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M.I.A.<br />

Missing in America<br />

Animal Collective<br />

Broken Social Scene presents: Kevin Drew<br />

Hard-Fi<br />

Gentleman<br />

Talib Kweli<br />

Thomas Harlan


Wort ab<br />

Inhalt<br />

004 Monitor<br />

<strong>Intro</strong> _ Inhalt _ 003<br />

Melt! Klar, was anderes kann hier nicht an erster Stelle stehen. Zu gegenwärtig sind noch die Erinnerungen<br />

an tolle Auftritte, grandioses Wetter und, gerade wegen euch allen: die super Stimmung. Herzlichen Dank an<br />

alle, die ihren Teil dazu beigetragen haben, unser Festival zum Highlight dieses Sommers zu machen. Und<br />

da wir das alles geahnt haben, produzierte Steil die Modestrecke diesmal auf dem Gelände. Arbeitstitel:<br />

»Flatrate saufen«. Aber da die Protagonisten namhafte Autoren des Hauses sind und somit Vorbildcharakter<br />

haben (sollten), sei schnell angemerkt: Bei der Produktion dieser Strecke wurde nur Mineralwasser<br />

verabreicht. Alle Models sind hervorragende Schauspieler. Und Alkohol ist generell eh zu meiden... Ansonsten<br />

hat uns diesmal nach diversen Specials der Alltag eingeholt. Gut, gut, das ist sehr kokett ausgedrückt,<br />

schließlich bringt auch der immer besondere Momente in Pop mit sich. So durfte diesmal Heiko Behr M.I.A. in<br />

Chicago treffen, wo diese erste Konzerte zum neuen Album »Kala« gab. Dieses setzt da an, wo der Vorgänger<br />

aufhörte: Dancehall-Electro, der von der Prägung seiner Protagonistin zwischen Sri Lanka und United<br />

Kingdom zeugt. Und dabei noch ‘ne Spur souveräner und radikaler als das Debüt anmutet.<br />

Liebe Grüße aus Köln,<br />

die Redaktion<br />

001 Titel 003 Wort ab / Inhalt 004 Aufmacher: Chloé 006 Melt! 008 Monitor: Der Vergnügungspark ganz vorne<br />

010 Impressum<br />

016 Musik<br />

016 Hot Hot Heat 018 You Say Party! We Say Die! 020 Okkervil River 022 Moneybrother 024 Beach House 026<br />

Talib Kweli 028 M.I.A. 032 Der Geist des Kollektivs: Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin<br />

Drew 036 Kunstfreiheit für G-Hot 038 Menomena 040 Hard-Fi 042 The Go! Team 044 Future Dance City Berlin:<br />

Boys Noize / Wahoo / Troy Pierce / Modeselektor 046 Tel Aviv 048 Kochen mit Gentleman<br />

050 Steil<br />

050 Mix mir einen Drink 056 Roxy Jam Biarritz 058 Strandgut Clothing / DeinDesign / Nike / Zehnvierdreisieben<br />

/ Bench / Levi’s / FlyPink / Eastpak 060 Rendez-Vous Hommes Paris 062 Lockengelöt 063 Für dich<br />

065 Und so<br />

065 Urbi Et Orbi – Zur Kunst des Plakatabrisses 066 David Mackenzie / Hallam Foe 068 Thomas Harlan /<br />

Wandersplitter 070 Neue Filme 072 Neue DVDs 074 TV-Serien-Special 076 Neue Bücher 080 Flipperautomaten<br />

082 Sam & Max: Season One 084 Neue Spiele 086 Neue Technik<br />

089 Probefahrt Musik<br />

089 Charts 090 Platten vor Gericht 092 Neue Alben und DVDs 114 Heimspiel<br />

120 Das geht<br />

120 <strong>Intro</strong> empfiehlt 121 Das geht 122 Festivalguide 124 Da geht’s 128 Das ging 130 Textmarker / All The Next


004 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor _ Chloé Text: Thomas Venker _ Interview: Thomas Venker & Susanne Pospischil<br />

CHLOÉ.<br />

HOMECOMING-SET<br />

IN BIARRITZ


Es ist nicht leicht, an Chloé heranzukommen<br />

an diesem lauen Sommerabend.<br />

Nicht, da der Rummel um<br />

die französische DJ mittlerweile so<br />

groß wäre, dass sie sich in einem<br />

Strandstädtchen wie Biarritz nicht mehr ungestört<br />

bewegen könnte. Es ist ihre persönliche<br />

Geschichte mit der Stadt, die für eine vertraute<br />

Menschenmenge um sie herum sorgt. Ihre<br />

Familie stammt aus Biarritz (ein Onkel lebt<br />

hier immer noch): Hier hat sie parallel zu Paris<br />

ihre ersten DJ-Schritte gemacht (und legt regelmäßig<br />

im nahe gelegenen Spanien auf – »da<br />

im spanischen Basken-Hinterland im Gegensatz<br />

zu Biarritz eine Technoszene existiert«),<br />

und hier hat sie auch das erste Mal in ihrem Leben<br />

gesurft. Eine Leidenschaft, die sie noch immer<br />

bei jedem Besuch auslebt. Insofern war es<br />

geradezu ideal, dass sie zum »Roxy Jam« nebst<br />

angeschlossener Longboard-WM der Frauen<br />

gebucht wurde. Überhaupt sieht sie Gemeinsamkeiten<br />

der Milieus. Sowohl in der Surfals<br />

auch in der DJ-Szene haben Frauen einen<br />

schweren Stand. Es sind von Männern dominierte<br />

Szenen. <strong>Als</strong> sie zu surfen begann, waren<br />

die Jungs noch irritiert: »Klar hatten sie gerne<br />

Mädchen am Strand, aber die Wellen, die sollen<br />

wir ihnen nicht streitig machen.« Eine ignorante<br />

Haltung, die sie auch beim Aufl egen erlebt<br />

hat. Chloé begegnete ihr, indem sie sich ihr<br />

zunächst nicht stellte: Ihr DJ-Coming-out hat-<br />

te sie in der lesbischen Clubszene Paris’ rund<br />

um den Le Pulp Club. Hier legte sie gemeinsam<br />

mit Jennifer Cardini und Ivan Smagghe den<br />

Grundstein für das, was wir heute als die Pariser<br />

Technoszene kennen. Mittlerweile haben<br />

sie und ihre Freunde mit Labels wie Karat, Tigersushi<br />

und Katapult den Sound und die Botschaft<br />

dieser familiären Szene längst in die<br />

Welt getragen – und sich selbst erfolgreich positioniert.<br />

Die Clubnacht im Le Pulp hieß übrigens<br />

»KillTheDJ«, genauso wie das gemeinsame<br />

Label der Clique, auf dem nun auch das<br />

Debütalbum Chloés erscheint. Es dürfte keinen<br />

wundern, dass ihre Art, mit diesem umzugehen,<br />

eine sehr emphatische mit feingliedriger<br />

Dramaturgie ist. Ganz wie ihre Freunde vom<br />

Dial-Label – bei unserem Treffen erscheint sie<br />

passend im Hamburger Bohemian-Look mit<br />

Hemd und umgelegtem Pullover, sehr stillvoll,<br />

ja, fast schon glamourös, aber eben auf eine dezente,<br />

zurückgenommene Art – will sie mehr<br />

rüberbringen als nur die klare Botschaft der<br />

Bassdrum. Nicht nur, dass sie nicht die Langsamkeit<br />

scheut, sich gefühlvoll herantastet,<br />

es ist vor allem eine Offenheit für Experimente,<br />

die ... Nein, das greift zu kurz, das hier geht<br />

darüber hinaus, ist Teil einer Schule des Zuhörens,<br />

des sich nicht Wegwendens. Natürlich<br />

zieht sie im Verlauf das Tempo an. Natürlich<br />

lässt sie auch hier wie in ihren Sets die Bassdrum<br />

sprechen. Und natürlich wollen wir das<br />

<strong>Intro</strong> _ Monitor _ Chloé _ 005<br />

genau so haben. Überhaupt. Genau jetzt wollen<br />

wir es haben. Und auch die Freunde warten<br />

bereits vorm DJ-Pult, neben dem die Sonne<br />

den ihr angedachten Untergang bereits halb<br />

performt hat. Die zweite Hälfte wird Chloé mit<br />

knarzigem, Acid-angehauchtem Techno begleiten.<br />

Schon heftig für einen Cocktail-Empfang.<br />

Aber auch hier gilt: Die Handschrift prägt den<br />

Sound. Sie bringt so viel Wärme ein, dass alle<br />

nur lächelnd mitwippen und gar nicht mitbekommen,<br />

wie energisch das Set eigentlich angelegt<br />

ist. Bei ihrem zweiten Set des Tages, gegen<br />

Mitternacht in einem Etepetete-Club am<br />

Stadtstrand von Biarritz, sollten wir aber nicht<br />

mit so viel Konsequenz rechnen, warnt sie uns.<br />

Sie habe vorhin schon dem Betreiber ihren<br />

Sound beschreiben müssen. Das sei eben ein<br />

– und dann macht sie eine reibende Handbewegung<br />

mit Daumen, Zeige- und Mittelfi nger<br />

– Club, in dem es mehr um das Sehen und Gesehen-Werden<br />

gehe und um Geld. Das sei überhaupt<br />

das Problem in Frankreich: Man könne<br />

zwar, wenn man es in Paris geschafft hat, überall<br />

spielen, »aber in der Regel haben selbst große<br />

Städte wie Bordeaux und Nantes nur einen<br />

Laden – und kleine wie Biarritz eigentlich gar<br />

keinen«, wo sie ihren Sound aufl egen kann.<br />

Chloé<br />

The Waiting Room<br />

CD // Kill The DJ / Nocturne / VÖ 10.10.


006 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor _ Melt 2007<br />

MELT! #10<br />

Deichkind<br />

Polarkreis 18<br />

Dendemann<br />

Du x 16.000<br />

I‘m From Barcelona auf Konfetti<br />

Totenkopf – Rassel. Schick.<br />

Digitalism links, rechts: »Wurst« und »Käse« sind<br />

das »Love« und »Hate∑« 2007? Na dann.


Fotos: Arne Sattler<br />

Der dicke Zauberer von Deichkind<br />

»Ich glaube, ich war nach einem Festival<br />

noch nie so gut gelaunt, sogar jetzt, drei<br />

Tage danach, bin ich immer noch glücklich.<br />

Ab und zu erwische ich mich sogar<br />

Kopfnickend durch die Stadt laufend,<br />

ohne dass ich Musik höre oder ein Lied<br />

in meinem Kopf habe. Meine Lebenseinstellung<br />

hat sich irgendwie geändert. Ich<br />

bin total entspannt, nur noch freundlich<br />

zu anderen und das Neueste....ich bin geduldig<br />

geworden. Hört sich alles vielleicht<br />

blöd an. Aber das MELT! war einfach nur<br />

das Beste, was ich bis jetzt in meinem<br />

ganzen Leben erlebt habe.........Danke an<br />

alle netten Leute, die dort waren. Genießt<br />

weiterhin euer Leben. Man sieht sich<br />

dann nächstes Jahr!!!«<br />

saddlecreekfreak 18.07.2007 17:09:59<br />

auf www.intro.de<br />

Lady Sovereign<br />

I‘m From Barcelona oben, Jeans Team rechts<br />

Tocotronic<br />

Kelis<br />

Hot Chip. Auftritt: glatte 1. Brillen: 5 – 6.<br />

<strong>Intro</strong> _ Monitor _ Melt 2007 _ 007<br />

Auf intro.de: Zahllose Melt-Auftritte im<br />

Video-Stream, Video-Interviews mit fast<br />

allen Acts und mucho Vorfreude auf 2008.<br />

www.meltfestival.de<br />

DANKE


008 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />

DREI FRAGEN AN<br />

OLIVER USCHMANN<br />

Du wanderst eine längere Lesetour<br />

von Ende August barfuß. Ist das inspiriert<br />

von Kerkeling und Andrack<br />

– oder bist du nur wahnsinnig? Ich mache<br />

quasi die Dreifaltigkeit laufender Humoristen<br />

perfekt: Hape pilgerte, Manuel wanderte,<br />

und ich wandele. Der Wandeler geht in der<br />

Natur auf, vor allem dadurch, dass er barfuß<br />

läuft. Außerdem geht er gern querfeldein, er<br />

ist Dekonstruktivist, er lässt sich die Kategorie<br />

»Weg« nicht vorschreiben. Er ist die kontemplative<br />

Version der Parcours-Läufer in den<br />

Städten.<br />

Du hast tatsächlich deine Festanstellung<br />

gekündigt, um dich lieber als (Pop-) Lite-<br />

rat durchzuschlagen. Bist du denn so erfolgreich?<br />

Oder stimmt am Ende das Buch »Wir<br />

nennen es Arbeit«, und Festanstellung und<br />

Krankenversicherung sind ein unzeitgemäßer<br />

Klotz am Bein? Mein Nachfolger bei Visions<br />

sagte einmal so schön: »Ich gehe jetzt nach<br />

Hause, im Büro schafft man ja nichts.« So ist<br />

das, und das macht einen arbeitssüchtigen<br />

Freigeist wahnsinnig. Festanstellung bedeutet<br />

heute, 85 % seiner Zeit in einem Negativ-Flow<br />

aus unsinnigen Mails, überfl üssigen Telefonaten,<br />

Flurfunk, Plätzchen und Kaffee zu verbringen.<br />

Unterbrechung ist die Regel, Konzentration<br />

absolute Ausnahme. Das ist überall so, aber<br />

so kann man auf Dauer weder Romane schrei-<br />

»<br />

Woher kennt ihr denn alle<br />

den Text? Wir haben doch gar<br />

keine Platten verkauft!«<br />

Philipp von Deichkind zum Melt!-Publikum, als dieses bei »Remmi Demmi« sogar die Rap-<br />

Parts mitbrüllen kann. So entfesselt hat man das sonst so düstere Dilemma der rückläufi gen<br />

CD-Käufe noch nie auf den Punkt gebracht bekommen.<br />

ben noch sein Leben organisieren.<br />

Du hast mit den Figuren »Hartmut und ich«<br />

jetzt auch das dritte Buch besetzt. Geht es<br />

mit ihnen noch weiter, oder sehnst du dich<br />

jetzt langsam mal nach anderen Charakteren?<br />

Ach, Nebenschauplätze habe ich ja genug,<br />

hier mal eine Geschichte in »Am Erker«,<br />

da ein Aufsatz im ersten Band der »Kafka-Gesellschaft«.<br />

Die hartmuteske Welt bleibt allerdings<br />

der rote Faden. Warum sollte sie schon<br />

fertig sein? Fragt ihr auch JJ Abrams, warum<br />

er »Lost« auf acht Staffeln angelegt hat? War<br />

selbst Kafka nicht recht eintönig? Immer wieder<br />

diese Betten, Türschwellen, Türen, Flure.<br />

Akt. Buch »Wandelgermanen« (Fischer Verlag)<br />

IN DER ZITATHÖLLE<br />

Mit Venom »Welcome To Hell« und Vegan »Welcome<br />

To Health« (siehe http://vegan-wonderland.de)


VERZWEIFELT GESUCHT<br />

PHIL DAUB<br />

Karriere-Warm up bei Viva: Phil Daub,<br />

Heike Makatsch und Niels Bokelberg<br />

Phil Daub, Viva-Moderator der ersten<br />

Generation of »Metalla«- und<br />

»WahWah«-Fame. Der schöne Rokker<br />

mit den großen verträumten Dackelaugen,<br />

der sexy schnurrenden Stimme. War<br />

von 1994 bis 2001 dabei. Nach dem Ausstieg<br />

ein kurzes Zwischenspiel im Sakko<br />

als Quizshow-Host bei RTL2s famoser Rate-<br />

KATZ UND GOLDT:<br />

WESTPROPAGANDA-CARTOON ENDLICH ÜBERSETZT<br />

show »Multi-Millionär«. Mittlerweile Produzent<br />

elektronischer Musik, zwischen<br />

Kaffeehaus-Drum’n’Bass, Goa-Trance und<br />

Enigma. Hat zwei Alben raus, »Troponina 1«<br />

(2005) und »Light Of Darkness« (2006). Und<br />

jetzt? Etwa 40, bezeichnet sich in seinem<br />

Tagworld-Profi l (www.tagworld.com/phildaub/)<br />

als »Human Being«. Nennt auf seiner<br />

MySpace-Seite unter anderem Spirits,<br />

Chi, Love, Heaven, Wind und sich selbst als<br />

Einfl üsse. Muss man sich Sorgen machen?<br />

Keineswegs: Bei der dänisch-deutsch-französischen<br />

Märchen-TV-Serie »Das hässliche<br />

Entlein & ich« hat er die Synchronsprech-Rolle<br />

von Ratte Nummer #2 an Land<br />

gezogen. Und mit »Nettwerk Cölln« eine eigene<br />

MySpace-Gruppe aus dem Boden gestampft.<br />

Letzter Stand: bereits 124 Mitglieder!<br />

Kein Wunder bei solch einer Einladung:<br />

»Deshalb lad DU einfach jeden netten Kölner,<br />

den DU kennst, in diese Gruppe ein,<br />

und Rubbeldiekatz wird’s nett und kuschelig,<br />

und es hagelt nette Kölner, und alle<br />

freuen sich. Ist das nett?« Äh, ja, natürlich.<br />

Till Stoppenhagen<br />

<strong>Intro</strong> _ Monitor _ 009<br />

Dass sich im Netz ein <strong>Intro</strong>-Katz-&-Goldt-Beitrag fi ndet, wäre bestimmt kein Erstaunen wert.<br />

Aber so schön in Kyrillisch übersetzt, da guckt man gern zweimal hin. Und hofft natürlich, dass der<br />

freundliche Sinn gut übertragen wurde und die russische Community uns nun als verschmitzte<br />

Aufklärer wahrnimmt. Und nicht etwa als selbstgerechte Verhöhner. Wer’s wieder zurückübersetzen<br />

kann, möge Bescheid geben.<br />

PROMO-ITEM DES MONATS<br />

STAHLHELM<br />

Kollege Felix »ausgemustert« Scharlau behauptet<br />

immer noch, in dem Helm wäre vielleicht<br />

sein Großonkel gestorben. Andererseits<br />

könnte es sich hier aber auch nur um eine Requisite<br />

aus dem Deppen-Film »NVA« von Detlev<br />

Buck handeln. Wie dem auch sei: Der Promo-<br />

Effekt hat sich eingestellt. Und dafür mussten<br />

die Betreiber des Spiels »Hour Of Victory« nur<br />

50 Euro Porto zahlen und ein Bundeswehr-Depot<br />

überfallen. Das ist Einsatz.<br />

INTRO INTIM<br />

@ POPKOMM 2007<br />

21.09. Trentemøller live in concert,<br />

Op:l Bastards, Warren Suicide,<br />

Frozen North Special ft. Jussi Pekka u.a.<br />

Berlin / Maria ... weitere Highlights geplant ...<br />

Update/Info/Ticket: www.intro.de/introducing


010 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />

IMPRESSUM<br />

Verlag <strong>Intro</strong> GmbH & Co. KG, Postfach 19 02 43, 50499 Köln<br />

Fon (0221) 9 49 93-0, Fax (0221) 9 49 93 99<br />

Mail intro@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de<br />

Herausgeber Matthias Hörstmann<br />

Chefredakteur Thomas Venker<br />

Redaktion Peter Flore (Online), Wolfgang Frömberg, Boris Fust,<br />

Matthias Hörstmann, Daniel Koch, Susanne Pospischil (Mode & Foto),<br />

Felix Scharlau, Linus Volkmann, Kristina Engel (Lektorat)<br />

Geschäftsführer Marketing & Online Matthias Fricke<br />

Projektmanagement & Personal Rebecca Wast<br />

Events Stefan Lehmkuhl (Leitung), Hendryk Martin, Julia Gudzent,<br />

Sebastian Siegmund – Büro Berlin, Greifswalder Str. 224,<br />

10405 Berlin, (030) 4 43 18 99-0, termine@intro.de<br />

PraktikantInnen Manuel Czauderna, Philipp Jedicke, Elisa Malzkorn,<br />

Andrea Anez, Michael Noll, Nils Wiere<br />

News news@intro.de<br />

Programmierung & Datenbanken Jan Plogmann (Leitung),<br />

Oliver Zeyen, Sandro Boege<br />

Artdirection Holger Risse (Jürgen und ich)<br />

Layout Jörn Osenberg (osi)<br />

Vertrieb Niels Kleimann (-41 / Leitung), Thomas Lorber,<br />

Sebastian Siegmund (Berlin, Ost)<br />

Abo / Administration Johannes Röder, abo@intro.de<br />

Public & Media Relation Dirk Völler<br />

Anzeigenleitung & Administration Christian Schlage (-12/ Leitung),<br />

Johannes Röder (-14)<br />

Fon (0221) 9 49 93-12, Fax (0221) 9 49 93 88, Leonardo (0221) 9 49 93 66<br />

Head of Marketing & Sales Oliver Bresch (-13)<br />

Marketing & Sales Martin Lippert (-17), Pete Schiffler (-19), Hendryk<br />

Martin (-32), David Winter (-63)<br />

Tonträger Matthias Fricke (-15), Matthias Hörstmann (-11)<br />

Konzertagenturen Stefan Lehmkuhl (030) 4 43 18 99 18<br />

Regionale Kunden Sebastian Siegmund (030) 4 43 18 99 17<br />

Aktuelle Anzeigenpreisliste Nr. 14 (10/2003)<br />

Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G.<br />

BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900<br />

AutorInnen Alex Bechberger, Bernd Begemann, Dirk Böhme, Dana<br />

Bönisch, Georg Boskamp, Jochen Brandt, Andreas Brüning, Silke Bücker,<br />

Lars Bulnheim, Christoph Büscher, Uwe Buschmann, Martin Büsser,<br />

Cay Clasen, Calle Claus, Kerstin Cornils, Lina Dinkla, Jürgen Dobelmann,<br />

Henrik Drüner, Sonja Eismann, Rasmus Engler, Klaus Fiehe, Holm<br />

Friebe, Jens Friebe, Marco Fuchs, Boris Fust, Kerstin Grether, Sandra<br />

Grether, Andreas Grüter, Lutz Happel, Lee Hollis, Silke Hohmann, Ulf<br />

Imwiehe, Sebastian Ingenhoff, Alexander Jürgs, Jan Kage, Christian<br />

Kahrmann, Arnold Kant, Olaf Karnik, Jan Kedves, Kai Klintworth,<br />

Felix Klopotek, Felix Knoke, Christoph Koch, Jörg Koch, Hendrik Kröz,<br />

Jeffrey Kubiak, Alexander Lazarek, Eric Leimann, Aram Lintzel, Hannes<br />

Loh, Jasmin Lütz, Thomas Markus, Oliver Minck, Dörte Miosga, Dirk<br />

Mönkemöller, Jörn Morisse, Severin Most, Tobias Mull, Wolfgang A.<br />

Müller, Michael Münz, Felix Mutter, Markus Naegele, Tobias Nagl,<br />

Jasper Nicolaisen, Ralf Niemczyk, Florian Opitz, Sven Opitz, Rainer Ott,<br />

Jan Pehrke, Bernhard Przybilla, Nils Quak, Arno Raffeiner, Andreas<br />

Reihse, Anja Reinhardt, T.L. Renzsche, Martin Riemann, Ingo Rieser,<br />

Thomas Ritter, Vanessa Romotzky, Gerd Rosenacker, Moritz Sauer,<br />

Frank Sawatzki, Joachim Schaake, Max Scharl, Susanne Schmetkamp,<br />

Frank Apunkt Schneider, Matthias Schneider, Andreas Schnell,<br />

Barbara Schulz, Frank Schuster, Bernd Seidel, Sascha Seiler, Christian<br />

Steinbrink, Till Stoppenhagen, Barbara Streidl, Jörg Sundermeier, Klaas<br />

Tigchelaar, Markus Tomsche, Thees Uhlmann, Benjamin Walter, Klaus<br />

Walter, Matthias Weber, Ralf Weihrauch, Alexandra Welsch, Burkhard<br />

Welz, Christian Wessels, Christian Werthschulte, Franzi Widenmann,<br />

Gregor Wildermann, Roland Wilhelm, Meike Wolf, Peter Wolff, Vina Yun,<br />

Sascha Ziehn<br />

FotografInnen Jean Balke, Monika Bender, Lena Böhm, Barbara<br />

Donaubauer, Sibylle Fendt, Jonathan Forsythe, Dominik Gigler,<br />

Gerrit Hahn, Rainer Holz, Christian Knieps, Miriam Lindthaler,<br />

Sebastian Mayer, Elke Meitzel, Ela Mergels, Monica Menez, Majid<br />

Moussavi, Reiner Pfisterer, Edzard Piltz, Nadine Preiß, Nils Rodekamp,<br />

Claudia Rorarius, Katja Ruge, Arne Sattler, Frank Schuberth, Marc<br />

Seebode, Sandra Steh, Sandra Stein, Oliver Tissen, Maxi Uellendahl,<br />

Christoph Voy, Justin Winz, Henk Wittinghofer, Oskar Ziemba und<br />

Pressefotofreigaben<br />

Coverfoto letzte Ausgabe Claudia Rorarius<br />

Termine für Nr. 154 / Oktober 2007<br />

Redaktionsschluss 24.08.2007<br />

Termin- & Anzeigenschluss 29.08.2007<br />

Druckunterlagenschluss 04.09.2007<br />

Erscheinungstermin 13.09.2007<br />

Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen<br />

Geprüfte Verbreitung<br />

<strong>Intro</strong> II. Quartal 07<br />

Druckauflage: 138.690<br />

Verbreitung: 135.566<br />

Vertrieb an 2.019 Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet<br />

und Ausland, über diverse Mailorder sowie im Abonnement<br />

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, Inhalt aus 100% Altpapier<br />

Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom<br />

Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit<br />

schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete<br />

Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine<br />

Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!<br />

MEIN PLATTENLADEN<br />

MIT HITSVILLE<br />

Wann wurde der Laden gegründet?<br />

Gegründet unter dem Namen<br />

Hitsville wurde der Laden<br />

1986, war praktisch das Nachfolgegeschäft<br />

von Pure Freude. Ich habe Hitsville 1994<br />

übernommen.<br />

Genres – was ist eure Ausrichtung? Eigentlich<br />

alles, was rockt – von den 50ern bis<br />

heute, von Gitarre bis Elektronik – alles neu<br />

oder gebraucht.<br />

Best verkaufte fünf Alben ever (gefühlt)?<br />

O.S.T. »Pulp Fiction«, Turbonegro »Apocalypse<br />

Dudes«, Social Distortion »White<br />

Light White Heat«, Propellerheads »Decksandrumsandrockandroll«,<br />

Kassierer »Heiliger<br />

Geist«, Oasis »What The Story ...«<br />

Aktuelle fünf Top-Seller? Tocotronic »Kapitulation«,<br />

White Stripes »Icky Thump«, Editors<br />

»An End Has A Start«, QOTSA »Era Vulgaris«,<br />

Neurosis »Giving To The Rising«<br />

Wie erreicht euch die und wie reagiert<br />

ihr auf die Krise des Tonträgerhandels?<br />

Auch ich höre immer mehr: »Hab ich mir<br />

schon gebrannt oder runtergezogen ...«<br />

Oder Leute, die sich vielleicht eine Scheibe<br />

im Monat holen, aber dann das komplette<br />

Programm präsentiert haben wollen – so<br />

funktioniert der ganze Apparat halt nicht.<br />

Aber das ist der Zahn der Zeit, totale Reizüberfl<br />

utung. Was heute in einem Monat an<br />

CD/LPs besprochen wird, gab’s früher in<br />

dreien nicht. Aber da kann man den Leuten<br />

keinen Vorwurf machen, ich versuche, unser<br />

Programm zu fi ltern, mehr Qualität zu<br />

bieten und vorwiegend Tonträger anzubieten,<br />

wo ich hinterstehe. Das alles gepaart<br />

mit Freundlichkeit ... Dann klappt’s auch<br />

mit dem Kunden. Hoff’ ich ...<br />

Welche anderen Plattenläden deiner Stadt<br />

kannst du noch empfehlen? Etwas kommerzieller<br />

bzw. konservativer ausgerichtet<br />

ist A&O, aber für den Düsseldorfbesucher<br />

als Ergänzung zu empfehlen.<br />

Gibt es eine witzige Anekdote, die du zu<br />

deinem Plattenladen raushauen könntest?<br />

Mmh, Antiseen haben im Laden gespielt,<br />

danach sah’s aus wie im Männerwohnheim.<br />

Und was ich im Nachhinein<br />

auch noch ziemlich witzig fand: Eines Tages<br />

kam ein Mädel rein, die bekannt dafür<br />

war, sich öfter Jungs an Land zu ziehen, die<br />

Paul-Weller-Lookalikes sind, und auch diesmal<br />

enttäuschte sie nicht, der kam schon<br />

nah ran – dachte ich ... Das erste Mal stutzig<br />

wurde ich, als er sich höfl ich auf Englisch<br />

verabschiedete. Kurze Zeit später kam<br />

ein aufgeregter Kunde: »Paul Weller läuft<br />

durch die Stadt!« Sie hatte es tatsächlich<br />

geschafft ...<br />

Genaue Anschrift plus Webseite<br />

Hitsville Records, Wallstraße 21, 40213 Düsseldorf,<br />

Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr, www.<br />

hitsville.de, info@hitsville.de


»<br />

Ich kann mich an nichts erinnern. Einzig und allein an<br />

die Überraschung, mit welcher Geschwindigkeit die<br />

Mittagshitze auf die Morgendämmerung folgt.«<br />

So beginnt Boris Fusts »schönster Melt-Moment«. Seinen und noch viele mehr fi nden sich auf intro.de<br />

Layer, Layer und dann noch ein Layer –<br />

»Close to Paradise« ist ausgesprochen<br />

verspielt. Wie viele Lichtjahre musstet<br />

ihr euch mit score writing befassen? Ursprünglich<br />

haben wir uns als Teil eines Kunstprojekts<br />

gegründet. Zwischendurch machen<br />

wir zudem Filmmusik. Insofern sind wir geübt<br />

in Arbeitsweisen, die eine gewisse Vorausplanung<br />

erfordern. Unsere ersten beiden Alben<br />

hatten daher ein wenig etwas von einem<br />

Soundtrack.<br />

3 FRAGEN AN<br />

PATRICK WATSON<br />

Wie viel Raum bleibt dabei für Spontaneität?<br />

Inzwischen sind wir ja eine richtige Band, kein<br />

Kunstprojekt mehr. Von daher: Jede Menge.<br />

Wir stecken lediglich vorher eine Begrenzung<br />

ab, um zu entscheiden, zwischen welchen Polen<br />

wir uns bewegen wollen. Dazwischen geht<br />

dann aber alles.<br />

Live geht ja auch alles: Mal spielt ihr großartig,<br />

mal ziemlich beschissen. Das ist sehr<br />

stark abhängig vom Publikum. Auf Showcases<br />

vor Business-Volk fühlen wir uns unwohl<br />

FANG DEN HUMMER<br />

JAPAN<br />

GANZ UNTEN<br />

<strong>Intro</strong> _ Monitor _ 011<br />

Ja, auch wir lieben diese Greifautomaten, bei<br />

denen man immer nur dann gewinnt, wenn »gerade<br />

niemand zugesehen hat«. Aber da geht es<br />

um Plüschtiere oder Fußbälle. Lebende Hummer<br />

auf diese Weise zu angeln ist aber mit das<br />

Krankeste, das wir seit langem gesehen haben.<br />

Bitte stechen Sie den vornehmlich japanischen<br />

Aufstellern und Nutzern dieser Automaten bei<br />

Gelegenheit die Reifen platt.<br />

und spielen auch entsprechend. Wenn wir aber<br />

das Gefühl haben, dass man uns zuhört, befl ügelt<br />

uns das. Und wenn’s dann doch schlecht<br />

läuft, schreien wir uns hinterher an. Jedenfalls<br />

könnten wir nicht auf die Bühne gehen und<br />

einfach unseren Job machen – schon allein deshalb<br />

nicht, weil es ein Job mit mieser Bezahlung<br />

wäre.<br />

Die Fragen stellte Borussia Fust<br />

Akt. Album: »Close To Paradise« (V2 / Universal)


012 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />

Neu<br />

AUF INTRO.DE<br />

Neue Videos und Audiofi les von:<br />

Hot Chip, Hard-Fi, Yeah Yeah Yeahs, Smashing<br />

Pumpkins, Architecture In Helsinki, M.I.A.,<br />

Menomena, Tegan And Sara, Caribou, Róisín<br />

Murphy, Moneybrother, Kevin Drew, dazu<br />

ausgewählte Konzert-Bits von fabchannel.com<br />

Interviews mit: Stars, Portugal.The Man, The<br />

Robocop Kraus, José González, Andrew Bird,<br />

Ben Weaver sowie Heftstory-Lang-Versionen.<br />

The Maccabees: Woher haben die ihren<br />

Namen jetzt eigentlich? Aus ihrer Verehrung<br />

eines milliardenschweren Ex-Beatles? Oder<br />

doch durch zufälliges Blättern in der Bibel.<br />

Das und viel mehr über die UK-Hopefuls aus<br />

Brighton in unserer exklusiven Online-Story.<br />

Log<strong>Intro</strong>-Party: Die <strong>Intro</strong>-Community feiert.<br />

Am 02.10.07 in der Kölner Kneipe Gottes Grüne<br />

Wiese. Das alljährliche Offl ine-Treffen – mehr<br />

dazu im Forum und auf intro.de.<br />

Das war das Melt! 2007: Die Retrospektive:<br />

Nachberichte , Bildergalerien und teilweise<br />

komplette Live-Konzerte mit Hot Chip, Jeans<br />

Team, Dendemann, Digitalism, The Rifl es<br />

und noch vielen mehr! Dazu tonnenweise<br />

Videointerviews mit den Melt!-Acts und<br />

Eindrücke rund um das Jubiläums-Fest in<br />

Ferropolis. Man möchte weinen vor Glück.<br />

Blog<strong>Intro</strong>: Listenwesen, Netz-Nerdism und<br />

teilweise recht gelungene Gags, täglich im<br />

Blog. www.intro.de/blog<br />

Usergalerie-Foto<br />

des Monats:<br />

Jean Sieseby<br />

www.intro.de/galerie/<br />

view/1184890943<br />

» Ich kann auch fummeln wie ein<br />

Weltmeister. Wo ich hinkomme,<br />

wächst kein Gras mehr.«<br />

<strong>Intro</strong> aus Bulgarien<br />

Hoppla? Können wir die vielleicht<br />

verklagen? Oder die<br />

uns? Ach, auf keinen Fall.<br />

Wer diesen Titel trägt, muss<br />

ein gutes Herz haben. Grüße<br />

an alle <strong>Intro</strong>s weltweit.<br />

Diese zwei Sätze muss man sich extrem spackig intoniert<br />

vorstellen. Dann hat man eine kleine Idee von der<br />

Kurzhörspiel-Sammlung »Der Schorf-Opa« mit und von<br />

Heinz Strunk. Es gibt reichlich Jingles und hochpointierte<br />

Comedy. Fanfreundlich und komisch.<br />

Akt. Hörspiel »Der Schorf-Opa« (Tacheles / Indigo)<br />

ZWEI WIE WIR, DIE DÜRFEN SICH<br />

NIE VERLIEREN<br />

Mit Dave Gahan und Heinz Strunk (in den 80ern)<br />

DAS INTRO-SPUTNIK MAGAZIN<br />

Über ein halbes Jahr gibt es unsere Sendung schon, und eine geschätzte Milliarde Podcast-Abonnenten<br />

können nicht irren. Da lassen wir doch die Sektkorken mal mit diesen<br />

Song-Battles knallen. Aua, mein Auge.<br />

06.09. Ausposaunt – Tocotronic »Let There Be Rock« vs. Europe »The Final Countdown«<br />

13.09. Stars und Sternchen – Stars »The Night Starts Here«<br />

vs. Die Sterne »Was hat dich bloß so ruiniert?«<br />

20.09. Ich! Werd!! Bekloppt!!! Ausrufezeichen!!!!! – The Go! Team »Doing It Right«<br />

vs. You Say Party! We Say Die! »Downtown Mayors«<br />

27.09. Krieg und Frieden – PeterLicht »Wir werden siegen« vs. Tocotronic »Kapitulation«<br />

Das <strong>Intro</strong>-Sputnik Magazin: jeden Donnerstag und Sonntag 21h bis 22h auf MDR Sputnik. Unter<br />

www.intro.de/sputnik auch als Podcast abonnierbar und via Player im Stream zu hören.


014 _ <strong>Intro</strong> _ Monitor<br />

DISCO AMORE<br />

DIE MÄDCHEN<br />

Band treffen, Interview mit ihnen machen,<br />

Text schreiben. So läuft’s gewöhnlich. Christopher<br />

Tauber alias Piwi aus Offenbach zieht<br />

die Sache dagegen ganz anders auf. Er hängt<br />

mit Künstlern rum, bestaunt sie, trinkt einen<br />

mit und zeichnet später Comics drüber. Indie-<br />

Fame erlangte dieses sehr niedlich umgesetzte<br />

Prinzip in dem Buch »Inter View« (Ventil,<br />

2002). Jetzt erscheint »Disco Amore«, in dem<br />

Piwi diesmal lediglich und dafür ganz ausführlich<br />

die Abenteuer von zwei DJ-Mädchen (Disco-Amore<br />

eben) festhält. Beide spielen auch in<br />

der Band Good Heart Boutique, fürs Vorwort<br />

trug Klaus Cornfi eld von Katze Sorge. Alles<br />

also superputzig. Ein Comic wie ein Welpenstreichelgehege.<br />

Akt. Buch »Disco Amore« (Zwerchfell Verlag)<br />

TOP 7<br />

DAS GEHT AUF<br />

KEINE KUHHAUT!<br />

01 You Say Party! We Say Die!<br />

myspace.com/yousaypartywesaydie<br />

02 I Love You But I’ve Chosen Darkness<br />

myspace.com/chosendarkness<br />

03 And You Will Know Us By The<br />

Trail Of Dead<br />

myspace.com/trailofdead<br />

04 Casiotone For The Painfully Alone<br />

www.myspace.com/cftpa<br />

05 Suburban Kids With Biblical Names<br />

myspace.com/suburbankidswithbiblicalnames<br />

06 Someone Still Loves You Boris Yeltsin<br />

myspace.com/boris<br />

07 The Presidents Of The United States<br />

Of America<br />

myspace.com/thepresidentsoftheunited-<br />

statesofamerica<br />

Kurz und knapp und immer auf Braut-, äh,<br />

Freundesschau: www.myspace.com/intromagazin<br />

NEUE PROBLEME<br />

BUNTE BILDER<br />

Ausgabe #37: September 1996<br />

Titel: Rockers Hi-Fi<br />

Interviews mit: Funki Porcini,<br />

Gert Wilden, Sebadoh, Ween,<br />

Murphy’s Law, The Dirty Three<br />

Erster bei Platten vor Gericht:<br />

Dimitri From Paris »Sacrebleu«<br />

Letzter bei Platten vor Gericht:<br />

Hayden »Everything I Long For<br />

You«<br />

Zitat: »Wir hier im Labor dieses<br />

Magazins gehen wie folgt vor:<br />

Wir legen die Disc von Caspar<br />

Brötzmann und Page Hamilton in<br />

einen Player. Nach dem leichten<br />

Druck auf den Wiedergabeknopf<br />

vernehmen Sie nun eine ohrenbetäubende<br />

Kakophonie. Nun neh-<br />

Backissues unter www.intro.de/heftarchiv<br />

INTRO VOR 11 JAHREN<br />

men wir zusätzlich einen handelsüblichen<br />

Fön in Betrieb und<br />

horchen mal, ob sich der Klangeindruck<br />

entscheidend verändert.«<br />

Zu lesen in der Brötzmann-Kritik.<br />

Spektakel: Whirlpool Productions<br />

»Dense Music«, Nas »It Was<br />

Written«, Tuesday Weld »Tombola<br />

Illustrata«, C.O.C. »Wiseblood«<br />

Aus den Redaktionscharts: Rockers<br />

Hi-Fi »Mish Mash«, Zion<br />

Train »Grow Together«, Ween »12<br />

Golden Country Greats«<br />

Besondere Vorkommnisse: Zu<br />

der Zeit existiert eine Band mit<br />

dem Namen Sick For Toys, die begeistert<br />

beworben wird mit einer<br />

Anzeige folgenden Textes: »End-<br />

Fanzine – das bedeutet zumeist Situationismus<br />

und Ruin. Bei der Nummer<br />

zwei von Neue Probleme setzt<br />

man vor allem auf die zweite Komponente,<br />

denn das Ding ist nicht auf Bier<br />

und mit Klebestift hingeschludert,<br />

sondern<br />

komplett wertig<br />

gemacht. Wie aufmerksam. Der arty<br />

Gipfel sind doppelseitige Farbdrucke<br />

mit bisschen Kunst für<br />

zu Hause. Der 2003 verstorbene<br />

Wesley Willis ist mit einem<br />

Panaroma-Bild dabei (das auch<br />

schon seine »Greatest Hits<br />

Vol. 2« schmückte), sowie<br />

Matt Furie und Jenny Mörtsell. Zudem<br />

viele individuelle Storys, deren Glanz von<br />

der Kunstfertigkeit des jeweiligen Autoren<br />

abhängt (u. a. Sebastian Ingenhoff, der<br />

ohne Scheu über seine erste E auf einem<br />

lange vergangenen <strong>Intro</strong>ducing berichtet).<br />

Besonders schön auch, wie Amélie, Elisabeth<br />

und Katharina im Dialog ihr Interview<br />

mit Erlend Øye rekonstruieren müssen.<br />

Das Skript wurde Letzterer nämlich beim<br />

Spanienurlaub geklaut. Und sie musste voll<br />

weinen. So was steht da. Wie nett!<br />

Zu beziehen für acht Euro<br />

über www.neue-probleme.de<br />

»Sonnenaufgang am Samstag, Dutzende Versehrter<br />

schleppen sich schweigend Richtung See-Ufer. Ihre schwarzen<br />

Silhouetten ergeben eine Szene aus ›Dawn Of The Dead‹.<br />

Highlights: Bester Tocotronic-Auftritt seit Jahren!«<br />

Noch mehr Melt-Momente. Dieser von Felix »Romero« Scharlau. Siehe: www.intro.de<br />

37<br />

lich!!! Das Sick-For-Toys-Debüt-<br />

Album mit Sänger Tommy – bekannt<br />

als deutsche Stimme von<br />

Beavis & Butthead, den MTV-Chaoten.«<br />

Stimmt, »die MTV-Chaoten«<br />

scheiterten ja mal kurzzeitig<br />

in einer entsetzlichen Synchro-<br />

Version. Verrückte Zeit. Auch im<br />

Heft: Boris Fust über Type O Negative.<br />

Seine ungeschönten Worte<br />

zu den beliebten Vollpfosten<br />

zogen großen Streit mit der damaligen<br />

Plattenfi rma nach sich. Der<br />

Artikel endet übrigens mit: »Das<br />

Album zeugt von ausgewachsener<br />

Muckerlangeweile. Das ist zwar<br />

nicht gerade psychopathisch,<br />

aber wenigstens autistisch.«


Dad [zu seiner Frau]: »Good, you’re up! I have a special<br />

anniversary surprise for you. Your favourite song,<br />

sung by America’s sweetheart: Whitney Houston.«<br />

Whitney: »Come on daddy. I need a fi x!«<br />

Dad: »First you sing then you get your precious cocaine.«<br />

Whitney: [singt] »No matter what they say, they can’t take<br />

away my dignity!«<br />

In der Serie »American Dad« entspinnt sich dieser Dialog, nachdem der bei der CIA<br />

arbeitende Vater den eigenen Hochzeitstag vergessen hat und zur Beschwichtigung<br />

seiner Frau eine komplett derangierte Whitney Houston anschleppt. So behandelt<br />

Cartoon-Hollywood mittlerweile seine Helden ...<br />

Akt. DVD: »American Dad – Staffel 1« (2000 Century Fox)<br />

POPDIS<br />

HAVE A LITTLE HELP<br />

OF THE PROFIS<br />

I Lade<br />

m letztmonatigen »Mein Label und<br />

ich«-Spot kam beim Halbsatzkürzen ja<br />

ein ziemlicher Schnitzer raus, selbstverständlich<br />

dissen die Jungs vom Sonar<br />

Kollektiv nicht ihr eigenes Projekt Popdis.<br />

Wieso auch?<br />

Aber wenn wir schon mal dabei sind:<br />

Popdis, was ist das überhaupt?<br />

Thomas Berres: Popdis macht etwas, was<br />

wir Labelhosting nennen. Das heißt, wir<br />

bieten Labelheads die Möglichkeit, ihr<br />

Label mittels einer sehr schlanken Personalstruktur<br />

zu führen, sodass sie sich<br />

komplett auf die künstlerische Seite konzentrieren<br />

können – während Popdis sich<br />

auf die technisch/administrativen Aspekte<br />

konzentriert. Denn aus unserer Erfah-<br />

rung wissen wir, dass Indie-Labelbesitzer<br />

eher aus dem künstlerischen Umfeld kommen<br />

und sich mit diesen Aspekten oft sehr<br />

schwer tun. Popdis-Mitarbeiter sind dagegen<br />

Spezialisten auf genau diesen Gebieten<br />

und können gewährleisten, dass gute Ideen<br />

und Projekte auch zeitnah umgesetzt werden<br />

können. Popdis übernimmt solche Aufgaben<br />

und geht dabei auch voll ins Risiko<br />

– da wir uns aus einer Umsatzbeteiligung fi -<br />

nanzieren. Unser Service umfasst also derzeit<br />

Teile des Label- und Salesmanagement,<br />

Koordination der internationalen Promotion<br />

und des Marketings sowie Promotion<br />

für Deutschland. More to come. Kunden<br />

sind zurzeit Sonar Kollektiv und Tomlab.<br />

Kontakt: Thomas.Berres@popdis.com<br />

ROCK<br />

DICH<br />

LEER!<br />

T-Mobile begleitet Dich durch<br />

den Festivalsommer 2007.<br />

01.–03. Juni<br />

Rock am Ring, Nürburgring<br />

Rock im Park, Nürnberg<br />

22.–24. Juni<br />

Hurricane, Scheeßel<br />

Southside, Neuhausen op Eck<br />

13.–15. Juli<br />

Melt, Gräfenhainichen<br />

17.–19. August<br />

Highfi eld, Stausee<br />

Hohenfelden bei Erfurt<br />

Dir den kostenlosen T-Mobile Festival Guide<br />

sowie coole Klingeltöne, Soundlogos u.v.m.<br />

passend zu den Festivals auf Dein T-Mobile Handy.<br />

Dazu schicke „Festivals“ an die Kurzwahl 22 22<br />

(Kosten für Standard-SMS und GPRS-Traffi c).<br />

Weitere Infos unter<br />

www.t-mobile.de/festivals


016 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Hot Hot Heat Text: Peter Flore<br />

Hot Hot Heat. Groß, mächtig und dekadent<br />

<strong>Als</strong> wir von der letzten Tour zurückkamen,<br />

habe ich mich von<br />

einem nicht kleinen Teil meines<br />

persönlichen Besitzes getrennt<br />

und bin in ein schäbiges Apartment<br />

gezogen. Ein ziemliches Loch, in das ich<br />

mich zurückgezogen habe, um ein wenig Inspiration<br />

zu fi nden.« Was geschrieben ein bisschen<br />

prätentiös anmutet, klingt aus dem<br />

Munde des Hot-Hot-Heat-Sängers und Gitarristen<br />

Steve Bays wie ein ganz normaler Prozess.<br />

Das Glück, so möchte man fast in Anlehnung<br />

an den Albumtitel »Happiness Ltd.«<br />

sagen, tritt also erst dann ein, wenn man sich<br />

(fast) alles Weltlichen entledigt.<br />

Das dritte Album der Kanadier wurde zu<br />

fast zwei Dritteln bereits während der Tour<br />

zum erfolgreichen letzten Album »Elevator«<br />

geschrieben. Zu Hause sei man eh nur abgelenkt<br />

vom Alltag, da schreibe es sich besser<br />

unterwegs, aus dem Koffer gewissermaßen.<br />

So weit, so gut, nur klingt »Happiness Ltd.«<br />

nach allem anderen als nach einem direkten,<br />

unverfälschten und spontanen Album, trotz<br />

seiner Entstehungsgeschichte. Im Gegenteil,<br />

der klassische Hot-Hot-Heat-Sound wurde<br />

vor allem in die Breite erweitert: »Wir hatten<br />

immer einen recht schlanken Sound: Gitarre,<br />

Bass, Schlagzeug, ein, zwei Overdubs. Bei<br />

diesem Album wählten wir von vornherein<br />

einen epischeren Ansatz. Die Songs sollten<br />

groß, mächtig und dekadent sein. Beim Track<br />

Harmonicas And Tambourines haben wir<br />

vier Schlagzeuge übereinandergelegt, diverse<br />

Keyboardspuren eingespielt, und den Bass<br />

habe ich auch noch mal gedoppelt. Das Ergebnis<br />

klingt schon sehr gewaltig, nicht? The big<br />

thing we wanted to go for.«<br />

In der Tat: Hot Hot Heat klingen versierter<br />

und ausgereifter als je zuvor, der Song »Outta<br />

Here« besticht durch Bays’ neuerlichen Falsett-Gesang,<br />

der vor einem weiblichen Backgroundchor<br />

und dem Summen des Theremins<br />

Kapriolen schlägt. Man habe mit ungefähr<br />

15 Produzenten gearbeitet und selbst ca. 90<br />

% des Materials koproduziert, erzählt Bays,<br />

wohl wissend, dass viele Köche einen Brei<br />

nicht zwingend schmackhafter machen. »Es<br />

ist in dieser Hinsicht fast ein HipHop-Album«,<br />

lacht er. »Nach dem Motto: neuer Track, neuer<br />

Produzent.« Dass es dabei eben doch wie aus<br />

einem Guss klingt, mag an der Klasse des verpfl<br />

ichteten Personals gelegen haben: Green-<br />

Day-Produzent Rob Cavallo oder Tim Palmer,<br />

der auch schon Bowie oder U2 betreute, hatten<br />

unter anderem ihre Finger mit im Spiel.<br />

Große Namen für den großen Sound, der aber<br />

gottlob meilenweit von etwaigen Stadionrock-<br />

Plattitüden entfernt ist.<br />

Und noch etwas hat sich seit dem letzten<br />

Album geändert: Der neue Gitarrist Luke Paquin<br />

ersetzte den 2005 aufgrund musikalischer<br />

Differenzen ausgestiegenen Dante De-<br />

Caro. Man sei jetzt wieder eine Gang, erzählt<br />

Bays stolz. Und betont noch einmal, dass eine<br />

Band eben mehr sein sollte als eine bloße Ansammlung<br />

von Musikern.<br />

intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Let Me In«<br />

Aktuelles Album:<br />

Hot Hot Heat<br />

Happiness Ltd.<br />

CD // Warner / VÖ 07.09.


018 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ You Say Party! We Say Die! Text: Christine Käppeler _ Foto: Markus Feger<br />

You Say Party! We Say Die!. Wer kennt wen?<br />

V<br />

or dem Lido in Kreuzberg hält<br />

ein Taxi. Zwei schlanke Typen<br />

mit sorgfältig fi xierten Slackerfrisuren<br />

und eine Frau<br />

in einem getupften Cocktailkleid<br />

steigen aus. Die bewusst gestylte Gruppe<br />

lässt sich unschwer als Band identifi zieren.<br />

So weit, so richtig geraten. Die gesuchten Interviewpartner<br />

sind sie allerdings nicht, sondern<br />

Teil und Anhang der Vorband Humanzi,<br />

die aus Dublin kommt. Nun ist es nicht so,<br />

dass sie You Say Party! We Say Die! zum Verwechseln<br />

ähnlich wären, doch es existieren so<br />

viele unterschiedliche Bilder von dieser Band,<br />

dass es schwer fällt zu sagen, wie sie defi nitiv<br />

nicht aussieht. Es gibt Fotos, die zeigen<br />

Sängerin Becky Ninkovic als veritables Post-<br />

Punk-Girl in schwarzen Leggings und Streifenshirt,<br />

auf einem Promofoto ihres kanadischen<br />

Labels Paperbag Records sieht sie mit<br />

geglätteten Haaren, Teetasse und einem Silberkettchen<br />

sehr sophisticated aus, und das<br />

Video zur aktuellen Single lässt sie mit rotem<br />

Seidenumhang und bleichem Teint wie<br />

die jüngere, unschuldige Schwester von Dita<br />

von Teese daherkommen. »Ich verkleide mich<br />

gerne«, meint Becky schlicht. »Meistens ist<br />

es die Idee der Fotografen. Der Rest der Band<br />

steht allerdings nicht so drauf.« Sie sitzt mit<br />

Gitarrist Derek Adam und Krista Loewen, die<br />

Keyboards spielt, im Backstageraum, ab und<br />

an kommt Drummer Devon Clifford auf eine<br />

Handvoll Erdnussfl ips vorbei. Die Band sieht<br />

heute eher nach einem gemütlichen Mittag<br />

im Skatepark aus und nicht wie Hipster, denen<br />

der Boden unter den Füßen brennt. Man<br />

mag ihr zweites Album als ein weiteres Hybrid<br />

aus Punkrock, Disco und Sozialkritik verstehen,<br />

doch schon die offensive Wiederholung<br />

der Zeile »This is a test« am Anfang des<br />

ersten Songs ist nicht nach außen gerichtet,<br />

sondern verweist auf die bandinterne Situation<br />

und die Herausforderungen des permanenten<br />

Unterwegs-Seins. Ursprünglich kommen<br />

sie alle aus Abbotsford, und wenn Derek von<br />

dieser wohlhabenden, religiösen Gemeinde<br />

in der Nähe von Vancouver erzählt, dann wird<br />

schnell klar, dass Kanada sich keinesfalls so<br />

sehr von den USA unterscheidet, wie Michael<br />

Moore in seinen Filmen gerne glauben macht.<br />

»Jeder besitzt dort ein Auto«, erzählt Becky.<br />

»Wenn du nachts alleine rumläufst, denken<br />

sie, du wärst eine Prostituierte, und werfen<br />

mit Flaschen nach dir.« Junge Skater wurden<br />

in Abbotsford Mitte der 90er häufi g von tumben<br />

Sportlertypen verkloppt. <strong>Als</strong> Gegenbewegung<br />

entstand der »PCP«, eine 50-köpfi ge<br />

Gang aus angehenden Pro-Skatern und Künstlertypen,<br />

die in zwei besetzten Häusern Konzerte<br />

veranstaltete. »Da liegen die Wurzeln<br />

unserer Band«, erzählt Becky und grinst. Gerade<br />

breitet sich Ferienlagerstimmung aus,<br />

da werden sie zum Soundcheck auf die Bühne<br />

gerufen. Auf der Treppe dreht sich Becky um:<br />

»Wir kennen uns, oder?« – »Dachte ich eben<br />

auch«, ergänzt Derek. Obwohl ich mir sicher<br />

bin, dass ich niemals in British Columbia gewesen<br />

bin, bleibe ich etwas irritiert zurück.<br />

intro.de: Verlosung & Video-Live-Clip<br />

Aktuelles Album:<br />

You Say Party! We Say Die!<br />

Lose All Time<br />

CD // Pias / Rough Trade


020 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Okkervil River Text: Martin Büsser _ Foto: Jonathan Forsythe<br />

Okkervil River. Traurig ist vorbei<br />

A<br />

ufgewachsen in einem kleinen<br />

Nest im Bundesstaat<br />

New Hampshire, hat Will<br />

Sheff eine ähnliche Entwicklung<br />

hinter sich wie Conor<br />

Oberst. Einerseits ganz im Trend, allerdings<br />

auch fast schon zum Klischee geworden, galten<br />

Okkervil River lange Zeit als Inbegriff des<br />

melancholischen Indie-Folk. Das Image des lebensmüden,<br />

verzärtelten Indie-Boys begann<br />

Will ebenso zu nerven wie Conor Oberst. Für<br />

die Arbeit am neuen Album zog er nach New<br />

York und kehrt nun mit einer opulent arrangierten<br />

Platte zurück, die alle Stimmungs-<br />

Register zieht und Americana wie ein großes<br />

Medley klingen lässt. »Ich glaube, dass<br />

die Umstände, unter denen du deine Stücke<br />

schreibst, einen großen Einfl uss auf die Musik<br />

haben«, erzählt er. »Die Songs zu ›Black<br />

Sheep Boy‹ habe ich in einem stickigen Haus<br />

auf dem Land geschrieben, während draußen<br />

Schnee lag. Die Stücke für das neue Album<br />

entstanden in einem hellen Apartment<br />

in Brooklyn, ich war gut gelaunt, bin viel ausgegangen.<br />

Deshalb ist ›The Stage Names‹ un-<br />

sere bislang fröhlichste Platte geworden. Sie<br />

spiegelt auch am ehesten meine Person wider,<br />

denn eigentlich bin ich ein sehr optimistischer<br />

Mensch.« Auch an die Jugendjahre auf<br />

dem Land hat Will nur gute Erinnerungen:<br />

»Ich lese gerade die Briefe von Van Gogh, aus<br />

denen hervorgeht, wie er aus der Isolation heraus<br />

einen eigenen Stil ausgebildet hat. Dann<br />

kam er nach Paris und sah zum ersten Mal die<br />

Bilder der Impressionisten. Das hat sich dann<br />

mit seinem Stil vermischt und wiederum etwas<br />

total Eigenes ergeben. So ähnlich sehe<br />

ich auch meine Entwicklung. Anfangs habe<br />

ich ganz aus mir selbst heraus geschöpft, bis<br />

mich auch andere Musiker beeinfl usst haben.<br />

Dieser Weg ist wahrscheinlich besser, als<br />

wenn du von Anfang an in einer vorgefertigten<br />

Welt aufwächst und gar nicht die Möglichkeit<br />

hast, etwas Eigenes auszubilden.«<br />

Will arbeitet auch als Musik- und Filmkritiker,<br />

kennt also ebenfalls die andere Seite, die<br />

über Musik refl ektiert und sich darüber bewusst<br />

ist, dass das Künstlergenie ein Mythos<br />

ist. Der Text zum ersten Song der neuen Platte,<br />

»Our Life Is Not A Movie Or Maybe«, ist im<br />

Stil einer Filmkritik verfasst. Möglicherweise<br />

hat Wills intensive Beschäftigung mit dem<br />

Kino dazu beigetragen, dass »The Stage Names«<br />

geradezu melodramatische Züge trägt.<br />

»Filmische Vorlieben schlagen sich in der Musik<br />

nieder. Ich bin ein großer Fan von Stummfi<br />

lmen, vor allem von Murnau. Wenn man sich<br />

seine Filme heute ansieht, haben sie etwas<br />

total Irreales, entführen einen in magische<br />

Traumwelten. Obwohl das damals wahrscheinlich<br />

gar nicht so intendiert war. Mit diesem<br />

Effekt spielt auch Guy Maddin, einer meiner<br />

Lieblingsregisseure. Er arbeitet das Surreale<br />

heraus, das den damaligen Regisseuren noch<br />

gar nicht bewusst war. Ich wollte Guy Maddin<br />

schon immer dazu gewinnen, ein Video<br />

für uns zu drehen. habe mich allerdings noch<br />

nicht getraut zu fragen.«<br />

Auf intro.de: Verlosung<br />

Aktuelles Album:<br />

Okkervil River<br />

The Stage Names<br />

CD // Jagjaguwar / Cargo


022 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Moneybrother Text: Martin Riemann _ Foto: Joachim Zimmermann<br />

Moneybrother. Fucking Yellow Submarine!<br />

N<br />

achdem er mit herzzerreißenden<br />

Liebeskummer-Hits<br />

die Herzen im Sturm erobern<br />

konnte, widmet sich Anders<br />

Wendin mit »Mount Pleasure«<br />

nun den Freuden des Lebens. So dreht sich<br />

vieles um gelungene Trinkgelage mit Freunden<br />

oder einfach dieses besondere Sommerfeeling.<br />

Aber Wendin wäre nicht Moneybrother,<br />

wenn nicht auch gute Zeiten bei ihm<br />

eher ein melancholisches Gefühl erzeugen<br />

würden. Er kann eben nicht aus seiner Haut.<br />

Dafür reist er viel in Autos.<br />

Im Gegensatz zu »To Die Alone«, das mit seinen<br />

Streichersätzen stark Richtung Soul<br />

ging, funktioniert »Mount Pleasure« wie<br />

ein klassisches Rockalbum. Das ist mein rockigstes<br />

Album. Die früheren Sachen beruhten<br />

stark auf Sessions. Diesmal wollte ich es<br />

anders machen und übte die Stücke mit den<br />

Musikern über einen langen Zeitraum ein. Sie<br />

sollten die Stücke total verinnerlichen. Dadurch<br />

entstand ein völlig anderer Sound.<br />

Der ist ja ziemlich episch und ornamen-<br />

tal. Es gibt erstaunlich viele Soli, vor allem<br />

vom Saxofon. Ja, wir haben es zunächst anders<br />

konzipiert, aber Musiker wollen eben im<br />

Grunde nur eins: spielen. Und dieses Mal hatte<br />

ich mir ja extra Musiker ausgesucht, von denen<br />

ich erwarten konnte, dass sie den Songs<br />

etwas Eigenes geben würden.<br />

Ist das der Grund, warum du die Aufnahmen<br />

in Los Angeles abgebrochen hast? Die Musiker<br />

in Los Angeles waren großartig. Aber sie<br />

waren zu professionell. Ich mag zwar einen<br />

cleanen Sound, aber man muss in der Lage<br />

sein, den Dreck durchscheinen zu lassen.<br />

Für diese Platte hast du dich angeblich vom<br />

West-Coast-Rock beeinfl ussen lassen. Ich<br />

habe ein halbes Jahr in L.A. gelebt. Manchmal<br />

fuhr ich mit ein paar Bieren intus durch<br />

die Gegend. Und da hörte ich plötzlich »Take It<br />

Easy« von den Eagles im Radio. Ich hatte diesen<br />

Song schon 1000 Mal vorher gehört und<br />

mochte ihn nicht mal. Aber in dieser Situation<br />

verliebte ich mich in ihn.<br />

Eine angetrunkene Autofahrt hat dich zu<br />

deinem neuen Album beeinfl usst? Die Sache<br />

ist in Wirklichkeit so: Ich war in Mexiko<br />

und fuhr oft mit einem Auto rum. Dabei fand<br />

ich einen Sender, der mexikanische Songs aus<br />

den 50ern spielte, diese Conjunto- und Tijuana-Musik.<br />

Ich hörte zwei Tage nur diesen Sender,<br />

und auf einmal spielten sie ganz unvermittelt<br />

»Our House« von Madness. Der Anfang<br />

von diesem Stück haute mich einfach um. Das<br />

war der exakte Moment, in dem ich wusste,<br />

wie mein neues Album klingen sollte.<br />

Conjunto beinhaltet vornehmlich schmerzhafte<br />

Gefühle, dein neues Album spiegelt<br />

aber angeblich die glücklichen Momente deines<br />

Lebens wider. Es klingt allerdings doch<br />

wieder sehr melancholisch. Man muss das im<br />

Verhältnis sehen. Für viele andere Künstler<br />

wäre »Mount Pleasure« das dunkle, tragische<br />

Album, aber für eine Moneybrother-Platte ist<br />

es fucking Yellow Submarine, Mann.<br />

intro.de: Verlosung, Videoclip & ganzes Interv.<br />

Aktuelles Album:<br />

Moneybrother<br />

Mount Pleasure<br />

CD // Columbia Deutschland / SonyBMG


024 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Beach House Text: Sandra Grether _ Foto: Sibylle Fendt<br />

Beach House. Der Spuk im Strandhaus<br />

H<br />

uhu, was wird denn hier alles<br />

geboten an Atmosphäre? Was<br />

ein verwegener Sound, den<br />

uns Victoria Legrand und Alex<br />

Scally, die zwei »No Genre, please«-Individualisten<br />

aus Baltimore, bescheren.<br />

Sie nennen sich Beach House, was nicht<br />

gerade ein besonders eigensinniger Name ist –<br />

das kommt davon, wenn man alle Genres kategorisch<br />

ablehnt. Aber nun gut, so müssen sie<br />

ihren Namen halt selbst füllen. Beach House<br />

haben auf ihrer Webseite eine Bilder-Staffel<br />

erschaffen, um zu zeigen, wie sie sich selbst<br />

defi nieren: »ein Geldstück in einer Tasse mit<br />

öligem Wasser«, »Visionen aus einem Raum<br />

der Taubheit«, »A diamond’s best girlfriend«<br />

oder auch »Twin camels taking a luscious nap<br />

in the sahara«. »Wir wollten mit dem Bandnamen<br />

einen Ort benennen, an dem unsere<br />

Musik existieren kann«, sagt die in Amerika<br />

geborene, in Frankreich aufgewachsene Sängerin<br />

und Keyboarderin Victoria. Sie spielte<br />

zunächst in Paris »experimentelles Theater«,<br />

bis sie 2004 nach Baltimore zog, wo sie ihren<br />

Mitmusiker Alex kennenlernte. »Es war eine<br />

Lebensentscheidung, mich voll auf die Musik<br />

zu konzentrieren. <strong>Als</strong> Schauspieler ist man<br />

ein Medium, ich aber wollte selbst den Inhalt<br />

vorgeben.« Folgerichtig also, dass die meisten<br />

Songs und Texte von ihr sind – Alex arrangiert<br />

und spielt Gitarre. Man legt Wert darauf,<br />

dass die Beats nicht aus dem Computer kommen,<br />

sondern »handgeschlagen« oder Xylofon-veredelt<br />

sind. »Manchmal verwenden wir<br />

auch einfach einen Beat aus der Orgel«, so Victoria.<br />

Oder, um im beseelten Band-Jargon zu<br />

sprechen: »Wir nehmen den Puls des Herzens<br />

der Orgel.« Victoria: »Der Beat muss nicht eindeutig<br />

festgelegt werden, er ist eher wie ein<br />

Schatten der Songs.« Schön. Wer sich so viel<br />

Mühe gibt, seine angeblich nicht kategorisierbare<br />

Musik selbst in Worte zu fassen, der fertigt<br />

natürlich auch besonders detailverliebte<br />

Songs an. Gitarren, die mit dem Wind heulen,<br />

eine Stimme, die mit dunklem Timbre entschieden<br />

und gar nicht ätherisch Weisheiten<br />

und Wunderliches vorträgt, dicht komponierte<br />

Songs voller Ruhe und Zuversicht. Narkotisierend.<br />

Fehler im Spiel empfi nden sie als<br />

Bereicherung, ebenso wie ihren Lo-Fi-Sound.<br />

Und das passt zu einer Band, die sich in nichts<br />

gerne festlegen lassen möchte. Auch was Fotos<br />

betrifft, natürlich. Lieber sich selbst malen,<br />

oder malen lassen: Victoria im elegantelegischen<br />

Kleid, das genauso türkisfarben<br />

ist wie die Gitarre, die Alex um den Hals trägt.<br />

»Tokyo Witch«, mein Lieblingslied des selbstbetitelten<br />

Debütalbums, ist voll von Gespenstern<br />

und Dämonen, hat eine fast psychedelische<br />

Aura. Hätte man sich schon denken<br />

können, dass es auch spukt im Beach House.<br />

»Ein mysteriöses Lied, voll merkwürdiger Visionen«,<br />

pfl ichtet Victoria bei. Will dann aber<br />

mehr nicht verraten. »Der Song spricht für<br />

sich.« Das wundert mich nun natürlich wenig<br />

bei einer Band, die ihre Songs mit »dem hartnäckigsten<br />

und schmerzhaftesten Weisheitszahn<br />

im Mund« vergleicht.<br />

Auf intro.de: Verlosung<br />

Aktuelles Album:<br />

Beach House<br />

Beach House<br />

CD // Bella Union / Coop Music / Universal


026 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Talib Kweli Text: Martin Riemann _ Foto: Joachim Zimmermann<br />

Talib Kweli. Das schwarze Microsoft<br />

T<br />

alib Kweli gestaltet sich die Promo-Arbeit<br />

so angenehm wie möglich.<br />

Wenn er schon seine Zeit mit<br />

Interviews verplempern muss,<br />

dann wenigstens im nobelsten<br />

Hotel am Potsdamer Platz. Kwelis offensichtliche<br />

Abneigung gegenüber ausgedehnten<br />

Pressegesprächen, die dazu führt, dass verschiedene<br />

Journalisten sich die Gesprächszeit<br />

teilen müssen, sorgt für Unbill in der<br />

Interview-Suite des Ritz Carlton. Ein TV-Moderator<br />

sieht einen eklatanten Widerspruch<br />

zwischen Kwelis mangelndem Schoßhundverhalten<br />

gegenüber der Presse und seinem<br />

angeblichen Image als Conscious-Rapper,<br />

also als Rapper, der sich nicht ausschließlich<br />

für Waffen, Sex und Geld interessiert – denn<br />

ein solcher hat gefälligst lieb zu sein!<br />

<strong>Als</strong> der Künstler dann die Suite betritt,<br />

riecht seine makellose Kleidung angenehm<br />

nach frischem Gras. Hungrig greift er zum Telefon:<br />

»Ich hätte gerne den Salat mit Croutons<br />

und Parmesan, aber ohne das gegrillte Gemüse.<br />

Nein, keinen Cesars Salad, die Salatherzen.<br />

Und könnte ich noch die Käseauswahl haben?<br />

Und den Früchteteller? Ach, und könnten Sie<br />

mir noch einen Hummer zum Salat servieren?<br />

Und noch einen Eimer mit Eiswürfeln, bitte!<br />

Danke, Sir.« Lustig, wie er den Hummer so nebenbei<br />

nachschiebt. Vielleicht spürt er, dass<br />

es hierzulande Conscious-Rappern streng verboten<br />

ist, lebende Tiere in kochendes Wasser<br />

schmeißen zu lassen. Dabei macht Kweli<br />

auch auf dem neuen Album »Ear Drum« deutlich,<br />

dass er mit aufoktroyierten Vehikeln wie<br />

Consciousness genauso wenig am Hut hat wie<br />

mit Gangstarap. Sein Ansatz ist eher eigennützig,<br />

eher poetischer als politischer Natur.<br />

Vielleicht beginnt sein neues Album deshalb<br />

mit den achselzuckenden Worten: »You can’t<br />

please everybody!« »Die Natur eines Künstlers<br />

ist zunächst der Wunsch, allen zu gefallen«,<br />

antwortet Kweli, während er in seinem Tee<br />

rührt, »aber ab einem gewissen Stadium muss<br />

man sich von dieser Haltung trennen. Sonst<br />

sollte man besser Politiker werden und kein<br />

Künstler. Du darfst deinem Publikum niemals<br />

erlauben, dir zu diktieren, was du als Nächstes<br />

machst.«<br />

Kweli ist sein Publikum allerdings nicht<br />

egal. Deutlichstes Zeichen: Zuletzt veröffentlichte<br />

er »Liberation«, seine gelungene Zusammenarbeit<br />

mit Madlib, gratis über das Internet:<br />

»Je mehr das Internet ein Teil unseres<br />

Lebens wird, umso besser für mich. Was die<br />

traditionellen Mechanismen der Musikindustrie<br />

angeht – diese Leute agieren wie Hühner,<br />

denen man den Kopf abgeschnitten hat.<br />

Und das ist gut für mich. In dem Maße, wie es<br />

durch die Verbreitung des Internets mit dem<br />

Musikbiz abwärts geht, geht es mit meiner<br />

Karriere aufwärts.«<br />

Zum Schluss noch etwas conscious-gespeiste<br />

Politik. Ob er denn HipHop noch immer als<br />

das einst von Chuck D ausgerufene Black CNN<br />

begreife? »HipHop ist längst mehr als das. Er<br />

ist eher ... Black Microsoft!« Und Jean Grae,<br />

seine Ko-Rapperin für den Auftritt am Abend<br />

in der Maria, fügt grinsend hinzu: »Yeah,<br />

Blackrosoft!«<br />

Aktuelles Album:<br />

Talib Kweli<br />

Ear Drum<br />

CD // Warner


STAGE FEVER CONTEST 2007<br />

ewcomer haben dabei die<br />

Chance, einen exklusiven<br />

Live-Gig im Rahmen der<br />

Popkomm in Berlin zu<br />

gewinnen und sich dort<br />

beim »<strong>Intro</strong> Intim« am 21.<br />

September vor den Größen der Branche<br />

und begeisterten Musik-Fans zu präsentieren.<br />

Mitmachen ist ganz einfach:<br />

Unter www.yahoo.de/ popkomm gibt es<br />

die Möglichkeit, sich mit einem eigenen<br />

Musikvideo zu bewerben. Im Anschluss<br />

daran wird der Gewinner des Wettbewerbs<br />

über ein zweistufi ges Verfahren<br />

ermittelt.<br />

Zunächst trifft eine hochkarätige Jury<br />

aus Branchenkennern von Yahoo!<br />

Musik, der Popkomm und der <strong>Intro</strong><br />

eine Vorauswahl. Die acht besten<br />

Acts dürfen sich und ihre Sounds vor<br />

knapp einer Million Internetnutzern auf<br />

www.yahoo.de/musik präsentieren. Den<br />

fi nalen Sieger des ersten »Stage Fever«-<br />

Wettbewerbs küren jedoch basisdemo-<br />

YAHOO! MUSIK UND INTRO<br />

SUCHEN DIE STARS VON MORGEN<br />

Träume nicht weiter vom großen Gig – hol ihn dir! Pünktlich zur<br />

weltweit größten Musikmesse Popkomm starten Yahoo! Musik<br />

(www.yahoo.de/musik; offi zieller Online-Partner der Popkomm,<br />

kratisch und wie es sich gehört die<br />

Musikfans selbst. Sie stimmen<br />

online für ihre Lieblingskünstler<br />

und legen damit vielleicht<br />

ja sogar den Grundstein<br />

zu einer neuen, großen<br />

Karriere.<br />

Der Gewinner des Online-<br />

Votings darf am 21. September<br />

im Berliner Club<br />

»Maria & Josef« (ehemals<br />

Maria am Ufer)<br />

seine Live-Qualitäten<br />

im Rahmen<br />

des »<strong>Intro</strong> Intim«<br />

vor vielen Profi s aus<br />

der Musikbranche unter<br />

Beweis stellen. Für den<br />

angemessenen »VIP-Status« ist dabei<br />

ebenfalls gesorgt: Neben der Hotelunterbringung<br />

stellt Yahoo! Musik der<br />

Gewinner-Band eine luxuriöse Stretchlimousine<br />

als exklusiven »Stage Fever«-<br />

Star-Shuttle zum Gig zur Verfügung.<br />

AKTION<br />

19.-21.09.2007) und <strong>Intro</strong> den ersten »Stage Fever Contest 2007«<br />

für den musikalischen Nachwuchs in Deutschland.


