
per Anzeige Band, beim ersten Mal im<br />
Proberaum merkt man: Man gehört zu-<br />
sammen, hier geht einiges. Die fünf<br />
Jungs von Pepe Mula eint nicht nur eine<br />
große Leidenschaft für The Doors, auch<br />
an kontemporären Bands wie The Strokes<br />
oder The Vines haben die Musiker<br />
einen Narren gefressen. Man versteht<br />
sich blind, die Songs schreiben sich von<br />
selbst. Doch sind Pepe Mula mehr als<br />
nur ein billiger Abklatsch der Großen.<br />
Ihre Songs haben einen eigenen Drive<br />
und lassen sich nicht so leicht in eine<br />
Genre-Schublade stecken: Zwar nölt<br />
Sänger Daviel Alonso Garcia genauso<br />
schön gelangweilt wie Julian Casablancas,<br />
allerdings meint man andernorts –<br />
wie im Song »White Light« zum Beispiel<br />
– fast Brad Nowell, den legendären Sän-<br />
gen Songs des Cinematic Orchestra<br />
bei. Das ist eigentlich nur eine typische<br />
Rezi-Information, aber letztlich ja doch<br />
auch eine Empfehlung. Trotz der uferlosen<br />
und klangvollen Einsamkeit: Alles<br />
schön. Alles schön.<br />
Christian Kahrmann<br />
You Say Party!<br />
We Say Die!<br />
Lose All Time<br />
Pias / Rough Trade<br />
»The stars burn so bright, much better<br />
than neon lights« – der nächste ultimative<br />
Dancefl oor-Slogan? Vielleicht.<br />
Und der stammt nicht von The<br />
Gossip oder Hot Hot Heat, sondern von<br />
YSP!WSD! Dass die ehemalige Fahrrad-Gang<br />
aus Vancouver Gitarren-Musik<br />
für die Tanzfl äche macht, hat sie bereits<br />
mit ihrem Debüt »Hit The Floor«<br />
bewiesen. Auch auf dem Nachfolger<br />
schreit, spricht und singt sich Sängerin<br />
Becky Ninkovic enervierend durch die<br />
Songs, die im Ganzen etwas stringenter<br />
ausfallen, aber immer noch vor Feedback-Attacken<br />
und rollenden Bässen<br />
nur so strotzen. Pretty Girls Make Graves<br />
müssen da als Referenz genannt<br />
werden. YSP!WSD! ist nicht nur wegen<br />
der gleichen Bandkonstellation (zwei<br />
Frauen, drei Männer) mit dem Seattle-<br />
Fünfer vergleichbar, sondern auch, weil<br />
sie es ebenso verstehen, punkige Passagen<br />
neben melancholisch-melodiöse<br />
Parts zu setzen. So fl echten sie bei<br />
»Monster« und »Moon« bittersüße Bontempi-Orgeln<br />
absolut komplementär in<br />
das Noise-Gewitter. Mit »You’re Almost<br />
There« rauscht eine waschechte Piano-<br />
Ballade in das ansonsten laute Soundgefüge,<br />
die den Hörer mit ihrer Schwere<br />
schlimmer erwischt als damals die<br />
Titelmelodie von »Praxis Bülowbogen«<br />
im sorgenfreien Vorabendprogramm.<br />
Doch lange schwelgen ist nicht die Sache<br />
von YSP!WSD!. Die wollen nämlich<br />
eigentlich immer nur tanzen.<br />
Thomas Markus<br />
ger der So-Cal-Ska-Punk-Band Sublime,<br />
herauszuhören. Die Band nennt ihr Potpourri<br />
an Einfl üssen selbst gerne »Discopunk<br />
mit Guerilla-Pop-Kante« und<br />
hat damit vollkommen recht. Dank ihrer<br />
eigenwilligen Mischung aus Pop, Ska<br />
und Punk haben sich Pepe Mula in Leipzig<br />
schon längst einen Namen erspielt.<br />
Und inzwischen reicht ihr Ruf auch über<br />
die Heimatstadt hinaus: Kurz nach dem<br />
Release ihres Debütalbums »Wunderwaffe«<br />
teilten sich die Leipziger auf dem<br />
bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens<br />
letzten Sommer auf dem SonneMond-<br />
Sterne-Festival eine Bühne mit Acts wie<br />
Mia., den Scissor Sisters und Kraftwerk.<br />
Wie gesagt – da geht einiges.
Tanzen mit Venker, Tomsche & Frank Martiniq<br />
Boxer wird 50. Und die Compilation zum<br />
Fest, »Jubilee« (Boxer / Kompakt), mixt der<br />
Kölner DJ und Produzent Frank Martiniq<br />
– übrigens mit Vinyl und nicht am Rechner.<br />
(»Okay, okay, ein bisschen nachbearbeitet wurde,<br />
kostete so schon genug Nerven ...«) Anlass, ihn zum<br />
Frühstück einzuladen und dabei die aktuellen Platten<br />
durchzuhören.<br />
Mark August »Old Joy« (Connaisseur Recordings<br />
/ Intergroove) – V: Schluck den Bissen runter, wir wollen<br />
Kommentare hören. M: Bis zur Hälfte fand ich die<br />
ganz gut, dachte zuerst, das wär eine Platte von Gabriel<br />
Ananda, aber dazu klangen die Drums dann letztlich<br />
zu wenig nach ihm. Was mich an der zweiten Hälfte<br />
stört: Da kommt erst noch eine Hookline dazu, dann<br />
noch eine Fläche – tja, und dann ist es einfach zu matschig.<br />
T: Ich bin geplättet. Das nenn ich mal ‘ne klare<br />
Analyse. V: Kennst du Mark August? M: Nee, aber<br />
von Connaisseur gab es vor kurzem eine Compilation,<br />
die ich nicht so schlecht fand. V: Das klingt aber auch<br />
nicht begeistert. M: Na ja, ist halt wie oft bei Compilations:<br />
Ein, zwei Tracks sind gut, und das war es dann.<br />
V: Hm, zur b müssen wir wohl nicht mehr viel sagen.<br />
M: Gefällt mir aber besser als die a. Schöne Melodie. V:<br />
Ja, es klingt entspannt und gut, aber mehr ist da doch<br />
nicht abzuholen ...<br />
Raudive »Zeitgeist EP« (Pokerfl at / Word And<br />
Sound) – M: Ach so, das ist Oliver Ho. Der hat früher<br />
sehr harten Techno gemacht, so Adam-Beyer-Schiene.<br />
Wobei ich mir letzte Woche sogar einen Adam-Bey-<br />
er-Remix gekauft habe – das hätte ich nie für möglich<br />
gehalten. Muss man halt ein bisschen runterpitchen.<br />
V: Unspektakulär. So die typische Mischung: düster<br />
brabbelnde Stimme, Signalterror und Rumpelbeats.<br />
M: Find ich nicht gut. Auch absolute Klischeestrings.<br />
Und ja, das Piepen nervt. T: Auf der b sind Remixe von<br />
einem Stück namens »Needles«. V: Kennst du das Original?<br />
M: Nee. T: Remixt haben das Steve Bug und<br />
Head, hm, das ist wohl eher eine Genrezuordnung. V:<br />
<strong>Als</strong>o, wenn in den Bug-Mix nicht bald Dynamik reinkommt,<br />
dann ... M: Ich fi nd den ganz nett, um ein Set<br />
anzufangen.<br />
Mikael Jonasson »Twenty Se7en« (Audiomatique /<br />
Word And Sound) – M: Das fängt schon mal sehr sympathisch<br />
an. Der soll das jetzt bloß nicht ruinieren. Ich<br />
hab gerade eine Assoziation: Ich sehe einen Flummi<br />
durch die Wohnung hüpfen. V: Klickert mir ein bisschen<br />
zu sehr rum. M: Ja. Wo bleiben denn derzeit die<br />
schönen Basslinien? Ich habe oft den Eindruck, dass<br />
die Leute mehr und mehr Soundschnipsel hinzufügen,<br />
um ihre eigene Ideenlosigkeit zu überspielen.<br />
V: Die b2 hat ‘ne Basslinie – aber keine überzeugende.<br />
Hauptsache anbratzen. M: Ja, warum lässt denn<br />
gerade fast keiner die Basslinie mal gerade laufen?<br />
Ich wünschte, Leute wie Herbert würden mal wieder<br />
»back to the Roots« produzieren. Warm, funky und<br />
ohne Bigband bitte schön.<br />
Felix Da Housecat »Future Calls The Dawn« (Different<br />
/ Pias) – M: Das ist Felix Da Housecat? Das müsste<br />
doch bei jedem mittlerweile angekommen sein, dass<br />
man diesen Cher-Effekt auf der Stimme nicht mehr<br />
bringen kann. Demnächst im Duett mit Scooter. V:<br />
Ist halt so ‘ne typische Maxi, wo der Produzent einen<br />
Hit abliefern will. Ah, jetzt auch noch sein Break mit<br />
pseudo-mystischem Gerede. M: Das muss man professionell<br />
hören – aber auch dann ist es nicht gut. T:<br />
Jetzt die b. M: Das ist so unerwartet bescheuert nach<br />
der schlechten a, dass ich einen Pluspunkt verteilen<br />
möchte. V: Respekt, dass du dem was abgewinnen<br />
kannst. M: Ob ich ihm wohl meine alten Front-242-<br />
Platten verscherbeln kann? V: Der merkt nichts mehr,<br />
der nimmt alles. M: Wobei eher Sigue Sigue Sputnik.<br />
T: Da schließt der Trash an. V: Schrecklich, Mix aus<br />
Kinderzimmersynthesizer und Porn-Ästhetik.<br />
Miss Kittin & The Hacker »Hometown EP« (Good<br />
Life / Pias) – M: Ich will ja nicht jede Platte runterkommentieren.<br />
<strong>Als</strong>o deswegen mal anders ausgedrückt:<br />
Ich mochte Miss Kittin und den Hacker noch nie, aber<br />
für Fans sollte das was sein. Irgendjemand hat mal<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 113<br />
zu Miss Kittins Aufl egfähigkeiten »Doppelbasskönigin«<br />
gesagt. Ich war es nicht! V: Das ist aber gemein.<br />
Ich mochte immer, dass sie über die Tracks, auch über<br />
fremde, drübersingt – das hilft natürlich, die – in der<br />
Tat – nicht perfekten Skills zu verbergen. Aber mal ehrlich:<br />
Wer braucht schon Perfektionismus? – Doch nur<br />
Leute ohne Herz.<br />
Lawrence »Compulsion« (Dial / Kompakt) – V: So,<br />
jetzt wird es gut. Mein Mann Lawrence. Der hat noch<br />
nie gepatzt. M: Geile Basslinie. Erinnert mich spontan<br />
an Lil’ Louis. Wusste gar nicht, dass er auch so tanzbar<br />
produziert. V: Doch, doch, aber eben zugleich sehr<br />
stimmungsvoll und auch mit dem richtigen Maß an<br />
Experimentierfreudigkeit; allein schon, wie die Beats<br />
sich am Anfang einhüpfen. M: Toll, nach all den Lästereien<br />
kann ich endlich was abfeiern. T: Ich mach mal<br />
die beiden b-Tracks. Ah, wieder so eine tolle Melodie.<br />
M: Sehr, sehr schöne Platte. Würde ich mir schon allein<br />
wegen der a kaufen. V: Die b2 kontrastiert den klirrenden<br />
Oberbau mit dem dubbig-wummrigen Basssound.<br />
Hervorragend.<br />
Laps »Jolie EP« (Smallville / Kompakt) – M: Schöne<br />
Platte. Für mich eine bessere Pokerfl at. Ich mag die<br />
Sounds und den hypnotischen Touch. V: Kennst du<br />
den Plattenladen von denen? Der ist ganz toll. M: Ich<br />
habe es leider noch nie hingeschafft. Für mich ist der<br />
Julius, einer der Betreiber, der Marc Lansley von Hamburg.<br />
Feiert gerne, kennt alle – da macht es Sinn, einen<br />
Plattenladen mitzubetreiben, wenn man so ein Kommunikator<br />
ist. V: Ich mag das Artwork, das hat so eine<br />
Prägnanz, gerade dadurch, dass es sich ästhetisch zurücknimmt,<br />
auf wenige, sehr kindlich gezeichnete Linien<br />
und Formen beschränkt. M: Die hölzern-rhythmischen<br />
Sounds sind klasse.<br />
Thomas Anderson »Upwardly Mobile« (BPitch<br />
Control / Neuton) – V: Gibt das einem von euch was?<br />
M: Der hatte mal eine Gute auf BPitch, aber die? Nee.<br />
T: Ich fand das Scheppern im ersten Drittel ganz gut,<br />
aber sonst ... Ich mach mal die b. V: Besser als die a.<br />
Aber einfach nichts für mich. M: Ja, besser als die a.<br />
Aber trotzdem ausmachen. Danke. V: Und Feierabend.<br />
Bzw. jetzt darfst du zum Schluss noch die zwei aktuellen<br />
Maxis droppen, die auch zum Boxer-Geburtstag<br />