028 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ M.I.A.<br />

M.I.A.<br />

Missing<br />

in America


Text + Fotos: Heiko Behr<br />

<strong>Als</strong> die kleine Maya mit ihrer Mutter aus Sri Lanka fl oh, sehnte sie sich<br />

nach nichts mehr als einem sicheren Zuhause. Doch auch in der neuen<br />

Wahlheimat London fühlte sie sich nicht willkommen. Nach ihrem besonders<br />

in den USA erfolgreichen Debüt »Arular« konzentrierte sie nicht zuletzt deshalb<br />

ihre Hoffnungen auf New York – ob es hingehauen hat oder nicht, das sagt<br />

uns nun Heiko Behr.<br />

»Wer ist eigentlich M.I.A.?« stöhnt der bullige Stiernacken<br />

und inhaliert einen tiefen Schluck seines Plastikbiers. »Europäischer<br />

HipHop, oder so«, antwortet ihm gähnend der<br />

Crewcut und rückt seine verspiegelte Ray-Ban-Sonnenbrille<br />

zurecht. Danach einigen sie sich auf ein klares »Whatever«<br />

und beginnen eine tief greifende Diskussion über den<br />

Vorteil vom Bongrauchen gegenüber dem Komasaufen.<br />

Wir befi nden uns in Chicago. Genauer gesagt auf dem<br />

Gelände des Lollapalooza-Festivals. Mit derlei Reaktionen<br />

muss Maya Arulpragasam, die hier heute am späten Nachmittag<br />

einen Auftritt ihrer aktuellen Amerikatour durchziehen<br />

muss, in diesem Kontext leider rechnen. Hier wartet<br />

niemand auf den progressiven Hype aus UK, der sein zweites,<br />

so viel sei gleich mal gesagt: großartiges Album, »Kala«<br />

betitelt, promoten will – hier wird stattdessen gerade Ben<br />

Harper gottgleich abgefeiert.<br />

Die 30-Jährige müht sich später auf der fußballfeldgroßen<br />

Bühne dennoch ab, stürmt zwischendurch ins Publikum,<br />

animiert zum Mitsingen. Kurzum: Sie gibt alles. Und<br />

auch ihre Begleit-Tänzerin schwitzt nicht von irgendwoher;<br />

lediglich der DJ schaut etwas verloren ins Rund – und erntet<br />

indirekt für seine fehlende Professionalität Kritik von der<br />

Chefi n: »Manchmal wünsch ich mir in solchen Situationen<br />

dann doch eine Band«, gibt eine verkaterte und trotzdem<br />

(oder gerade deswegen) grinsende Maya am nächsten Tag<br />

beim Interview im Hard Rock Cafe zu Protokoll. Überhaupt<br />

hat sie ausgeprägte Lust zu reden. <strong>Als</strong>o hören wir doch einfach<br />

mal zu:<br />

Ist es nicht schon ein Erfolg, dass du überhaupt in den<br />

USA auftrittst momentan? Ich hörte, du hättest Visum-<br />

Probleme gehabt. Puh. Ich weiß gar nicht, ob ich darüber<br />

reden darf. Mein aktuelles Visum ist nämlich nur auf ein<br />

Jahr beschränkt. <strong>Als</strong>o, wenn ich hier Scheiße erzähle, können<br />

sie mir das Visum auch schnell wieder wegnehmen. Ich<br />

denke mal, das ist ein Mittel, um Leute unter Kontrolle zu<br />

halten.<br />

Empfi ndest du das jetzt als ständige Bedrohung? Eigentlich<br />

nicht. Trotzdem bin ich bei dieser Sache sehr vorsichtig.<br />

Und es bestärkt mich noch: Im Grunde muss man in den<br />

USA leben, um hier auch Kritik üben zu können. Wenn man<br />

das von außerhalb tut, nimmt das niemand wahr. Das hat<br />

hier überhaupt keine Relevanz. Ich teste also gerade noch,<br />

wie weit Freedom of Speech hier überhaupt reicht ...<br />

Glaubst du, deine Texte haben mit deinen Problemen zu<br />

tun gehabt? Du hast ja ziemlich radikal von Selbstmordattentätern<br />

erzählt, hast die PLO als Referenz gedroppt ...<br />

Ich hoffe nicht. Aber sie haben mich gebeten, ihnen einige<br />

Presse-Artikel zuzuschicken, so wollten sie sich über mich<br />

informieren. Eine ziemlich faule Art für eine staatliche Organisation.<br />

Und das kam dann bei ihnen so an: »M.I.A.!<br />

Tochter eines militanten Terroristen! Kommt in die USA!«<br />

Tja, und schon war ich auf der Watchlist.<br />

Hast du nie gedacht: »Okay, wenn ihr mich nicht wollt,<br />

will ich euch auch nicht!«? Genau mit dieser Einstellung<br />

hab ich »Kala« gemacht. Wenn ich nicht in die USA reinkomm,<br />

geh ich in jedes einzelne Anti-USA-Land auf diesem<br />

Planeten und mach da jedes Mal einen Anti-USA-Song! Da<br />

bin ich innerhalb von kurzer Zeit bei acht Alben! Und hey,<br />

das wär okay gewesen. Dann verkauf ich sie halt in China.<br />

Dann wäre ich eine noch größere Bedrohung.<br />

Aber irgendwie bist du ja drangeblieben an diesem Visum.<br />

Was fasziniert dich so sehr an den USA? So viele liberale<br />

Gedanken kommen doch aus Amerika, progressive, revolutionäre<br />

Gedanken. Das muss man respektieren. Und ich<br />

würde gern meinen Teil dazu beitragen, Informationen ins<br />

Land hineinzutragen. Ich glaube, die Amerikaner brauchen<br />

mehr Außenperspektive! Niemand hat in den USA Zeit, sich<br />

mal mit einem Thema zu beschäftigen. Schau dir die Nachrichten<br />

hier an. Es ist also dringend nötig, dass jemand den<br />

Amis etwas kulturell Subversives injiziert: Erinnert euch<br />

an Afrika! Kennt ihr eigentlich China?<br />

Du hast ja bekanntermaßen den Sri-Lanka-Background,<br />

hast dann in London gelebt und die letzte Zeit so ziemlich<br />

überall und nirgends. Quasi aus dem Koffer. Fühlst du<br />

dich kulturell zerrissen? Hast du Heimweh? Nein. Ich fl iege<br />

ja manchmal rüber, um ein bisschen zu helfen. Aber ich<br />

könnte dort nicht leben. Letztes Jahr ist meine Großmutter<br />

an meinem Geburtstag gestorben. Da hatte ich gerade das<br />

»Bird Flu«-Video abgedreht. Auf ihrer Beerdigung habe ich<br />

zum ersten Mal seit langer Zeit so eine Art spirituelle Verbindung<br />

mit dem Land gespürt. Aber in den wenigen Tagen,<br />

die ich damals da war, wurden plötzlich alle Schulen geschlossen,<br />

alle Kinder nach Hause geschickt. Die Regierung<br />

verbreitete Gerüchte, dass die Tamil Tigers damit gedroht<br />

hätten, Bomben zu zünden. Die Tigers hingegen sagten,<br />

das sei ein Wahlkampftrick der Regierung vor den Wahlen,<br />

sie hätten dergleichen niemals angedroht. Stell dir das mal<br />

vor. Das ist so ein unreifer Scheißdreck, der da abläuft. Damit<br />

will ich einfach im Moment nichts zu tun haben. Dieser<br />

Konfl ikt im Land ist so tief greifend! Wenn ich mich damit<br />

beschäftigen würde, müsste ich meine komplette Zeit investieren!<br />

Aber dann wäre ich eine von ihnen – und das will<br />

ich nicht.<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ M.I.A. _ 029<br />

Crewcut<br />

Amerikanischer Slang, steht für<br />

einen mächtig blöde aussehen-<br />

den Kerl mit Bürstenhaarschnitt.<br />

Lollapalooza<br />

1991 gründete Perry Farrell, Ex-<br />

Jane’s-Addiction und -Porno-For-<br />

Pyros, dieses Festival als rokken-<br />

den Wanderzirkus – man tourte<br />

durch die USA, um den Leuten<br />

auch abseits der Großstädte<br />

ein bisschen Popkultur nahezu-<br />

bringen. Mit der Zeit wurden die<br />

Bands zwar größer, die Preise al-<br />

lerdings auch höher und die<br />

Sponsoren-Präsenz erdrückender<br />

– es kam zum Crash. Nach kur-<br />

zer Pause fi ndet das Lolla nun ge-<br />

sundgeschrumpft jährlich in Chi-<br />

cago statt.<br />

Freedom of Speech<br />

Eigentlich garantiert dieses<br />

Grundprinzip liberaler Demokra-<br />

tien die freie Meinungsäußerung<br />

in jedweder Form, in jedem Me-<br />

dium. Eigentlich. Zusehends wird<br />

das Konzept allerdings auf dem<br />

Altar grassierender, hilfl oser Ter-<br />

rorpanik geopfert. Jedes Land<br />

hat seinen Schäuble.


030 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ M.I.A.<br />

Sri Lanka<br />

In Mayas Geburtsland geht der<br />

an- und abschwellende Bürger-<br />

krieg bald ins 25. Jahr. Die Tamil<br />

Tigers, denen ihr Vater zugerech-<br />

net wird, kämpfen als Organisa-<br />

tion einer religiösen Minderheit<br />

gegen die Regierung und fordern<br />

einen separaten Tamilen-Staat<br />

im Norden des Landes. Momen-<br />

tan werden sie daher von insge-<br />

samt 32 Staaten als Terror-Organi-<br />

sation geführt. Darunter auch von<br />

den USA ...<br />

Der MySpace-Killer<br />

Im englischen Ipswich, Suffolk<br />

begann im Dezember des letz-<br />

ten Jahres die Suche nach dem<br />

Mörder von insgesamt fünf Pros-<br />

tituierten. Die Medien sprangen<br />

schnell auf den Zug auf, unaus-<br />

weichlich wurden sofort Paralle-<br />

len zu »Jack the Ripper« gezogen.<br />

Einer der Verdächtigten hatte,<br />

nun ja, eine MySpace-Seite ...<br />

<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />

M.I.A.<br />

Kala<br />

CD // XL Recordings /<br />

Beggars Group / Indigo<br />

Leute, die viel reisen, die ständig unterwegs sind, klagen<br />

ja oft über Identitätsprobleme. Weil sie das Gefühl<br />

für das »Zuhause« verlieren, auch wenn das nur ein geistiger<br />

Ort sein kann. Du bist ja nun ständig unterwegs gewesen,<br />

auch weil du in deine bereits gekaufte Wohnung<br />

in Brooklyn wegen der Einreiseprobleme nicht einziehen<br />

konntest. Wie empfi ndest du das? Meine Familie ist meine<br />

Heimat. Wenn ich es also schaffe, alle an einem Ort zusammenzubringen<br />

– dann fühlt sich das nach einem Zuhause<br />

an. <strong>Als</strong> ich damals Sri Lanka verließ, wusste ich, dass das<br />

niemals wieder passieren würde. Niemals. Mein Zuhause<br />

würde nie, nie, nie, nie wieder so sein, wie es mal war: Meine<br />

Schule existiert nicht mehr, meine Straße ist zerstört, alles<br />

ist mit Landminen gepfl astert. Die Leben dort sind kaputt,<br />

die Hoffnungen sind kaputt. Ich weiß genau, selbst<br />

wenn ich nach Sri Lanka ziehe und mithelfe, eine Straße,<br />

ein Haus wieder aufzubauen, wird es trotzdem anders<br />

sein. <strong>Als</strong>o ist es für mich wichtig, einen Platz zu fi nden, der<br />

meinen Irrsinn unterdrückt, der mich ausbalanciert. Ich<br />

muss in meinem Leben etwas fi nden, das mir eine Ruhe<br />

verschafft. Zu der Zeit, als ich diese Visum-Probleme hatte,<br />

dachten ja alle Leute, ich hätte es geschafft: 200.000 Platten<br />

in den USA verkauft, schöne Wohnung in Brooklyn, ich<br />

kann überall hinreisen, wohin ich will. Aber ganz so einfach<br />

war es dann eben doch nicht. Ich hatte einfach kein Zuhause.<br />

Meine Idee war dann, alles so klein zu halten, dass<br />

ich mein Zuhause überall mit hinnehmen konnte. Ob das<br />

jetzt ein Buch ist oder eine Teetasse, ein Paar Schuhe oder<br />

ein Handy. So kann man dann ein bisschen Ruhe fi nden, in<br />

die man sich zurückziehen kann.<br />

Inwieweit wird dieser Zustand der Heimatlosigkeit in deinem<br />

Album widergespiegelt? Du bist noch hysterischer<br />

in einigen Songs als auf »Arular«, noch entgrenzter ... Oh<br />

ja, ich bin hysterisch auf der Platte, total. Wenn das also der<br />

schlimmste Part von mir ist, dann ist das eben so.<br />

War das das Ziel? Die schlechtesten Seiten aus dir rauszuholen?<br />

Ich geb dir ein Beispiel. Einen Tag, bevor ich »Bamboo<br />

Banga« schrieb, traf ich einen sehr seltsamen Künstler,<br />

der hat mir echt Angst gemacht. Ich lernte ihn mit ein paar<br />

Freunden kennen, er wollte uns ein bisschen von seiner Arbeit<br />

zeigen. Bei ihm zu Hause versuchte er uns dann plötzlich<br />

in einen Keller zu schubsen. Er fühlte sich von Geistern<br />

verfolgt und dachte, ich sei auf ihn angesetzt worden.<br />

<strong>Als</strong> Killer. <strong>Als</strong> wir dann Richtung Haustür fl üchteten, hielt<br />

er mich am Fuß fest. Wir kämpften miteinander. Erst als<br />

wir später sicher im Auto saßen, habe ich so richtig Angst<br />

bekommen. Das war nämlich am gleichen Tag, als in England<br />

dieser MySpace-Killer zuschlug, der innerhalb von einer<br />

Woche fünf Prostituierte ermordete ... Am nächsten Tag<br />

nahmen wir dann »Bamboo Banga« in einem Take auf, ich<br />

höre mich wirklich absolut spooky an auf den Aufnahmen.<br />

Da ist meine ganze Panik vom Tag davor in den Track gefl<br />

ossen. Mein Gott, mein Leben ist so bizarr!<br />

Einschub. Gleiche Stadt.<br />

Andere Bühne<br />

Erwartungsgemäß macht diese dräuende Hysterie am<br />

nächsten Tag im lokalen House of Blues, der von Dan Aykroyd<br />

mitgegründeten Location-Kette, deutlich mehr<br />

Sinn als am Vortag auf dem Lollapalooza. Besonders das<br />

eben angesprochene Stück, »Bamboo Banga«, steigert<br />

sich an diesem Tag live in einen irrlichternden monotonen<br />

Soundirrsinn, kreiert eine körperliche, niemals nachlassende<br />

Anspannung – wie sie eben nur auf dunklen, kleineren<br />

Bühnen spürbar wird. Man merkt sofort, dass sich<br />

Maya hier wohler fühlt. Die Fremdartigkeit der schrägen<br />

Samples, die Autosirenen, die fl atternden Hühner, die intensiven<br />

Tribalbeats, hier werden sie vom Publikum begeistert<br />

als neue Erfahrung aufgenommen. So weit draußen<br />

kann überwältigende Tanzmusik also heute klingen. Wie<br />

ein Trip durch die weißen Flecken der USA-Europa-zentrierten<br />

Weltwahrnehmung.<br />

Blende zurück. Hard Rock Cafe<br />

Eigentlich sollte ja Timbaland dein Album mitproduzieren,<br />

der sich auch gern mal quer durch Indien samplet.<br />

Letztlich ist es nur ein Song geworden – und der wird<br />

auch nur als Bonustrack in den USA erscheinen. Deine<br />

Plattenfi rma läuft sicher Amok ... Wenn ich diese Visum-<br />

Probleme nicht gehabt hätte, wär ich ihm einfach ein Jahr<br />

quer durch die USA immer hinterhergereist, nur um mit<br />

ihm aufzunehmen. <strong>Als</strong> ich ihn dann in Virginia Beach traf<br />

für ein paar kurze Recording-Sessions, merkte ich plötzlich:<br />

Eine Zusammenarbeit mit ihm würde einfach ganz<br />

weit weg klingen vom Rest des Albums, völlig inkonsistent.<br />

Das war mir plötzlich klar, noch bevor die Aufnahmen<br />

begannen.<br />

Angeblich haut der ja auch mal acht Songs am Tag raus.<br />

Klingt nach dem absoluten Gegenteil von deiner Arbeitsweise<br />

... Ich denke, es gibt zwei Arten von Künstlern. Der<br />

eine hat diese Sache, die er gern macht, die er immer machen<br />

will. Und deswegen ordnet er sein ganzes Leben, alle<br />

Leute um sich herum dieser Sache unter. So macht Timbaland<br />

das. Wenn er müde ist, schläft er. Dann wacht er auf<br />

und ist in einer ganz anderen Stimmung. Er schläft auch,<br />

um extra in eine andere Stimmung zu kommen, um Vibes<br />

für Songs zu ändern! Es geht also nur um diesen einen<br />

Moment im ganzen Leben. Ich hingegen bin das genaue<br />

Gegenteil. Ich erschaffe aus dem Chaos heraus, ich muss<br />

aber auch mitten im Leben stehen: Hunde kommen ins Studio<br />

und zerbeißen meine Mikros, ich verfolge sie die Straße<br />

runter, ich stoße mit jemandem zusammen, der sich<br />

prügeln will. Dazu sorge ich mich darum, dass meine Mutter<br />

aus ihrer Wohnung rausgeschmissen wird. Ich muss<br />

mir um alles Sorgen machen, ständig Ärger haben. Bis ich<br />

dann irgendwann brülle: »Warum lassen mich nicht einfach<br />

alle in Ruhe?« Und dann setze ich mich hin und schreibe<br />

einen Song. So und nicht anders können Platten von mir<br />

entstehen!<br />

Ein letzter, schier endloser Hustenanfall beendet das Interview.<br />

In den nächsten Wochen werden garantiert noch<br />

weitere folgen, unterbrochen von endlosen Fotoshootings<br />

und weiteren Konzerten. M.I.A. steht die Erschöpfung angesichts<br />

dieser Zukunftsaussichten ins Gesicht geschrieben.<br />

Wahrscheinlich freut sie sich schon jetzt auf ihr Appartment<br />

in Brooklyn, in dem sie die nächsten Tage etwas Normalität<br />

vortäuschen kann. Viel Zeit für ihr neues Zuhause<br />

hat sie allerdings nicht. Denn wenn ihr das Heft in Händen<br />

haltet, hat ihre Europatour inklusive Deutschlandbesuch<br />

schon begonnen. Wir sehen uns.<br />

Auf intro.de: Videoclips zu »Boyz« und »Bird Flu«


032 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew<br />

Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew.<br />

Der Geist<br />

des Kollektivs<br />

Zweimal Animal Collective, kein Kevin Drew


Text: Martin Büsser _ Foto: Lena Böhm <strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew _ 033<br />

Der Kollektiv-Gedanke erfährt in der Musik seit einigen Jahren eine<br />

Renaissance. Alternative Netzwerke als Basis für einen ästhetischen,<br />

politischen und musikalischen Gegentrend zum sonstigen Konsens in der<br />

Musikindustrie. Martin Büsser befragte Animal Collective und Kevin Drew<br />

von Broken Social Scene anlässlich der neuen Alben für <strong>Intro</strong> zu ihrem<br />

Verhältnis zum Kollektiv.<br />

Der Begriff des Kollektivs ist unmittelbar mit<br />

1968 und dessen Folgen verbunden – mit<br />

Kommune 1, freier Liebe und dem gemeinsamen<br />

Kühlschrank für alle. Mit sozialen Experimenten<br />

also, die gemeinhin als gescheitert<br />

betrachtet werden. So etwas eignet sich höchstens<br />

noch als Stoff für Retro-Filme zum Ablachen oder Kopfschütteln.<br />

Wer in der Bachelor-Generation aufwächst und<br />

alleine schon aufgrund immenser Semestergebühren dazu<br />

gezwungen ist, das Studium innerhalb von zwei Jahren zu<br />

beenden, wird schwer nachvollziehen können, dass es einmal<br />

eine Generation von Studenten gab, der die Suche nach<br />

alternativen Lebenskonzepten wichtiger war, als Scheine<br />

zu sammeln. Glaubt man den heutigen Medien und Uschi-<br />

Obermayer-Filmchen, war das Kommunarden-Gebaren von<br />

einst vor allem eines: unglaublich naiv, pubertär, ja geradezu<br />

hysterisch. Am Ende siegte daher fast immer die Vernunft<br />

in Form der bürgerlichen Ehe.<br />

Abgesehen davon, dass viele Kollektiv-Ansätze tatsächlich<br />

daran gescheitert sind, dass sich doch jemand – in den<br />

meisten Fällen waren das Männer – als Oberhaupt aufspielen<br />

musste, scheint der heutige Refl ex des Lächerlich-Machens<br />

Methode zu haben: Damit die rigiden, in den meisten<br />

Bundesländern bereits durchgesetzten Studienbedingungen<br />

nicht für einen kollektiven Aufruhr sorgen, muss die<br />

Idee der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelkämpfertum<br />

permanent diskreditiert werden. Stereotype Witze über<br />

endlose »Ey du«-Diskussionen unter fi lzigen Sozialarbeiter-Typen<br />

tragen ihren Teil dazu bei, dem Kollektiv ein uncooles<br />

Image zu verpassen.<br />

Umso interessanter, dass der Kollektiv-Gedanke in der<br />

Musik seit einigen Jahren eine Renaissance erfahren hat.<br />

Von Weird-Folk-Gruppen wie The No-Neck Blues Band über<br />

Label-Zusammenhänge wie Constellation sind alternative<br />

Netzwerke entstanden, die der Musikindustrie ästhetisch<br />

wie musikalisch zu trotzen versuchen. Geben solche Kollektive<br />

einen Leitfaden für die politische Praxis in die Hand?<br />

Werden hier auf dem ästhetischen Feld neue Protestformen<br />

ausprobiert, oder entpuppen sich solche Kollektive letzt-<br />

lich doch nur als Hippie-Nostalgie und Flucht in die Wälder?<br />

Antworten hierauf geben bzw. verweigern Animal Collective<br />

(vertreten durch Panda Bear [PB], Avey Tare [AT] und<br />

Geologist [G]) und Broken Social Scene (vertreten durch Kevin<br />

Drew [KD]), die beide mit einem Kollektiv-Ansatz auftreten<br />

oder doch zumindest damit assoziiert werden. Zudem<br />

handelt es sich bei beiden Gruppen um einen losen Verbund<br />

aus Freunden, der Solo-Aktivitäten und Seitenprojekte<br />

nicht ausschließt. Der Einzelne soll sich hier nicht dem Kollektiv<br />

unterordnen – kein halbwegs vernünftiger Mensch<br />

trauert schließlich Pol-Pot-Strategien oder der Mühl-Kommune<br />

nach –, sondern es als Individualist bereichern.<br />

1. Kollektiv<br />

Bedeutet der kollektive Ansatz, dass es bei euch keine<br />

Hierarchien gibt, keine Stars und keinen Bandleader?<br />

AT: Unser Konzept ist nicht total frei. Wir haben sehr<br />

wohl verteilte Rollen: Der eine arbeitet mehr am Songwriting,<br />

der andere mehr am Sound. Aber Animal Collective<br />

weisen keine konventionelle Bandstruktur auf, es ist eher<br />

ein Freundeskreis, dessen Besetzung ständig wechselt. Im<br />

Moment sind wir gerade drei Leute, für die kommende Platte<br />

können es dann auch schon wieder fünf sein.<br />

PB: Nun, es gibt verteilte Aufgaben, aber keine personelle<br />

Hierarchie. Niemand von uns besteht auf die Urheberschaft<br />

einer bestimmten Melodie oder Textzeile. Im Gegenteil,<br />

das Starke an dem kollektiven Konzept ist ja, dass sich<br />

alles ständig verändert.<br />

KD: Broken Social Scene werden immer wieder mit diesem<br />

Kollektiv-Gedanken in Verbindung gebracht. Aber wir<br />

sind kein Kollektiv und waren es auch nie. Eine Gruppe von<br />

zwanzig Leuten braucht auch so etwas wie einen Anführer,<br />

der Ordnung in die Sache bringt. Du brauchst jemanden,<br />

der sich um die Finanzen kümmert, um Plattenverträge<br />

und Konzertauftritte. Zeitweise hat sogar mein Vater<br />

solche Aufgaben übernommen. Wir sind nicht einmal musikalisch<br />

ein Kollektiv. Ein Großteil des Songwritings steuern<br />

Brendan und ich bei. Es gibt also gewisse Hierarchien,<br />

Hippie-Waldschrat-Bands<br />

Zahlreiche Bands haben in den<br />

letzten Jahren die freie Impro-<br />

visation des Free Jazz auf Folk<br />

übertragen. Die Presse hat ihre<br />

Musik mit den Etiketten »Weird<br />

Folk« und »Free Folk« versehen.<br />

Zu diesen Bands, die vor allem<br />

in den USA und in Finnland wie<br />

psychedelische Pilze aus dem Bo-<br />

den sprießen, zählen unter an-<br />

derem Sunburned Hand Of The<br />

Man, The No-Neck Blues Band, Six<br />

Organs Of Admittance und Da-<br />

veport. Sie musizieren bevorzugt<br />

unter freiem Himmel, im Wald<br />

und rund ums Lagerfeuer. Wal-<br />

lende Kleider und Bärte sind der<br />

neue Dresscode. Das musikali-<br />

sche Experiment wird oft von eso-<br />

terischen Weltbildern begleitet,<br />

die Kollektive weisen bisweilen<br />

sektenhafte Strukturen auf.


034 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew<br />

Terrestial Tones<br />

Seitenprojekt von Avey Tare und<br />

Eric Copeland (Black Dice). Sie<br />

haben bislang zwei Platten ver-<br />

öffentlicht, zuletzt »Dead Drunk«<br />

(Paw Tracks, 2006). Die Stücke<br />

wurden im gemeinsamen Apart-<br />

ment in Paris aufgenommen und<br />

basieren vorwiegend auf Samp-<br />

les. Hierfür wurden jede Men-<br />

ge Flohmarkt-Platten bis zur Un-<br />

kenntlichkeit gesampelt und<br />

durch Effektgeräte gejagt. Die<br />

Musik schwankt zwischen Am-<br />

bient, Lo-Fi-Pop und Industrial-<br />

Noise.<br />

Projekt mit Kria Brekkan<br />

Zusammen mit der ehemali-<br />

gen Múm-Musikerin Kria Brek-<br />

kan (Anna Valtysdottir) entstand<br />

2007 die höchst obskure Platte<br />

»Pullhair Rubbeye« (Paw Tracks),<br />

für die ein Großteil der Aufnah-<br />

men rückwärts abgespielt wur-<br />

de. Satanische Botschaften sind<br />

zwar keine zu entnehmen, dafür<br />

aber jede Menge bewusstseins-<br />

erweiternde Klänge, die zusätz-<br />

lich dadurch verfremdet und ver-<br />

zerrt wurden, dass das Album<br />

auf einem billigen Zweispurgerät<br />

(Flohmarktpreis: ein Dollar) abge-<br />

mischt wurde.<br />

Spirit If ...<br />

... ist der erste Teil einer Reihe mit<br />

dem Titel »Broken Social Scene<br />

Presents«, auf der einzelne BSS-<br />

Musiker ihre Soloarbeiten vorstel-<br />

len, eingespielt mit BSS-Mitglie-<br />

dern. Brendan Canning will sein<br />

Soloalbum 2008 rausbringen.<br />

Es bleibt abzuwarten, ob wei-<br />

tere Platten in der Reihe folgen<br />

oder ob sich das »Presents« nur<br />

auf die beiden »Köpfe« der Band<br />

beschränkt. Aus BSS sind bereits<br />

zahlreiche Seitenprojekte wie<br />

Apostle Of Hustle hervorgegan-<br />

gen, ohne dass diese unter »BSS<br />

Presents« liefen.<br />

<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />

Animal Collective<br />

Strawberry Jam<br />

CD // Domino / Rough Trade /<br />

VÖ 07.09.<br />

Broken Social Scene<br />

presents Kevin Drew<br />

Spirit If ...<br />

CD // City Slang / Universal /<br />

VÖ 14.09.<br />

die notwendig sind, um überhaupt halbwegs hörbare Musik<br />

zu machen.<br />

Inwiefern haben euch die Kollektiv-Ideen der 1960er-Jahre<br />

inspiriert, Gruppen wie Amon Düül oder Free Jazz?<br />

G: Musikalisch ist das unglaublich wichtig für uns. Aber<br />

wir leben anders als zum Beispiel Amon Düül. Wir leben<br />

nicht in Kommunen. Animal Collective ist eher ein musikalisches,<br />

kein soziales Experiment.<br />

AT: Trotzdem soll unsere Musik den Leuten etwas davon<br />

vermitteln, wo wir politisch stehen. Dazu benötigen wir keine<br />

politischen Texte oder Statements. Allein unsere Sounds<br />

und die improvisierte Herangehensweise an Musik sind ein<br />

Bekenntnis zur Freiheit und ein Aufruf, mit Konventionen<br />

zu brechen.<br />

PB: Wir wollen allerdings eine Verklärung der 1960er-<br />

Jahre vermeiden. Wir gehören defi nitiv nicht zu diesen<br />

gerade so angesagten Hippie-Waldschrat-Bands. In die<br />

Vergangenheit zu blicken und etwas von früher zu glorifi -<br />

zieren ist nicht unser Ding. Es gibt zwar diese »Tier«-Seite<br />

in AC, dieses archaische Element, zugleich ist unsere Musik<br />

aber auch sehr urban und futuristisch. Die Bands, die<br />

uns beeinfl usst haben, waren zu ihrer Blütezeit ebenfalls<br />

alles andere als nostalgisch: Can, Pink Floyd, Beach Boys –<br />

die blickten alle in die Zukunft!<br />

AT: Wir wollen mit unseren Sounds keine Wertungen abgeben.<br />

Wenn wir afrikanische Rhythmen benutzen oder archaisch<br />

anmutende Klänge, dann ist das keine Aufforderung,<br />

zurück in die Wälder zu gehen.<br />

G: Unsere Musik klingt wahrscheinlich deswegen so frei<br />

und ungewohnt, weil sie nur wenige Anbindungen an Rockmusik<br />

hat. Keiner von uns ist ein großer Fan von Rockmusik.<br />

<strong>Als</strong>o haben wir von Anfang an mit Rhythmen und Klängen<br />

improvisiert, die für Rock völlig untypisch sind. Field<br />

Recordings aus Afrika waren für uns sehr wichtig, denn dort<br />

hörst du zum Teil Sounds, die du gar keinem Instrument zuordnen<br />

kannst. Dieses Prinzip haben wir für unsere Musik<br />

übernommen – Klangquellen zu verwischen. Gitarren hören<br />

sich bei uns manchmal wie Samples, wie Loops an.<br />

KD: Wir haben gar keinen Bezug zu Kollektiven aus den<br />

1960ern. Die Vergangenheit interessiert uns nicht.<br />

2. Individuum<br />

Sind Bandkollektiv und Soloprojekte nicht ein Widerspruch?<br />

AT: Überhaupt nicht. Die Soloarbeiten sind für uns eher<br />

ein Experimentierfeld. Dort können wir Sachen ausprobieren,<br />

die wir später eventuell für AC nutzen. Es ist eine Bereicherung,<br />

neben AC auch mit anderen Musikern zu spielen,<br />

die dem Ganzen neue Facetten hinzufügen. Meine<br />

Arbeit mit Terrestial Tones hat zum Beispiel zu unglaublichen<br />

Soundexperimenten geführt, die ich in dem Maße bei<br />

AC nicht hätte ausleben können. Dasselbe gilt für mein Projekt<br />

mit Kria Brekkan von Múm.<br />

KD: Der Unterschied zwischen den Soloprojekten und<br />

BSS ist erst einmal nur der, dass die Solomusik entschlackter<br />

klingt. Auf »Spirit If ...« sind gerade einmal sechs Musiker<br />

zu hören. Ansonsten unterscheidet es sich gar nicht so<br />

sehr. Die Musik von BSS klingt oft wie ein Mixtape, weil so<br />

viele verschiedene Charaktere an den Aufnahmen beteiligt<br />

sind, die alle ganz individuelle Einfl üsse einbringen. Aber<br />

auch »Spirit If ...« ist am Ende wie ein Mixtape geworden,<br />

obwohl alle Stücke von mir stammen. Das liegt daran, dass<br />

ich es langweilig fi nde, nur einen ganz bestimmten Sound<br />

zu haben oder mit meiner Musik nur eine ganz bestimmte<br />

Stimmung auszudrücken. <strong>Als</strong> Mensch ändert sich meine<br />

Stimmung ja auch stündlich. Entsprechend spontan ist die<br />

Entstehung vieler Stücke. Die Texte habe ich oft in einem<br />

Rutsch geschrieben, ohne dass ich mir groß Gedanken darüber<br />

gemacht habe. Ich habe nicht lange rumgefeilt, sondern<br />

sie so genommen, wie sie rausgerutscht sind. Ein Kind<br />

veränderst du ja auch nicht nachträglich, nur weil dir seine<br />

Augen- oder Haarfarbe nicht passen.<br />

3. Kapital<br />

Wie lassen sich Kollektiv-Gedanke, experimentelle Musik<br />

und das schnöde Überleben im Kapitalismus zusammenbringen?<br />

G: Mit experimenteller Musik kannst du heute nicht<br />

mehr so bekannt werden, wie das in den 1970ern vielleicht<br />

noch bei Can möglich war. Zum einen, weil sich die sozialen<br />

Rahmenbedingungen geändert haben und Experimente gesellschaftlich<br />

nicht mehr angesagt sind. Zum anderen, weil<br />

die Leute heute nicht mehr bereit sind, Geld für Platten auszugeben.<br />

Deshalb musst du ständig auf Tour gehen. Die wenigen<br />

Menschen, die noch Platten von Bands wie uns kaufen<br />

– und das ist fast ausschließlich ein Vinyl-Publikum –,<br />

kannst du an einer Hand abzählen.<br />

AT: Aber wir haben diesen Weg ja freiwillig gewählt. Dadurch<br />

werden wir vielleicht nicht berühmt, aber wir können<br />

überleben. Sogar eine Band wie Wolf Eyes, deren Musik<br />

noch viel sperriger ist als unsere, lebt dank ständigem Touren<br />

– insofern will ich jetzt gar nicht jammern. Wir wollen<br />

unseren Hörern etwas davon vermitteln, dass Selbstbestimmung<br />

wichtiger ist als Geld und Erfolg. Zumindest bringt<br />

es ein erfülltes Leben.<br />

PB: DIY bedeutet für uns, volle Kontrolle über unsere Arbeit<br />

zu haben. Es ist schon schlimm genug, dass eine Band<br />

wie AC inzwischen erste Kompromisse eingehen muss.<br />

G: Genau, es geht nämlich schon los. Obwohl wir auf einem<br />

Indie-Level arbeiten, bekommst du den sanften, aber<br />

bestimmten Hinweis vom Tour-Management, in dieser<br />

oder jener Stadt zu spielen, ganz egal, ob du darauf Lust<br />

hast oder nicht. Oder sie vermitteln dir Interviews mit Zeitschriften,<br />

die du ideologisch gar nicht toll fi ndest. Was haben<br />

AC in einem Lifestyle-Magazin zu suchen? Na ja, wir reagieren<br />

meist mit Gelassenheit.<br />

KD: Wichtiger als die Idee des Bandkollektivs sind Vernetzungen<br />

unter Bands und Labels. Heutzutage musst<br />

du dich vernetzen, um überhaupt noch wahrgenommen<br />

zu werden. Nur so hat es die kanadische Indie-Szene geschafft,<br />

in den letzten Jahren weltweit wahrgenommen zu<br />

werden. Natürlich gab es auch schon vorher jede Menge Indie-Bands<br />

aus Kanada, aber sie haben isoliert gearbeitet.<br />

Dank all der Indie-Netzwerke, die in den letzten Jahren entstanden<br />

sind, machen die Majors nur noch einen winzigen<br />

Teil vom Kuchen aus. Sie stehen draußen und kratzen an<br />

der Tür. Langsam merken sie nämlich, dass ihre Superstar-<br />

Strategie nicht aufgegangen ist. Während die Industrie geschlafen<br />

hat, haben die Indies gelernt, gemeinsame Wege<br />

zu gehen und das Internet zu ihrer Plattform zu machen.<br />

Auf intro.de: Videoclip zu »Fireworks« und eine Verlosung.


1 2 3<br />

1950er/1960er<br />

Sun Ra Arkestra (1)<br />

Die Mutter aller Kollektive: Der 1914<br />

geborene Herman Blount a.k.a. Sun<br />

Ra, der vorgab, vom Planeten Sa-<br />

turn zu stammen, benötigte eine<br />

ganze Bigband, um seinen opu-<br />

lenten Science-Fiction-Jazz umset-<br />

zen zu können. Die Musikerfamilie<br />

lebte unter einem Dach, teilte sich<br />

Essen und die meist karge Gage.<br />

David Peel & The Lower East Side<br />

Der Anarcho-Sänger trat ab Mitte<br />

der 1960er auf den Straßen und in<br />

den Parks von New York auf, sang<br />

gegen den Vietnamkrieg und für<br />

die Legalisierung von Marihua-<br />

na. Seinem Gefolge, der Lower East<br />

Side, konnte sich jeder anschlie-<br />

ßen, der nur wollte. Zu den promi-<br />

nentesten im Backing-Chor zählten<br />

John Lennon und Yoko Ono.<br />

Amon Düül (4)<br />

1967 aus einer Münchener Künst-<br />

lerkommune hervorgegangen. Die<br />

von Velvet Underground beein-<br />

fl usste Gruppe, der anfangs auch<br />

Uschi Obermaier angehörte, spiel-<br />

te lange instrumentale Freak-outs<br />

Trotz Sun Ras Engagement in der<br />

»Black Power«-Bewegung wurde im-<br />

mer wieder kritisiert, dass er das Ar-<br />

kestra autoritär geführt habe und<br />

der Schritt vom Kollektiv zur Aus-<br />

beutung nicht weit gewesen sei.<br />

AMM (2)<br />

Von Lou Gare, Eddie Prevost und<br />

Keith Rowe 1965 gegründetes Kol-<br />

4 5 6<br />

1960er/1970er<br />

unter Einfl uss von Acid. Auf den<br />

»Essener Songtagen« kam es 1968<br />

zum Eklat, weil viele Besucher<br />

nicht verstanden, was diese verkiff-<br />

ten Sounds auf einem politischen<br />

Festival zu suchen hatten. Wegen<br />

musikalischer Differenzen kam es<br />

zur Abspaltung von Amon Düül II.<br />

Embryo<br />

1969 in München gegründetes<br />

Kollektiv zwischen Prog Rock und<br />

Weltmusik. Ihre Hippie-Reisen im<br />

VW-Bus nach Indien wurden 1981<br />

auf der Doppel-LP »Embryos Reise«<br />

dokumentiert.<br />

Los Angeles Free Music Society<br />

In den frühen Siebzigern gegrün-<br />

7 8 9<br />

2000er<br />

Polyphonic Spree (7)<br />

Mehr als 20-köpfi ge, in wallenden<br />

Gewändern auftretende Band,<br />

die nach außen hin wie eine Sek-<br />

te wirkt und lebensfroh der musi-<br />

kalischen Tradition von Musicals<br />

wie »Hair« und »Jesus Christ Super-<br />

star« frönt.<br />

Sunburned Hand Of The Man<br />

1997 in Massachusetts gegrün-<br />

detes Free-Folk-Kollektiv, das<br />

stellvertretend für viele jüngere<br />

Psych-Kollektive dieser Art nahe-<br />

zu alle internen Regeln des Gen-<br />

res beherrscht. Darunter: 1) Benut-<br />

ze einen langen Bandnamen! 2)<br />

Veröffentliche mindestens drei Ton-<br />

träger pro Quartal! 3) Nimm pro<br />

Tonträger mindestens ein Stück<br />

von über 20 Minuten Länge auf!<br />

Dufus<br />

Aus dem experimentellen Straßen-<br />

theater hervorgegangenes Kollek-<br />

tiv, das mal in einer Besetzung von<br />

zwei und mal in einer Besetzung<br />

von über 20 Leuten auftritt. Die-<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew _ 035<br />

lektiv, dem die Musik des Free Jazz<br />

zu hierarchisch und determiniert<br />

war. Während ihrer spontanen,<br />

ohne Vorabsprachen aufgeführ-<br />

ten Konzerte wurde jegliche kon-<br />

ventionelle musikalische Struktur<br />

negiert, das Geräusch trat in den<br />

Mittelpunkt. Die von John Cage<br />

beeinfl usste Gruppe hatte großen<br />

Einfl uss auf spätere »Pop«-Strömun-<br />

detes Musiker- und Label-Kollektiv<br />

aus L.A., das an den experimentel-<br />

len Rändern von freier Improvisati-<br />

on, Klang-Collage, Dada-Pop und<br />

Noise arbeitete.<br />

Henry Cow (5)<br />

Henry Cow waren ein 1968 gegrün-<br />

detes Rock-Kollektiv auf Improvisa-<br />

tionsbasis, dem u.a. Fred Frith und<br />

Chris Cutler angehörten. Sie ver-<br />

banden Rock mit Elementen der<br />

Neuen Musik, verarbeiteten Arbei-<br />

terkampfl ieder sowie die Musik<br />

von Brecht/Weill und Hanns Eisler.<br />

Teil des politischen Konzeptes war,<br />

Grenzen der Tonalität zu sprengen<br />

und mit musikalischen Hierarchi-<br />

en zu brechen.<br />

ses wohl einzige aus der Anti-Folk-<br />

Szene hervorgegangene Kollek-<br />

tiv klingt wie eine Mischung aus<br />

Monty Python und den Mothers Of<br />

Inventions, liebt Dreadlocks, fus-<br />

selige Bärte und sackähnliche Kla-<br />

motten.<br />

Danielson Famile (8)<br />

<strong>Als</strong> sich die Gruppe 1995 gründe-<br />

te, war das jüngste Bandmitglied<br />

gerade mal elf Jahre alt. Die ein-<br />

heitlich in hellblauen Pfl egeruni-<br />

formen auftretende »Familie« aus<br />

gen wie Electro-Minimalismus und<br />

Post-Industrial, unter anderem auf<br />

Jim O’Rourke und das Mille-Pla-<br />

teaux-Label.<br />

Scratch Orchestra (3)<br />

1986 vom Stockhausen-Schüler Cor-<br />

nelius Cardew gegründetes Kollek-<br />

tiv, das im Sinne der Lehren Mao<br />

Tse-tungs das Publikum in den mu-<br />

Magma<br />

Französisches, 1969 von Schlagzeu-<br />

ger Christian Vander gegründetes<br />

Bandkollektiv, das in der eigenen<br />

Kunstsprache Kobaïanisch sang<br />

und vorgab, vom Planeten Kobaïa<br />

zu stammen, dessen Ziel es sei, die<br />

Erde zu vernichten.<br />

Ton Steine Scherben<br />

Die Gruppe, von der der Song »Al-<br />

lein machen sie dich ein« stammt,<br />

hatte einen Kollektiv-Ansatz, zu-<br />

mindest jenseits der Bühne. In der<br />

Berliner Wohnung stand der Kühl-<br />

schrank für alle offen.<br />

Crass<br />

Die Band ging Ende der 1970er aus<br />

South Jersey vertraut auf die frohe<br />

Botschaft von schräger Popmusik –<br />

ihre christlichen Texte sind durch-<br />

aus ernst gemeint. Für Kirchenta-<br />

ge und Zeltmissionen ungeeignet,<br />

spaltet die Famile die Popwelt: Vie-<br />

len Christen sind sie musikalisch<br />

zu »weird«, vielen Indie-Hörern zu<br />

missionarisch.<br />

Godspeed You! Black<br />

Emperor (9)<br />

Aus der soziokulturellen Künstler-<br />

und Hausbesetzerszene von Mon-<br />

sikalischen Prozess miteinbeziehen<br />

wollte und versuchte, traditionel-<br />

le musikalische Urheberschaft zu<br />

überwinden. Konsequenterweise<br />

wurden keine offi ziellen Tonträger<br />

hinterlassen. Cardew musste aller-<br />

dings ernüchtert feststellen, dass er<br />

mit diesen befreiten Klängen kein<br />

Arbeiterklassen-Publikum errei-<br />

chen konnte.<br />

einem Wohnkollektiv hervor und<br />

weigerte sich, mit der Musikindus-<br />

trie zu kooperieren. Ihr Anarcho-<br />

Punk richtete sich gegen Sexismus,<br />

Tierversuche und die Politik von<br />

Margaret Thatcher.<br />

The Ex (6)<br />

1979 aus der Amsterdamer Haus-<br />

besetzer-Szene hervorgegangenes<br />

Anarcho-Punk-Kollektiv mit musi-<br />

kalisch stets offenem Ansatz. Statt<br />

konventionellen Hau-drauf-Punk<br />

zu liefern, experimentierte die<br />

Band mit freier Improvisation und<br />

interpretierte politische Lieder vom<br />

britischen Bergarbeiterstreik bis<br />

zum spanischen Bürgerkrieg.<br />

treal hervorgegangene Band mit<br />

wechselnder Besetzung, deren Mu-<br />

siker auch in anderen Projekten<br />

wie Thee Silver Mt. Zion und Set<br />

Fire To Flames spielen. Dreh- und<br />

Angelpunkt der Community ist<br />

das hauseigene Constellation-La-<br />

bel, ein Label mit dezidiert politi-<br />

schem DIY-Anspruch. Die Musiker<br />

von Godspeed geben keine Inter-<br />

views und vertrauen ganz darauf,<br />

dass der politische Anspruch be-<br />

reits durch die Community und<br />

Vertriebsstrukturen deutlich wird.


036 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ G-Hot<br />

Kunstfreiheit<br />

für. G-Hot<br />

Gökhan Sensan (a.k.a. G-Hot) setzt das Tabubruch-Prinzip von Aggro Berlin konsequent um.<br />

Der von den Lesern des Juice-Magazins zum »Newcomer 2006« gekürte HipHopper hasst mit<br />

seinem Stück »Keine Toleranz« auf Schwule ab – und entfaltet damit eine öffentliche Debatte<br />

über Meinungsfreiheit im HipHop. Jetzt will sein ehemaliges Label nichts mehr von ihm wissen.


Text: Hannes Loh<br />

Rap ist ein hartes Geschäft. Und Rapper sind<br />

raue Gesellen, die unbarmherzig auf ihre<br />

Gegner eindreschen. Specter – einer der drei<br />

Betreiber des Berliner Labels Aggro Berlin<br />

– kann das besonders gut erklären. Er sagt<br />

dann Dinge wie »HipHop ist Kampfkultur« oder »HipHop<br />

ist Männerauffanglager«. Kunst und Gesellschaft sind<br />

Specters Lieblingswörter, die immer dann fallen, wenn Aggro<br />

Berlin wieder einmal zu verkaufsfördernden Tabubrüchen<br />

Stellung nimmt. Die Rapper Sido und Fler etwa werden<br />

gegen Vorwürfe des Sexismus und der Deutschtümelei<br />

so in Schutz genommen: »In ihren Texten schildern sie unter<br />

Zuhilfenahme von künstlerischen Stilmitteln in einem<br />

HipHop-typischen Kontext die Realität, in der sie aufgewachsen<br />

sind. Man darf Ursache und Wirkung nicht verwechseln:<br />

Die Gesellschaft hat diese Personen und die<br />

Welt, in der sie leben, geschaffen. Nicht umgekehrt.«<br />

Wer sich damit nicht zufrieden gibt, den erinnert das Label<br />

an die »Meinungsfreiheit« und daran, dass man sich<br />

»dieses Recht nicht nehmen« lasse. Denn: »Bemühungen,<br />

der Kunst Vorschriften zu machen, sie zu instrumentalisieren<br />

oder gar zu verbieten, [sind] immer der erste Schritt in<br />

Richtung Diktatur und Faschismus.«<br />

Erst vor wenigen Wochen musste Aggro Berlin die Meinungsfreiheit<br />

wieder gegen Wegbereiter von Diktatur und<br />

Faschismus verteidigen: Brothers Keepers e. V., ein Zusammenschluss<br />

von primär afrodeutschen Künstlern und Produzenten,<br />

kritisierte in einer Petition unter anderem den<br />

Titel des aktuellen Albums von Aggro-Rapper B-Tight (»Neger,<br />

Neger«) und Zeilen aus dessen Songs (»Wer rammt immer<br />

noch seinen Penis in dein Loch, sag mir, wer ist immer<br />

straff? Der Neger, der Neger!«). Auch hier fühlt sich Aggro<br />

Berlin zu Unrecht angegriffen. Denn was kann B-Tight dafür?<br />

Steckt nicht hinter allem die Gesellschaft? Und muss<br />

man sich nicht fragen, »warum ein einzelner Künstler am<br />

Pranger stehen soll für eine Debatte, bei der es doch um einen<br />

gesamtgesellschaftlichen Diskurs gehen soll?« Aggro<br />

Berlin fordert deshalb in einer Stellungnahme zur Brothers-Keepers-Petition:<br />

»Kunstfreiheit für B-Tight.«<br />

Auch die bei Aggro Berlin beschäftigten Rapper haben<br />

inzwischen gelernt, wie man sich als Opfer darstellt. Jetzt<br />

heißt es trotzig: »Nicht wir versauen die Jugend, wir sind<br />

die versaute Jugend!« Oder: »Ihr habt damals eure Kinder<br />

vernachlässigt. Das habt ihr jetzt davon!« Mit der stolzen<br />

Haltung eines Rebellen reagiert auch B-Tight auf die Vorwürfe<br />

von Brothers Keepers: »Ich hab mir noch nie etwas<br />

gefallen lassen. Schon gar nicht von solchen Heuchlern.«<br />

PR-Sprecher Specter, der seinen Künstlern »professionelle<br />

Hilfestellung bei ihrer Selbstrefl exion« leistet, gießt das<br />

rassistische Stammtisch-Stereotyp »Den Negern geht’s<br />

hier doch eh viel zu gut« in eine appetitliche Form: »Er [B-<br />

Thight] analysiert in seinen Songs seine schwarze Seite<br />

in einer weißen Gesellschaft und kommt zu dem Schluss:<br />

Schwarz sein hat ihm auch sehr geholfen.«<br />

Einen bedeutenden Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs<br />

leistet aus dieser Perspektive wohl auch G-Hot, von<br />

den Lesern des Juice-Magazins zum »Newcomer 2006«<br />

gekürt, wenn er in seinem Song »Keine Toleranz« einen<br />

Einblick gibt, wie man im prekären Männerbund auf der<br />

Straße über Schwule denkt: dass Aids eine Schwuchtel-Epidemie<br />

sei, dass Gott Homosexualität verbiete und schwule<br />

Liebe überhaupt das Unnatürlichste und Ekelhafteste<br />

sei, was man sich vorstellen könne. Mit dieser »Message<br />

from the Streets« dürften G-Hot und sein Freund Boss A,<br />

mit dem er den Song aufgenommen hat, das Stimmungsbild<br />

eines Großteils (nicht nur) der Berliner Rapszene akkurat<br />

wiedergegeben haben. Denn wo Frauenfeindlichkeit<br />

und Fremdenhass in ihrer Ausgrenzungsdynamik im Hip-<br />

Hop-Kosmos zumindest ambivalent sind (Heilige vs. Hure,<br />

böser Kanake vs. guter Ausländer), ist man sich doch darüber<br />

einig, dass Männer sich nicht küssen sollten. Frauenversteher,<br />

Antifa und Multikulti – all das geht. Ein schwuler<br />

Rapper? Unmöglich!<br />

G-Hots Schwulenhass ist in diesem Sinne ehrlicher und<br />

konsequenter als der Sexismus eines B-Tight oder der Nationalismus<br />

eines Fler. G-Hot spricht aus, wie man in seinem<br />

Umfeld über Homosexuelle denkt und was man von<br />

sich gibt; seine Homophobie mündet in der Aufforderung,<br />

Schwule zu verfolgen, zu quälen, zu töten. Dass er keine Außenseitermeinung<br />

vertritt, zeigt die unverblümte Zustimmung,<br />

die sein Song in vielen Kommentaren auf unterschiedlichen<br />

Foren im Internet erhält.<br />

In diesem Fall fordert Aggro Berlin keineswegs Kunstfreiheit<br />

für G-Hot, das Label geht auf Distanz. G-Hot sei<br />

nicht mehr Teil »unserer Crew«, jede weitere Zusammenarbeit<br />

schließe man aus, und »Mitarbeiter und Künstler<br />

distanzieren sich entschieden von den [...] geäußerten Ansichten«.<br />

Kein Diskurs über Kunst, Gesellschaft oder Meinungsfreiheit.<br />

Mit einem Ankommen im Mainstream,<br />

einer Domestizierung des beispiellos erfolgreichen Rap-<br />

Labels durch das große Geschäft hat das nichts zu tun. Aggro<br />

Berlin opfert vielmehr seinen ehrlichsten Rapper, um<br />

auch in Zukunft Sexismus, Nationalismus und Homophobie<br />

seiner Künstler rechtfertigen zu können. G-Hot hat das<br />

Tabubruch-Prinzip des Labels ernst genommen – und versäumt,<br />

Raum für Interpretationen und Rechtfertigungen<br />

zu lassen.<br />

Den Rummel um das Bauernopfer G-Hot nutzt Aggro<br />

Berlin derweil professionell als PR-Kampagne für seine<br />

verbliebenen Rapper – und geriert sich dabei als Opfer einer<br />

Verschwörung. Aggro Berlin sei »das einzige Sprachrohr einer<br />

sozialen Realität, die große Teile der Gesellschaft nicht<br />

wahrhaben wollen«; nicht sexistische und rassistische Klischees<br />

würden in Songs wie »In den Mund!!« oder »Neger<br />

bums mich« transportiert, sondern »Probleme der Straße<br />

(...) refl ektiert«, erzählte Specter dem Spiegel. Homosexualität<br />

sei zudem kein ghettorelevantes Thema.<br />

Specter weiß natürlich sehr gut, dass Schwulenhass im<br />

Milieu, das seine Rapper verherrlichen, eine gängige und<br />

akzeptierte Haltung ist. Er weiß auch: Mit Klischees und<br />

Vorurteilen kann man viel Geld verdienen. Dass er Störfälle<br />

im Betriebsablauf seines Unternehmens im Jargon eines<br />

Vattenfall-Sprechers schönredet, kann man ihm kaum<br />

zum Vorwurf machen. Die direkte Folge der Skandale um B-<br />

Tight und G-Hot zeigt indes deutlicher als sonst, mit welchem<br />

Kalkül man bei Aggro Berlin die Öffentlichkeit manipuliert.<br />

Im Gegensatz zu Vattenfall ist das Label damit<br />

allerdings sehr erfolgreich.<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ G-Hot _ 037<br />

»Irgendwie alles nicht so<br />

gemeint« – homophobe<br />

Lyrics im Deutschrap,<br />

eine Auswahl:<br />

»Eure Outfi ts sind lächerlich, eure<br />

Bewegungen schwuchtelig.«<br />

(Samy Deluxe, 1999)<br />

»Vergase Rapper mit Lippglous<br />

wie Hitler deine ganze<br />

Sippschaft.« (Der Klan, 1999)<br />

»Mein Style ist wie Aids und trifft<br />

als Allererstes Schwule.« (Kool<br />

Savas, 2000)<br />

»Kein Respekt für Raptucken,<br />

denn ihr seid Nutten, Nutten,<br />

Nutten.« (Spezializtz & Hausmarke,<br />

2000)<br />

»Du bist anders als wir, du bist<br />

schwul, kapiert?« (Die Sekte, 2002)<br />

»Es ist Frank Wild, Sonny Black<br />

und du bist ‘ne Schwuchtel.«<br />

(Aggro Ansage Nr. 1, 2002)<br />

»Keiner von euch Homos ist was<br />

wert.« (Aggro Ansage Nr. 3, 2004)<br />

»Du bist ein schwuler Rapper,<br />

der jetzt seine Stimme verliert.«<br />

(Bushido, 2005)<br />

»Ihr Tunten werdet vergast.«<br />

(Bushido, 2006)<br />

»Keine Toleranz, wir dulden keine<br />

Schwuchteln [...] Nie wieder frei<br />

laufende Gays [...] Knechten<br />

und schlagen! Nie wieder<br />

Regenbogenfarben! [...] Wenn du<br />

einen von ihnen siehst, dann box<br />

ihn!« (G-Hot und Boss A, 2007)<br />

»Dass sich das so eingebürgert<br />

hat, ist natürlich nicht cool.<br />

Wenn Araber jetzt plötzlich ein<br />

Schimpfwort wäre, würde ich<br />

auch sagen: Ey Leute! Ihr benutzt<br />

Araber als Schimpfwort, ich bin<br />

Araber. Wenn die Schwulen<br />

sagen: Ich bin schwul, du benutzt<br />

schwul unter einem negativen<br />

Aspekt, muss ich aber auch<br />

sagen: Tut mir leid, ihr müsst<br />

akzeptieren, dass es in unserer<br />

Szene und auch generell so<br />

im Sprachgebrauch verankert<br />

wurde.» (Bushido im Interview mit<br />

der Netzzeitung)


038 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Menomena<br />

Menomena.<br />

Let there be Widersprüche


Text: Christine Käppeler _ Foto: Sibylle Fendt<br />

Diese Band klingt wie eine Mischung aus The Mercury Rev und Flaming Lips.<br />

Sagt Christine Käppeler. Und was meint die Band? Brent Knopf: »Wenn wir erst<br />

mal anfangen, Drogen zu nehmen ... Wer weiß, vielleicht irgendwann.« Ihre<br />

Songs sind anspruchsvoll komponiert und gleichzeitig ziemlich plemplem.<br />

Wer sind diese drei Typen, und wo kommen die Widersprüche her?<br />

<strong>Als</strong> die Lehrerin wissen möchte, wie sich<br />

ihre Klasse den Himmel vorstellt, hat der<br />

junge Craig Thompson die Vision von einem<br />

Ort, an dem er bis in alle Ewigkeit<br />

zeichnen kann. Die Szene stammt aus<br />

seinem Buch »Blankets«, einem atemberaubend schönen<br />

und melancholischen Coming-of-Age-Comicbuch, das die<br />

Geschichte einer Jugend und von den Nöten eines Außenseiters<br />

im mittleren Westen erzählt. Liest man die Episode<br />

als autobiografi sche Notiz, dann kann man sagen, dass<br />

Thompson jetzt, mit Anfang dreißig, dem Paradies ein ganzes<br />

Stück näher gekommen ist. Das Artwork, das er für Menomenas<br />

zweites Album gezeichnet hat, ist als eine endlose<br />

Bildergeschichte angelegt.<br />

Brent Knopf, Danny Seim und Justin Harris leben in Portland,<br />

Oregon. Eine Stadt, die eben groß genug ist, dass es<br />

die jungen kreativen Leute nicht zwingend in die Ferne<br />

zieht, und doch so überschaubar, dass man sich innerhalb<br />

der Musik- und Kunstszene kennt. Craig Thompson sei ein<br />

alter Surfkumpel von Justin, erzählt Brent Knopf, der das<br />

Interview alleine führt. Ich stelle mir vor, wie der schmale,<br />

blasse Außenseiter aus dem Comic, den die Sportlertypen<br />

in der Highschool »Schwuchtel« oder »Mädchen« nennen,<br />

mit dem Surfbrett unterm Arm zwischen Bikinigirls und<br />

aufgepumpten Machos an der Pazifi kküste steht, und wundere<br />

mich ein wenig. Auch Justin Harris, der für den fulminanten<br />

Showdown im zweiten Teil der Single »Rotten Hell«<br />

und für die wuchtigen Arrangements von »The Pelican« verantwortlich<br />

ist, hätte man nicht unbedingt als Anhänger<br />

Beach-Boys’esker Leichtigkeit im Verdacht.<br />

Der Humor der Band ist eher hintergründig, bisweilen<br />

absurd. Das zeigt sich auch im amateurhaften Video zum<br />

Song »Wet & Rusting«, den ein Freund der Band, der sich<br />

im Vorspann als Lance Bangs vorstellt – und der, wenn man<br />

Brent Knopf denn Glauben schenkt, tatsächlich so heißt –,<br />

gedreht hat. Offensichtlich von Sonic Youth und Beck inspiriert,<br />

lässt er die Band in bester Low-Budget-Manier<br />

im Proberaum spielen, als der Sensenmann an die Türe<br />

klopft und nach ihren letzten Wünschen fragt: Eine Albumproduktion<br />

mit KanYe West steht auf Justins Wunschzettel,<br />

Danny sehnt sich nach einer Abschiedstour im Zeppelin,<br />

und Brent hat ein Perpetuum mobile skizziert, mit dem<br />

sich jede Energiekrise lösen lässt. Am Ende entsteht aus<br />

Brents spießiger Idee eine Art Trampolin auf Rädern, mit<br />

dem die Band durch die Vorgärten hüpft und rollt. Ähnlich<br />

verhält es sich mit vielen Dingen im Kosmos der Band: Hinter<br />

den komplexen Arrangements versteckt sich meist eine<br />

gesunde Portion Quatsch. Und hinter dem Quatsch steckt<br />

wiederum oft System, wie etwa der Titel ihrer ersten Platte<br />

»I’m The Fun Blame Monster« zeigt, der ein Anagramm<br />

von »Menomena’s First Album« ist. Wenn Brent Knopf über<br />

Menomena spricht, dann fällt auf, dass er selten Worte<br />

wie »wir« oder »uns« verwendet. »The Pelican« ist Justins<br />

Song; in Sachen Website müsse ich mich an Danny wenden,<br />

»denn das ist sein Ding«. Obwohl sie seit sieben Jahren<br />

Freunde und Bandkollegen sind, arbeiten sie sehr unterschiedlich<br />

und meistens autark. So entsteht dann ein<br />

Song wie »Rotten Hell«, der halb von Danny, halb von Justin<br />

stammt. »Danny und Justin haben unabhängig voneinander<br />

an dem Song gearbeitet. Beide hatten eine großartige<br />

fertige Songidee. Für die endgültige Version haben wir<br />

dann Dannys abrupten Anfang und Justins langsam anschwellenden<br />

Schluss kombiniert.« Diese Arbeitsweise<br />

wurde ihnen nicht zuletzt durch das Budget diktiert. Eine<br />

gemeinsame Studioarbeit war einfach nicht drin. 800 Dollar<br />

hat die Platte alles in allem gekostet: 700 Dollar das<br />

Mastering, 100 Dollar die eigene Produktion.<br />

Seit ihrer ersten Platte arbeiten sie mit einer von Brent<br />

entwickelten Audiosoftware, die er »The Deeler« nennt und<br />

die, so hat er eben erfahren, einer Software namens Ableton,<br />

die in Berlin hergestellt wird, vergleichbar ist. »Deeler«<br />

ist ein Audiotool, das auf Loops basiert, auch bei der Entstehung<br />

von »Friend And Foe« war die Software bereits im Vorfeld<br />

der Aufnahmen essenziell. »Sie hilft uns, neue Ideen zu<br />

fi nden«, so Brent. Er scheint der Technik-Freak in der Band<br />

zu sein, doch wenn man ihn nach seinen Interessen fragt,<br />

schwärmt er von Wanderausfl ügen in die Natur. Auch privat<br />

gehen sie oft getrennte Wege: »Wir haben alle unsere eigenen<br />

Interessen und Skills.« Justin geht gerne surfen und<br />

ist handwerklich sehr begabt, Danny ist eher der soziale<br />

Typ, der gerne unter vielen Menschen ist und in seiner Freizeit<br />

meistens mit Musikern abhängt. Neben Menomena betreibt<br />

er ein Soloprojekt, und er ist der Drummer der Singer/<br />

Songwriter-Band All Smiles des ehemaligen Grandaddy-Gitarristen<br />

Jim Fairchild. Ob es dennoch etwas gäbe, das für<br />

Menomena typisch ist? »Wir haben wenig Respekt vor Leuten,<br />

die versuchen, komplizierte Dinge immer auf einen einfachen<br />

Nenner herunterzubrechen. Das macht für uns keinen<br />

Sinn. Das Leben ist widersprüchlich. Wir versuchen<br />

nicht zu lügen und lassen Widersprüche stehen.«<br />

Wenn man die illustrierte CD in ihrer perforierten Hülle<br />

dreht, dann ergibt sich zu jedem Song ein neues Bild. Craig<br />

Thompson hat »Friend And Foe« als ein hyperaktives Monsteralbum<br />

gestaltet. Durch die Körperöffnungen von großen<br />

Monstern wuseln kleine Monster, und jedes Mal, wenn man<br />

die Platte aus ihrer Hülle nimmt, entdeckt man ein neues<br />

merkwürdiges kleines Vieh. Diesem durchgeknallten Biest<br />

von einer Platte wird er damit absolut gerecht.<br />

Auf intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Rotten Hell«<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Menomena _ 039<br />