rauskommen und auf denen neben dir noch Matzak,<br />
Goldfi sh (remixt von Tadeo), Handycraft, Patrick Chadonney<br />
(»50.1«) und Duoteque, Martin Eyerer, Matzak<br />
(remixt von Tekel) und Delon (»50.2«) mit dabei sind.<br />
M: Oh, Danke, die heißen so: Diverse »50.1« und »50.2«<br />
(Boxer / Kompakt)
114 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Heimspiel 09.2007<br />
Ascona<br />
This Could Be Your Part<br />
To Sing!<br />
CD // Day-Glo / Pias<br />
Im Hause Ascona weiß man um die eigene<br />
Hymnenhaftigkeit. Sonst hätte<br />
man sich wohl kaum getraut, das Album<br />
»This Could Be Your Part To Sing!«<br />
zu nennen. Und tatsächlich gelingt den<br />
Reutlingern mit dem Opener »Hands<br />
And Feet« aus dem Stand der Sprung<br />
in ungeahnte Euphoriehöhen. Glasklare<br />
Gitarren, große Melodien, Singalong-Lyrics,<br />
ein Refrain wie ein Schulterklopfen<br />
– und genau im richtigen<br />
Moment der Tritt aufs Effektpedal, der<br />
schon auf der Coverfotografi e angedeutet<br />
wird. Das packt, ist zwar nicht originell,<br />
aber weckt angenehme Erinnerungen<br />
an die Readymades, Miles’ und Pales,<br />
die uns die heimische Musiklandschaft<br />
schon beschert hat. Ascona suchen<br />
sich die Referenzpunkte natürlich<br />
lieber im Ausland und nennen die Shins<br />
und die Strokes als Einfl üsse. Ersteres<br />
geht durchaus klar, Letzteres bleibt ein<br />
Rätsel. Statt aufgesetzter NYC-Coolness<br />
herrscht hier nämlich die große<br />
Gefühlsgeste, die nur ganz selten ins<br />
Pathetische kippt, wenn sich Sänger<br />
Ronald Russat ein wenig zu sehr ans<br />
Mikro wirft. Daran krankt beispielsweise<br />
das Titelstück. Aber das bleibt dann<br />
auch der einzige Schwachpunkt eines<br />
Albums, in dem viel Herzblut steckt und<br />
an dem hörbar lange gefeilt wurde.<br />
Daniel Koch<br />
Diverse<br />
Who Put The L In Leipzig<br />
CD // Palmo<br />
Irgendwas läuft in Leipzig anders.<br />
Nicht nur vor der Wende, sondern vor allem<br />
im Hier und Jetzt. Man denke an Ilses<br />
Erika, Conne Island, das PNG-Fanzine<br />
und unsere liebste Indiemesse, (Pop<br />
Up, um nur einige zu nennen. Und obwohl<br />
oder gerade weil allerorten nach<br />
Berlin gezogen oder zumindest ge-<br />
schielt wird, bleibt Leipzigs Subkultur<br />
so aufregend. Wie spannend Leipzigs<br />
Musikszene derzeit vor sich hin werkelt,<br />
zeigt die Compilation »Who Put<br />
The L In Leipzig«. Herrlich Verqueres<br />
steht neben New Wave neben Electrogeplucker<br />
neben klassischem Indiepop.<br />
Wenn es so etwas wie eine Leipziger<br />
Version von New Rave gibt, dann übernehmen<br />
das wohl acid.milch&honig<br />
und Mirz Brün mit merkwürdigen Texten<br />
und zackigen Beats. Gitarrenlastiger,<br />
aber nicht weniger tight kommen<br />
Woodruff And The Snibble Of Azimuth<br />
daher. Großartig auch die Beiträge<br />
von Leipzigs augenblicklicher Indiespeerspitze,<br />
den von ZickZack gesignten<br />
Brockdorff Klang Labor. Das geht<br />
textlich gerade so am Popkitsch vorbei,<br />
überrascht dann aber immer wieder<br />
mit eleganten Wendungen. So unterschiedlich<br />
die einzelnen Beiträge auf<br />
»Who Put The L In Leipzig« auch sind,<br />
von einer Leipziger Schule zu sprechen<br />
drängt sich nicht nur auf, sondern ist<br />
längst überfällig. Da geht das Kopfnicken<br />
in Richtung UK im Compilation-<br />
Titel also durchaus in Ordnung.<br />
Tine Franz<br />
Green Empathy<br />
Souvenirs<br />
CD // Peacelounge /<br />
www.peacelounge.com<br />
Daniel Voss mag exotische Klänge und<br />
fröhliche, eindeutige Harmonien, gerne<br />
etwas angekitscht. Er liebt die schönen<br />
Seiten des Lebens und irgendwie<br />
wohl die ganze Welt in all ihrer Verschiedenheit.<br />
Daher macht er als Green<br />
Empathy, bei einigen Stücken unterstützt<br />
von Bruder Roland Voss, so eine<br />
Art Elektronikweltmusik, die sich aber<br />
in den fernen Ländern meist in einem<br />
Gummischutzanzug versteckt, um ja<br />
keine bösen Infektionen mit nach Hause<br />
zu nehmen. Ausgerechnet an der im<br />
Projektnamen behaupteten Empathie<br />
als musikalischem Einfühlungsvermögen<br />
fehlt es da ein bisschen, denn<br />
die Weltmusikanmutung bleibt gerne<br />
im eurozentristischen Harmoniesumpf<br />
stecken, in den Klischee-Sounds<br />
und den zahlreichen Gesangslinien,<br />
die sich Voss von wer weiß woher ausgeliehen<br />
hat. So klingen die »Souvenirs«,<br />
die Voss von seinen geträumten<br />
Reisen mitgebracht hat, ein bisschen<br />
so, als würde rasch mal eben die<br />
Soundbibliothek namens »Ethnic«<br />
durchgehört. Sie lassen Biss und Identität<br />
vermissen. Das Album könnte als<br />
netter Versuch für das Projekt Völkerverständigung<br />
durchgehen oder eben<br />
auch als munter zusammengewürfeltes<br />
Lounge-Album, das, leise im Hintergrund<br />
gespielt, ein bisschen grüne<br />
Sehnsuchtstapete an die Wand malt.<br />
Arno Raffeiner<br />
Karamel<br />
Schafft Eisland<br />
CD // DevilDuck / Indigo<br />
Gänsehaut! Wenn Johann Scheerer<br />
manchmal in den Refrains eine Oktave<br />
nach oben wechselt und mit verzerrter,<br />
sich überschlagender Stimme all seine<br />
Verzweifl ung hinausschreit – das ist in<br />
seiner Emotionalität nicht wenig eindrucksvoll.<br />
Überhaupt hat man schon<br />
beim ersten Hören dieses Albums den<br />
Eindruck, dass hier jemand seine Stimme<br />
gefunden hat. Der näselnde Stimmcharakter<br />
erinnert zwar an Jens Friebe,<br />
die etwas gallige, schwermütige Attitüde<br />
und der Flow der deutschen Worte<br />
lassen auf eine geistige Nähe zu Clickclickdecker<br />
schließen. Und doch hat<br />
Scheerer, der zusammen mit seinem<br />
Partner Sebastian Nagel das Duo Karamel<br />
bildet, etwas unverwechselbar<br />
Eigenes. Beinahe könnte man ihn als<br />
deutschen Chansonnier bezeichnen:<br />
Oft reicht eine gezupfte Gitarre als Begleitung<br />
völlig aus, und die Melodiebögen<br />
haben etwas sehr Weiches. Die<br />
Produktion hingegen bringt schroffe<br />
Elemente ins Spiel – Störgeräusche,<br />
Übersteuerungen, Fiepsgitarren, rumpelige,<br />
verschleppte Schlagzeugrhythmen.<br />
Klarer Fall von 90er-Jahre-Depri-<br />
Schrammel-Rock-Sozialisierung: hängende<br />
Schultern, hängende Köpfe. Textlich<br />
wird ordentlich im Gefühlseintopf<br />
gerührt. Richtig eindeutig wir es zwar<br />
an keiner Stelle, trotzdem beschleicht<br />
einen bei jedem Song die fröstelnde Ahnung,<br />
dass es wohl um heikle Angelegenheiten<br />
gehen muss.<br />
Oliver Minck<br />
The Lazy<br />
Lazy In Red<br />
CD // www.thelazy.org<br />
Atemberaubend, wie gut das ist: wie clever,<br />
wie gewitzt, wie smart. Drei Münchener<br />
Bohemiens, die ihre Exzentrik<br />
offensichtlich gerade noch im Zaum<br />
halten können, machen eine Platte ohne<br />
stilistische Maßgabe und nennen sich<br />
The Lazy. Sie predigen die Ambitionslosigkeit<br />
als einzig wahren Ausweg, als<br />
Konklusion des Lebens sozusagen. Und<br />
das wirkt noch nicht einmal banal. Sie<br />
machen, wie im Info richtig geschrieben<br />
wird, »harmonische Popsongs und<br />
unharmonische Schrottsongs«. Und<br />
sowohl die einen wie die anderen sind<br />
durchaus gelungen. Es ist so erhebend<br />
wie ironisch, wenn sie mit hymnischen<br />
Singalongs wie »I’m So Happy Electricity<br />
Exists« um die Ecke kommen oder<br />
wenn sie ihr Wortspiel »Vom Tellerwäscher<br />
zum Militär« ausgiebig und stolz<br />
direkt im Song selbst erklären. The Lazy<br />
erinnern ab und zu an Rocket Freudenthal,<br />
sind aber deutlich schlüssiger. Und<br />
wer glaubt, dass Tocotronic mit ihrer Kapitulationsanalogie<br />
überzeugend wa-<br />
ren – eindeutig wären sie erst gewesen,<br />
wenn sie so wie The Lazy »Und wir pressen<br />
unsere Ärsche in Gips und alle machen<br />
mit« oder »It is ridiculous to wait<br />
for better pay« gesungen hätten.<br />
Christian Steinbrink<br />
Myoni<br />
Ohne Worte<br />
CD // www.oktobermusik.de<br />
Myoni meinen es verdammt ernst. Die<br />
Berliner Band um Namensgeber und<br />
Sänger Martin Myoni hat es nicht mit<br />
Ironie, Humor und szenigem Understatement.<br />
Noch nicht mal cool wollen<br />
die fünf sein. Da ist nichts mit Verstärker<br />
aufreißen und losschrammeln,<br />
nein, da werden im Vorfeld Konzepte<br />
ausgebrütet – von einem »Dreipunkteplan«<br />
ist gar im Info die Rede: Leidenschaft,<br />
Zurückhaltung, Ernsthaftigkeit.<br />
Das Ergebnis klingt dann auch<br />
ganz schön nach Konservatorium:<br />
Schreiben Myoni vielleicht erst einmal<br />
Partituren, bevor es ins Studio geht? Jeder<br />
Gitarrenton scheint auskomponiert<br />
– und wenn der Verzerrer doch einmal<br />
eingeschaltet wird, dann aber mit Bedacht.<br />
Martin Myoni singt in gewundenen,<br />
fantasievollen Melodien, mit einer<br />
Stimme, die in den Tiefen angenehm sonor<br />
klingt. In den Refrains schaltet er<br />
oft auf Kopfstimme um, durch die ständigen<br />
Harmonisierungen stellt sich ein<br />
Chorus-Effekt ein, der an die Münchner<br />
Freiheit erinnert. Die deutschen Texte<br />
von Myoni sind lyrisch, indirekt und<br />
kommen ohne offensichtliche Bedeutung<br />
daher. Mag auf den ersten Blick<br />
alles ein wenig unlocker wirken – vom<br />
allgegenwärtigen Selbstanfeuerungspop<br />
der deutschen Major-League ist das<br />
hier aber meilenweit entfernt. Da repräsentieren<br />
Myoni schon eher das Land<br />
der Dichter und Denker.<br />
Oliver Minck<br />
Rusty Spoon<br />
Mixtape Wreckers<br />
CD // www.rusty-spoon.de<br />
Schrammelgitarre trifft Breakbeat.<br />
Country-Akkorde poltern in die Disco.<br />
Turntablism sagt »Ja« zur Jazz-Geige.<br />
In den seligen 90er-Jahren hieß solcher<br />
und ähnlich gearteter musikalischer<br />
Zeitvertreib mal Big Beat und<br />
beherrschte partytechnisch gesehen<br />
die ganze Welt. Wenn zehn Jahre später<br />
wieder überall Neonfarben leuchten<br />
und lautstark die lustige Beliebigkeit<br />
eingefordert wird, kann man sich ja mal<br />
am Recyclen des alten Musikspaßes<br />
ausprobieren. Das haben sich zumindest<br />
Dominik »DJ Nick Narrow« Annies<br />
und Mat »ManicMat« Kovacic gedacht<br />
und einfach losgelegt. Beim ersten Hinhören<br />
klingt das, was die beiden mit ihrem<br />
Projekt Rusty Spoon da anrühren,<br />
nach einer etwas kruden Mischung.
Aber schließlich wollen sie sich auf diesem<br />
Album ja auch erklärtermaßen als<br />
»Mixtape Wreckers« gerieren. Und das<br />
machen sie dann eigentlich ganz ordentlich.<br />
Wie viele Musikgenres bei den<br />
Scratch- und Sample-Attacken der beiden<br />
kaputt gegangen sind, lässt sich<br />
nicht mehr so ganz genau ausmachen.<br />
Aber egal, die übrig gebliebenen und<br />
bunt durcheinandergewürfelten Splitter<br />
sind auch so für einige Kurzweil<br />
gut und haben mit ihrer Lo-Fi-Rock-<br />
Rap-Rumpeligkeit in einigen wenigen<br />
Glanzmomenten fast was vom Herrn<br />
Beck Hansen.<br />
Arno Raffeiner<br />
Son Of The Velvet Rat<br />
Loss & Love<br />
CD // Monkey / Broken Silence<br />
Es ist keine Sensation, dass »Loss &<br />
Love« ein wunderschönes Album ist.<br />
Sensationeller ist da schon, woher es<br />
kommt. Denn hinter Son Of The Velvet<br />
Rat steckt der Grazer Georg Altziebler.<br />
Mit seinem zweiten Album ist er endgültig<br />
in die uramerikanische Phalanx<br />
schöner Folk- und Countryalben eingebrochen.<br />
Zumindest aus Mitteleuropa<br />
gab es bisher noch keine Platte,<br />
die die Alternative-Country-Stimmungen<br />
des mittleren Westens so fühlbar<br />
nachvollzieht. Altziebler versteht es,<br />
Songs zu schreiben, die den amerikanischen<br />
Standard übertreffen. Er instrumentiert<br />
sie ebenso klassisch wie geschmackvoll<br />
und singt dazu mit einer<br />
grollenden Stimme von der sehnsüchtigen<br />
Qualität eines Tom Waits, die dazu<br />
ähnlich unverwechselbar ist wie der<br />
Gesang von Will Oldham, Kurt Wagner,<br />
William Elliott Whitmore oder Johnny<br />
Cash. »Loss & Love« hat spielerische<br />
Hillbilly-Rhythmen genauso wie atmosphärisch<br />
ernste und in schlichte Countrygewänder<br />
gegossene Popsongs. Beides<br />
wurde auf der Platte perfekt zusammenmontiert<br />
und macht sie wohltuend<br />
abwechslungsreich. Zumindest für das<br />
Glitterhouse-Label wäre diese Platte<br />
eine Zierde gewesen, zumal sogar Ex-<br />
Wilco-Drummer Ken Crooner das Talent<br />
des jungen Österreichers entdeckt<br />
und seine Platte produziert hat. Nicht<br />
nur wegen dieser Props kann man sich<br />
sicher sein: Mit Son Of The Velvet Rat<br />
wird noch einiges passieren.<br />
Christian Steinbrink<br />
Sorry Gilberto<br />
Vs. Brokof<br />
Sorry Gilberto Vs. Brokof<br />
Split-EP // Goldrausch<br />
Vielleicht ist es albern zu behaupten,<br />
dass man einer Band ihre musikalische<br />
Herzensbildung anhören könne.<br />
Aber vielleicht ist es trotzdem so, dass<br />
man Liebe zur Musik hören kann. Sowohl<br />
Sorry Gilberto als auch Brokof<br />
Marit Fahlander<br />
O. T.<br />
CD // www.myspace.com/maritfahlander<br />
Hach, immer diese Schweden, immer dieser Pop! Marit Fahlander<br />
ist auch so eine, mit Wahlheimat Berlin und gerade mal<br />
21 Lenzen auf dem Buckel. Schwedenpop meint ja die gefällige<br />
Zusammensetzung von allerlei Ausgeburten der Pophistorie<br />
mit Niedlichkeit als Bindemittel, Berlin meint alleine<br />
Musik machen und den Rechner als liebstes Instrument wählen.<br />
Und 21 Lenze meint noch mehr Unbekümmertheit. Diese<br />
Eckdaten erklären aber nicht, dass dazwischen eine Tiefe<br />
lauert, die schon mal zu einem ausgeprägten Schwindelgefühl<br />
führen kann, wenn man genau hinhört. Plötzlich greifen<br />
all diese hintergründig abgemischten Instrumente nach<br />
einem und ziehen. Schon mal mit einem Mantel in einen See<br />
gefallen? So ungefähr. Da strudeln sie dann leise, die Violinen<br />
und Synthies im Hintergrund, während im Vordergrund noch<br />
immer Marits Stimme mehr nett und traurig denn verheerend<br />
klingt. Und doch stellt sich die Frage, ob Marit Fahlander<br />
nicht eine verkappte Sirene ist. Ihre Songs klingen einfach<br />
viel zu sehr nach dem musikalischen Äquivalent zu den Klippen,<br />
an denen die Schiffe zerschellen. Und blond wie die Lore-<br />
sind zwei solche Bands, bei denen man<br />
sich vorstellen kann, wie sie ihre Lieblingsalben<br />
unters Kopfkissen legen –<br />
um dann selbst solch schöne Songs zu<br />
machen. Während Sorry Gilberto unter<br />
Verwendung von weiblichen und männlichen<br />
Stimmen in bester Singer/Songwriter-Tradition<br />
lakonische Geschichten<br />
zu Akustikgitarren erzählen und<br />
dabei an Herman Düne ohne die schnarrende<br />
Stimme erinnern, werfen Brokof<br />
ihre Netze etwas weiter aus. Dabei vermögen<br />
sie immer, dem Hörer sein wohliges<br />
Gefühl zu erhalten und die Klippen<br />
der Einfalt zu umschiffen. Da werden<br />
die Worte skandiert, wie es ansonsten<br />
nur Tom Barman von dEUS vermag,<br />
da wird ein Noise veranstaltet, wie man<br />
ihn außerdem nur von Karate kennt.<br />
»What About You«, das letzte Stück der<br />
Sechs-Track-EP, hat gar das Zeug zum<br />
Lieblingslied. Man möchte es sich glatt<br />
unter das Kopfkissen legen.<br />
Vanessa Romotzky<br />
Stockholm<br />
Demo<br />
CD // www.myspace.com/<br />
stockholmelectron<br />
Aus Bielefeld – und nicht aus Stockholm<br />
– kommt eine junge Frau, die in<br />
wirklich Britta heißt. Ihr erstes Demo<br />
indes trägt den Namen der schwedischen<br />
Hauptstadt und enthält Pop-Entwürfe,<br />
changierend zwischen düsteren<br />
Schrammelsongs mit Elektronikfundament<br />
und chansonesken Gitarrenballaden,<br />
die sich durch sehr einprägsame<br />
Melodien und facettenreiche Texte<br />
auszeichnen. Was es mit dem in den Informationsmaterialien<br />
erwähnten Attribut<br />
»gender queer« auf sich hat, ist<br />
nicht so recht auszumachen. Aber das<br />
kann natürlich auch am sympathisch<br />
muffeligen Heimstudio-Sound liegen.<br />
Da geht so einiges unter. Thematisch<br />
deckt Britta in den sechs Songs jeden-<br />
falls Zombies, unerwiderte Liebe, Engel<br />
und »Partywracks« ab. Aus der Perspektive<br />
Letzterer wird Folgendes berichtet:<br />
»Ich hab zu viel getrunken und geraucht<br />
hab ich auch / Morgen geht’s mir wieder<br />
scheiße wegen Drogengebrauch.« Sind<br />
wir nicht alle ein bisschen Partywrack?<br />
Zumindest bis zum nächsten Wochenende.<br />
Dann ist alles wieder vergessen.<br />
Roland Wilhelm<br />
Velojet<br />
This Quiet Town<br />
CD // Wohnzimmer /<br />
Broken Silence<br />
EAF, DJ Ötzi, Edelweiss und, ach ja, Falco<br />
– Österreich immer noch gleichzusetzen<br />
mit Austropop und Après-Ski<br />
ist ähnlich ignorant, als würde man<br />
deutsche Popmusik auf Fury In The<br />
Slaughterhouse, die Scorpions und<br />
Heinz Rudolf Kunze reduzieren. Don’t<br />
mention the war. Zum Glück hat sich<br />
die popkulturelle Situation auch im Alpenstaat<br />
in den letzten Jahren deutlich<br />
entschärft. In Österreich dürfte das<br />
mit staatlicher Kulturförderung ebenso<br />
zu tun haben wie mit dem formidablen<br />
FM4 und der Wiener Club- und Festivalszene.<br />
Und neuerdings eben auch<br />
mit den Veröffentlichungen und Livequalitäten<br />
der Damen und Herren von<br />
Velojet aus Wien/Steyr. Die Killers sollen<br />
sie im Après-Gig-Suff mal als »beste<br />
Band Österreichs« bezeichnet haben.<br />
Das kann man einfach so stehen lassen.<br />
Velojet haben mit »This Quiet Town«<br />
ihr zweites Album aufgenommen. Es<br />
handelt von Sehnsucht, der Provinz<br />
und neuer und alter Liebe – eben klassischen<br />
Popthemen, wie sie von Morrissey<br />
bis Mansun schon viele vertont<br />
haben. Denn eines ist klar: Velojet sind<br />
Stammkunden in der örtlichen Britpopdisco.<br />
Denkt man sich den Gesang mal<br />
weg, könnten die meisten der eingängigen<br />
Melodien auch aus dem Cool Bri-<br />
tannia der 90er-Jahre stammen. Das<br />
ist großartig und nervig zugleich. Man<br />
ahnt, dass die Band um Songwriter und<br />
Sänger René Mühlberger ein feines Gespür<br />
für den ganz großen Pop hat. Und<br />
so Mixtape-tauglich Songs wie »Everybody<br />
Knows«, »I Will Follow My Heart«<br />
und »Stay Don’t Walk« auch sind, insgesamt<br />
würde Velojet ein bisschen weniger<br />
(Britpop-)Zitat-Versteckspiel ganz<br />
gut tun. Aber die Geschichte der Popmusik<br />
ist schließlich eine voller Umdeutungen<br />
und Zitate. Mal sehen, was als<br />
Nächstes passiert.<br />
Tine Franz<br />
Trost<br />
Trost’n’Roll<br />
<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 115<br />
ley ist sie auch. Fragen wir doch mal, ob sie sich auch so sieht.<br />
In deiner Musik ist auch eine sehr düstere, fast böse Komponente.<br />
Was steckt dahinter? Viele Leute fi nden in meinen<br />
Songs nur Traurigkeit. Ich aber bin der Meinung, dass in aller<br />
Traurigkeit immer auch Wut und Bosheit versteckt sind.<br />
Schön, wenn man das in meinen Songs hören kann.<br />
Wie schreibst du deine Songs? Ich schreibe alle auf dem Klavier.<br />
Eigentlich habe ich erst wegen des Klaviers zu schreiben<br />
angefangen. Vorher habe ich Folk auf der Geige gespielt.<br />
Es ist sehr schwer zu singen, wenn man die am Kinn hält, ich<br />
kann es jedenfalls nicht. Am Klavier zu sitzen war eine ungeheure<br />
Befreiung.<br />
Warum trägt das Album keinen Titel? Ich habe die Songs<br />
über einen recht langen Zeitraum, über drei Jahre hinweg geschrieben.<br />
In gewisser Weise ist so eher eine Songsammlung<br />
entstanden als ein richtiges Album. Das nächste soll eher ein<br />
Konzept haben und dann auch einen passenden Titel kriegen.<br />
Aber vor allem ist mir einfach keiner eingefallen.<br />
Mick Schulz<br />
CD // www.trostnroll.de<br />
Der bandeigene Humor wird schon auf<br />
dem Cover deutlich. Ein Opa in Unterhemd<br />
und kurzer Hose heizt mit einem<br />
dreirädrigen Elektromobil über eine<br />
Landstraße und grinst feist in die Kamera.<br />
Darunter steht in altdeutscher<br />
Schrift Motörhead-like »Trost’n’Roll«.<br />
Musikalisch sollen die so geschürten<br />
Erwartungen nach eigener Angabe<br />
nicht enttäuscht werden. Laut<br />
Booklet wird hier nämlich »gerockt«.<br />
Was also ist es, das die vier aus Mönchengladbach<br />
zu Rockern werden lässt?<br />
Zunächst einmal wurde die Platte im<br />
Wohnzimmer des Bassisten aufgenommen,<br />
was defi nitiv schon mal eine gute<br />
Voraussetzung für ungetrübten Enthusiasmus<br />
für Väterchen Rock ist. Textlich<br />
sind Liebesfrust und Wochenendeskapaden<br />
die Ideengeber. Hört sich<br />
ganz klar nach dem Stoff an, aus dem<br />
Rock’n’Roller-Träume gestrickt werden.<br />
So weit, so gut – nur hapert es an der Umsetzung.<br />
Trost bewegen sich irgendwo<br />
zwischen der TKKG-Titelmusik und der<br />
Familie Schlegel, hart im Ansatz, aber<br />
ein wenig zu oft gehört und erwartbar.<br />
Thomas Markus
116 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />
Heimspiel 09.2007<br />
Sutcliffe<br />
Kopfkino<br />
CD // www.sutcliffe.de<br />
Benannt hat sich die Band aus Nürnberg<br />
nach dem jung verstorbenen Ex-<br />
Beatle Stuart Sutcliffe. Eine weitere Referenz<br />
an die Pilzköpfe fi ndet sich im<br />
Songtitel »Dakota Building« – denn in<br />
ebendiesem wohnte John Lennon und<br />
wurde vor ihm erschossen. Doch das war<br />
es auch schon, keinesfalls gibt es auf<br />
»Kopfkino« Merseybeat zu hören. Um<br />
diese Platte richtig gern zu haben, sollte<br />
man Tequila wenigstens schon mal<br />
probiert und nicht gleich wieder ausgespuckt<br />
haben. Denn meistens sind die<br />
ambitionierten Instrumentalsongs von<br />
einem Wüstenfl air getragen. Die Vorliebe<br />
für moderne Westernbezüge zeigt<br />
sich in so machen musikalischen Parts<br />
und in dem typischen Gitarrensound.<br />
Dann und wann darf es auch mal ein Akkordeon<br />
sein. Ausbrüche aus diesem stilistischen<br />
Rahmen gibt es, wenngleich<br />
sie selten sind. Songtitel wie »The Mexican«<br />
verstehen sich natürlich von<br />
selbst, Erinnerungen an einen Tarantino-Film<br />
mit bekannter Tanzszene kommen<br />
auf. Lässig, schwül und bluesig<br />
– Sutcliffes Musik schafft vor allem Atmosphäre.<br />
Denn sie wissen, was sie tun.<br />
Vanessa Romotzky<br />
The Verzerrer<br />
Schnitzel<br />
Club Trottoir<br />
CD // www.the<br />
verzerrerschnitzel.de<br />
Von Konzeptlosigkeit als Konzept, von<br />
Rock, der auf geniale Weise dumm ist,<br />
und von dadaistischer Provokation<br />
liest man im Bandinfo. Das lässt hoffen.<br />
Im ersten Song röhrt jemand in<br />
bester Motörhead-Roadcrew-Manier<br />
ins Mikro, dazu dröhnt ein Prügelrock-<br />
Riff par excellence aus den Boxen, und<br />
obendrüber singt Sänger Gernot Wöltjen<br />