Ein Anagramm<br />

... ist ein Buchstabenspiel, im<br />

Deutschen wird es manchmal<br />

auch Letterwechsel genannt. Die<br />

einzelnen Buchstaben eines Wor-<br />

tes oder Satzes werden dabei so<br />

verdreht, dass ein neuer Satz oder<br />

ein neues Wort entstehen. Das be-<br />

kannteste ist in der deutschen<br />

Popmusik sicherlich der Name<br />

Anna, ein Anagramm muss je-<br />

doch nicht unbedingt »von hin-<br />

ten wie von vorne« lesbar sein.<br />

Grandaddy<br />

... war eine der einfl ussreichsten<br />

amerikanischen Indie-Bands in<br />

Sachen Lo-Fi-Gitarrenrock. Mit der<br />

Single »Summer Here Kids« ge-<br />

lang der Band aus Modesto, Ka-<br />

lifornien 1997 eine Nummer-eins-<br />

Platzierung in den NME-Charts.<br />

2006 veröffentlichte die Band<br />

um Jason Lytle ihr letztes Album<br />

»Just Like The Fambly Cat« und<br />

gab kurz darauf ihre Aufl ösung<br />

bekannt.<br />

<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />

Menomena<br />

Friend And Foe<br />

CD // City Slang / Universal


040 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Hard-Fi<br />

Hard-Fi. Proll-Styler bei der Arbeit


Text: Till Stoppenhagen _ Foto: Joachim Zimmermann<br />

Hard-Fi veröffentlichen mit »Once Upon A Time In The West« ihr zweites<br />

Album. Und legen kräftig im Stil ihres Debüts »Stars On CCTV« nach. Hymnen<br />

der ungebremsten Ladkultur. Immer mit Seele. Unser Autor Till Stoppenhagen<br />

sieht in ihm nicht weniger als die schlichte Eleganz des Northern Soul<br />

aufschimmern. Was er sonst noch so denkt über die Band – hier steht es.<br />

E<br />

s hätte keinen besseren Ort für diese Album-<br />

Premiere geben können: Endlose Schlammwüsten,<br />

Horden Lagerbierbecher schwenkender<br />

junger Männer, dank Vollsuff und Stiff-upperlip-Mentalität<br />

auch nach tagelangem Dauerregen<br />

noch bei bester Laune: Glastonbury, dieses süße Open-<br />

Air-Inferno, dieser Himmel, für den man durch die Hölle<br />

geht. Die Inkarnation britischer Party-Kultur, die selbst<br />

in ihren rustikaleren bis prolligeren Auswüchsen immer<br />

noch ein Maß an Würde und Stil bewahrt, das man sich in<br />

Deutschland so niemals vorstellen könnte. Einer Kultur, die<br />

kaum jemand so perfekt auf den Punkt bringt wie Hard-Fi.<br />

In diesem Jahr spielten sie zum ersten Mal auf dem legendären<br />

Festival. Um ihr neues, zweites Album »Once Upon A<br />

Time In The West« erstmals der Weltöffentlichkeit zu Füßen<br />

zu legen. Schrängelnde Clash-Gitarren, schwere, klotzige<br />

Grooves, schrille Bläser – ein massiver Tanzfl ächenfüller,<br />

der bei aller Bodenständigkeit immer die schlichte Eleganz<br />

des Northern Soul bewahrt. Proletarischer Glamour.<br />

Aus den tristen Tiefen des Londoner Westens – aus Staines,<br />

um genau zu sein – kommen Hard-Fi in die Suite des<br />

edlen Berliner Concord-Hotels nahe dem Kurfürstendamm<br />

gestapft. Drummer Steven Kemp, Bürstenschnitt, ein hartes<br />

Burschengesicht, ist »die hard« Working-Class. Sänger<br />

Richard Archer, weich geschnittene Züge, der Einzige in der<br />

Band, der Musik studiert hat, kommt aus einer Akademikerfamilie,<br />

hat sich in dem grundsoliden Umfeld aber gut<br />

assimiliert. Vorstadt-Jungs und stolz darauf. Können sie<br />

auch sein mit einem Album wie »Once Upon A Time In The<br />

West«. Einem Album, das ohne diesen Background wohl<br />

nicht möglich gewesen wäre.<br />

Richard: Es ist wieder alles in Staines entstanden, wie unser<br />

erstes Album auch. Wir kommen von da, das ist sehr<br />

wichtig für uns, und wir sind auch irgendwie stolz darauf.<br />

Aber es hat nichts mit dem Ort selbst zu tun. Wir könnten<br />

auch aus jedem anderen Ort kommen.<br />

Steven: Wir wohnen immer noch gerne da.<br />

Trotz des frenetisch bejubelten Glasto-Gigs, trotz fünf aufeinanderfolgenden<br />

Konzerten in der Brixton Academy (was<br />

nur wenige Bands jemals geschafft haben), trotz doppelter<br />

Platin-Auszeichnung in Großbritannien für das Debütalbum<br />

»Stars On CCTV« sind Steven, Richard und ihre beiden<br />

Kollegen natürlich schön auf dem Teppich geblieben. Staines<br />

hilft dabei.<br />

Und wie ist es da jetzt als Celebrity auf der Straße?<br />

Steven: Es ist ein kleiner Ort. Jeder kennt uns da schon seit<br />

Ewigkeiten. Ab und zu werden wir mal angesprochen, vor<br />

allem abends im Pub, wenn die Leute besoffen sind, so:<br />

»Dieser Track, Cash Machine, der ist verdammt gut. Aber –<br />

versteh mich nicht falsch – da hättet ihr noch mehr draus<br />

machen können.« Aber ansonsten sind wir da immer noch<br />

dieselben Typen, die wir immer waren.<br />

Dieses gern zur Schau gestellte Working-Class-Ding – man<br />

mag es für Show halten oder nicht – ist nicht nur der Motor<br />

für den rotzig kaltschnäuzigen Scheiß-drauf-Hedonismus<br />

von Songs wie der neuen Single »Suburban Knights« (»Yeahyeah-yeah-yeeeah,<br />

ohohohooo ...!« johlen die vier herrlich<br />

prollig im Refrain – und schon sieht man im Geiste wieder<br />

die lagerseligen Massen im englischen Schlamm), sondern<br />

auch für das unbeirrbare Durchhaltevermögen selbst an<br />

einem endlosen Interview-Marathon-Tag wie diesem hier.<br />

Die beiden wirken fremd in der stylishen Designer-Umgebung,<br />

scheinen sich darüber zu amüsieren, völlig immun<br />

dagegen, sich von dem Glamour vereinnahmen zu lassen.<br />

Wie die Musikindustrie funktioniert, wissen sie gut genug:<br />

Hier muss alles hart verdient werden, geschenkt gibt’s<br />

nichts – auch keinen Zweiseiter im <strong>Intro</strong>. Es ist zwar schon<br />

später Nachmittag und das siebte oder achte oder zehnte<br />

– so genau weiß es keiner mehr – Gespräch seit heute morgen,<br />

doch Steven und Richard, beide schon sichtlich leergequatscht<br />

und müde, liefern immer noch eisern ab. Muss ja.<br />

Richard: In Japan haben wir zwölf Stunden Interviews am<br />

Tag gegeben, das war hart. Vor allem, weil du immer einen<br />

Dolmetscher dabeihast. Und du sitzt da, während er übersetzt,<br />

und er hört überhaupt nicht auf zu lachen, und du<br />

fragst dich, was du jetzt so Witziges gesagt hast.<br />

Steven: Wir wollen ‘ne große Band sein, und das passiert<br />

nun mal nicht über Nacht. Dafür musst du was tun.<br />

Richard: Im Endeffekt ist es halt Showbusiness. Wenn du<br />

eine massive Präsenz in den Medien hast, ist das ein guter<br />

Vorsprung. Den hatten wir nicht, als wir das erste Mal<br />

nach Japan und nach Amerika kamen. In Großbritannien<br />

hatten wir schon eine Fanbasis. Dort mussten wir noch mal<br />

ganz von vorne angefangen. Aber ich mag das, es ist organisch,<br />

es hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Wir haben<br />

die Ochsentour gemacht, waren fast ein ganzes Jahr ununterbrochen<br />

auf Tour, haben jeden Abend in einem Club gespielt.<br />

Mit Jetlag, manchmal sechs Wochen ohne einen Dayoff.<br />

Das ist es, worauf es ankommt. Da stehen vielleicht nur<br />

500 Leute, aber die haben bezahlt, um dich zu sehen. Mit<br />

einer Fernsehshow erreichst du vielleicht 500.000 Menschen,<br />

weshalb die Labels dich da auch unbedingt unterbringen<br />

wollen, aber von denen nimmt dich kaum einer bewusst<br />

wahr und kann sich nachher noch an dich erinnern.<br />

Auf intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Suburban Knights«<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Hard-Fi _ 041<br />

Glastonbury<br />

Die Mutter aller britischen Open<br />

Airs. Eigentlich sollten Hard-Fi<br />

dort schon 2005 spielen, mussten<br />

aber absagen, da Richards Mut-<br />

ter tödlich erkrankt war. Diesmal<br />

spielten sie einen sogenannten<br />

Geheim-Gig auf der Leftfi eld Sta-<br />

ge, der erwartungsgemäß gna-<br />

denlos überrannt wurde. Richard<br />

widmete den Auftritt seiner Mut-<br />

ter, die diesen Erfolg nie erle-<br />

ben durfte.<br />

Staines<br />

In der extrem unaufregenden<br />

Vorstadt im Londoner Westen ha-<br />

ben Hard-Fi ihr Cherry Lips Stu-<br />

dio. Hier wurde der größte Teil ih-<br />

res Debütalbums eingespielt.<br />

Gemixt wurde aber auch mal mit<br />

dem Laptop auf der Bettkante, in<br />

der Küche. Mangels vernünftiger<br />

Studioboxen wurde jeder Mix auf<br />

CD gebrannt und im BMW-Auto-<br />

radio des Managers gehört, zu-<br />

sammen mit Gwen-Stefani- oder<br />

Madonna-Songs als Vergleich.<br />

Dieses Mal ging es etwas profes-<br />

sioneller, aber genauso hemdsär-<br />

melig zur Sache.<br />

Aktuelles Album:<br />

Hard-Fi<br />

Once Upon A Time<br />

In The West<br />

CD // Warner


042 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ The Go! Team<br />

The Go! Team.<br />

Heidi in rosa Latex


Text: Sandra Grether _ Foto: Arne Sattler<br />

The Go! Team zu hören ist, wie in den späten 80er-Jahren eine John-Peel-<br />

Sendung anzuschalten und sich zu freuen – das alles gibt es also: Oldschool-<br />

HipHop, summigen Bienchen-Pop, Cheerleader-Fanfaren, Agitprop-Shouting,<br />

70s-Funk, Actionfi lm-Samples nebst Heidi-auf-der-Alm-Harmonika-<br />

Harmonien, gute Laune und die gehörige Portion verzerrten Gitarrennoise.<br />

Und während man sich noch wundert, dass<br />

man das alles damals als wunderbar empfand,<br />

geradezu als Ausbruch aus einer spießbürgerlichen<br />

Dörfl ichkeit, fühlt man sich<br />

heute irgendwie dörfl ich berührt. Ob angenehm<br />

oder unangenehm ist fast Geschmackssache, wenn<br />

The Go! Team aus Brighton und London vier Songs und<br />

drei Genres in ein Lied packen. Und sich wenig dafür interessieren,<br />

wie sozial codiert ein Musikstil ist oder einmal<br />

war. »Es geht um den Sound«, sagt Go!-Team-Rapperin Ninja<br />

schlicht. Warum also nicht gleich nur mit (Film-) Samples<br />

arbeiten, sich die Musiker (einzeln, nie zwei oder mehr<br />

zugleich) ins Studio kommen lassen, die man braucht? Je<br />

mehr man das Konzept von Ian Parton, dem Go!-Team-Visionär,<br />

akzeptiert und goutiert, desto angezogener kann man<br />

sich davon fühlen, selbst dann, wenn es nicht gleich knallt<br />

beim Hören. (Was vielleicht schlicht am teilweise gewollt<br />

anachronistischen Oldschool-HipHop-Sound liegt.) Denn<br />

alles bei The Go! Team sagt: »Warum nicht?« Ja, warum also<br />

nicht? Noch ein Bollywood-Sample, noch ein Western-Movie-Motiv<br />

– und bitte mit frischer Breakdance-Energie, yeah.<br />

Ian Parton war Dokumentar-Filmer, bevor er 2000 die<br />

Band gründete, zunächst als Solo-Projekt für einen Soundtrack.<br />

Bald aber war The Go! Team auf ein Kollektiv aus<br />

sechs Musikern angewachsen, das live mit zwei Schlagzeugen<br />

und bunt-aggressiver Energy-Show einen wilden Kontrast<br />

zur eher introvertierten Arbeitsweise Partons bildete.<br />

2005 wurden sie für den Mercury Prize nominiert, und<br />

ihr verblüffend vielstilsicheres, reichlich experimentelles<br />

Debütalbum »Thunder, Lightning, Strike« war zur allgemeinen<br />

Überraschung recht erfolgreich. Und man liebt die<br />

Engländer dafür, dass sie die Go!-Team-Songs in die Charts<br />

kauften. Zumal die mit ihren fröhlich-appelativen Mädchen-Gesängen,<br />

den rhythmisch-verschrobenen Spielereien<br />

und sloganhaften Refrains stellenweise wie eine HipHop-<br />

Version der britischen Wiiija-Riot-(Girl-)Bands der frühen<br />

und mittleren Neunziger klangen.<br />

Ian Parton und Ninja, die Rapperin, bilden Kern sowie<br />

größten Kontrast innerhalb einer Band, die auf Fotos genauso<br />

großartig kindisch und chaotisch deplatziert wirkt<br />

wie ihre Musik. Zum Beispiel, wenn jedes der sechs Mitglieder<br />

einen Buchstaben aus »Go Team« auf dem T-Shirt trägt.<br />

Nur für das Ausrufezeichen und das »The« fehlen noch ein<br />

paar Körper. Aber das Ausrufezeichen ist bei The Go! Team<br />

ein Computer. Und das »The« eine Formalität, denn von der<br />

sich konsequent an EINEM Stil, Sound oder Stadtstreich<br />

abarbeitenden »The-Band« sind sie Welten entfernt. Ninja,<br />

die live besonders viel Energie rauspowert, setzt den ohnehin<br />

schon variantenreichen Sample-Songs dann live noch<br />

ein neues Krönchen auf. Sie singt nicht die Texte der Studio-<br />

Versionen, sondern komplett neue Lyrics: »Ian arbeitet ja<br />

mit diversen Gesängen und Stimm-Samples. Chuck D rappt<br />

zum Beispiel bei einem Song mit. Ich selbst singe nur zwei,<br />

drei Songs auf dem neuen Album. Aber ich bin nun mal ein<br />

Rapper. Ich bin ich! Und ein Rapper singt seine eigenen Texte.<br />

Unsere neue Single Grip Like A Vice z. B. basiert vor allem<br />

auf Achtziger-Einfl üssen. Deshalb gibt’s live von mir einen<br />

Text, wo es um Breakdance geht. Breakdance steht für<br />

mich vor allem für einen bestimmen Sound. Und für Kindheitserinnerungen.<br />

Darauf spielt auch der Titel unseres<br />

neuen Albums Proof Of Youth an.«<br />

Ihr seid ja nie alle zugleich im Studio. Wie empfi ndest du<br />

diese Arbeitsweise von Ian Parton, euch nie zeitgleich im<br />

Studio einspielen zu lassen, mit dem wohl gewünschten Effekt,<br />

dass jedes Bandmitglied nur ein Teil des Puzzles ist<br />

und gar nicht weiß, wie das Ganze am Ende klingt, frage ich<br />

etwas zaghaft und umständlich. Denn bei aller Sympathie<br />

für die Band – man hört ihr dieses Vorgehen natürlich an,<br />

und das nicht nur zu ihrem Vorteil. Wenn zu viele Sounds<br />

und Spuren übereinandergeschichtet sind, klingen Songteile<br />

schon mal etwas zu gebastelt und unkonturiert. Parton<br />

hat aber vermutlich genau das beabsichtigt. Und wenn<br />

man bedenkt, wie viel Absprache und Inszenierung bei vermeintlich<br />

konventionell strukturierten Rockbands am<br />

Start ist, dann hat das zappelige Go!-Team-Konzept wiederum<br />

auch etwas unvermittelt Naives, was man gemeinhin<br />

ja dem »Authentischen« unterstellt usw. In diese Richtung<br />

geht auch Ninjas Antwort, wenn sie sagt, dass man ohnehin<br />

beim Einsingen oder Einspielen eines Albums noch<br />

nicht ganz genau wisse, wie das Stück am Ende dann klingen<br />

wird -»Unser neues Album klingt lebendiger, aggressiver<br />

und weniger anachronistisch. Es gab ja echt Leute, die<br />

Thunder, Lightning, Strike zurück in den Laden brachten,<br />

weil sie dachten, die Platte wäre eine Fehlpressung.«<br />

The Go! Team verdanken ihren Erfolg also auch ihrer<br />

wahnwitzigen Ausrichtung auf DIE geile Live-Show, die<br />

sie mit derselben Leidenschaft betreiben wie ihr »Mastermind«<br />

die einsame Studio-Bastelei. So stellt sich ein super<br />

Ausgleich her, und die Songs gehören wieder allen. Selbstverständlich<br />

auch den Leuten vor der Bühne. »Wir wollen<br />

unser Publikum wirklich involvieren. Sie sollen Spaß haben<br />

und glücklich sein«, erzählt Ninja und wirkt selbst ganz<br />

glücklich, während sie das sagt. Schön. Und natürlich wird<br />

alles aufgefahren, was auf eine Bühne passt: zwei Schlagzeuge,<br />

Harmonika, Spielzeugtiere, ein Style aus rosa Latex-Hosen<br />

usw. Das alles mit einer Aggression, die nicht<br />

wütend ist, sondern vergnügt Energie ablässt und mitunter<br />

schlicht und gefährlich funkelt. »No, you will never stop<br />

me« (zweimal wiederholt). »Nobody’s ever gonna« (achtmal<br />

wiederholt). Und so weiter.<br />

intro.de: Verlosung, Audiostream zu »Grip Like A Vice«<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ The Go! Team _ 043<br />

John Peel<br />

Der Beitrag des britischen Radio-<br />

Moderators und DJs John Peel<br />

(1939-2004) zur modernen Musik<br />

und zur Musikkultur gilt als »uner-<br />

messlich«. Seine einfl ussreichen,<br />

visionären, extremen, avantgar-<br />

distischen Radiosendungen wur-<br />

den in vielen Ländern ausge-<br />

strahlt, in Deutschland war er via<br />

des britischen Soldatensenders<br />

BFBS 30 Jahre lang, vor allem im<br />

norddeutschen Raum und in Ber-<br />

lin, zu hören. Seine Programmaus-<br />

wahl bot von Metal, Folklore, Riot<br />

Girl, Punk bis hin zu Techno, Hip-<br />

Hop usw. eine seltene Vielfalt.<br />

Chuck D<br />

... ist Gründer, Texter und Lead-<br />

Rapper von Public Enemy, politi-<br />

scher Aktivist und Radio-Mode-<br />

rator. Public Enemy wurden Ende<br />

der Achtziger bekannt. Für vie-<br />

le sind sie DIE Rap-Band aller Zei-<br />

ten. Ihr Hardcore-Rap und ihre<br />

radikalen revolutionären Bot-<br />

schaften, vor allem die schwar-<br />

ze Community betreffend, revo-<br />

lutionierten das Genre HipHop<br />

– das Chuck D mal als »CNN für<br />

Schwarze« bezeichnete – nach-<br />

haltig und bis heute.<br />

<strong>Intro</strong> empfi ehlt:<br />

The Go! Team<br />

Proof Of Youth<br />

CD // Memphis Industries /<br />

Cooperative Music / Universal


044 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Tel Aviv<br />

Tel Aviv.<br />

Meschugge<br />

Dance<br />

Party<br />

Was ist dran am Nachtleben von Tel Aviv? 24 Stunden Party auf dem Vulkan, wie es die<br />

Medien gern vermelden? Nachdem der vom Libanon-Konfl ikt 2006 arg gebeutelte Israel-<br />

Tourismus jüngst mit leichtbekleideten Ex-Soldatinnen vom Stern bis zur Knesset wieder<br />

punkten konnte, hat man nun in den zuständigen Ministerien Populär-Musik als Asset<br />

entdeckt – den »Sound of Tel Aviv«.


Text & Foto: Stefan Rambow<br />

Was macht ein DJ in »der Stadt, die niemals<br />

schläft«? »Er hat zwei oder drei<br />

andere Tages-Jobs ...«, meint Amir<br />

Egozy, der unlängst die Red-Bull-<br />

Music-Academy-Compilation über<br />

den Electro-Underground von Tel Aviv mit Acts wie Kutiman,<br />

Kalbata oder Radio Trip zusammengestellt hat. Egozy<br />

und sein Partner Nadav Ravid vom Botanika-DJ-Kollektiv<br />

freuen sich nach einem ersten Berlin-Trip zum popdeurope-Festival<br />

über die aufkeimende Aufmerksamkeit in Europa<br />

und übernehmen netterweise die Kaffee-Rechnung, obwohl<br />

der Shekel bei ihnen nicht übermäßig rollt: Ein fi eser<br />

Umtauschkurs zum Pfund hat Vinylkäufe in England heftig<br />

verteuert, und die Mieten der In-Viertel wie Neve Zedek<br />

haben Münchner Niveau – ohne Gelegenheitsjobs bei Zeitungen<br />

oder im Radio geht’s nicht. Nadav, der seine Militärzeit<br />

beim Army-Sender GLZ (Galei Tzahal) absolviert hat,<br />

springt dort hin und wieder ein. »Auf dieser Welle geht inhaltlich<br />

mehr als bei den Privatradios, da herrscht nur formatierte<br />

Langeweile ...« Außerhalb Tel Avivs können die Botaniker<br />

höchstens im nördlich gelegenen Haifa oder auf<br />

der funktionierenden Achse mit Jerusalem aufl egen. In die<br />

nur eine knappe Auto-Stunde entfernte, in letzter Zeit ein<br />

eigenes Nachtleben entwickelnde Hauptstadt fahren manche<br />

Partygänger zum Afterhour-Chill-out, in Szene-Treffs<br />

wie das Uganda oder in die Bars der Nahalot-Area. Das arabische<br />

Umland schließt sich locationwise für die Israelis<br />

aus, obwohl Amir und Nadav auch von der sich entwickelnden<br />

Beiruter Szene gehört haben. In Europa kriegt man<br />

auch so leicht kein Bein auf den Boden: »Zu viele DJs, alle<br />

dichter dran als wir. Die Flüge von Israel aus sind einfach<br />

zu teuer.«<br />

Ein guter Freund der beiden hat diese Sorgen nicht mehr.<br />

Guy Gerber ist, seit er von Sven Väth unter dessen Cocoon-<br />

Fittiche genommen wurde, innerhalb eines Jahres zum international<br />

gefragten Tech-House-DJ avanciert. Ein New-<br />

Order-Remix, sein aktuelles Debütalbum »Late Bloomers«<br />

und internationale Auftritte von Sonar bis Greenfi eld bestimmen<br />

neuerdings seinen Terminplan. Aber Guys Ton ist<br />

der gleiche wie der seiner Freunde zu Hause: »DJ nur im Nebenjob<br />

war für mich nie ‘ne Option, obwohl das in Tel Aviv<br />

nicht gerade leicht ist. Lokale DJs bekommen meist kein<br />

Geld, oft genug nicht mal gutes Equipment. Ich trete da im<br />

Moment kaum mehr auf, obwohl mich viele Clubbesitzer<br />

jetzt beknien, dass ich ihnen den Laden voll mache.« Ob es<br />

einen »Sound of Tel Aviv« gibt: »Das ist so ein Klischee. Die<br />

Szene ist überschaubar: ein paar gute Produzenten mit Labels,<br />

die die Fahne hochhalten, eine gute Crowd, die alles<br />

mitmacht, die hübschesten Frauen und nette Läden wie Fetish<br />

oder Shesek, in denen es wirklich um die Musik geht.<br />

Der Sound defi niert sich – wie meine Musik – weniger über<br />

Stile, sondern über die Leute. Manchmal kocht auch alles<br />

etwas im eigenen Saft, aber du kannst alles an Inspirationen<br />

aus London, Berlin oder New York ausprobieren, bis es<br />

sich gut anfühlt.«<br />

Tagsüber am Gordon Beach gibt das Klackern der Matkot-Beach-Tennis-Holzschläger<br />

den Takt an. Man kann<br />

von Glück sagen, wenn man am Shabbat im Leibermeer<br />

nicht einem der Squashball-Geschosse oder einer entfesselt<br />

klampfenden Stampede von Israel-Fahnen schwingenden<br />

National-Kibbuzniks zum Opfer fällt. Wer kein Hebräisch<br />

kann und die potenziell lebensrettenden Kommandos<br />

der örtlichen Baywatch-Sheriffs überhört, ist ähnlich verloren<br />

wie im Schilderwald der City, wo das hebräische Silbenalphabet<br />

regiert.<br />

Im geschäftigen Ballungsraum Tel Aviv drängen sich weniger<br />

Araber und orthodoxe Juden, dagegen mehr säkulare<br />

Israelis als anderswo im Land. Hier leben und arbeiten<br />

mehr als eine Million Menschen recht friedlich beieinander,<br />

sitzen auf den Basaren der Altstadt Jaffa beim Karaoke,<br />

essen beim libyschen Grill-Imbiss oder shoppen auf Hipster-Meilen<br />

wie der Sheinkin Street. Viel sauberer und farbiger<br />

ist die Stadt geworden. Im Viertel Neve Zedek blühen<br />

Boutiquen, Agenturen, Ateliers und Cafés – die letzten Anschläge<br />

liegen Jahre zurück. Und am Hafen, der mit seinen<br />

Piers zu einem großen Vergnügungsviertel ausgebaut wird,<br />

sieht man nicht einmal die sonst gängigen Sicherheitssperren.<br />

Dort räkelt sich Nightlife-Impresario Homer Gershon<br />

in einem Korbstuhl mit Strandblick: »Es gibt – wegen der<br />

Intifada behördlich gewollt – weniger große Diskotheken,<br />

die werden in die Vororte gedrängt. Dafür machen buchstäblich<br />

jeden Tag neue Bars auf. Es wird persönlicher. Ich<br />

möchte nirgendwo anders leben. In die Luft fl iegen kannst<br />

du schließlich auch auf Bali oder in Berlin. Aber wenn es<br />

mich doch treffen sollte, dann habe ich hier wirklich gelebt.<br />

Nirgends geht es so ab wie in Tel Aviv, egal, welche Uhrzeit.<br />

Die Leute lassen Dampf ab, schnurz, ob sie am Morgen arbeiten<br />

müssen oder nicht.« Homer hat sich sichtlich in seiner<br />

Seifenblase Tel Aviv eingerichtet, er verlässt die Stadt<br />

nur, um ins Ausland zu fl iegen.<br />

»Tel Aviv ist der einzige progressive Ort in Israel, nur<br />

hier stellen die Leute auch mal – anders als die Orthodoxen<br />

– die Regierung in Frage oder äußern sich künstlerisch<br />

zur Gesellschaft und Krieg«, erzählt Yuval »Tuby« Zolotov<br />

von der Surf-Polka-Band Boom Pam, die in der Bandszene<br />

der Stadt gerade sehr beliebt ist. Die Band hat – trotz dieser<br />

Worte – ebenso wie der bekannte liberale Singer/Songwriter<br />

Dudi Levy (»A New Gaza«) ohne zu zögern während des<br />

im Ausland als israelischer Angriffskrieg gebrandmarkten<br />

Libanon-Kriegs auch in Trainingslagern der Armee gespielt.<br />

Dafür wurden sie natürlich kritisiert. Wie auch der mit Abstand<br />

erfolgreichste Rapper des Landes Subliminal (a.k.a.<br />

Kobi Shimoni), der es mit seinen zum Teil nationalistisch<br />

angehauchten Pro-Army-Parolen in der Underground-Szene<br />

zum »guy everyone loves to hate« gebracht hat. »Mit dem<br />

identifi zieren wir uns nicht«, merkt Zolotov an und fügt zur<br />

Verteidigung hinzu, dass, »es einfach eine breite Front der<br />

Unterstützung gegen diesen Raketenterror gab, egal, ob du<br />

religiös, national oder ganz normal unterwegs bist.«<br />

Wenn sie nicht gerade im Camp »unterstützen«, spielen<br />

Boom Pam oft auf Hochzeiten – so auch heute und als Rahmenprogramm<br />

für einen DJ namens Lustigmakher (!), der<br />

eine »Meschugge Party« ausgerufen hat, und den Bräutigam,<br />

der ein eigens für die Braut geschriebenes Stück zum<br />

Besten gibt. Nun ja, diese auch bei säkularen Israelis in der<br />

Regel auf Hebräisch und mit Rabbi abgehaltenen Feiern<br />

sind eben eine veritable Einnahmequelle.<br />

Später nachts landen wir wieder bei Botanika, im Kellerklub<br />

Levontin 7, der sich innerhalb kurzer Zeit als der genreübergreifende<br />

Veranstaltungsort Tel Avivs etabliert hat.<br />

Eine gute Wahl, denn unter Mithilfe der DJ-Kollegen Yogo<br />

und Walter Einstein Frog zeigt Amir & Nadavs »Electro<br />

Bass-ment Bounce«, wie man hier bis fünf Uhr morgens in<br />

rhythmischer Bewegung bleibt, zum »Sound of Tel Aviv«.<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Tel Aviv _ 045<br />

Bandszene Tel Aviv<br />

Beispielhaft für viele andere: die<br />

aus Jerusalem zugereisten Funk-<br />

HipHopper Hadag Nachash, die<br />

Bigband Funk’n’Stein, die Psyche-<br />

delic-Bastler Izabo und der Bal-<br />

kan-Beat-Box-Sänger Tomer Yosef<br />

(der israelische Manu Chao). Vie-<br />

le von ihnen berufen sich auf is-<br />

raelische Pop-Wurzeln wie den<br />

tragisch abgetretenen »King« der<br />

mediterranen Mizrahi-Musik, Zo-<br />

har Argov, oder den griechisch-<br />

stämmigen 60s-Gitarren-Helden<br />

Aris San. Bindeglied zu Electro-<br />

nica-Acts wie Botanika, Kalbata<br />

oder Guy Gerber ist Ofer Tal, Mas-<br />

termind von Radio Trip und den<br />

Apples. Tal arbeitet tagsüber im ...<br />

Plattenläden<br />

... Black Box, kleiner Second-<br />

hand-Eckladen in der Bar Koch-<br />

va Street. Schräg gegenüber das<br />

mehrstöckige The Third Ear, 48<br />

King George Street, www.third-<br />

ear.com. Der etablierte Mailorder-<br />

Shop Krembo Records liegt di-<br />

rekt auf der Sheinkin Street, Nr. 18,<br />

www.kremboshop.com. The Third<br />

Ear ist der Arbeitsplatz des Mitt-<br />

zwanzigers Noam, einer der Hel-<br />

den von ...<br />

Beirut<br />

Auf intro.de fi ndet sich der im<br />

Jahresrückblick 2006 gebrach-<br />

te Beitrag von Thomas Burkhal-<br />

ter zur Musikszene Beiruts nach<br />

dem Krieg.<br />

The Bubble<br />

IL 2006<br />

R: Eytan Fox; Panorama Berlinale<br />

und diverse Gay-Festivals<br />

Das in Tel Avivs Sheinkin-Street-<br />

Area gedrehte sehenswerte Dra-<br />

ma um ein israelisch-palästi-<br />

nensisches schwules Paar läuft<br />

ab dem 6. September regulär<br />

im deutschen Kino. »The Bubb-<br />

le« (bzw. »Ha-Buah«) bezeichnet in<br />

der hebräischen Alltagssprache<br />

und im restlichen Israel generell<br />

das Leben in Tel Aviv. www.pro-<br />

fun.de/the-bubble/ & www.imdb.<br />

com/title/tt0476643/


046 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Future Dance City. Berlin<br />

Boys Noize Wahoo Troy Pierce<br />

Boys Noize. Hooligan-Rave<br />

Das Keyser Soze, ein Café in Berlin-Mitte.<br />

Alex Ridha bestellt Latte<br />

Macchiato, stilles Wasser und<br />

kommt schnell auf Dinge wie seine<br />

Talkbox oder analoge Kompressoren zu<br />

sprechen. Denn was den smarten jungen<br />

Mann hinter den Projekten Kid Alex und Boys<br />

Noize am Musikmachen am meisten interessiert,<br />

ist der eher nerdige Produktionsaspekt.<br />

Feiern geht er eigentlich nur, wenn er selbst<br />

hinter den Plattenspielern steht. Angesichts<br />

der Partysaumucke von Boys Noize möchte<br />

man das kaum glauben: So brachial, Testosteron-geschwängert<br />

und schweißtreibend war<br />

elektronische Musik schon lange nicht mehr.<br />

Zumindest nicht, bis neben Alex auch Typen<br />

wie Ed Banger oder Digitalism aufgetaucht<br />

sind. Und gerade zu seinen Pariser Freunden<br />

Justice passt Boys Noize wie eine Faust in die<br />

Magengrube.<br />

Der Titel deines Album »Oi Oi Oi« klingt wie<br />

ein Hooligan-Schlachtruf. Beziehst du dich<br />

damit auf die alten Oi-Punks und Skins? Ich<br />

verknüpfe das mit der Art, wie ich mein Label<br />

führe und wie ich bisher Musik gemacht habe.<br />

Ich ziehe das einfach so durch, wie ich will. Es<br />

geht einerseits um diese Haltung, und auf der<br />

anderen Seite passt das auch gut zur Musik.<br />

Ich habe alle möglichen Plattendeals abgesagt<br />

und mache alles selbst. Das ist eben so ein bisschen<br />

diese Scheiß-drauf!-Haltung.<br />

Warum bist du aus deiner Heimatstadt Hamburg<br />

nach Berlin gezogen? Es gibt auf der<br />

Welt ja durchaus andere Orte, wo der Boys-<br />

Noize-Sound besser hinpassen würde. Ich<br />

bin meiner Freundin wegen hierher gezogen.<br />

Es stimmt schon, hier ist diese Szene nicht so<br />

groß. Wenn ich in Deutschland spiele, sagen<br />

mir die Leute immer wieder, dass sie solche<br />

Musik noch nie gehört haben, was mich total<br />

Wahoo. Exoten im Radio<br />

Ein so schlichter wie großzügiger<br />

Konferenzraum im Headquarter von<br />

Four Music. Steffen Berkhahn (DJ<br />

Dixon), mit seinen Innervision-Partys<br />

die House-Institution in der Stadt, und<br />

Georg Levin, der als elektronischer Songwriter<br />

und einfühlsamer Sänger auf dem Sonar<br />

Kollektiv zu hören war, machen sich Gedanken<br />

über ihren Status als Exoten im Berliner<br />

Clubland. Wer weiß, vielleicht ändert sich dieser<br />

Status gerade durch das Debütalbum ihres<br />

Projekts Wahoo, und zwar nicht nur in<br />

der Hauptstadt, denn Angst vor einem möglichen<br />

Mainstream-Erfolg ist bestimmt die<br />

letzte Sorge der beiden. Im Gegenteil: Mit unverschämtem<br />

Popfaktor, Schunkel-Soul und<br />

Party-HipHouse wird direkt in Richtung Radioplay<br />

gezielt. Aller Vielfältigkeit zum Trotz<br />

lässt sich das Wahoo-Album dennoch leicht<br />

auf einen Nenner bringen: Ohrwurm.<br />

Georg, du hast lange in London gelebt. Warum<br />

bist du nach Berlin gekommen?<br />

G: Weil ich das Gefühl hatte, hier etwas bewegen<br />

zu können. Man ist Teil einer Generation,<br />

die eine Stadt mitformt. Berlin ist eine besondere<br />

Stadt, die es so eigentlich gar nicht<br />

geben dürfte, die aber wegen geschichtlicher<br />

und wirtschaftlicher Konstellationen eben so<br />

ist, wie sie ist: ein angenehmer Moloch.<br />

Wie viel Berlin steckt in eurer Musik?<br />

G: Beim ersten Hinhören nicht besonders<br />

viel. Wir machen die Musik, die wir vermissen.<br />

D: Wir lassen bei dem Projekt außen vor,<br />

dass ich Dixon bin, der House macht, und dass<br />

Georg mal ein langsames Soul-Album gemacht<br />

hat. Bei Wahoo machen wir völlig frei von jeglicher<br />

Vergangenheit das, worauf wir Lust haben.<br />

Das ist ein Punkt, den wir uns hier in Berlin<br />

eben leisten können. Man riskiert Sachen.<br />

Wie fi ndet ihr das Nachtleben hier? D: Ich bin<br />

Texte: Arno Raffeiner _ Fotos: Gerrit Hahn<br />

überrascht, denn ich erfi nde das Rad ja nicht<br />

neu. Aber die fi nden das super und drehen total<br />

durch, als hätten sie noch nie gehört oder vergessen,<br />

dass es auch eine andere Art von Techno<br />

gibt.<br />

Trotzdem: Wie viel Berlin steckt in deiner<br />

Musik? Schon so 7 bis 9 %, würde ich sagen.<br />

Vor allem das Dreckige, das Harte.<br />

Dein liebster Club in Berlin? Ich gehe generell<br />

ungern aus und bin ungern zwischen vielen<br />

verdrogten Leuten. Das Nachtleben in Berlin<br />

interessiert mich wirklich gar nicht, und ich<br />

kenne die ganzen Clubs hier auch nicht.<br />

Berlin ist ... ... verdrogte Arbeitslosen-Lebenskünstler-Touristen-Afterhour-Party-City.<br />

Aktuelles Album:<br />

Boys Noize<br />

Oi Oi Oi<br />

CD // Boys Noize / Rough Trade / VÖ 14.09.<br />

nicht mit aller Musik einverstanden, aber ich<br />

fi nde, es ist das progressivste Nachtleben der<br />

Welt, weil es in den Händen von Musikenthusiasten<br />

ist und nicht von Business-Typen. Meine<br />

Lieblingsclubs sind das Weekend und die Panorama<br />

Bar, weil sie zwei gegensätzliche Seiten<br />

widerspiegeln.<br />

Was hasst oder vermisst ihr an Berlin?<br />

D: Eigentlich vermisse ich hier nichts, einen<br />

großen Flughafen höchstens.<br />

G: Das Meer!<br />

Berlin ist ...<br />

D: ... Future-Dance-City. Was heute hier die<br />

Clubs dominiert, fi ndet man ein Jahr später<br />

überall.<br />

Aktuelles Album:<br />

Wahoo (DJ Dixon Project)<br />

Take It Personal<br />

CD // Fine / Rough Trade / VÖ 07.09.


Modeselektor<br />

Troy Pierce. Geister-Techno<br />

Zu Hause in Troy Pierces Maisonette<br />

am Prenzlauer Berg. Der Hausherr<br />

räumt ein paar Platten aus dem Weg,<br />

macht CNN aus. Das sympathische<br />

Chaos und die eher spärliche Einrichtung der<br />

Wohnung zeigen, dass der amerikanische DJ<br />

und Produzent wohl ziemlich selten zu Hause<br />

ist. Und so hat er tatsächlich alle Tracks auf<br />

seiner Doppel-EP »Gone Astray« on the Road<br />

produziert. Die AkteurInnen im globalisierten<br />

Techno-Zirkus sind zwar jedes Wochenende<br />

woanders, aber irgendwie trotzdem immer<br />

zu Hause, speziell, wenn sie wie Troy eingebunden<br />

sind in die Minimal-Vorzeigefamilie<br />

um Richie Hawtin und dessen Label M_nus.<br />

Das Gefühl, dass man dazwischen immer wieder<br />

mal verloren gehen kann – und sei es nur<br />

in der Musik –, bleibt allerdings, und Troy hat<br />

genau dieses Gefühl in der geisterhaften Atmosphäre<br />

seiner Sounds eingefangen.<br />

Ein traditionsreiches Gasthaus am<br />

Prenzlauer Berg. Sebastian Szary<br />

und Gernot Bronsert stärken sich<br />

hier gerne mit üppigen Fleischrationen<br />

und referieren über ihre Modeselektor-<br />

Version von »Sausage Music«. Deftige Kost<br />

mochten die beiden Berliner Originale ja<br />

schon immer, und so servieren sie auch auf<br />

ihrem zweiten Album die ganze Palette von<br />

Rave-Fanfaren über IDM-Geknurpsel bis<br />

zu Dubstep-Grummeln, soundtechnisch<br />

extrem verfeinert und garniert mit einer<br />

extrafetten Gästeliste von Maximo Park<br />

bis zu Thom Yorke. Doch ihr Sausage-Sound<br />

kommt hoffentlich nicht nur bei grölenden<br />

Biertrinkern an, sondern auch bei Kleinkindern.<br />

Denn schließlich ist »Happy Birthday«<br />

das perfekte Geschenk für den Nachwuchs,<br />

den Szary und Bronsert diesen Herbst fast<br />

zeitgleich erwarten.<br />

Du arbeitest in deinen Tracks viel mit Noise<br />

und Reverb. Würdest du sagen, dass das<br />

die wichtigsten Elemente deiner Musik sind?<br />

Mir geht es weniger um einzelne Elemente als<br />

darum, wie am Ende alles zusammenpasst.<br />

So eine Art gespenstischer oder unheimlicher<br />

Vibe ist mir wichtig, und der entsteht eben<br />

manchmal aus weißem Rauschen, aus Reverb<br />

und verrückten Soundeffekten oder aus einer<br />

Kombination von all diesen Elementen.<br />

Warum bist du von New York nach Berlin gezogen?<br />

Ich dachte mir: Lass mich nach Berlin<br />

gehen, mehr aufs Musikmachen fokussieren<br />

und einfach schauen, was passiert! Ich habe in<br />

New York zwar an Tracks gearbeitet, aber man<br />

wird so leicht abgelenkt, von der Stadt und den<br />

vielen Freunden, die immer ausgehen wollen ...<br />

Und in Berlin ist das nicht schwierig? Nicht<br />

für mich! <strong>Als</strong> ich hergezogen bin, hatte ich<br />

noch nicht so viele Gigs und habe die ganze<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Future Dance City. Berlin _ 047<br />

FUTURE DANCE<br />

CITY. BERLIN<br />

Modeselektor. Auffanglager-Step<br />

Wie viel Berlin steckt in eurer Musik?<br />

B: 115 %, glaub ich. Würden wir in San Francisco<br />

leben, würde Modeselektor total nach Hi-<br />

Fi-HipHop klingen.<br />

S: Viele Sachen sind kleine Mitbringsel von<br />

unterwegs, die man dann in den Songs verarbeitet:<br />

von HipHop bis schottischem Techno ...<br />

B: ... Londoner Dubstep oder Neuköllner Rap.<br />

Liebster Club in Berlin?<br />

B: Ich mag Off-Locations gerne, wo du kein<br />

Stammpublikum und keine Touristen hast und<br />

alles ein bisschen Ghetto-mäßiger abläuft. Ey,<br />

was meinst du, wie z. B. der Hackesche Markt<br />

vor zehn Jahren ausgesehen hat? Das hättest du<br />

nicht geglaubt!<br />

S: Das war ein Parkplatz.<br />

Was hasst ihr an Berlin?<br />

S: Die Münchifi zierung.<br />

B: Die Münchifi zierung, das Zerstören von<br />

Subkultur durch Immobilienhandel und durch<br />

Zeit nur an Musik gearbeitet. Ich bin auf jeden<br />

Fall nicht in die Berliner Rund-um-die-Uhrausgehen-Falle<br />

getappt.<br />

Dein liebster Club in Berlin? Ich gehe ja fast<br />

nie aus hier. Mein liebster Club zum Aufl egen<br />

ist das Watergate, da war es immer super.<br />

Was hasst du an Berlin? Es gibt nur schlechte<br />

Zustelldienste! Das war in NYC viel besser.<br />

Und die Wohnungen haben keine Klimaanlagen.<br />

Berlin ist ... ... überwältigend, und zwar auf<br />

eine positive Art. Es gibt so viele Clubs, so viele<br />

Möglichkeiten. Du kannst die Dinge einfach<br />

nirgends so machen, wie du sie in Berlin<br />

machst.<br />

Aktuelles Album:<br />

Troy Pierce<br />

Gone Astray<br />

CD // Min_s / Al!ve / MDM<br />

Konsum generell.<br />

S: Und dass der Flughafen Tegel schon<br />

abends um zehn Uhr zumacht.<br />

Minimal Techno, Dubstep oder Old Rave?<br />

B: Das alles zusammen, schön durchgeshaket.<br />

Ein bisschen mehr Dubstep und mehr Rave<br />

vielleicht und ein bisschen weniger Minimal.<br />

Obwohl, es gibt echt gute Minimal-Platten! Dan<br />

Bell oder Robert Hood haben ja nichts anderes<br />

gemacht. Eigentlich hat sich nichts verändert,<br />

nur dass jetzt alle ihre Haarschnitte zeigen.<br />

Berlin ist ...<br />

B: ... wie ‘n extrem großes Uffanglager. Wofür,<br />

kann man sich aussuchen, das ist das Schöne<br />

an diesem Auffanglager.<br />

Aktuelles Album:<br />

Modeselektor<br />

Happy Birthday!<br />

CD // BPitch Control / Rough Trade


048 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Kochen mit Gentleman<br />

Wicleff<br />

Das zielt auf die Wicleff Straße in<br />

Berlin. Dort unterhielt der Großva-<br />

ter eine Bar, die mitunter durch il-<br />

legale Swingpartys auffi el und in<br />

der während der Nazizeit auch<br />

Verfolgte Unterschlupf fanden. Zu<br />

Ehren des Opas, der vor kurzem<br />

97-jährig verstarb, nannte Chris-<br />

toph sein Lokal daher Wicleff.<br />

Rezept<br />

Pfi fferlinge auf Semmelknödeln:<br />

4 alte Brötchen zerbröseln und<br />

mit warmer Milch vermischen.<br />

Zwiebel in Würfel schneiden, an-<br />

braten und unterheben. Wenn<br />

die Masse abgekühlt ist, 2 Eier<br />

dazu, mit Salz, Pfeffer und Muskat<br />

würzen. Daraus Knödel formen<br />

und so lange kochen, bis sie an<br />

die Oberfl äche kommen. Dann<br />

noch 15 Min. bei schwacher Hit-<br />

ze ziehen lassen. Die Pfi fferlinge<br />

mit Zwiebeln in Olivenöl anbra-<br />

ten. Mit Sherry ablöschen, Sah-<br />

ne dazu. Am Ende abschmecken<br />

und mit Schnittlauch garnieren.<br />

(Rezept von Csaba Hajdu, Kü-<br />

chenchef des Wicleff)<br />

Essen mit. Gentleman<br />

Köln hat ja nicht gerade weltberühmte No-Go-<br />

Areas. Zu harmlos, zu fröhlich, zu provinziell<br />

ist man hier für solch brisantes Ornament.<br />

Keine marodierenden Clans in Köln-Nippes,<br />

keine aufgegebenen Vorstädte bar jeglichen<br />

Rechts, die anmuten wie die Kulisse von »Mad Max 4«.<br />

Nein, Köln ist sicher. Und dennoch gibt es auch in diesem<br />

putzigen rheinischen Puppenhaus ein Ranking der Stadtteile.<br />

Neu-Ehrenfeld zum Beispiel, heißt es immer, sei das<br />

Letzte. Und wer wären wir, solch halbgares Secondhand-<br />

Weltwissen zu hinterfragen? Kolumbus? Voltaire? Nö. Kein<br />

Fußbreit nach Neu-Ehrenfeld, so handhaben wir das seit<br />

Jahren.<br />

Bis heute. Denn wir wollen Gentleman treffen. Diesen<br />

bärtigen, kumpeligen Toaster, der im ausgehenden letzten<br />

Jahrtausend zum Boom von Deutsch-HipHop von Plattenfi<br />

rmen den Rat erhielt, doch bitte auch in Muttersprache<br />

abzuliefern. Gentleman unterließ das – und mit dieser<br />

konkreten Standhaf- sowie einer allgemeinen Nachhaltigkeit<br />

ist er mittlerweile einer der erfolgreichsten deutschen<br />

Künstler im Ausland. Gerade auch in Ländern, in denen<br />

keiner je von Grönemeyer, ja noch nicht mal von Rammstein<br />

gehört hat. Globales Reisen als Grundmotiv für Gentlemans<br />

Karriere. Warum sollten wir für ihn also nicht wenigstens<br />

Neu-Ehrenfeld aufsuchen? Ein Kollege gibt uns<br />

noch den Hinweis mit, an roten Ampeln immer vor- und zurückzufahren<br />

– dann hätten es Gauner schwerer, die Radkappen<br />

zu klauen.<br />

Neu-Ehrenfeld Lenaplatz. Wenn das ein sozialer Brennpunkt<br />

sein soll, dann ist Monaco die Bronx. Ist ja voll<br />

Text: Linus Volkmann _ Interview: Thomas Venker + Linus Volkmann _ Fotos: Rainer Holz<br />

hübsch hier! Und an einer der Ecken des Platzes kann man<br />

auch schon das Wicleff entdecken. Das ist das Restaurant<br />

von Christoph, dem älteren Bruder Gentlemans. Gutbürgerliche<br />

Karte mit einigen Spitzen ins Mediterrane, sogar<br />

Mexi kanische. Ist das schon Fusion-Food? Nee, einfach nur<br />

eine undogmatische Küche. Hübscher Hometurf für Mitglieder<br />

der Dynastie Gentleman, die Schwester zeichnet<br />

hier zum Beispiel für Gemaltes verantwortlich. In diesem<br />

Familienverbund heißt Gentleman übrigens auch noch so,<br />

wie er getauft wurde, also Tilmann. Und, Frage an den Bruder,<br />

hat Tilmann hier eigentlich schon mal kellnern müssen?<br />

»Nee, aber wenn er mit der Band in der Stadt ist, treffen<br />

sich alle immer hier. Das sind schon oft rauschende<br />

Nächte gewesen.«<br />

Klingt plausibel. Aber wo ist eigentlich jetzt dieser Gentleman?<br />

Die Überfahrt ins unbekannte Stadtviertel hat uns<br />

hungrig gemacht. Na also, da kommt er. Schnell mal abgleichen<br />

mit dem etwas grotesken Bild, das mir immer in<br />

den Sinn kommt, wenn es um Gentleman geht: nämlich<br />

das einer pulsierenden Regenrinnen-dicken Halsschlagader,<br />

die in die Sprechmuschel eines Oldschool-Telefons<br />

singt. Bisschen wie die Musical-Version des Colin-Farrell-<br />

Films »Bitte nicht aufl egen« – wenn man mir so viel Assoziation<br />

verzeihen mag. Profi s wissen, mir ist sein Video zu<br />

»Superior« von der letzten Platte »Confi dence« noch in Erinnerung.<br />

In echt sieht Gentleman relaxter aus, der mittlerweile<br />

sehr dichte Bart verdeckt dabei ein wenig eine gewisse<br />

Erschöpftheit. Kein Wunder: »Another Intensity kommt<br />

jetzt in 16 Ländern gleichzeitig raus, also bei Confi dence<br />

waren es noch drei. Da ist allein schon der Promoaufwand


immens. <strong>Als</strong>o jetzt nur für Deutschland allein, meine ich.<br />

Und wegen Konzerten: Früher konnte man abends manchmal<br />

sogar noch heimfahren. Mittlerweile ist es ja nicht nur<br />

so, dass man in einem anderen Land wäre, es ist jetzt schon<br />

richtiges Kontinenthopping, was abgeht. Weißt du, dann<br />

sind wir mit der Band in Surinam, danach Bermuda, über<br />

Jamaika dann Gambia und danach Amsterdam. Dann haste<br />

mal ein paar Tage Pause, und dann geht’s nach Schweden<br />

und Portugal.«<br />

Gar nicht so einfach alles. Gentleman hat immerhin Familie:<br />

»Und ich habe halt auch keinen Bock, so ein Vater zu<br />

sein, der seinem Sohn immer sagt: Ja, ich muss halt jetzt<br />

weg, musst du verstehen. Das kenne ich selbst, und das ist<br />

nicht schön.«<br />

Gentleman bestellt sich einen Salatteller mit Putenstreifen,<br />

ich Semmelknödel mit Pfi fferlingen in Cognac-Soße,<br />

geil, was? Kollege Venker nimmt dasselbe und noch als<br />

Deko eine Zucchinisuppe, die er aber stehen lassen wird<br />

wie eine unliebsam gewordene Urlaubsfl amme.<br />

Und wie hält man das nun alles aus, Gentleman? »Das<br />

werde ich zuletzt immer öfter gefragt. Aber diese Reisen beinhalten<br />

ja nicht nur Stress, sondern die Begeisterung der<br />

Leute gibt dir auch so viel Kraft. Wenn 15.000 Surinamesen<br />

deine Songs mitsingen können, obwohl du da noch nie<br />

vorher aufgetreten bist, die Platte eigentlich nicht zu kaufen<br />

ist, dann wiegt das viel von den Momenten auf, wo du<br />

denkst: Ich kann jetzt nicht mehr.»<br />

Und Letztere gab es tatsächlich. Gentleman erzählt beneidenswert<br />

uneitel auch davon. Wie schwer es zum Beispiel<br />

fi el, mit Texten für das neue Album auf Kurs zu<br />

kommen. »Ich war da echt durch nach der Zweieinhalb-Jahre-Tour.<br />

Aber dann habe ich einfach das benutzt: Ich bin<br />

leer. Aha, der Song heißt »Emptiness∑«! Ja, das klingt blöd.<br />

Aber das war der erste Song, der hat es dann auch nicht aufs<br />

Album geschafft, aber so kam ich erst mal wieder an den<br />

Punkt. Zum Schluss lief es ganz locker.«<br />

Gentleman isst nicht auf, besteht aber darauf, sich den<br />

Rest einpacken zu lassen, und trinkt dazu Bionade. Und wir<br />

bestehen natürlich noch auf dem Bekenntnis eines so internationalen<br />

Reggae-Artists gegen die im Genre weit verbreitete<br />

Homophobie. »<strong>Als</strong>o, auf meinen Platten werden<br />

Minderheiten unterstützt und nicht gedisst. Und ich kenne<br />

viele Jamaikaner, die es auch nervt, wenn es auf deren Festivals<br />

immer heißt Put da hands in the air, if you don’t like<br />

chichi-man. Aber da hast du wenig Einfl ussmöglichkeiten,<br />

da ist dieses Alttestamentarische der Kultur, da sind auch<br />

Frust und Aggression, und die entladen sich an Minderheiten.<br />

Und ein Artist, der keine Kreativität hat, der bringt<br />

dann Zeilen gegen Schwule. Da haben viele keinen Bock<br />

drauf, aber sie kommen irgendwie nicht davon weg – und es<br />

traut sich auch keiner.«<br />

Auch Gentleman selbst schreibt sich das Brechen des<br />

Dancehall-Homophobie-Konsens’ nicht offen auf seine Fahnen,<br />

wirbt aber in seinen Stücken für Toleranz. Mehr sei,<br />

realistisch betrachtet, nicht drin, erfahren wir. Wie frustrierend.<br />

Die ästhetische wie ideologische Marktlücke<br />

»schwuler Dancehall« füllen – das wär’s doch! Wäre mein<br />

Venker bloß nur nicht so unrhythmisch und latent hetero.<br />

Aber das alles soll Gentlemans Sorge nicht sein. Der isst zu<br />

Hause auf und fl iegt durch die Welt. Viel Spaß dabei.<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Kochen mit Gentleman _ 049<br />

Keine Toleranz für<br />

Schwule<br />

Das Thema Homophobie in Rap<br />

und Dancehall entzündete sich<br />

an dem aktuellen Fall von G-<br />

Hot. Der elende Song des Aggro-<br />

«Künstlers« »Keine Toleranz für<br />

Schwule« tauchte im Netz auf.<br />

Daraufhin verstieß ihn sein La-<br />

bel, und er wurde wegen Aufruf<br />

zur Gewalt angezeigt. Die Karrie-<br />

re von einem Arsch ist so immer-<br />

hin im Eimer.<br />

... und es traut sich<br />

auch keiner<br />

Schwierig eben auch, wenn die<br />

einfl ussreichsten Acts wie Buju<br />

Banton, Beenie Man oder Sizzla<br />

in ihren Texten Schwulenhass voll<br />

ausleben.<br />

Aktuelles Album:<br />

Gentleman<br />

Another Intensity<br />

CD // Four Music / SonyBMG


051 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode Fotos: Christoph Voy _ Produktion: Christoph Voy, Linus Volkmann, Susanne Pospischil<br />

* Feeling B »Mix mir einen Drink«<br />

Ines _ T-Shirt: H&M _ Hose: Miss Sixty _ _ Sandra _ Rock: adidas _ Schuhe: Nike _ T-Shirt: typotheque.com _ Kapuzenjacke: H&M _ Sonnenbrille: Stüssy _ _ Benjamin _ Jacke: ADD _ T-Shirt: DURKL _ Jeans: Cheap Monday<br />

*


052 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />

Arne _ Hemd: Humana _ Jacke: Vintage _ Jeans: Diesel<br />

* Jello Biafra & Mojo Nixon »Drinkin with Jesus«<br />

*


053 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />

* Dinosaur Jr. »Freak Scene«<br />

*<br />

Sebastian _ Jacke: American Apparel _ Tuch: Cheap Monday _ _ Linus _ Brille: Tom Ford _ T-Shirt: Early Man


054 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />

* King Rocko Schamoni »Sex, Musik und Prügeleien«<br />

Brille: Camden Market _ Schal & Hemd: RAdAR h _ T-Shirt: American Apparel _ Hose: Ksubi _ Hut: Camden Market<br />

Felix _ T-Shirt: 25 Years Touch & Go Records _ Jeans: H&M _ _ Benni _ Schuhe: Gravis _ Jeans: H&M _ Gürtel und<br />

Hemd: Levi’s _ Strickjacke und Polohemd: Fred Perry _ Hut: Stüssy _ Uhr: Nixon<br />

*


055 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Mode<br />

* Lemonheads »Ride with me«<br />

** Boxhamsters »Beende deine Jugend«<br />

**<br />

*<br />

Hemd Roland & T-Shirt: _ Jacke: Surface American to Air, Hose: Apparel Ksubi, Schuhe: _ T-Shirt: RAdAR Delphi h _ Hose: Carharrt _ Schuhe: Nike _ Uhr: Swatch


056 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Roxy Jam<br />

Roxy Jam. Elegant auf der Welle<br />

Text: Susanne Pospischil _ Interview: Thomas Venker, Susanne Pospischil<br />

Es war Kaiserin Eugénie, die das verschlafene Fischerdörfchen Biarritz entdeckt hat – dieser lauschige Fleck eignete sich ideal für<br />

ihre Sommerresidenz. Und auch Quiksilver und Roxy erlagen den Reizen der Region und siedelten ihr Firmenimperium ganz in der<br />

Nähe von Biarritz an. Und so sind sie wohl bis heute nicht ganz unschuldig am Hype um die Biskaya-Welle. Roxy richtete im Juli<br />

zum zweiten Mal die Longboard-Weltmeisterschaft für Frauen in der mittlerweile mondänen Surfhochburg aus. Nicht nur die Stars<br />

unter den Surferinnen waren geladen, auch die weibliche französische Independent-Szene glänzte durch Anwesenheit und setzte<br />

Zeichen im sonst so Männer-dominierten Business. DJ Chloé eröffnete mit einem packenden Set zum Sonnenuntergang den Roxy<br />

Jam, und am nächsten Abend wirbelten Pravda und CSS krachend über die Bühne am Strand. Zwischendurch haben wir einige<br />

Surf-Talente und -Koryphäen mit langen Brettern in der Hand zum Interview gebeten:


057 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Roxy Jam<br />

Candice<br />

O’Donnell (GB)<br />

Wie ist heute das Meer?<br />

Wunderbar, gute Bedingungen<br />

für Longboarder, schöne<br />

kräftige Wellen und Bilderbuchwetter.<br />

Wo ist dein Homespot? Ich bin in Südafrika geboren,<br />

lebe aber seit Langem im Südwesten Englands,<br />

in Cornwall.<br />

Ist das auch dein liebster Ort zum Surfen? Nein,<br />

der ist tatsächlich hier in Biarritz, das ist nicht<br />

allzu weit, und ich mag die Lebensart und das<br />

gute Essen hier.<br />

Bist du viel auf Reisen? Ja klar, ich bin oft in Irland,<br />

Schottland, Wales, Spanien, Portugal, Südafrika<br />

und Australien und ...<br />

Wann hast du angefangen zu surfen? Eigentlich<br />

schon, als ich ganz klein war, damals habe ich mit<br />

dem Bodyboard angefangen und bin dann irgendwann<br />

aufs Longboard gekommen.<br />

Wie ist die Szene im Vergleich zu den Männern<br />

einzuordnen? Das kann man überhaupt<br />

nicht vergleichen, das sind unterschiedliche Level.<br />

Männer surfen doch sehr hart und progressiv,<br />

Frauen dagegen viel eleganter und stylisher in<br />

fl ießenden Bewegungen.<br />

Und wie wirkt sich das auf die gesamte Industrie<br />

und die Strukturen im Surfsport aus? Die<br />

ist bislang sehr Männer-dominiert. Ich komme<br />

also gerade zur richtigen Zeit an im Wettkampf,<br />

zukünftig wird sich das hoffentlich ändern.<br />

Wie alt bist du? 23 Jahre.<br />

Welche Platte hörst du im Moment? Schwer zu<br />

sagen, doch immer wieder gerne The Cure.<br />

Schuyler Mc-<br />

Ferran (USA)<br />

Woher kommst du? Aus San<br />

Diego in Kalifornien.<br />

Wann hast du angefangen<br />

zu surfen, und wer hat dich<br />

darauf gebracht? Mit zehn<br />

Jahren. Meine Eltern surfen beide, irgendwie bin<br />

ich schon in den Wellen aufgewachsen und ihnen<br />

auch treu geblieben.<br />

Letztes Jahr hast du den Contest gewonnen, ich<br />

gehe mal davon aus, du surfst professionell? Ja,<br />

das kann ich zum Glück schon seit ich 16 Jahre alt<br />

bin, mittlerweile bin ich 20.<br />

Warum surfst du Longboard? Zum Spaß surfe<br />

ich auch Shortboard, aber mein Herz gehört den<br />

langen Brettern, das ist einfach ein sehr anmutiger<br />

Sport.<br />

Wo betreibst du den am liebsten? Meine Heimatstrände<br />

und Australien sind unschlagbar.<br />

Wie reagieren deine Freunde und die Jungs aus<br />

der Szene auf diesen Wettbewerb? Die sind begeistert<br />

und interessieren sich sehr dafür, mehr<br />

Aufmerksamkeit für Surferinnen bringt den gesamten<br />

Sport weiter.<br />

Aber es ist noch ein langer Weg, um die gleiche<br />

Aufmerksamkeit und Akzeptanz zu bekommen<br />

wie Männer? Ehrlich gesagt haben wir die besseren<br />

Sponsoren-Verträge, soweit ich weiß. Mit einem<br />

Label wie Roxy im Rücken, das den Sport mit<br />

dieser Weltmeisterschaft enorm pusht, sind wir<br />

gut aufgestellt.<br />

Welche Musik hörst du gerne? Kings Of Convenience<br />

und The Weepies.<br />

Crystal Dzigas<br />

(USA)<br />

Seit wann kannst du nicht<br />

mehr vom Surfen lassen?<br />

Mit 14 Jahren habe ich angefangen,<br />

in Waikiki auf Hawaii,<br />

seit drei Jahren kann<br />

ich ganz gut davon leben, jetzt bin ich 24.<br />

Wie fi ng das alles an, wie wurdest du entdeckt?<br />

Ich surfe am North Shore Beach, und da haben<br />

mich irgendwann immer mehr Fotografen registriert<br />

und für Zeitschriften fotografi ert oder Videos<br />

gedreht. So kam das ganz von selbst.<br />

Vergleiche mal das Meer von Biarritz mit den<br />

Wellen vor deiner Haustür. Auf Hawaii sind die<br />

Wellen viel kraftvoller und unkalkulierbarer und<br />

dadurch auch schwieriger zu surfen. Hier ist es<br />

einfacher, macht aber auch Spaß.<br />

Kann ich mir die Szene als große Surfer-Familie<br />

vorstellen, die um den Globus zieht, oder ist es<br />

oft doch recht einsam? Auf Hawaii haben wir ein<br />

sehr enges Netzwerk, jeder kennt jeden, und alle<br />

sind irgendwie verwandt oder befreundet, sonst<br />

habe ich ein paar Leute an den verschiedenen<br />

Spots, die ich immer mal wieder treffe.<br />

Ist es nicht irre anstrengend, so lange unterwegs<br />

zu sein? Ja, z. B., wenn dein Koffer mal wieder<br />

nicht angekommen ist. Am meisten vermisse<br />

ich ein gutes, gekochtes Essen, und natürlich<br />

schlafe ich auch im eigenen Bett am besten.<br />

Wie sieht deine Planung aus: Was glaubst du,<br />

wie lange du noch professionell surfen wirst? So<br />

lange es geht, das ist nämlich doch eine wirklich<br />

angenehme Art zu leben. Natürlich geht es gerade<br />

bei den Frauen aber nicht nur um Erfolge bei<br />

Wettkämpfen, sonder auch darum, wie du aussiehst<br />

und wie lange du ins Konzept passt.<br />

Welche Musik hörst du am liebsten? Bloc Party,<br />

The (International) Noise Conspiracy und Dashboard<br />

Confessional.<br />

Coline<br />

Menard (F)<br />

Wo bist du zu Hause? Auf La<br />

Réunion, ganz in der Nähe<br />

von Madagaskar.<br />

Das klingt, als hättest du<br />

schon mit drei angefangen<br />

zu surfen? Ich war acht Jahre alt, mein Vater<br />

ist auch ein Longboarder und hat es mir und meinem<br />

Bruder beigebracht.<br />

Wie unterschiedlich sind jeweils die Voraussetzungen<br />

fürs Surfen? Wie sind die Bedingungen<br />

im Indischen Ozean? Ganz anders, etwas extremer,<br />

weil ich dort an einem Riff surfe und es z. B.<br />

auch Haie gibt.<br />

Dann ist das hier ein Kindergeburtstag für<br />

dich? Nein, kann man so nicht sagen, hier<br />

muss ich mich auf die neuen Bedingungen erst<br />

einstellen.<br />

Kannst und willst du vom Surfen leben? Ich studiere<br />

Biologie, aber ich bin eben doch schon sehr<br />

oft unterwegs, weil mir das Surfen im Moment<br />

sehr wichtig ist.<br />

Welcher Spot hat dich bislang am meisten beeindruckt?<br />

Die Wellen in Australien sind ganz besonders<br />

toll.<br />

Und deine Lieblingsband? Tracy Chapman und<br />

Jack Johnson.


058 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Paris Text & Fotos: Silke Bücker<br />

Paris. Unterwegs auf der Rendez-Vous Hommes<br />

Mindestens vier Mal im Jahr ist Paris Nabel der Modewelt, immer dann, wenn die Messe – jeweils separiert nach Männer- und<br />

Frauenmode – ihre Tore, Showrooms, Schatzkammern und Laufstege dem begierigen Publikum öffnet. Auch ich bin dabei<br />

(dienstreisend als Journalistin und Einkäuferin für den eigenen Laden), immer auf der Suche nach beeindruckenden DesignerInnen<br />

und ihren Kollektionen.<br />

Donnerstag, 28.06.07<br />

Die Zeit in Paris beginnt anstrengend mit der obligatorischen<br />

Stunde Warten aufs Taxi am Gare du Nord – ganz gemäß dem landestypischen<br />

Laisser-faire. So verpasse ich die erste Show von Attachment,<br />

einem vielversprechenden Label aus Japan. Nicht ärgern und<br />

gleich weiter, jetzt aber mit der Metro, rein in den Showroom von<br />

A.P.C., der Lieblingsmarke scheinbar aller Franzosen. Dort präsentiert<br />

mir ein schmucker junger Mann die Kreationen für das kommende<br />

Frühjahr. Drei Stunden und zahlreiche petits Cafés später ist<br />

eine kleine, aber feine Selektion getroffen, für Mädchen und Jungs.<br />

19 Uhr, kein Termin mehr für heute, deshalb ist noch ein kurzer<br />

Abstecher in das vielleicht schlimmste Kaufhaus drin, die Galeries<br />

Lafayette. Was verheißungsvoll klingt und auf den ersten Blick auch<br />

so aussieht, ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein Bau von beeindruckender<br />

Größe, in dem der Konsumterror bizarre Blüten treibt. Die<br />

kleinen Shops bekannter Luxuslabels reihen sich wie Glieder einer<br />

Kette im Rund der Etagen aneinander. Auf Chanel folgt Marc Jacobs,<br />

dann Prada, dazwischen lieblose Wühltische mit Billigware. Hier zeigen<br />

die schönen und begehrenswerten Must-Haves der Mode ein anderes<br />

Gesicht, das, was von ihrem Glanz übrig bleibt, wenn sie auf das<br />

runterreduziert sind, was sie sind: Produkte, die am Ende der Saison<br />

zu Dumpingpreisen einfach nur an die Frau oder den Mann müssen.<br />

Freitag, 29.06.07<br />

19 Uhr, die Präsentation von Stephan Schneider, einem meiner<br />

Lieblingsdesigner aus Antwerpen, beginnt. Vielmehr eine Installation<br />

aus Fleisch und Blut. Extrem junge Kerle, die meisten deutlich<br />

unter der Volljährigkeit, lümmeln sich betont lässig in den Schneider-Kreationen<br />

auf coolen 90er-Jahre-Barhockern, schlürfen<br />

Drinks und rauchen. Drinks gibt’s auch für die geladenen Gäste,<br />

ein hochprozentig gelungener Start in die Freitagnacht also. Nach<br />

einigen Gläsern Schampus geht es leicht beschwipst zur nächsten<br />

Station, der Show von Ute Ploier. Auch hier ist der Andrang groß.<br />

Der Hype um die Österreicherin ist extrem. Ihre minimalistische<br />

Show ernüchtert allerdings. Das sind Momente, in denen ein Fragezeichen<br />

stehen bleibt: Was soll toll daran sein, wenn streichholzdürre<br />

Jungs im Stechschritt ihre Runde in einem kargen Raum drehen,<br />

dazu ein Gesicht ziehen, als hätte ihnen grade jemand fi es auf<br />

den Fuß getreten, und uninspirierte Kleidung tragen?<br />

Samstag, 30.06.07<br />

Gleich am nächsten Morgen geht die Sonne wieder auf, die Show<br />

von Veronique Branquinho steht auf dem Programm. Eine tolle<br />

Frau, diese belgische Designerin, deren Entwürfen immer ein<br />

Hauch Nostalgie anhaftet. Im prunkvollen Saal der Tranoï (einer<br />

der Pariser Modemessen in der altehrwürdigen Börse) verheißen<br />

bereits die beim Einlass aufgebauten Instrumente, dass eine Band<br />

geladen ist, um das Defi lee musikalisch zu begleiten. Ganz persönlich<br />

gesprochen: Der Erfolg einer Fashion-Show steht und fällt mit<br />

der Musikauswahl, damit, wie der Sound die Kollektion trägt und<br />

welches Grundgefühl beim Publikum erzeugt wird. Die geladene<br />

Band heißt Monky Pussy, alte Kumpels von Mrs Branquinho, die in<br />

Kürze ihr erstes Album veröffentlichen. Auch wenn sie mich musikalisch<br />

nur mäßig überzeugen, gelingt es ihnen, dem Rundlauf der<br />

Models seine archetypische Strenge zu nehmen. Bei der Kollektion<br />

fehlt dann aber der rote Faden, die Stringenz, die ihren Look ansonsten<br />

auszeichnet. Die Kombinationen sind zum Teil ziemlich<br />

abenteuerlich zusammengewürfelt. More Random, less Style, von<br />

einer Vision ganz zu schweigen. Pyjamahose zu glänzender Collegejacke<br />

mit asiatischer Stickerei am Ärmel? Hinzu kommt, dass<br />

die Jungs allesamt Flip-Flops tragen. Das geht, wenn überhaupt,<br />

nur am Strand. Nein, bei Jungs geht das eigentlich gar nicht. Außer,<br />

sie gehen am Sonntagmorgen mal kurz zum Kiosk, Zeitung, Kaffee<br />

und Kippen kaufen.<br />

www.rendez-vous-paris.com


060 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Short Cuts Texte: Andreas Grüter<br />

Strandgut Clothing.<br />

Einmal die Welt<br />

Surfer sind Getriebene, dazu verdammt, den<br />

Wellen zu folgen und ihr Leben dem steten<br />

Rhythmus von Gezeiten, Winden, Mondphasen<br />

und Luftdruckgebieten zu unterwerfen. Strandgut<br />

Clothing, 1999 vom Kölner Thorsten Kegler<br />

gegründet, ist das Resultat eines solchen<br />

endlosen Trips durch alle Facetten des Surferlebens.<br />

Mal kopfüber und glücklich in den Brechern<br />

des Atlantik oder im Line-up irgendeines<br />

Secret Spots mitten im Pazifi k, mal gestrandet<br />

und ohne Geld auf dem trockenen Festland, fungierte<br />

das Label anfangs vor allem als trickreiche<br />

Teilzeitalternative zum drögen Nine-to-fi ve-<br />

Arbeitstrott, um sich über die Jahre zum festen<br />

Bestandteil der aktiven internationalen Surfcommunity<br />

zu entwickeln. Neben jeder Menge<br />

long- und shortsleeved Shirtdesigns, Sweatern<br />

und Hoodies werden im hauseigenen Online-<br />

Store aktuell auch verschiedene Underwear-Styles<br />

sowie Kaffeebecher und Schlüsselanhänger<br />

angeboten. Enjoy the real thing.<br />

www.strandgutclothing.com<br />

DeinDesign.<br />

Computerkleider<br />

Hart im Niemandsland zwischen Kunstapproach<br />

und Trashgrenze bewegen sich die Klebefolien<br />

von DeinDesign. Während Cellphone-Pimp-ups<br />

defi nitiv in Kategorie zwei fallen,<br />

fungieren die unikaten Modifi zierungselemente<br />

für Plattenspieler, Laptops, Spielekonsolen<br />

und Organizer richtig kombiniert als<br />

durchaus stilvolle Hilfsmotoren auf der Suche<br />

nach der vollindividualisierten Produktwelt.<br />

Neben verschiedenen Camoufl agemustern, Fashionprints<br />

und einer erstaunlich breiten Auswahl<br />

gelungener grafi scher Exkurse in Streetart-<br />

und Mangagefi lde können zudem eigene<br />

Entwürfe eingesandt werden. Die passgenau<br />

zugeschnittenen Vinylhüllen schützen dabei<br />

nicht nur vor Kratzern und Abrieb, sondern<br />

lassen sich aufgrund der speziellen Wabenstruktur<br />

auch problemlos und ohne Rückstände<br />

entfernen.<br />

www.dein-design.com<br />

Nike. Mehr Schuh<br />

weniger Müll<br />

Umweltbewusstsein und gutes Gewissen sell.<br />

Auch die Großen der Branche rücken sukzessive<br />

von den Prinzipien des reinen Massenkonsum-<br />

Modus ab und setzen mit ausgesuchten Kollektionen<br />

auf ökologische Nachhaltigkeit. Jüngstes<br />

Beispiel dafür ist Nikes outdoorbeseelte Considered-Footwear-Linie,<br />

die bereits 2005 in ersten<br />

Kleinserien auf den Markt geworfen wurde<br />

und mittlerweile mit einer klug durchdachten<br />

Kombination aus technischer Raffi nesse, recycelten<br />

Gummierungen und extrem minimiertem<br />

Produktionsausschuss zur festen Größe im Unternehmensportfolio<br />

herangewachsen ist. Die<br />

leichten, schnell trocknenden und extrem atmungsaktiven<br />

Hybridstyles kommen mal als<br />

Sandale oder futuristischer Überzieher, mal im<br />

klassischen Sneakerlook und überzeugen nicht<br />

zuletzt durch hohen Designapproach und jede<br />

Menge ausgeklügelte Funktionaldetails.<br />

www.nike.com<br />

Zehnvierdreisieben. Die<br />

Kunst des Sitzenbleibens<br />

Der Berliner Industriedesigner Mathias Muchenberger<br />

ist ein Mann der behutsamen gestalterischen<br />

Metamorphosen. Nachdem er sich in<br />

den vergangenen Jahren mit dem Projekt Surf-<br />

Lounger ganz der kontextuellen Neueditierung<br />

des traditionellen Custom-made Surfboardbaus<br />

vom Sportgerät zum Sitzobjekt verschrieben<br />

hatte, steht aktuell mit der b.bank ein weiteres<br />

Möbelstück mit Geschichte auf dem Modifi zierungsplan.<br />

In Form und Format an die klassische<br />

DDR-Gartenbank angelehnt, wurde Plaste<br />

und Elaste durch robuste handlaminierte und<br />

glasfaserverstärkte GFK-Kunststoffqualitäten<br />

ersetzt und mit behutsamen Dekorentwürfen<br />

veredelt. Der absolut witterungsbeständige und<br />

deshalb sowohl für den Innen- als auch den Außenbereich<br />

geeignete Zweisitzer kann je nach<br />

Kundenwunsch individuell gestaltet werden.<br />

Anfragen unter www.zehnvierdreisieben.de.


061 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Shortcuts Texte: Susanne Pospischil, Heiko Behr (Fly Pink)<br />

Bench.<br />

Central Station Design<br />

Die Brüder Matt und Pat Carroll sind zusammen<br />

mit Karen Jackson Central Station. In Manchester<br />

(er)lebten sie das Glück der Frühgeborenen<br />

und waren schon Ende der 1980er-Jahre<br />

prägender Teil der Madchester-Szene. Ihr Cousin<br />

Shaun Ryder war gerade dabei, einen Plattenvertrag<br />

mit Factory Records für seine Band Happy<br />

Mondays auszuhandeln, während die drei sich<br />

im Bereich Artwork und Cover-Design hohe Ziele<br />

steckten: »Wir wollten, dass die Leute fähig<br />

sind, eine Mondays-Platte aus 250 Schritten Entfernung<br />

inmitten von 500 anderen auf den ersten<br />

Blick zu erkennen.« Matt hat nun seine erste<br />

nicht-musikalische Arbeit als Hommage an<br />

berüchtigte Rave-Zeiten für Bench produziert.<br />

Sieben Styles (T-Shirts, Sweatshirts und Trainingsjacken)<br />

für Frauen und acht für Männer<br />

gibt es diesen Sommer ab sofort und exklusiv bei<br />

www.frontlineshop.com/bench.<br />

Levi’s.<br />

The original Must-Have<br />

Prada hat es auf High-Fashion-Level vorgemacht,<br />

jetzt setzt Levi’s als erstes Jeans-Label<br />

im Bereich Spitzentechnologie steile Direktiven.<br />

Und legt mit einem Handy los. Das robuste<br />

Edelstahlgehäuse des neuen Levi’s Mobile<br />

Phone ist in alter Tradition mit Nieten besetzt,<br />

um noch besser auszusehen. Unser allerliebstes<br />

Accessoire kommt mit einer abnehmbaren<br />

Kette, die an passender Hose oder Tasche überzeugend<br />

funktional angebracht werden kann.<br />

MP3-Player, 2-Mega-Pixel-Kamera und ein integriertes<br />

Modem gehören zum hohen Standard,<br />

die Ausführungen Chrom, Schwarz und<br />

Bronze zum guten Geschmack. Bleibt die Frage,<br />

warum vorher noch kein Hersteller auf die<br />

Idee gekommen ist, den Screen (wie bei der Edition<br />

»Silver Shiny« und »Gold Shiny«) gleichzeitig<br />

als Spiegel benutzbar zu machen? eu.levi.<br />

com/mobile<br />

Eastpak.<br />

Rückenbekenntnisse<br />

Stell dir vor, du bist berühmt und/oder begabt<br />

und kannst dir deinen eigenen Rucksack entwerfen.<br />

The Hives, The Prodigy und Kaiser Chiefs<br />

hatten die Ehre bzw. Aufgabe und meisterten sie<br />

bravourös. Im Auftrag von Eastpak und der gemeinnützigen<br />

Organisation Whatever It Takes<br />

gestalteten sie ganz persönliche Rucksäcke, die<br />

ab September 2007 in einer Aufl age von 3000<br />

Stück in ausgewählten Läden zu ergattern sein<br />

werden. Die stylishen Schweden Hives fi nden ihren<br />

Bandnamen Zierde genug, während Liam<br />

Howlett & Co., also Prodigy, in New-Rave-Manier<br />

unzählige Krabbeltierchen loslassen. Die Leedser<br />

Kaiser Chiefs sind ebenfalls tierlieb, stehen<br />

aber eher auf lustige Gattungen. Jeder einzelne<br />

dieser Eastpak-Klassiker (Padded Pak’r) ist nummeriert<br />

und mit signiertem Bandlabel versehen,<br />

10 % des Verkaufspreises (49,99 Euro) kommen<br />

einer von den Künstlern ausgewählten wohltätigen<br />

Vereinigung zugute. www.e-eastpak.com /<br />

www.whateverittakes.org<br />

FlyPink.<br />

Über den rosa Wolken<br />

»Oje, ist das öde hier in Liverpool, aber bloß nicht<br />

nach London, diese ganzen Posh-Clones da. Lass<br />

uns doch nach Paris fl iegen. Kurz noch eine kostenlose<br />

Maniküre am Gate, dann pinken Champagner<br />

trinken, in einem pinken Flugzeug!« So<br />

in etwa muss sich das Adam Charles, der Gründer<br />

der britischen Fluglinie FlyPink, vorgestellt<br />

haben. Er nennt den obskuren Geistesblitz<br />

»a boutique airline designed especially for women«.<br />

Ab sofort soll vom Liverpooler John Lennon<br />

Airport zweimal wöchentlich eine Maschine<br />

Richtung Frankreich abheben und später auch<br />

die Ziele New York und Mailand anfl iegen. Aber<br />

kann man Kundinnen tatsächlich allein durch<br />

die Farbgestaltung ansprechen? Und was für<br />

ein verkürztes, schräges Frauenbild steckt eigentlich<br />

hinter dieser Idee? Susi Weaser, Redakteurin<br />

der Website Shiny Shiny, erkennt einen<br />

Trend: Zunehmend werden pinke Versionen von<br />

technischen Geräten angeboten, diese Produkte<br />

sorgen bestenfalls für Spaß, nicht aber unbedingt<br />

für eine gesteigerte Glaubwürdigkeit.«


062 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Lockengelöt Text: Susanne Pospischil<br />

Lockengelöt. Gebrauchtwaren-Neuerfi nder<br />

Vor drei Jahren war eine Idee nicht mehr aufzuhalten: Dennis Schneling, Carsten Jägering und Carsten Trill beschlossen, ihre Jobs<br />

als Industrieelektroniker, Feingerätemechaniker und Grafi ker an den Nagel zu hängen, um zukünftig lieber stilvoll zu recyceln. In<br />

ihrer Kombination aus Werkstatt und Ladenlokal in Hamburg St. Pauli befreien sie seitdem Toploader-Waschmaschinen aus deren<br />

klammem Dasein, leisten Aufbauarbeit für frustrierte Staubsauger und lassen zerkratztes Vinyl bestimmt nicht hängen.<br />

»Wir versuchen mit Rohstoffen überraschend umzugehen, Sachen anders zu sehen und der<br />

Wegwerfgesellschaft geistreich zu begegnen«, erklärt Carsten Trill. So zaubern sie Lampen,<br />

Schalen, Schränke, Toilettenpapierhalter und viele andere Besonderheiten und Nützlichkeiten<br />

hervor und schenken Ölfässern, Wäschetrommeln oder Trockenhauben ein zweites glamouröses<br />

Leben. Sonderanfertigungen und besondere Herausforderungen sind immer erwünscht; wer<br />

sich also unmöglich von seinem alten Freund, dem Mac-Monitor, trennen mag, kann ihn hier<br />

z. B. zu einer Lampe umbauen lassen – Lötkolben und Schweißbrenner werden die Herausforderung<br />

lieben.<br />

www.lockengeloet.org _ www.therickykings.com _ www.frauhedi.de<br />

Und weil ein besonderes Geschäft auch nach außergewöhnlicher Kundschaft verlangt, laden Dennis<br />

und Carsten (der dritte Mitbegründer widmet sich inzwischen wieder anderen Aufgaben) regelmäßig<br />

zu besonderen Veranstaltungen. So startet das Clubschiff Frau Hedi am 20. September zur Lockengelöt-Bingo-Butter-Ocean-Explosion-Fahrt.<br />

Jeder Kassenbon ist als Einladung zu verstehen und mit entsprechenden<br />

Bingozahlen bedruckt, die dann auf rasanter Elbfahrt zum Einsatz kommen. Zur guten<br />

Unterhaltung spielen die Lockengelöt-Betreiber dort auch auf als Teil der Tanzkapelle The Ricky Kings.<br />

Klingt nach ganzheitlichem Konzept mit persönlicher Rund-um-die-Uhr-Einbindung ohne Kompromisse.<br />

Kein Wunder also, dass sie sich schon lange keine bessere Berufung mehr vorstellen können.


0 63 _ <strong>Intro</strong> _ Steil _ Für Dich<br />

Für Dich.<br />

Du willst gewinnen? Dann Postkarte mit Gewinnwunsch und Album-Top-10 an: <strong>Intro</strong>, »Für dich«, PF 19 02 43, 50499 Köln. Oder per E-Mail<br />

an verlosung@intro.de. Alle Preise fi ndest du auch noch mal unter intro.de/gewinne. Viel Glück.<br />

Mit Axe und Durex zum Tauchen<br />

nach Hurghada<br />

Axe geht mit dem bekannten Kondom-Hersteller Durex ein Stück gemeinsamen<br />

Wegs: Ab diesen Monat sind nämlich 1,3 Millionen Axe-<br />

Bodysprays mit jeweils einem Durex-Kondom als Gratiszugabe im<br />

Handel erhältlich. Das bedeutet Axe Effect und Safer Sex in einem.<br />

Zum Beispiel mit dem gerippten und genoppten Kondom namens<br />

»Perlentaucher«. Wir verlosen eine Tauchreise nach Ägypten für zwei<br />

Personen. Weitere Infos fi nden sich unter www.axe-durex.de.<br />

Sony Ericsson W200i<br />

Mit dem neuen Xtra-Nonstop-Tarif von T-Mobile telefoniert man<br />

rund um die Uhr ab der zweiten Gesprächsminute für null Cent.<br />

Passend dazu gibt es derzeit das Prepaid-Package »Fun Edition«,<br />

das auch das Walkman-Handy Sony Ericsson W200i enthält (www.<br />

t-mobile.de/xtrafriends). Wir verlosen zwei W200i-Handys.<br />

WeSC Headphones »Street«<br />

Die im High-Tech-Look designten »Street«-Headphones von WeSC<br />

bieten die perfekte Mischung aus Passform & Komfort. DJ Steve<br />

Aoki ist Namensgeber des WeSC DJ Pro Headphone. Wir verlosen 3<br />

Stk. in Weiß.<br />

Cooldudes Shirts<br />

Wir verlosen Shirts des brandneuen Hamburger Labels »cooldudes«.<br />

Genauer gesagt 2x das »Psychedelic Sally«-Top für die Dame<br />

und 2x »Oh Freedom« für den Herrn. www.sandsbay.com<br />

Smokin’ Aces Fanpakete<br />

Zwei Sets für Fans des cleveren Thrillers inkl. DVD (Universal Pictures),<br />

Poster und Soundtrack (Universal Music) mit u.a. The Stooges<br />

und Motörhead.<br />

Abenteuer-DVDs im Steelbook<br />

Abenteuer zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Wir verlosen je ein<br />

Mal die Steelbook Special Edition von »Eragon«, »Master & Commander«<br />

und »Königreich der Himmel« (Fox), dazu zwei Gamer-<br />

Headsets »Medusa 5.1 ProGamer Edition – SL-8793« von www.<br />

speedlink.de.<br />

Magic: The Gathering Einstiegs-Packs<br />

»Magic: The Gathering« begeistert als erstes strategisches Sammelkartenspiel<br />

bereits in der zehnten Edition. Die neuen Einstiegs-Packs<br />

erleichtern die ersten Runden. Wir verlosen fünf Mal<br />

zwei Sets (www.playmagic.com).<br />

28 Weeks Later Fanpakete<br />

Zum Kinostart von Danny Boyles Zombie-Sequel (30.08., Fox) verlosen<br />

wir drei Sets aus Poster, dem Atari-PC-Game »Obscure 2« und<br />

einem Nuclear-Blast-T-Shirt.<br />

CDS, GAMES, SCHUHE UND SO.<br />

Zehn Meter Feldweg: Wir verlosen 3 x das im Juli erschienene Album<br />

»Phantom Power« von Zehn Meter Feldweg in einer schicken<br />

Kachel-Box (Kurbad St. Pauli / Motor).<br />

The Darkness: Zum jüngst erschienenen Adventure-Shooter »The<br />

Darkness« verlosen wir ein Hoodie (L), ein Longsleeve (L), ein T-<br />

Shirt (M) und ein signiertes und somit limitiertes Bild im Rahmen.<br />

Bitte Item angeben! (Take 2)<br />

Trauma Center – Second Opinion: Wir verlosen 3 x den zweiten<br />

Teil der Chirurgen-Simulation für Wii. (Nintendo)<br />

K-Swiss: Das Sneakerlabel unterstützt in diesem Sommer das Badeschiff<br />

an der Arena Berlin. Wir verlosen 1 Paket aus je einem<br />

Paar Damen- und Herren-Sneaker der Deckschuh-Kollektion, zwei<br />

Liegestühlen und zwei Tageskarten für das Schiff.


Text: Lars Brinkmann<br />

Eine beliebige Straßenecke irgendwo in einer<br />

Metropole unserer Welt. Um dich herum ein<br />

Wald aus Plakaten, überall buhlen sie um Aufmerksamkeit.<br />

Vorsichtig geschätzt hat jeder<br />

Städter täglich ein paar tausend ungewollte<br />

Werbe-Kontakte; in den 90ern sprach man noch von 2.000<br />

bis 5.000, inzwischen dürfte sich diese Zahl vervielfacht<br />

haben. Früher oder später stellt sich unweigerlich ein Gefühl<br />

von Ohnmacht ein. Und das ist genau der richtige Moment,<br />

zurückzuschlagen. Nein, nicht in die Werbung gehen,<br />

bloß nicht! Davon ist jedem Menschen nur abzuraten.<br />

Lieber an den alten, wahlweise von John Cage, Picassos<br />

Mätresse oder Attila dem Hunnenkönig geprägten Wahlspruch<br />

denken: You have to destroy to create.<br />

Und wer sich weder von den Staatsmächten noch vom<br />

Leben für seine Kreation der Zerstörung bestrafen lassen<br />

möchte, lese vor dem Schritt zur Tat »Urbi Et Orbi«,<br />

denn diese Sammlung von Vernissagen-, Katalog- und Zeitschriftenbeiträgen,<br />

die der umtriebige Künstler Jacques<br />

Villeglé zwischen 1965 und 1996 geschrieben hat, legitimiert<br />

nicht nur, wie es der Klappentext so schön formuliert,<br />

»das Werk der Affi chisten vor der Kunstgeschichte«<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ Kunst _ Urbi Et Orbi – Zur Kunst des Plakatabrisses _ 065<br />

Und so 09.2007<br />

Urbi Et Orbi –<br />

Zur Kunst des Plakatabrisses.<br />

Vandalismus mit Überbau<br />

(Affi che: frz. für Plakat). Darüber hinaus zeigt das Buch<br />

mit dem Untertitel »Zur Kunst des Plakatabrisses« sowohl<br />

Streetart-Aktivisten als auch überzeugten Vandalen, wie<br />

man seinem Treiben einen zünftigen geistigen Überbau<br />

zimmert. Villeglé führt die Ende der 40er von ihm erfundene<br />

Form der Decollage auch gern mal auf eine 40.000 Jahre<br />

fortwährende Tradition zurück. An anderer Stelle zeigt<br />

er die Parallelen zur surrealistischen Technik der écriture<br />

automatique, die er als verwandte »spontane Methode des<br />

irrationalen Erkennens«, als »Ankämpfen gegen den kontrollierten<br />

Ausdruck« versteht.<br />

»Urbi Et Orbi« kann als exemplarisches Lehrbuch gelesen<br />

werden, aber auch als Kampfbibel oder als ein Stück<br />

äußerst gelehrte Kunstgeschichte. Es ist eine Freude, dem<br />

1926 geborenen Villeglé bei seinen hemmungslos ausufernden<br />

Re- und Dekontextualisierungen zu folgen. Wer<br />

sein Wissen über die Kunst des Plakatabrisses vertiefen<br />

möchte und praktische Beispiele braucht, hat noch bis<br />

zum 27. Januar 2008 im Hannoveraner Museum Kestner<br />

Pro Arte die Gelegenheit, eine umfangreiche Werkschau<br />

mit über vierzig Arbeiten von Villeglé zu sehen. Die Stadt,<br />

egal welche, wird danach nie mehr dasselbe sein.<br />

Jacques Villeglé<br />

Urbi Et Orbi – Zur Kunst<br />

des Plakatabrisses<br />

Edition Nautilus, 256 S., EUR 24<br />

Ausstellung<br />

07. Juli 2007 bis<br />

27. Januar 2008<br />

Hannover, Museum Kestner<br />

Pro Arte


066 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Film _ David Mackenzie / Hallam Foe Text: Wolfgang Frömberg / Foto: Elke Meitzel<br />

David Mackenzie /<br />

Hallam Foe.<br />

Glücklich wie ein<br />

Korkenzieher<br />

David Mackenzie debütierte 2002<br />

mit »The Last Great Wilderness«. Der<br />

Durchbruch als Regisseur gelang<br />

ihm kurz darauf mit »Young Adam«<br />

und einer Wasserleiche. Wasser<br />

taucht auch in seinem neuen Film<br />

»Hallam Foe« auf. Hallam, der<br />

andere Menschen beobachtet,<br />

weil deren Wirklichkeit ihm<br />

fremd erscheint, wird gespielt<br />

von Jamie Bell (»Billy Elliot«). Er<br />

trauert um seine Mutter, mit deren<br />

Doppelgängerin er in Edinburgh<br />

eine reale Affäre beginnt. Was<br />

lauert unter der Oberfl äche? Ein<br />

Gespräch mit David Mackenzie<br />

über die Geister, die ihn rufen.


Woher kommt eigentlich deine Obsession<br />

für Flüsse und Seen und die<br />

Rätsel, die unter ihrer Oberfl äche<br />

verborgen liegen? Da spielst du nicht<br />

nur auf »Hallam Foe«, sondern auch<br />

auf »Young Adam« an, wo es einiges unter der Oberfl äche<br />

zu entdecken gibt und die Metapher sehr stark ausgeprägt<br />

ist. In der Tat scheinen Gewässer in meinem Werk ein Eigenleben<br />

zu entwickeln. Aber das ist bloß Zufall. Keine Ahnung,<br />

warum ich mich in diesen Projekten wiederfi nde, in<br />

denen Wasser und Dinge, die daraus auftauchen oder darin<br />

untergehen, wichtig sind. Ich bin nicht gerade ein besonders<br />

guter Schwimmer, vielleicht ist das ein Grund ... Andererseits:<br />

Mein Vater war in der Navy, also hatte ich gewissermaßen<br />

eine ganze Zeit meines Lebens Wasser um mich<br />

herum. Ich habe keine Angst davor, möchte aber auch nicht<br />

gerade aufs offene Meer hinaus schwimmen. Nun ja, wir<br />

kommen alle daher – Wasser ist ein starkes Bild. Aber ich<br />

bin nicht darauf aus, in der Art von John Boorman die Wasserthematik<br />

zu entfalten.<br />

Wann hast du mit der Arbeit an »Hallam Foe« begonnen?<br />

Vor drei oder vier Jahren. Das Buch wurde von Peter Jinks<br />

geschrieben. Peter ist ein Freund von mir. Mit der Geschichte<br />

bin ich bestens vertraut. Die kannte ich schon, bevor<br />

sie aufgeschrieben wurde. Und ich war von Anfang an<br />

sehr interessiert daran.<br />

Ich wollte schon fragen, wie du an die Romane gerätst,<br />

die du dann verfi lmst. »Young Adam« fußte auf der Vorlage<br />

des schottischen Beat-Autors Alexander Trocchi. Ja, in<br />

diesem Fall war es einfach. Normalerweise ist es schwierig,<br />

einen passenden Roman zu fi nden. Es scheint so, dass die<br />

Rechte für alle guten Bücher bei Hollywood-Studios liegen.<br />

Was hat dich an Peter Jinks’ Romanvorlage interessiert?<br />

Vor allem die Hauptfi gur. Ich mochte die Vorstellung eines<br />

leidgeplagten 17-Jährigen, der sich durch einen Haufen Probleme<br />

kämpft. Ich wollte eine Story, die ihn quasi rehabilitiert.<br />

Der Soundtrack ist ja gespickt mit Songs von Domino-<br />

Bands, vielleicht kam mir deshalb ein Song von Smog in<br />

den Sinn ... Ah! Leider durfte ich die amerikanischen Domino-Bands<br />

nicht einsetzen. Da gibt es eine Menge weiterer<br />

Acts, die auch im Soundtrack auftauchen könnten, hätte<br />

ich diesbezüglich freie Hand gehabt. Trotzdem bin ich<br />

sehr glücklich mit der jetzigen Auswahl, auch wenn Bonnie<br />

»Prince« Billy oder auch Smog sich ebenfalls gut im Film<br />

gemacht hätten ...<br />

Es gibt eine hintergründige Zeile von Smog, die lautet: »I<br />

want to be of use / Like a horseshoe / Like a corkscrew.«<br />

So scheint sich Hallam zu Beginn des Films zu fühlen.<br />

Doch er entscheidet sich zunächst, ein Nichtsnutz zu<br />

bleiben. Er möchte weiter zu Hause wohnen, um seinen<br />

Vater und seine Stiefmutter zu quälen, die er für den Tod<br />

seiner leiblichen Mutter verantwortlich macht... Hallams<br />

Perspektive auf die »böse Stiefmutter« ist märchenhaft. Sie<br />

selbst sieht das ganz anders, möchte Vater und Sohn über<br />

deren Trauer hinweghelfen. Hallam verteidigt das Andenken<br />

seiner Mutter. Das ist sein Kampf. Er möchte der Toten<br />

die Treue halten. Ich sehe es so, dass der Film vor allem davon<br />

handelt, sich von dieser Umklammerung zu lösen.<br />

Für »Young Adam« komponierte David Byrne den Score.<br />

Diesmal setzt du die Songs ein wie auf einem Mixtape.<br />

Ich musste an Sofi a Coppolas »Marie Antoinette« denken,<br />

wo der Soundtrack aus dem Mädchenzimmer die Vorstellung<br />

vom Leben als Prinzessin illustriert und dem Genre<br />

des Historienfi lms eine neue Dimension hinzufügt.<br />

Da Hallam im gesamten Film fast nie beim Musikhören zu<br />

sehen ist, habe ich mir immer vorgestellt, dass der Soundtrack<br />

aus den Songs besteht, die er hören würde. »Marie<br />

Antoinette« habe ich leider noch gar nicht gesehen ...<br />

Dein Film hat einen exzellent inszenierten Turning-<br />

Point. Anfangs sitzt die Familie beim Abendessen.<br />

Hallam bezeichnet seine Stiefmutter durch die Blume<br />

als Prostituierte. Diese Bemerkung fällt auf besonders<br />

irrwitzige Weise auf ihn zurück, als Hallam von seiner<br />

Stiefmutter verführt wird. Danach wirft sie ihn eiskalt<br />

raus. Später gibt es eine Szene, wo Kate, in die er sich in<br />

Edinburgh verliebt, ein Kleid seiner Mutter trägt. Hallam<br />

fällt ihr weinend in die Arme. Zwei Fälle von Therapie im<br />

Handumdrehen ... Die Sex-Szene zwischen Hallam und seiner<br />

Stiefmutter funktioniert so: Die beiden machen nicht<br />

Liebe miteinander, sie treiben stattdessen ihren Hass auf<br />

den Höhepunkt. Hallam muss das Nest verlassen, und er<br />

hätte es nie im Leben freiwillig getan ...<br />

Hallam geht nach Edinburgh und nimmt einen Job an in<br />

dem Hotel, in dem auch seine »Mutter« – in Gestalt von<br />

Kate, die ihr sehr ähnlich sieht – arbeitet. An seinem Arbeitsplatz<br />

versucht er sich dem Milieu anzupassen, um<br />

die Doppelgängerin nicht zu enttäuschen. Das ist eine<br />

ziemlich komische Wendung. Überhaupt gibt es im Gegensatz<br />

zum düsteren »Young Adam« mehr lustige Momente<br />

... Eigentlich ist »Hallam Foe« eine düstere Geschichte.<br />

Es gibt ein romantisches und ein erlösendes Element<br />

darin, außerdem geht es um einen 17-Jährigen. Und wenn<br />

du es mit einem 17-Jährigen zu tun hast, kommen die Extreme<br />

zum Vorschein – große Freude, tiefe Depression, mächtige<br />

Wut. In dem Alter besitzt man noch nicht das emotionale<br />

Werkzeug, um all diese Gefühle zu kontrollieren. Du<br />

probierst erst mal jeden Weg aus, den du gehen kannst, und<br />

das führt natürlich zu sehr komischen Situationen. »Young<br />

Adam« plätscherte eher dahin, nahm einen ruhigeren Verlauf,<br />

bis es mit der Hauptfi gur bergab ging. Auch Hallam<br />

scheint am Ende verloren, doch immerhin geht er leichtfüßig<br />

ins Ungewisse ...<br />

Edinburgh wirkt auf der Leinwand beeindruckend. Wie<br />

ist dein Bezug zur Stadt? Ich bin mit 17 Jahren in Edinburgh<br />

angekommen und habe im selben Hotel wie Hallam<br />

Foe gearbeitet. Man könnte das einen weiteren Zufall nennen<br />

... Jedenfalls liebe ich Edinburgh, das ist ein großartiger<br />

Ort. Für dieses leicht realistisch angehauchte Märchen<br />

war es die perfekte Kulisse, nicht nur wegen der gotischen<br />

Bauten. Die Luft in Edinburgh schmeckt nach Melancholie,<br />

die Stadt hat eine gespenstische Aura. Das ist so ein Ort, an<br />

dem Geister und Doppelgänger herumschleichen. Hallam<br />

kann ein Lied davon singen. Seine Mutter erscheint ihm als<br />

eine Art Geist in Kate. <strong>Als</strong> ich in Edinburgh lebte, verfolgte<br />

ich selbst dort meinen Doppelgänger. Nicht zu vergessen:<br />

Dr. Jekyll und Mr. Hyde wurden dort erfunden. Der Spirit<br />

von Edinburgh passt außerordentlich gut zu mir – und<br />

zu Hallam Foe.<br />

Preview »Hallam Foe – This is my story« am 27.08.<br />

im Cinenova, Köln. www.intro.de/previews<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ Film _ David Mackenzie / Hallam Foe _ 067<br />

John Boorman<br />

... wurde 1933 geboren. Der briti-<br />

sche Regisseur, Drehbuchautor<br />

und Produzent zeichnet nicht nur<br />

für den enttäuschenden »Excor-<br />

cist II« verantwortlich, sondern ist<br />

berühmt für Klassiker wie »Point<br />

Blank« und »Hell In The Pacifi c«.<br />

Nachdem sein Plan scheiterte,<br />

Tolkiens »Lord Of The Rings« zu<br />

verfi lmen, machte er sich 1981 an<br />

die Artus-Legende ran. Preisfrage:<br />

Wo wird das magische Schwert<br />

»Excalibur« (so auch der Filmtitel)<br />

versenkt?<br />

Hallam Foe -<br />

This is my story<br />

GB 2007<br />

R: David Mackenzie<br />

D: Jamie Bell, Sophia Myles,<br />

Claire Forlani; 30.08.


068 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Film _ Thomas Harlan / Wandersplitter Text: Olaf Möller<br />

Jud Süß<br />

... entstand 1940 unter der Regie<br />

von Veit Harlan als Propaganda-<br />

fi lm, um das Judentum im Sinne<br />

der nationalsozialistischen Ideo-<br />

logie zu diskreditieren. Veit Har-<br />

lan arbeitete nach dem Krieg<br />

weiter als Regisseur. Sein Sohn<br />

Thomas Harlan dazu: »Wenn du<br />

das weißt, dass du einen Ham-<br />

mer gemacht hast, mit dem man<br />

andere totgeschlagen hat, kannst<br />

du nicht mehr ein Hammerma-<br />

cher sein.« »Jud Süß« darf heute<br />

in D-Land nur mit begleitendem<br />

Kommentar aufgeführt werden.<br />

Thomas Harlan –<br />

Wandersplitter<br />

D 2006<br />

R: Christoph Hübner; 30.08.<br />

Thomas Harlan<br />

Die Stadt Ys<br />

Eichborn, 280 S., EUR 19,95<br />

Jean-Pierre Stephan<br />

Thomas Harlan<br />

Das Gesicht deines Feindes.<br />

Ein deutsches Leben<br />

Eichborn, 280 S., EUR 22,95<br />

Thomas Harlan – Wandersplitter.<br />

Ein anderes deutsches Leben<br />

Gespräche mit Thomas Harlan im Kino und als Buch. Dazu neue Erzählungen<br />

des Filmemachers, Schriftstellers und Nazijägers, dessen Vater den<br />

Propagandafi lm »Jud Süß« verbrochen hat. Eine Würdigung von Olaf Möller.<br />

Im September erscheint endlich Thomas Harlans Erzählungenzyklus<br />

»Die Stadt Ys«, fl ankiert von Jean-<br />

Pierre Stephans durch Dokumente, Bilder sowie Archivschätze<br />

geweitetem Gesprächsband »Thomas<br />

Harlan – Das Gesicht deines Feindes. Ein deutsches<br />

Leben«. Derweil startet im Kino Christoph Hübners und<br />

Gabriele Voss’ »Thomas Harlan – Wandersplitter«; die DVD-<br />

Fassung – halb »Director’s Cut de luxe«, halb interaktives<br />

Experiment – soll parallel dazu in den Handel kommen.<br />

In den meisten Darstellungen, quer durch alle Medien,<br />

ist Thomas Harlan vorrangig der Sohn von Hilde Körber<br />

und Veit Harlan, einem der entscheidenden deutschen Filmemacher<br />

der 30er- bis 50er-Jahre. »Jud Süß«, Veit Harlans<br />

historisch notorischstes Werk, machte ihn zu einem Verfemten<br />

des Kinos. Weshalb Thomas Harlans Lebenswerk,<br />

all sein Schaffen und Suchen und Werden, meist psychologisch<br />

gedeutet wird. Dann gelten seine frühen Stücke aus<br />

den 50ern, kulminierend in »Ich selbst und kein Engel –<br />

Chronik aus dem Warschauer Ghetto«, seine Jagd auf Nazi-<br />

Verbrecher in den 60er-Jahren, sein schmales, aber reiches<br />

fi lmisches Schaffen in den 70ern und 80ern mit »Wundkanal.<br />

Hinrichtung für vier Stimmen«, seine Triumphe als Romancier<br />

in den Nullerjahren des dritten Millenniums mit<br />

»Rosa« und »Heldenfriedhof« vor allem als Reaktion auf<br />

die moralischen Versäumnisse, Vergehen, Verbrechen des<br />

Vaters. Das stimmt vielleicht sogar und ist ja auch nicht<br />

schlimm. Wichtiger aber wäre es, Harlans Arbeit als Konsequenz<br />

von Lern- und Erkenntnisprozessen zu verstehen.<br />

Da hat einer sein Unrecht, wie abstrakt es sein bzw. wirken<br />

mag, erkannt. Nun versucht er, andere Wege zu begehen.<br />

Einige davon müssen erst durch Dickichte gehackt werden.<br />

Andere sind unter Sträuchern verborgen, allein die Erinnerung<br />

legt sie wieder frei.<br />

Im Zentrum von Harlans Werk steht die Frage, wie das<br />

Leben durch die Biografi en vieler anderer zum eigenen<br />

wird. »Thomas Harlan – Wandersplitter« ist angelegt als<br />

Anti-Biografi e und beginnt mit einer Erzählung »ohne ich«,<br />

in der es um Zeugenschaft geht. Harlan bezeugt das Leben<br />

eines Sowjet-Bürgers, den er zwar nicht kennt, der ihn aber<br />

eines Tages in seine Wohnung mitnahm, um ihm alte Zeitungen<br />

zu zeigen, die beweisen, dass er in einem entscheidenden<br />

Jahr in Deutschland gewesen war. Es geht um historische<br />

Solidarität. »Wundkanal. Hinrichtung für vier<br />

Stimmen« erzählt davon, wie – Schatten des bewaffneten<br />

Kampfes in der Bundesrepublik – ein Nazi so lange drastisch<br />

bearbeitet wird, bis er seine Taten wider die Menschlichkeit<br />

gesteht. Zwischen der Zeugenschaft und dem Geständnis<br />

liegen immer Akten und Beweise. Das Gewebe aus<br />

Erzählungen, Perspektiven, Ebenen, Zeiten, Stilen und Brüchen,<br />

das Harlans Roman »Heldenfriedhof« ist, wird von Fotos<br />

diverser Haupt- und Nebencharaktere der Geschichte<br />

geklammert. Das Gefühl des Augenblicks darin ist brutal,<br />

übrig bleibt das Dokument.<br />

Thomas Harlan wäre es lieber, die Menschen würden einfach<br />

die Wahrheit sagen und sich der Gnade ergeben, die in<br />

allen Menschen lebt. Im schlimmsten Fall wären dann die<br />

Verbrecher geächtet und deshalb allein unter sich. In der<br />

Geschichte waren sie immer unter uns. So muss es zwar<br />

nicht weitergehen. Aber kann Veränderung ein Ereignis<br />

werden zu einer Zeit in einem Land, das einem Versager am<br />

Leben wie Günther Grass nicht das Wirken eines Heinz von<br />

Cramer oder eben eines Thomas Harlan entgegenhält? Gerade<br />

dann.


070 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme im Kino<br />

Neue Filme im Kino 09.2007<br />

Beim ersten Mal<br />

Der US-amerikanische Komödienregisseur Judd<br />

Apatow ließ in »Jungfrau (40), männlich sucht ...« die<br />

Hauptfi gur ein halbes Leben lang warten, ehe die<br />

Triebkräfte durchbrechen konnten. In »Knocked Up<br />

– Beim ersten Mal« hadern die Protagonisten nach der<br />

unproblematischen Triebabfuhr eher mit der Arterhaltung.<br />

So schnell sich Ben und Alison (Seth Rogen<br />

und Katherine Heigl) nach einem Abend gemeinsam<br />

im Bett wiederfi nden, so schnell offenbart der Morgen<br />

danach die Unterschiede. Hier der sorglos in den<br />

Tag hinein lebende Twentysomething, dort die ambitionierte<br />

Medienfrau. Doch ein Schwangerschaftstest<br />

macht deutlich, dass die Nacht Folgen hat. Und die<br />

One-Night-Standler nutzen trotz der Warnungen aus<br />

ihren Bekanntenkreisen das knappe Zeitfenster bis<br />

zum Ablaufen der biologischen Uhr. Ob vielleicht zusammenwächst,<br />

was nicht zusammengehört? Klingt<br />

nach dem perfekten Ausgangspunkt für den fi lmischen<br />

Entwicklungsroman über einen Nerd, der sich<br />

dem Ernst des Lebens stellt und darüber erwachsen<br />

wird. In so feste Tücher will Apatow seine Geschichte<br />

jedoch nicht wickeln. Schon in seinem Debüt gewann<br />

die Jungfräulichkeit in einer oversexsten und<br />

hochkomplexe Geschlechterverhältnisse ausbildenden<br />

Gesellschaft zunehmend an Attraktivität. Folgerichtig<br />

hat auch der Lifestyle Bens einiges für sich.<br />

Wenn Erfolg bedeutet, wie Jessica Simpson zu sein, es<br />

zu Beförderungen Diätkurse als Geschenk gibt und<br />

der Weg zum Kind über unzählige Gynäkologen-Besuche<br />

und Regale von Fachliteratur führt, dann stoßen<br />

berufl iche und private Underachiever durchaus auf<br />

Verständnis. So hält der Regisseur zu seinem Antihelden,<br />

zieht ihn eher verstohlen aus seiner Chaos-WG ab<br />

und verschafft ihm einen Schreibtisch-Job – sorgsam<br />

darauf bedacht, keinen Vorwand für einen Spießigkeitsdiskurs<br />

zu liefern. Dem heutzutage gängigsten<br />

Familienplanungsmodell des »Projekt-gebundenen<br />

Kindes« entspricht der Nerd-Nachwuchs dann ja auch<br />

nicht gerade. Ähnlich wie den Filmen der Farrellys und<br />

vielen anderen besseren US-Komödien liegt »Beim<br />

ersten Mal« ein tiefer Humanismus zugrunde. Dessen<br />

Quellen sind allerdings weniger philosophischer, vielmehr<br />

ganz profaner Natur: Judd Apatow gehörte zu<br />

den Jungen, die beim Sport immer zuletzt in ein Team<br />

gewählt wurden. Die Popkultur-bildende Kraft dieser<br />

Erfahrung ist nicht zu unterschätzen.<br />

Jan Pehrke<br />

Beim ersten Mal<br />

USA 2007<br />

R: Judd Apatow; D: Seth Rogen,<br />

Katherine Heigl; 23.08.<br />

Ostpunk<br />

Es ist nicht gerade schwer, die Meinung zu vertreten,<br />

Punk sei immer und überall gleich. Und zwar:<br />

verkürzter Rock, der von seiner Attitüde lebt und sich<br />

durch einen gewissen Verweigerungsstyle erkennbar<br />

macht. Punkt. Gähn. So ist es. Die ästhetische Starrheit,<br />

die bierige und hundige Vereinsmeierei tun ein<br />

Übriges. Man muss denken, Punk habe als hedonistischer<br />

Nihilismus komplett abgewirtschaftet. Das<br />

mag schon so sein, aber es gibt immer noch was zu<br />

entdecken. Hey, zum Beispiel Ostpunk. Musikalisch<br />

sind die Differenzen zum West-Pendant nicht der<br />

Rede wert – viel Geboller, bisschen Avantgarde. Aber<br />

durch die Agonie der DDR in den 80ern erfüllte Punk<br />

eine ganz andere gesellschaftliche Rolle, war hochgradig<br />

dissident und bescherte einer ganzen Generation<br />

von Protagonisten ernste Schwierigkeiten. Und<br />

solche vereinen auch ausnahmslos die Veteranen des<br />

Films »Ostpunk«. Knastaufenthalte für alle. Von so<br />

viel Brisanz konnte der harmlose Dorfpunk West nur<br />

(schlecht) träumen. Die Regisseure Fiebeler und Boehlke<br />

besuchen sechs Charaktere der Zeit mit der Kamera.<br />

Sammeln dabei krasse Anekdoten, zeigen alte<br />

Wunden, genutzte und verpasste Chancen. Der selbstständige<br />

Bauunternehmer, der Reihenhausharmonie<br />

genau wie eine Feierabend-Hardcore-Punkband<br />

lebt, die alleinerziehende Mutter, die noch an der Vehemenz<br />

der damaligen Zeit knabbert, oder Cornelia<br />

Schleime, die mittlerweile als etablierte Künstlerin<br />

in Paris, Amsterdam und New York ausstellt. Den Geschichten<br />

zu folgen ist erwartungsgemäß kurzweilig,<br />

und wie gesagt: neben Nostalgie werden auch Erkenntnisgewinne<br />

ausgeschüttet. Gerade auch im globalen<br />

Zusammenhang mit dem vor kurzem erschienenen<br />

Film über Punks in China, »Bejing Bubbles«, der<br />

Punk ebenfalls im Kontext von ungleich konsequenterer<br />

Lebensführung darstellt. Befremdlich nur, dass<br />

die Filmemacher dem Genre Doku nicht wirklich trauen<br />

und immer wieder mit technischen Stilmitteln nerven.<br />

Formalistischer Quatsch, der wohl als Aufl ockerung<br />

des seriösen Formats zu verstehen ist. Tja, Punk<br />

kann man eben leicht missverstehen. In diesem Fall<br />

als Aufforderung, eine unkonventionellere, brüchige<br />

Bildersprache zu schaffen. Das soll hier aber nur<br />

am Rande erwähnt werden, der Power des Films tut es<br />

letztlich keinen Abbruch (erwähnenswert auch das dazugehörige<br />

Buch, erschienen im Verbrecher Verlag).<br />

Linus Volkmann<br />

Ostpunk – Too Much Future<br />

D 2007<br />

R: Carsten Fiebeler, Michael Boehlke;<br />

D: Daniel Kaiser, Colonel, Mita Schamal; 23.08.<br />

Yella<br />

Der Berliner Filmemacher Christian Petzold ist den<br />

meisten VertreterInnen des deutschen zeitgenössischen<br />

Kinos gleich mehrere Schritte voraus: Bei<br />

ihm sind Film-Genres keine leeren Zitate, sondern<br />

glaubhaft belebte Erzählformen. Sujets des Kriminalfi<br />

lms, des Familienmelodrams oder gar des Mystery-<br />

Thrillers verpfl anzt Petzold in eine deutsche Realität,<br />

die spezifi sch ist und sich nicht an großen generellen<br />

Themen, dafür an genauen Figuren und wirklichen<br />

Räumen versucht. Auf diese Weise entstand eine<br />

der wenigen Autoren-Handschriften, deren Schwung<br />

man in diesem Land noch gerne folgt – und das jetzt<br />

schon über sieben Filme hinweg, zu denen die kleinen<br />

Geniestreiche »Die innere Sicherheit« (2001) und »Gespenster«<br />

(2005) gehören. Petzolds Arbeiten sind geprägt<br />

von reduzierter Ruhe und einem refl ektierten<br />

Realismus, der Magie in den getriebenen Figuren der<br />

neodeutschen Republik sucht, wenn sie probieren, ihren<br />

Platz in zerbröckelnden Gesellschaftsgefügen zu<br />

fi nden. Frauenfi guren gehören zu seinen stärksten<br />

Charakteren – so ist es auch bei der Ostdeutschen Yella,<br />

die von einer der großen Petzold-Schauspielerinnen,<br />

Nina Hoss, gespielt wird.<br />

Yella will weg – aus dem Neverland-Dorf Wittenberge,<br />

von ihrem anhänglichen Ex-Mann Ben und ihrem<br />

hemdsärmelig-liebevollen Vater. Im Westen erhofft<br />

sie sich Unabhängigkeit. Doch der Ballast ihres bisherigen<br />

Lebens verfolgt sie. Die Firma in Hannover, bei<br />

der sie als Buchhalterin auf Probezeit arbeiten soll,<br />

ist schon insolvent, als sie ankommt. Glücklicherweise<br />

trifft sie Philipp (Devid Striesow), einen Investment-Typen,<br />

der um Anteile von Firmen feilscht. Kurz<br />

werden die beiden ein Paar, eine Art Bonnie und Clyde<br />

des Neoliberalismus. Virtuos ziehen sie bei Meetings<br />

die Geschäftspartner über den Tisch. Solche kleinen<br />

Thrills kicken Yella und überzeugen sie von dem pragmatischen<br />

Philipp. Aber funktioniert das neue, bessere<br />

Leben so einfach? Macht es glücklich? Natürlich<br />

nicht. Petzold schafft es, dem neuen Markt der immateriellen<br />

Anteile konkrete Bilder – und seiner Heldin<br />

eine faszinierende Innenwelt darin aufzubauen. Aber<br />

wie unangenehme Echos der Vergangenheit Yellas<br />

Lebensentwurf bedrohen und schließlich versenken,<br />

wie der Traum zerplatzt, lässt sich zwischen unwirklicher<br />

Mystery und postrealistischer Erzählung kaum<br />

genauer beschreiben.<br />

Tim Stüttgen<br />

Yella<br />

D 2007<br />

R: Christian Petzold; D: Nina Hoss, Devid Striesow,<br />

Hinnerk Schönemann; 13.09.


28 Weeks Later<br />

GB 2007<br />

R: Juan Carlos Fresnadillo;<br />

D: Robert Carlyle, Rose Byrne,<br />

Jeremy Renner; 30.08.<br />

Aus Danny Boyles »28 Days Later« kennen<br />

wir die wutentbrannten Zombies<br />

schon. Auf der Jagd nach dem nächsten<br />

Biss wollen sie nicht bloß ihren Hunger<br />

stillen. Sie werden getrieben von einem<br />

hirnlosen Impuls – von reiner Gier,<br />

die keine Sättigung kennt. In Boyles<br />

Version waren noch die Insignien einer<br />

Kritik der Kosum- und Kontrollgesellschaft<br />

angelegt; im zweiten, postapokalyptischen<br />

Teil »28 Weeks Later«<br />

scheint der zivilisatorische Restbestand<br />

vollends auf zerrüttete Familien<br />

und ein dysfunktional-militärisches<br />

Kontrollregime zusammengeschrumpft<br />

zu sein. Das von Juan Carlos<br />

Fresnadillo (»Intacto«) inszenierte<br />

Sequel setzt ein, als alle Infi zierten<br />

verhungert sind. Kleinbritannien soll<br />

mit einigen Tausend Überlebenden unter<br />

der Leitung einer amerikanischen<br />

NATO-Einheit im Londoner Distrikt Isle<br />

of Dogs wiederaufgebaut werden. Dort<br />

empfängt Don Harris (Robert Carlyle)<br />

seine zurückkehrenden Kinder Andy<br />

(Mackintosh Muggleton) und Tammy<br />

(Imogen Poots). Fortan sollen sie in<br />

dem sterilen Hochsicherheitstrakt leben.<br />

Aber die Kinder stehlen sich an allen<br />

Kontrollen und Barrikaden vorbei,<br />

um zumindest ein Erinnerungsfoto ihrer<br />

geliebten Mutter Alice (Catherine<br />

McCormack) zu besorgen. Diese wurde<br />

von Don während einer Zombieattacke<br />

im Stich gelassen und gilt als tot. Sie<br />

lebt aber zu Hause, zwar immun gegen<br />

die Krankheit, doch Trägerin des wütenden<br />

Virus’. So wird Alice zu Untersuchungszwecken<br />

in die Sicherheitszone<br />

geführt. Von Schuldgefühlen geplagt,<br />

ignoriert nun auch Don alle Vorschriften<br />

und gibt seiner Frau einen Kuss mit<br />

fatalen Folgen. Die Sicherheitszone verwandelt<br />

sich binnen Sekunden in ein<br />

Vernichtungslager. Auch hier scheitert<br />

das allzu menschliche Kontrollregime.<br />

Peter Scheiffele<br />

Hippie Masala<br />

CH 2006<br />

R: Ulrich Grossenbacher,<br />

Damaris Lüthi; 30.08.<br />

Indische Bauern vermuteten eine<br />

Dürre im Westen als Ursache für die<br />

Einwanderung von Millionen junger<br />

Menschen in ihr Land in den 60er- und<br />

70er-Jahren. Vielleicht hatten sie damit<br />

gar nicht so unrecht, zumindest in mentaler<br />

oder spiritueller Hinsicht. Von einem<br />

inneren Ausgetrocknet-Sein, vom<br />

Hunger nach Erfahrung und Freiheit<br />

künden zumindest die Leben jener Personen,<br />

die im Dokumentarfi lm »Hippie<br />

Masala« von einem ebenso zärtlichen<br />

wie humorvollen Kamerablick begleitet<br />

werden. Etwa der gekrümmte und wie<br />

verdörrt wirkende Körper des Asketen<br />

Cesare, der sein Herkunftsland Italien<br />

in der Hippieära verließ und dann eher<br />

zufällig einfach in Indien geblieben ist.<br />

Beinahe alle ProtagonistInnen erzählen<br />

identische Geschichten von einer<br />

wilden Jugend, von Problemen mit Autoritäten,<br />

die deshalb abhandengekommenen<br />

sind – illegale Migration mal andersrum.<br />

Sie erzählen die Geschichte einer<br />

Flucht, die wohl auch im Dschungel,<br />

in ärmlichen Dörfern und in einer malerischen<br />

Landschaft nur oberfl ächlich<br />

besehen ein Ende fi ndet. Denn dass sie<br />

im Land ihrer Träume niemals wirklich<br />

ankommen können, ist allen bewusst.<br />

Und so ziehen sie sich in ihre jeweiligen<br />

Reservate zurück: in Kunst und Kleinfamilie,<br />

in die Askese oder auch in die Re-<br />

konstruktion ihrer Heimat. Wunderbar<br />

grotesk, dem Schweizer Hanspeter dabei<br />

zuzusehen, wie er so bekifft wie ungeschickt<br />

an seinem Bergbauernidyll<br />

samt protzigem Eigenheim und verbotenen<br />

Jagdausfl ügen baut – und wie seine<br />

indische Frau umgekehrt von ihrem<br />

Lebenstraum erzählt: weit weg von hier<br />

allein sein.<br />

Arno Raffeiner<br />

Sakuran –<br />

Wilde Kirschblüte<br />

J 2006<br />

R: Mika Ninagawa;<br />

D: Anna Tsuchiya,<br />

Masanobu Ando; 30.08.<br />

Carassius auratus, goldene Fische.<br />

Bei Mika Ninagawa tanzen sie im 15-<br />

Minuten-Takt zu J-Pop im hochpreisigen<br />

Kurtisanenmilieu der Edo-Zeit vor<br />

den Augen des Publikums. Das Kinodebüt<br />

der international renommierten<br />

Fotografi n provoziert den Vergleich<br />

zwischen den leibeigenen Sexarbeiterinnen<br />

des Vergnügungsghettos Yoshiwara<br />

und der beliebten Karpfenart<br />

im Glas. Aber wer mag den androzentrischen<br />

Gemeinplatz der sexualisierten<br />

Asiatin in der spärlichen Geschichte<br />

um die Prostituierte Tomeki monieren,<br />

wenn J-Punkstar Anna Tsuchiya als<br />

Geisha Kiyoha ihre Kolleginnen verprügelt?<br />

Die Adaption des Mangas »Sakuran«<br />

würde wohl kaum in Ninagawas<br />

Polaroidstil funktionieren, porträtierte<br />

sie das Leben eines der wesentlich zahlreicheren,<br />

eher unbezahlten »Teemädchen«<br />

des 17. Jahrhunderts. Das Dilemma<br />

der als Kind verkauften Kiyoha, die<br />

auf die Kirschblüte wartet, weil sie damit<br />

die Befreiung aus ihrem Gefängnis<br />

assoziiert, ist aber durchaus kurzweilig<br />

– zwischen bitterbösen Kommentaren<br />

über einschläfernde Stammkunden<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme im Kino _ 071<br />

fortgeschrittenen Alters und dem Ekel<br />

während der medizinischen Inspektion<br />

durch den Besitzer. Wem die japanischen<br />

Verhältnisse vertraut sind, mag<br />

an die vagabundierenden Mädchen in<br />

Tokios jetzigem Vergnügungsviertel<br />

Shibuya denken – daran, wie sie sich mit<br />

Beauty-One-Night-Stand-Ausstattung<br />

auf dem Rücken im Kentucky Fried<br />

Chicken vor einem ihrer »kompensierten<br />

Dates« für eine Gucci-Tasche neben<br />

Burger und Coke die Locken nachdrehen.<br />

Fürwahr, die zeitgenössischen<br />

Goldfi schbecken sind größer geworden.<br />

Birgit Binder<br />

<strong>Intro</strong> verlost je 2 x 20 Karten für Previews<br />

in Berlin (28.08.) und Köln (05.09.). www.<br />

intro.de/previews<br />

Video Kings<br />

D 2007<br />

R: Daniel Acht, Ali Eckert;<br />

D: Fabian Busch, Wotan Wilke<br />

Möhring, Monica Nancy Wick; 06.09.<br />

»Video Kings« ist so ein Film, den man<br />

eigentlich auf Anhieb scheiße fi nden<br />

möchte: Da wollen wohl welche zwanghaft<br />

auf Kult machen. Und wie immer,<br />

wenn man es mit einem voll geil dreckigen<br />

und selbst gemachten deutschen<br />

Film zu tun hat, ist Til Schweiger in einer<br />

Nebenrolle mit dabei. Und Bela B.<br />

auch. Klaro. Und der voll auf die Zwölfe<br />

gehende Soundtrack kommt von, ähem,<br />

Sympathieträgern wie den Beatsteaks,<br />

Muff Potter und Elke.<br />

Aber für eine deutsche Screwball-Komödie<br />

ist »Video Kings« gar nicht mal<br />

so übel. Daniel Acht und Ali Eckert inszenieren<br />

eine dünne, aber akzeptable<br />

Story als Plattform für allerhand Schabernack.<br />

Wer also weiß, worauf er sich<br />

einlässt, wird hier gut bedient.<br />

Oliver Minck


072 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme auf DVD<br />

Neue Filme auf DVD 09.2007<br />

The Fountain<br />

<strong>Als</strong> »The Fountain« Anfang dieses Jahres ins Kino<br />

kam, galt der Film als großes, kaum zu entschlüsselndes<br />

Rätsel. Das rief, oberfl ächlich betrachtet, Parallelen<br />

zum anderen großen Rätselfi lm des Jahres,<br />

David Lynchs »Inland Empire«, auf den Plan. Doch anders<br />

als Lynchs Digicam-Kryptogramm, das allerorten<br />

– zu Recht – als große Kunst gefeiert wurde, hinterließ<br />

Aronofskys Meditation über Leben und Tod eher<br />

ratlose, vor allem aber enttäuschte Gesichter. Teilweise<br />

verständlich. Irgendwie hatten sich die Zuschauer<br />

von Lynchs zirkularem Zeitbegriff ja nichts anderes<br />

erhofft als ein nicht betretbares Labyrinth; bei Aronofsky<br />

war die Erwartungshaltung eine andere. Sowohl<br />

»Pi« als auch »Requiem For A Dream«, beide mittlerweile<br />

Klassiker des Independent-Kinos der 90er-<br />

Jahre, waren ebenfalls kryptische, bildgewaltige Rätsel,<br />

die sich aber selbst genügten und den Zuschauer<br />

nicht vor universalen philosophischen Fragestellungen<br />

kapitulieren ließen. Dennoch muss man, gerade<br />

auch mit der Möglichkeit, diesen Film jetzt auf DVD<br />

zu genießen, konstatieren, dass die negative Rezeption<br />

nicht ganz fair war.<br />

Aronofsky erzählt drei Geschichten, die den Zeitraum<br />

von 1000 Jahren umspannen. Eine spielt in der<br />

Vergangenheit, wo ein Mitglied des Stamms der Maya<br />

nach dem Baum des Lebens sucht, um seine gefangene<br />

Königin zu befreien. In der Gegenwart sucht ein<br />

Mediziner anhand von Baumextrakten eine Medizin<br />

für seine sterbende Frau. In der Zukunft schließlich<br />

versucht ein Astronaut, der mit einem Baum in einer<br />

Kapsel reist, sich einem sterbenden Stern zu nähern,<br />

um die ewige Liebe zu fi nden. Nacheinander erzählt,<br />

würde hier vielleicht wenigstens noch der »Solaris«-<br />

Effekt eintreten, doch Aronofsky überlagert seine Geschichten<br />

und lässt die Figuren auch noch von den<br />

gleichen Schauspielern spielen. Dies deutet dem Zuschauer<br />

die Richtung: die Negation linearer Zeit, ja,<br />

die Negation von Geschichte als konstituierendem<br />

Element und die Bestätigung eines zirkularen Systems,<br />

das von zwei Pfeilern getragen wird: Liebe und<br />

Leben. Manchmal ist die Suche von Erfolg gekrönt,<br />

manchmal nicht, aber es ist eine ewige Suche, die natürlich<br />

an Kurt Vonneguts Tralfamadorianer und deren<br />

zirkulares Zeitkonzept denken lässt. Und an Borges.<br />

Und an Kafka. Ein Film, der dringend neu bewertet<br />

werden muss.<br />

Sascha Seiler<br />

The Fountain<br />

USA 2006<br />

R: Darren Aronofsky; D: Hugh Jackman, Rachel<br />

Weisz; Kinowelt<br />

Michael Haneke Box<br />

Die Handschrift des österreichischen Filmemachers<br />

Michael Haneke ist unverkennbar. <strong>Als</strong> Seziertechnik<br />

eines Pathologen, der in entfremdete Verhältnisse<br />

eingreift, um sie offenzulegen, modellhaft zu<br />

verdichten und den Zuschauer zu konfrontieren, ist<br />

die Signatur in fast allen seinen Filmen präsent – die<br />

vorliegende Box bestätigt dies. In »Code unbekannt«<br />

und »Wolfszeit« modelliert Haneke gesellschaftliche<br />

Szenarien des Scheiterns der Kommunikation<br />

und des fast beiläufi gen Einbruchs von Gewalt, dramaturgisch<br />

unversöhnlich und mit je unterschiedlichen<br />

Konsequenzen für die Protagonisten: Abschiebung<br />

oder Verhaftung, Demütigung oder Traumatisierung.<br />

Haneke verwendet Mittel, die den psychologischen<br />

Realismus des Mainstream stets zu umgehen<br />

versuchen. Dem Zuschauer wird keine Möglichkeit<br />

gelassen, sich in der Pathologisierung des Einzelfalls<br />

aus der Verantwortung zu stehlen. Die Verfi lmung von<br />

Franz Kafkas »Schloss«-Fragment mag auf den ersten<br />

Blick aus der Reihe tanzen: Hölzern wirkt die Erzählstimme<br />

aus dem Off, fast theatralisch die Szenerie.<br />

Jedoch erkennt man ein Leitmotiv, das Hanekes<br />

Werk durchzieht: das Fremdsein in der Welt. Der entfremdende<br />

bürokratische Verwaltungsakt, die dezentrale<br />

Macht der Agentenschaft erscheinen vollständig<br />

in die sozialen Verhältnisse eingelassen, leiten sie<br />

an und sind der Rückbindung auf Verantwortlichkeiten<br />

entzogen. Doch die Strenge und Klarheit, mit der<br />

Haneke die emotionale Vereisung in seinen Filmen<br />

herausarbeitet, wird nicht in die Rezipienten hineinverlängert.<br />

Indem Haneke konsequent die gewohnten<br />

fi lmischen Techniken der emotionalen Bindung<br />

und Identifi kation verweigert, eröffnet er auf Seiten<br />

der Zuschauer einen Refl exionsraum und löst bisweilen<br />

eine Bewegung aus, Ähnlichkeiten mit dem Vorgeführten<br />

im eigenen Leben zu suchen. Denn eine Antwort<br />

auf die Frage, wer das auf der Leinwand ist und<br />

was er mit dem persönlichen Alltag gemein hat, liefert<br />

bei Haneke niemals der Film selbst, sondern obliegt<br />

stets der Verantwortung der Zuschauer. Wer von der<br />

kritischen Haltung Hanekes und von seinem selbstrefl<br />

exiven Umgang mit den Medien noch mehr erfahren<br />

will, als dieser selbst eh schon in seinen Filmen durchblicken<br />

lässt, der sei auf das ebenfalls im Paket enthaltene<br />

Porträt »24 Wirklichkeiten in der Sekunde« von<br />

Nina Kusturica und Eva Testor verwiesen.<br />

Peter Scheiffele<br />

Michael Haneke Box<br />

Wolfzeit / Das Schloss / Code<br />

unbekannt / 24 Wirklichkeiten in<br />

der Sekunde; Absolut Medien<br />

Der letzte König<br />

Wie fi lmt man Afrika? Wie soll man sich ein adäquates<br />

Bild machen von einem derart differenzierten<br />

und doch in der Außenwahrnehmung immer wieder<br />

zwangshomogenisierten Kontinent? Einen möglichen<br />

Weg beschreitet der Dokumentarfi lmer Kevin<br />

MacDonald mit seinem Spielfi lmdebüt »Der letzte König<br />

von Schottland«. Der narrative Kniff zum Einstieg<br />

ist fast so alt ist wie das Filmemachen selbst: MacDonald<br />

schickt einen Protagonisten, der dem Zuschauer<br />

vertraut scheint – den übermütigen, abenteuerlustigen<br />

schottischen Arzt Nicholas Garrigan –, in eine<br />

für ihn fremde Umgebung. Das Publikum nähert sich<br />

dem neuen Terrain im Tempo der Filmfi gur an. Nur<br />

dass der Zuschauer hier dem Jungmediziner einen<br />

entscheidenden Schritt voraus ist: Er weiß schon, als<br />

welches Scheusal sich der gerne mal als »Kannibale«<br />

titulierte ugandische Diktator Idi Amin (Forest Whitaker)<br />

entpuppen wird, bevor Garrigans und Amins<br />

Wege sich kreuzen. MacDonald schließt den afrikanischen<br />

Kampf gegen die Kolonialmächte und das<br />

schottische Ringen um Unabhängigkeit kurz – jeweiliger<br />

Feind ist das Commonwealth. Außerdem lässt er<br />

einen kindlich-naiven Lebensretter auf einen psychotisch-kindlichen<br />

Gewaltmenschen prallen. Zwischen<br />

den beiden entfaltet sich eine seltsame Ebene voller<br />

schulbubenhafter Zoten und feixender Scherze – Arzt<br />

und Diktator kommen sich auch menschlich näher.<br />

MacDonalds Thriller zeichnet zwei verschiedene Abstiege<br />

in ungeahnte Untiefen nach, ohne je eindimensional<br />

oder platt zu wirken. Idi Amin werden viele widersprüchliche<br />

Facetten zugestanden – am Ende wird<br />

sein Wahn doch entlarvt. Forest Whitaker verkörpert<br />

eindrucksvoll die Neigung hin zur Paranoia. Garrigan,<br />

hervorragend dargestellt von »Shameless«-Star<br />

James McAvoy, bewegt sich weg von der kognitiven<br />

Dissonanz, hin zur Erkenntnis. <strong>Als</strong> Höhepunkt dient<br />

dem Film Amins legendärer Auftritt auf der Bühne der<br />

Weltpolitik: die Flugzeugentführung von Entebbe.<br />

Ein Ereignis am Scheideweg. Amin profi liert sich ein<br />

letztes Mal, für Garrigan ergibt sich ein Fluchtpunkt<br />

im wahrsten Sinne des Wortes. Afrika bleibt zurück.<br />

Wie man es in einem Spielfi lm mit nicht unproblematischem<br />

Thema fi lmen könnte, zeigt Kevin MacDonald<br />

teils eindrucksvoll. Und er offenbart, dass dabei<br />

nicht das einheitliche Bild entstehen muss, das viele<br />

Europäer erwarten.<br />

Hias Wrba<br />

Der letzte König von Schottland<br />

GB/D 2006<br />

R: Kevin MacDonald; D: Forest Whitaker,<br />

James McAvoy; Fox Home Entertainment


Indianapolis<br />

USA 1969<br />

R: James Goldstone; D: Paul<br />

Newman, Joanne Woodward,<br />

Robert Wagner; Koch Media<br />

Im amerikanischen Original trägt dieser<br />

Rennwagen-Film einfach den Titel<br />

»Winning«, und genau darum geht es<br />

auch. Ein noch relativ junger Paul Newman<br />

spielt einen aufstrebenden Rennfahrer,<br />

dessen großer Traum es ist, einmal<br />

die 500 Meilen von Indianapolis<br />

zu gewinnen – das prestigeträchtigste<br />

Rennen der Welt. Während sein größter<br />

Rivale ihm die Ehefrau ausspannen<br />

will. James Goldstones Film gelang ein<br />

Klassiker im Genre der Rennfahrerfi lme,<br />

die in den 70er-Jahren äußerst beliebt<br />

waren.<br />

Sascha Seiler<br />

Kippenberger –<br />

Der Film<br />

D 2006<br />

R: Jörg Kobel; Absolut Medien<br />

Wer war Martin Kippenberger? Auch<br />

der Dokumentarfi lm von Jörg Kobel<br />

gibt darauf keine endgültige Antwort.<br />

Zum Glück. Die Verweigerungsstrategie<br />

war zentraler Bestandteil von Kippenbergers<br />

Leben und Arbeit. Für die<br />

Neuen Wilden war er zu konzeptuell,<br />

für die Concept Art zu ungestüm, für<br />

den Kunstbetrieb zu frech, für Punk zu<br />

gut angezogen. Kippenberger sei darin<br />

erfolgreich gewesen, nicht zu gefallen,<br />

heißt es im Verlauf des Films über einen<br />

Künstler, der wie kaum ein anderer Widersprüche<br />

produktiv gemacht hat und<br />

aufgrund einer fundamentalen Skep-<br />

sis (nennen wir sie ruhig Punk-Haltung,<br />

da sie für den frühen Punk konstitutiv<br />

war) jegliche Berechenbarkeit scheute.<br />

Wie kein anderer Künstler nach Andy<br />

Warhol hat Kippenberger permanent<br />

produziert, unentwegt Bücher und Flyer<br />

auf den Markt geworfen und so eine<br />

eigene kleine Kippenberger-Industrie<br />

am Leben erhalten. Ein Privatleben im<br />

herkömmlichen Sinne gab es nicht,<br />

selbst noch die einsamen Nächte im Hotel<br />

verbrachte er damit, das in den Zimmern<br />

ausliegende Briefpapier vollzuzeichnen.<br />

Die nächtlichen Saufgelage,<br />

so sein Assistent, waren ebenfalls<br />

nie privat, sondern dienten dazu, neue<br />

Themen für die Arbeit zu fi nden. Kobels<br />

Porträt reduziert Kippenberger nicht<br />

auf seine Kalauer und Trinkgelage, sondern<br />

zeigt auch einen ernsten Menschen,<br />

der sich identitären Zuweisungen<br />

verweigerte und nirgends dazugehören<br />

konnte. »Er brauchte einen Pegel,<br />

um die Leute zu ertragen«, kommentiert<br />

seine Schwester. Der Film liefert<br />

einen wichtigen Beitrag zum Verständnis<br />

von Kippenbergers Arbeit, die seit<br />

geraumer Zeit der Gefahr ausgesetzt<br />

ist, isoliert vom unbequemen »Gesamtkunstwerk«<br />

rezipiert zu werden.<br />

Martin Büsser<br />

Die neun Pforten<br />

F 1999<br />

R: Roman Polanski; D: Johnny<br />

Depp, Frank Langella, Lena Olin;<br />

Kinowelt<br />

Bücher, die nicht mehr aufgelegt werden,<br />

sind schwer zu beschaffen. Vor allem,<br />

wenn der Teufel persönlich der Au-<br />

Tribute: John Waters<br />

Seien wir doch mal ehrlich und nennen ihn – einen<br />

großen Meister. Schmeißen wir selbstbewusst<br />

mit einem Superlativ um uns, der gewöhnlich<br />

für ein gelungenes Verhältnis von<br />

Form und Inhalt, Handwerk und Anspruch steht. Dass<br />

man bei dem mittlerweile 60-jährigen John Waters an<br />

tor ist. Dementsprechend auf eine Odyssee<br />

begibt sich der leicht schmierige<br />

Buchhändler Dean Corso (Johnny Depp)<br />

in Roman Polanskis »Die neun Pforten«.<br />

Das erinnert an »Angel Heart« und »Necronomicon«.<br />

Mysteriöse Auftraggeber,<br />

Intrigen und eine Lektüre, die es wert<br />

ist, das eine oder andere Menschenleben<br />

für sie zu opfern. Klischierte Rahmenbedingungen,<br />

aus denen Polanski<br />

einen soliden Thriller bastelt.<br />

Hias Wrba<br />

The Place Promised<br />

In Our Early Days<br />

J 2004<br />

R: Makoto Shinkai;<br />

Rapid Eye Movies<br />

Der eigenen Überzeugung zufolge hat<br />

der Regisseur Makoto Shinkai mit<br />

seinem ersten abendfüllenden Anime<br />

»The Place Promised In Our Early<br />

Days« ein fi lmzeichnerisches Werk<br />

mit Realkino-Ambiente geschaffen,<br />

das die kurze Phase der Adoleszenz abbildet.<br />

Folgerichtig wühlte er im utopischen<br />

Genre der alternate History. Warum<br />

nur lässt der anachronistische Blick<br />

des Regisseurs aber Brüche und Faltenwürfe<br />

während der Übergangsphase<br />

seiner Dreierheldinnenbande im Pathos<br />

absaufen? So zwingend die Kombination<br />

von Pathos – als eines der drei<br />

Überzeugungsmittel der (rhetorischen)<br />

Rede – und Jugend auch scheinen mag,<br />

der Film verschenkt es jovial mit abgeschmackten<br />

Monologen, die das erklärte<br />

Thema beleidigen. Dies gelingt durch<br />

einen hermetischen, aseptischen und<br />

asexuellen Blick auf die Schüler Hiroki<br />

solchem Lob oft gespart hat, liegt an seinem spezifi -<br />

schen künstlerischen Schaffen. John Waters macht<br />

Camp – für manche Kritiker unzumutbar.<br />

Camp ist queere Handwerkskritik und Zerstörung<br />

des guten Geschmacks. Es bedeutet Zerstückelung der<br />

ästhetischen Totalität und Zerrüttung von Kategorien<br />

wie »Geschlossenheit« und »Objektivität«. Camp<br />

bezeichnet die schwul genossene Fetischisierung von<br />

Nebensachen. Wer will schon falsche Hauptsachen?<br />

Das provoziert Zuschreibungen wie »Trash« oder »Lo-<br />

Fi«. Es führt zu genervten Zensurbehörden, angeekelten<br />

Zuschauern – und ein paar Tausend Kultfans.<br />

Kult war John Waters schon immer. Kult war die<br />

grandios fettleibige Dragqueen Divine als Hauptdarstellerin<br />

seiner Frühwerke »Pink Flamingos«, »Female<br />

Trouble« und »Polyester«. Kult war auch die albernkonsequente<br />

Verballhornung des amerikanischen<br />

Spießeralltags. Kult ist Waters noch heute, nicht nur<br />

wegen seines letzten Films »A Dirty Shame«, in dem<br />

David Hasselhoff eine Gastrolle für einen Klobesuch<br />

hat und ein ganzes Dorf an einer Sexsucht zugrunde<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ neue Filme auf DVD _ 073<br />