über den »Rapper aus dem 1. Stock«<br />
und wie uncool der doch eigentlich ist.<br />
»Wasser im Schuh«, der zweite Song,<br />
erinnert musikalisch an »Die Ärzte<br />
früher« und textlich an Superpunk.<br />
Auf eine Richtung festlegen will und<br />
kann sich das Quartett offensichtlich<br />
nicht, denn bei »Sevilla« rumpelt es dilettantisch<br />
und erinnert in der Phrasierung<br />
an Deichkind-Gerappe, und beim<br />
Titel »Prekariat« mit Synthie-Einsatz<br />
haben die guten alten Stereo Total Pate<br />
gestanden – trashig, collagenartig, parodistisch.<br />
Wie eine moderne Version<br />
der 80er-Punk-Compilation »Schlachtrufe<br />
BRD«, nur dass hier alle Songs von<br />
einer Band stammen. Die eigene Unfähigkeit<br />
wird zum Konzept erhoben und<br />
darf durchaus auch belächelt werden.<br />
Das Bandinfo hält, was es verspricht.<br />
Chapeau, meine Herren.<br />
Thomas Markus<br />
Coca-Cola Soundwave:<br />
Finale furioso<br />
Zum Höhepunkt der Coca-Cola Soundwave<br />
Discovery Tour kommt es am 2.<br />
und 3. Oktober am Brandenburger Tor<br />
in Berlin zu einem Event der Monster-<br />
Klasse: Die besten Newcomer des Nachwuchswettbewerbs,<br />
die sich bei den<br />
zehn regionalen Konzerten durchsetzten<br />
und auf den fünf der größten deutschen<br />
Festivals spielten, rocken mit etablierten<br />
deutschen Top-Acts und einem<br />
Special Guest die Crowd. Jene wollen<br />
noch geheim bleiben, die Newcomer stehen<br />
aber naturgemäß schon fest. Unter<br />
anderem werden *aVid, Do You Mind,<br />
Fate und Leash dabei sein. Das übrige<br />
Teilnehmerfeld gestaltet sich wie folgt:<br />
Fathead aus Karlsruhe<br />
(Gewinnerband Hamburg, Hurricane)<br />
Jenix aus Zittau<br />
(Gewinnerband Stuttgart, Hurricane)<br />
Joy Became Clear aus Karlsruhe<br />
(Gewinnerband München, Hurricane)<br />
Pink’s Not Red aus Pforzheim<br />
(Gewinnerband Leipzig, Highfi eld)<br />
Still Drift aus Heidelberg<br />
(Gewinnerband Hannover, Melt!)<br />
Tiebreak aus Dresden<br />
(Gewinnerband Dresden, Highfi eld)<br />
Los geht’s bereits zur Mittagszeit.<br />
*aVid<br />
Sie standen schon auf der Bühne des<br />
Star-Club-Festivals in Hamburg – genau<br />
an der Stelle, wo einst die Beatles erstmalig<br />
in Deutschland spielten. Doch<br />
das sollte noch keineswegs der legendärste<br />
Moment ihrer Karriere sein: In<br />
Frankfurt gewannen *aVid aus Wesel<br />
bei der Coca-Cola Soundwave Discovery<br />
Tour und durften bei Rock am Ring auftreten.<br />
Wo sie sich auch hervorragend<br />
machten: Ihr energiegeladener Mix aus<br />
groovigem Schlagzeug, tightem Bass,<br />
treibender Gitarre und melodischem<br />
Gesang ballert ordentlich los. Crossover<br />
nannte man das früher. Oder Alternative<br />
Rock. *aVid selbst haben sich die<br />
Bezeichnung »popaddicted Rock Music«<br />
dafür ausgedacht. Doch wie das<br />
Kind auch heißt – stadiontauglich ist<br />
der Sound auf jeden Fall.<br />
Do You Mind<br />
Sie haben prominente Fans: Silbermond<br />
fi nden Do You Mind derart knorke,<br />
dass sie persönlich darum baten, auf<br />
einem ihrer Tourstopps von der Band<br />
aus Dülmen supportet zu werden. Das<br />
hätte man nicht unbedingt vermutet<br />
– denn silbermondige Balladen sind<br />
ihre Sache nicht. Die vier Jungs stehen<br />
mehr auf Sum 41, Blink-182 und Good<br />
Charlotte. Entsprechend haben sie sich<br />
auch poppigem Highschool-Punk verschrieben:<br />
Weit geschwungene Singalong-Melodien,<br />
punktgenaues Drumming<br />
und eine satte Bratgitarre überzeugten<br />
bei ihrem Auftritt im Coca-Cola<br />
Soundwave Tent auf dem Hurricane<br />
und werden beim Abschluss-Event vor<br />
dem Brandenburger Tor auch die dortige<br />
Crowd rocken.<br />
Alle Achtung: neue Heimspiel-Anschrift<br />
Das Heimspiel wohnt nun in Berlin. Bitte schickt eure Demos und CDs ab jetzt an<br />
folgende Adresse: <strong>Intro</strong> – Redaktion Heimspiel –<br />
Greifswalder Str. 224, 10405 Berlin, E-Mail: heimspiel@intro.de<br />
Fate<br />
Heimspiel empfi ehlt<br />
Fate sind eine der ungewöhnlicheren<br />
Bands unserer Tage. Und das ist durchaus<br />
ein kleines bisschen paradox, wo<br />
sich die Band aus Pforzheim, die sich<br />
bei der Coca-Cola Soundwave Discovery<br />
Tour in Berlin ihren Gig bei Rock am<br />
Ring erspielte, doch eigentlich gar nicht<br />
für einen besonders ungewöhnlichen<br />
Sound entschieden hat: Die Band fühlt<br />
sich dem guten alten Hardrock verpfl<br />
ichtet. Und den – das ist das Erstaunliche<br />
– spielen sie verdammt gut und mit<br />
durchaus eigener Note. Ihre urwüchsige<br />
Power ist absolut zwingend: Alle<br />
Amps von Fate gehen bis elf!<br />
Leash<br />
Es ist eine dieser Geschichten, die das<br />
Leben eben so schreibt: Leash aus Berlin<br />
waren die allererste Band, die im<br />
Heimspiel zum Start der Coca-Cola<br />
Soundwave Discovery Tour vorgestellt<br />
wurde. Man könne, so hieß es damals<br />
auf diesen Seiten, sich die Band, die gekonnt<br />
zwischen Elektronik und Rock<br />
vermittelt, durchaus »auf größeren<br />
Bühnen vorstellen«. Lange vorstellen<br />
musste man sich das dann nicht: Leash<br />
gewannen in Köln und spielten daraufhin<br />
beim Melt!-Festival. Und nun geht es<br />
sogar auf die ganz große Bühne: Beim<br />
Finale sind Leash nämlich selbstverständlich<br />
dabei.<br />
Coca-Cola Soundwave<br />
Compilation<br />
Die Songs der Newcomer gibt es ab Anfang<br />
September auch für daheim: Auf<br />
der Compilation fi ndet sich jeweils ein<br />
Song der zehn Gewinnerbands, die am<br />
2. und 3. Oktober auftreten. Die Tracks<br />
lassen sich einzeln oder gesammelt<br />
bei iTunes <strong>herunterladen</strong>. Das Geld –<br />
Ehrensache – geht dann direkt an die<br />
Bands. Alle Infos zur Coca-Cola Soundwave<br />
auf www.coke.de
118 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Das geht<br />
<strong>Intro</strong> Intim @ Splash! Festival<br />
Von Puppen und Menschen<br />
Splash mit Mayor Taylor<br />
Du bist ja im normalen Leben der Frontmann<br />
von The Jai-Alai Savant. Beim Splash warst<br />
du in unserem Zelt als DJ gebucht. Und wenn<br />
man dich so sieht, hat man nicht das Gefühl:<br />
»Hey, da kommt dieser Typ und hat ein paar<br />
alte Sampler dabei.« Das ist ja überaus amtlich.<br />
Danke. Ich dejaye als Mayor Taylor schon<br />
ziemlich lange. Am Anfang ergab sich das ganz<br />
zufällig. Später brachte ich mir das Dejaying<br />
bei, wie man ein neues Instrument eben auch<br />
lernt. Und irgendwann hatte ich eigene Partys.<br />
Mittlerweile ist, was ich aufl ege, so unglaublich<br />
weit weg von dem, womit ich anfi ng. Roots<br />
Reggae oder Dub lege ich zum Beispiel so gut<br />
wie nie mehr auf. Und reiner HipHop fi ndet<br />
sich auch eher selten in meinen Sets.<br />
Und wie hat es dir vor dem Hintergrund auf<br />
dem Splash gefallen? Es war großartig. Wirklich.<br />
Aber ich war total nervös. Und als ich ankam,<br />
spielten gerade Bonde Do Role. Super.<br />
Aber das Zelt war nur halb voll, als sie spielten.<br />
Und als sie fertig waren, gingen die alle. Ich<br />
wollte einen schnellen Übergang, hatte aber<br />
technische Probleme und konnte nicht anfangen.<br />
Sehr ärgerlich. <strong>Als</strong>o spielte ich 45 Minuten<br />
nur vor zwei Leuten und den Securitys, denn direkt<br />
gegenüber spielten The Roots. Aber als die<br />
fertig waren, kamen immer mehr Leute zu mir,<br />
und auf einmal war das Zelt voll! Großartig!<br />
Und die restliche Atmosphäre auf dem Festival?<br />
Absolut super. Freundeskreis fand ich gut.<br />
Das war doch dann auch sicher überhaupt<br />
dein erster wirklicher Kontakt zu deutschsprachigem<br />
HipHop, oder? Ja, kann man sagen.<br />
Und ich fi nde das auch sehr interessant,<br />
ich kann ja mittlerweile auch recht gut<br />
Deutsch und verstehe so eine Menge. Aber andererseits<br />
komme ich natürlich dorther, wo die<br />
Wiege des HipHop liegt. Insofern kann mich<br />
auch nicht mehr so viel überraschen. Ich bin<br />
überhaupt von HipHop ein wenig gelangweilt,<br />
wenn ich ehrlich bin. Fazit: Es ist sehr interessant<br />
für mich, HipHop in anderen Sprachen<br />
zu hören, aber ich denke mir auch regelmäßig:<br />
»It’s just fucking Rap-Music.« Was ich aber an<br />
der deutschen Szene mag, ist, dass sie so offen<br />
Text: Till Stoppenhagen _ Foto: Marc Seebode<br />
Jüngst fand erneut unser Lieblings-HipHop-Festival Splash! statt. Erstmals an neuer Location<br />
und erstmals bereichert um ein <strong>Intro</strong> Intim, das mit dem Grenada Tent zudem eine eigene<br />
wunderschöne Location erhielt. Wir fragten anwesende Künstler, wie es ihnen gefallen hat.<br />
für verschiedene Stile ist. In den USA ist so vieles<br />
im HipHop vorformatiert und borniert.<br />
Splash mit den Puppetmastaz<br />
Und, Puppe? Wie war’s auf dem Splash und bei<br />
uns im Grenada Tent? Den Leuten hat unsere<br />
Show gefallen. Und wenn du eine ehrliche Antwort<br />
haben willst: Wir spielten in diesem Zelt<br />
mit unter anderem Wiley. Und das war für mich<br />
als Puppe der einzige Platz, an dem ich sein<br />
wollte. Der Rest des Festivals verwandelte sich<br />
schnell in eine Art Ork-Rave, wenn du weißt,<br />
was das ist.<br />
Gab es denn einen Act, der dir besonders gut<br />
gefallen hat? Ja, Puppetmastaz.<br />
Und sonst? Ich habe fünf Minuten Snoop Dogg<br />
gesehen, der eine Stunde zu spät kam. Aber obwohl<br />
ich natürlich ein Faible für Hunde habe:<br />
Stundenlang will ich auf einen auch nicht warten<br />
müssen, deshalb bin ich wieder gegangen.<br />
Später habe ich Wiley gesehen, der gefi el mir<br />
sehr gut.<br />
Danke, Puppe.
<strong>Intro</strong> Intim @ Popkomm<br />
Auch zur diesjährigen Popkomm wird<br />
<strong>Intro</strong> die Berliner Nächte wieder tatkräftig<br />
mitbefeuern – in den letzten Jahren hat das<br />
einfach viel zu viel Spaß gemacht. Diesmal<br />
wird voraussichtlich elektronische Musik<br />
das Line-up dominieren.<br />
»Voraussichtlich« im Sinne von: Da zum Heftschluss das Booking<br />
noch im vollen Gange war, dürfte sich im Line-up noch einiges tun,<br />
zahlreiche neue Acts hinzukommen. Ein besonderes Highlight des<br />
gesamten Popkomm-Festivals dürfte aber, das steht jetzt schon fest,<br />
der exklusive Auftritt von Trentemøller sein, der schon einer der absoluten<br />
Publikumslieblinge beim diesjährigen Melt!-Festival war.<br />
Wer die atemberaubende audiovisuelle Ambient-Reise mit kompletter<br />
Band in Ferropolis verpasst hat, sollte seine zweite Chance auf<br />
jeden Fall nutzen. Auch geradezu spektakulär: Die Op:l Bastards<br />
sind zurück! Schon oft begeisterten die Skandinavier auf Festen<br />
aus dem Hause <strong>Intro</strong>: Erst <strong>Intro</strong>ducing und Melt!-Festival – nun machen<br />
sie mit einem erneuten INTRO INTIM bestimmt auch die dritte<br />
Sause im Bunde unvergesslich! Unten schon mal ein kleiner Vorgeschmack<br />
auf die beiden Abende. Der aktuellste Zwischenstand fi ndet<br />
sich wie immer auf intro.de/introintim.<br />
<strong>Intro</strong> Intim @ Popkomm<br />
21.09. Berlin, Maria & Josef<br />
mit: Trentemøller live in concert, Op:l Bastards, Warren Suicide,<br />
Frozen North Special ft. Jussi Pekka, Roberto Rodriguez ft.<br />
The Future Beat Investigators, Amuli Kemppi u.a.<br />
sowie: Screening des »Melt! Festival 2007«-Films (Doku)<br />
Programm-Updates, alle Infos & Tickets:<br />
www.intro.de/introintim<br />
Tickethotline: (01805) 9 69 00 08 88<br />
(14ct/min aus dem Festnetz der deutschen Telekom)<br />
Trentemøller<br />
Verlosung: Freundeskreis Charity-Tickets und DVDs<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Das geht _ 119<br />
Seit 6. Juli ist das neue Freundeskreis-Album »FK10« mit bekannten Hits, Raritäten und zwei neuen<br />
Songs im Handel. Bereichert um eine sechzigminütige Dokumentation auf DVD. Aber auch im sozialen<br />
Bereich zeigen sich die Stuttgarter engagiert. Initiiert von MOTOSTYLES, werden auf der anstehenden<br />
Freundeskreis-10-Jahre-Jubiläumstour nämlich Spenden für die gemeinnützige Organisation<br />
»Innocence in Danger« gesammelt. Gipfeln wird das Engagement gegen Kindesmissbrauch und die zunehmende<br />
Kriminalität via Handy und im Internet in einem Charity-Konzert am 16. September in Offenbach,<br />
dem Abschluss der Tour, bei dem alte Weggefährten und zahlreiche prominente Gäste Freundeskreis<br />
unterstützen. Wir verlosen für die Show 3 x 2 VIP-Tickets inkl. »FK10«-DVDs.