und Takuya, deren klein gehaltene Welt<br />

ein Gruppengeheimnis um Mitschülerin<br />

Sayuri zusammenhält. Verlust und<br />

geschütteltes Urvertrauen – gekauft.<br />

Aber wenn die »böseböse Welt« hereinkommt<br />

und den Heldinnen aufgeht,<br />

dass ihre Verbündeten keine hehren Absichten<br />

haben, werden wohl nur noch<br />

Afi cionados am Bildschirm kleben. Und<br />

eine eigene Erinnerungsleinwand aufspannen,<br />

sortieren und archivieren.<br />

Birgit Binder<br />

Wie ich zum ersten Mal<br />

Selbstmord beging<br />

USA 1997<br />

R: Stephen T. Kay; D: Thomas Jane,<br />

Claire Forlani, Keanu Reeves,<br />

Gretchen Mol; Kinowelt<br />

Für große Sehnsüchte waren die Literatur<br />

und der Film stets Projektionsfl<br />

äche, Ursprung und Ausdrucksmittel<br />

zugleich. Wer Holden Caulfi eld zu<br />

seinem Bekanntenkreis zählt und auch<br />

der geografi sch grenzenlosen Freiheitsliebe<br />

in der Hobo-Beatnik-Romantik<br />

Jack Kerouacs oder der Poesie Allen<br />

Ginsbergs nicht abgeneigt ist, dem sei<br />

»Wie ich zum ersten Mal Selbstmord beging<br />

– The Last Time I Committed Suicide«<br />

schon aus Nostalgiegründen zu<br />

empfehlen. Der Film schildert, basierend<br />

auf einem Brief Neal Cassadys an<br />

Jack Kerouac, einige Episoden aus dem<br />

Leben Cassadys, der seinem Studienfreund<br />

Kerouac seinerseits u. a. als Vorbild<br />

für die Figur des Dean Moriarty in<br />

seinem wohl bekanntesten Werk »On<br />

The Road« diente.<br />

Cay Clasen<br />

geht. Schön, dass in der nun veröffentlichten DVD-Kollektion<br />

»Very Crudely Yours, John Waters« (Warner)<br />

auch dieses Spätwerk nicht fehlt, wo es schon im vertriebsbehinderten<br />

Deutschland keinen Kinostart hatte.<br />

Es steht hier in einer Reihe mit »Polyester« und dem<br />

80er-Klassiker »Hairspray«. Dass Camp kein Kitsch<br />

und Drag kein Karneval ist, hat Adam Shankmann, der<br />

für das bald in die Lichtspielhäuser kommende Feelgood-Musical-Remake<br />

von »Hairspray« (Start: 06.09.)<br />

verantwortlich ist, offensichtlich nicht kapiert. Mit einer<br />

Handvoll prominenter DarstellerInnen wie John<br />

Travolta, Queen Latifah, Christopher Walken und Michelle<br />

Pfeiffer reduziert er Waters’ Meisterwerk auf<br />

eine heftig entqueerte Hab-dich-lieb-Integrationshymne<br />

mit Regenbogenfarben und schmierigen Musikeinwürfen.<br />

Immer noch okay scheinen kleine dicke<br />

Mädchen als Heldinnen zu sein. Vielleicht läuft dieser<br />

Film ja irgendwann mal im Nachmittagsprogramm an<br />

Heiligabend und ich schaue ihn mir an. Doch für das<br />

ästhetisch-inhaltliche Projekt von Waters ist er – eine<br />

Zumutung. Tim Stüttgen


074 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ TV-Serien auf DVD<br />

TV-Serien-Special<br />

VERONICA MARS<br />

Der kesse »Teen Detective« Veronica erspielte<br />

sich, trotz kontinuierlich sinkender Quoten,<br />

von Anfang an eine treue Fangemeinde. Den<br />

Mix aus Highschool-Setting, Film-noir-Stilmitteln,<br />

Staffel-umfassenden Murder-Mysterys<br />

und episodisch angelegten Fällen, garniert<br />

mit schlagfertigen Dialogen und reichhaltigen<br />

Pop-Referenzen, ereilte im Mai nach<br />

drei Staffeln das endgültige Aus. Bei uns verheizt<br />

das ZDF diesen Geheimtipp mit mieser<br />

Synchro und mutlosen Sendeplätzen. RM<br />

USA: EINGESTELLT<br />

D: SEASON 1, FR 00:55 H (ZDF)<br />

USA: SEASON 3 AB 23.10. (WARNER)<br />

D: OHNE TERMIN<br />

Der Tag des Serientäters hat 24 Folgen<br />

– und jedes Morgengrauen ist ein<br />

Cliffhanger. Über 50 TV-Serien-DVD-<br />

Boxen erscheinen in den nächsten<br />

Monaten. Hier die aktuellen VÖs –<br />

und ein Blick über den großen Teich:<br />

Was kommt noch auf uns zu? Die<br />

gute Nachricht: Es hört nicht auf. Das<br />

Serien-Special wird fortgesetzt.<br />

FAMILY GUY<br />

Erst als »Simpsons«-Plagiat abgetan, vom<br />

Sender verschmäht und nach drei Staffeln<br />

abgesetzt, dann durch eine einzigartige Fan-<br />

Kampagne zurückgeholt – diese animierte<br />

anarchische Familiensaga hat ein Zeichen<br />

in der US-Serienlandschaft gesetzt. Karikiert<br />

wird in »Family Guy« die typische amerikanische<br />

Vorstadt-Spießer-Familie, aufgerüstet<br />

durch einen sprechenden zynischen<br />

Hund und ein Baby mit dem Hirn eines James-Bond-Superschurken.<br />

SaS<br />

USA: SEASON 6 AB 23.09. (FOX)<br />

D: SEASON 3+4 CA. 3X TÄGLICH (SAT.1 COMEDY)<br />

USA: SEASON 5 AB 18.09. (FOX)<br />

D: SEASON 3 AB 10.09. (FOX)<br />

A3<br />

B2<br />

DEADWOOD<br />

A1<br />

WEEDS – KLEINE DEALS<br />

UNTER NACHBARN<br />

Wenn verzweifelte »Hausfrauen« wie Nancy<br />

Botwin (Marie-Louise Parker) zu konkreteren<br />

Mitteln greifen, um sich und die restliche<br />

Familie vor dem fi nanziellen Ruin zu bewahren<br />

.... So tacky das Grundgerüst – Vorstadt-Mami<br />

verdealt Gras an die wohlhabenden<br />

Nachbarn – auch klingen mag, unter<br />

der Führung von u. a. »Igby«-Regisseur Burr<br />

Steers wird daraus ein so zynischer wie Bewusstseinsveränderung<br />

versprechender<br />

Reigen der Abgründe von Suburbia. HW<br />

USA: SEASON 3 SEIT 13.08. (SHOWTIME)<br />

D: SEASON 2, MI 23:10 H (PROSIEBEN)<br />

USA: SEASON 3 NOCH OHNE TERMIN<br />

D: SEASON 2 SEIT 09.08. (SONY)<br />

David Milchs hochgelobtes Western-Epos<br />

gilt als erste Fernsehserie, die den Wilden<br />

Westen abseits aller Gutmenschen-Klischees<br />

anders zeigte: rau, erbarmungslos<br />

und vor allem bevölkert von pausenlos fl uchenden<br />

Gestalten. »Deadwood« erzählt<br />

über drei Staffeln die Geschichte einer Siedlung<br />

und steht als Allegorie für die Besiedlung<br />

Amerikas als Ganzes. Kein versöhnliches<br />

Bild: Es zeigt die hässliche Fratze des<br />

täglichen Kampfs ums Überleben. SaS<br />

USA: EINGESTELLT<br />

D: SEASON 3 AB 24.08. (PREMIERE SERIE)<br />

USA: SEASON 3 SEIT JUNI (HBO HOME)<br />

D: SEASON 3 SEIT 16.08. (PARAMOUNT)<br />

B3<br />

DEXTER<br />

Ein Serienmörder zum Knutschen: Dexter<br />

Morgan (Michael C. Hall, »Six Feet Under«)<br />

ist Forensiker der Miami Police und Blut-Experte.<br />

Kein Wunder. Der charmante Junggeselle<br />

verbirgt einen Killerinstinkt, den er<br />

aber nur an jenen auslebt, die es auch verdienen.<br />

Klingt auf dem Papier wie ein »CSI«-<br />

Aufguss-with-a-Twist, ist aber der beste und<br />

unterhaltsamste Serienstart 2006. Eine<br />

bonbonbunte Film-noir-Variante, basierend<br />

auf der Buchtrilogie von Jeff Lindsay. RM<br />

USA: SEASON 2 AB 30.09. (SHOWTIME)<br />

D: OHNE TERMIN, RECHTE BEI TMG (RTL II, TELE 5, ATV)<br />

USA: SEASON 1 AB 21.08. (PARAMOUNT)<br />

D: OHNE TERMIN<br />

D2<br />

PRIMEVAL – DIE RÜCKKEHR<br />

DER URZEITMONSTER<br />

Wenn sich das nicht anhört wie feinster<br />

Trash: Dinosaurierjäger auf Dinosaurierjagd!<br />

Doch die britische Herkunft macht den vermeintlichen<br />

Müll, was Cast und Plotlines betrifft,<br />

erstaunlich stilsicher – wenn auch nicht<br />

in Hinsicht auf alle Effekte. Typisch für die<br />

ITV, dass die erste Staffel nur magere sechs<br />

Episoden zu bieten hat. Die Story um den Evolutionsbiologen<br />

Cutter und sein furchtloses<br />

Team ist jedoch inzwischen selbst zum unheimlichen<br />

Phänomen geworden. HW<br />

GB: SEASON 2 AB 2008 (ITV)<br />

D: SEASON 1 LIEF AUF PROSIEBEN<br />

GB: SEASON 1 SEIT MÄRZ (2 ENTERTAIN)<br />

D: SEASON 1 AB 24.08. (POLYBAND)<br />

MY NAM E I S E AR L<br />

Earl Hickey ist ein White-Trash-Slacker mit<br />

so einigem auf dem Kerbholz. Nach einem<br />

Unfall plant er, jede einzelne seiner Untaten<br />

wiedergutzumachen – aber die Liste ist genauso<br />

lang wie skurril. Neben Skater-Profi<br />

Jason Lee als Earl brilliert insbesondere<br />

Ethan Suplee (»Cold Mountain«) mit seiner<br />

herzzerreißenden Darstellung von Earls infantilem<br />

Bruder Randy in diesem brüllend<br />

komischen Plädoyer für das Gute im Menschen.<br />

RM<br />

USA: SEASON 3 AB 27.09. (NBC)<br />

D: OHNE TERMIN, RECHTE BEI RTL<br />

USA: SEASON 2 AB 25.09. (FOX)<br />

D: OHNE TERMIN<br />

B1<br />

DR. PSYCHO<br />

C1<br />

»Mein neuer Freund« war brillant. Nun<br />

wurschtelt sich Christian Ulmen aber nicht<br />

mehr durchs Halbdokumentarische, in der<br />

Rolle des Dr. Max Munzl wagt er den Sprung<br />

in einen ganz und gar fi ktionalen Stoff. In<br />

den besseren Momenten besticht die Serie<br />

durch Ulmen-typische Verschrobenheiten,<br />

in den schlechteren verliert sie sich in wirren<br />

Plots. Vergönnt war ihr leider bisher nur eine<br />

Staffel, dann schaute der Quotensensenmann<br />

vorbei. Zukunft ungewiss. HW<br />

USA: --<br />

D: STAFFEL 1 LIEF AUF PROSIEBEN<br />

USA: --<br />

D: STAFFEL 1 AB 24.08. (SONYBMG)<br />

THE ADDAMS FAMILY<br />

Charles Addams’ morbider Haufen darf als<br />

Blaupause gelten für alle folgenden dysfunktionalen<br />

TV-Familien. Vom quirlig seltsamen<br />

und nicht zuletzt elektrisch geladenen<br />

Onkel Fester bis zu den liebreizenden<br />

Kindlein Wednesday und Pugsley. Immer<br />

ein wenig düsterer als die konkurrierenden<br />

»Munsters« und mit makabren Scherzen gespickt...<br />

Und dysfunktionale Familien, die je<br />

ihren eigenen versprühen, gibt es vor dem<br />

Bildschirm ja auch noch genug ... HW<br />

USA: 1964-1966 (ABC)<br />

D: REGELMÄSSIG SEIT 1970, INZWISCHEN PREMIERE<br />

D2<br />

USA: SEASON 3 AB 11.09. (FOX)<br />

D: SEASON 2 SEIT 13.08. (FOX)<br />

AMERICAN GOTHIC<br />

A2<br />

Im Zuge der großen Mystery-Welle in den<br />

90er-Jahren entstanden und leider nach einer<br />

Staffel wieder abgesetzt, glänzt dieses<br />

düstere Drama um einen Provinzsheriff, der<br />

mit dem Bösen paktiert, vor allem durch seine<br />

fortlaufende Story und seine mysteriöse<br />

Atmosphäre. <strong>Als</strong> düsterer Bruder von »Akte<br />

X« inspirierte »American Gothic« in Stil und<br />

Optik zahlreiche zeitgenössische Serien, so<br />

gibt es beispielsweise eine Echtzeit-Episode,<br />

die sehr an »24«-Ästhetik erinnert. SaS<br />

USA: 1995-1996 (CBS)<br />

D: LIEF ZULETZT AUF PREMIERE 13TH STREET<br />

USA: COMPLETE SERIES SEIT 2005 (UNIVERSAL)<br />

D: COMPLETE SERIES AB 07.09. (KOCH)<br />

C2


Autorenangabe: RM: Robert Meissner / HW: Hias Wrba / SaS: Sascha Seiler / PF: Paula Fuchs<br />

THE KING OF QUEENS<br />

Ob Ingmar Bergman sich das heimlich angeschaut<br />

hat? Was auf den ersten Blick wirkt<br />

wie eine generische Sitcom, entpuppt sich<br />

bei genauerem Hinsehen als Diskurs über<br />

den Sinn halbwegs bürgerlicher Existenzen.<br />

Wie schon in den vorangegangenen sieben<br />

Staffeln zeigen Doug und Carrie und die übrigen<br />

Schrullen nichts anderes als Szenen<br />

einer Ehe. Für Unterhaltung sorgen nicht zuletzt<br />

die, u. a. mit Jim-Goad-Intimus Patton<br />

Oswalt, besetzten Nebenrollen. HW<br />

USA: EINGESTELLT<br />

D: MO-FR, 12:15 & 18:15 H (KABEL EINS)<br />

USA: SEASON 9 AB 25.09. (SONY)<br />

D: SEASON 8 AB 24.08. (KOCH)<br />

C3<br />

FAME – CLASS OF 1982<br />

Die Serienvariante des Oscar-prämierten<br />

Tanzschuldramas von Alan Parker erzählt<br />

dem Vorbild entsprechend die epochentypische<br />

80er-Jahre-Hatz nach dem großen<br />

Ruhm. Getanzte Intrigen, ausgefahrene Ellbogen,<br />

geplatzte und erfüllte Träume dies-<br />

und jenseits der Art School inklusive. Frei<br />

nach Sophie Baxter: Murder on the Dancefl<br />

oor eben. Diese Dinger, die die Welt bedeu-<br />

ten, bleiben bis heute ein stark vermintes,<br />

tödliches Pfl aster. Remember Leroy? HW<br />

USA: 1982-1987 (NBC)<br />

D: ZULETZT AUF TELE 5<br />

USA: SEASON 2 OHNE TERMIN<br />

D: SEASON 1 SEIT 13.08. (FOX)<br />

MCLEODS TÖCHTER<br />

Pointierte S-Opera um eine Ranch in den<br />

australischen Outbacks, die von den Schwestern<br />

Claire und Tess nach dem Ableben ihres<br />

Vaters geschmissen wird. Rund um liebeskranke<br />

Ochsen, sexgeile Teufel und eine<br />

mächtig schuftende und auf eigene Faust<br />

wirtschaftende Frauenbande gibt es auch<br />

ein paar hohle Typen, die sich mehr oder weniger<br />

nachdenklich, romantisch durchtrieben<br />

geben. Seife muss ordentlich in den Augen<br />

brennen, sonst ist sie nicht echt. PF<br />

AUS: SEASON 7 (NINE)<br />

D: SEASON 5, MO-FR 15:00 H (VOX)<br />

AUS: SEASON 6 (SONY)<br />

D: SEASON 4.1/4.2 SEIT 03.08. (KOCH)<br />

C4<br />

D2<br />

ROM<br />

4400 – DIE RÜCKKEHRER<br />

»4400« steht für 4400 von Aliens entführte<br />

Menschen, die zurückkehren und fortan<br />

übersinnlich bewandert sind. In der dritten<br />

Staffel wird zunehmend der Verschwörungstheorie-Plot<br />

verfolgt. Die Serie gewinnt zusehends<br />

an Reiz, denn niemand scheint zu ahnen,<br />

was die seltsame Gesellschaft um den<br />

verschollenen Jordan Collier von den 4400<br />

will. Der Zuschauer tappt wie die ermittelnden<br />

Agenten im Dunkeln und muss das Puzzle<br />

langsam zusammenfügen. SaS<br />

USA: SEASON 4 LÄUFT GERADE<br />

D: SEASON 3, MO 20:15 H (PROSIEBEN)<br />

USA: SEASON 4 OHNE TERMIN<br />

D: SEASON 3 SEIT 12.07. (PARAMOUNT)<br />

Eine große, breit angelegte und mit viel Liebe<br />

zum Detail inszenierte HBO-Produktion,<br />

die eigentlich als 10-teilige Miniserie konzipiert<br />

war, wegen des großen Erfolges aber in<br />

die zweite Runde ging. »Rom« glänzt mit bewährten<br />

HBO-Mitteln, z.B. hervorragendem<br />

Storytelling. Erzählt wird die ja eigentlich<br />

bekannte Geschichte Roms, allerdings ohne<br />

Scham oder Rücksicht auf zartbesaitete Zuschauer,<br />

was die perfekte Symbiose aus Geschichte<br />

und Entertainment garantiert. SaS<br />

RUDIS LACHARCHIV<br />

Dass Rudi Carrell, jüngst verstorbene Fernsehikone,<br />

nicht nur ein Star der Samstagabend-<br />

Unterhaltung war, sondern sich auch um das<br />

einst sehr beliebte Genre der Fernsehsketche<br />

verdient gemacht hat, beweist diese Compilation<br />

mit dem Besten aus Rudis Archiv. Die<br />

Sendung lief Anfang der 90er und dokumentierte<br />

mehrere Jahrzehnte deutscher TV-Humorgeschichte.<br />

Nun sind die besten Sketche<br />

zusammengefasst. Nicht nur Nostalgiker<br />

werden ihren Spaß damit haben. SaS<br />

USA: --<br />

D: ZURZEIT NICHT IM TV<br />

USA: 2005-2007, KEINE 3. SEASON GEPLANT<br />

D: SEASON 2 AB 20.09. (PREMIERE SERIE)<br />

USA: SEASON 2 SEIT 07.08. (HBO HOME)<br />

D: SEASON 1 SEIT 13.08. (WARNER)<br />

Von jeder auf unseren TV-Serien-Quartett-Karten<br />

vorgestellten<br />

Serien (ausser Dexter, My Name<br />

Is Earl und Veronica Mars) verlosen<br />

wir je drei DVD-Boxen der aktuell<br />

erscheinenden Staffeln. E-Mail an<br />

verlosung@intro.de mit Betreff »TV«<br />

und Angabe der Wunschserie genügt.<br />

USA: --<br />

D: DAS WITZIGSTE AB 29.08. (STUDIO HA<strong>MB</strong>URG)<br />

A4<br />

B4<br />

D2<br />

WEITERE TV-SERIEN AUF DVD<br />

STAFFEL 1<br />

Mord ist ihr Hobby<br />

(1.2, Universal; 23.08.)<br />

STAFFEL 2<br />

Medium<br />

(Paramount; 06.09.)<br />

Switch Classics<br />

(Turbine; 30.07.)<br />

STAFFEL 3<br />

Dempsey & Makepeace<br />

(Koch; 24.08.)<br />

Die fl iegenden Ärzte<br />

(Kinowelt; 07.09.)<br />

Grey’s Anatomy<br />

(Buena Vista; 11.09.)<br />

STAFFEL 4<br />

Die wilden 70er<br />

(Sunfi lm; 17.08.)<br />

Kalkofes Mattscheibe:<br />

Premiere Klassiker<br />

(Turbine; 20.08.)<br />

The Dead Zone<br />

(Paramount; 16.08.)<br />

The Sun always shines on TV?<br />

N<br />

ach dem Erfolg von »24«, »Lost« und anderen<br />

»Serials« – also Serien mit Staffelumspannendem<br />

Handlungsbogen – buhlten<br />

im US-Serienherbst 2006 gleich mehrere<br />

Handvoll davon um die Gunst der Zuschauer. Zu<br />

viel für die quotenrelevante Masse der Konsumenten,<br />

die ohnehin ein gesundes Misstrauen gegenüber Sendern<br />

entwickelt haben, die bei ausbleibendem Erfolg<br />

schneller den Stecker ziehen, als man, sic!, gucken<br />

kann. So verschwanden eine Menge spannender, gut<br />

umgesetzter Ideen auf halber Strecke im TV-Nirwana<br />

– ohne befriedigendes Ende, versteht sich.<br />

Darunter z. B. »The Nine« (ABC), das im Stil von<br />

Spike Lees »Inside Man« einen Banküberfall über<br />

eine Staffel retrospektiv aufrollen wollte, »Day Break«<br />

(ABC), eine Art »Und täglich grüßt das Murmeltier«<br />

meets »Auf der Flucht«, oder die beiden Entführungsdramen<br />

»Vanished« (Fox) und »Kidnapped« (NBC).<br />

Das gleiche Schicksal ereilte trotz massiver Promotion<br />

auch »Drive« (Fox): Nach vier Episoden war Schluss<br />

mit dem illegalen Autorennen. Immerhin auf eine<br />

Staffel brachte es »Studio 60 On The Sunset Strip«.<br />

Produzent Aaron Sorkin hatte 2006 nach sieben Staffeln<br />

das brillante Politdrama »The West Wing« beendet.<br />

Die hinter den Kulissen einer fi ktionalen Live-Comedy<br />

spielende Satire (»Saturday Night Live« lässt<br />

grüßen) stagnierte, wenn auch auf höchstem Niveau.<br />

Vielleicht aber auch, weil sich das System von innen<br />

heraus ungern kritisch beleuchtet<br />

sieht. Keine der genannten<br />

STAFFEL 5<br />

Columbo<br />

(Universal; 28.08.)<br />

Die Waltons<br />

(Warner; 14.09.)<br />

STAFFEL 6<br />

CSI: Crime Scene Investigation<br />

(6.2, Universum; 03.09.)<br />

Magnum<br />

(Universal; 23.08.)<br />

STAFFEL 7<br />

Dallas (Warner; 17.08.)<br />

STAFFEL 9<br />

Baywatch<br />

(Kinowelt; 03.08.)<br />

Komplettboxen & Best Ofs:<br />

Lars von Triers Geister<br />

/ arte Edition<br />

(Koch; 03.08.)<br />

Peanuts – Complete<br />

(Al!ve; 30.08.)<br />

Serien wird wohl den Sprung zu<br />

uns schaffen.<br />

Ausgerechnet das derzeit bei<br />

ProSieben ausgestrahlte »Jericho«<br />

(CBS) hat überlebt. Bereits<br />

eingestellt, rettete eine<br />

Fankampagne die Serie für sieben<br />

weitere Folgen. Die Story<br />

um eine nach massiven Atomanschlägen<br />

auf die USA isolierte<br />

Gemeinde scheint einen<br />

Nerv zu treffen, obwohl sie gerade<br />

mal Soap-Mittelmaß erreicht<br />

und zudem mit dumpfem<br />

Hurra-Patriotismus<br />

nervt. Wie die kommerziellen<br />

Sender den schmalen Grat<br />

zwischen Quotendruck und<br />

der Frustrationsgrenze des<br />

Zuschauers beschreiten wollen,<br />

bleibt abzuwarten. Der<br />

US-Serienherbst 07 sieht kon-<br />

zeptionell deutlich konservativer aus. Derweil brillieren<br />

die Kabel- und Pay-TV-Sender FX, Showtime und<br />

HBO mit hervorragenden Produktionen wie »Dexter«<br />

(siehe links), »John From Cincinnati« oder »Eureka«.<br />

Dazu dann mehr, ihr ahnt es, im nächsten Heft. RM<br />

TO BE CONTINUED<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ TV-Serien auf DVD _ 075


076 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Literatur _ Courtney Loves Tagebücher<br />

Courtney Love<br />

Dirty Blonde.<br />

Die Tagebücher<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

432 S., EUR 14,95<br />

Courtney Loves Tagebücher.<br />

Studien in Anti-Dämonisierung<br />

Subversion, wie sie im Buche steht: romantisch, rebellisch, von der<br />

Wirklichkeit erleuchtet. Kerstin Grether hat Courtney Loves Notizen »Dirty<br />

Blonde« gelesen und erklärt, warum Courtney keine Pop-Heilige wurde.<br />

In seinem Artikel über den Simpsons-Film hat Diedrich<br />

Diederichsen neulich überzeugend dargelegt,<br />

inwiefern die großen Werte der US-amerikanischen<br />

1960er-Jahre – »umfassende Gesellschaftskritik«<br />

und »Emanzipation des Körpers« – heute meist zu<br />

»asozialem Hedonismus« und »leerem Moralismus« verkommen<br />

sind. Den Simpsons attestierte er eine bewundernswerte<br />

»skeptizistische Selbstrefl exivität«, die nicht<br />

zu verwechseln sei mit »Kritik« oder »Subversion«. Von<br />

Letzterer fi ndet man hingegen jede Menge in Courtney<br />

Loves Tagebüchern »Dirty Blonde«, die u. a. noch mal belegen,<br />

wie bittersüß Mainstream-unfreundlich der öffentliche<br />

Auftritt dieser beiden anderen Gelben, Kurt<br />

und Courtney, wirklich war – zumal in der heißen Simpsons-Grunge-Change-Phase<br />

der 90er-Jahre. Was mit dem<br />

Selbstmord Kurt Cobains endete, konnte natürlich nicht<br />

die Emanzipation des Körpers sein, geschweige denn eine<br />

hoffnungsfrohe Gesellschaftskritik begleiten. Sonst wäre<br />

Courtney Love längst eine Pop-Heilige wie z. B. Patti Smith.<br />

Nichtsdestotrotz: Courtney war asozial hedonistisch<br />

und, mit dem ganzen herzhaften Trotz der Hippie-Töchter,<br />

Heimkinder und weiblichen Genies ausgestattet, um originelle<br />

Aufklärung bemüht! Das dokumentiert z. B. der eigenwillige<br />

Gestus der Tagebücher, dieser poetisch-burroughseske,<br />

Songtext-vernarrte, romantisch-rebellische Stil ihrer<br />

Notizen. So wirklichkeitserleuchtet und vom eigenen Beispiel<br />

getrieben, dass man sofort den 98er-Hole-Hit »Celebrity<br />

Skin« versteht – Cobains Witwe bezeichnet sich darin<br />

sarkastisch als »wandelnde Studie in Dämonologie«.<br />

Ihre Tagebücher – in der US-Ausgabe so bunt und special,<br />

dass es einer großen Leistung gleichkommt, wie gleichsam<br />

spannend die toll übersetzte deutschsprachige s/w-Ausgabe<br />

in eigenständiger und doch unverfälschter Anordnung<br />

Text: Kerstin Grether<br />

zusammenkomponiert wurde – sind eine Studie in Anti-Dämonisierung:<br />

bezaubernd, nachdenklich, klug. Und das in<br />

originalhandschriftlichen Dokumenten, die bei aller Privatheit<br />

nicht zu intim wirken. Auch weil die Botschaften<br />

und Bilder eine sehr seltene Mischung aus Exhibitionismus<br />

und Künstlichkeit ausstrahlen, den Flair des Geworden-Seins<br />

im Zustand größter Verzweifl ung: Bildchen von<br />

kaputten Puppen, genialische Songtextzettel, gut informierte<br />

Lieblingslisten, die beweisen, dass Courtney schon<br />

früh und in Eigenregie die Ästhetik von Hole kreierte. Darüber<br />

hinaus dekonstruiert und korrigiert sie stets ihr eigenes<br />

Image – lustig, dass dennoch immer alle besser zu wissen<br />

glauben, wer sie ist – und das ihrer Helden gleich mit.<br />

Sie sieht die größeren Zusammenhänge.<br />

Die Drogen, den Exzess, ihre Bad-Girls-Rolle, die Schönheits-OPs<br />

und Oscar-Nominierungen, den sarkastischen<br />

Verstand – ja, selbst den Selbstmord des Ehemanns hätten<br />

sie der stets selbstrefl exiven, dauertherapierbaren, humorbereiten<br />

Courtney vermutlich längst verziehen. Nur eins<br />

nicht: dass sie ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Erfolgs<br />

ihres suizidalen Ehemanns ein vergleichsweise ähnlich<br />

großartiges Album gemacht hat.<br />

Kate Moss und Pete Doherty mögen noch so viele Hotelzimmer<br />

zerlegen, doofe Bilder von sich knipsen lassen und<br />

Rausch als letzte souveräne Rock’n’Roll-moralische Geste<br />

gegen und für das Zur-Marke-Werden aufführen: Courtney<br />

und Kurt hatten ihre eigene Bilderwelt, hungrig nach dem<br />

perfekten Rock-Song, der einzig und allein noch »Kritik<br />

und Wahrheit« verkraftete, in einer Phase, in der skeptizistische<br />

Selbstrefl exivität das Höchste aller Familien-Fernsehseriengefühle<br />

war. Es würde jetzt darum gehen, aus der<br />

spleenig-klaren Wahrheit von Courtney oder Kurts Tagebüchern<br />

das Vitale neu zu schöpfen.


078 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Literatur<br />

Kopftuch und Liposuktion<br />

Nicht nur in Sofi a Coppolas Amerika, auch<br />

im osttürkischen Kars nehmen sich junge<br />

Mädchen das Leben. Orhan Pamuk erzählt<br />

in seinem Roman »Schnee« (Carl<br />

Hanser Verlag, 512 S., EUR 25,90) von Frauen, die eher<br />

Hand an sich legen, als auf ihr Kopftuch zu verzichten.<br />

<strong>Als</strong> man der Anführerin der rebellischen Turbanmädchen<br />

vorschlägt, im Namen aller muslimischen Feministinnen<br />

an eine westliche Zeitung zu schreiben, antwortet<br />

sie eisig: »Ich möchte niemanden repräsentieren.<br />

(...) Ich möchte nur mit meiner eigenen Geschichte,<br />

allein, mit allen meinen Sünden und Fehlern den<br />

Europäern gegenübertreten.«<br />

In Silke Scheuermanns »Stunde zwischen Hund<br />

und Wolf« (Schöffl ing & Co., 172 S., EUR 17,90) trifft<br />

Die Absage des als Sensation angekündigten<br />

Starkochs Ferran Adrià, Wasserschäden<br />

in den Aue-Pavillons und ein brachliegendes<br />

Reisfeld – die documenta 12 ist vor<br />

allem wegen ihrer Pannen in die Schlagzeilen geraten.<br />

Das erfreut die »gesunde Volksseele«, der im Zusammenhang<br />

mit zeitgenössischer Kunst bloß »Steuergelder«<br />

in den Sinn kommen. Allein diese Häme wäre ein<br />

Grund, das Kuratorenteam Roger Buergel und Ruth<br />

Noack in Schutz zu nehmen – wären nicht das Konzept<br />

und die Auswahl der Exponate dieser documenta<br />

die eigentliche Panne. Schlagwörter wie »Migration<br />

der Form«, »Korrespondenzen« und »ästhetische<br />

Querverbindungen« entpuppen sich schnell als esoterisches<br />

Blendwerk, das vom Betrachter nicht Analyse,<br />

eine Frankfurter Journalistin ihre beneidete schöne<br />

Schwester wieder. Erinnerungen an die Unzufriedenheit<br />

mit dem eigenen Körper unterbinden die Wiedersehensfreude:<br />

»Ich war gerade sechzehn Jahre alt geworden.<br />

Ich hatte gelesen, alle Teenager in Amerika<br />

tun es, und am liebsten hätte ich gleich alles gemacht,<br />

hätte am liebsten alle unter dem Fachbegriff Liposuktion<br />

aufgezählten Gliedmaßen behandeln lassen,<br />

Oberschenkel, Taille, Oberarme.«<br />

Pamuks und Scheuermanns literarische Varianten<br />

des Weiblichen haben auf den ersten Blick nicht das<br />

Geringste gemein. Während sich die eloquente türkische<br />

Kopftuchträgerin selbstbewusst gegen die Autorität<br />

des laizistischen Staates stellt und über Fragen<br />

feministischer Identitätspolitik refl ektiert, fühlt<br />

sich die Frankfurterin wie »die x-fache Spiegelung eines<br />

vor Jahren beendeten Lebens«. Die eine versteckt<br />

ihr Haar, die andere pusht ihr Selbstbewusstsein mit<br />

kurzen erbsengrünen Röcken. Es hieße, die Möglichkeiten<br />

der Literatur überzustrapazieren, fasste man<br />

die beiden Romanfi guren als realistische Repräsentantinnen<br />

ihrer Herkunftsländer auf – und doch bildet<br />

sich in den Frauen die türkische respektive die deutsche<br />

Geschlechterordnung ab.<br />

In Deutschland fungiert das Kopftuch als leerer Signifi<br />

kant, der wahlweise mit Unbildung, der Unterdrückung<br />

der Frau, islamischer Fortschrittsfeindlichkeit<br />

und Terrorismus gleichgesetzt werden kann.<br />

Die Kulturwissenschaftlerinnen Christina von Braun<br />

und Bettina Mathes warnen in »Verschleierte Wirk-<br />

Töpferkurs und Häkeldecke<br />

sondern reines Einfühlen und ehrfurchtsvolles Staunen<br />

verlangen möchte. Dementsprechend sind kaum<br />

Installationen zu sehen. Dafür wird wieder gehäkelt,<br />

gestrickt, gestickt, beherzt bunt gemalt und mit Ton<br />

modelliert. Die Keramiken von Maria Bartuszova, die<br />

Seidentücher von Hu Xiaoyuan und die sich in Seilen<br />

windenden Ausdruckstänzer in der Arbeit von Trisha<br />

Brown erinnern frappant an das Kunstverständnis<br />

von Waldorfschulen, anderes wiederum an Wandbehänge<br />

aus dem Eine-Welt-Laden oder an das Ergebnis<br />

eines Sparkassen-Malwettbewerbs.<br />

Das Naive, Volkstümliche und Kunsthandwerkliche<br />

kann einen subversiven Gehalt haben, wie Martin<br />

Kippenberger bewies. Doch die hier gezeigten Tendenzen<br />

des Naiven lassen weder Bruch noch Ironie<br />

erkennen, sondern sind im handwerklich schlechten<br />

Sinne Gebasteltes und Geklebtes, das als schön wahrgenommen<br />

werden möchte. Dass viele solcher Arbeiten<br />

von Frauen aus sogenannten Dritte-Welt-Ländern<br />

stammen, macht sie nicht weniger angreifbar.<br />

Damit wird vielmehr ein ebenso essenzialistisches<br />

wie rückschrittliches Bild von weiblicher wie auch<br />

nicht-westlicher Kunst vermittelt. Frauen, kehrt an<br />

den Webstuhl zurück! Die feministische Arbeit »Love<br />

Songs« der US-amerikanischen Künstlerin Mary Kelley<br />

nimmt sich wie ein Fremdkörper aus – einer der wenigen<br />

Beiträge, denen man anmerkt, dass die seit den<br />

1960er-Jahren geführten Diskurse in Kunst und Gesellschaft<br />

angekommen sind. Gender, Medien, Pop,<br />

Subkultur, Urbanismus – all die Fragen, die im Mittel-<br />

lichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen« (Aufbau<br />

Verlag, 476 S., EUR 24,95) vor Kurzschlüssen: Eine<br />

unter die Burka gezwängte und aus dem Klassenzimmer<br />

vertriebene Afghanin ist anders zu bewerten als<br />

eine iranische Studentin, die sich einer feministischen<br />

Grassroots-Bewegung anschließt. Eine ukrainische<br />

Zwangsprostituierte ist nicht unbedingt freier<br />

als eine verschleierte muslimische Politikerin. Akribisch<br />

zeigen die Autorinnen, dass das westliche Bedürfnis<br />

nach Entschleierung von »Orientalinnen« in<br />

schwülen kolonialistischen Haremsfantasien wurzelt<br />

und eine Ordnung des Blicks reproduziert, die den<br />

Mann zum Betrachter, die Frau aber zum Objekt der<br />

Betrachtung stempelt. Auch das feministische Engagement<br />

gegen den Schleier hat seine Tücken: »Indem<br />

die westliche Frau in der Orientalin die kulturell<br />

andere erblickt und sich dieser anderen im Gestus<br />

der Überlegenheit zuwendet, wird es ihr (...) möglich,<br />

die Position des universellen Subjekts zu besetzen.«<br />

Mithin lässt die Bemitleidung der Verschleierten die<br />

westliche Gleichberechtigung vollkommener erscheinen,<br />

als sie ist. Seitdem Delacroix die Französische<br />

Revolution als barbusige Barrikadenkämpferin dargestellt<br />

hat, fasst man weibliche Nacktheit in Europa<br />

als Zeichen der Befreiung auf. Kopftuch und Suizid<br />

mögen im Kampf für Geschlechtergleichheit keine<br />

probaten Mittel sein, der Bikini ist es auch nicht – Bulimie<br />

und Liposuktion dämpfen den Glanz, in dem die<br />

Freiheit des Westens erstrahlt.<br />

Kerstin Cornils<br />

punkt von Katherine Davids documenta X standen –<br />

sind 2007 zugunsten einer fast nur noch auf Sinnlichkeit<br />

und Autonomie der Form setzenden Ausstellung<br />

ausgeklammert worden. Wo Okuwi Enwzor auf Fragen<br />

der Globalisierung mit einer kritischen Kunst aus<br />

Afrika und Lateinamerika reagierte, sucht diese documenta<br />

die Antworten im Exotismus sowie dem Konstrukt<br />

von Volks- und Glaubensgemeinschaften.<br />

Identität und Authentizität bilden das reaktionäre<br />

Zwiegespann einer Kunstschau, die in der Politik von<br />

Israel und den USA das Hauptübel unserer Zeit ausgemacht<br />

hat. Der australische Künstler Juan Davila präsentiert<br />

die USA-Flagge mit Hakenkreuz, die palästinensische<br />

Fotografi n Ahlam Shibli sprach gegenüber<br />

der Zeitschrift Monopol davon, dass Israel ein Land<br />

sei, dessen »Legitimität sie anzweifelt«. Und dann ist<br />

noch die Giraffe namens Brownie, das Maskottchen<br />

dieser documenta, an Herzversagen gestorben nach<br />

dem Einmarsch israelischer Truppen im Westjordanland.<br />

So plakativ hat Kunst sich schon lange nicht<br />

mehr als Propaganda zu erkennen gegeben. Solche<br />

auf einfache Antworten zielenden Arbeiten korrespondieren<br />

mit dem nebulösen Geraune der Katalogtexte,<br />

die Banales mittels Heidegger-Slang aufzuwerten<br />

versuchen und neoromantischen Kitsch als »Wiederverzauberung<br />

der Welt« verkaufen. Tröstlich ist<br />

da nur, dass diese documenta keinen repräsentativen<br />

Querschnitt heutiger Kunst bietet, sondern lediglich<br />

eine individuelle Entgleisung.<br />

Martin Büsser


080 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Spiele _ Flipper<br />

Der Flipper<br />

Eigentlich bezeichnet das Wort<br />

»Flipper« nur die beiden beweg-<br />

lichen Arme, die nach Gottliebs<br />

Pinball-Automaten »Humpty Dum-<br />

pty« (1947) zum Standard wurden.<br />

Zuvor hatte es in der Regel kei-<br />

nerlei Einfl uss auf die Bewegung<br />

des abgeschossenen Balles ge-<br />

geben – Flippern war noch reines<br />

Glücks-, kein Geschicklichkeits-<br />

spiel. Der im Englischen noch ge-<br />

bräuchliche Begriff »Pinball« ist<br />

übrigens auf die heutige Zeit be-<br />

zogen ähnlich unzutreffend. Er re-<br />

feriert auf ebenjene Zeit, als es<br />

noch keine Flipper und praktisch<br />

keine interessanten Tisch-Aufbau-<br />

ten jenseits von Löchern und Nä-<br />

geln (engl.: Pins) gab. Ursprüng-<br />

lich lässt sich der Flipper auf die<br />

Zeit von Ludwig XIV. zurückver-<br />

folgen, als der klassische Billard-<br />

Tisch hin zum Spiel »Bagatelle«<br />

verändert wurde. Neben den er-<br />

wähnten Flipperarmen setzten<br />

sich mit der Zeit folgende Stan-<br />

dards bei den Tischen durch:<br />

Tilt-Mechanismus: ca. 1932<br />

Bumper: 1936<br />

Freispiel: ca. 1945<br />

Multiball: 1956<br />

Extra Ball: 1969<br />

Sprechender Flipper: 1979<br />

Extraball<br />

Deutsches Flippermuseum<br />

Hermannstr. 9<br />

56564 Neuwied<br />

Öffnungszeiten: Sa + So 14-18<br />

Uhr und nach Vereinbarung<br />

Zurzeit befi nden sich im Museum<br />

ca. 70 bespielbare Tische.<br />

www.fl ippermuseum.eu<br />

Flipper.<br />

Alle Credits verspielt<br />

195 neue Flippertische wurden 2006 nach einer Studie des Ifo-Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung in Deutschland verkauft. 1979 waren es 40.000<br />

– Flipper sind vom Aussterben bedroht. Ein sentimentaler Text über die<br />

bewegte Geschichte der vielleicht schönsten Spielgeräte der Welt. Über<br />

Nachlassverwalter, Filmemacher, leuchtende Augen und darüber, dass es<br />

Hoffnung im Privaten gibt.<br />

Die Geschichte des Flippertischs ist lang und<br />

ruhmreich – leider aber auch äußerst tragisch.<br />

Seit den 1930ern, seit sich allmählich<br />

die heutige Form des Flippers herausschälte,<br />

feierte das Spiel viele Erfolge, Tiefschläge,<br />

Endzeitstimmungen und Revivals. So waren die 1970er<br />

zum Beispiel das Flipper-Jahrzehnt schlechthin, die 1980er<br />

so gut wie tot, und die 1990er erlebten, zumindest für die<br />

Dauer von wenigen Jahren, ein Revival, das unter anderem<br />

den mit über 20.000 gebauten Geräten erfolgreichsten<br />

Flipper aller Zeiten hervorbrachte: »The Addams Family«.<br />

Kein Problem, wird bestimmt schon wieder, könnte man<br />

meinen. Leider nicht. 2007 sieht es so aus, als habe die Tradition<br />

defi nitiv einen Point of no Return erreicht. Mit Stern<br />

gibt es (abgesehen von der australischen Firma The Pinball<br />

Factory, die alte Modelle nachbaut) nur noch einen kommerziellen<br />

Flipper-Hersteller weltweit. Der baut in Illinois,<br />

seit den 1930ern die amerikanische Flipperwiege, immer<br />

weniger neue Modelle pro Jahr in immer geringerer Stückzahl<br />

– zuletzt einen »Family Guy«- und einen »Spiderman«-<br />

Flipper. Der Grund für die Misere: An Orten, wo man vor<br />

einigen Jahren noch reihenweise Automaten fand – in Spielhallen,<br />

Eckkneipen, Jugendzentren und Discos –, steht heute<br />

ein Geldspielautomat, eine Plastikpalme oder nicht selten:<br />

gar nichts. Die Gründe dafür sind vielfältig.<br />

»Früher wurden Flipper in Spielhallen als Raumfül-<br />

Text + Fotos: Felix Scharlau<br />

Reparatur eines Flippers Linus Volkmann hat einen Multiball Vlnr.: NBA Fastbreak (2x), Scared Stiff, Junk Yard<br />

ler aufgenommen: Die Lizenz galt immer nur für eine bestimmte<br />

Anzahl von Geldspielgeräten, und der Rest musste<br />

irgendwie ausgefüllt werden. Durch Billard-Tische, durch<br />

Flipper, was weiß ich«, so Harald Fleischhauer vom Flippermuseum<br />

»Extraball« in Neuwied. »Dabei nimmt ein Flipper<br />

von seiner Standfl äche her doppelt so viel Platz ein wie ein<br />

Geldspiel- oder Videospielautomat. Und die bringen viel,<br />

viel Geld ein, während ein Flipper praktisch keine Einnahmen<br />

bedeutet.« Das hat leider seine Gründe: Flipper waren<br />

und sind in der Anschaffung teuer und bedürfen einer starken<br />

Wartung. Schon beim kleinsten Fehler im Flipperarm<br />

verliert der Tisch seinen Reiz, wird nicht mehr gespielt. Ein<br />

Handwerker des Aufstellers muss kommen. Eine mühsame<br />

und teure Angelegenheit – aber das war schon immer so.<br />

Eine besondere Dynamik nach unten brachte erst das<br />

letzte Vierteljahrhundert mit sich: Flipper waren vor dem<br />

Boom der Videospiele lange Zeit unangefochtene Zukunftstechnik.<br />

Die gefeierte Avantgarde des Freizeitspiels sozusagen.<br />

Das Herz der Geräte war zunächst rein mechanisch,<br />

dann elektro-mechanisch und mit dem Aufkommen der<br />

Mikroprozessoren seit den 1970ern elektronisch (die sogenannte<br />

Solid-State-Ära). Zu dieser Zeit entstanden einige<br />

der schönsten und aufwendigsten Geräte – spätestens<br />

seit jetzt gerieten Flipper aber zugleich zu einem Atavismus<br />

der Technikgeschichte. Denn während Heim-Videospiele<br />

langsam kommerziell zu boomen begannen und mit-


tels Voll-Digitalisierung und -Virtualisierung die Zukunft<br />

der Freizeitkultur defi nierten, war der Flipper nach wie vor<br />

der launische Zwitter, der halb aus Mechanik und halb aus<br />

Computerchips bestand. Ein aus der Mode gekommener<br />

Held vergangener Epochen, der irgendwo zwischen der realen<br />

und virtuellen, der mechanischen und digitalen Welt<br />

festhing und anfälliger war als alle Videospielsysteme.<br />

Harald Fleischhauer und Axel Hillenbrand vom Flippermuseum<br />

»Extraball« erleben heute eine entsprechende<br />

Wahrnehmungsverschiebung bei den Jugendlichen, wenn<br />

jene auf den mittlerweile über 70 sauber restaurierten Exponaten<br />

spielen – was in diesem Museum übrigens ausdrücklich<br />

erwünscht ist. »Gerade junge Spieler sehen Flipper<br />

fälschlicherweise oft in der Tradition der Videospiele.<br />

Da sagt das Kind zur Mutter schon mal so was wie: Nein, wir<br />

können noch nicht gehen, ich hab noch zwei Leben. Leben<br />

anstatt Bällen oder Kugeln, wie man früher sagte. Das ist<br />

schon sehr auffällig«, so Hillenbrand, der mit Fleischhauer<br />

Ende letzten Jahres das Museum eröffnet hat. Ihre Einrichtung,<br />

die aus einer Sammelleidenschaft heraus entstand,<br />

die irgendwann auf Öffentlichkeit drang, bildet mit Geräten<br />

aus 80 Jahren fast die komplette Geschichte des Genres ab.<br />

Was ihnen unter anderem noch fehlt, ist ein Gerät der sogenannten<br />

»Pinball 2000«-Serie der Firma Williams aus den<br />

1990er-Jahren. Die 1990er – das war das letzte verheißungsvolle,<br />

im Ergebnis aber rabenschwarze Jahrzehnt der Flipper-Geschichte,<br />

über das es sogar einen Dokumentarfi lm<br />

mit dem bezeichnenden Titel »Tilt« gibt. Jener beleuchtet<br />

aus der Retrospektive den verzweifelten Kampf der Ingenieure<br />

und Programmierer von Williams, in Zeiten sinkender<br />

Verkäufe die Zukunftsvision eines Flippers zu entwickeln,<br />

um ihre Jobs zu retten. Das gelang mit Hilfe eines integrierten<br />

Monitors, der von oben abstrahlte und so virtuelle Figuren<br />

auf den Tisch projizierte. Eine technische Meisterleistung.<br />

Geholfen hat jene nicht – nach »Revenge From Mars«<br />

und »Star Wars – Episode 1« wurde die Division aufgelöst.<br />

Der einst so gefeierte Flipperproduzent Williams baut heute<br />

zynischerweise nur noch Geldspielautomaten.<br />

Greg Maletic, Regisseur des Films, hat die Tragik des Moments<br />

und womöglich auch die letzte Niederlage der kommerziellen<br />

Flipper-Geschichte eingefangen. Er interviewte<br />

weinende Ex-Mitarbeiter des Unternehmens, die zum<br />

Teil bis heute nicht verstehen können, warum die Konzernführung<br />

trotz gefeierter Technik und passabler Verkäufe<br />

so agierte, wie sie es tat. »Mein Plan war ursprünglich, einen<br />

Film über Technik-Design und über die Tragik zu drehen,<br />

wenn technisch hochkomplexe Geräte entworfen und<br />

von einem Tag auf den anderen obsolet werden. Pinball<br />

2000 war dafür ein Paradebeispiel«, sagt er im <strong>Intro</strong>-Interview.<br />

Für die USA konstatiert er, dass Flipper zunehmend<br />

nur noch in öffentlich gemachten Sammlungen und ausgewählten<br />

Arcades für die Nachwelt überleben werden.<br />

Ein Zustand, der auch in Deutschland Realität werden<br />

dürfte. Denn obwohl es einen großen Privatmarkt für gebrauchte<br />

Flipper, Messen, Flipperturniere und sogar einen<br />

Ligabetrieb gibt – der Flipper befi ndet sich massiv auf<br />

dem Rückzug ins Private, hin zu einem eingeschworenen<br />

Fachpublikum. Es bildet sich einerseits eine treue Checker-<br />

Nichtöffentlichkeit, andererseits bekommt der potenzielle<br />

Nachwuchs immer weniger Chancen, die Begeisterung<br />

an Orten seiner Jugend zu teilen. »Derzeit gehe ich davon<br />

aus, dass Flipper im öffentlichen Bild aussterben werden«,<br />

so Hillenbrand. »Die Kernfrage ist: Inwieweit kann die Nostalgie<br />

unserer Generation die Flipper in die nächste Generation<br />

rüberretten?« Und Greg Maletic meint für die USA:<br />

»Ein Pinball-Revival ist nicht ausgeschlossen. Aber ich würde<br />

sagen, es ist unwahrscheinlich.«<br />

Bleibt nur die Bitte: Füttern Sie Flippertische, wo Sie nur<br />

können. Und so lange Sie noch können. Es handelt sich um<br />

eine vom Aussterben bedrohte Art.<br />

Im Blog auf intro.de: Nachlese – Die <strong>Intro</strong>-Redakteure<br />

Volkmann und Scharlau machen eine Sauf-Radtour durch<br />

miese Schlagerkneipen – anhand ihrer Recherche-Ergebnisse<br />

bei fl ippern.de.<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ Spiele _ Flipper _ 081<br />

Harald Fleischhauer + Axel Hillenbrand im Museum Designer Steve Kordek mit dem letzten Williams-Flipper Szene aus »Tilt«<br />

Die Top7-Flipper<br />

der <strong>Intro</strong>-Redaktion<br />

Indiana Jones (Williams, 1993)<br />

Scared Stiff (Bally, 1996)<br />

Junk Yard (Williams, 1996)<br />

Star Wars (Data East, 1987)<br />

White Water (Williams, 1993)<br />

Medieval Madness (Will. 1997)<br />

The Getaway: High Speed II<br />

(Williams, 1992)<br />

Links:<br />

www.fl ippern.de:<br />

tolle Metasuchmaschine für<br />

Flipperstandorte in Deutschland<br />

www.ipdb.org: wichtigste<br />

Internet-Datenbank für Flipper<br />

www.pingamejournal.com:<br />

wichtigstes Flipper-Printmagazin<br />

www.sternpinball.com: Stern –<br />

der letzte Flipper-Produzent<br />

www.gelsen-fl ipper.de:<br />

Deutsche Pinball-Convention<br />

Tilt – The Movie<br />

USA 2006<br />

R: Greg Maletic<br />

Die DVD mit zahlreichen<br />

Extras gibt es hier zu bestellen:<br />

www.tilt-movie.com


082 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Spiele _ Sam & Max: Season One Text: Marc Seebode<br />

Sam & Max: Hit The Road<br />

... war 1993 das erste Point&Click-<br />

Adventure von LucasArts, dessen<br />

Bedienkonzept erstmals auf die<br />

bewährten Aktionsverben ver-<br />

zichtete und den kompletten Bild-<br />

schirm für die Spielegrafi k nutzte.<br />

Sandra Schwittau<br />

Bekanntheit hat Sandra Schwit-<br />

tau vor allem durch die Synchro-<br />

nisation der Figur Bart Simpson<br />

(»The Simpsons«) erlangt. Zudem<br />

ist sie die deutsche Stimme von<br />

Hilary Swank, Milla Jovovich, He-<br />

lena Bonham Carter, Eva Mendes<br />

und Renée Zellweger.<br />

Auf intro.de<br />

Das komplette Interview mit dem<br />

Entwickler Telltale<br />

Sam & Max:<br />

Season One<br />

Telltale Games / CDV<br />

Software Entertainment<br />

PC<br />

Genre: Adventure<br />

Sam & Max: Season One.<br />

Zeit der Abenteuer<br />

Ein kaffeesüchtiger Hase namens Sam und ein Hund namens Max feiern<br />

mit dem Spezialgebiet »unnötige Gewaltanwendung« ihr Revival in 3-D. Und<br />

haben gleich das Revival des ganzen Adventure-Genres mit im Schlepptau.<br />

Wir erinnern uns: Nach dem großen Erfolg<br />

von »Sam & Max: Hit The Road«<br />

(1993) gab LucasArts Ende 2002 die<br />

Entwicklung eines Nachfolgers bekannt.<br />

Doch nachdem auf diversen<br />

Spielemessen bereits Grafi ken und Trailer gezeigt worden<br />

waren, wurde das Projekt Anfang 2004 auf Eis gelegt, da<br />

LucasArts keinen Markt mehr für Adventures sah. Die bis<br />

dato mit der Entwicklung des Spiels betrauten Entwickler<br />

Dan Connors und Kevin Bruner glaubten jedoch weiterhin<br />

an das Projekt und gründeten die Firma Telltale Games, deren<br />

innovatives Geschäftsmodell es vorsieht, Spiele in Episodenform<br />

zu veröffentlichen. Nachdem im Mai 2005 LucasArts<br />

die Rechte an der Nutzung von »Sam & Max« verlor,<br />

begann Telltale Games wenig später zusammen mit Steve<br />

Purcell (der geistige Vater von »Sam & Max«), an einem<br />

neuen, vom ursprünglichen Projekt unabhängigen Nachfolger<br />

zu arbeiten. Der effi zienteste, kostengünstigste und im<br />

Endeffekt schnellste Veröffentlichungsweg war, die Folgen<br />

online zu verkaufen. Deswegen vertrieben Telltale Games<br />

seit Herbst 2006 nach und nach die produzierten Episoden<br />

ausschließlich als Download. Für die deutsche Version aller<br />

sechs Teile, die regulär in die Läden kommt, wurde jetzt<br />

wie zuvor Sandra Schwittau als deutsche Stimme von Max<br />

engagiert, und auch Hans-Gerd Kilbinger konnte wieder für<br />

die Synchronisation von Sam gewonnen werden.<br />

Das Hauptaugenmerk von »Sam & Max: Season One«<br />

liegt auf den zu lösenden Rätseln und beansprucht gleichermaßen<br />

das Zwerchfell des Spielers. Die Dialoge stecken<br />

voll satirischer Bemerkungen, wunderbarem Irrsinn und<br />

subtilen Andeutungen. Auch außerhalb der Wortgefechte<br />

gibt es genügend zu lachen: In der zweiten Episode holen<br />

die Schreiber beispielsweise zum Rundumschlag gegen<br />

die gesamte Fernsehwelt aus: Neben Koch- und Quizsendungen<br />

bekommen auch Casting-Shows und der Todfeind<br />

der gelungenen Unterhaltung, die Nachmittags-Talkshow,<br />

ihr Fett weg. Mit den liebevollen Charakteren, der dem Comic-Stil<br />

angepassten 3-D-Grafi k und dem Point&Click-Gameplay<br />

könnte »Sam & Max: Season One«, das Ende August<br />

als Komplettpaket auf DVD in den Handel kommt, zum spaßigsten<br />

PC-Spiel des Jahres werden. Dies hat seine Gründe.<br />

»Klassische Games sind wie Spielfi lme. Sie erzählen eine<br />

lange Geschichte, und um sie gut zu erzählen, bedarf es einer<br />

Menge Zeit und Geld. Spiele in Episodenform funktionieren<br />

eher wie TV-Serien«, so der Entwickler Telltale im<br />

Interview. »Wir verwenden auch viel Mühe darauf, eine<br />

gute Geschichte zu erzählen, aber wir können fokussierter<br />

und effi zienter arbeiten. Außerdem ist es möglich, das Gamer-Feedback<br />

auf einzelne Episoden in kommende Episoden<br />

einfl ießen zu lassen.« Alle sechs Episoden stehen so im<br />

Ergebnis für sich alleine, sind aber zusätzlich durch eine<br />

übergreifende Geschichte verbunden.<br />

Der kommerzielle Erfolg von »Sam & Max« bereits in der<br />

Download-Variante scheint eines von vielen Indizien für<br />

ein Comeback des ganzen Adventure-Genres zu sein. Fakt<br />

ist, dass derzeit wieder vermehrt Adventures auf neuen<br />

Plattformen (wie zum Beispiel dem Nintendo DS) veröffentlicht<br />

werden und beispielsweise das Line-up der diesjährigen<br />

Games Convention mit etlichen neuen Adventures aufwartete.<br />

Telltale Games setzt zumindest weiterhin auf das<br />

Genre und veröffentlichte neben »Sam & Max« unter anderem<br />

auch »Bone« oder »Ankh«. Der Erfolg gibt ihnen recht.<br />

Deswegen will Telltale Games auch bei der indirekt bestätigten<br />

zweiten Staffel von »Sam & Max« dem episodischen<br />

Veröffentlichungskonzept treu bleiben. Man darf gespannt<br />

sein.


084 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Neue Spiele<br />

Neue Spiele 09.2007<br />

Die Siedler DS<br />

Story: Alles beginnt im Hauptquartier. Das alleine<br />

klingt als Spielanreiz nicht gerade prickelnd, aber es<br />

liegt in der Natur der Sache, dass Aufbau-Simulationen<br />

am Anfang immer merkwürdig karg wirken. <strong>Als</strong>o<br />

muss man dem Schicksal Beine machen und erst einmal<br />

dafür sorgen, dass der Magen gefüllt wird. Fisch,<br />

Brot und Fleisch fallen noch nicht einmal in der Bibel<br />

vom Himmel, und auch die entsprechenden Häuser<br />

müssen erst einmal von Steinmetz und Holzfäller mit<br />

Baustoffen errichtet werden. Zuvor hat man aber die<br />

Wahl zwischen vier verschiedenen Völkern in der politisch<br />

korrekten Mischung aus Wikingern, Römern,<br />

Nubiern und Asiaten. Zu den 30 spielbaren Berufsgruppen<br />

gesellen sich noch sechs Soldatentypen, die<br />

ihrem Gewerbe entsprechend dafür sorgen, dass mühsam<br />

erbautes Hab und Gut auch wieder sorgsam vernichtet<br />

wird.<br />

Handling: Abseits eines anfangs mühsamen Spielverlaufs<br />

leiden Aufbau-Simulationen später schnell<br />

an einem unübersichtlichen Chaos von Charakteren<br />

und Statusmeldungen, die auf den ersten Blick nur<br />

von studierten Statistikern verwaltet werden können.<br />

Auf dem eher beschränkten Bildschirmplatz des Nintendo<br />

DS erleichtert die Stylus-Steuerung der einzelnen<br />

Symbole via Touchscreen enorm die Spielbarkeit.<br />

Zwei Zoomstufen und Zeitraffer zollen den technischen<br />

Gegebenheiten Tribut, was nach kurzer Eingewöhnungszeit<br />

dann auch gut funktioniert. Und wer<br />

keine Lust darauf hat, allzu zielstrebig zu spielen,<br />

kann auch den »Freies Spiel«-Modus wählen.<br />

Was bleibt: Diese Siedlervariante basiert auf einem<br />

nun schon gut zehn Jahre alten Titel, mit dem das<br />

deutsche Entwicklerstudio Blue Byte einen Klassiker<br />

des Genres schuf. Das Grundprinzip hat sich bewährt,<br />

und eine Portierung auf eine mobile und auch spielerisch<br />

reizvolle Plattform war längst fällig, auch wenn<br />

man bei der Optik seine Ansprüche tiefer ansiedeln<br />

muss. Etwas technischer Feinschliff hätte dem DS-Titel<br />

ebenfalls gutgetan, denn ein Mehrspieler-Modus<br />

fehlt komplett, und es kommt relativ oft noch zu heftigen<br />

Rucklern, was beim Konkurrenzspiel »Anno 1701«<br />

auf der gleichen Spielplattform besser gelöst war.<br />

Glanzlicht: Ein Kind zeugen, einen Baum pfl anzen,<br />

einen Kredit platzen lassen oder einen Krieg führen?<br />

Es ist einfach zu verlockend, auf so bequeme Weise<br />

dem Schicksal einen Schubs geben zu können.<br />

Gregor Wildermann<br />

Die Siedler<br />

Ubisoft<br />

Nintendo DS<br />

Genre: Aufbau-Simulation<br />

Big Brain Academy Wii<br />

Story: Gesellt sich zum nicht abreißenden Schönheitswahn<br />

in Medien und Gesellschaft eine Neo-Sexiness<br />

des Geistes? Wie hoch soll der Druck auf das Individuum<br />

denn noch werden? Wer solche Fragen heute<br />

stellt, lebt bekanntlich hinterm Mond. Denn dank IQ-<br />

Spiele-Wahn und der Verwissenschaftlichung des Videospiel-Gameplays<br />

ist es bekanntlich längst schon<br />

so weit. Überall hagelt es Statistiken über die erworbene<br />

Geisteskraft beziehungsweise – viel schlimmer<br />

– über deren Verfall seit dem letzten Spiel. »Dr. Kawashima«<br />

(dessen Sequel auf der nächsten Seite vorgestellt<br />

wird) sei Dank. »Big Brain Academy« ist nun keine<br />

ganz neue Variante dieses Booms, immerhin erschien<br />

die DS-Version bereits letztes Jahr. Aber erst<br />

für Wii macht das Ganze so richtig was her.<br />

Handling: Das Menü zeigt das eigene Mii im Gang<br />

einer Highschool. Klassenzimmer führen zu den<br />

Testdisziplinen aus den Bereichen »Vision«, »Piktura«,<br />

»Algebra«, »Memoria« und »Analyse«, wobei<br />

die Grenzen recht fl ießend sind und auch gemischte<br />

Tests möglich sind. Die Aufgaben aus diesen Segmenten<br />

müssen unter höchstem Zeitdruck durch Zielen<br />

auf den Bildschirm gelöst werden. Das Ergebnis wird<br />

am Ende in prognostizierter Gehirnmasse verkündet<br />

– übrigens ein demütigendes Schauspiel, z. B., wenn<br />

das eigene Gehirn nur unter 700 Gramm wiegt. Im<br />

Mehrspieler-Modus gibt es dank Splitscreen Aufgaben<br />

gegen einander und die Uhr. Das wird gerade bei<br />

Fragestellungen, die Orientierung und dreidimensionales<br />

Verständnis erfordern, zur absoluten Qual.<br />

Was bleibt: Nach einer Stunde ein seltsam angeregtes<br />

Gefühl im Oberstübchen. Bin ich klüger? Oder<br />

ist mir nur schwindelig? Wahrscheinlich beides.<br />

Denn der Stress, der den Reiz und die Spannung dieses<br />

Spiels bedingt, ist nicht zu unterschätzen. Spielt<br />

man gegeneinander, wird die Konzentration durch die<br />

enervierende Musik, den Spielsound des Gegners und<br />

das Ticken der Uhr gestört. Und als sei das noch nicht<br />

genug, kommentiert eine piepsige Stimme aus dem<br />

Lautsprecher der Fernbedienung das eigene Spiel.<br />

»Schneller!« »Du bist gleich da!« »Noch ein kleines<br />

Stück!« Ein Spiel, hervorragend geeignet zur Abhärtung<br />

von Unfallchirurgen und Fluglotsen.<br />

Glanzlicht: Die Aufgabe mit den Vogelkäfi gen<br />

– Bauernfängern besser bekannt als »Das Hütchenspiel«.<br />

Darin war ich nämlich ziemlich gut.<br />

Felix Scharlau<br />

Big Brain Academy<br />

Nintendo<br />

Wii<br />

Genre: Gehirntrainer<br />

PaRappa The Rapper<br />

Story: Was macht man nicht alles, um cool zu sein: Der<br />

junge PaRappa hat sich in Sunny Funny verguckt, und<br />

um die starke Dame zu beeindrucken, will er als Rapper<br />

Eindruck schinden. Wir schreiben das Jahr 1996,<br />

und lange, bevor das eigene Genre der Musik- und<br />

Rhythmusspiele überhaupt erfunden war, brachte<br />

der japanische Entwickler NanaOn-Shi mit »PaRappa<br />

The Rapper« ein Spiel, das zunächst als Unikat auffi el.<br />

Die bunten zweidimensionalen Figuren von Rodney<br />

Greenblat und die schreiend banale Geschichte waren<br />

so schlecht, dass es einfach Spaß machen musste.<br />

Handling: Eigentlich ist der Begriff des Musikspiels<br />

eher irritierend, denn der Spieler an sich macht<br />

keine eigene Musik. Die Mischung aus zeitnaher Reaktion<br />

und ansteigender Komplexität ist eher ein<br />

klassisches Geschicklichkeitsspiel, das, mit Musik<br />

kombiniert, auch bis heute in Titeln wie »Guitar<br />

Hero« Verwendung fi ndet. Immer, wenn PaRappa die<br />

verschiedenen Rap-Texte einstudiert oder vorträgt,<br />

leuchten auf der oberen Bildhälfte die Tastatursymbole<br />

der PSP in unterschiedlichen Kombinationen<br />

auf. Je nach Treffergenauigkeit und eigenem Timing<br />

wird die Leistung mit vier Einstufungen bewertet. Das<br />

reicht dann von »cool« bis »awful«, wobei auf Eindeutschung<br />

verzichtet wurde und nur die Untertiteltexte<br />

der jeweiligen Landesprache angepasst wurden.<br />

Was bleibt: Man mag sich schnell fragen, warum<br />

Sony so lange gebraucht hat, um diesen Klassiker auf<br />

die PSP zu bringen. Dazu verwundert ebenfalls, warum<br />

lediglich einige neue Instrumentalstücke als<br />

Download die einzige wirkliche Neuerung sind, das<br />

Spiel aber trotzdem 35 Euro kostet. Ähnliche alte Spiele<br />

im gleichen Genre wie zum Beispiel »ToeJam & Earl«<br />

von Sega gibt es bei den Wii-Channels schon für acht<br />

Euro als Download. Auch die Ad-hoc- sowie die Game-<br />

Sharing-Funktion sind auf der PSP nicht wirklich ein<br />

Mehrwert, da man nicht parallel spielen kann.<br />

Glanzlicht: In seinen besten Momenten erinnert<br />

das Spiel mit dem unschuldigen Rapper und dessen<br />

großer orangenen Skimütze an die Zeit des ersten De-<br />

La-Soul-Albums. Statt mit Gangster-Rappern in düsteren<br />

Hinterhofszenen rappt man hier zusammen<br />

mit einem zwiebelköpfi gen (!!) asiatischen Rapmeister<br />

namens Chop-Chop in einer bunten und leicht verstrahlten<br />

Jim-Avignon-Welt. Und in welchem Spiel<br />

heißt der Endgegner schon MC King Kong Mushi?<br />

Gregor Wildermann<br />

PaRappa The Rapper<br />

Sony<br />

PSP<br />

Genre: Musik-Rhythmusspiel


Rote Augen mit Scharlau<br />

Steigen wir gleich mit einem Eklat ein: <strong>Intro</strong> bespricht<br />

erst im September, also deutlich nach<br />

der Tour de France, den »Radsport Manager<br />

Pro 2007« (Crimson Cow; PC)? Seid ihr von Sinnen?<br />

Das kann natürlich nur von jemandem kommen,<br />

dessen kürzlich generiertes Tour-Feeling noch bis Juli<br />

2008 vorhalten wird. Und das dürfte, Hand aufs Herz,<br />

so gut wie niemandem so gehen. <strong>Als</strong>o rauf auf die virtuellen<br />

Drahtesel, immerhin stehen 60 Teams und<br />

200 verschiedene Rennen zur Auswahl. Die Dopingmittel<br />

der Saison sind ein neuer Prozessor sowie der<br />

Epo-Ersatz »Hersteller-Patch« – die PC-Kaufversion<br />

ist nämlich mit Bugs leider nur so übersät.<br />

Übersät, allerdings mit Blut, sind etliche Level von<br />

»Vampire Rain« (AQ Interactive; Xbox 360). Der Hor-<br />

ror-Splinter-Cell-Klon bietet streckenweise spannende,<br />

aber stark repetitive Schleich-Unterhaltung und<br />

weiß auf voller Länge nicht wirklich zu überzeugen.<br />

Immerhin ist er als Kompensation für mangelndes<br />

Gameplay streckenweise so brutal, dass bei uns die Jugendfreigabe<br />

verweigert wurde. Möglicherweise wird<br />

das Spiel für seine Klientel ja dadurch interessanter.<br />

Mit solchen Problemen hat »G1 Jockey« (Koei; Nintendo<br />

Wii) nicht zu kämpfen. Per Fernbedienung und<br />

Nunchuk wird gepeitscht und die Sporen gegeben, bis<br />

die Mähre vor der Ziellinie fast zusammenbricht. Die<br />

gute Nachricht: Im Menü der in der Vergangenheit bereits<br />

für PS2 erschienenen Pferderenn-Simulation<br />

stehen noch Hunderte anderer Pferde zur Auswahl.<br />

Durchdacht kommen die erstaunlich komplexen Steuerungsmechanismen<br />

und der Story-Modus daher. Unverständlich<br />

ist allerdings, dass nur die Anleitung auf<br />

Deutsch, das Spiel jedoch in Englisch gehalten ist.<br />

»Call Of Juarez« (Ubisoft; Xbox 360) ist ebenfalls<br />

nicht neu, gibt es jetzt aber endlich auch für die Videokonsole.<br />

Der Western-Action-Shooter stellt auch in<br />

dieser Form eine Ausnahmeerscheinung dar: Perfekte<br />

Grafi k, eine komplexe Story und stimmungsvolle Musik<br />

lassen eine manchmal etwas unausgereifte Steuerung<br />

schnell vergessen. Highlight: Man spielt abwechselnd<br />

zwei Figuren, darunter Ray, einen ehemaligen<br />

Revolverhelden, der dann Prediger wurde. <strong>Als</strong> Teil<br />

seiner Rückbesinnung (Stichwort: Rache üben) knallt<br />

er Bösewichte ab und liest zwischendrin plötzlich wie<br />

von Sinnen Passagen aus dem Alten Testament vor,<br />

<strong>Intro</strong> _ und so _ Neue Spiele _ 085<br />

während rechts und links neben ihm die Schüsse einschlagen.<br />

Auch für den Spieler der Figur eine unheimliche<br />

Psychonabelschau. Beklemmend und absolut<br />

empfehlenswert.<br />

Die – hier allerdings gottlose – Macht des Geistes<br />

müssen auch die Gegner in »Harry Potter und der Orden<br />

des Phönix« schmecken (EA; diverse Systeme).<br />

Ein schönes Spiel. Besonders hervorzuheben: die Wii-<br />

Fassung, bei der der Stab mit der Hand geschwungen<br />

und die Zaubersprüche sogar gerufen (!) werden müssen,<br />

um zu wirken. Schade nur, dass Harry am Ende<br />

nach einer komplizierten Schlüsselbein-Fraktur im<br />

Krankenhaus an einer nosokomialen Infektion stirbt.<br />

Oder etwa doch nicht?<br />

Vor menschlichen Gebrechen sind die Transformers,<br />

die derzeit mal wieder über die Kinoleinwände<br />

rumpeln, bekanntlich gefeit. Davor und vor so ziemlich<br />

allem anderen. »Transformers – The Game« (Activision;<br />

PC und alle Konsolen) bietet das erwartbare<br />

Actionszenario, bei dem jeder sichtbare Spielgegenstand<br />

– Haus, Auto, Baum – zerstört werden kann.<br />

Sinnlose Gewalt, eingebettet in Missionen. Beeindruckend:<br />

Bei PC und Next-Gen-Konsolen sehen die eigentlichen<br />

Spielszenen grafi sch bisweilen besser aus<br />

als die Zwischensequenzen.<br />

»Dr. Kawashima – Mehr Gehirnjogging« (Nintendo;<br />

DS) war selbstredend nur eine Frage der Zeit. <strong>Als</strong><br />

neue Modi müssen unter anderem Musikstücke nachgespielt<br />

und »Schnick Schnack Schnuck« zelebriert<br />

werden.<br />

E3 2007 – Die schlanke Linie …<br />

Es ist schon bemerkenswert, wenn im Land der<br />

Superlative plötzlich tiefer gestapelt wird.<br />

Über Jahre war die Electronic Entertainment<br />

Expo (E3) als weltweit wichtigste Videospielmesse<br />

in Ausstellerzahl und Flächenquadratmeter<br />

gestiegen. Was als Fachmesse gedacht war,<br />

wurde jedoch zum bunten Rummelplatz, und wirklich<br />

wichtige Titel zeigte man dann doch oft lieber »behind<br />

closed Doors«. <strong>Als</strong>o sah man in Los Angeles das<br />

»Downsizing« als rettende Lösung – vom großen Convention<br />

Center in Downtown zog man in einen kleinen<br />

Flugzeughangar sowie in umliegende Hotels in Santa<br />

Monica. Bei den Pressekonferenzen blieb man dafür<br />

den gewohnten Verhältnissen treu, was in einer Medienwelt<br />

von YouTube & Co. für die Berichterstattung<br />

wohl auch so bleiben wird. Vielleicht passt die Mini-<br />

E3 auch besser zur Neuigkeitenlage, denn wirkliche<br />

Überraschungen hatte man im Vorfeld nicht erwartet.<br />

Bei den großen drei Konsolenherstellern stand eine<br />

Bestandsanalyse auf dem Plan. Dabei konnte sich<br />

Nintendo besonders entspannt zurücklehnen. Ihre<br />

Wii-Konsole geht wie fangfrischer Thunfi sch über die<br />

Ladentheke, und beim Nachschlag wird konsequent<br />

in die gleiche Kerbe geschlagen: Dank einem begehbaren<br />

und berührungsempfi ndlichen Balance Board<br />

in Kombination mit »Wii-Fit« verwandelt man selbst<br />

eine verrauchte Nerdbude in einen Fitnesstempel. Für<br />

den eher klassischen Gamer zeigte Nintendo endlich<br />

das fi nale Design ihres Wii-Zapper, mit dem Shooterspiele<br />

endlich auch auf der Wii anständig spielbar<br />

werden.<br />

Auch die Vorstellungen bei Sony zeigten, dass die<br />

Firmen jetzt endlich eine gute Balance zwischen Freizeitspielern<br />

und den Dauerdaddlern suchen. Das Supergrafi<br />

k-Macho-Shooterspiel »Killzone 2« gesellt<br />

sich da direkt neben das kindlich verspielte »Little<br />

Big Planet«, mit dem Mann und Frau ihre Spielwelten<br />

im Baukastenprinzip plus Tim-Burton-Ästhetik<br />

selbst basteln können. Die lange eher stiefmütterlich<br />

behandelte PSP wurde von Sony auf einige<br />

ihrer Schwachpunkte hin verbessert. Das Ergebnis<br />

kann sich weniger sehen als fühlen lassen: Der Akku<br />

hält länger, die UMD-Discs werden dank größerem<br />

Arbeitsspeicher schneller gelesen, und passend zur<br />

schlanken Linie wurde das Gesamtgewicht der mobi-<br />

len Konsole um rund 30 Prozent verringert. Der Schatten<br />

aller alten PlayStation3-Rückschläge war auf der<br />

E3 dagegen kaum noch sichtbar, und es scheint nun<br />

eher eine konkrete Preisfrage, wie oft das Gerät ins<br />

Wohnzimmer einzieht.<br />

Auch bei Microsoft konzentrierte man sich abseits<br />

der mit HDMI-Anschluss hochgerüsteten Xbox360-<br />

Elite, einem neuen Controller für Casualgames, und<br />

der sehr praktischen, weil direkt ansteckbaren Konsolentastatur<br />

Chatpad ganz auf die Software. Während<br />

es bei den diesjährigen Blockbustern wie »Halo3«<br />

oder den exklusiven Inhalten zu »Grand Theft Auto<br />

IV« kaum Neuigkeiten gab, zeigte ein Trailer zu »Project<br />

Gotham Racing 4« spektakuläre Motorradsequenzen<br />

und Wettereffekte, die selbst im kleinsten<br />

Quicktime-Fenster beeindruckend aussehen. Bei den<br />

Drittherstellern bekam ElectronicArts für das neue<br />

»Simpsons«-Spiel den wohl größten Applaus. Denn<br />

bei diesem Titel wirkt es tatsächlich so, als könne man<br />

jede Folge nun interaktiv noch mal erleben.<br />

Ein Name wurde in Los Angeles in Verbindung mit<br />

dem Neuanfang der E3 ebenfalls immer wieder genannt:<br />

Leipzig. Längst keine »German Kleinigkeit«<br />

mehr, hat sich die Stadt mit ihrer Games Convention<br />

(23. – 26.08.) fest bei den Herstellern etabliert. Auch<br />

wenn sich dieses Jahr nochmals beweisen dürfte, dass<br />

die Messe an ihrem bisherigen Standort in puncto Kapazitäten<br />

an ihre Grenzen angelangt ist. Umzug oder<br />

Verkleinerung? Leipzig wird hoffentlich eine bessere<br />

Antwort als Los Angeles einfallen. Gregor Wildermann


086 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Neue Technik<br />

Neue Technik 09.2007<br />

Live 6 LE<br />

Wer Nutzer ist und weiß, dass zuletzt mit großer Regelmäßigkeit<br />

für den Herbst des jeweiligen Jahres<br />

eine neue Version von Abletons Musikproduktionssoftware<br />

»Live« angekündigt wurde, wird 2007 möglicherweise<br />

traurig sein – alle Rookies dürfen sich allerdings<br />

freuen. Denn »Live 6 LE« ist die letztjährige<br />

Fassung – aber in einer »Light Edition«. Das heißt:<br />

Mehr Verständlichkeit und Übersichtlichkeit für Neueinsteiger,<br />

aber nicht viel weniger Funktionen. Aufgenommen<br />

wird in bester Qualität (bis zu 32 Bit / 192<br />

kHz) auf maximal 64 Audio- und unbegrenzt vielen<br />

MIDI-Spuren. Bearbeitet werden die Spuren anschließend<br />

mit über 20 Effekten, wobei bereits vorhandene<br />

VST- oder AU-Effekte beziehungsweise –Instrumente<br />

unter »Live« eingebunden werden können. Auch die<br />

Möglichkeiten des Mixings und Dejayings in Echtzeit<br />

unterliegen kaum Einschränkungen im Vergleich<br />

zur Vollversion. Hervorzuheben sind die enthaltenen<br />

Software-Instrumente Simpler (für Sample-basierte<br />

Synthese) und Impulse (für eine bessere Beat-Produktion).<br />

Und wem die Software dann irgendwann zu<br />

wenig ist, der kann problemlos und voraussichtlich<br />

günstig zur Vollversion upgraden. Bettina Gutsohn<br />

Live 6 LE<br />

Musikproduktionssoftware<br />

Ableton / ca. EUR 129 (Download bei Ableton)<br />

bzw. EUR 169 (Handel)<br />

Zoom Ex-Z77<br />

Im Prinzip ist die neue Casio-Kamera mit dem nicht<br />

gerade schmuckvollen Namen »Exilim Zoom Ex-<br />

Z77« eine ganz normale Kamera, bei der zunächst<br />

die ganz normalen Eigenschaften einer Digitalkamera<br />

ins Auge fallen: 7,2 Megapixel, 6,6-cm- bzw. 2,6-<br />

Inch-Display, optimale Schärfe durch Gesichtserkennung<br />

und Motion-Analyse, elektronischer Verwackelungsschutz<br />

und – besonders schön, weil selten bei Kameras<br />

dieser Preisklasse – Serienbildaufnahme für<br />

bis zu fünf Bilder pro Sekunde. So weit, so normal. Dabei<br />

liegt das Besondere hier absurderweise jenseits<br />

der fotografi schen Eigenschaften. Im Fokus der Entwicklung<br />

stand nämlich die sonst meist stiefmütterlich<br />

behandelte Videoaufnahme: Ex-Z77 fi lmt direkt<br />

in einem für YouTube optimierten Bildformat unter<br />

Verwendung des hocheffi zienten Videokompressionsstandards<br />

H.264. Dank mitgelieferter Software bedeutet<br />

das: vom Set zu YouTube in genau zwei Schritten.<br />

Nicht schlecht. Denn außer, es hagelt bei YouTube<br />

demnächst umfassende Klagen wegen der zahlreichen<br />

Urheberrechtsverletzungen, wird uns die Plattform<br />

als Phänomen noch eine ganze Weile erhalten<br />

bleiben. Jakob Schramma<br />

Exilim Zoom Ex-Z77<br />

Digitalkamera,<br />

optimiert für YouTube<br />

Casio / ca. EUR 229<br />

Klangexplosion<br />

Gadget des Monats<br />

Spätestens der Flipper-Artikel auf Seite 80 macht<br />

deutlich: Wenn der Prophet nicht zur Spielhalle<br />

kommt, muss eben doch die Spielhalle zum Propheten<br />

gehen – oder so ähnlich. Und vor allem: Sie kann!<br />

Apex nennt sich der Arcade-Automat, der fortan unsere<br />

Wohnzimmer zieren könnte und den Schwund<br />

der Geräte in der Öffentlichkeit halbwegs erträglich<br />

macht. Zwar sind 3500 Euro quasi unbezahlbar, aber<br />

dafür gibt es auch eine Menge. Nämlich nicht nur den<br />

Automaten (90 kg Gewicht, Höhe: 175 cm, Breite: 56<br />

cm, Tiefe: 65 cm) inklusive Joystick und den gängigen<br />

Aktionstasten für zwei Spieler, sondern auch jede<br />

Menge vorinstallierte Game-Software. Über 140 klassische<br />

Arcade-Spiele der Firmen Midway, Taito, Capcom,<br />

Namco und natürlich Atari umfasst die Sammlung<br />

nämlich. Und sollten der verbaute 19-Zoll-TFT-<br />

Monitor und der 3-GHz-Rechner mit 160-GB-Festplatte<br />

nicht begeistern – spätestens diese wohligen Schatten<br />

der Vergangenheit werden es tun: Defender, Joust,<br />

Bubble Bobble, Great Swordsman, Jungle Hunt, OperationWolf,<br />

Rainbow Islands, Space Invaders, ZooKeeper,<br />

Streetfi ghter, Gunsmoke, 1942, 1943, Pac Man, Asteroids,<br />

Battlezone, Pong ... Felix Scharlau<br />

Apex<br />

Spielautomat<br />

z. B. www.gremlinsolutions.co.uk<br />

ca. EUR 3.520<br />

Live 6 ist da, die neueste Version des von Produzenten, Komponisten, Live-Musikern<br />

und DJs gleichermaßen geschätzten Software-Studios. Die neue Library bietet eine<br />

umfassende Palette an sofort einsetzbaren Instrumenten und Sounds. Alle wichtigen<br />

Klangeigenschaften sind mit einem Griff verfügbar. Nicht nur am Bildschirm, sondern<br />

auch vorkonfiguriert für viele gängige Controller-Keyboards. Dabei fehlt es nicht an<br />

Tiefe: Lives intuitive Oberfläche macht es leicht, alle Klänge bis ins kleinste Detail zu<br />

verstehen, zu bearbeiten oder neu zusammenzusetzen.<br />

Mehr Infos, Videos, Artist Stories<br />

auf www.ableton.com


SEQUEL. GET LIVE!<br />

Wie oft hat man sie nicht schon gehört, die alte Leier vom bloß einmal auf »Play« drückenden Laptop-Performer! Dass<br />

dem natürlich längst nicht so sein muss, wissen alle, die bei einem spannenden Live-Set eben auch mal von vorne auf den<br />

Monitor geguckt haben. Denn da geht so einiges, von exzessivem Effekteinsatz über das Verbiegen einzelner Sounds bis<br />

zur Kunst des Live-Remixens. Auch in Steinbergs Sequel wird auf Live-Kompatibilität großen Wert gelegt, und so hält die<br />

Software mit Arranger Parts, Live Pads und Chain Play Mode einige effektive und zugleich sehr intuitive Werkzeuge für den<br />

Bühneneinsatz bereit. Die zu Hause ausgetüftelten Songs oder Skizzen lassen sich damit im Club komplett umgestalten, wie<br />

die dritte und letzte Folge unseres Sequel-Tutorials hiermit kurz demonstrieren wird.<br />

Das Wichtigste und<br />

Grundlegendste<br />

für das Arbeiten<br />

mit Sequel im<br />

Live-Einsatz ist erst<br />

mal, dass die Arranger-Spur<br />

ganz<br />

oben über den einzelnen<br />

Audio- und<br />

MIDI-Tracks angezeigt<br />

wird. Dafür<br />

oben im Menü<br />

einfach auf das Symbol mit den vier kleinen Quadraten klicken. Bei gedrückter<br />

Alt- bzw. Option-Taste lassen sich nun mit der Maus in dieser Spur einzelne,<br />

beliebig lange Teile des Songs markieren. Die dadurch erzeugten einzelnen Arranger<br />

Parts können dann intuitiv von den sogenannten automatisch zugeordneten<br />

Live Pads angesteuert werden. Damit wird der Song im Handumdrehen<br />

komplett neu arrangiert und quasi live geremixt.<br />

Auch unten in der<br />

Multi Zone des Sequel-Fensterserscheinen<br />

nach einem<br />

Klick auf die<br />

vier Quadrate die<br />

charakteristischen<br />

Live Pads. Die Anzahl<br />

gleichzeitig benutzbarer<br />

Pads ist<br />

auf 16 begrenzt –<br />

man will ja nicht<br />

komplett den Überblick verlieren. Allerdings kann ein Song in bis zu 26 einzelne<br />

Arranger Parts zerlegt werden, so viele, wie das Alphabet an Kennbuchstaben<br />

zur Verfügung stellt. Über den entsprechenden Buchstaben auf dem Keyboard<br />

oder natürlich auch mit einem Mausklick auf das Pad werden die Parts<br />

direkt abgefeuert. Der Übersicht halber können sie nach einem Alt-Klick auch<br />

genauer benannt werden (<strong>Intro</strong>, Strophe, Refrain, Bridge etc.).<br />

Sequel bietet für<br />

die Live-Performance<br />

zwei unterschiedliche<br />

Modi,<br />

zwischen denen<br />

man links oben in<br />

der Multi Zone umschalten<br />

kann. Im<br />

»Live Mode« werden<br />

die einzelnen Pads<br />

praktisch unmittelbar<br />

abgespielt und<br />

loopen so lange, bis die nächste Eingabe erfolgt. Das Pad des jeweils aktiven<br />

Parts leuchtet bei der Wiedergabe auf, während der nächste sich mit Blinken<br />

ankündigt. Der »Chain Play Mode« hingegen erlaubt etwas genaueres Vorausplanen:<br />

Hier kann die Reihenfolge der einzelnen Parts über Maus oder Keyboard<br />

eingegeben und auch abgespeichert werden. Startet man die Wiedergabe,<br />

werden die Parts in der zuvor festgelegten Abfolge in voller Länge abgespielt.<br />

Eine wichtige Feineinstellung<br />

im »Live<br />

Mode« betrifft natürlich<br />

die Frage,<br />

wann genau der<br />

nächste angewählte<br />

Part gestartet werden<br />

soll. Hier gibt es<br />

sechs mögliche Optionen<br />

(von »Now«<br />

über »4 Bars / 2 Bars<br />

/ 1 Bar« bis zu »1<br />

Beat« oder »End«), die sich nach kurzem Ausprobieren von selbst erklären, aber<br />

auf das Resultat großen Einfl uss haben. Schon in Verbindung mit Sequels einfachsten<br />

Mixerfunktionen wie Stumm- oder Soloschalten (ebenfalls ganz leicht<br />

über die Tastatur steuerbar) kriegt man mit den Arranger Parts und den Live Pads<br />

schnell aufregende Performances hin. Ganz egal, ob der Superstar-DJ also wieder<br />

mal abgesagt hat, mit Sequel ist die nächste Party auf jeden Fall gerettet!<br />

SEQUEL STEINBERG www.sequel-music.net / Euro 99<br />

PROMOTION


<strong>Intro</strong> Abo<br />

+ Nur 25 Euro für 11 mal <strong>Intro</strong> plus Festivalguide-Magazin<br />

+ Bequem, pünktlich, nie vergriffen: Dein <strong>Intro</strong> kommt immer genau richtig<br />

+ 1 Prämie für jeden Abonnenten (siehe Auswahl unten)<br />

Bestellung unter www.intro.de/abo oder persönlich: 0221/949930<br />

Die Prämien<br />

Melt! Vol.3<br />

Compilation<br />

2CD<br />

The Fountain<br />

DVD<br />

Das Kleingedruckte<br />

M.I.A.<br />

Kala<br />

CD<br />

Dirty Soundsystem<br />

presents<br />

Dirty Space Disco<br />

CD<br />

Broken Social Scene<br />

presents: Kevin Drew<br />

Spirit If ...<br />

CD<br />

Junior Senior<br />

Hey Hey My My Yo Yo<br />

CD<br />

The Go! Team<br />

Proof of Youth<br />

CD<br />

Patrick Watson<br />

Close To Paradise<br />

CD<br />

Es steht ein begrenztes Kontingent an Prämien zur Verfügung. Wir garantieren nicht die Lieferung der Wunschprämie. Der Versand der Prämie erfolgt erst nach dem Veröffentlichungstermin des jeweiligen<br />

Tonträgers. Das Abonnement kostet im Inland 25 Euro (inkl. Prämie), im Ausland 30 Euro frei Haus (ohne Prämie). Für den Prämienversand ins Ausland erheben wir zusätzlich 7 Euro (optional). Es handelt sich<br />

um eine Jahrespauschale. Eine vorzeitige Kündigung bedingt daher nicht die Rückzahlung eines Restbetrages. Das Abo kann 10 Tage nach Bestellung widerrufen werden. Das Jahresabonnement verlängert sich<br />

automatisch, sofern wir keine Kündigung 6 Wochen vor Ablauf der Jahresfrist erhalten. Dieses Angebot gilt bis auf Widerruf, spätere Erhöhungen sind nach Ablauf des einjährigen Abonnements nicht auszuschließen.<br />

Bestellung und weitere Informationen unter www.intro.de/abo oder persönlich am Telefon (0221/9499314).<br />

O.S.T.<br />

Hallam Foe<br />

CD<br />

Pinback<br />

Autumn Of The Seraphs<br />

CD


A N I M A L<br />

C O L L E C T<br />

I V E A G A I<br />

N S T M E ! D<br />

I R T Y S O U<br />

N D S Y S T E<br />

M F U N N Y<br />

V A N D A N<br />

N E N H A R<br />

D - F I P I N B<br />

A C K S U P E<br />

R M A Y E R<br />

<strong>Intro</strong>s liebste neue Platten<br />

01 M.I.A. Kala<br />

02 Hard Fi Once Upon A Time In The West<br />

03 Animal Collective Strawberry Jam<br />

04 Chloe The Waiting Room<br />

05 Talib Kweli Eardrum<br />

06 The Go!Team Proof OF Youth<br />

07 Maccabees Colour It On<br />

08 Hot Hot Heat Happiness Ltd.<br />

09 Broken Social Scene presents Kevin Drew<br />

10 Moneybrother Mount Pleasure<br />

11 The Enemy We’ll Live And Die In These Towns<br />

12 You Say Party! We Say Die! Loose All Time<br />

13 Against Me! New Wave<br />

14 O.S.T. Hallam Foe Domino<br />

15 Swayzak Some Other Country<br />

16 Menomena Friend Or Foe<br />

17 Pinback Autumn For The Seraphs<br />

18 Dirty Soundsystem presents Dirty Space Disco<br />

19 Rilo Kiley Under The Blacklight<br />

20 Nick Drake The Family Tree<br />

Ermittelt aus Stimmabgaben von Redakteuren<br />

und Autoren.<br />

Des Lesers liebste Platten<br />

01 Tocotronic Kapitulation<br />

02 Editors An End Has a Start<br />

03 Justice Cross<br />

04 Interpol Our Love to Admire<br />

05 Diverse MELT! Compilation Vol. 3<br />

06 Queens Of The Stone Age Era Vulgaris<br />

07 The White Stripes Icky Thump<br />

08 Maximo Park Our Earthly Pleasures<br />

09 Feist The Reminder<br />

10 Bloc Party A Weekend In The City<br />

11 Digitalism Idealism<br />

12 Simian Mobile Disco Attack Decay Sustain …<br />

13 Arctic Monkeys Favourite Worst Nightmare<br />

14 Die Fantastischen Vier Fornika<br />

15 The Chemical Brothers We Are the Night<br />

16 Shout Out Louds Our Ill Wills<br />

17 UNKLE War Stories<br />

18 Art Brut It’s a Bit Complicated<br />

19 Turbostaat Vormann Leiss<br />

20 Wir Sind Helden Soundso<br />

Sendet eure Top 10 per Postkarte an <strong>Intro</strong>, PF 19 02 43,<br />

50499 Köln oder Mail an charts@intro.de.<br />

Alle Einsendungen nehmen an den Verlosungen teil.<br />

Bitte kommen!<br />

Supermayer Save The World<br />

Beirut The Flying Club<br />

Múm Go Go Smear My Poison Ivy<br />

Róisín Murphy Overpowered<br />

The Robocop Kraus Blunders And Mistakes<br />

Alben für Oktober. Heute schon gehört.<br />

Demnächst mehr.<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 089<br />

Probefahrt 09.2007


090 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

PVG 09.07<br />

Platten vor Gericht<br />

Patrick Watson<br />

Close To Paradise<br />

V2 / Universal<br />

Menomena<br />

Friend And Foe<br />

City Slang / Universal<br />

Black Strobe<br />

Burn Your Own Church<br />

Playloud / Beggars Group / Indigo<br />

Modeselektor<br />

Happy Birthday!<br />

BPitch Control / Rough Trade<br />

Okkervil River<br />

The Stage Names<br />

Jagjaguwar / Cargo / VÖ 07.09.<br />

Figurines<br />

When The Deer Wore Blue<br />

Pop-U-Loud / Pias / Rough Trade<br />

Black Francis<br />

Bluefi nger<br />

Cooking Vinyl / Indigo<br />

Boys Noize<br />

Oi Oi Oi<br />

Boys Noize / Rough Trade / VÖ 14.09.<br />

Turbostaat<br />

Vormann Leiss<br />

Same Same But Different / Warner<br />

Omar Rodriguez Lopez<br />

Se Dice Bisonte, No Bufalo<br />

Gold Standard Laboratories / Cargo<br />

The Cribs<br />

Men’s Needs, Women’s …<br />

Warner<br />

Moneybrother<br />

Mount Pleasure<br />

SonyBMG<br />

All Time Faves<br />

Tocotronic<br />

Jan Müller<br />

Ø 8,41<br />

»Man muss dem bornierten Ernst<br />

in der Musik das Genie der Heiterkeit<br />

entgegenstellen.« (9)<br />

»Musik ersetzt die Religion.« (9)<br />

»Musik ist die Zufl ucht der vom<br />

Glück angewiderten Seelen.« (10)<br />

»Music is the healing force of the<br />

universe.« (9)<br />

»Ohne Musik wäre das Leben ein<br />

Irrtum.« (9)<br />

»Im Verhältnis zur Musik ist<br />

alle Mitteilung durch Worte von<br />

schamloser Art.« (9)<br />

»Die guten Musiker sind alle Einsiedler<br />

und außer der Zeit.« (9)<br />

»Wer tanzen will, muss zu der Musik<br />

tanzen, die geboten wird.« (9)<br />

»Gerade die Musik leidet und fordert<br />

unter allen Künsten am meisten<br />

Wiederholung.« (9)<br />

»In der Musik nämlich lassen sich<br />

die Menschen gehen, weil sie wähnen,<br />

es sei niemand da, der sie selber<br />

unter ihrer Musik zu sehen vermöge.«<br />

(9)<br />

»Musik bedarf weniger der Neuheit,<br />

ja vielmehr, je älter sie ist, je<br />

gewohnter man sie ist, desto mehr<br />

wirkt sie.« (9)<br />

Langweiler. (1)<br />

Yanka Dyagileva Ne Polezheno<br />

Ingrid Caven Der Abendstern<br />

Abwärts Ich seh die Schiffe den<br />

Fluss herunterfahren<br />

Franz Josef Degenhardt Wenn …<br />

Cotzbrocken Jedem das seine<br />

Digitalism<br />

Isi und Jence<br />

Ø 4,00<br />

Ist uns zu ruhig und zu soft und<br />

so. (2)<br />

Bisschen psychedelisch. (3)<br />

Ivan Smagghe hat jetzt einen<br />

Moustache, genau wie Metallicas<br />

James Hetfi eld. Schöner Harley-Sound.<br />

Aber mehr Harleys mit<br />

Elektro-Motor. (7)<br />

Ist nix für Mutti. Hat was von Booty<br />

Techno. (5)<br />

Ist nicht so ganz unser Fall. (2)<br />

Gut fürs Auto zum Durchhören.<br />

60s-angehaucht. (4)<br />

Schöner Garagen-Rock’n’Roll! (5)<br />

Wow, hier müssen die Verzerrer 24<br />

Stunden lang in Betrieb gewesen<br />

sein. »This is the fi rst Boys Noize<br />

album brought to you by Boys Noize<br />

Records.« Club ahoy! (7)<br />

Oh, mal was auf Deutsch! Na, das<br />

könnte doch was für Fans von den<br />

Toten Hosen sein. (3)<br />

Genau so stellen wir uns ein Chillout<br />

auf einem Festivalgelände mittags<br />

in der Sonne vor. (4)<br />

Mischmasch zwischen The Kooks<br />

und Franz Ferdinand. Wobei The<br />

Cribs schon vorher da waren. (4)<br />

Zum Weghören! (2)<br />

_<br />

Malajube<br />

Julien Mineau, Thomas<br />

Augustin und Mathieu<br />

Cournoyer Ø 6,00<br />

J: He’s a good friend of ours. Ten!<br />

T: Ten. M: I love it. Nice guy. I’m<br />

a fan! (10)<br />

T: They rip us off. Sounds good. M:<br />

I think I will like it once I listen to it<br />

more often. (8)<br />

J: Okay if you’re on lots of cocaine.<br />

A French band with an English<br />

name? That’s bad. T: I don’t feel<br />

anything. Rob Zombie in boring.<br />

M: Clubby. (0)<br />

J: I don’t like it. Too minimal for me.<br />

T: Very disturbing cover. The fi rst<br />

song is a rip-off from an ad for a moving<br />

company in Québec. Song #16<br />

sounds like a goth song. But it’s<br />

good. M: Great cover! (5)<br />

J: Great drum sound! T: Sounds<br />

like a mixture between Sting & Arcade<br />

Fire. It’s for the big stage. M:<br />

The singer sounds like Robert<br />

Smith. (6)<br />

J: It’s okay music. It seems to be<br />

good, like Sunny Day Real Estate. T:<br />

Weird. It sounds like a fairy tale. (7)<br />

J: He’s too old to play punk rock! Too<br />

fat and too bald! But it’s the best<br />

so far. T: Weird song title: »Tight<br />

Black Rubber«! M: His new old<br />

name doesn’t make it better. (7)<br />

J: That is better electronic music<br />

than Modeselektor. T: It’s good. I<br />

wanna keep that one. M: Must be<br />

great when you’re on drugs. It gets<br />

on my nerves. (8)<br />

J: He’s mad at the world! Sounds<br />

better than Rammstein. T: They<br />

start by singing »Guten Tag!«<br />

That’s enthusiastic! M: The voice<br />

is annoying. At least they sing in<br />

German. (3)<br />

M: Sounds like a Mars Volta album.<br />

J: Yeah, that’s a way to maximize<br />

profi ts. T: Sounds like »Gumma<br />

Gumma« from Pink Floyd, but the<br />

sax is killing it. (8)<br />

J: Like Hot Hot Heat. M: Sounds like<br />

a million bands. But the British<br />

love that sound. (-)<br />

T: Great autotune! [lacht] M: Punk<br />

rock for 35-year-olds. (4)<br />

Paul McCartney Ram<br />

Weakerthans Reconstruction Site<br />

Propagandhi Less Talk, More Rock<br />

Piebald When Life Hands You<br />

Lemons<br />

Herbie Hancock Chamaeleon<br />

Shout Out Louds<br />

Adam und Carl<br />

Ø 6,14<br />

C: We played with them! A: I like it<br />

more on record than live.<br />

A: I like this damaged kind of music.<br />

Sounds like the singer of TV On<br />

The Radio. (7)<br />

A: I like his voice, very dark – but a<br />

little bit too dramatic. (5)<br />

C: Feels kind of fresh, I like it a lot.<br />

A: The song with Thom Yorke is<br />

very beautiful. (6)<br />

C: I like the production. A: This is<br />

good, it’s quite intimate. (7)<br />

A: They have beautiful harmonies,<br />

I like that. One of the best bands<br />

from Denmark.<br />

C: It’s Frank Black! A: I don’t listen<br />

much to rock music, but I<br />

would love it, when I’m really, really<br />

drunk. (6)<br />

A: I’ve listened to a few of their remixes<br />

– they are very good. But this<br />

is the kind of music you have to listen<br />

to closer, so I can’t grade it. (-)<br />

A: The German Hives! Probably<br />

nice to see live, but it’s not really my<br />

cup of tea. It’s hard to grade, because<br />

of the language. (-)<br />

A: Woodstock! [lacht] I like it because<br />

you don’t get this kind of music<br />

often. Very psychedelic. But I cannot<br />

decide: It could be real good, it<br />

could be real bad. (-)<br />

C: Very energetic. Feels very British.<br />

A: Good melodies, but a lot of<br />

British bands sound like this today.<br />

And I don’t like the sound, they<br />

should experiment more. (5)<br />

C: We know a few of these guys,<br />

sounds like a good continuing album.<br />

A: They are very big in Sweden.<br />

Very soulful! (7)<br />

Beach Boys Pet Sounds<br />

Yo La Tengo alles<br />

Dave Brubeck Take Five<br />

Destroyer Thief<br />

Håkan Hellström Ett Kolikbarns<br />

Bekännelser


Aereogramme<br />

Campbell McNeil (Bass)<br />

und Martin Scott (Drums)<br />

Ø 4,59<br />

M: After hearing two songs I think<br />

everybody who is interested in that<br />

kind of music should invest lots of<br />

time in that album. (9)<br />

M: If I hear any more overachieving<br />

American disc – drunk and in charge<br />

of an explosive suicide, I’m gonna<br />

fucking scream. The songs are<br />

nice but under quality. (5,5)<br />

M: This guy sounds like he knows<br />

what to do in bed. Could be a fabulous<br />

lover. The production is pretty<br />

sexy, a little bit of Depeche Mode,<br />

some dub pieces. We give that fucker<br />

a: (9)<br />

S: Seems to be a cool guy. And it’s<br />

a dead cool album for his circumstances.<br />

(4)<br />

S: Nice production, good tunes. Vocals<br />

sound like Jonathan Richman<br />

from The Modern Lovers. (7,5)<br />

M: Bands from Denmark have to<br />

get over the band Mew to realize<br />

that there are more kinds of music.<br />

This is the 4th band from Denmark<br />

I've heard this year which sounds<br />

like Mew. Please, diversify! (4)<br />

S: It can not be low apart Rocket<br />

From The Crypt than like that vocal.<br />

The music could be okay but I<br />

don’t like his singing. (4)<br />

M: It’s just nothing for me, the Berlin<br />

kids probably listen to that<br />

while they go fucking crazy and<br />

shave their head. Let’s give it a ten.<br />

S: Are you weird? One point. (5,5)<br />

M: We’ve got problems, we don’t understand<br />

German. It could be the<br />

same as with Blumfeld. Everybody<br />

told us it’s all about the lyrics,<br />

otherwise the music is meaningless.<br />

So we are undecided. (-)<br />

S: Omar can’t fuck off far enough.<br />

He should rehire his old rhythmsection.<br />

(0)<br />

M: The kids are going to love it but I<br />

think it sounds piss. (2)<br />

M: That’s really bad. Nothing that<br />

makes me want to talk about it unless<br />

somebody is holding a tape<br />

recorder to my mouth. Nobody likes<br />

that. (0)<br />

Mark Eitzel Songs Of Love<br />

Kate Bush Hounds Of Love<br />

David Bowie Low<br />

Guns N’ Roses Appetite For<br />

Destruction<br />

Tom Waits Rain Dogs<br />

Alter Ego<br />

Jörn Elling Wuttke,<br />

Roman Flügel<br />

Ø 4,00<br />

Postrock mit Folkwurzeln auf den<br />

Spuren der Beach Boys. Sehr sympathisch!<br />

(9)<br />

In den schlimmsten Augenblicken<br />

treffen hier die Beach Boys auf Genesis.<br />

Zu den besten Momenten<br />

gießt man sich noch schnell einen<br />

Erdbeertee ein. (4)<br />

Nicht verarbeitete Jugendtraumata<br />

einer schon lange anvisierten<br />

Rockerkarriere werden hier<br />

zwar zeitversetzt, aber offensichtlich<br />

endlich ad acta gelegt. Leider<br />

zu oberfl ächlich. (5)<br />

Bei so viel Gästen wird auch der<br />

eine oder andere Hit für Spiegel online<br />

dabei sein. Tolle Platte, weil so<br />

viel mehr passiert als bei anderen<br />

und Humor nicht zu kurz kommt.<br />

Modeselektor bleiben cool. (7)<br />

Immer schwierig, wenn einem der<br />

Sänger schon nicht gefällt. Das<br />

große Drama der Rockmusik im 21.<br />

Jahrhundert bleibt ihre Austauschbarkeit.<br />

(3)<br />

Schon wieder so ein tiefer Griff ins<br />

tiefe Klo der Popmusikgeschichte.<br />

Natürlich nicht ungekonnt, aber so<br />

gekonnt unspannend. (4)<br />

Schwarzer Finger, schwarzer<br />

Sonntag, Fäulnis allenthalben.<br />

Tschüssikovsky! (1)<br />

Electroclash ohne Gesang im Kielwasser<br />

von Justice und Erol Alkan.<br />

Splendid! (7)<br />

Deutschpunk. Leider zehn Jahre zu<br />

spät. Hätte sich damals auch nicht<br />

gelohnt ... Auf den Spuren der Boxhamsters.<br />

(0)<br />

Stonerrocker, die einen Trip zu viel<br />

genommen haben. Die Santana-Gitarre<br />

nervt. (1)<br />

Herrje! College-Rabauken. Und<br />

jetzt noch schnell eine Stiege Miller<br />

Bier (aber bitte Rauchverbot beachten).<br />

(2)<br />

Wie die Libertines ohne Pete Doherty.<br />

Gut abgehangener Pubrock<br />

auf den Spuren von The Clash. (5)<br />

_<br />

Proton Team<br />

Henning, Jens und<br />

Thomas<br />

Ø 7,23<br />

H: Schöne Sonntagnachmittagsmusik.<br />

(8)<br />

H: Teilweise etwas anstrengend,<br />

auch die Stimme ist nicht jedermanns<br />

Sache, live aber sicherlich<br />

der absolute Kracher. (7) J: Fest-<br />

Platte fürs Feuilleton. (8) T: Nass &<br />

rostend. (10) – (~8,3)<br />

H: Heißer Scheiß. T: Rufus Wainwright<br />

steht durchgestrichen auf<br />

dem Rohling. (10)<br />

H: Nicht mein Ding. (0) J: Mir reicht<br />

die TTC-Koop alleine schon. Gebongt.<br />

(10) T: Hier ist fast alles drin.<br />

In der Kaufversion dann alles.<br />

(10) – (~6,7)<br />

H: Super Band, super Platte. Die<br />

werden noch mal ganz groß. (10) J:<br />

Puschen pushen! (10) T: Down by<br />

... (9) – (~9,7)<br />

H: Nice Indiepop. (8)<br />

H: Alte Qualität leuchtet zu selten<br />

auf. (5) J: Wanna be in Los Angeles.<br />

Nostalgiewellen surfende: (10) T:<br />

Vorsicht beim Schließen der Türen.<br />

(9) – (8)<br />

H: ??? J: Krass freche Kopierschutz-<br />

Punchline im 30-Sekunden-Takt.<br />

Dafür glatte: (0) T: Nicht hörbar. (0)<br />

H: Trotz Vorurteilen als gut empfunden.<br />

(8) J: Turboomakommandodackel!<br />

Superdanke. (9) T: Haubentaucherwelpen.<br />

(8) – (~8,3)<br />

H: Hippies Hate Water. (3) J: Soundtrack<br />

für den Pilzfreunde e. V. bzw.<br />

das danach. ‘ne durchdrehende:<br />

(8) T: Albert Hofmann ist heuer 101<br />

Jahre alt geworden. (10)<br />

H: Hab ich schon mal gehört, die<br />

Band hieß aber anders. (2) J: Leider<br />

die »New Fellas«-Schnoddrigkeit<br />

im Hi-Fi-Land versoffen. Im Andenken<br />

(5) Halbe bitte. T: Kann mal als<br />

Freunde haben. (8) – (5)<br />

H: Erstaunlich frisch! Würde ich<br />

mir kaufen. (8) J: Kann mich einfach<br />

nicht wehren. Schwelgende<br />

(10) Punkte. T: Ane Brune ist dabei.<br />

(5) – (~7,7)<br />

Nirvana Nevermind<br />

The Cure Boys Don’t Cry<br />

Duran Duran Duran Duran<br />

The Buggles The Age Of Plastic<br />

Sonic Youth 1981-2007<br />

<strong>Intro</strong><br />

Peter Flore<br />

Ø 6,42<br />

Dachte erst, das sei Antony Hegarty,<br />

weil Timbre und Phrasierung<br />

schon übereinstimmend geklaut<br />

wurden. Diebstahl hat mich aber<br />

noch nie von Lob abgehalten. Schöner<br />

Songwriter-Folk. (8)<br />

Mannomann! »I love you all too<br />

much«, schreit das kleine Männchen<br />

auf dem Cover. Das borge ich<br />

mir als Quintessenz dieses tollen<br />

Albums: zu viel Liebe für bestimmt<br />

viel zu wenige HörerInnen. (9)<br />

Düstere Dancefl oor-Tracks der beiden<br />

Pariser EBM-Wiederentdecker<br />

mit einer Stromgitarren-Schlagseite.<br />

Damals im Sauerland gab es<br />

immer nur Dark-Disco, was mich<br />

aber nie nachhaltig prägte. (6)<br />

Schon wieder Berlin – mit vielen<br />

Gästen, die den Brei aber nicht verderben.<br />

Extrapunkte gibt es für die<br />

Scooter-Adaption, ansonsten lege<br />

ich das dann mal beim Redaktions-<br />

DJ-Contest auf. (8)<br />

Erst wollte ich schimpfen, dann<br />

ist doch wieder einiges hängen geblieben,<br />

was man bei mehrmaligem<br />

Durchhören ruhig mal mögen<br />

kann. Schmeiße ich beim nächsten<br />

Vater-Sohn-Abend drauf. (6)<br />

Die Dänen machen wieder fast alles<br />

richtig, schöner Indie-Pop,<br />

phasenweise voller Beach-Boys-<br />

Seligkeit. Da ich ein Harmonie-bedürftiger<br />

Mensch bin, soll mich<br />

das durch den Herbst bringen. (7)<br />

Soll ja angeblich wieder nach Pixies<br />

klingen, tut es aber nur bedingt.<br />

Rumpelt aber schön. Dazwischen:<br />

Engelschöre und ein<br />

hyperventilierender Glatzkopf -<br />

immer noch schlecht gelaunt. (8)<br />

Mmh, dieser Electro-Proll-Haufen<br />

kann mich nicht auf seine Seite holen.<br />

Allen Berlinerinnen und Berlinern<br />

wünsche ich aber beizeiten<br />

viel Spaß! (2)<br />

Schön, klappt also auch beim Major:<br />

Auch wenn man höchstens die<br />

Hälfte der Texte (akustisch wie inhaltlich)<br />

versteht. Hier ist über allen<br />

Wipfeln Unruh, und das tut<br />

dann eben auch mal wieder gut. (7)<br />

Die Mars-Volta-Hälfte kommt<br />

hier fast ohne Gesang aus, was es<br />

freilich nicht unbedingt leichter<br />

macht. Bräuchte man mal eine Woche<br />

Urlaub für. Und dann danach<br />

am besten noch eine. (5)<br />

Die Gebrüder Cribs konnten mich<br />

merkwürdigerweise noch nie begeistern.<br />

Daran ändern auch das<br />

Alex-Kapranos-Namedropping<br />

und die deutlichen Strokes-Anleihen<br />

nichts. (4)<br />

Richtig Englisch kann er immer<br />

noch nicht, trotz L.A.-Aufenthalt.<br />

Und er klingt immer noch wie Bruce<br />

Springsteen. Alles wie gehabt<br />

bei Anders Wendin. Zum Beispiel<br />

auch: schöne Songs. (7)<br />

R.E.M. Automatic For The People<br />

Blumfeld Old Nobody<br />

Tocotronic Tocotronic<br />

Björk Debut<br />

Helloween Keeper Of The Seven<br />

Keys Pt. 2<br />

Durchschnitt<br />

7,86<br />

6,73<br />

6,50<br />

6,34<br />

6,28<br />

6,14<br />

6,00<br />

5,50<br />

5,05<br />

4,86<br />

4,43<br />

4,21<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 091<br />

MODE- & FOTOREDAKTION/<br />

VOLONTARIAT<br />

Ab 01. November 2007<br />

Du arbeitest in der <strong>Intro</strong>- Redaktion<br />

und bist eigenverantwortlich für die<br />

Steil-Strecke und die Fotoredaktion<br />

zuständig.<br />

PRAKTIKUM VERLAG<br />

Ab 01. Oktober 2007<br />

Du arbeitest beim <strong>Intro</strong>-<br />

Aboservice mit und übernimmst<br />

abteilungsübergreifende Aufgaben.<br />

PRAKTIKUM PR & TV<br />

Ab 15. Oktober 2007<br />

Du unterstützt die PR- Arbeit zu allen<br />

Verlagstiteln und Events. Zudem<br />

schneidest du Videos für die Online-<br />

Verwendung.<br />

PRAKTIKUM REDAKTION<br />

BOLZEN<br />

Ab 01. Oktober 2007<br />

Zu deinen Aufgaben gehört u.a. die<br />

Mithilfe in der Bolzen- Redaktion und<br />

bei Turnieren.<br />

DETAILS FINDEST DU UNTER<br />

INTRO.DE/JOBS.<br />

Deine aussagekräftigen<br />

Bewerbungsunterlagen schickst du<br />

bitte an:<br />

jobs@intro.de<br />

oder:<br />

<strong>Intro</strong> Verlag GmbH & Co. KG<br />

Personalabteilung<br />

Herwarthstr. 12<br />

50672 Köln


092 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Probefahrt 09.2007<br />

3 Normal Beatles<br />

We Name It Justice<br />

Buback / Indigo<br />

Sie spielen auf der Straße und an Orten,<br />

wo sie ein Publikum erreichen,<br />

das nicht zur herkömmlichen Indie-Peergroup<br />

gehört. Die »normalen<br />

Beatles«, das sind Klaus Ramcke,<br />

Thorsten Seif und Ted Gaier. Wer aufgrund<br />

dieser Biografi en Agitprop erwartet,<br />

liegt nicht mal ganz falsch: Zwischen<br />

den Stücken wird gerne lange mit<br />

dem Publikum diskutiert (was auch seinen<br />

Platz auf die Platte fand), da gibt es<br />

Pamphlete und Parabeln, Sinnbilder<br />

und Parolen in bester Brecht-Tradition<br />

zu hören. Zu der Musik will das auf<br />

den ersten Blick gar nicht passen, denn<br />

die besteht vorwiegend aus Mittsechziger-Coverversionen<br />

– Songs wie »Painterman«,<br />

»My Generation« und »Set Me<br />

Free«, also Perlen der Mod-, Beat- und<br />

Soul-Ära. Das Repertoire der 3 Normal<br />

Beatles soll inzwischen mehr als 90<br />

Stücke umfassen, ein knappes Viertel<br />

davon hat nun den Weg auf Vinyl gefunden.<br />

Das Trio bemüht sich dabei weder<br />

um möglichst originalgetreue Wiedergabe<br />

noch um spieltechnische Finessen.<br />

Es kommt ruppig daher, dem rauen<br />

Stil der Straßenmusik angemessen,<br />

wo nichts allzu ausgetüftelt sein darf,<br />

da man das Publikum sofort packen<br />

muss. Eine Spur Nostalgie ist nicht von<br />

der Hand zu weisen: Der Furor, mit dem<br />

diese Stücke eingespielt wurden, lässt<br />

keinen Zweifel daran aufkommen, dass<br />

hier Fans am Werk sind. Fans, die womöglich<br />

auch der gesellschaftlichen<br />

Wirkung nachtrauern, welche Pop und<br />

Style in den Sechzigern einmal hatten.<br />

Allen an diesem Projekt Beteiligten<br />

dürfte allerdings klar sein, dass Popkultur<br />

längst in der Mitte der Gesellschaft<br />

angekommen ist. Weil der Bürgermeister<br />

von Hamburg – frei nach den<br />

Goldenen Zitronen – inzwischen Tocotronic<br />

hört und der Kampf um linken<br />

Vorsprung durch Style erst einmal verloren<br />

ist, wird bei den Normal Beatles<br />

nicht der Rebell rausgehängt, sondern<br />

der Streetworker. Rock’n’Roll als Erziehungsmaßnahme.<br />

Nur eine Frage noch zum Thema, um<br />

über alles reden zu können. Beatles<br />

oder Kinks?<br />

Ted Gaier: Beatles oder Kinks? Keine<br />

Ahnung, wir machen diese Musik<br />

nicht aus Fantum und jugendkultureller<br />

Abgrenzung. (Hängen geblieben<br />

sein auf Jugendkulturweltbildern<br />

mit 42? – Schlimme Vorstellung!) Nein,<br />

es geht um Hysterie und eine egalitäre<br />

Direktheit – und das Kommunikationsmittel<br />

dafür ist diese Musik, die auf<br />

archaische Weise funktioniert. Nämlich<br />

darüber, dass sie kollektives Wissen<br />

oder besser Empfi nden antriggert<br />

und unmittelbar in die Körper geht. Ge-<br />

rade beim Spielen auf der Straße haben<br />

wir gemerkt, dass diese Musik auch bei<br />

Leuten, die die Songs nicht kennen und<br />

sich vielleicht sogar gar nicht wirklich<br />

bewusst mit Musik auseinandersetzen,<br />

ein familiäres Gefühl herstellt. Zum<br />

Klang, zum Rhythmus, der Haltung.<br />

Und das gilt für Leute, die mit Elvis und<br />

dem Starclub groß geworden sind, gleichermaßen<br />

wie für Punk-Sozialisierte<br />

und Mojo-Club- oder WMF-Gänger. Und<br />

alle, die seit den 50er-Jahren mit irgendwie<br />

rebellischer Popkultur in Kontakt<br />

kamen, können darin ein Stück eigener<br />

Erinnerung wiederfi nden. Denn es ist<br />

tatsächlich so, dass der Kram trotz des<br />

rohen Sounds auch auf bürgerlichen<br />

Hochzeiten generationsübergreifend<br />

funktioniert. Die Songs sind also pures<br />

Rohmaterial für diese Art von Verknüpfung.<br />

Welche das dann im Einzelnen<br />

sind, ist fast schon egal.<br />

Martin Büsser<br />

Aesop Rock<br />

None Shall Pass<br />

Defi nitive Jux / Rough Trade<br />

Spricht in HipHopland eigentlich<br />

noch irgendjemand vom next Level,<br />

das doch bitteschön dringend erreicht<br />

werden müsse? Oder geht es nur noch<br />

um das ewige Ausdehnen in die Breite<br />

einerseits, die immer tiefere Versenkung<br />

ins eigene Material andererseits?<br />

Auch wenn Labelboss El-P die Messlatte<br />

mit seinem diesjährigen Album hoch<br />

gelegt hat, Aesop Rock scheint sich<br />

nicht recht von der Stelle zu bewegen.<br />

Auch auf seinem fünften regulären Studioalbum<br />

ist sein Wordplay exzellent,<br />

die komplexen Doppelreime sitzen, der<br />

Fremdwörterduden ruht wohl immer<br />

noch auf seinen Knien. Noch immer<br />

bleibt er den Klischee-Codes fern, er ist<br />

idiosynkratisch und ganz höchstpersönlich.<br />

Ja, er hat seinen Modus Operandi<br />

gefunden. Dieser Ansatz war allerdings<br />

auch immer sein Problem: Sein<br />

stählerner, stoischer Flow bleibt auf die<br />

Dauer allzu einseitig – sogar das Tempo<br />

bleibt ähnlich ausgependelt. Kein Hass,<br />

keine Wut, kein Enthusiasmus, nur wenig<br />

Dynamik. Nirgends. Die Kunst ist es<br />

doch, auch den banalsten Quatsch mit<br />

einer derartigen Selbstsicherheit vorzutragen,<br />

dass sich niemand entziehen<br />

kann. So bleibt Aesop Rock ein gewaltiger<br />

Hirnfuck. Allein das träge Fleisch<br />

bleibt unberührt.<br />

Heiko Behr<br />

Beatallica<br />

Sgt. Hetfi eld’s<br />

Motorbreath Pub Band<br />

Oglio / Cargo<br />

Lars Ulrich schickt ja schon mal seine<br />

Anwälte los. Unlängst dem Vernehmen<br />

nach sogar ausnahmsweise mal nicht,<br />

um die eigenen Fans in den Kerker wer-<br />

fen zu lassen, sondern im Dienste einer<br />

guten Sache: Die Quatschcombo Beatallica<br />

aus Milwaukee war in Streit mit<br />

den Inhabern der Rechte an den Beatles-<br />

Songs geraten: Die fanden es ungehörig,<br />

dass Beatallica Beatles-Songs<br />

mit denen von Metallica verschneiden<br />

und »Hey Jude« in »Hey Dude« überführen.<br />

Dass das gar nicht verklagenswert,<br />

sondern enorm lustig ist, zeigen<br />

bereits Songtitel wie »Blackenend The<br />

U.S.S.R.«, »Leper Madonna« und »... And<br />

Justice For All My Loving«. Im humororientierten<br />

Teil des Internets kursierten<br />

die Songs schon länger, jetzt durften<br />

sie auf CD erscheinen. Jaymz Lennfi<br />

eld, Grg Hammetson, Kliff McBurtney<br />

und Ringo Larz gehören natürlich trotzdem<br />

verklagt – und zwar von Hetfi eld<br />

wegen übler Nachsingerei. Denn dessen<br />

musikalisches Wirken nimmt durch<br />

punktgenaue Parodie von Phrasierung<br />

und Vokalfärbung ernsten Schaden: Zukünftig<br />

wird man sich nicht nur bei Beatallica<br />

schrottlachen, sondern auch jedes<br />

Mal, wenn man das Original hört.<br />

Obwohl, wenn das tatsächlich der Effekt<br />

wäre, ist wirklich eine Klage fällig.<br />

Boris Fust<br />

Blood Red Shoes<br />

I’ll Be Your Eyes<br />

V2 / Universal<br />

England hat eine neue, überaus verlässliche<br />

Geschmackspolizei. Die<br />

heißt weder NME noch Artrocker Magazine.<br />

Sie geht noch zur Schule, treibt<br />

sich sonntagnachmittags in den angesagtesten<br />

Clubs herum, ist zwischen<br />

zehn und achtzehn Jahre alt und nennt<br />

sich selbst »Underage«. Die aktuellen<br />

Darlings der Szene heißen Blood Red<br />

Shoes, kommen aus Brighton und liefern<br />

den passenden Soundtrack zu<br />

Teenage Angst und Kleinstadtenge.<br />

»It’s Getting Boring By The Sea«, singen<br />

Steven Ansell und Laura-Mary Carter<br />

im Opener und beschwören den adoleszenten<br />

Ausbruch aus den Kurorten<br />

dieser Welt. Von ähnlich essenzieller<br />

Roughness sind auch »You Bring Me<br />

Down« und »Try Harder«. Insgesamt<br />

gibt uns das Duo auf seiner EP »I’ll Be<br />

Your Eyes« die britische Version der<br />

White Stripes, nur eben mit vertauschten<br />

Rollen, viel viel tighter und in der<br />

Tat eben auch ein bisschen authentischer.<br />

Und genau das gehört, wie das by<br />

the Way formidable Artwork von Sängerin<br />

Laura-Mary Carter, zum Gesamtkonzept<br />

von Blood Red Shoes. »We don’t<br />

want to come off like rock stars or some<br />

amazing otherworldly beings – we’re<br />

just two people making music and the<br />

whole fan and band divide is boring<br />

and old now. We’re all part of the same<br />

thing«, fi nden Steven und Laura-Mary.<br />

Da kann es schon mal vorkommen, dass<br />

die Band nach einem Gig mit ihren eige-<br />

nen Fans verwechselt wird. Ein Türsteher<br />

beobachtete Sängerin Laura-Mary<br />

beim Weintrinken, hielt sie für »underage«<br />

und verfrachtete sie kurzerhand<br />

sehr unsanft vor die Tür. Der Legende<br />

nach sollen die Kumpels von den<br />

Rumble Strips rechtzeitig eingeschritten<br />

sein. Well done, kids!<br />

Christine Franz<br />

Broken Social Scene<br />

presents Kevin Drew<br />

Spirit If ...<br />

Arts & Crafts / City Slang /<br />

Universal<br />

Okay, ich gebe zu, ich habe das Konzept<br />

nicht verstanden: Da nimmt Broken-<br />

Social-Scene-Chef Kevin Drew ein Soloalbum<br />

auf und lädt dazu als Musiker,<br />

genau, Broken Social Scene ein. Und so<br />

klingt das Album dann eben auch wie<br />

ein Album seiner Band. Egal. Ist ja doch<br />

sehr gut so. Denn meinetwegen könnten<br />

BSS jedes Jahr ein Album raushauen.<br />

Dieser Überschwang, die Melodien,<br />

der Krach, das Sentiment, der Witz, die<br />

Arrangements mit Pauken und Trompeten<br />

– ein Traum. Aber das weiß ja hoffentlich<br />

eh jeder schon. Noch nicht?<br />

Dann rufe ich es allen zu, auch wenn<br />

es einige die-Buttons-an-ihrer-Cordjacke-polierenden<br />

Jünglinge verstört:<br />

Nein, das ist kein Indierock. Das ist Popmusik.<br />

POPMUSIK. Oder besser noch:<br />

Das ist Musik – eingespielt mit ein paar<br />

Freunden. (Und mit dem Songtitel des<br />

Jahres: »You’re Too Beautiful To Fuck«.)<br />

Gemeinsam ist man eben doch weniger<br />

allein.<br />

Tobias Mull<br />

Caribou<br />

Andorra<br />

City Slang / Universal<br />

Vorspiel war gestern. Hier geht es<br />

gleich richtig zur Sache. Keine zwei<br />

Sekunden dauert es, da hat Dan Snaith<br />

schon voll aufgedreht und saugt einen<br />

in einer knallbunten Spirale ekstatischer<br />

60s-Psychedelik ein. Treibende<br />

Garagen-Drums, wildes Schellenrasseln,<br />

ein verzerrter Bass, Hippie-Querfl<br />

öten, sich förmlich überschlagende<br />

Twang-Gitarren und ein völlig abgedrehter<br />

Gesang lösen bereits beim<br />

Opener »Melody Day« das ein, was der<br />

Snaith-Freund Kieran Hebden (Four Tet)<br />

mit seinem letzten Albumtitel meinte:<br />

»Everything Ecstatic«. Im Info verrät<br />

der gebürtige Kanadier, der Anfang des<br />

Jahrtausends die Welt noch als Manitoba<br />

mit richtungsweisender Folk-Electronica<br />

beglückte, dass er sich seine<br />

Kicks nach dem Abschluss seiner Mathe-Promotion<br />

nun beim Trampolin-<br />

Springen und musikalisch u. a. bei den<br />

Zombies und cineastisch bei Werner<br />

Herzogs 60er-Jahre-Dokumentarfi lmen<br />

holt. Ein Jahr auf Tour und ein weiteres


in Isolation hat Dan Snaith Zeit gehabt<br />

für dieses Album. Dafür sprüht »Andorra«<br />

nun nur so vor grandiosen Einfällen,<br />

abenteuerlichen Sounds und großartig<br />

abgehobenen Melodien. Vom einstigen<br />

Elektronik-Gefrickel ist nur noch wenig<br />

zu hören, und obwohl Snaith alle Instrumente<br />

selbst einspielt, strotzen die<br />

Songs nur so vor unmittelbarer Live-Energie.<br />

»She’s The One«, eine Kollaboration<br />

mit Jeremy Greenspan von den Junior<br />

Boys, klingt z. B. so, als hätte Timbaland<br />

auf LSD die Beats produziert und<br />

dann Brian Wilson die Melodie und das<br />

Streicherarrangement überlassen. Bei<br />

»Irene« eiern die Synths, dass einem<br />

schwindelig wird, und Songs wie »Sandy«<br />

oder »Eli« sind sowieso hörbar beeinfl<br />

usst von Kraut und Psychedelik,<br />

und bei »Sundialing« fragt man sich,<br />

wie so ein eigenbrötlerisches Vorgehen<br />

solch explosive Musik hervorbringen<br />

kann. »Andorra« ist ein echtes Ein-<br />

Mann-Wunder, bei dem man nach neun<br />

Stücken irgendwann wieder verdutzt<br />

im Diesseits landet und sich fragt, warum<br />

Dan Snaith nicht schon längst von<br />

irgendjemandem zum größten Freak<br />

auf Erden gewählt worden ist.<br />

Christoph Büscher<br />

Cepia<br />

Natura Morta<br />

Ghostly International /<br />

Rough Trade<br />

Süße Maschinenmusik, sanfte Melodie-Matrix<br />

oder doch sonnig-melancholisches<br />

Mysterium? »SMM« lautete<br />

das geheimnisvolle Kürzel, mit dem das<br />

US-Label Ghostly International vor einiger<br />

Zeit auf einer Compilation einen<br />

neuen Genrebegriff lanciert hatte. Was<br />

genau sich dahinter verbirgt, war nicht<br />

so ganz klar, doch zu den verträumten<br />

Electronica-Stücken von Huntley Miller<br />

alias Cepia, die auf jenem Label-Sampler<br />

vertreten waren, schienen diese drei<br />

Buchstaben perfekt zu passen. Mit dem<br />

ersten Cepia-Album gelingt Miller nun<br />

ein weiteres Mal das paradoxe Kunststück,<br />

die Uneindeutigkeit von SMM genau<br />

auf den Punkt zu bringen. Bei »Natura<br />

Morta« geht es grob gesprochen<br />

um Atmosphärenmusik, die sich aufgrund<br />

ihrer Ruhe und ihrer gleichzeitigen<br />

Freude am Melodischen auch mit<br />

dem Schlagwort Pop-Ambient fassen<br />

ließe. Knistern, Wabern und Dröhnen<br />

werden von harmonischer Watte und<br />

Weichzeichner-Beats in die zuckersüße<br />

Popwelt eingemeindet. Dabei wirken<br />

die Texturen von Millers instrumentalen<br />

Tracks tatsächlich so, als wären sie<br />

in Sepia getaucht worden. Diese Computermusik<br />

klingt wie vergilbt und hat in<br />

den endlosen digitalen Kreisläufen eine<br />

dicke Schicht Patina angesetzt, an die<br />

es sich behaglich anschmiegen lässt.<br />

Arno Raffeiner<br />

Animal Collective<br />

Strawberry Jam<br />

Domino / Rough Trade<br />

Bestimmt gab es einmal eine Zeit, in der Musik mehr war<br />

als Dudelfunk im Kaufhaus, Dauerbeschallung und omnipräsente<br />

Tapete in Aufzügen und U-Bahnhöfen oder Emotionsverstärker<br />

in Fußballstadien. In der Musik nicht als<br />

ein Produkt unter vielen der puren Reproduktion des ewig<br />

Gleichen und Erhaltung des Status quo diente und, um es im<br />

Jargon zu sagen, nicht »Thema« war, sondern »Erfahrung«<br />

meinte, vielleicht sogar eine kollektiv erlebte. Daran erinnern<br />

Animal Collective im Zeitalter der Entmaterialisierung<br />

der Musik. Sie erzählen die Geschichte einer Band, die sich<br />

live selbst und mitsamt dem Publikum wegtragen lässt, die<br />

das klassische Nächstes-Stück-Applaus-Zugaben-Medley<br />

aufzulösen scheint, und dabei geschieht etwas, was bei manchen<br />

schon mal in epiphanische Zustände münden kann.<br />

Die Alben stellen den Versuch dar, den Reifeprozess des Materials<br />

abzuschließen, um zum Zeitpunkt der Veröffentlichung<br />

schon längst wieder zu neuen Ufern aufgebrochen zu<br />

sein. »Neuerfi ndung« ist das Wort, dabei entwickeln sie sich<br />

nur asynchron zum Zirkus und gemäß ihrer eigenen Parameter.<br />

Bislang jedenfalls. »Strawberry Jam« speist sich verstärkt<br />

aus elektronischen Klangquellen, der Gesang ist weniger<br />

verfremdet, weiter nach vorne gemischt, die Produktion<br />

deutlich komprimierter und glatter, das Ganze aber detailgespickter<br />

und, wie immer: freak-out. Panda Bears Soloalbum<br />

»Person Pitch« scheint noch recht nah, der AC-Vorgänger<br />

»Feels« auf rein klanglicher Ebene nicht mal mehr in Reichweite.<br />

Die Essenz dessen, was diese Band ausmacht, bleibt<br />

trotz veränderter Mittel spürbar. Was live Spannungsbögen<br />

auf viel ausgedehntere und verspieltere Weise aufbaut, fi n-<br />

Chrome Hoof<br />

Pre-Emptive False<br />

Rapture<br />

Southern / Soulfood<br />

Im Zentrum der britischen Spektakelband<br />

Chrome Hoof stehen die Brüder<br />

Leo und Milo Smee. Der eine spielt nebenbei<br />

bei den Doom-Metallern Cathedral,<br />

der andere ist Mitbegründer des<br />

Tanzrockprojektes 5 Mic Cluster, das<br />

auf dem legendären Output-Label von<br />

Trevor Jackson mal ein paar Stücke veröffentlicht<br />

hat. Doom Metal vs. Hipster-<br />

Discopunk also. Die Mission ist eindeutig.<br />

Der psychedelische Funkjazz von<br />

Sun Ra oder Parliament soll auf ziemlich<br />

rockistische Weise fortgeführt<br />

bzw. neu interpretiert werden. Teilweise<br />

klingt das dann, als würde bei !!! oder<br />

Battles ein waschechter muskelbepackterAchtzigerjahre-Metal-Schlagzeuger<br />

mit immenser Wut auf die Trommeln<br />

dreschen. Weiter vorne auf der<br />

Bühne dürfen sich die beiden gebuchten<br />

Soulsängerinnen dazu austoben<br />

und den Stücken den nötigen Groove<br />

einhauchen. Zu den Fans der Band zählen<br />

bereits die Klaxons, Sun O)) und Jarvis<br />

Cocker, von dem man ja auch nicht<br />

gedacht hätte, dass dieser zartbesaitete<br />

Schmalhüftler solch viriles Geballer<br />

goutiert. Schlussendlich bietet diese<br />

Platte nämlich weniger Disco, als der<br />

Promozettel noch großspurig versprochen<br />

hat. Dafür aber sehr viel Rock. Teilweise<br />

klingt das einfach wie Cathedral<br />

mit etwas weniger Gitarre, aber drei-<br />

mal so viel Schlagzeug. <strong>Als</strong>o um einiges<br />

breitbeiniger als beispielsweise der fl uffi<br />

ge Funkpunk einer Band wie !!!. Für<br />

mich persönlich ist das nichts. Heißt<br />

aber nichts. Denn ich habe auch nie<br />

wirklich verstanden, warum man Bands<br />

wie die Melvins oder die Queens Of The<br />

Stone Age interessant fi nden muss.<br />

Demnach ist hier also für viele viel drin.<br />

Sebastian Ingenhoff<br />

The Clientele<br />

God Save The Clientele<br />

Track And Field /<br />

Rough Trade / VÖ 14.09.<br />

Auch schon wieder das vierte Album<br />

der Band aus London. Im UK so lala,<br />

in den USA doch recht erfolgreich und<br />

bei uns weiterhin eine »Ferner liefen«-<br />

Band, was sich vielleicht ändern könnte,<br />

wenn der Link zu Lambchop und Bonnie<br />

»Prince« Billy gelingt, und zwar über<br />

den Produzenten Mark Nevers. Dabei<br />

musste er das Rad nicht neu erfi nden,<br />

denn der traumwandlerisch ins Ohr säuselnde<br />

60s-Pop der vier war auch schon<br />

vorher gute Ware, hier aber nun etwas<br />

fröhlicher und fokussierter. Abwechslungsreiche,<br />

harmlos-schöne Songs mit<br />

verehrenden Handzeichen in Richtung<br />

The Monkees, Felt, Galaxie 500 und<br />

Kings Of Convenience. Die entspannte<br />

Grundstimmung und der massive Einsatz<br />

von Slide-Gitarren-Akzenten sind<br />

musikalisch letztlich die einzige Verbindung<br />

zu Kurt Wagner und Bonnie<br />

»Prince« Billy, aber mit diesem stimmi-<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 093<br />

det sich hier konzentriert auf ganze 26 Sekunden wieder, ehe<br />

sich die verschwurbelten Rhythmen im Opener »Peacebone«<br />

zu einem dichten Strang gebündelt haben. Bei »Reverend<br />

Green« oder dem großartigen »Fireworks« entfaltet die rhythmisch-perkussive<br />