120 _ <strong>Intro</strong> _ Das geht<br />
<strong>Intro</strong> empfi ehlt 09.2007<br />
01 BOTANICA<br />
Paul Wallfi sch hat schon bei den grandiosen Firewater in die<br />
Tasten gehauen und mit seinem einzigartigen Spiel dafür gesorgt,<br />
dass sie klingen, wie sie klingen: düster und romantisch,<br />
zerschossen und aufbauend zugleich. Eine Beschreibung, die<br />
ebenso auf Botanica zutrifft. Der ehemalige Tippelbruder Wallfi<br />
sch hat jedenfalls immer noch genug Geschichten für zwanzig<br />
weitere Alben und Touren.<br />
20.09. Berlin, Maschinenhaus » 22.09. Norderstedt, 3 Beken »<br />
23.09. Dortmund, FZW » 24.09. Hannover, Chez Heinz » 25.09.<br />
Aschaffenburg, Colos-Saal » 26.09. Bonn, Mausefalle » 28.09.<br />
Erfurt, Museumskeller » 06.10. Freiburg, Jos Fritz<br />
02 CARIBOU<br />
Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass Bands oder Projekte<br />
mit Tiernamen keine schlechten Menschen sein können.<br />
Dan Snaith, der sonst eher für ausufernde Electro-Psychedelica<br />
steht, hat sich unter seinem Moniker Caribou auf dem Album<br />
»Andorra« (City Slang / V2) auf die Suche nach dem perfekten<br />
Popsong begeben. Natürlich, ohne dabei gänzlich von seinen<br />
elektronischen Einfl üssen abzurücken.<br />
20.09. Berlin, Postbahnhof » 21.09. Köln, Studio 672 » 22.09.<br />
Heidelberg, Karlstorbahnhof » 24.09. München, Orangehouse<br />
03 FIGURINES<br />
<strong>Als</strong> die Figurines aus Dänemark im September 2005 als Koufax-<br />
Support einen Stopp im Hannoveraner Café Glocksee machten,<br />
konnte man vor der Bühne einen verwuschelten Mittdreißiger<br />
beobachten, der nach jedem Song den Kopf schüttelte und laut<br />
brüllte: »Unheimlich sympathische Band! « Dieser wahren Begebenheit<br />
ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, außer, dass<br />
die neue CD »When The Deer Wore Blue« in Kürze erscheint, 13<br />
Tracks enthält und die Band im September auf Tour geht.<br />
19.09. Münster, Gleis 22 » 20.09. Leipzig, Nato » 21.09. Berlin,<br />
Bang Bang Club » 22.09. Magdeburg, Projekt 7 » 23.09. Dresden,<br />
Starclub » 24.09. A-Wien, B72 » 25.09. München, Orangehouse<br />
» 26.09. Stuttgart, Schocken » 27.09. Köln, Stadtgarten » 28.09.<br />
Wiesbaden, Schlachthof » 29.09. Hamburg, Knust<br />
04 KRISTOFER ASTRÖM<br />
Der schwedische Songwriter hat es im vergangenen Jahr ein<br />
paarmal zu oft krachen lassen, deshalb heißt bei ihm ein neues<br />
Stück schon mal »Heavy On The Drinks« Auf dem aktuellen Album<br />
sind Aströms Songs zwar immer noch überwiegend akustisch<br />
gespielter, sehr gelungener Countryfolk, aber in Sachen<br />
Zugänglichkeit und Mitschwingfaktor hat er bedeutend zugelegt,<br />
was sich auch bei seinen Konzerten widerspiegeln dürfte.<br />
09.09. Berlin, Lido » 10.09. Hamburg, Knust » 11.09. Köln,<br />
Prime Club » 12.09. München, Atomic Café<br />
05 LEVI’S® REBELLIOUS GIRLS TOUR<br />
Der Name ist hier mal Programm. Levi’s® präsentiert eine Tour,<br />
die nicht nur die rebellischsten, sondern auch die innovativsten<br />
Vertreterinnen der Musik- und Clubkultur auf die Bühne, ans<br />
Mikro, an den Plattenteller bringt. Sei es Peaches, die in Köln<br />
mit einem exklusiven DJ-Set antreten wird, oder die süchtig machenden<br />
Brazilian Girls oder aber Uffi e (Foto), die wieder ihre<br />
offensive und vorlaute Show abziehen wird. Außerdem dabei:<br />
Gudrun Gut und DJ Maral Salmassi. Infos: www.redtab.com<br />
13.09. München, Erste Liga » 14.09. A-Wien, Fluc » 15.09. Köln,<br />
Rheintriadem (ohne Uffi e, mit Peaches) » 20.09. Hamburg, Mandarin<br />
Casino » 21.09. Berlin, Lido » 22.09. Offenbach, Hafen 2<br />
01<br />
02<br />
03<br />
04<br />
05<br />
06<br />
07<br />
08<br />
09<br />
10<br />
06 LE POP ON TOUR<br />
Die Samplerreihe »Le Pop« ist stets ein sicherer Kandidat, wenn<br />
es darum geht, ein gemütliches Beisammensein zu beschallen.<br />
Selbst Leute, die es nicht so mit Musik haben, kapitulieren da<br />
ob der mal süßen, mal abgedrehten, aber immer sehr französischen<br />
Klänge. Ähnliche Reaktionen verursachte die dazugehörige<br />
Tour, die nun zur dritten »Randonnée« durch Deutschland<br />
ansetzt. Dieses Mal mit dem Neo-Chanson-Pop-Ehepaar Pascal<br />
Parisot & Fredda und der Band Holden.<br />
07.09. Köln, Stadtgarten » 08.09. Frankfurt, Theater Willy<br />
Praml » 09.09. Karlsruhe, Tollhaus » 12.09. Berlin, Kesselhaus<br />
» 13.09. Leipzig, Nato » 14.09. Hamburg, Fabrik » 15.09. Trier,<br />
Festival » 16.09. Aachen, Jakobshof » 18.09. Düsseldorf, Zakk<br />
» 19.09. München, Rote Sonne » 20.09. A-Wien, tba » 21.09.<br />
Erlangen, E-Werk<br />
07 MALAJUBE<br />
Zwar versteht man als typischer Durchschnittshasser der französischen<br />
Sprache bei den Frankokanadiern Malajube kein<br />
Wort von dem, was sie singen, allerdings muss man im Französischkurs<br />
auch nicht unbedingt aufgepasst haben, um zu sehen,<br />
dass bei Malajube einiges geht: Der Sound der Band verdient die<br />
Aufschrift »schön schräg«. Die Band produziert durchgeknallte<br />
Popsongs mit frenetisch jagenden Beats, die jeden mitreißen.<br />
10.09. Münster, Gleis 22 » 11.09. Köln, Studio 672 » 16.09.<br />
Schorndorf, Manufaktur » 17.09. München, Orangehouse »<br />
18.09. Nürnberg, Muz » 19.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />
(+ Menomena) » 20.09. Berlin, Postbahnhof (Popkomm)<br />
08 POP AM RHEIN<br />
Pop am Rhein: Das ist <strong>Intro</strong> genauso wie Mouse on Mars, Can,<br />
Philipp Schiemann, die »Hauszeitschrift für Moderne Dichtung:<br />
Der Gummibaum« (Foto) oder Hans Nieswandt. Das hat das<br />
Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf richtig erkannt und organisiert<br />
zum Thema eine ganze Veranstaltungsreihe mit Ausstellungen,<br />
Tagungen, Lesungen, Filmreihen und vielen Konzerten.<br />
ab 19.08. Köln, diverse Locations<br />
09 STARS<br />
Geht man nach ihren Song- und Albumtiteln, könnte man hinter<br />
den kanadischen Stars glatt brutale Krachmacher erwarten.<br />
Da heißt ein Album schon mal »Set Yourself On Fire« und ein<br />
Song »Your Ex-Lover Is Dead«. Auch das neue Album lässt mit<br />
dem schönen Titel »In Our Bedroom After The War« Grausames<br />
erwarten. Dabei sind Stars wundervoll melancholisch klingende<br />
und singende Wanderer zwischen den Indiewelten.<br />
19.09. Hannover, Café Glocksee » 20.09. Berlin, Postbahnhof »<br />
21.09. Dresden, Scheune » 26.09. München, Feierwerk » 27.09.<br />
Köln, Gebäude 9 » 28.09. Hamburg, Reeperbahn-Festival<br />
10 THE PIGEON DETECTIVES<br />
Die obligatorische MySpace-Einfl ussliste liest sich bei den Pigeon<br />
Detectives wie das Who’s who eines Rock-Lexikons: »The<br />
Beatles, The Kinks, The Velvet Underground, Jimi Hendrix, Oasis,<br />
Led Zeppelin, The Strokes, Blondie, The Smiths, The Stone<br />
Roses, Cream, Elvis Presley, Chuck Berry, Robert Johnson etc.«<br />
Die Band aus Leeds hat sich hohe Ziele gesteckt. Allerdings machen<br />
sie sich im internationalen Rock-Zirkus momentan wirklich<br />
sehr gut: Der UK-New-Wave-Schrammelpunk hat große Momente<br />
und ist herrlich mitgrölkompatibel.<br />
20.09. München, Atomic Café » 24.09. Berlin, Lido » 25.09.<br />
Köln, Gebäude 9 » 26.09. Bremen, Tower » 27.09. Hamburg,<br />
Molotow
Das geht 09.2007<br />
DAS GEHT AUF DER<br />
POPKOMM<br />
AL!VE SHOWCASE<br />
MIT BOTANICA, BELASCO,<br />
JONATHAN INC.<br />
20.09. Berlin Kulturbrauerei<br />
CITY SLANG &<br />
COOPERATIVE SPIELEN<br />
POPKOMM<br />
MIT ARCHITECTURE IN HELSIN-<br />
KI, STARS, MALAJUBE, THE GO!<br />
TEAM, MENOMENA, CARIBOU,<br />
LOS CAMPESINOS<br />
20.09. Berlin Postbahnhof<br />
DANISH MUSIC NIGHT<br />
MIT BROKEN BEATS, SAYBIA,<br />
FIGURINES<br />
19.09. Berlin, Postbahnhof<br />
HEADQUARTER & 2FTR<br />
POPKOMM NIGHTS<br />
JOSE GONZALES, DOG DAY, RICH<br />
& KOOL, BODI BILL, GET WELL<br />
SOON, MARISSA NADLER<br />
20.-21.09. Berlin, Bang Bang Club<br />
EXTENDED<br />
ELECTRONICS<br />
FESTIVAL<br />
MIT LADYTRON, NITZER EBB,<br />
SOMAN u. a.<br />
19.-21.09. Berlin, Kulturbrauerei<br />
THIS IS NEW ENGLAND<br />
MIT THE LODGER, LEO CAN DIVE,<br />
THE JACKPOT<br />
20.09. Berlin, Knaak<br />
VISIONS AT POPKOMM<br />
MIT THE ROBOCOP KRAUS,<br />
FOTOS, CLICKCLICKDECKER,<br />
LAMPSHADE<br />
19.09. Berlin, Kulturbrauerei<br />
PAUL WELLER<br />
ACOUSTIC SHOW<br />
20.09. Berlin, Schiller-Theather<br />
9TH ANNIVERSARY<br />
MARIA<br />
MIT ALEC EMPIRE, ARK,<br />
BARBARA PREISINGER, DANIEL<br />
METEO, DJ COOP, GUDRUN GUT,<br />
THE FALL, TOK TOK VS. SOFFY<br />
O, T.RAUMSCHMIERE, OLIVER<br />
KOLETZKI u. a.<br />
06-07.09. Berlin, Maria<br />
ABSCHAUMPARTY<br />
MIT COBRA KILLER, DATSCHA<br />
PARTY, FRANK SPILKER BAND,<br />
FURCHT UND ELEND TERZETT,<br />
JACQUES PALMINGER, JEANS<br />
TEAM, ZWANIE JONSON<br />
01.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />
ARCADE FIRE<br />
MIT ELECTRELANE<br />
22.08. Köln, Palladium<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
KRISTOFER ASTRÖM<br />
09.-12.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
BAVARIAN<br />
OPEN WORD<br />
MIT CHRISTIANE RÖSINGER,<br />
JENS FRIEBE, KNARF RELLÖM<br />
10.09. Passau,<br />
Biergarten Severinstor<br />
11.09. Würzburg, Oberer Markt<br />
vor Stadtbücherei<br />
12.09. Regensburg, Wiese<br />
beim Andreastadel<br />
13.09. Augsburg, Wiese vor der<br />
Alten Kradhalle<br />
BEATSTEAKS<br />
23.08. Würzburg, Soundpark Ost<br />
BERND BEGEMANN &<br />
DIE BEFREIUNG<br />
14.09. Hamburg, Knust<br />
15.09. Köln, Blue Shell<br />
16.09. Berlin, White Trash Fast Food<br />
17.09. München, Atomic Café<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
BOTANICA<br />
20.09.-06.10. Infos siehe S. 120<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
CARIBOU<br />
20.-24.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
ERDMÖBEL<br />
25.08. Bremen, ViertelFest<br />
31.08. Bochum, Bochumer<br />
Musiksommer<br />
Geht weiter!<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
FIGURINES<br />
19.-25.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
MOTOSTYLES<br />
PRÄSENTIERT<br />
FK10 FREUNDESKREIS<br />
01.09. Berlin, IFA Sommergarten<br />
Open Air<br />
07.09. Hamburg, Stadtpark<br />
16.09. Offenbach, Capitol (Charity-<br />
Konzert »Innocence is Danger«)<br />
GALAO SHOTS<br />
FIMFESTIVAL<br />
25.08. Berlin, Weinbergspark<br />
GHOSTS<br />
16.09. München, Atomic Café<br />
Geht weiter!<br />
GORILLA BISCUITS<br />
04.09. Hamburg, Grünspan<br />
07.09. Essen, Weststadthalle<br />
08.09. Leipzig, Conne Island<br />
10.09. Berlin, SO36<br />
GOSSIP<br />
MIT THE WHIP<br />
27.08. Stuttgart, Schocken<br />
28.08. Frankfurt, Cookys<br />
30.08. A-Wien, Arena<br />
31.08. München, Atomic Cafe<br />
ADAM GREEN<br />
10.09. Bonn, Brückenforum<br />
11.09. Bielefeld, Ringlokschuppen<br />
12.09. Bremen, Modernes<br />
13.09. Potsdam, Schinkelhalle<br />
15.09. Dresden, Schlachthof<br />
16.09. Nürnberg, Löwensaal<br />
17.09. Stuttgart, Theaterhaus<br />
KERSTIN GRETHER<br />
MIT DOCTORELLA<br />
28.09. Bremen, Junges Theater<br />
GUCHA PARTY<br />
22.08. Frankfurt, Naxos-Halle<br />
24.08. München, Ampere<br />
25.08. Köln, Atelier Odo Rumpf<br />
HOT HOT HEAT<br />
MIT YOUNG LOVE<br />
03.09. München, Atomic Café<br />
04.09. Berlin, Lido<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
INTRO DJ-TEAM:<br />
SCHLANK UND BELIEBT<br />
DURCH VOODOO<br />
MIT INTRO DJ-TEAM<br />
25.08. Köln, Pegel<br />
Geht weiter!<br />
I AM X<br />
13.09. Berlin, Magnet<br />
Geht weiter!<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
I LOVE YOU ALL<br />
MIT WHOMADEWHO<br />
25.08. Berlin, Schaubühne<br />
JACK DANIELS<br />
GEBURTSTAGSTOUR<br />
MIT STEREOPHONICS<br />
09.09. Frankfurt, Batschkapp<br />
10.09. München, Atomic Café<br />
12.09. Berlin, Lido<br />
13.09. Hamburg, Knust<br />
14.09. Köln, Prime Club<br />
JEANS TEAM<br />
24.08. Berlin, Radialsystem V<br />
01.09. Hamburg, Übel & Gefährlich<br />
JUSTICE<br />
10.09. Köln, Prime Club<br />
11.09. Frankfurt, Batschkapp<br />
13.09. Berlin, Maria<br />
14.09. Hamburg, Grünspan<br />
KAISER CHIEFS<br />
27.08. Hamburg, Stadtpark<br />
KINDERZIMMER<br />
PRODUCTIONS<br />
25.08. Düsseldorf, Open Source<br />
29.08. Ulm, Kradhalle<br />
31.08. Augsburg, Musikkantine<br />
03.09. München, Backstage<br />
05.09. Weinheim, Cafe Central<br />
06.09. Köln, Gebäude 9<br />
07.09. Köln, Gebäude 9<br />
08.09. Bremen, Lila Eule<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
LEVI’S® REBELLIOUS<br />
GIRLS TOUR<br />
MIT BRAZILIAN GIRLS,<br />
MARAL SALMASSI,<br />
UFFIE & DJ FEADZ<br />
13.-22.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
LE POP ON TOUR<br />
07.-21.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
MALAJUBE<br />
10.-20.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
MIA.<br />
22.08. Rottweil, Kraftwerk<br />
23.08. Köln, Tanzbrunnen<br />
31.08. Hannover, Capitol<br />
07.09. Reichenbach, Jump Arena<br />
MOBB DEEP<br />
11.09. Leipzig, Conne Island<br />
14.09. München, Backstage<br />
MODEST MOUSE<br />
06.09. Hamburg, Fabrik<br />
MUFF POTTER<br />
13.09. Erfurt, Open Air an der<br />
Engelsburg<br />
15.09. Hamburg, Knust<br />
16.09. Berlin, Lido<br />
17.09. Dresden, Groove Station<br />
NOUVELLE VAGUE<br />
24.08. Rostock, Kastanienplatz<br />
JOANNA NEWSOM<br />
MIT ALASDAIR ROBERTS<br />
11.09. Hamburg, Kampnagel<br />
11.09. München, Muffathalle<br />
13.09. Frankfurt, Dreikönigskirche<br />
Geht weiter!<br />
NO MEANS NO<br />
12.09. Flensburg, Volksbad<br />
NYLON<br />
24.08. Berlin, Admiralspalast Studio<br />
Geht weiter!<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
PAPER AND IRON<br />
FESTIVAL<br />
MIT CUT CITY, GET HUSTLE,<br />
MENEGUAR, V-TEAM, VORTEX<br />
REX, WOODS<br />
07.09. Köln, Neue Werkstatt<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
POLARKREIS 18<br />
25.08. Lieberose, Waldbühne<br />
31.08. Kaiserslautern, Kammgarn<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
POP AM RHEIN<br />
Alle Infos siehe S. 120<br />
PORTUGAL. THE MAN<br />
29.08. Erlangen, E-Werk<br />
30.08. München, Ampere<br />
01.09. A-Wien, Flex<br />
02.09. Dresden, Star Club<br />
03.09. Hamburg, Knust<br />
04.09. Berlin, Postbahnhof<br />
05.09. Osnabrück, Kleine Freiheit<br />
06.09. Karlsruhe, Substage<br />
07.09. Konstanz, Kulturladen<br />
09.09. Wiesbaden, Schlachthof<br />
10.09. Köln, Gebäude 9<br />
11.09. Stuttgart, Schocken<br />
RADIOKUNST<br />
MIT MICHAELA MELIÁN<br />
22.09. Köln, Museum Ludwig<br />
RADIO PEELINGS<br />
MIT NEOANGIN, ALAN BANGS,<br />
KLAUS FIEHE u. a.<br />
29.09. Köln, Kleiner Sendesaal<br />
des WDR<br />
RAZORLIGHT<br />
02.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />
04.09. Berlin, Kulturbrauerei<br />
05.09. Köln, Live Music Hall<br />
06.09. Frankfurt / Main,<br />
Batschkapp<br />
08.09. Mannheim, Alte Feuerwache<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
RILO KILEY<br />
26.08. Köln, Prime Club<br />
27.08. Berlin, Lido<br />
28.08. München, Ampere<br />
SDNMT / SEIDENMATT<br />
23.08. Berlin, Lido<br />
DANI SICILIANO<br />
04.09. Berlin, Cookies<br />
06.09. München, Rote Sonne<br />
08.09. Darmstadt, 603 qm<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
SIE NANNTEN<br />
SIE LÜCKE<br />
(KONZERTREIHE ZUR<br />
DOCUMENTA)<br />
jeweils Kassel, Arm e. V.<br />
23.08. Fotos<br />
06.09. Die Türen<br />
13.09. Kissogram<br />
GWEN STEFANI<br />
MIT CSS<br />
10.09. Hamburg, Color Line Arena<br />
12.09. München, Olympiahalle<br />
14.09. Berlin, Velodrom<br />
15.09. Köln, Kölnarena<br />
SPARTA<br />
MIT MEWITHOUTYOU<br />
21.08. Berlin, Columbia Club<br />
22.08. München, Backstage<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
STARS<br />
19.-28.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
TEGAN & SARA<br />
21.08. Hamburg, Molotow<br />
24.08. Berlin, Zapata<br />
25.08. Köln, Studio 672<br />
26.08. München, Ampere<br />
TELE<br />
MIT LEE BUDDA<br />
30.08. Bochum, Musiksommer<br />
31.08. Hamburg, Stadtpark<br />
01.09. Hamburg, Stadtpark<br />
15.09. Lingen, Rock am Pferdemarkt<br />
THE BROKEN BEATS<br />
04.09. Marburg, Trauma<br />
05.09. Dresden, Star Club<br />
06.09. Wiesbaden, Schlachthof<br />
07.09. Nürnberg, Musikzentrale<br />
08.09. Freiburg, Swamp<br />
11.09. Münster, Luna Bar<br />
12.09. Bremen, Römer<br />
13.09. Saarbrücken, Sparte 4<br />
15.09. Erfurt, Stadtgarten<br />
THE CRIBS<br />
29.08. Berlin, Lido<br />
30.08. Köln, Prime Club<br />
THE DAMNED<br />
24.08. Hamburg, Markthalle<br />
25.08. Düsseldorf, Zakk<br />
THE LOST PATROL BAND<br />
07.09. Düsseldorf, Stone im<br />
Ratinger Hof<br />
15.09. Bielefeld, AJZ<br />
16.09. Berlin, Lido<br />
17.09. Neubrandenburg, Cafe Zebra<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
THE PIGEON<br />
DETECTIVES<br />
20.-27.09. Alle Infos siehe S. 120<br />
THE TWANG (UK)<br />
07.09. Köln, Prime Club<br />
08.09. Hamburg, Knust<br />
10.09. Berlin, Lido<br />
14.09. München, Atomic Café<br />
THE WHITEST BOY ALIVE<br />
MIT KOMMODE<br />
24.08. Bielefeld, Forum<br />
EMPFOHLEN VON INTRO<br />
T-MOBILE EXTREME<br />
PLAYGROUNDS<br />
SUMMERSESSION<br />
MIT THE HIVES, OHRBOOTEN,<br />
25.08.-26.07. Pinneberg,<br />
Burmeisterallee 2<br />
TOOL<br />
28.08. Bochum, Jahrhunderthalle<br />
TRAIL OF DEAD<br />
MIT FORGET CASSETTES<br />
28.08. Mannheim, Alte Feuerwache<br />
DIE TÜREN<br />
04.09. München, Backstage<br />
05.09. Köln, Tsunami<br />
06.09. Kassel, Arm<br />
08.09. Hamburg, Golden Pudel<br />
14.09. Berlin, Bang Bang Club<br />
PAUL WELLER<br />
MIT STEVE CRADOCK<br />
16.09. Frankfurt, Mousonturm<br />
Geht weiter!<br />
Die kommen,<br />
die Touren<br />
BROKEN SOCIAL SCENE<br />
01.-12.10.<br />
!!! (CHK CHK CHK)<br />
25.-26.10.<br />
CINEMATIC ORCHESTRA<br />
04.10.-06.10.<br />
DÚNÉ<br />
12.-19.10.<br />
EDITORS<br />
02.-08.11.<br />
JENS FRIEBE<br />
10.10.-10.11.<br />
LOCAS IN LOVE<br />
11.10.-15.11.<br />
POLARKREIS 18<br />
04.10.-09.11.<br />
STEREO TOTAL<br />
05.-28.10.<br />
THE ARK<br />
03.-08.10.<br />
TICKETS<br />
<strong>Intro</strong> _ Das geht _ 121<br />
FÜR ALLE(S)<br />
INTRO.DE/TICKETS<br />
TICKETHOTLINE<br />
(01805) 9 69 00 08 88<br />
Für alle von uns präsentierten<br />
Tickets verlosen wir 3x2 Tickets.<br />
Einfach eine Mail an<br />
ticketverlosung@intro.de
122 _ <strong>Intro</strong> _ Das geht<br />
Vorfreude des Monats<br />
Reeperbahn-Festival<br />
Zwischen Feldstraße und Reeperbahn<br />
Die Live-Musikszene in Hamburg ist ebenso lebhaft wie wichtig. Kaum eine Band<br />
verzichtet bei einem Tourquickie durch Deutschland auf den Stopp in der <strong>Als</strong>terstadt. Kein<br />
Wunder, gibt es dort zwischen Feldstraße und Reeperbahn doch namhafte Clubs galore.<br />
Deshalb war ein eigenes Clubfestival die logische Konsequenz. Wir sprachen mit dem<br />
Mitorganisator Detlef Schwarte über das zweite Reeperbahn-Festival.<br />
Warum, verdammt noch mal, hat das so lange gedauert, bis<br />
Hamburg ein solches Festival bekommen hat? Immerhin<br />
war und ist die Stadt ziemlich wichtig für die deutsche<br />
Musikszene. Seit dem Jahr 2000 haben wir und andere Leute der Hamburger<br />
Musikszene mit dem Gedanken gespielt, so ein Festival auf die<br />
Beine zu stellen. Es war aber ein Haufen Arbeit, die verschiedenen Leute<br />
der Musikbranche dafür zu begeistern – Labels, Clubs, Interessenverbände.<br />
Und dann musste das Ganze auch fi nanziert werden. Hier engagiert<br />
sich nun die Stadt sehr stark, wofür wir natürlich sehr dankbar sind.<br />
Wie ist die Premiere in Hamburg aufgenommen worden? Die Premiere<br />
2006 ist bei den Festival-Besuchern und den Medien durchweg super<br />
aufgenommen worden. Insgesamt kamen aber weniger Menschen, als<br />
wir uns erhofft hatten. Deshalb wollen wir dieses Jahr mit einem Indielastigeren<br />
und meiner Meinung nach besseren Line-up durchstarten.<br />
Auch die Ticketpreise fallen deutlich günstiger aus.<br />
Schaut man auf die Gesamtzahl der Acts und Venues, fällt auf, dass<br />
ihr euch ein wenig gesundgeschrumpft habt. Ja, das kann man so sagen.<br />
Wir wollten wohl ein wenig zu viel für den Anfang. Zu viele Bands,<br />
zu viele musikalische Experimente, zu viele Venues, zu hohe Kosten ...<br />
Darum haben wir 2007 ein paar Clubs weniger und statt 210 »nur« noch<br />
ca. 140 Bands. So können wir halt auch die Tickets viel billiger anbieten.<br />
Ich glaube auch, das Konzept kam einfach noch nicht so gut durch. Dass<br />
es bei uns nämlich nicht um Headliner geht, sondern um die heißen unbekannten<br />
Acts.<br />
Welche Kriterien sind euch bei der Auswahl der Locations wichtig?<br />
Wir wollen vor allem mit den Clubs zusammenarbeiten, die ein eigenes<br />
musikalisches Profi l haben und das ganze Jahr über Livemusik in<br />
kleinerem oder größerem Rahmen präsentieren. Davon gibt es auf dem<br />
Hamburger Kiez zwischen Feldstraße und Reeperbahn halt eine ganze<br />
Menge. Von Uebel & Gefährlich und Knust bis Molotow und Mandarin<br />
Kasino, von Grünspan und Kaiserkeller bis D-Club und Angie’s<br />
Nightclub. Wir beziehen die Clubs auch in die Vorbereitung und beim<br />
Booking mit ein, sodass das Festival wirklich die Hamburger Live-Musikszene<br />
repräsentiert.<br />
Abschließend noch kurz gefragt: Was bedeutet Hamburg persönlich<br />
für dich? Na ja, Hamburg ist wahrscheinlich nicht die beste Stadt der<br />
Welt, aber die beste, die ich hab.<br />
ª 27.-29. September<br />
¡ Hamburg, diverse Locations<br />
∏ Biffy Clyro, Hard-Fi, Juliette & The Licks, Shout Out Louds, Stars, The Ark, The Raveonettes, An Pierle &<br />
White Velvet, Coheed And Cambria, Dawn Penn, Die Zimmermänner, Friska Viljor, Ghost Dog, Johnossi, Jonathan<br />
Brooke, Leo Can Dive, Logh, Neat Neat Neat, Rooney, Say Hi, Schrottgrenze, Shantel & Bucovina Club, Siva,<br />
Sorgente, State Radio, Superpunk, Tele, Ter Haar, The Cribs, The Far Cries, The Kissaway Trail, The Pigeon<br />
Detectives, The Sewer Rats, The Sugars, Tunng, Velojet, Wingenfelder, Young Soul Rebels u. v. a.<br />
µ VVK: 55,- Euro (Festivalticket); 38,- Euro (2-Tage-Ticket); 26,- Euro (Tagesticket)<br />
∂ www.reeperbahnfestival.com
Das geht draußen<br />
Mit bibop auf dem Summer Spirit Desert Rhythm in Dubai<br />
an kann die Sekunden,<br />
in denen der Beat mal<br />
stoppt, auf dem Summer<br />
Spirit an einer Hand abzählen.<br />
Wer mag, kann immer in Bewegung<br />
bleiben und den alten<br />
Militärfl ughafen in Niedergörsdorf<br />
von vorne bis hinten betanzen.<br />
Zugleich gibt’s noch tanzbare Geschichtsstunden,<br />
z. B. mit den stilbildenden<br />
Green Velvet aus Detroit.<br />
Bei diesem Programm sollte man gelegentlich aber auch mal auf die<br />
Euphoriebremse treten, damit man nicht irgendwann abklappt. Genau<br />
dafür gibt’s das chillige bibop-Wohnzimmer, das z. B. schon auf dem<br />
Melt! zur begehrten Ruheoase wurde. Wir verlosen gemeinsam mit<br />
bibop 1x2 Tickets, natürlich mit Dauerkarte für das Wohnzimmer. Einfach<br />
bis zum 28. August eine Mail mit Namen, Postadresse und dem<br />
Stichwort »bibop auf dem Summer Spirit« an verlosung@intro.de.<br />
ª 31. August – 02. September<br />
¡ Niedergörsdorf, Militärfl ugplatz<br />
∏ Ada & Metope, DJ Rush, Dole & Kom, Front 242, Green Velvet, Housemeister, Kube 72, Marusha, Octave One,<br />
Renato Figoli, Tom Clark, ASP, Chuck, Der Totmacher, Gunjah, Kid La Rock, Miss Mira, Tobi Tobsen, Vinyl D.<br />
u. v. a.<br />
µ VVK: 25,- Euro / AK: 37,- Euro (Festivalticket); 32,- Euro (Sa); 22,- Euro (Fr)<br />