Vielfalt (der Mittelteil!) eine treibende Sogwirkung,<br />

und der bisweilen hymnische Charakter scheint seine<br />

Aufl ösung stets schon mitzutragen. Avey Tares Gesang,<br />

Lead- und Backing-Vocals atemlos zusammenpressend und<br />

lautmalerisch mit Worten spielend, ist derart demaskiert<br />

ein Spiegelbild der Entwicklungsstufe, den die Band erreicht<br />

hat: »Strawberry Jam« legt, von »Peacebone« und »Winter<br />

Wonder Land« mal abgesehen, all das Wissen um Gitarrenmusik<br />

ohne die gängigen Strukturen – auf den letzten Alben<br />

mit Gitarren umgesetzt – nun quasi auf elektronischem Weg<br />

rückübersetzend frei. Das kommt zunächst in leicht entrückter<br />

Popgestalt daher, um mit besagtem »Reverend Green« einen<br />

neuen Anlauf in epischere Gefi lde zu nehmen und gegen<br />

Ende mit dem verstörenden »Cuckoo Cuckoo« und dem besänftigenden<br />

»Derek« den Wegbegleiter mit einer Masse an<br />

gehörten Eindrücken zurückzulassen.<br />

Mit dem mittlerweile achten Album hätten sie es sich bequem<br />

machen und das Spielchen einfach mitspielen können.<br />

Sinnigerweise fi ndet sich die Auseinandersetzung mit Alternativen<br />

in einem Kommentar zu einem Livemitschnitt auf<br />

YouTube wieder: »I’m thinking of quitting my job and seeing<br />

them in N. Mexico. WTF is money anyway, how long can this<br />

go on?« Wer kann das schon wissen? Ihnen noch einen schönen<br />

Abend und eine geruhsame Nacht.<br />

Joachim Henn<br />

gen Album voller Jingle-Jangle-Sounds<br />

sollten The Clientele auch ohne Namedropping<br />

ein paar Ohren öffnen können.<br />

Klaas Tigchelaar<br />

The Coral<br />

Roots & Echoes<br />

Deltasonic / Red Ink /<br />

Rough Trade<br />

Wenn Bands von Neuanfängen erzählen,<br />

versuchen sie meist, ihre Fans und<br />

nicht zuletzt sich selbst davon zu überzeugen,<br />

dass das letzte Album doch<br />

nicht alles gewesen sein kann, dass da<br />

noch mehr geht. Auch Coral-Frontmann<br />

James Skelly, gerade zarte 26 Jahre alt,<br />

bilanziert melodramatisch: »When you<br />

almost lose everything, you don’t take<br />

it for granted any more.« Er meint es offensichtlich<br />

ernst, er meint den Aus-<br />

und Einstieg von Gitarrist Bill, Drogenprobleme<br />

und den Ausverkauf der eigenen<br />

Supersingle »In The Morning«. Für<br />

»Roots & Echoes« haben sich die sechs<br />

Westengländer wieder zusammengerauft<br />

und ihren Graskonsum reduziert:<br />

Leichter und zielgerichteter klingen<br />

die Aufnahmen, die zum größten Teil<br />

in Noel Gallaghers Studio entstanden<br />

sind. Wie immer schwingen die 60s, die<br />

Doors, die Isley Brothers. Auf einigen<br />

Stücken bricht dazu der Northern Soul<br />

sehr angenehm durch. »Zeitlos« möchte<br />

die Band klingen. Tut sie auch, im besten<br />

und unpeinlichsten Sinne. Auch<br />

textlich hat Skelly mittlerweile einen<br />

guten Mix gefunden, orientiert am rich-


094 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Against Me!<br />

New Wave<br />

Sire / Warner<br />

»New Wave« wurde bereits heiß diskutiert, bevor auch nur<br />

einer der Songs das Licht der Welt erblickt hatte. Echt!<br />

Denn schließlich handelt es sich dabei, nach drei ziemlich erfolgreichen<br />

Indie-Alben, um das Major-Debüt von Against<br />

Me!. Denjenigen, die bereits beim Wechsel zu Fat Wreck<br />

Chords skeptisch die Brauen hochgezogen hatten, wird dieser<br />

Schritt noch weniger geschmeckt haben. Mit der Verpfl<br />

ichtung von Star-Produzent Butch Vig (Garbage) dürften<br />

dann wohl einige Hardliner des Genres endgültig die ohnehin<br />

gerümpfte Nase voll gehabt haben. Trotzdem scheinen<br />

Against Me! keine Band der schnellen Entschlüsse zu sein.<br />

Das alles wirkte gut überlegt. Wie als Beweis liest sich da die<br />

Zeile »Take some time to think fi gure out what’s important<br />

to you« aus »Stop«. Außerdem sei gesagt, dass trotz Major-<br />

Label die ideologischen Texte nicht zu kurz kommen. Keine<br />

sichtbaren Einbußen in der Haltung. Aber ja, die Skeptiker<br />

haben recht: »New Wave« ist das bisher poppigste Album von<br />

tigen Leben: Er singt über Beziehungen,<br />

Einsamkeit und seine Großmutter.<br />

Christian Wessels<br />

Crescent<br />

Little Waves<br />

Pias / Fat Cat / Rough Trade<br />

Nach vier Jahren Abstinenz kommen<br />

die momentan sechs Künstler aus<br />

Bristol mit ihrem fünften Longplayer<br />

um die Ecke. Die aus der äußerst fruchtbaren<br />

Bristol-Postrock-Dynastie der<br />

NEW<br />

PORNOGRAPHERS<br />

>> challengers<br />

The New Pornographers<br />

feat. Carl Newman, Dan Bejar, Neko Case<br />

“Das Konzept der New Pornographers ist einfach wie<br />

auch effektiv: Sie repräsentieren die für kanadische<br />

Indie-Bands so typische Gelassenheit und treten aktuelle<br />

Populär-Konzepte mit Füßen. Dass dabei trotz alledem<br />

eine Platte entstanden ist, die vor großen Pop-Hymnen<br />

nur so sprudelt, ist eine Tatsache, die wir aus der<br />

Vergangenheit nur allzu gut kennen.“<br />

>> Live: 02.10. Berlin<br />

frühen 90er um Flying Saucer Attack,<br />

Movietone, Foehn oder Third Eye Foundation<br />

stammenden Crescent verfolgen<br />

konsequent den schon auf dem Vorgänger<br />

»By The Roads And The Fields« eingeschlagenen<br />

Weg der Reduktion, der<br />

Drosselung konsequent weiter. Es wird<br />

immer ruhiger und trauriger, bleibt jedoch<br />

angenehm ungeschliffen. Über<br />

dem weitestgehend akustischen Songwriting<br />

liegen allerlei seltsame Samplefetzen,<br />

Fehler; rhythmische Unstim-<br />

Against Me!. Allerdings ist diese Entwicklung doch mehr als<br />

nachvollziehbar: Schon auf »Searching For A Former Clarity«<br />

war zu erkennen, dass der reine Folk-Punk der ersten Platten<br />

diese Band nur einschränkt. »New Wave« setzt genau dort an,<br />

wo der Vorgänger aufhörte: Trotz vermehrtem Pop-Appeal,<br />

Discobeats hier und da und mit »Borne On The FM Waves Of<br />

The Heart« einer Ballade, die diesmal kein Akustik-Song ist,<br />

geht die Punk-Seele auch auf »New Wave« nicht verloren.<br />

Beim Titeltrack und »Up The Cuts«, ach was, bei nahezu allen<br />

Songs möchte man sich das Shirt runterreißen, die Bierfl<br />

asche oder Aktentasche hochreißen und lauthals mitgrölen.<br />

Nach wie vor besitzen Against Me! nämlich diese einzigartige<br />

Energie. Dass sie diese auch in dem einen oder anderen<br />

musikalischen Experiment umsetzen können und wollen,<br />

macht »New Wave« umso besser. Major-Debatte oder nicht, es<br />

dürfte schwer werden, in diesem Jahr eine bessere Punk-Platte<br />

zu veröffentlichen. David Winter<br />

ELVIS PERKINS<br />

>> ash wednesday<br />

migkeiten wurden extra beibehalten,<br />

die Aufnahmen stammen nicht nur von<br />

zu Hause, sondern auch aus englischen<br />

Kinos und Wäldern. Die Tendenz geht<br />

zu mehr wankelmütigen Saxofonen,<br />

Trompeten und jeder Menge Outdoor-<br />

Recordings, kurz: hin zur Verschrobenheit.<br />

Dem gegenüber stehen die mitunter<br />

recht verlebte Stimme Matt Jones’,<br />

ein paar Referenzen ganz alter Grammofon-Platten<br />

und der Psych- und Folk<br />

der 60er. Insgesamt eine Platte, die<br />

„Ash Wednesday“ ist das bewegende Debüt eines<br />

Menschen, den Schicksalsschläge nicht zugrunde<br />

gerichtet, sondern zu einem Künstler gemacht haben.”<br />

Laut.de<br />

“Ash Wednesday ist ein ausgezeichnetes Singer/<br />

Songwriter-Album, das trotz seiner Tragik auch Platz für<br />

erleuchtende Momente zu bieten hat und auch gerade<br />

deshalb so wunderbar ehrlich und lebendig klingt.”<br />

CD Starts<br />

www.beggarsgroup.de www.myspace.com/beggarsgermany<br />

nicht besser als mit einem ihrer Songtitel<br />

zu beschreiben ist: »Hey, September,<br />

I’m Glad To See You Again.«<br />

Lutz Happel<br />

The Cribs<br />

Men’s Needs, Women’s<br />

Needs, Whatever<br />

Warner<br />

Euphorie und Knarz bleiben die<br />

Hauptzutaten einer Cribs-Platte. Nur<br />

muss man diesmal noch einen Schuss<br />

Namedropping addieren. Immerhin<br />

stand hier nicht nur Ferdinand Franzens<br />

Alex Kapranos als Produzent an<br />

den Reglern, sondern auch Lee Ranaldo<br />

von Sonic Youth am Mikro. Der raunt<br />

bei »Be Safe« ein herrlich mies gelauntes<br />

Gedicht vor sich hin, während die<br />

Cribs Gitarre und Bass bearbeiten und<br />

den gegrölten Refrain beisteuern. Dieser<br />

Track ist ihr Meisterwerk, und vielleicht<br />

ist es bezeichnend, dass ein außen<br />

stehender Künstler den Hauptanteil<br />

daran für sich beanspruchen kann.<br />

Nicht, dass man die Drillinge aus Wakefi<br />

eld, West Yorkeshire als unoriginell<br />

abwatschen sollte. Ihr angetrunkener,<br />

zynischer Punkpop ist passgenau<br />

geschneidert und reißt einen bei Tanzlaune<br />

gleich vom Pub-Hocker. Dennoch<br />

verlaufen die Songs zu oft nach Schema<br />

Cribs. Schlagzeugpoltern, Gitarrenknarz<br />

in tanzbare Melodien gehackt<br />

und der Refrain zum Unter-die-Arme-<br />

Greifen. Das haben sie drauf, das wis-<br />

Neues Album „Kala“<br />

ab 24.08. im Handel


sen wir bei Album Nummer drei. Aber es<br />

sind gerade die stilistischen Ausbrüche<br />

wie besagtes »Be Safe« oder die Ballade<br />

»Shoot The Poets«, die schmerzhaft<br />

zeigen: Verdammt, die könnten ja sogar<br />

noch mehr! Anyway, ihr Major-Debüt<br />

dürfte den Durchbruch klarmachen,<br />

und dann heißt’s: Rückgrat zeigen.<br />

Daniel Koch<br />

Dilated Peoples<br />

The Release Party<br />

DVD+CD / ABB / Groove Attack<br />

Die Dilated Peoples gehören<br />

mit Sicherheit zu den verdientesten<br />

HipHop-Acts dieses Jahrzehnts, und<br />

deshalb macht es durchaus Sinn, ihnen<br />

eine abendfüllende Doku zu widmen.<br />

Die Back-to-the-Basics-Helden<br />

lernen die Tücken der Musikindustrie<br />

kennen, ziehen sich am eigenen Schopf<br />

aus Knebelverträgen, erzielen in Eigenregie<br />

erste Erfolge, werden erneut vom<br />

Major geködert und feiern nach Beendigung<br />

ihres 5-Record-Deals mit Capitol<br />

endlich die namensgebende Befreiungsparty.<br />

Gnadenlos gut gekickt haben<br />

sie sowieso immer, und hier gewähren<br />

sie glücklicherweise einen interessanten<br />

Einblick in ihre Zunft. Von niedlichen<br />

Aufnahmen des 7-jährigen Babu<br />

beim DJing (!) über Evidences Arbeit am<br />

Sampler bis zu der Wahl des richtigen<br />

Mics und der Zusammenarbeit mit Giganten<br />

wie Eric Sermon, B-Real, KanYe<br />

West, Guru und DJ Premier kann man<br />

JETZT<br />

AUF DVD!<br />

einiges darüber lernen, wie man erstklassige<br />

Musik macht. Das Ganze wird<br />

von Musikvideo-Regisseur Jason Goldwatch<br />

schnell, unterhaltsam und mit<br />

dem gewissen Sinn für unfreiwillige<br />

Komik in Szene gesetzt, und das Schöne<br />

ist: Diesen ständig breiten Typen<br />

wünscht man den Erfolg wirklich von<br />

ganzem Herzen. Auf der DVD sind u. a.<br />

noch alle Videos der Band, und eine vorwiegend<br />

mit Remixen bestückte Bonus-<br />

CD ist auch im Package. Das ist doch<br />

mal was Reelles!<br />

Martin Riemann<br />

Diverse<br />

OST – Freigespielt<br />

Stereo Deluxe / Edel<br />

Ach, wie gern haben wir auf den Rängen<br />

gesungen: »Mehmet Scholl ist heterosexuell,<br />

heterosexuell, heterosexuell!«<br />

Und noch viel lieber sahen wir<br />

das bayerische Supertalent mit dem<br />

türkischen Vornamen spielen. Oft verletzt,<br />

gern mal mit Auszeiten auf dem<br />

Feld, aber letztlich doch ein richtiger<br />

Knaller. Schade, schade, dass er sich<br />

jetzt vom aktiven Sport verabschiedet<br />

hat. Na, dann bleibt immerhin mehr<br />

Zeit für sein zweites Steckenpferd:<br />

»sexy aussehen« und sein drittes: Musik.<br />

Nach der Compilation auf Blickpunkt<br />

Pop vor Jahren nun eine weitere<br />

Zusammenstellung nach Gusto des Indie-Kickers.<br />

Es gibt bajuwarisch Patriotisches<br />

wie Fertig Los!, »Ein Geheim-<br />

nis«, und wie schon auf seiner ersten<br />

Nummer die Sporties (mit »Dem Fritz<br />

sein Wetter«), aber auch Internationales<br />

wie Beirut, Peter Bjorn And John und<br />

CocoRosie oder Klassisches wie Velevet<br />

Underground (»Sunday Morning«) und<br />

»Für mich soll’s rote Rosen regnen« von<br />

Hildegard Knef.<br />

Helmar Becker<br />

Diverse<br />

Goldkante. Das Lolila<br />

Familienalbum<br />

&<br />

Kombinat Feinripp<br />

Probantenstadt<br />

Beide Lolila / Broken Silence<br />

Wohlklingende Namen wie Bout<br />

D’Chou, Kiesgroup oder Pawnshop Orchestra,<br />

die allesamt auf dem fein alliterierenden<br />

und seit nun schon zehn Jahren<br />

prosperierenden »lovely little label«<br />

(lolila) erscheinen, waren mir bisher Synonyme<br />

für anstrengende Abenteuer in<br />

Lo-Fi, die meine nicht sein sollten. Derart<br />

verschlossen hielt ich mich für leise<br />

Töne weiterhin an jene Bands, die so<br />

dicht aneinander niedergeschrieben<br />

an ein Bild aus den Händen eines Dreijährigen<br />

erinnern: Busch und Wolke.<br />

Zumindest Letztere linken jedoch ein<br />

Stück in die Welt des liebenswerten Lilas:<br />

<strong>Als</strong> labelfremde Freunde besuchen<br />

sie das »Familienalbum« mit ihrem Klavier-Smasher<br />

»Drei Worte«, der sich prima<br />

in diesen Querschnitt des gar nicht<br />

J O H N N Y D E P P<br />

DIE NEUN PFORTEN<br />

Kinowelt Home Entertainment GmbH mbH – Ein Unternehmen der Kinowelt Gruppe<br />

www.kinowelt.de<br />

SPECIAL EDITION<br />

so leisen Clever-Pop einreiht. Entdecker<br />

wie ich staunen über den schönen Titel<br />

»Urlaub in der Nachbarstadt« oder das<br />

absolut unmathematische Gefrickel<br />

von Graph und erwerben die Zusammenstellung<br />

zum Nichtpreis von vier<br />

Euro. Fortgeschrittene schielen auf die<br />

Limited Edition, die mit Blattgold, äh<br />

..., Goldprägedruck daherkommt. Zu all<br />

dem Glitzerglitzer gibt es zur Feier der<br />

Dekade noch Aufkleber, Buttons und<br />

so. Was man halt braucht als Fan des lolila-Komplex’.<br />

Denn ein solcher wird<br />

man mitunter recht fl ott.<br />

Bei mir zündete nach Vorarbeit des<br />

Samplers das Ein-Mann-Kombinat<br />

Feinripp mit »Probantenstadt«. Wie<br />

geil es ist, wenn hier Blumfeld-, Lennon-<br />

und gar Tracy-Chapman-Verweise die<br />

hochmelodiösen, bei tatsächlich jedem<br />

Durchgang wachsenden, meist nur behutsam<br />

von einem Piano begleiteten Gitarrenstücke<br />

dekorieren. Dazu Zeilen<br />

wie »Ich liebe dein Gespür für Chatchiness«.<br />

Ich, lieber Zloty Vazquez, deines<br />

für dieses Album und ganz besonders<br />

für »Last Waltz«. Eine gewaltige Platte.<br />

Glückwunsch auch dazu.<br />

Peter Wittkamp<br />

Diverse<br />

OST – Hallam Foe<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 095<br />

Domino / Rough Trade<br />

Den beeindruckenden Film von David<br />

Mackenzie konnte man via <strong>Intro</strong> ja gerade<br />

als Preview sehen. Genau so lohns-<br />

EDLES 2er LEDER-MEDIABOOK MIT<br />

UMFANGREICHEM BOOKLET<br />

- RANDVOLL MIT BONUSMATERIAL -


096 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Dirty Soundsystem presents<br />

Dirty Space Disco<br />

Tigersushi / Al!ve<br />

Freiheit macht arm. <strong>Als</strong> Musik-Act, der veröffentlicht wird,<br />

kann man sich gut und gern auch mal völlig eingeknastet fühlen.<br />

Man kann nur Alben rausbringen, muss also stets einen<br />

Entwurf mit zehn, zwölf Tracks fertig stellen. Und am besten<br />

auch noch eine Hitsingle. Und sich sklavisch an Vö-Daten halten<br />

und immer nur auf Tour, wenn gerade was in den Läden<br />

steht. Ziemlich tightes Schedule, wenn man bedenkt, wie wenig<br />

ein Album nur noch über das Szenario Plattenladen verkauft.<br />

Dirty Soundsystem haben sich von Anfang an (und das<br />

meint Anfang dieses Jahrtausends) gegen diese Railroad ge-<br />

wert in Bezug auf Schauspielskills, Detailfreude,<br />

Breitwand-Emo und Weirdness<br />

präsentiert sich der Soundtrack.<br />

Statt eiskalter abgegriffener Klassiker<br />

wird hier fein säuberlich der musikalische<br />

Background des Films ausgeleuchtet.<br />

Und das fördert richtige Schätze zu<br />

Tage. U.a. von King Creosote, Hood, Future<br />

Pilot Aka, Franz Ferdinand, Clinic,<br />

Orange Juice, Junior Boys. Eine dominolastige<br />

Zusammenstellung plus X. Damit<br />

kann man doch was anfangen.<br />

Kai Klintworth<br />

Diverse<br />

Nu Juwish Music<br />

V2 / Universal / VÖ 07.09.<br />

Was unterscheidet »jüdische Musik«<br />

von »Musik von Juden«? Folgt man die-<br />

sem Sampler, auf dem weder Yo La Tengo<br />

noch die Beastie Boys vertreten sind,<br />

ist es der Klezmer-Faktor, der jedenfalls<br />

nicht unbedeutend ist. Dabei stehen<br />

am Anfang und am Ende einer durchaus<br />

eklektischen Reise durch Musik,<br />

deren Jiddischkeit keineswegs selbstverständlich<br />

ist, einfach nur bezaubernde,<br />

traumhafte und doch grundverschiedene<br />

Songs – zu Beginn ein Track<br />

vom kanadischen HipHop-Bastler So-<br />

Called, der in dieser Form auch von den<br />

Roots mit Unterstützung durch Erykah<br />

Badu hätte kommen können, und<br />

mit Yael Naims (auf Hebräisch gesungenem)<br />

»Paris« eine zerbrechliche Folk-<br />

Song-Miniatur am Ende. Was dazwischen<br />

zu hören ist, zeigt, dass der Begriff<br />

»Klezmer« nicht zwingend allein<br />

wehrt. Hauten Songs, wenn sie fertig waren, schon (weit vor<br />

dem MySpace-Boom) einfach auf ihre Webseite, organisierten<br />

lieber Partys statt Touren und sammelten Freunde und<br />

ähnliche Styler für eigene Compilations ein. Ein solches Disco-Gulasch<br />

haben sie nun auch für Tigersushi zusammengestellt.<br />

Auf Genre-Schranken ist gekotzt und trotzdem klingt<br />

alles wie aus einem Guss. Das muss man erstmal hinkriegen.<br />

Heiß, kalt, Fast Forward oder Stop And Go. Alles ist möglich<br />

und alles ist auch nötig, wenn man nicht in der Gefälligkeit<br />

versumpfen will. Großartiger Entwurf. Helmar Becker<br />

eine bestimmte Musik-Form bezeichnet,<br />

sondern auch eine Einstellung zur<br />

Musik, einen Fundus, aus dem diese<br />

Musik schöpft. Da bietet diese »Nu Juwish<br />

Music« einiges von dem, was auch<br />

unbedarfte HörerInnen bei dem Etikett<br />

»jüdisch« vielleicht erwarten (Klarinetten<br />

und traurige Geigen), und anderes,<br />

das eher überrascht. Gerade die<br />

vielen orientalischen Klänge zeigen,<br />

dass hier eine Kulturvielfalt regiert, die<br />

weit entfernt ist von einer Multikulti-<br />

Beliebigkeit – die Frage, ob auch Nicht-<br />

Juden (Goyim) Klezmer spielen dürfen,<br />

wird zwar gestellt, bis auf Weiteres aber<br />

auch bejaht. Denn die Mischung, zu der<br />

natürlich auch Goyim etwas beitragen<br />

können, macht’s noch immer.<br />

Mark Swatek-Evenstein<br />

EA80<br />

Reise<br />

Musikzimmer<br />

Es gibt Bands, die fungieren als Katalysatoren<br />

der Negativität. Angst, Wut,<br />

Trauer rein, Power raus. EA80 gehören<br />

nicht dazu. Denn diese vier Musiker<br />

sind nicht dazu da, uns zu dienen und<br />

Erleichterung zu verschaffen. Dazu ist<br />

ihre ästhetische, geschäftliche und stilistische<br />

Verweigerungshaltung viel<br />

zu ausgeprägt. Katharsis-Dealer ebenso<br />

wenig wie Befi ndlichkeits-Masturbatoren,<br />

beschreibt die seit über 25 Jahren<br />

aktive Punkrock-Macht aus Mönchengladbach<br />

das Dasein so poetisch<br />

wie nüchtern. EA80 evozieren in ihrer<br />

Musik auch heute noch Bilder von Tristesse<br />

und Schönheit und geben dem Gefühl,<br />

im nachmittäglichen Dauerregen<br />

in der Bauwagensiedlung zu sitzen und<br />

sich zugleich als Beobachter und Verstoßener<br />

zu fühlen, eine Stimme. Sie durchdringen,<br />

beschwören und fordern auf,<br />

versprechen aber nicht, dass alles gut<br />

wird, solange die Kids nur ordnungsgemäß<br />

united sind und die Regeln einer<br />

Szene befolgen, die »Freiheit« sagt und<br />

zu weiten Teilen »Lifestyle« meint. Keine<br />

Furcht vorm Denken, Pathos zum<br />

Kumpel, Trübsal als Motor und die Kraft<br />

des Nonkonformismus, der Autonomie<br />

– nach wie vor beseelen sie die Songs dieser<br />

einzigartigen Band. Zum Verkauf<br />

aber steht hier rein gar nichts. Schon<br />

gar nicht die Erlösung. Ulf Imwiehe


The Enemy<br />

We’ll Live And Die<br />

In These Towns<br />

Warner<br />

»Entweder du hängst den ganzen Tag<br />

in Pubs rum, oder du gründest eine<br />

Band.« Tom Clarke, Sänger und Gitarrist<br />

von The Enemy, hat sich für Letzteres<br />

entschieden. »Wir wollen gar<br />

nicht wie Billy Bragg werden oder politische<br />

Statements ablassen, wir wollen<br />

die Leute einfach nur aufwecken.«<br />

Das scheint zu klappen: Mit zwei Freunden<br />

kämpft Clarke seit gut anderthalb<br />

Jahren erfolgreich gegen die Langeweile.<br />

Die Milchbubis aus Coventry veröffentlichten<br />

eine erste Single auf dem<br />

wiederbelebten Stiff-Label (The Damned,<br />

Elvis Costello), landeten mit »Away<br />

From Here« einen Top-Ten-Hit, und zum<br />

guten Schluss stieg ihr Debütalbum<br />

Mitte Juli an der Spitze der UK-Charts<br />

ein. Warum die ganze Aufregung? Nun<br />

... das Trio powerpoppt zwischen Ash,<br />

Clash und Maximo Park – ein paar griffi<br />

ge Slogans, überzeugende Hooks, catchy<br />

Melodien. Hier und da ein Gitarrenbrett,<br />

dazu mitunter die gereckte Faust.<br />

Klar, ein bisschen arrogant und größenwahnsinnig<br />

ist man auch. Behauptet<br />

jedenfalls die Plattenfi rma. »Respekt,<br />

Jungs«, könnte man das unter<br />

dem Strich wohl nennen und sich nicht<br />

weiter darum kümmern. Aber man ist ja<br />

kein Engländer ...<br />

Christian Wessels<br />

Figurines<br />

When The Deer<br />

Wore Blue<br />

Pop-U-Loud / Pias / Rough Trade<br />

Dass Skandinavier gute Cowboys abgeben,<br />

konnte in den letzten Jahren ja erstaunlicherweise<br />

immer wieder bewiesen<br />

werden. Bisher nicht unbedingt bekannt<br />

waren allerdings ihre Qualitäten<br />

im Bereich der Surf-Musik. Und doch:<br />

Die amerikanische Westcoast ist ab jetzt<br />

in Dänemark zu fi nden, denn was die Figurines<br />

auf ihrem dritten Album zelebrieren,<br />

würde Brian Wilson vor Neid erblassen<br />

lassen. Wie einst die Beach Boys<br />

in ihren besten Tagen stehen hier wunderbare<br />

Harmoniegesänge neben träumerischen<br />

Melodien und ausufernden<br />

Arrangements. Klar, zwischendurch ertönt<br />

die eine oder andere Indierock-Gitarre<br />

– die Band will ihre Herkunft ja<br />

auch nicht negieren –, doch ansonsten<br />

herrscht Westcoast-Surf-Atmosphäre,<br />

die neben den Beach Boys auch an die<br />

Zombies oder Love erinnert, allerdings<br />

ohne jemals so richtig Retro zu sein, was<br />

dem Ganzen einen angenehm unaufdringlichen<br />

Aktualitätsnachweis verleiht.<br />

Eine Entdeckungsreise, nicht nur<br />

für Liebhaber der großen Wellen.<br />

Sascha Seiler<br />

Fog<br />

Ditherer<br />

Lex / Rough Trade<br />

Glaubt man der Promotion, so han-<br />

delt es sich bei Fog um die künstlerisch<br />

wertvollste Rettung der elektrischen<br />

Gitarre seit mindestens Radiohead.<br />

Aber in der Pop-Verwertungskette<br />

sind Manowar ja auch eine authentische<br />

Band und Linkin Park radikale<br />

Innovateure. Im Falle von Fog aus Minneapolis,<br />

USA haben wir es angeblich<br />

mit Avantgarde-Rock’n’Roll zu tun.<br />

Dabei ist das Trio weder das eine noch<br />

das andere. Was hier mit der Worthülse<br />

»avantgardistisch« bemüht E-musikalische<br />

Weihen erhalten soll, haben<br />

Dutzende ähnlich agierende Künstler<br />

bereits wesentlich spannender inszeniert.<br />

Und so richtig die Rawk-Sau lassen<br />

Fog auch nie raus. Dennoch ist ihre<br />

Mixtur aus versponnenem Prog, folkigen<br />

Grübeleien und zuckerschnutigem<br />

Indie-Pop, abgeschmeckt mit mal knispeligen,<br />

mal altbackenen Electronica-<br />

Einsprengseln, durchaus gefällig. Gelegentlich<br />

gibt man sich zwar betont verstiegen<br />

und stellt den gedankenschweren<br />

Dichter aus, macht aber nix, solange<br />

die Musik so schlau und dabei unauffällig<br />

perlt. Schließlich will man ja niemandem<br />

wehtun.<br />

Ulf Imwiehe<br />

Genepool<br />

Sendung/Signale<br />

Noise-o-lution / Indigo<br />

Das nennt man wohl Sound-Signatur:<br />

Ein Akkord, eine Melodie – und sofort<br />

erkennt man die Handschrift von Noi-<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 097<br />

se-Papst Guido Lucas. Und so fi nden<br />

sich auch bei dieser Kooperation von<br />

Krawalleros aus dem Dunstkreis der<br />

Kieler Rock-Bestien Smoke Blow und<br />

dem bärtigen Maestro die typisch wavigen<br />

Cure’esken Flanger, wehmütigen<br />

Gesangslinien und traurig-trotzigen<br />

Riffs. So weit, so desensibilisierend<br />

gewöhnlich. Genepool geben sich aber<br />

nicht mit schnödem Krachgerocke alter<br />

Schule ab. Der Knüppel, den sie der auch<br />

nicht mehr ganz so drahtigen Mähre<br />

Noiserock zwischen die Hufe schmeißen,<br />

ist vom Disco-Baum gebrochen<br />

und dürfte Tausende Ärsche auf dem<br />

Dancefl oor zum Wackeln bringen. Da<br />

bounct die Bassdrum, da zirpen die Synthesizer,<br />

und alles ballert so ziseliert<br />

wie hoolig rockend nach vorne, dass<br />

sich die Band, käme sie aus England,<br />

wohl in kürzester Zeit als das nächste<br />

ganz große Wild im Blätterwald wiederfi<br />

nden könnte. Die perfekte Mischung<br />

aus düster-melancholischer Gitarrenwucht<br />

und nacktem Hedonismus.<br />

Ulf Imwiehe<br />

Gentleman<br />

Another Intensity<br />

Four Music / SonyBMG<br />

Reggae ist in erster Linie eine Haltung.<br />

Das zeigt auch Gentleman wieder<br />

deutlich auf – mit »Another Intensity«<br />

legt er nun bereits sein viertes Album<br />

vor. Und obwohl er unzählige Konzerte<br />

auf allen fünf Kontinenten erfolgreich


098 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

dgd<br />

15. BIS 22.<br />

DEZE<strong>MB</strong>ER 2007<br />

1Woche<br />

inkl. 6 Tage<br />

Skipass,<br />

Apartment &<br />

Konzert<br />

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absolviert hat, bleiben auch die neuen<br />

Songs unverwässert wie an seinem ersten<br />

Auftrittstag. Hier wird kein künstliches<br />

World-Music-Gebräu destilliert,<br />

kein affektiertes Bad-Boy-Image getestet<br />

oder werden Riddims vom Computer<br />

geknechtet. Wo Gentleman draufsteht,<br />

ist auch immer der originäre Gentleman<br />

drin: straighter Reggae, mit richtigen<br />

Instrumenten in seine klassisch<br />

skankende oder steppende Bewegung<br />

versetzt, ohne sich als bloßer Roots-Copycat<br />

anzubiedern. Gastauftritte gibt’s<br />

von Jack Radics & Rings, aber auch Reggae-Maniac<br />

Sizzla und der Soulsängerin<br />

Diana King. Dabei lohnt sich umso<br />

mehr, auf jedes Detail zu achten: Reggae<br />

Music war lange nicht mehr so bunt<br />

wie hier, ohne sich von den drei Farben<br />

der Jah-Truppe zu entfernen.<br />

Uwe Buschmann<br />

Guy Gerber<br />

Late Bloomers<br />

Cocoon / Intergroove<br />

Spätzünder? Das kann man Guy Gerbers<br />

Neo-Trance-Pop-Techno eigentlich<br />

nicht schimpfen. Denn auch wenn<br />

der Produzent aus Tel Aviv die Höhepunkt-Dramaturgie,<br />

den Dancefl oor-<br />

Gesetzen entsprechend, in die Länge<br />

zieht und immer schön weiter hinauszögert,<br />

so leuchten und glitzern seine<br />

Tracks aufgrund ihrer klaren, fetten<br />

und eben auch ziemlich edlen Soundästhetik<br />

schon vom ersten Moment an.<br />

Das funktioniert sogar noch bei Downtempo-Nummern,<br />

die verschämt der<br />

Space Disco Gute Nacht sagen, oder bei<br />

dezentem Acid-House-Gezwitscher.<br />

Gerber holt Einfl üsse von Samba bis<br />

Kraftwerk auf seine Aussichtsplattform<br />

und schenkt dort kollektiv gute<br />

Laune aus. »Late Bloomers« ist Sekt auf<br />

Eis im Musikformat. Genau so muss Balearica<br />

eben zu Hype-Zeiten von Minimal<br />

Techno klingen.<br />

Arno Raffeiner<br />

Giardini Di Mirò<br />

Dividing Opinions<br />

Homesleep Music / Cargo<br />

Wenn Postrock Musik ohne Worte bedeutet,<br />

sind Giardini Di Mirò in ihre<br />

Post-Postrock-Phase getreten. Die italienische<br />

Band hat die Sprache (wieder)<br />

gefunden und lässt so viel singen wie<br />

selten zuvor. Nur einer der neun Titel<br />

auf dem neuen, dritten Album ist instrumental.<br />

»July’s Stripes« ist zugleich<br />

einer der Höhepunkte: Aus melancholischem<br />

Anfangs-Gitarrengezupfe steigt<br />

schweres monolithisches Gedröhne<br />

auf, das sich zu einem spacigen Outro<br />

weiterspannt – Motorpsycho hätten es<br />

kaum besser hingekriegt. Doch auch<br />

in den gesungenen Titeln sind GDM<br />

Meister der Dynamik und Dramatik,<br />

nur eben songintegrierter. <strong>Als</strong> Gastsänger<br />

holten sie sich Jonathan Glancy<br />

(Settlefi sh) und Glen Johnson (Piano<br />

Magic). Besonders betörend jedoch:<br />

Kaye Brewster in der Leise-Nummer<br />

»Clairvoyance«.<br />

Frank Schuster<br />

Richard Hawley<br />

Lady’s Bridge<br />

Mute / Emi<br />

Ich will zurück auf die Straße? Freundchen,<br />

gar nicht so leicht in England,<br />

wenn du ungeilen und lauten Mist gebaut<br />

und einen Platzverweis erhalten<br />

hast. Mit dem ASBO (Anti-Social Behaviour<br />

Order) fegen Staat und Kommunen<br />

die Städte sauber und die Probleme<br />

unter den Teppich. »Tonight The<br />

Streets Are Ours«, hält eine große, rostige,<br />

milde Stimme dagegen, atemberaubend<br />

schön umkränzt von Streichern,<br />

säuselnden Sirenen und edelstahlglitzernden<br />

Gitarrenakkorden. Richard<br />

Hawleys Musik klingt immer, als sei er<br />

der Welt und der Zeit abhandengekommen.<br />

Hingerissen, fortgeschwemmt<br />

von einem süßen, dunklen Fluss, entsprungen<br />

in der Prä-Beatles-Ära. Doch<br />

von den Möglichkeiten, mit ästhetisch<br />

überholten Spielweisen umzugehen,<br />

wählt der bodenständige Sheffi elder<br />

Sentimentalist instinktiv eine, die<br />

mehr Bedeutung stiftet als Retro-Späßchen<br />

oder klangliche Dekonstruktionstricks.<br />

Was schon auf »Coles Corner«<br />

so altsamten daherkam, spinnt sich<br />

in großkalibrigen Metaphern und vor<br />

noch breiterer Leinwand um den seit Elvis<br />

und Roy umkreisten Kern: die ambivalente<br />

Rhythmik und emotionale<br />

Komplexität des von sozialem Auf- und<br />

Ausbruchsverlangen aufgewühlten Lebens,<br />

das gleichzeitig Familie und Herkunft<br />

treu ist. Hier die Hobo-Existenz,<br />

die auf staubiger »Long Dark Road«<br />

zwischen Johnny Cash und Lee Marvin<br />

marschiert, dort die Intimität Liebender,<br />

natürlich im Dunkeln, in »Our<br />

Dark ness«. Dazwischen zarte Flirts mit<br />

Rockabilly, Ortsgeschichte als Blaupause<br />

universeller Erfahrung, herzergreifend<br />

erzählt in einem Idiom, das im<br />

Brill Building und in den Sun-Studios<br />

zu Hause ist. Erzähl doch mal mehr,<br />

Richard:<br />

»Lady’s Bridge« ist nach der ältesten<br />

Brücke in Sheffi eld benannt. Kommt<br />

ganz schön romantisch rüber.<br />

Ist es. Mehr noch hat es für mich<br />

Symbolgehalt als Kreuzungspunkt im<br />

Leben, an dem du von einer Seite auf<br />

die andere wechselst. Ich musste einiges<br />

zurücklassen, das ich nicht wollte.<br />

Es geht ums Weitermachen und Veränderung.<br />

Während der Aufnahmen zu »Lady’s<br />

Bridge« starb dein Vater, selbst Musiker<br />

und dein erster Gitarrenlehrer.<br />

Wir wollten beide, dass sich das nicht<br />

auf die Platte auswirkt. Natürlich tat es<br />

das. Mein Vater hat mich in meinem Leben<br />

positiv beeinfl usst. Und daran denke<br />

ich, an alles, was er mir gab.<br />

»Roll River Roll« erinnert an die Opfer<br />

der Flut von 1864 in Sheffi eld. Kurz<br />

nachdem du den Titel aufnahmst,<br />

stand erst Sheffi eld und dann halb England<br />

unter Wasser. Was zum Teufel ...?<br />

Oh, ich fühlte mich sehr seltsam. Ich<br />

hätte den Song ja irgendwann in den<br />

letzten 20 Jahren schreiben können,<br />

doch jetzt war das alles schon sehr bi-


zarr, als die Flutwellen kamen. Fast, als<br />

ob ich es herbeigewünscht hätte. Ist totaler<br />

Quatsch, aber da soll man nicht<br />

nachdenklich werden?<br />

Wolfgang A. Müller<br />

Heavy Trash<br />

Going Way Out With<br />

Heavy Trash<br />

Crunchy Frog / Cargo<br />

Es ist, als wolle Jon Spencer alles, was<br />

er früher genüsslich zertrümmert<br />

hat, wiedergutmachen. Denn so vehement,<br />

wie der ewige Griffbrett-Hipster<br />

dereinst mit seiner Band Pussy Galore<br />

populärmusikalische Konventionen zu<br />

Klump gehauen hat, so akribisch und<br />

liebevoll ergeht er sich seit der Aufl ösung<br />

jenes Krawall-Kunstwerks in der<br />

Pfl ege und Wartung des alten Schnauferl-Rock’n’Roll.<br />

Spencer und sein Partner<br />

Matt Verta-Ray lassen auf ihrem<br />

jüngsten Glaubensbekenntnis den<br />

Geist alter pomadiger Crooning-Rebellen<br />

wiederauferstehen und versehen alles<br />

mit einer diffus diabolischen Aura.<br />

Dabei hat das Duo seinen Voodoo-Knarz<br />

mit drei verschiedenen Bands in drei<br />

verschiedenen Studios in drei verschiedenen<br />

Städten aufgenommen. Diese<br />

Dreifaltigkeit macht das Resultat nicht<br />

revolutionärer, sorgt aber, bei aller dezidierten<br />

Simplizität, immerhin für Abwechslung.<br />

Jon Spencer wäre nicht er<br />

selbst, würde dieses Album nicht auch<br />

mit der für ihn typischen fl irrenden<br />

THE HIVES<br />

OHRBOOTEN<br />

BMX MINIRAMP & WAKEBOARD CABLE CONTEST<br />

25.-26.08.07 HA<strong>MB</strong>URG<br />

PINNEBERG, WASSERSKI-ARENA<br />

Nervosität und bluesigen Brachialität<br />

aufwarten. Und so kracht, groovt und<br />

rifft es hier wie Elvis auf Meskalin. Das<br />

schafft Kurzweil, ohne Zweifel. Spannend<br />

geht aber anders.<br />

Ulf Imwiehe<br />

MORE ACTS TO<br />

BE ANNOUNCED<br />

A.J. Holmes<br />

The King Of The<br />

New Electric Hi-Life<br />

Pingipung / Kompakt<br />

Perfektes Timing! Genau an dem Tag,<br />

an dem sich das verpeilte Wetter an seine<br />

sommerlichen Pfl ichten erinnert,<br />

landet so eine, nein, genau diese tolle<br />

Platte im Briefkasten. Soso, es gibt nun<br />

also einen »King of the new electric hilife«,<br />

sein Name ist A.J. Holmes a.k.a.<br />

Vanishing Breed. Und er hat das Zepter<br />

mit Recht in der Hand: An Mother Africa<br />

andockend (»Hi-Life« ist dieser fl iegende<br />

Gitarrenpicking-Stil aus dem<br />

Westen des Kontinents: Denken wir an<br />

Afrika, ist der Sound sofort im Ohr), begibt<br />

sich A.J. Holmes nicht plündernd in<br />

die Weltmusik, sondern bleibt auf ganzer<br />

Linie Gentleman. Zusammen mit<br />

Gästen aus dem Pingipung/Blankrecords-Umfeld<br />

und den Ko-Produzenten<br />

Anne Laplantine und Sculpture hat der<br />

Londoner eine echte Perle eingespielt<br />

– eine liebevolle Kollektion internationaler<br />

Folk-Popsongs. Selten wurde die<br />

schwierige Balance aus Handmade und<br />

Elektronik so aus dem Ärmel geschüttelt:<br />

»The King Of The New Electric Hi-<br />

INFOS UND TICKETS UNTER WWW.T-MOBILE-PLAYGROUNDS.DE<br />

VVK-STELLEN, WWW.KARTENHAUS.DE ODER 01805-570000(0,14/MIN.)<br />

Life« ist eine gelungene Hommage an<br />

das genreübergreifende, vielleicht sogar<br />

weltumspannende Medium Musik.<br />

Wer auch immer diese Platte hört, wird<br />

Freude fi nden.<br />

Hendrik Kröz<br />

Hot Hot Heat<br />

Happiness Ltd.<br />

Sire / Warner / 07.09.<br />

Den sympathischen Hysterikern aus<br />

Kanada drohte mit ihrem Vorgängeralbum<br />

der Abstieg in die Liga der austauschbaren<br />

Clubhit-Ablieferer: Auf<br />

»Elevator« dominierte Refrain-zentrierte<br />

Powerpop-Alltagsware, und<br />

gleichzeitig fehlte der trotzige Ansatz<br />

des Debüts. Aber schon beim Einsteiger<br />

und Namensgeber von »Happiness<br />

Ltd.« gibt es die erste Überraschung:<br />

Die Band lässt sich Zeit. Der<br />

Beat kommt nur auf jede vierte Zählzeit,<br />

dazu brummt stimmig ein zurückgelehntes<br />

Bassriff, am Ende gibt es sogar<br />

ein Fade-out. Wann hat man so was<br />

zuletzt gehört? Und ähnliche unerwartete<br />

Gimmicks fi nden sich auch später:<br />

Immer mehr Songs drängen weg<br />

vom fröhlichen Gepolter der Anfangstage<br />

hin zu ..., ja, wohin eigentlich? Wahrscheinlich<br />

in die großen Hallen. Dafür<br />

sprechen die um allerlei Soundeffekte<br />

erweiterte Instrumentierung ebenso<br />

wie die Auswahl von Produzent Rob Cavallo<br />

(u. a. Green Day, Goo Goo Dolls, My<br />

Chemical Romance). Breitwandsound,<br />

BMX STREET/VERT<br />

& SKATEBOARD STREET/VERT CONTEST<br />

LIVE MUSIC<br />

ACTS<br />

12.-13.10.07 BERLIN<br />

VELODROM<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 099<br />

hooray! Doch »Happiness Ltd.« biedert<br />

sich trotz seiner ausgefeilten Produktion<br />

nicht an. Zwar werden bei Hot<br />

Hot Heat nun auch große Gefühle zugelassen,<br />

aber ohne dass es dabei cheesy<br />

zu muffeln beginnen würde wie bei<br />

den oben genannten US-Kollegen. Positiv<br />

zu verzeichnen ist auch der wesentlich<br />

abwechslungsreichere Gesang, der<br />

beim stärksten Song, der Spätsommer-<br />

Hymne »Outta Heart«, gar gecroont und<br />

mit viel Kopfstimmen-Einsatz daherkommt.<br />

Überhaupt hatte Steve Bays offensichtlich<br />

die ewigen Robert-Smith-<br />

Vergleiche satt. So klingt das Album refl<br />

ektierter als die Vorgänger. Nach wie<br />

vor gibt es das eine oder andere Zugeständnis<br />

an den mittlerweile von sich<br />

selbst gelangweilten Neo-New-Wave-<br />

Hype, diese Stücke sind dann allerdings<br />

auch die Schwachstellen des Albums.<br />

Die Veränderungen bei Hot Hot Heat<br />

mögen zwar nicht fundamental sein,<br />

aber deutlich spürbar – und sie tun ihrem<br />

Sound ziemlich gut.<br />

Philipp Jedicke<br />

Inferno<br />

Pioneering Work<br />

Destiny / SPV<br />

Man muss nicht das Deutsch-Punk-<br />

Superhirn Jan »Tocotronic« Müller<br />

sein, um Inferno zu kennen. In den<br />

Achtzigern und bisschen drüber hinaus<br />

prügelte man sich durch die Klischees<br />

des Genres und landete in den besten


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Momente sogar daneben und war dann<br />

richtig gut. Gut, dieses Attribut lässt<br />

sich beim besten Willen nicht jedem<br />

der hier befi ndlichen 56 Songs verleihen,<br />

und in der erschlagenden Gesamtheit<br />

ist das auch mit Vorsicht zu genießen.<br />

Aber es ist defi nitiv auch zu genießen.<br />

Immerhin brachten Inferno Hardcore<br />

in Deutschpunk. »Tod und Zerstörung«,<br />

»Birne muss Kanzler bleiben«<br />

oder »Linke Sau« wirken immer noch<br />

respektabel und sind nicht bloß Sicherheitsnadel-Nostalgie<br />

pur. Ach, und für<br />

unsere jüngeren Zuschauer: Bei Inferno<br />

spielte Archi McMotherfucker of<br />

später Terrorgruppen-Fame.<br />

Bernd Seidel<br />

Jingo De Lunch<br />

The Independent Years<br />

Rookie / Cargo<br />

Von Jingo De Lunch zu berichten ist,<br />

als würde Opa von seinen Kriegsabenteuern<br />

schwärmen. Da ging damals<br />

was ab in Berlin, Anfang der 90er. Da<br />

knallten ein paar wilde Kerle Hardcore-<br />

Einfl üsse mit ordentlich Rock’n’Roll,<br />

Blues, Metal und poppigem Punk zusammen,<br />

und ihre charismatische Sängerin<br />

Yvonne Ducksworth dirigierte<br />

dazu die nach Bier und frischen Sounds<br />

gierenden Massen. Somit gehörten Jingo<br />

De Lunch hierzulande zur Speerspitze<br />

des Crossovers, der bald als Alternative-Rock<br />

half, tonnenweise Lifestyle<br />

zu verkaufen. Auch die Jingos sollten<br />

damals mit aller Macht gebreakt werden,<br />

schafften es aber trotz massiver<br />

Medienpräsenz nie nach ganz oben.<br />

Nun steht die Tour zum 20. Jubiläum an,<br />

und die ganzen ollen Hits sind in einem<br />

handlichen, von der Band höchstselbst<br />

kompilierten, klanglich für die Gegenwart<br />

fi tgespritzten Best-of-Package abzugreifen.<br />

Das kracht, das macht Spaß,<br />

und trotzdem ändert es nichts daran,<br />

dass Yvonne Ducksworth zwar eine fantastische<br />

Stimme hat, aber oft dermaßen<br />

schrecklich neben der Spur singt,<br />

bis sich Blutblasen auf den Trommelfellen<br />

bilden. Doch genau dies machte<br />

Jingo De Lunch ja so einzigartig. Ungeachtet<br />

einiger verpupter Dad-Rock-Momente<br />

und grauenvoller Soli: ganz gut<br />

gealtert, der Scheiß!<br />

Ulf Imwiehe<br />

Kula Shaker<br />

Strangefolk<br />

Essential Music / Indigo<br />

Seit acht Jahren gab es kein neues Album<br />

von Kula Shaker. Die Band hatte<br />

sich aufgelöst, Sänger/Gitarrist Crispian<br />

Mills den Nachfolger The Jeevas gegründet,<br />

nachdem die Erfolgskurve<br />

nach unten wies. Dabei hatten die Britpopper<br />

1997 mit ihrem Debüt »K« einen<br />

fulminanten Start hingelegt. In einer<br />

Zeit, als Oasis und Blur um das Erbe<br />

der Beatles und Kinks stritten, traten<br />

Kula Shaker in die Fußstapfen der frühen<br />

Pink Floyd. Sie hauchten dem Britpop<br />

Psychedelia und Räucherstäbchen-<br />

Spiritualismus ein. Davon ist auf dem<br />

Comeback wenig übrig, es setzt eher<br />

den Kurs des 1999er-Albums »Peasants,<br />

Pigs & Astronauts« fort: kerniger Rock<br />

samt bratzelnder Gitarren und pluckernder<br />

Hammond-B3-Orgel – gleichwohl<br />

komplex arrangiert. Eine gelungene<br />

Symbiose aus Cool-Britannia-Pop<br />

und Heavy-Prog-Rock. Mal ausnahmsweise<br />

kein unnötiges Comeback.<br />

Frank Schuster<br />

Talib Kweli<br />

Ear Drum<br />

Blacksmith<br />

»HipHop’s not dead, it was on vacation«,<br />

ist das Credo dieses ungewöhnlich<br />

kompakten und dritten Kweli-Albums.<br />

Findet das Genre jetzt wieder zu sich<br />

selbst? Wenn man »Ear Drum« und das<br />

kommende Common-Album »Finding<br />

Forever« in Betracht zieht, scheint jedenfalls<br />

eine bemerkenswerte Reduzierung<br />

auf die Tugenden Dynamik, pointiert<br />

freigelegte Beats und anschubsender<br />

Rap zu beobachten zu sein. Dazu<br />

passt auch, dass die Singleauskopplung<br />

»Listen« vom ehemaligen Stevie-Wonder-Protegé<br />

und HipHop-Wunderkind<br />

Kwamé produziert wurde und viele Hits<br />

mit rein sampleorientierten Producern<br />

wie Pete Rock (der mit »Holy Moly« direkt<br />

in Richtung Magengrube geht),<br />

Madlib und dem erstaunlichen KanYe<br />

West angefertigt wurden. Kweli stellt<br />

sich hier mit seinen eloquenten Raps<br />

ganz in den Dienst des Bewegungsapparates<br />

und kommt auf der Suche nach<br />

dem perfekten Beat auch mit Giganten<br />

wie KRS-One klar. Ob es nun stimmt<br />

oder nicht, dass er für den »real Hip-<br />

Hop« steht, er behauptet es jedenfalls<br />

mit einiger Überzeugungskraft.<br />

Martin Riemann<br />

Liars<br />

Liars<br />

Mute / Emi<br />

Gute Neuigkeiten für Freunde des<br />

Abseitigen: Die Liars machen jetzt<br />

wieder Songs! Ja, echt. Offensichtlich<br />

ist ihnen ihr letzter monumentaler<br />

Schrotthaufen »Drums Not Dead«<br />

nach eineinhalbmaligem Hören selbst<br />

auf den Wecker gefallen. Im Übrigen<br />

habe ich noch nie jemanden getroffen,<br />

der die 36 Filmchen, die dieser Irrsinns-<br />

Produktion angeheftet waren, alle oder<br />

gar zu Ende gesehen hat. Schwamm<br />

drüber, mit ihrem vierten Album schaffen<br />

sie es, dass man sie wieder lieb hat.<br />

Und auch wenn das in ihren Sphären<br />

vielleicht beleidigend klingt – »Liars«<br />

ist ein richtig hittiges Album geworden.<br />

Es gibt richtigen Gesang, Melodien,<br />

die man sich merken kann, heilbar<br />

gebrochene Rhythmen, Wall-of-Sound-<br />

Zeug und alles, was sonst noch so dazugehört.<br />

Äußerst ungewöhnlich für<br />

diese lärmigen Leute. Natürlich fi nden<br />

sich trotzdem genug Flashbacks aus<br />

der Zeit, als das Trio noch in irgendeinem<br />

Evil-Dead-Häuschen im Wald<br />

hockte und über den Hexensabbat sinnierte;<br />

»Leather Prowler« ist z. B. so ein<br />

Stück, das einem den Angstschweiß auf<br />

die Stirn zaubern kann. Dafür klingen


sie dann bei »Sailing To Byzantium«<br />

wie Klaxons auf Valium. Sogar wunderschöne<br />

Surfgitarren haben diese nervenzerfetzenden<br />

E-Rock-Styler in ihr<br />

bestes Album eingebaut. Klasse. Die aktuelle<br />

Platte zum Abkrachen.<br />

Martin Riemann<br />

Laura Lopez Castro<br />

Y Don Phillipe Inventan<br />

El Ser Feliz<br />

Nesola / Four / SonyBMG / 07.09.<br />

In der Ruhe liegt die Kraft, in der Simplizität<br />

der Reiz und in der Reduktion<br />

die Fülle. Daran hat sich auch auf<br />

dem zweiten, wieder mal sehr intimen<br />

Werk von Laura Lopez Castro nichts geändert.<br />

Wunderschöne, fast schon rudimentär<br />

runtergestrippte Akustik-<br />

Songs voller Wärme und Melancholie.<br />

Dass das zuerst mal wie ein schales Urlaubsklischee<br />

spanischer Touristen-<br />

Musik klingt, liegt wohl eher an unserer<br />

für gewöhnlich wieder viel zu skeptischen<br />

Slacker-Wahrnehmung als an<br />

der sehr gelassenen, souveränen Umsetzung<br />

der Künstlerin und ihres hochmusikalischen<br />

Mitstreiters. Muss wohl<br />

einfach mal gesagt bzw. geschrieben<br />

werden. Und somit ist auch dieses kleine,<br />

stille Songwriter-Meisterwerk erneut<br />

ganz schlicht über alle peniblen<br />

Vergrößerungsglas-Zweifel erhaben.<br />

Zeitlos betörendes Originalmaterial sowie<br />

einige ausgewählte Coverversionen<br />

für den Schaukelstuhl und natürlich<br />

den Strand – man merkt den Unterschied<br />

gar nicht. Augen zu und wohlfühlen.<br />

Glücklich sein und gleichzeitig<br />

schwer ums Herz werden, das geht. Ein<br />

kleines Glück ist’s fürwahr und deswegen<br />

irgendwie ganz groß.<br />

Georg Boskamp<br />

The Maccabees<br />

Colour It In<br />

Universal<br />

Was für ein Einstieg. Im Land von New<br />

Rave und Mainstream-Indie punkteten<br />

The Maccabees mit ihrem Debüt<br />

»Colour It In« nicht nur auf dem legendären<br />

Glastonbury Festival, sondern<br />

auch bei ihren Musikerkollegen. So<br />

setzte ihnen das Projekt LDN Is A Victim<br />

gleich ein musikalisches Denkmal: »At<br />

the moment The Klaxons are kinda the<br />

shit but I think they are a bit gay I prefer<br />

The Maccabees but my mates can’t<br />

get enough of it.« Und New Rave sind<br />

The Maccabees tatsächlich nicht, eher<br />

das, was man im Mutterland des Pop in<br />

der Plattenladenrubrik »Artschool« zusammenfasst:<br />

Fünf ehemalige Kunststudenten<br />

spielen Brit-typische Gitarrenriffs,<br />

gepaart mit feingetuneten Alltagsbeobachtungen.<br />

Da geht es mal um<br />

Küssen nach dem Zähneputzen, mal darum,<br />

wie man dem Date mit der Zigarette<br />

fast das Kleid abfackelt, und um das<br />

örtliche Hallenbad. »No bombing and no<br />

heavy petting. Stay in your lanes. Came<br />

out of the changing room and absolutely<br />

nothing had changed. Latchmere’s got a<br />

wave machine.« Tanzen geht gut, zuhören<br />

aber fast noch besser. »Colour It In«<br />

ist eines der smartesten Debüts des Jahres<br />

aus dem für hitzige Kickstarts bekannten<br />

britischen Indiezirkel.<br />

Christine Franz<br />

Maps<br />

We Can Create<br />

Mute / Emi<br />

Das Erstlingswerk von James Chapman<br />

ist ein Album voller typischer<br />

Nachtmusik. Dabei klingen die 16-<br />

Spur-Schlafzimmer-Aufnahmen des<br />

Engländers keineswegs düster. Doch<br />

die Mischung aus elektronischer und<br />

psychedelischer Popmusik hat etwas<br />

Schwereloses, sehr Schwelgerisches<br />

und klingt auf eine besondere Art und<br />

Weise entrückt. Denn Chapman schichtet<br />

Synthie-Streicher und Gitarren mit<br />

elektronischen Klängen zu einem Gesamtsound,<br />

der an die besten Momente<br />

klassischer Shoegazer-Bands wie Slowdive,<br />

Ride oder Lush erinnert – My Bloody<br />

Valentine und Spiritualized nicht<br />

zu vergessen, die sogar im Info explizit<br />

Erwähnung fi nden. Anders als bei Caribou,<br />

dem zweiten großen Psychedelik-Freak<br />

dieser Tage, leben Songs wie<br />

»Lost My Soul« oder »Don’t Fear« nicht<br />

unbedingt von ihrer ungewöhnlichen<br />

Instrumentierung, stattdessen begeistern<br />

diese Nummern durch eingängige<br />

Melodien und ihren Breitwand-Sound.<br />

Ein tolles Debüt voller Musik, die hoch<br />

aus den Wolken kommt.<br />

Christoph Büscher<br />

Meat Puppets<br />

Rise To Your Knees<br />

Side Che / Cargo<br />

Mensch, waren die mal gut. Anfang<br />

der Achtziger hatten die Meat Puppets<br />

Punk und Country auf einen gemeinsamen<br />

Nenner gebracht, ohne dabei je in<br />

albernen Cow-Punk abzudriften. Für einen<br />

kurzen Augenblick waren sie neben<br />

Minutemen eine der besten Bands auf<br />

SST, was für Frühachtziger-Verhältnisse<br />

bedeutete: eine der besten Bands der<br />

Welt. So viel Stilsicherheit und gleichzeitige<br />

Energie ließ sich natürlich nicht<br />

lange halten. Doch im Gegensatz zu Kollegen<br />

wie den Replacements, die nach<br />

einem glühenden Punk-Debüt ganz<br />

schnell den Blinker in Richtung Middle<br />

of the Road gesetzt hatten, spielten die<br />

Meat Puppets noch für einige Jahre soliden,<br />

ja, anspruchsvollen und unpeinlichen<br />

SST-Rock-Standard ein. Mit solchem<br />

melden sie sich nun wieder zurück<br />

– unaufgeregt und ohne den Anspruch,<br />

die Mauern von Jericho oder irgendwelche<br />

Hörgewohnheiten zu Fall zu bringen.<br />

Öde Balladen wie »On The Rise«<br />

hätten sie sich zwar ebenso sparen können<br />

wie die oft allzu schaumigen Gitarren<br />

und eine ausufernde Griffbrett-<br />

Akrobatik, doch bei mindestens jedem<br />

zweiten Song schimmert noch die große<br />

SST-Schule durch, die Hardcorepunk<br />

einmal aus der Knüppel-Sackgasse geholt<br />

hatte. Wer nun behauptet, die Meat<br />

Puppets würden inzwischen bloß noch<br />

Adult orientated Rock spielen, sollte<br />

sich vor Augen halten, dass 80 Prozent<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 101<br />

©2007 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO ® and Rome SM are service marks of Home Box Office, Inc.