∂ www.summer-spirit.de<br />
Die Festivals<br />
im September<br />
WINTERTHURER<br />
MUSIKFESTWOCHEN<br />
Turbonegro, Mardi Gras.bb,<br />
Heidi Happy, Yoshihiro Hanno, Jeans<br />
Team, A Few Good Men, Paul Camilleri<br />
& Friends, Sirqus Alfon u. v. a.<br />
22.08.-02.09. CH-Winterthur<br />
AREA 4<br />
+44, Art Brut, Billy Talent, Boozed,<br />
Eagles Of Death Metal, From<br />
Autumn To Ashes, Juliette & The<br />
Licks, Leo Can Dive, Madsen, Mando<br />
Diao, Muff Potter, Nofx, Silverchair,<br />
Soulfl y, Sparta, The 69 Eyes, The<br />
Draft, The Films, The Hives, Tool,<br />
Turbostaat u. v. a.<br />
23.08.-25.08. Lüdinghausen,<br />
Flugplatz Borkenberge<br />
9TO5 - WIR NENNEN ES<br />
ARBEIT<br />
Mit Ampl:tude, Britta, Chicks On<br />
Speed (DJ-Set), Clickclickdecker,<br />
Frith jof Bergmann, Jeans Team, Sir<br />
Simon Battle, Tom Hodgkinson u. v. a.<br />
23.08.-26.08. Berlin, Radialsystem V<br />
HIPHOP KEMP<br />
Bahamadia, Boy Better Know, Dendemann,<br />
Dilated Peoples, DJ Vadim,<br />
EMC, ,Helta Skeltah, Masta Ace,<br />
M.O.P., Pal One, Redman, Scorcher,<br />
Swollen Members, u. v. a.<br />
24.08.-26.08. CZ-Hradec Kralove<br />
MINI-ROCK-FESTIVAL<br />
Trail Of Dead, Fotos, Ignite,<br />
Trashmonkeys, Che Sudaka, Crime<br />
Killing Joker Man, Herr Stilz Seine<br />
Freunde, Mad Sin, Psychopunch,<br />
She-Male Trouble, Soma, The<br />
Busters, Yakuzi<br />
24.08. - 25.08. Horb am Neckar<br />
M Z<br />
OPEN SOURCE<br />
Ark, Bene, Kinderzimmer Productions,<br />
Mathias Kaden, Nouvelle<br />
Vague, Nôze, Orson, The Whitest Boy<br />
Alive, To Rococo Rot, Whomadewho<br />
25.08. Düsseldorf, Freibad Löricke<br />
ROCCO DEL SCHLACKO<br />
Beatsteaks, Das Pop, Millenoclin,<br />
Ohrbooten, Roman Fischer, Sportfreunde<br />
Stiller, The Films, The Lost<br />
Patrol Band, Turbostaat<br />
24.08. - 25.08. Püttlingen, Sauwasen<br />
FREE & EASY<br />
K.I.Z., Dendemann, Der Tante<br />
Renate, Die Türen, Jamaram, Kinderzimmer<br />
Productions, Kevin Devine,<br />
Bauchklang u. v. a.<br />
26.08.-09.09. München, Backstage<br />
SPACK-FESTIVAL<br />
The Robocop Kraus, She-Male Trouble,<br />
Big D & The Kids Table u. v. a.<br />
31.08.-01.09. Höhr-Grenzhausen<br />
JUGENDKULTUR-<br />
FESTIVAL BASEL<br />
And You Will Know Us By The Trail<br />
Of Dead, Princess Superstar, Data<br />
MC u. v. a.<br />
31.08.-02.09. CH-Basel<br />
SUMMER SPIRIT<br />
31.08.-02.09. Alle Infos siehe oben<br />
KRÜCKAU-FESTIVAL<br />
Muff Potter, The Busters, Smoke<br />
Blow u. v. a.<br />
31.08.-01.09. Elmshorn<br />
ROCK AM SEE<br />
NoFX, Sportfreunde Stiller, Nine<br />
Inch Nails, Billy Talent, Razorlight,<br />
The Sounds, The Graduate u. v. a.<br />
01.09. Konstanz<br />
COCOON’S GREEN & BLUE<br />
Sven Väth u. v. a.<br />
02.09. Obertshausen<br />
OFT-FESTIVAL<br />
J.B.O., Mad Sin, Discipline,<br />
Stomper98, Deadline, Born From<br />
Pain u. v. a.<br />
06.-09.09. Gräfenhainichen<br />
ISNYER OPEN-AIR<br />
Blumentopf, Kilians, Jenson, The<br />
Swindle, DJ Exel Pauly u. v. a.<br />
08.09. Isny<br />
ROCK AM<br />
PFERDEMARKT<br />
Muff Potter, Tele, Trashmonkeys,<br />
Chuck Ragan, Monsters Of Liedermaching,<br />
Panda u. v. a.<br />
14.-15.09. Lingen<br />
KULTFAKTOR SCHULHOF<br />
– KLIMANEUTRALES<br />
OPEN AIR<br />
Donots, Dendemann, Belasco u. v. a.<br />
14.09. Ratingen<br />
POPKOMM<br />
siehe Seite 119 (<strong>Intro</strong> Intim)<br />
und Seite 121<br />
19.-21.09. Berlin<br />
SWR3 NEW POP<br />
FESTIVAL<br />
Maria Mena, Ghosts, Feist, Zascha<br />
Moktan, Mando Diao, Orishas, John<br />
Butler Trio, Ayo u. v. a.<br />
20.-22.09. Baden-Baden<br />
REEPERBAHN-FESTIVAL<br />
27.-29.09. Alle Infos siehe links<br />
DER CAMPUS ROCKT ...<br />
PFORZHEIM<br />
Culcha Candela, Revolverheld,<br />
Boundzound, Silbermond u. v. a.<br />
28.09. Pforzheim<br />
<strong>Intro</strong> _ Das geht _ 123<br />
um Festival nach England,<br />
Frankreich, Belgien, Österreich<br />
– ist doch irgendwie<br />
langweilig. Wenn schon Ausland,<br />
dann ruhig mal exotisch. Was weiß<br />
man zum Beispiel über Festivals in<br />
den Arabischen Emiraten? Wenig,<br />
und das ist eigentlich schade. Deshalb<br />
sei an dieser Stelle mal das Desert<br />
Rhythm vorgestellt. Im Dubai<br />
Country Club werden Ende Oktober<br />
z. B. KanYe West, Mika, Ziggy Marley und Madness auftreten, um<br />
nur einige zu nennen. In Anbetracht der diesjährigen Regenbilanz des<br />
Festivalsommers ist es wahrscheinlich keine schlechte Idee, die eigene<br />
Saison bis in den Herbst zu verlängern. Natürlich sollte man direkt<br />
im Anschluss gleich einen Urlaub dranhängen, aber das versteht sich<br />
ja von selbst. Über Sand in den Schuhen wird man sich beim Desert<br />
Rhythm übrigens keine Gedanken machen müssen, denn die Fläche<br />
vor der Bühne ist komplett mit Kunstrasen ausgelegt.<br />
ª 26.-27. Oktober<br />
¡ Dubai, Country Club<br />
∏ KanYe West, Mika, Ziggy Marley, Madness, Black Violin, Leanne u. v. a.<br />
µ VVK: ca. 54 US-Dollar<br />
∂ www.desertrhythmfestival.com<br />
Die kommen,<br />
die Festivals<br />
POLARZOO-FESTIVAL<br />
The Ark, The Broken Beats,<br />
Wulfgang, The School, Desert<br />
Planet u. v. a.<br />
02.-04.10. Berlin, Zürich, Wien<br />
SÓNAR NITS<br />
Carles Santos, Adam Raga, Fibla,<br />
Tucker, Àngel Molina, The Vegetable<br />
Orchestra, Undo, Cabo San Roque,<br />
Matthew Herbert (Foto), DJ2D2, Guillamino,<br />
Pedrals, Reac Table, Senor<br />
Coconut, The Pinker Tones u. v. a.<br />
10-13.10. Frankfurt am Main,<br />
Bockenheimer Depot<br />
ICELAND AIRWAVES<br />
Bloc Party, !!! (chk chk chk), Múm,<br />
GusGus, Bonde Do Role, Chromeo,<br />
Lali Puna, Ms. John Soda, Deerhoof,<br />
Tied & Tickled Trio u. v. a.<br />
17.-21.10. IS-Reykjavík<br />
DUBAI DESERT RHYTHM<br />
FESTIVAL<br />
26.-27.10. Alle Infos siehe oben<br />
ELECTRICITY<br />
03.11. Saarbrücken<br />
EUROSONIC /<br />
NOORDERSLAG<br />
WEEKEND<br />
10.-12.01.2008 NL-Groningen<br />
FESTIVALSAISON 2007. Schon bald werden die Tage wieder kürzer,<br />
und die Bands ziehen sich in die Clubs zurück. www.festivalguide.de bleibt<br />
natürlich trotzdem dran. Und für die Festivalfans gibt es in der Oktober-<br />
<strong>Intro</strong> wieder das Festivalguide-Review-Heft. <strong>Als</strong>o: Weiterrocken!<br />
DIE TOLLSTE UND ERSTE<br />
MELT!-DOPPEL-CD ALLER ZEITEN!<br />
Im gut sortierten Plattenhandel oder<br />
via www.meltfestival.de/shop.<br />
MIT Bloc Party † Maximo Park<br />
Hot Chip ° Deichkind<br />
Tocotronic † Scissor Sisters<br />
Jan Delay § Hell † Phoenix<br />
Wir Sind Helden † The Rifl es<br />
The Notwist † Digitalism<br />
Stereo Total £ Kettcar ¢ Tiga U.V.A.<br />
+ »DEATH OF A FESTIVAL<br />
RAVER«-DJ MIX
GWEN STEFANI<br />
+ special guest: CSS<br />
15.09.07 · Köln, Kölnarena<br />
GRAND AVENUE<br />
17.09.07 · Köln, Studio 672<br />
PAUL WELLER<br />
18.09.07 · Köln, Theater am Tanzbrunnen<br />
SPORTFREUNDE<br />
STILLER<br />
22.09.07 · Münster, Halle Münsterland<br />
STATE RADIO<br />
28.09.07 · Köln, Underground<br />
ERDMÖBEL<br />
04.10.07 · Köln, Gloria<br />
FEIST<br />
05.10.07 Köln, E-Werk<br />
ARCHIVE<br />
05.10.07 · Köln, Kulturkirche<br />
WIR SIND HELDEN<br />
11.10.07 · Münster, Halle Münsterland<br />
12.10.07 · Köln, Palladium<br />
ANI DIFRANCO<br />
19.10.07 · Köln, Kulturkirche<br />
INTERPOL<br />
19.11.07 · Köln, Palladium<br />
SCHLACHTHOF WIESBADEN GARTENFELDSTR. 57 65189 WIESBADEN<br />
06.09. / BROKEN BEATS<br />
07.09. / KING KHAN & THE SHRINES /<br />
DER TANTE RENATE<br />
09.09. / PORTUGAL. THE MAN /<br />
SABOTEUR<br />
11.09. / MISFITS / U.K. SUBS<br />
21.09. / KEVINE DEVINE /<br />
CHIN UP CHIN UP<br />
21.09. / INT. BRONCO CLUB<br />
– INDIE CLUB NIGHT<br />
28.09. / FIGURINES / I AM BONES<br />
01.10. / TURBOSTAAT / YUCCA<br />
02.10. / GORILLA BISCUITS<br />
16.10. / ROBOCOP KRAUS /<br />
SO SO MODERN<br />
22.10. / MAXIMO PARK<br />
02.11. / 11 FREUNDE LESEREISE<br />
08.11. / SERDAR SOMUNCU<br />
Unser komplettes Programm findet Ihr im Internet<br />
www.schlachthof-wiesbaden.de<br />
PORTUGAL. THE MAN > 09.09.<br />
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Do. 23.08. • Prime Club • Köln So. 26.08. • Prime Club • Köln<br />
ABWÄRTS RILO KILEY<br />
Mi. 29.08. • Prime Club • Köln Do. 30.08. • Prime Club • Köln<br />
PARAMORE THE CRIBS<br />
Mi. 05.09. • Live Music Hall • Köln<br />
special guest:<br />
DOGS<br />
RAZORLIGHT<br />
Mo. 10.09. • Brückenforum • Bonn Mo. 10.09. • Prime Club • Köln<br />
Special<br />
Solo Performance<br />
ADAM GREEN<br />
Di. 11.09. • Prime Club • Köln<br />
KRISTOFER ASTRÖM<br />
So. 16.09. • Prime Club • Köln<br />
special guest:<br />
RICKY WARWICK<br />
KEITH CAPUTO<br />
Di. 18.09. • Prime Club • Köln<br />
special guest:<br />
THE CONCRETES<br />
SHOUT OUT LOUDS<br />
Mo. 24.09. • Prime Club • Köln<br />
ROONEY<br />
Mi. 26.09. • Stadtgarten • Köln<br />
ANNA TERNHEIM<br />
Sa. 29.09. • Prime Club • Köln So. 30.09. • Gloria • Köln<br />
BIFFY CLYRO<br />
So. 30.09. • Prime Club • Köln<br />
THE TRAGICALLY HIP<br />
Mo. 01.10. • Prime Club • Köln<br />
MONEYBROTHER<br />
Mi. 03.10. • Prime Club • Köln<br />
THE ARK<br />
Sa. 06.10. • Schauspielhaus • Düsseldorf<br />
RUFUS WAINWRIGHT<br />
Di. 09.10. • Prime Club • Köln<br />
FUNERAL FOR A FRIEND<br />
Mo. 15.10. • Prime Club • Köln Di. 16.10. • Live Music Hall • Köln<br />
CLAWFINGER<br />
Di. 16.10. • Prime Club • Köln<br />
THE WATERBOYS<br />
Do. 18.10. • Stollwerck • Köln<br />
STEREO TOTAL<br />
Fr. 19.10. • Gebäude 9 • Köln<br />
JUST JACK<br />
Do. 08.11. • Live Music Hall • Köln<br />
EDITORS<br />
Mi. 22.08. • Palladium • Köln special guest: HERMAN DUNE<br />
ARCADE FIRE<br />
Do. 23.08.<br />
Open Air am Tanzbrunnen<br />
Köln<br />
Mi. 19.09. • Palladium • Köln<br />
special guest: ASH<br />
SPORTFREUNDE STILLER<br />
So. 07.10. • Philipshalle • Düsseldorf special guest: SYMPHONY X<br />
DREAM THEATER<br />
Di. 16.10. • Palladium • Köln<br />
MAXIMO PARK<br />
Fr. 23.11. Palladium Köln • So. 09.12. Westfalenhalle 1 Dortmund<br />
BEATSTEAKS<br />
TICKET HOTLINE 01805 - 96 2222 (0,14 €/min)<br />
Fr. 07.09. • Prime Club • Köln<br />
THE TWANG (UK)<br />
JUSTICE<br />
Do. 13.09. • Prime Club • Köln<br />
JINGO DE LUNCH<br />
Mo. 17.09. • Prime Club • Köln<br />
special guest:<br />
LENA ANDERSSEN<br />
XAVIER RUDD<br />
So. 23.09. • Live Music Hall • Köln<br />
special guest:<br />
LAND OF TALK<br />
THE DECE<strong>MB</strong>ERISTS<br />
Di. 25.09. • Prime Club • Köln<br />
DIE MANNEQUIN<br />
Fr. 28.09. • Prime Club • Köln<br />
JOHNOSSI<br />
COHEED & CA<strong>MB</strong>RIA<br />
So. 30.09. • MTC • Köln<br />
THE AUDIENCE<br />
Di. 02.10. E-Werk Köln • Di. 23.10. Weststadthalle Essen<br />
special guest:<br />
TROY VON BALTHAZAR<br />
TOCOTRONIC<br />
Do. 04.10. Zeche Bochum • Fr. 05.10. Gloria Köln<br />
PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB<br />
So. 07.10. • Prime Club • Köln<br />
special guest:<br />
FACING NEW YORK<br />
RX BANDITS<br />
Mi. 10.10. • E-Werk • Köln<br />
WITHIN TEMPTATION<br />
ENTER SHIKARI<br />
Do. 18.10. • Live Music Hall • Köln<br />
special guest:<br />
CHERRY GHOST<br />
CROWDED HOUSE<br />
Fr. 19.10. • Prime Club • Köln<br />
MATTAFIX<br />
Mo. 22.10. Weststadthalle Essen • Di. 23.10. LMH Köln<br />
CULCHA CANDELA<br />
Do. 15.11. • Gloria • Köln<br />
KLAXONS<br />
special guest:<br />
DELAIN<br />
special guest: BLOOD RED SHOES<br />
So. 28.10. • Palladium • Köln<br />
AMY WINEHOUSE<br />
special guest: TURBOSTAAT<br />
So. 25.11. Kölnarena Köln • Sa. 01.12. König-Pilsener-Arena Oberhausen<br />
Fornika für alle Tour 2007 & SPECIAL GUEST<br />
DIE FANTASTISCHEN VIER
ock am<br />
pferdemarkt<br />
14 + 15-09-07<br />
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mit TURBOSTAAT<br />
Samstag, 29.09.<br />
Samstag, 13.10.<br />
KINDERZIMMER<br />
PRODUCTIONS<br />
Samstag, 27.10.<br />
CLAWFINGER<br />
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Der Rockpalast im September im WDR Fernsehen<br />
01.09.2007 l 23:15 bis 2:45<br />
30 Jahre Rockpalast »Punkrock«<br />
My Generation Der Sound der Revolte<br />
03.09.2007 l 0:45 bis 2:45<br />
Rockpalast Hayseed Dixie, The Answer<br />
Rockpalast Bigbang<br />
08.09.2007 l 23:10 bis 2:30<br />
30 Jahre Rockpalast »Crossroads«<br />
Crossroads The Blue Van, Dirty Fuzz, Sun Dial<br />
10.09.2007 l 0:15 bis 2:40<br />
Rockpalast The Police, Aufzeichnung von 1980<br />
Rockpalast John Butler Trio, Botanica<br />
15.09.2007 l 23:30 bis 4:00<br />
30 Jahre Rockpalast »Sänger & Songschreiber«<br />
Rockpalast Rock am Ring 2007<br />
17.09.2007 l 0:45 bis 2:30<br />
Rockpalast Stone Sour, Papa Roach<br />
umsonst + draußen<br />
THE AUDIENCE<br />
VISIONS ALL AREAS TEAM<br />
Alter Schlachthof Lingen<br />
Konrad Adenauer Ring 40 | 49808 Lingen | epping@alterschlachthof.de | www.alterschlachthof.de<br />
Tickets an allen bekannten VVK-Stellen und unter Hotline 0591/52076<br />
22.09.2007 l 23:15 bis 3:15<br />
30 Jahre Rockpalast »Man singt deutsch«<br />
Crossroads Beverly Joe Scott, Hugh Cornwell u.a.<br />
23.09.2007 l 00:45 bis 2:15<br />
Rockpalast The Hives, Gogol Bordello<br />
29.09.2007 l 23:15 bis 23:45<br />
30 Jahre Rockpalast »Rockpalast macht Spaß«<br />
31.09.2007 l 0:45 bis 2:45<br />
Rockpalast Wacken Open Air 2007<br />
www.rockpalast.de<br />
DIAL-BOOKING präsentiert:<br />
CHIN UP CHIN UP (USA)<br />
02.09.07 München – Backstage<br />
03.09.07 Wien – Arena<br />
05.09.07 Winterthur - Gaswerk<br />
18.09.07 Hamburg – Molotow<br />
19.09.07 Berlin – Magnet<br />
20.09.07 Köln – Blue Shell<br />
21.09.07 Wiesbaden – Schlachthof<br />
22.09.07 Würzburg – Cairo<br />
23.09.07 Karlsruhe – Jubez<br />
KEVIN DEVINE (USA)<br />
18.09.07 Hamburg – Molotow<br />
19.09.07 Berlin – Magnet<br />
20.09.07 Köln – Blue Shell<br />
21.09.07 Wiesbaden – Schlachthof<br />
22.09.07 Würzburg – Cairo<br />
23.09.07 Karlsruhe – Jubez<br />
24.09.07 München – Feierwerk<br />
25.09.07 Giessen – MuK<br />
26.09.07 Offenbach – Hafen 2<br />
29.09.07 Münster – Amp<br />
02.10.07 Trier – Exhaus<br />
JENNY HOYSTON (USA)<br />
06.09.07 Köln – Tsunami<br />
07.09.07 Berlin – Kastanie<br />
THE FLESH & PANTHER (USA)<br />
18.09.07 Heidelberg – Zum Teufel<br />
19.09.07 Berlin – Magnet<br />
20.09.07 München – Feierwerk<br />
21.09.07 Halle/Saale –<br />
Hühnermanhatten<br />
24.09.07 Wien – Arena<br />
25.09.07 Würzburg – Cairo<br />
26.09.07 Nürnberg – MUZ-Club<br />
27.09.07 Köln – Tsunami<br />
Dial-Booking, Winsstr. 57, 10405 Berlin<br />
www.dial-booking.de 030-44 32 33 43<br />
www.myspace.com/dialbooking<br />
LIVE CLUB<br />
SCHWIM<strong>MB</strong>AD<br />
-musik-club.de<br />
Sa.<br />
01.<br />
Mi.<br />
05.<br />
Do.<br />
06.<br />
Fr.<br />
07.<br />
Sa.<br />
08.<br />
Fr.<br />
14.<br />
Sa.<br />
15.<br />
Do.<br />
20.<br />
Fr.<br />
21.<br />
Sa.<br />
22.<br />
Do.<br />
27.<br />
Fr.<br />
28.<br />
Sa.<br />
29.<br />
SEPTE<strong>MB</strong>ER 07<br />
TONEHAT<br />
Soul · Rock · Funk<br />
TITO &<br />
TARANTULA<br />
PLANLOS<br />
Punkrock<br />
DEPECHE MODE PARTY<br />
mit DJ Jochen<br />
THE FIGHT CLUB<br />
Drum’n Bass & Jungle<br />
BIG CLOSING DOWN PARTY<br />
15 artists & more guests<br />
SKA NIGHT<br />
ALASKA<br />
UPTOWN SKANKIN’<br />
presented by Jamrock Hifi<br />
SHAKE A DEM VS.<br />
COSMOHOUSE VS.<br />
SOUNDBLESS<br />
GLOBAL BATTLE OF<br />
THE BANDS<br />
SCRUB · THE AIRPUMPS ·<br />
FEARPHOBIA · BLISS · DEIN<br />
EX · CHAOSPHERE<br />
BIG FM PARTY NIGHT<br />
POLLY<br />
Nirvana-Covers<br />
BOPPIN’B<br />
Comedy-Rock’n Roll<br />
STUDI-PARTY<br />
THE VENUS PULS<br />
Indierock<br />
DUST’N BONES<br />
Guns’n Roses-Covers<br />
Ü30-PARTY<br />
KNUTSCHFLECK<br />
NDW-Party<br />
OPEN AIR DISCO<br />
RAUCHEN ERLAUBT!<br />
2 OPENAIR-RAUCHERBEREICHE<br />
EXTRA<br />
Konzertbeginn wochentags 21 h<br />
Wochenende 22 h<br />
Einlass Do., Fr. & Sa. 21 h<br />
Sonderevents 20 h<br />
Telefon 06221 – 47 02 01<br />
Heidelberg – Nähe Zoo
128 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Nachlese Foto: Mari Harrala<br />
Ruisrock.<br />
Lordi-Weingummis am Meer<br />
06.-08.07. – FIN-Turku<br />
Vor mir spielen die Children Of Bodom auf einer mit Amischlitten<br />
vollgeparkten Bühne eingängigen Death-Metal. Während ich eines<br />
meiner Lordi-Weingummis nasche, laufen links von mir junge Bikini-Mädels<br />
ins Meer. Nur wenige Meter vom Land entfernt schippert<br />
eine riesige Stena-Line-Fähre vorbei, auf der alte Menschen belustigt<br />
winken. Klingt ziemlich abgefahren? Und fühlt sich auch genau<br />
so an. Das Ruisrock im fi nnischen Turku bietet nicht nur eine<br />
atemberaubende Location mit Meereslage, es zeigt auch, dass trotz<br />
der geringen Entfernung der kulturelle Unterschied ein großer sein<br />
kann. Besagte Children Of Bodom zum Beispiel führten wochenlang<br />
die Albumcharts an und sind nach Meinung der fi nnischen Musikbranche<br />
die Band, die es am ehesten zur Weltherrschaft bringen<br />
kann. Überhaupt ist das Ruisrock das größte Festival Finnlands,<br />
weil in erster Linie die heimischen Künstler zum Zug kommen. Zum<br />
Beispiel Ismo Alanko Teholla – der »fi nnische Rio Reiser«. Oder Zen<br />
Café, die U2 ins Finnische zu übersetzen scheinen, oder aber die<br />
auch in Deutschland bekannten und wunderbaren Husky Rescue.<br />
Meistens regiert jedoch der Rock: Marillion, In Flames, Amorphis<br />
und Hanoi Rocks in Originalbesetzung, you name it. Sogar eine Yngwie-Malmsteen-Coverband<br />
läuft mir hier über den Weg. Weirder<br />
geht’s nicht, außer vielleicht bei der Finnlandpremiere der Flaming<br />
Lips, die bei Dämmerlicht um Mitternacht ein hochgradig alkoholisiertes<br />
Publikum rumkriegen. Ich dachte immer, ich hätte schon vieles<br />
gesehen in Sachen Festivals, aber so eins dann doch noch nicht.<br />
Ich bin begeistert.<br />
Daniel Koch<br />
Signal 2 / Streich 4.<br />
Die Kunst des Diktierens<br />
09.-11.07. – Berlin, Sonnenallee<br />
Künstler aus verschiedenen Bereichen zu Happenings zu versammeln<br />
mag sich vielleicht nicht nach dem heißen Scheiß anhören.<br />
Wenn es aber jemand schafft, in dieser Hinsicht dermaßen viel auf<br />
die Beine zu stellen wie Sprühgeist Yaneq aus Berlin, darf er sich ruhig<br />
Kunstdiktator nennen. Oder sogar Party Arty Diktator, um genau<br />
zu sein. Was macht so ein Diktator? In seiner PAA (Party Arty<br />
Army) gelingt Künstlern etwas, was sie sonst eher selten schaffen:<br />
miteinander klarkommen. Damit ist ihm ein spontanes Kunstfestival<br />
namens Signal geglückt, für das er innerhalb kürzester Zeit haufenweise<br />
Musiker, Maler, Grafi ker etc. zusammentrommeln konnte;<br />
eine »Arty Party« startete. Mit Signal 2 stellte der reizende Yaneq<br />
nun erneut eine äußerst inspirierende Sache vor. Im Studio der Neuköllner<br />
Electro-Rocker Warren Suicide, in dem beispielsweise schon<br />
das letzte Kante-Album von dem allgegenwärtigen Moses Schneider<br />
produziert worden ist, versammelten sich erneut allerlei Künstler.<br />
Diesmal war auch ein Streichquartett anwesend, das über einen<br />
Zeitraum von drei Tagen mit so verschiedenen Interpreten wie Dirk<br />
von Lowtzow, Gods Of Blitz, T.Raumschmiere, Pitchtuner u. v. a. deren<br />
Songs einspielte. Arrangiert wurde das Ganze von Nackt (Warren<br />
Suicide), der halbnackt die Streicher dirigierte. Zu viele Namen?<br />
Aber es kommen ja noch die ganzen Maler und Grafi ker dazu, die<br />
gleichzeitig die Cover zu den Aufnahmen gestalteten. Nur der Diktator<br />
selbst kann die alle aufzählen. Neben der üblichen Arty Party<br />
springt bei der Aktion also noch eine ganze Edition (»Arty Edi«?) heraus.<br />
Erhältlich in der Galerie Ihres Vertrauens.<br />
Martin Riemann
www.bibop.de<br />
Schorsch Kamerun. Bei den<br />
Kammerspielen München<br />
13.07. – München, Schauspielhaus<br />
Warmes Pils direkt aus dem Kasten auffe Faust. Die Vermutung<br />
liegt nahe, dass man sich in der halbwegs schmucken Gastro-Area<br />
der Münchner Kammerspiele über das Zielgruppen-Gefüge eines<br />
Abends, an dem die knisternd-renitente Eigenart verströmenden Vokabeln<br />
»Goldene Zitronen« den Theater-Spielplan des Traditionshauses<br />
aufmischen, lediglich oberfl ächlich Gedanken gemacht hat.<br />
Während sich also abends ein gewohnt Genre-adäquates Klientel in<br />
Parkett und Logen des Schauspielhauses breitmacht, um ein – wie<br />
es heißt – »nicht gerade Greatest-Hits-Set« der Hamburger zu goutieren,<br />
fanden sich dort bereits am Nachmittag drei bis vier Handvoll<br />
Allgemeininteressierte ein, um an allerlei crazy Spielstätten<br />
des Hauses (u. a. Montagehalle, Schreinerei) Aufführungen unter<br />
dem Motto »Fürchtet euch nicht!« zu begutachten. Unter die jeweils<br />
halbstündigen Film-, Theater- und Vortrags-Darbietungen zum Thema<br />
Utopien bzw. der Frage »In welcher Zukunft wollen wir leben?«<br />
hat sich mit »Der Logik der Anpassung« auch eine Eigenregie von<br />
Schorsch Kamerun, der sich seit einiger Zeit als Theaterregisseur in<br />
München verdingt, geschmuggelt. Zu Recht wird das Werk von der<br />
Utopisten-Gemeinde (eingeschworen vom Auftakt-Assoziations-Diagesäusel<br />
der Miet-Gastgeberin Professor Annett Zinsmeister und<br />
ihrem »digitalen Gedächtnisspiel zum Plattenbau und anderen modularen<br />
Utopien«) auf ihrem Weg durch den von Headset-verzierten<br />
Theatermitarbeitern eskortierten Parcours durchs gesamte Haus<br />
mit heiterem Wohlwollen aufgenommen. Jürgen Dobelmann<br />
<strong>Intro</strong> _ Musik _ Nachlese _ 129<br />
Acht Jahre Berliner Gazette.<br />
Sympathisch uncool<br />
14.07. – Berlin, Kim<br />
Die Berliner Gazette – eine so kulturkritische wie netzaktivistische<br />
Kombination aus Newsletter, Internet-Feuilleton und Blog (www.<br />
berlinergazette.de) – feierte ihr 8-jähriges Bestehen in der Berliner<br />
Kneipe Kim. Mit Wandinstallationen von Mister Ministeck, Videokunst<br />
von Florian Thalhofer, Eva Grubinger und anderen, mit einer<br />
Lesung mehrerer AutorInnen, unter anderem auch die komplette<br />
Redaktion: Susanne Lederle, Magdalena Taube, Krystian Woznicki.<br />
Die Eltern des Gazette-Gründers Woznicki waren auch da; der Vater<br />
schaute dem Laptop-Musiker Shintaro Miyazaki beim Improvisieren<br />
über die Schulter: Ach so, der junge Mann gibt gerade ein Konzert,<br />
interessant. Nachwuchsautor Michael Taube trug einen Text<br />
über den letzten Schultag vor. Das Ganze erinnerte etwas an einen<br />
Tag der offenen Tür, den eifrige Pennäler ausrichten. Sympathisch,<br />
dass ein derart unprovinzielles publizistisches Unterfangen wie die<br />
Gazette eine so uncoole Party veranstaltet. Ausgehend vom Berliner<br />
Kulturleben, betreibt die Gazette eine agile Gegenwartsdiagnostik.<br />
Mit dem Projekt »McDeutsch« wurde im letzten Jahr versucht, dem<br />
Neo-Nationalismus zu begegnen. Magdalena Taube schrieb: »Sprache<br />
ist kein starres Gefüge, sondern ein offenes System.« (Leider<br />
nutzen das auch Leute, die sich Wörter wie »JobCenter« ausdenken.)<br />
Dieses Jahr widmeten sich im wöchentlichen Rundmail-Feuilleton<br />
u. a. Geert Lovink, Harald Fricke, Mona Motakef und Dietmar Dath<br />
dem Thema »Zeitgeist«. Im Online-Forum haben persönliche Diskussionsbeiträge<br />
mitunter theoretischen Anspruch. Frank Geber
130 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Katz & Goldt _ All the next<br />
Katz & Goldt<br />
All the next No. 154 17.09.2007<br />
Devendra Banhart, Chrome Hoof,<br />
Stars, PJ Harvey, Supermayer,<br />
Róisín Murphy, Foo Fighters, Beirut