102 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Funny Van Dannen<br />

Trotzdem danke<br />

JKP / Warner<br />

Funny Van Dannen erweist sich auf seinem neuen Tonträger<br />

»Trotzdem danke« erneut als feinsinniger Alltags-Beobachter,<br />

der mit simplen Mitteln Hintergründiges offensichtlich<br />

werden lässt. Wäre eine schöne Einleitung. Ist leider<br />

gelogen, denn FVD ist endlich irgendwo angekommen: im<br />

Schoß der berufsverwuschelten Toten-Hosen-Familie. Sein<br />

zehntes Album erscheint beim Hosen-Label JKP, und damit<br />

wächst zusammen, was zusammengehört. »Bayern« hieß<br />

die Stammtisch-Hymne, bei der die im Laufe der Jahre textlich<br />

immer unsinniger werdenden »Ex-Punks« erstmals auf<br />

den Berliner Klampfenträger zurückgriffen. Auf ähnlichem<br />

Niveau rhabarbert »Trotzdem danke« endlos erscheinende<br />

24 Stücke lang vor sich hin. Die Liebste ist mit einem Chinesen<br />

durchgebrannt (»Scheiß Globalisierung«, haha), man<br />

hat ja schließlich »Kohl und Cholera« überstanden (Scheiß<br />

CDU, na logisch!), und einst wird man – Zwinker! Zwinker! –<br />

Bayern-Fan, sich – Öchel! Öchel! – »irgendwann integrieren«<br />

und »das Hirn absaugen« lassen. Halt der ganze Quatsch,<br />

über den sich der gemeine Zukurzgekommene so seine Gedanken<br />

macht und dabei mit Händen und Füßen an den Status<br />

des »Outlaws« klammert, obwohl er so simpel mehrheitsfähige<br />

Ansichten und Anekdoten dampfplaudert, dass man<br />

aus dem Schulterzucken gar nicht mehr rauskommt. Aber er<br />

singt nicht nur so, er meint es ernst: »Alleine aus politischen<br />

Vernunftgründen sollte man doch einsehen, dass die Hosen<br />

einen wichtigen Bereich abdecken. Denn wenn ich sehe, dass<br />

die Böhsen Onkelz mit einer Single auf Platz zwei kommen<br />

können, kann ich nicht verstehen, dass diese Leute etwas gegen<br />

die Toten Hosen haben«, gab er einst dem Interviewer der<br />

– natürlich – Toten-Hosen-Homepage mit auf den Weg.<br />

»Trotzdem danke«? Nein, nein und nochmals nein.<br />

Marco Fuchs<br />

Für & Wider<br />

Was ist denn hier los? Kaum dreht man den »Kollegen« mal<br />

kurz den Rücken, werden alle langfristigen Verträge des<br />

Wohlwollens aufgekündigt? Ist schon wieder Hitler-Stalin-<br />

Pakt, oder was? Und wer soll es ausbaden laut Hauptmann<br />

Fuchs? Funny Van Dannen? Dieser wunderbare Mann, was<br />

hat der schon viele tolle Hits geschrieben. Nicht nur so halbtolle,<br />

sondern großartige. Gerade so ein androgyner Typ wie<br />

Marco Fuchs musste doch sicher in der Schulzeit und in der<br />

Arbeitswelt viel von MännerMännern einstecken. Und wie<br />

könnte ihn dann ein Song wie »Anita war ein Junge« kalt gelassen<br />

haben? Gut, das Stück stammt vom Album »Melody<br />

Star«, und das hat schon diverse Jahre auf dem Rücken (aber<br />

übrigens auch den Funny-Konsens-Hit »Lobdefi zit« drauf).<br />

Aber auch seitdem ging noch einiges – vor allem auch die respektable<br />

wie unterhaltsame Buchkarriere. Und selbst wenn<br />

man meinen wollte, die neue Platte könne den eigenen Kosmos<br />

nicht mehr groß erweitern, sondern variiere die bekannten<br />

Motive des schön religiösen Familienvaters. Aber wenn<br />

das schon ein Grund ist, solche Abnabelungsmails, äh, -rezis<br />

zu verschicken, dann läuft bei den ältlichen Indie-Jugendlichen<br />

doch was falsch. Und dass Funny den Hosen immer mal<br />

zugearbeitet hat und die jetzt seine Platte pressen, ist doch<br />

nur konsequent und wäre höchstens noch ein Affront für<br />

Hardliner-Zines wie Zap oder Plot. Die gibt’s aber längst nicht<br />

mehr. Und daher auch keinen Grund, Funny hier runterlaufen<br />

zu lassen. Glaubt nicht Ciao Marco Ciao, sondern mir. »Trotzdem<br />

danke« ist eine sehr hübsche Platte. Martina Hergenröther<br />

dessen, was SST in der zweiten Hälfte<br />

der Achtziger veröffentlicht hat, nichts<br />

anderes als Adult orientated Rock war.<br />

Darin bestand ja der Trick: Dinge wieder<br />

hoffähig und bestenfalls sogar cool zu<br />

machen, die Punk einst niedergerissen<br />

hatte. Heute mag sich das nicht mehr<br />

zwingend im Sinne einer pophistorischen<br />

Weichenstellung anhören, doch<br />

ein Song wie »Tiny Kingdom« ist immer<br />

noch klasse und entschädigt für den bisweilen<br />

allzu starken Dire-Straits-Faktor.<br />

Dass sich »Tiny Kingdom« fast wie eine<br />

Coverversion von Tocotronic anhört,<br />

dürfte allerdings Zufall sein.<br />

Martin Büsser<br />

Menomena<br />

Friend And Foe<br />

City Slang / Universal<br />

In den USA sind Menomena die Entdeckung<br />

der Stunde. Dabei klingt das Debüt<br />

des Trios aus Portland zunächst etwas<br />

sperrig. Der Sound ist ungewöhnlich:<br />

Wuchtige Drums – leicht übersteuert<br />

– und der Gesang stehen beim<br />

Opener »Muscle’n Flo« weit im Vordergrund<br />

des Mixes, während Orgeln, Piano<br />

und diverse Gitarren sparsame, psychedelisch<br />

angehauchte Akzente setzen,<br />

bevor das Stück zu einer echten<br />

Hymne mutiert. Während die Vocals<br />

bei »Air Aid« ein wenig an den frühen<br />

Peter Gabriel g(die Genesis-Phase) erinnern<br />

und etwas Zeit brauchen, ihre<br />

Größe voll zu entfalten, entwickeln sich


andere Stücke – etwa das stärker durch<br />

Loops strukturierte »My My« – trotz ihrer<br />

gebrochenen Struktur schnell zu<br />

brillanten Popsongs. Veredelt durch<br />

das Cover-Artwork des Comic-Künstlers<br />

Craig Thompson, ist das Album ein<br />

Muss für alle Jäger und Sammler. Krautig,<br />

kantig und einfach genial. Das unfassbare<br />

Zusammentreffen der unterschiedlichsten<br />

Einfl üsse lässt »Friend<br />

And Foe« musikalisch leuchten. Menomena<br />

sind mit diesem Album zu Recht<br />

schon echte Giganten.<br />

Christoph Büscher<br />

Carsten »Erobique«<br />

Meyer / Jacques<br />

Palminger<br />

Songs For Joy<br />

Nobistor / Indigo<br />

Ein öffentliches Studio im Foyer der<br />

Studiobühne des Berliner Maxim Gorki<br />

Theaters. Ein Radiojingle und ein<br />

paar Zeitungsanzeigen: »Lieben Sie<br />

Musik? Singen Sie gerne? Schreiben Sie<br />

Gedichte? Schicken Sie uns Ihre Texte!«<br />

Was daraus entstand, ist die beste<br />

Zeit, die man mit Musik nur haben<br />

kann. Das sagen Carsten Meyer und<br />

Jacques Palminger, die zusammen mit<br />

Christoph Dietermann die Stücke arrangierten<br />

und einspielten, die ihnen<br />

diese wunderbaren Amateure um die<br />

Ohren schmissen. Voller Inbrunst die<br />

schlafenden Hunde wecken, die ansonsten<br />

als Schattenriss in Studierzimmern<br />

verenden. »Volksmusik« im einzig wahren<br />

Sinn des Wortes, alles voll Soul.<br />

Soul, Alter! Mehr als 70 Minuten Kreativ-Antipausen,<br />

schief und schön. Die<br />

Autoren? Nie gehört. Will never either.<br />

Aber für eine Platte die Schätze heben,<br />

die da draußen glänzen. Jenseits von irgendwelchen<br />

Jugendzentren, Plattenindustrie-Mechanismen,<br />

Schindlers<br />

Gästeliste. Eine bezaubernde Gegenwelt,<br />

so gänzlich unaufgesetzt und – ja,<br />

es muss gesagt und auch so gemeint<br />

werden – ehrlich.<br />

Marco Fuchs<br />

MF Doom<br />

Mm.. Food<br />

Rhymesayers / Rough Trade<br />

Mit der Wiederveröffentlichung von<br />

MF Dooms 2004er-Coup »Mm.. Food«<br />

erfüllt sich mal ein echter Fall von Angebot<br />

und Nachfrage, denn es dürfte<br />

nicht wenige gegeben haben, die sauer<br />

waren, sich die Preise für die Originalveröffentlichung<br />

nicht leisten zu können.<br />

Das ist vor allem für diejenigen von<br />

Vorteil, denen MF Doom erst durch sein<br />

Dangerdoom-Projekt ans Herz gewachsen<br />

ist, denn »Mm.. Food« ist die perfekte<br />

Ergänzung zu der erfolgreichen Kollaboration<br />

mit DJ Dangermouse. Allerdings<br />

sind hier sogar noch raffi niertere<br />

Happen drauf. Exzessiv gebrauchte uralte<br />

Serials und »Fantastic Four«-Hörspiele,<br />

in denen ständig die Niederträchtigkeit<br />

des Erzfeindes Dr. Doom geprie-<br />

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sen wird, erhöhen den Unterhaltungswert<br />

immens und sind so geschickt in<br />

dieses Meisterwerk eingewoben, dass<br />

die Skits auch nach dem 50. Hören nie<br />

nerven. Wie groß Dooms Geschicklichkeit<br />

ist, abstrakte Assoziationsketten<br />

in seinen unwiderstehlichen Flow unterzubringen<br />

(wie der Titel schon sagt,<br />

dreht es sich hier hauptsächlich um Lebensmittel),<br />

zeigt die beigelegte DVD,<br />

auf der man den Meister auf seiner US-<br />

Tournee für dieses Album begleiten<br />

kann. Seine unheimliche Maske zieht er<br />

dabei übrigens nie aus, der Bösewicht.<br />

Und jetzt bitte, bitte noch »Operation<br />

Doomsday« nachlegen, Leute!<br />

Martin Riemann<br />

Mob<br />

Polygon<br />

Quartermain / Broken Silence<br />

Da sind sie wieder, die zwei Charakteristika<br />

des dänischen Fünfers Mob:<br />

Sie glauben an die Schönheit von Krach<br />

und an das moralische Dilemma, das<br />

das Streben nach Veränderung bei<br />

gleichzeitigem Bedürfnis von Stetigkeit<br />

mit sich bringt. Drei Alben haben<br />

die Kopenhagener seit 1999 veröffentlicht,<br />

zuletzt vor zwei Jahren »We All Repeat<br />

The Past«, und unnachahmlich erkunden<br />

sie die feinen Unterschiede zwischen<br />

musikalischen Stimmungen, erleuchten<br />

die Grauzonen von Atmosphäre<br />

und Emotionen. »Polygon« ist nur<br />

eine EP, vier Stücke, 20 Minuten. Doch<br />

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jeder der vier Songs hilft eifrig mit beim<br />

Bau einer glühenden Distortion-Wand.<br />

Stein auf Stein. Durch die Wechsel in<br />

Dynamik und Harmonien entstehen<br />

Sounds voll bleischwerer Nebelschwaden,<br />

aus denen Wortfetzen dringen.<br />

Einzelne luftige Zwischenspiele wirken<br />

wie Schmetterlinge, die plötzlich<br />

von einem 10-Tonner mitgerissen werden.<br />

Das kennen und lieben wir auch<br />

bei Mogwai, bei der Intensität von Motorpsycho<br />

oder frühen Helmet-Platten,<br />

wenn alle Instrumente in dieselbe Richtung<br />

drücken. Sänger und Gitarrist<br />

Morten Haaber reibt sich am Refrain<br />

von »Wait For Me« auf, wiederholt die<br />

Zeile herzzerreißend oft und unterzieht<br />

seine Stimmbänder einer Zerreißprobe.<br />

Am Ende verglühen die Feedbackorgien<br />

im Off. Zurück bleiben offene Münder.<br />

Henrik Drüner<br />

Moneybrother<br />

Mount Pleasure<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 103<br />

SonyBMG<br />

<strong>Intro</strong>-Logbucheintrag, Sternzeit August<br />

07: »Hey, wie geil fi ndet ihr eigentlich<br />

die neue Moneybrother-Single?«<br />

Die Antwort ist doch wohl klar, also fange<br />

ich headbangend an zu singen: »Another<br />

summer, it’s just another summer,<br />

another lover, it’s just another lover!« Ja,<br />

toppt das mal. Aber was ist denn hier los?<br />

Nur hängende Mundwinkel und allgemein<br />

abweisende Fressen. Ich solle vom<br />

Schreibtisch runtergehen und die Pa-<br />

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104 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Hard-Fi<br />

Once Upon A Time In The West<br />

Warner<br />

Wenn ich einen Verriss schreiben wollte, würde ich so starten:<br />

Der siebte Track auf Hard-Fis zweitem Album »Can’t Get<br />

Along« klingt wie eine Coverversion der furchtbar dummen<br />

Smash Mouth. Dann aber würde ich nicht weiter wissen und,<br />

um ehrlich zu sein: Ich habe ihnen diesen kleinen Ausrutscher<br />

längst verziehen. Weil sie mich davor schon nach Hause<br />

gebracht haben, weil allein die ersten drei Tracks mich<br />

dazu veranlasst haben, wildfremde Menschen zu küssen und<br />

zu merken, dass ich das Jubeln noch nicht verlernt habe. Das<br />

geht nämlich so: Selten hat mich das Zweitwerk einer hoff-<br />

piere aufheben, die ich vor Begeisterung<br />

runtergetreten habe. Und, nee, die neue<br />

Moneybrother fände man echt nicht so<br />

toll. Ey, mit wem arbeite ich denn hier<br />

beim <strong>Intro</strong>? Mit meinen Eltern? Wenn<br />

doch nur die beiden größten Moneybrother-Künderinnen<br />

noch auf Sendung<br />

wären. Namentlich Karl-Otto Roche und<br />

Sandra Kuttner. Die hätten mich verstanden.<br />

Die neue Moneybrother-Platte<br />

ist mehr Boogie und Rock’n’Roll als früher<br />

– und das, ohne dass man extra Elvis<br />

mögen muss. Und das kann ich getrost<br />

sagen, denn ich mag Elvis nicht. »Mount<br />

Pleasure« läuft gut und variantenreich<br />

durch, und die Single ist einfach der Hit<br />

des Jahres. Wer etwas anderes behauptet,<br />

lügt mal wieder oder ist bescheuert.<br />

Linus Volkmann<br />

The New<br />

Pornographers<br />

Challengers<br />

Matador / Beggars / Rough Trade<br />

&<br />

Immaculate Machines<br />

Fables<br />

Mint / Broken Silence<br />

Der überdurchschnittliche kanadische<br />

Musiker hat nicht eine Band, sondern<br />

mindestens zwei musikalische<br />

Projekte sowie Soloambitionen. Dass<br />

daher bezaubernd beharrliche Gruppen<br />

wie die seit 1997 musizierenden New<br />

Pornographers in der Vielzahl absonderlich<br />

guten Outputs unterzugehen<br />

scheinen, ist skandalös. Doch das vierte<br />

Album »Challengers« überrascht als Synergienbündel<br />

der Nebenprojekte der<br />

nungsvoll gestarteten Band so überzeugt. Die erste Single<br />

»Suburban Knights« tritt die Tür ein, und nach dem hymnischen<br />

Loblied »I Shall Overcome« oder dem Pop-Postulat »We<br />

Need Love« habe ich aus dem Fenster gerufen: »Ja! Genau!«<br />

Natürlich sind die The-Clash- und Dub-Referenzen auch auf<br />

»Once Upon A Time In The West« immer noch allgegenwärtig,<br />

aber eingebettet in dieses schillernde Pop-Universum sind es<br />

nur zwei von Millionen von Sternen. Konnte man das erwarten?<br />

Vielleicht. Aber dankbar bin ich trotzdem. Was für ein<br />

schönes Album! Peter Flore<br />

Bandmember. Die folkigen Balladen<br />

von Neko Case (»Challengers«), die von<br />

Dan Bejar im Sinne seiner Band Destroyer<br />

eingespielten rumpeligen Popperlen<br />

(»Myriad Harbours«) und den geliebten<br />

geistreichen Powerpop der Band<br />

gibt es nun alles auf einmal. Sicherlich<br />

das abwechslungsreichste, eingängigste<br />

und daher wohl auch beste New-Pornographers-Album<br />

bisher.<br />

Während die Mutterband endlich<br />

ihre Trümpfe ausspielt, bringt Keyboarderin<br />

Kathryn Calder mit der Side-Band<br />

Immaculate Machine »Fables« heraus.<br />

Mit bemerkenswertem Understatement<br />

werden da schon im ersten Track<br />

Alexander Kapranos und The Cribs als<br />

nur Backgroundsänger angeheuert,<br />

wobei die Gaststars in all dem wirbeli-<br />

gen Pop mit ihren Bah-Bah-Bahs genau<br />

das Richtige beisteuern. Die beatlastige<br />

Rhythmusgitarre, bei der die Bezeichnung<br />

noch Sinn macht, klopft davon<br />

und überlässt die Melodieführung ganz<br />

den Sängern, den Streichern (Owen Pallett<br />

[Final Fantasy, Arcade Fire]) und<br />

kleinen orgeligen Dingen, die immer<br />

»bing!« machen. Dabei entsteht ein Indiepop-Charme,<br />

den gerade die frühen<br />

New Pornographers gerne pfl egten. Erfrischend<br />

überdurchschnittlich.<br />

Anne Westphal<br />

Northern State<br />

Can I Keep This Pen?<br />

Ipecac / Soulfood<br />

<strong>Als</strong> Hesta Prynn, Spero und Sprout<br />

einst spaßeshalber auf einer Party beschlossen,<br />

eine Rap-Group zu gründen,<br />

ahnten sie nicht, dass sie auch noch<br />

sieben Jahre später als New Yorks favourite<br />

All-White-HipHop-Girl-Band<br />

jene Lücke ausfüllen sollten, die Luscious<br />

Jackson hinterlassen haben. Mit<br />

ihrem dritten Album haben sich Northern<br />

State von den Major-Fesseln von<br />

Columbia/Sony befreit und erweitern<br />

nunmehr das eher männlich-«sicke«<br />

Repertoire von Mike Pattons Label Ipecac,<br />

indem sie – unterstützt von Chuck<br />

Brody von Shitake Monkey und Beastie<br />

Boys’ Adam Horowitz – sehr lässig zwischen<br />

Oldschool-HipHop, Electro und<br />

College-geschulten Rockgitarren pendeln.<br />

B-Girl-Feminism, you go! Vina Yun


Pechsaftha<br />

Dick in Frisco<br />

Tumbleweed / Broken Silence<br />

Pechsaftha sind diese Clique aus grafzahl,<br />

Junge von EA80 und Martin Büsser,<br />

dem Adorno-sicheren Weinkönig<br />

der Filterlosen of Zap-Fame. Immer<br />

wieder treffen sie sich in einem Häuschen,<br />

ich glaube, es liegt im Grenzgebiet<br />

zu Holland, kann aber auch wo ganz anders<br />

sein. <strong>Als</strong>o, da treffen sie sich und<br />

machen Musik. Das Häuschen bzw.<br />

dessen Einrichtung sieht man in den<br />

Videos (drei davon gibt es hier als Bonus),<br />

und die entsetzlich leblose Kleinfamilien-Reihenhaus-Aura<br />

des Ortes<br />

konterkariert jede Vorstellung, hier<br />

handele es sich um ein hippieeskes Happening-Projekt.<br />

Nein, der Ort, an dem<br />

diese Musik entsteht, ist Selbstbestrafung<br />

und damit eine gute Basis für die<br />

paranoid düstere Grundstimmung der<br />

Songs. Und ich weiß nicht, ob es daran<br />

liegt, dass ich mich mittlerweile an den<br />

regional eingefärbten Sprechgesang<br />

von Martin gewöhnt habe, oder ob die<br />

Band sich tatsächlich so entwickelt hat,<br />

aber mir kommt »Dick in Frisco« weit<br />

besser vor als der Vorgänger. Sound und<br />

Musik besitzen eine hörbare DIY-Attitüde,<br />

es wird mit Rhythmik bis hin zur<br />

Kuhglocke experimentiert, aber die<br />

Songstrukturen sind dennoch nachvollziehbarer<br />

und die Stücke immer auf den<br />

Punkt. Textlich ist natürlich viel drin,<br />

wäre natürlich auch ein Skandal, wenn<br />

nicht. Aber man muss es Büsser und seinen<br />

Freunden hoch anrechnen, dass sie<br />

sich nicht in Formalismus, Verweigerung<br />

oder Abstraktion verschwenden.<br />

In »Für immer in Pop« wird erzählt von<br />

der Omnipräsenz des coolen Styles, der<br />

damit einhergehenden Ökonomie und<br />

– da wird es dann richtig ätzend – dem<br />

Faustschlag gegen all die kollaborierenden<br />

Jammerer, dass, wenn es anders<br />

wäre, »wärst du nicht dabei«. Genau.<br />

Und ätzend im Sinn von Säure natürlich<br />

und nicht im Sinn von schlecht. (Worauf<br />

bezieht sich das grammatikalisch?)<br />

Selbstkritik und überhaupt das Sichtbar-Machen,<br />

dass es in all dem schicken<br />

Konsens noch Kritik geben kann,<br />

das ist die große Leistung von Martins<br />

Texten. Da stört es auch nicht, wenn die<br />

Freundin beim Hören der Platte Folgendes<br />

zu Protokoll gibt: »Klingt wie das<br />

Wort zum Sonntag.« Denn selbst wenn<br />

– warum nicht? Sang nicht schon Tilman<br />

Rossmy auf einer sehr alten Platte:<br />

»Hab gehört, du bist jetzt so ’ne Art Prediger<br />

/ Find ich ganz normal«?<br />

Linus Volkmann<br />

Phlatline Club<br />

Movement<br />

Splash!<br />

The Mixtape 2007<br />

Phlatline / Groove Attack<br />

Große Ereignisse werfen ihre Schatten<br />

voraus und auch hintendran. Das<br />

HipHop-Festival Splash! beispielswei-<br />

se. »Splash! The Mixtape 2007«, die CD<br />

zum HipHop-Event, ist eine ungebrochene<br />

Ode an phatte Beats & slicke Reime,<br />

ist eins a Before- and Afterhour-Material<br />

für echte HipHop-Fans. Perfekter<br />

Block-Party-Soundtrack – egal, ob<br />

als Car-Speaker-Futter auf dem Anreiseweg<br />

oder als Ausklangkonserve, um<br />

langsam den Kopfnickerkrampf zu lösen.<br />

Absolute US-Rap-Stars wie Snoop<br />

Dogg, KanYe West, Redman, Swizz Beatz,<br />

Dr. Dre, Talib Kweli und The Roots<br />

werden gekonnt ineinandergefadet mit<br />

einheimischen Mikrofonhelden wie<br />

Kool Savas, Nico Suave, Prinz Pi, GBZ<br />

oder Olli Banyo. Ein pulsierendes Andenken<br />

an den HipHop-Sommer 2007,<br />

wenn ich schon mal so weit vorausargumentieren<br />

darf.<br />

Uwe Buschmann<br />

Planetakis<br />

Out Of The Club Into<br />

The Night<br />

Peng Musik / Cargo<br />

»Klingt wie Nena on Crack.« Was eine<br />

gewagte Selbstbeschreibung, die mit<br />

maximalem Nerv-Potenzial kokettiert.<br />

Und in diese Nähe reichen die Kölner<br />

Planetakis auf Albumlänge dann auch<br />

fast heran. In spärlicheren Dosen sind<br />

die zwölf Electro-Rock-Bastarde dagegen<br />

verträglicher, jedoch nie zwingend,<br />

zu oft streiten sich Mutter Dancefl<br />

oor und Vater Indie um das Sorgerecht.<br />

So etwas verstört die Kinder, das<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 105<br />

weiß man doch von ZDF-Reihen wie »37<br />

Grad«! Und dass ein ähnliches musikalisches<br />

Konzept bereits deutlich pointierter<br />

und mit zwingenderen Texten<br />

auf dem Spillsbury-Debüt »Raus« perfektioniert<br />

worden ist, lässt mir das Album<br />

leider mitunter reichlich entbehrlich<br />

erscheinen. Untergehen aber werden<br />

Jenny Fey und Robert Drakogiannakis<br />

(ehemals Angelika Express) dank<br />

My Space wohl kaum. Or can 15.000 Planetakis<br />

fans be wrong?<br />

Peter Wittkamp<br />

The Polyphonic Spree<br />

The Fragile Army<br />

Institute Recordings / Indigo<br />

Jetzt also Uniformen. Die wallenden<br />

weißen Gewänder, derentwegen man<br />

die mehr als 20-köpfi ge Band The Polyphonic<br />

Spree in den USA schon für<br />

eine Hippie-Sekte hielt, sind weg. Dafür<br />

tragen die Mitglieder nun schwarze<br />

Jacken und Hosen. Die Rocksymphoniker<br />

um Sänger/Songschreiber Tim<br />

DeLaughter marschieren jedoch zum<br />

Glück nicht Richtung rechts-martialisch;<br />

die im CD-Titel benannte »zerbrechliche<br />

Armee« trägt Friedens-Embleme<br />

wie ein Herz und ein rotes Kreuz<br />

an Hüfte und (linker) Brust. Der Outfi t-<br />

Wandel spiegelt zugleich den musikalischen<br />

Kurswechsel wider. Zwar dröhnt<br />

der Sound immer noch bombastisch<br />

prog-rockig, die Songs sind jedoch insgesamt<br />

nicht mehr so verspielt, labyrin-


Hop mit Buschmann + DJ Explizit<br />

Mr. J Medeiros »Of Gods And Girls«<br />

(Rawkus) – UB: Das US-Label Rawkus<br />

war ja mal für fünf Minuten der Mittelpunkt<br />

der HipHop-Welt. Doch seine<br />

Lyricist-Lounge ist schnell zum Club der toten Dichter<br />

mutiert. Diese Platte ist aber echt wieder gut, fi nde<br />

ich. DJ Explizit (Main Concept / 58beats): Das war<br />

noch die Zeit, in der man mit Bemusterungen überhäuft<br />

wurde, speziell mit Veröffentlichungen dieses<br />

Labels. Ich kann wirklich behaupten, fast die komplette<br />

Rawkus-Sammlung zu besitzen. Da waren auf jeden<br />

Fall ‘ne Menge gute Dinge dabei, wie z. B. Pharoahe<br />

Monchs erste Solo-Platte oder auch Big Ls Vermächtnis.<br />

Auch Eminem hat auf Rawkus ein paar seiner<br />

früheren Sachen rausgebracht. Alles immer sehr DJfreundlich<br />

mit Instrumentalplatten und so. Hat mir<br />

damals gut gefallen. Ich wusste gar nicht, das Rawkus<br />

überhaupt noch als Plattform für amerikanischen Indie-Rap<br />

existiert. Diese Platte ist auf jeden Fall im typischen<br />

Stil gehalten. Track Nr. 5 fi nd ich ganz fresh.<br />

Da macht auch Rez von den Procussions mit, deren<br />

zwei letzten Alben einige Perlen zu bieten hatten und<br />

sich von der Produktionsweise mit dieser Neuveröffentlichung<br />

durchaus vergleichen lassen.<br />

Diverse »Essential Dub« (Roir Cat / Cargo) – UB:<br />

Gibt es wirklich eine Verwandtschaft zwischen Reggae<br />

und HipHop? Und warum gibt es eigentlich keine<br />

Dub-Mixe von HipHop-Songs? DJ: Da Kool DJ Herc als<br />

Jamaikaner einer der HipHop-Pioniere ist, kann man<br />

sicherlich kulturell wie auch technisch (siehe DJ/Selekta-Team)<br />

eine Verwandtschaft nicht wegleugnen.<br />

Jetzt, wo du’s sagst, fällt mir auf, dass meistens eher<br />

versucht wurde, Rap über Reggae zu stülpen (z. B. Mad<br />

Lion produziert von KRS-One oder sog. HipHop-Remixe<br />

von Bounty Killer oder Red Fox), als andersherum.<br />

Mir fallen jetzt auf Anhieb nur die Dub-Mixe von<br />

Roots Manuva ein. Zur Compilation: Die gedubbte Version<br />

von »Witness Tha Fitness« gefällt mir sogar besser<br />

als das Original. Mein absoluter Liebling in Dub ist<br />

immer noch Mad Professor, gleich gefolgt von Umberto<br />

Echo aus München, der über Enja 19rec. sein Debüt<br />

»Dubtrain« veröffentlicht hat. Unbedingt reinhören,<br />

es lohnt sich!<br />

Psycho Les, Al Tariq & Problemz a.k.a. Big City<br />

»The City Never Sleeps« (Nature Sounds) – UB: Fast so<br />

etwas wie eine Supergroup. Dass die es einzeln nicht<br />

zum ganz großen Stardom gebracht haben, ist schon<br />

fast tragisch. DJ: Die Einzigen aus diesem Dunstkreis,<br />

die es ein wenig geschafft haben, rauszukommen, waren<br />

die Beatnuts als Rap-Crew oder Produzenten (vor<br />

allem Psycho Les). Al Tariq hatte sich bei den Nuts ja<br />

nur als Gast-MC die Ehre gegeben. Nach seinem Soloalbum,<br />

das ihn 1995 sogar bis nach München, auf unsere<br />

Livin’Large-HipHop-Jam, brachte, hab ich MCs<br />

wie Black Attack oder Problemz für mich entdeckt.<br />

Unter Missin’ Linx (produziert damals von DJ Honda)<br />

haben die Jungs, noch vor Dr. Dre, David Axelrods »The<br />

Edge« gesampelt. Unsere erste 58beats-Veröffentlichung<br />

war 1998 ein Collabo-Track mit Problemz, und<br />

ich kann mich erinnern, dass wir alle eine gute Zeit<br />

im Studio hatten. Nicer Typ, auf jeden. Ob diese neue<br />

Platte ihnen zu mehr Ruhm verhelfen wird, speziell in<br />

Deutschland, bleibt dahingestellt. Zu wünschen wäre<br />

es ihnen. Track Nr. 3 »Stickem Up« ist auf jeden Fall<br />

mein Favorit, nicht zuletzt wegen dem Host des Jahrtausends,<br />

Greg Nice, und die Tracks Nr. 6 und Nr. 8 gehen<br />

auch gut rein.<br />

Galactic »From The Corner To The Block« (Anti- /<br />

SPV) – UB: Diese HipHop-Fusion-Bands funktionieren<br />

ja ganz selten. Hier scheint es aber irgendwie aufzugehen.<br />

Die Gitarre ist wunderbar in den 70er-Jahren stekken<br />

geblieben. DJ: Schön funky und gute Raps dazu,<br />

bin ich immer für zu haben. Da ich selbst auch ein kleiner<br />

Hobby-Drummer bin, steh ich auf solche Drum-<br />

Patterns. Ohne Raps würde das Ganze aber auch ganz<br />

gut funktionieren. Das sollte so ‘ne Platte auch ausmachen<br />

– sprich, die Musik und Atmosphäre sollten<br />

im Vordergrund sein, und wenn die gefeaturten Rapper<br />

noch ihr Bestes dazugeben, um das Ganze dann<br />

gebührend zu garnieren, auch gut ...<br />

Echorausch »Kennst du des« (Piranha / SonyBMG)<br />

– UB: Die kommen aus München. Das ist also dein Terrain.<br />

Freund oder Feind – das ist hier wohl eine der Fragen?<br />

DJ: Defi nitiv Freund. Man ist sich früher ab und<br />

an gegenseitig auf die Füße gestiegen, das ließ sich<br />

damals nicht vermeiden. Rap ist ja bekannterweise<br />

Competition. Die Situation hat sich aber geändert. Ich<br />

hab mich persönlich mit den Jungs zusammengerauft<br />

und das Kriegsbeil begraben. Man sieht sich ab und<br />

an in meinem Resident-Club Erste Liga und trinkt gemeinsam<br />

– in aller Freundschaft. Die Jungs meinen,<br />

das hier sei ihr letztes Album, aber das glaube ich noch<br />

nicht ganz. Vielleicht ergibt sich ja mal das eine oder<br />

andere Feature. Time will tell ...


thisch angelegt, sondern stringenter, zugleich härter.<br />

Statt Polyphonie mehr Unisono. Das tut dem Ganzen<br />

keinen Abbruch. Doch beim nächsten Mal bitte wieder<br />

mehr Debussy als Wagner.<br />

Frank Schuster<br />

Primal Scream<br />

Live From London<br />

DVD / Rough Trade<br />

Es gibt Bands, die implodieren unerwarteterweise.<br />

Und es gibt Bands, die implodieren unerwarteterweise<br />

nicht. Wie Primal Scream. 25 Jahre haben<br />

Bobby Gillespie und die anderen mittlerweile allen<br />

Ernstes auf dem Buckel. 25 Jahre »echter«, »dreckiger«,<br />

»wahrer« Rock’n’Roll. Was auch immer ihr für<br />

Assoziationen habt, sie stimmen und werden sicherlich<br />

noch locker getoppt von diesen Profi -Drogenfressern.<br />

Auf dieser DVD wird das Jubiläum entsprechend<br />

abgefeiert: ein sattes Best-of-Programm einer Show in<br />

London (»Jailbird«, »Accelerator«, »Rocks«, »Swastika<br />

Eyes« und pipapo). Die ganz großen Brüche im Sound,<br />

die sie ja seit Jahren auf ihren Platten pfl egen, werden<br />

in der Live-Situation allerdings nicht abgeliefert. Das<br />

klingt dann oft auch mal nach Boogie-Woogie-Südstaatenrock.<br />

Hat hier jemand die Black Crowes ins<br />

Spiel gebracht? Gemeinheit. Dankbarerweise illustrieren<br />

die zwölf Videos dann doch die unwahrscheinliche<br />

Flexibilität, die Primal Scream immer ausgezeichnet<br />

hat. Schmankerl: das für mich absolut unübersetzbare<br />

Herumalbern von Mani und Bobby im Backstagebereich.<br />

Dieser Akzent öffnet Poren.<br />

Heiko Behr<br />

Rhythm King And Her Friends<br />

The Front Of Luxury<br />

Kitty-Yo<br />

Wer ist denn bei <strong>Intro</strong> ausgeschieden, dass ich<br />

über RKAHF schreiben darf? Mir soll’s recht<br />

sein, handelt es sich bei dem Duo Linda und Pauline<br />

um einen der hiesigen wie konkurrenzfähigen<br />

Electronica’n’Gender-Acts. Kennt komischerweise<br />

immer noch nicht jeder, aber wer sich für feministisch<br />

geprägte Acts wie Erase Errata, Robots In Disguise<br />

oder auch Le Tigre interessiert, weiß natürlich<br />

so was von Bescheid. »The Front Of Luxury« ist für<br />

Kitty-Yo als Veröffentlichung dabei so wichtig, dass<br />

man davon Abstand nimmt, sie nur digital rauszuhauen.<br />

Inkonsequent, aber toll. Denn dem neuen Entwurf<br />

sollen keine Schranken, sondern offene Münder blühen.<br />

So unrockig muss man elektronischen Rock erst<br />

mal inszenieren. Pappige Beats, sexy aufgeladene<br />

Nicht-Härte – ohne dass Songs wie »No Picture Of The<br />

Hero« dann nicht doch knallen würden. Subtilität als<br />

Power, danke King Kong, äh, Rhythm King. Ein schönes<br />

Referenz-Erleben ist übrigens auch, dass man an<br />

die Pop Tarts denken kann. An die Stücke, bei denen<br />

die damals die Gitarren im Schrank ließen. So was wie<br />

»Kindheit Jugend Sex«. Alles auch hier drinnen. Nur<br />

eben nicht fröhlich dilettantisch, sondern checkermäßig<br />

und mit vollster Absicht. Wer sich da noch die<br />

Zeit mit Jungsbefi ndlichkeitsrock totschlägt, dem ist<br />

auch nicht mehr zu helfen.<br />

Linus Volkmann<br />

Rilo Kiley<br />

Under The Blacklight<br />

Warner<br />

Auf ihrem vierten Album haben die Kalifornier mittlerweile<br />

das letzte bisschen Saddle-Creek-Verschrobenheit<br />

aufgegeben. Rilo Kiley sind zu einem<br />

gefälligen, eingängigen und dabei gar nicht belanglosen<br />

Pop-Act geworden. Die meisten der neuen Songs<br />

stehen der Band und besonders Sängerin Jenny Lewis<br />

sogar sehr gut. Das subtilere und dabei buntere<br />

Soundgewand lässt deutlich mehr Platz für die außer-<br />

ordentlichen Texte der Ex-Schauspielerin. Das stilistische<br />

Spektrum wurde dabei neben den bekannten<br />

Rock-, Folk- und Country-Anleihen um Funk und Disco,<br />

z. B. in »Breakin’ Up«, erweitert. Außerdem steht<br />

Lewis mit ihrem Gesang noch präsenter im Mittelpunkt<br />

der Platte als zuvor schon. Manche Tracks lassen<br />

sogar die Vermutung zu, dass sie als eine Art rothaarige<br />

Madonna aufgebaut werden soll. »Under The<br />

Blacklight« zeigt wie schon das extravagante Video<br />

zur ersten Single »The Moneymaker« zumindest fürs<br />

Erste, dass sie dazu durchaus in der Lage ist.<br />

Christian Steinbrink<br />

Schneller Autos Organisation<br />

Noch mehr Hoffung für noch<br />

mehr Menschen<br />

Dian / Broken Silence<br />

Die aktuelle Turbostaat gefällt mir gut. Und – mit<br />

Verlaub – von Nagel von Muff Potter habe ich dieses<br />

Jahr einen Kuss auf den Mund bekommen – und<br />

deren »Steady Fremdkörper« ist doch auch ein Highlight.<br />

Halten Sie mich für zurechnungsfähig und diese<br />

beiden Aussagen für nachvollziehbar? Na, dann<br />

kann’s ja weitergehen. <strong>Als</strong>o so nach dem Motto »Leute,<br />

die folgende Platte gekauft bzw. Musiker gestalkt<br />

haben, haben auch Folgendes bestellt«. Nieder mit der<br />

regulären Kritik, hoch lebe die Relation. Oder ist das<br />

schon die Rückkehr der Mengenlehre – mit dem Claim<br />

»Schnittmengen fi nden«? Na, egal. Schneller Autos<br />

Organisation kommen jedenfalls aus Hamburg und<br />

haben vor Jahren schon mal ein schönes Vinyl-only-<br />

Album rausgebracht. Nun geht’s weiter. Sogar auf<br />

CD. Musikalisch fällt dabei erst mal auf, dass sich immer<br />

noch alles um Punk und Verzweifl ung dreht – allerdings<br />

haben sich die ästhetischen Ausdrucksmittel<br />

verschoben. Die Musik ist nicht mehr so Dackelblut-mäßig<br />

verzerrt, aber dafür wirken die Songs in<br />

dem entblätterten Modus viel dringlicher, viel aufreibender.<br />

Mir fällt der – ja, immer leicht blasphemische<br />

– Vergleich mit den frühen Blumfeld ein, gerade beim<br />

Opener »Ohne mich (aber auch ohne dich)«. Aber so<br />

unangemessen, wie es immer ist, so Mittelstandsmucker<br />

wie Schrottgrenze mit dem jungen Distelmeyer<br />

in Relation zu bringen, so gut passt es hier. <strong>Als</strong>o als ein<br />

Aspekt unter vielen. Ein anderer: Das Gefühl, dass die<br />

Musik so aufwühlend rüberkommt, obwohl sie eigentlich<br />

ja recht hermetisch und stehend ist, kennt man<br />

sonst so nur von The Sea And Cake. Und irgendwie<br />

Emo ist das alles auch. Toller Gestus, wenn wieder und<br />

wieder wiederholt wird »Armer Junge, armer Punk«<br />

– halb verächtlich, halb rührend. Man weiß nicht genau,<br />

woran man bei Band und den Texten ist, aber das<br />

macht die Spannung aus. Mal nachfragen:<br />

Was gleich bei der neuen Platte auffällt, ist, dass die<br />

Songs nicht mehr ganz so gitarrenpunkig umgesetzt<br />

sind, aber dennoch oder gerade deshalb viel drastischer<br />

klingen. Würdet ihr das auch so sehen, wie hat<br />

sich das ergeben? Wie immer hat es in den vergangenen<br />

Jahren Veränderungen gegeben. Wie bei allen, so<br />

auch bei uns. Die Aufnahmen dokumentieren diese<br />

Entwicklung, die von Geschmacksveränderungen,<br />

persönlichen und personellen Umbrüchen und neuen<br />

Erkenntnissen begleitet wurde; es handelt sich um<br />

Lieder, die in genau jenem Zeitraum entstanden sind.<br />

Dazu kommen Zufall, Tagesform und unbeabsichtigte<br />

Nebeneffekte. Natürlich ist nämlich nichts so geworden,<br />

wie man es sich vorher vorgestellt hat, und deshalb<br />

ist es in Wirklichkeit banal: Wir machen Musik,<br />

und wenn uns gemeinsam etwas gefällt, haben wir ein<br />

neues Lied.<br />

Textlich ist man mitunter angenehm ratlos. Spendet<br />

ihr Trost für den »armen Punk« und Co. oder doch<br />

eher ein wenig fatalistische Verächtlichkeit für ihn<br />

und sein Hamsterrad? Beides bzw. weder noch.<br />

Was für die Musik gilt, gilt zunächst einmal auch


für die Texte. Sie handeln – weiterhin<br />

– von Abschluss und Anfang, von Trennung<br />

und Zusammenschluss und von<br />

Stillstand und Bewegung, von Prozessen<br />

also, die je nach Geschmack und<br />

Sichtweise von Autor und Zuhörer sogenannte<br />

private oder sogenannte politische<br />

Dimensionen haben, traurig stimmen<br />

und gleichzeitig aber auch – der Titel<br />

der Platte ist ja nicht als bloßer Zufall<br />

zu verstehen – das Prinzip Hoffnung<br />

herbeizitieren. Das ist unser Resümee<br />

der letzten fünf Jahre. Kerngedanke:<br />

Die Dinge fl iegen durcheinander, die<br />

Begriffe verlieren ihre Bedeutung, die<br />

Lage ist unbeschreiblich, aber die Menschen<br />

hören deshalb ja noch lange nicht<br />

auf, Antworten zu suchen und zu fi nden.<br />

Punk, Pop, Demonstration, Liebesbeziehung:<br />

Die Ergebnisse sind falsch,<br />

die Wirklichkeit ist traurig und der Ton<br />

schroff. Und das Schöne ist: Wir sind<br />

selbst davon betroffen. Das hilft, nach<br />

noch besseren Antworten zu suchen ...<br />

Eure erste Platte stammt noch aus<br />

2003 – seht ihr Schneller Autos Organisation<br />

eher als Hobbyband, oder versucht<br />

ihr euch jetzt auch als Band zu<br />

professionalisieren?<br />

Nein.<br />

Aber das war quasi eine Entweder-<br />

Oder-Frage und die Antwort soll »Nein«<br />

sein?<br />

Wir haben die Frage verstanden und<br />

die Antwort so gemeint. Es ist eine gute<br />

Frage und eine gute Antwort.<br />

Linus Volkmann<br />

Setsubun Bean Unit<br />

Setsubun Bean Unit<br />

Accidental / Pias / Rough Trade<br />

Bohnen gegen das Böse: Die kulturellen<br />

Gebräuche des fernen Ostens machen<br />

es allen westlichen Weltverbesserern<br />

scheinbar wieder mal extra<br />

einfach. Setsubun bezeichnet im Japanischen<br />

den Wechsel der Jahreszeiten<br />

und wird speziell Anfang Februar<br />

als großes Winteraustreibungsfest begangen.<br />

Bei dem Ritual spielen Sojabohnen,<br />

die alle Schlechtheit des vorangegangenen<br />

Jahres vergessen machen<br />

und generell böse Geister austreiben<br />

sollen, eine maßgebliche Rolle. Wenn<br />

nun eine Bande, bestehend aus drei Mitgliedern<br />

der englischen Weltmusikverwurster<br />

Bellowhead mit vier Musiker-<br />

Innen sowie zwei traditionellen TänzerInnen<br />

aus Japan, Setsubun zu ihrem<br />

musikalischen Programm erhebt,<br />

kann man sich in etwa vorstellen, was<br />

zu erwarten ist. Und so plumpst in den<br />

Shinto-Schreinen plötzlich der Folklore-Humor<br />

in die Echokammer des Dub:<br />

Verhallte Offbeat-Gitarrenlicks, quäkende<br />

Bläser und Jazz-Jams tanzen gemeinsam<br />

zum konstanten Schlagzeugzischen<br />

und Elektronikbrummen. Das<br />

ist schön lo-fi , unernst und nicht gerade<br />

besonders avanciert. Aber der Truppe<br />

scheint es sowieso hauptsächlich um<br />

den Spaß am gemeinsamen Rumdaddeln<br />

zu gehen. Warum also nicht schon<br />

mal zu Herbstbeginn präventiv die Wintergeister<br />

verschrecken? Das Dschin-<br />

derassabum der Setsubun Bean Unit ist<br />

dafür bestimmt geeignet.<br />

Arno Raffeiner<br />

Shantel<br />

Disko Partizani!<br />

Essay Recordings / Indigo<br />

Der selbstbezogene Popmusikdiskurs<br />

hat immer noch Berührungsängste<br />

mit einer klischeebehafteten »Weltmusik«.<br />

Vielleicht ändert sich das mit<br />

DJ Shantel, der den Spagat zwischen<br />

den divergierenden Gruppen von Rezipienten<br />

meistert, während dies den Gipsy-Brassbands<br />

wie der Fanfare Ciocãrlia<br />

oder den Taraf De Haïdouks weniger<br />

gelingt. Vor zehn Jahren ist Shantel<br />

in die Heimat seiner Familie nach<br />

Bucovina gereist, wo er für sich die Musik<br />

der Gipsys entdeckt hat, die Fanfaren<br />

und Brassbands, die jedes Konzert<br />

in ein trink- und tanzfreudiges Fest verwandeln.<br />

Shantel beginnt, ihre Musik<br />

in Clubs aufzulegen und mit elektronischen<br />

Beats zu unterfüttern. Der Bucovina<br />

Club ist geboren, der ihm sogar einen<br />

Worldmusic-Award der BBC einbringt.<br />

Shantels aktuelles Album besteht<br />

trotz des clubverdächtigen Titels<br />

»Disko Partizani!« aus Eigenkompositionen,<br />

die von Musikern eingespielt<br />

wurden. Grandiose Virtuosen verschiedenster<br />

Kulturen konnte Shantel für<br />

dieses Projekt gewinnen, das ihn zum<br />

Manu Chao des Balkan-Pop kürt.<br />

Matthias Schneider<br />

Shiny Toy Guns<br />

We Are Pilots<br />

Mercury / Universal<br />

Eine Band, zwei Geschichten aus Pop.<br />

Oder besser: die gleiche Geschichte aus<br />

zwei unterschiedlichen Blickwinkeln<br />

erzählt. Version #1: Shiny Toy Guns aus<br />

L.A. sind eine Band auf dem Weg in den<br />

»Pop-Olymp«. Sie machen alles richtig<br />

und haben auch noch das nötige Glück<br />

gepachtet: Zunächst in kleinem Rahmen<br />

vertrieben, machte das Debüt, das<br />

Anfang 2005 erschien, gepowert durch<br />

MySpace, Fans und A&Rs großer Firmen,<br />

seinen Weg durch die Hierarchien<br />

der Industrie und Medien. Bis es hier<br />

und jetzt auch in Europa und auf einem<br />

Major-Label gelandet ist. Spitze, wie im<br />

Märchen. Oder? Version #2: Shiny Toy<br />

Guns sind eine Band auf dem Weg ins<br />

Verderben – die Hybris lässt grüßen.<br />

Grund: »We Are Pilots«, also das Europa-Release,<br />

stellt die vierte (!) Neuaufnahme<br />

des Debütalbums dar, das doch<br />

eigentlich schon vor zweieinhalb Jahren<br />

veröffentlicht wurde. Zweieinhalb<br />

Jahre Wiederkäuen des eigenen Ichs,<br />

Ansprüche neu justieren, Chancen abwägen,<br />

künstlerisch schon längst Abgeschlossenes<br />

neu und zwanghaft noch<br />

toller reproduzieren, bis es zu den Ohren<br />

rauskommt. Man muss kein Psychologe<br />

sein, um zu ahnen: Jeder Künstler<br />

mit nur geringem Faible für eigene<br />

Entwicklung oder Würde müsste durchdrehen<br />

bei solch einem schrecklichen<br />

Alltag. Und jeder, der diese Geschichte<br />

erfährt und mit genug Häme sowie dem


Fetisch für Originäres ausgestattet ist,<br />

würde sich freuen, wenn hier jetzt auch<br />

noch stünde, all die Mühe sei so was von<br />

für die Katz gewesen.<br />

Denen sage ich: Auch die vierte Version<br />

von »We Are Pilots« ist in all ihren<br />

redundanten Reminiszenzen an Synthie-Pop,<br />

80er- und Chartspop ganz<br />

hervorragend. Auf ästhetischer Ebene<br />

nahe bei The Sounds, in phänomenologischer<br />

Hinsicht wiederum ziemlich<br />

genau dort, wo The Killers jüngst<br />

aufhörten. Denn das Zitat bleibt auch<br />

hier weitestgehend als Zitat verortbar<br />

– wird aber in einem so redundanten<br />

Auftreten zum Amalgam eigenständiger<br />

Kunst. Pop sowieso und tanzbarer<br />

noch dazu. Eine Art gesampeltes Songwriting,<br />

das zu Hits, Hits, Hits führt. Deren<br />

Oktavbässe und tausendfach gehörter<br />

Pathos unterdrücken die potenzielle<br />

Wut über so ein Vorgehen mit der Zeit<br />

komplett. Eben genau, weil manche der<br />

Songs der Kritik so schutzlos gegenüberzustehen<br />

scheinen wie ein vertrocknetes<br />

Maisfeld einem berstenden Staudamm<br />

– bei genauerer Betrachtung<br />

aber über jeden Zweifel erhaben sind.<br />

»You Are The One«, »Don’t Cry Out« und<br />

»Waiting« heißen nur drei Beweise dieses<br />

Geniestreichs.<br />

Felix Scharlau<br />

Slur<br />

Boo<br />

Pinback<br />

Autumn Of The Seraphs<br />

Touch And Go / Soulfood<br />

Wer Pinback immer schon mochte, hatte schon länger diesen<br />

Eindruck – schöne Musik macht sich bei dieser Band<br />

scheinbar wie von selbst. Ein anderes Projekt verfolgen Zach<br />

Smith und Rob Crow dagegen viel bewusster: die Zerstörung<br />

des eigenen Mythos’. Nicht nur hat Crow unlängst ein Soloalbum<br />

veröffentlicht, und das mit den Zuschreibungen des<br />

süßen sensitiven Indie-Boys aufräumt, nein, auch das vierte<br />

Album seiner Hauptband vermittelt einen ersten optischen<br />

Eindruck von martialischer Metal-Symbolkraft und Fantasy-<br />

Nerdism. So viel dazu, dass Pinback dünne und bartlose Seitenscheitel<br />

in T-Shirts seien – kann man ja so auch nicht stehen<br />

lassen. Musikalisch fällt dieses Statement dann aber erwartbar<br />

nicht ganz so eindeutig aus: Sicher haben Pinback<br />

an ihrer Variabilität und Dynamik, gerade im Schlagzeug-<br />

Part, gefeilt, trotzdem sind die elf Songs auf »Autumn ...« wieder<br />

das Schönste, Leichteste und Erhabenste, was Indierock<br />

zu bieten in der Lage ist. Leicht angeschlagene Gitarrenakkorde<br />

verdichten sich in jedem Song zu unerhört subtilen<br />

Noisedeluxe / Broken Silence<br />

Zu den unerfreulichen Nebenerscheinungen<br />

der Globalisierung gehört<br />

auch, dass inzwischen aus allen<br />

erdenklichen Ländern Pop-Mittelmaß<br />

auf den Markt drängt, das – ohne<br />

Schwellenland-Bonus – nur ein Gähnen<br />

hervorrufen würde. Kein Mensch<br />

braucht Ramones-Klone aus China oder<br />

Grunge-Bands aus Malaysia. Gruppen<br />

wie die chinesischen Joyside, die hierzulande<br />

mit großem Hype eingeführt<br />

werden sollten, sich aber beim Publikum<br />

nicht wirklich durchsetzen konnten,<br />

mögen im eigenen Land durchaus<br />

Sinn und Laune machen – trotzdem darf<br />

an dieser Stelle mal die Arroganz des<br />

Westens ins Spiel gebracht werden: Die<br />

Unbedarftheit, mit der solche Bands Kapitalismus<br />

und Pop aufsaugen und in<br />

eins setzen, wirkt in unseren alten Pop-<br />

Ländern eher befremdlich als belebend.<br />

Umso erfreulicher, dass Slur aus Thailand<br />

ganz und gar nicht epigonal klingen,<br />

sondern britischen Indie-Pop mit<br />

einer Spur Ska auf eine ähnliche Weise<br />

verformt und zu ihrem eigenen Ding<br />

ummodelliert haben wie die Aeronauten.<br />

Auch das ist eine der bizarren Folgen<br />

der Globalisierung – beim Hören<br />

einer thailändischen Band ständig an<br />

eine Band aus der Schweiz denken zu<br />

müssen. »Boo« hört sich an wie der beschleunigte,<br />

beschwingte Nachhall auf<br />

The Smiths, sehr britisch, sehr poppig,<br />

sehr distinguiert. Gesungen wird in<br />

Englisch, mit hörbarem Thai-Akzent,<br />

der das Ganze allerdings eher liebenswert<br />

als bescheuert macht. Hier wird<br />

deutlich, dass es einen hörbaren Unterschied<br />

zwischen bloßer Nachahmung<br />

und Aneignung gibt.<br />

Martin Büsser<br />

Sportfreunde Stiller<br />

La Bum<br />

Universal<br />

Die Sportfreunde Stiller müssen mit<br />

ihrem ersten regulären Album nach<br />

ihrem Ausfl ug zum Mond, dem WM-<br />

Ding, wieder Indiedisco-Bodenkontakt<br />

aufnehmen. Das wird schwer genug.<br />

Auch für die Kritiker. Die wissen<br />

nämlich, nachdem Sportfl o und Kollegen<br />

mit Schweini auf der Fanmeile vor<br />

Millionen moshten, auch nicht mehr,<br />

wo ihnen der Kopf steht. »You Have To<br />

Win Zweikampf«, jenes WM-Album,<br />

war mit Verlaub ein arges Verbrechen<br />

an Style, Understatement und Coolness.<br />

Indie-Fangesänge aus Schüttelreimen<br />

und im Fun-Punk-Modus. Und<br />

dennoch – wer wüsste es nicht? – wurde<br />

diese Platte zum Durchbruch der<br />

Band in Proll-Galaxien, die noch kein<br />

dramatischen Bögen, um im Refrain dann orgiastisch auszubrechen,<br />

ohne auch nur einmal unhörbar laut oder mörderisch<br />

schnell werden zu müssen. Gerade am Anfang wirkt<br />

das Album ungewohnt rockig und rasant, tatsächlich ist es<br />

aber genauso wenig verzerrt wie immer, die neue Wahrnehmung<br />

ist eigentlich nur durch detailversesseneres und noch<br />

mal verbessertes Songwriting zu erklären. Spätestens ab<br />

»Good To Sea«, dem dritten Song, singen Zach und Rob dazu<br />

wieder mit hellen Stimmen hohe und behände hüpfende Achtelnoten,<br />

jedoch darum bemüht, davon nicht die Atmosphäre<br />

des ganzen Songs festlegen zu lassen. So schön, dass man<br />

noch mal erwähnen muss: Hier, in ihrem Segment, sind Pinback<br />

das Beste, was es gibt. Und man schämt sich noch nicht<br />

einmal wirklich, wenn man sich daran erinnert, im euphorischen<br />

Überschwang mal das tumbe Superlativ von der »besten<br />

Band der Welt« gebraucht zu haben. Denn irgendwie<br />

passt das hier schon.<br />

Christian Steinbrink<br />

Immergut-Besucher zuvor je betreten<br />

hatte. Was soll man den sympathischen<br />

Jungs also wünschen? Dass ihre Platten<br />

noch bauernmäßiger werden? Denn das<br />

scheint ein wahrer Erfolgsgarant. Oder<br />

soll man wünschen, dass sie sich von<br />

dem Scum abgrenzen und dementsprechend<br />

ein spezielleres Werk verfassen?<br />

Keine Ahnung, zum Glück gibt »La<br />

Bum« selbst die Antwort: Die Sportfreunde<br />

rocken dort null verkrampft<br />

ihren Stiefel durch. Mit der gewohnt<br />

spitzbübischen Unbedarftheit, die sie<br />

zu unbedrohlichen Indie-Bubblegum-<br />

Helden macht, die sie sind und bleiben<br />

werden. Musikalisch hat man sich sogar<br />

was einfallen lassen: Der Electro-<br />

Pop von dem Brugger-Brüder-Spaß-Projekt<br />

TipTop fi ndet als Versatz seinen<br />

Weg in die Hauptband, und auch »englische«<br />

Gitarren und Intonationen akuter<br />

Insel-Bands wurden eingeschleppt<br />

und für den eigenen Stil urbar gemacht.<br />

Ziemlich amtlich. Einzig die Texte fungieren,<br />

wenn man nicht bereit ist, dauernd<br />

über Stilblüten, Hakeliges oder<br />

Ungeiles hinwegzuhören, als Stolperstein.<br />

Quatsch-Lyrics wie die der ersten<br />

Single, die so was bringen wie »Alles Roger!<br />

Nee, wer ist denn dieser Roger?«,<br />

muss man abkönnen, muss man vielleicht<br />

sogar lustig fi nden. Mir fällt das<br />

mehr als schwer. Aber aufgrund der immensen<br />

Aufmerksamkeit, die den Sporties<br />

mit diesem Album wieder zuteilwerden<br />

wird, dürften sich genug fi nden,<br />

die tatsächlich darüber lachen können.<br />

Dann passt’s doch.<br />

Sandra Brosi<br />

Swayzak<br />

Some Other Country<br />

!K7 / Rough Trade<br />

Swayzaks fünftes Album beginnt<br />

gleich mit einer Hymne: Eine sich mit<br />

weitem Hall ausbreitende Piano-Melodie,<br />

eine Vocal-Catchphrase, die sich<br />

direkt ins Hirn gräbt, dann donnernde<br />

Drums und eine 4/4-Bassdrum, die<br />

man mehr spürt als hört – daraus ha-<br />

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<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 109<br />

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Das 1. internationale Festival<br />

für Musikfilme in Hamburg<br />

23.08.–26.08.2007<br />

Programm und mehr Infos:<br />

www.unerhoert-filmfest.de<br />

Das sind alles wir mit Steinbrink<br />

V<br />

ic Chesnutt »North Star Deserter« (Constellation<br />

/ Southern / Al!ve) – Oh, schon<br />

lange kein Vic-Chesnutt-Album mehr gehört.<br />

Fast vergessen, wie schön das ist.<br />

Wie gut, dass er mit Constellation endlich wieder eine<br />

angemessene, wenn auch stilistisch nicht so richtig<br />

passende Heimstatt gefunden hat. Vielleicht können<br />

die seine surrende Stimme und diese stumpf klingende<br />

Akustikgitarre mal wieder etwas mehr ins öffentliche<br />

Interesse hieven.<br />

Shels »Sea Of The Dying Dhow« (Undergroove / Indigo)<br />

– Wobei dieser Sigur-Rós/Isis-Verschnitt hier<br />

noch viel besser zu Constellation passen würde, aber<br />

auf Undergroove erscheint. Klingt natürlich hymnisch<br />

wie erwartet, wirkt aber trotz beinharter Gitarrennoisewälle<br />

hin und wieder eine Spur zu aufgeräumt.<br />

Moonbabies »At The Ballroom« (V2 / Rough Trade)<br />

– Das ist dagegen doch wieder viel nachvollziehbarer<br />

Pop. Und so süß zwischen Klee und Saint Etienne zu<br />

verorten, dass er eigentlich nur aus Schweden kommen<br />

kann. Songs, so orchestral und romantisch, dass<br />

sie an Divine Comedy erinnern, ohne Plattitüden, dafür<br />

mit Stil und trotzdem einem Stückchen folkig-bravem<br />

Erscheinungsbild.<br />

Uphill Racer »You Will Understand« (Normoton<br />

/ Al!ve) – Komisch, dass man von Oliver Lichtl bisher<br />

kaum etwas gehört hat. Denn die Musik, die der Multiinstrumentalist<br />

aus München macht, ist gerade im<br />

nationalen Vergleich ziemlich einzigartig. Sowohl die<br />

schon sehr außergewöhnlich instrumentierten Indietronic-Popsongs,<br />

die noch einen leichten Bedroom-<br />

Recording-Charakter haben und mit einer an Thom<br />

Yorke erinnernden Stimme besungen sind, als auch<br />

die noch breiter und äußerst kreativ arrangierten Ambient-Soundscapes.<br />

Eine echte Entdeckung, besonders<br />

für Leute, die auf stringente Arrangements gerne<br />

zugunsten von ausschweifendem Schönklang und Experimentierfreude<br />

verzichten.<br />

Sixtoo »Jackals And Vipers In The Envy Of Man«<br />

(Ninja Tune / Rough Trade) – Ein Stückchen weit hat<br />

Sixtoo die raue Undurchdringlichkeit vom Vorgänger<br />

»Chewing On Glass ...« für sein neues Album zurückgeschraubt.<br />

Aber nur ein Stückchen, denn Konzeption ist<br />

dem Kanadier immer noch lieb. Die einzelnen Tracks<br />

sind durchnummeriert und sollen als Ganzes gehört<br />

werden. Trotzdem ist »Jackals ...« keine lustige Rare-<br />

Groove-Kiste. Die Beats grollen metallisch, die wenigen<br />

Soundelemente drum herum verschleiern die stoische<br />

Dynamik der Stücke dieses Mal kaum und blei-<br />

ben im Hintergrund, der HipHop-Bezug ist deutlicher<br />

denn je. Schönes strenges Album, wäre auch auf Anticon<br />

angesichts enttäuschender aktueller Veröffentlichungen<br />

sicher ein Schlüsselrelease geworden.<br />

The Dragons »BFI« (Ninja Tune / Rough Trade) – Eigentlich<br />

ist es für ein kleines Label wie Ninja Tune ja<br />

nicht ganz einfach, so viele Releases kurz nacheinander<br />

zu stemmen. Aber wenn DJ Food vor Ehrfurcht fast<br />

auf die Knie fällt, ist das für die Firmenverantwortlichen<br />

wohl ein deutliches Zeichen. Zumal hinter dem<br />

Album der Dragons ja so eine romantische Geschichte<br />

steckt: Vor 40 Jahren eingespielt, fanden drei Brüder<br />

aus Kalifornien für ihre Platte kein Label. Die Mastertapes<br />

versackten in der Vergessenheit. Bis Food neue<br />

Platten für seine überlebensgroße Sammlung sichtete<br />

und auf einen Track auf einem Surf-Sampler stieß. Er<br />

war hin und weg und kontaktierte die alt gewordenen<br />

Dragons. So kommt »BFI« beim britischen Label für<br />

abstrakte Elektronik zu verspäteten Weihen. Drauf ist<br />

erstaunlich aufgeräumter Psychedelik-Rock, der ernster<br />

als die Doors sein will und doch die Leichtigkeit<br />

der Beach Boys ausstrahlt. Könnte auch als entspannte<br />

Krautrock-Platte durchgehen. Auf jeden Fall schön,<br />

auch wenn die Platte nicht so revolutionär ist, dass<br />

man darüber spekulieren müsste, ob Rock bei zeitnaher<br />

Veröffentlichung von »BFI« eine gänzlich andere<br />

Entwicklung hätte nehmen können.<br />

Zeitkratzer feat. Lou Reed »Metal Machine Music«<br />

(Asphodel / Al!ve / VÖ 04.09.) – Man könnte jetzt<br />

ewig ausholen und über die polarisierende Wirkung<br />

des überlebensgroßen 1975er-«MMM«-Opus’ von<br />

Lou Reed abledern, die Anekdote von der sogenannten<br />

»MMM-Klausel« in Plattenverträgen seit dieser<br />

Zeit erzählen oder die Bedeutung des Zeitkratzer-Ensembles<br />

für die Bühnendarstellung von experimenteller<br />

und Noise-Musik würdigen. Das steht aber schon<br />

woanders. Deshalb hier nur kurz: Zeitkratzer brachten<br />

»MMM« auf die Bühne der Berliner Festspiele, und am<br />

Ende kam auch Reed selbst vorbei. Entstanden ist daraus<br />

eine CD+DVD, dickes schwarzes Digipack, markige<br />

metallene Typografi e, die Feedback-Kakofonie von<br />

einst hier neu und mit klassischem Instrumentarium.<br />

Fast schon martialisch, auf jeden Fall krasser Scheiß.<br />

Dabei darf natürlich nicht fehlen, Reed von Diederichsen<br />

d. Ä. zu dem ganzen Brimborium sehr launig und<br />

informativ live befragen zu lassen.<br />

Ween »The Friends EP« (Schnitzel / Rough Trade) –<br />

Nächstes Jahr steht auch mal wieder ein neues Ween-<br />

Album an, hier vorab eine EP nur mit nicht auf dem Album<br />

enthaltenen Tracks. »Friends« ist sommerlicher<br />

Eurodance und lässt vermuten, dass die Gebrüder ihren<br />

Humor mittlerweile vollends in Richtung »Bloodhound<br />

Gang« verschoben haben. Immer in anderen<br />

Zungen sprechen ist eine große Leistung.<br />

California Snow Story »Close To The Ocean« (Letterbox<br />

/ Al!ve) – Die Schotten Camera Obscura galten<br />

immer als Schwellenband: Man glaubte stets, der ganz<br />

große Durchbruch zum Indie-Olymp stünde kurz bevor.<br />

Aber sie blieben dann doch stets eine Stufe davor<br />

stecken. Jetzt werden die Karten aber noch mal gemischt.<br />

Denn David Skirving von der Camera orgelt<br />

jetzt solo los. Faszinierende Momente, richtig guter<br />

Pop, mehr als ein Geheimtipp.<br />

Los Kung-Fu Monkeys »Los Kung-Fu Monkeys«<br />

(Übersee / Al!ve) – Wenn Namen doch nur sprechen<br />

könnten. Ach so, das können sie ja. Dann muss man<br />

zu diesem Hybrid aus Ska, Folk und Punk aus Mexiko<br />

nicht mehr viel sagen. Der Bierstand im Moshpit.


en z. B. Underworld früher Klassiker wie »Born Slippy«<br />

gezaubert. Hier nun geben James Taylor und David<br />

Brown mit dem Track »Quiet Life« – mit Gastvocals<br />

der Berliner Produzentin Cassy – dem altbewährten<br />

Nebelmaschinen-Laser-Rave wieder einen guten Namen.<br />

Im weiteren Verlauf der Platte wird es aber doch<br />

minimal und dubbig, wie man es von Swayzak kennt.<br />

Gleichfalls zu seinem Recht kommt der Pop-Techno,<br />

besonders wegen der Gastauftritte von Richard Davis<br />

(»No Sad Goodbyes«) oder der Italiener Les Fauves.<br />

Aber auch die deutlich härteren, hypnotischen Instrumental-Tracks<br />

wie »By The Rub Of Love« machen<br />

nicht nur auf dem Dancefl oor, sondern ebenfalls beim<br />

Chillen bei 36 Grad im Schatten eine gute Figur. Sollte<br />

man mal nachfragen.<br />

Was macht euch beim Aufnehmen eines neuen Albums<br />

am meisten Spaß?<br />

James: Das Mastering. Es ist toll zu hören, was der<br />

Engineer macht, wenn er den Sound aus dem Mix herausarbeitet<br />

und das ganze Album ausbalanciert! Eine<br />

Wissenschaft für sich ... Ach ja, und lange aufzubleiben,<br />

wegen des Stress’ ...<br />

Du warst ja in den letzten drei Jahren so was wie im<br />

Vaterschaftsurlaub. War es schwer, wieder ins Musikbusiness<br />

zurückzukehren?<br />

Ja, das fand ich schon anstrengend.<br />

Ihr sagt selbst, »Some Other Country« sei dunkler<br />

und schwerer als das vorherige Album. Was meint ihr<br />

damit genau, und was war der Grund?<br />

»Dunkel« meint in diesem Fall, die Stimmungen<br />

sind dunkler, der Sound ist härter als sonst. Wir hatten<br />

das Gefühl, wir müssten so auf diesen ganzen prätentiösen<br />

Minimal-Kram antworten ... Natürlich gibt<br />

es auch ein paar gute Minimal-Sachen. Und die können<br />

auch ganz schön dunkel und hart sein.<br />

Christoph Büscher<br />

Skuli Sverrisson<br />

Sería<br />

&<br />

Jóhann Jóhannsson<br />

Dís<br />

&<br />

Reykjavík!<br />

Glacial Landscapes, Religion,<br />

Opression & Alcohol<br />

Alle 12 Tónar / Cargo<br />

Reykjavík. Es mag wie ein Klischee klingen, diese<br />

Kolumne isländischer Musik mit dem Namen der<br />

Hauptstadt zu beginnen. Aber alle drei Alben drehen<br />

sich irgendwie um diese Stadt. Skuli Sverrisson<br />

hat dort den Großteil seines »Sería« eingespielt,<br />

Jóhann Jóhannsson bezeichnet »Dís« als »my Reykjavík<br />

Album«, und Reykjavík! – nun ja. Letztere sind<br />

auch sonst eher direkt. Wo Sverrisson und Jóhannsson<br />

ästhetischen und ätherischen Sounds nachspüren,<br />

schweinerocken Reykjavík! einfach geil. Doch der<br />

Reihe nach:<br />

»Sería« ist das zweite Album von Sverrisson, und<br />

mit Bass, Gitarren und Streichern malt er mal bedrohliche,<br />

mal schwerelose, aber immer erhabene Melodien<br />

in den Nachthimmel. Manchmal verirrt sich eine sanfte<br />

Stimme auf die Tracks. In »One Night Of Swords«<br />

sprechsingt dann sogar Laurie Anderson – und ist dabei<br />

ähnlich ergreifend wie ihre Liebe Lou Reed am Anfang<br />

des Antony-And-The-Johnsons-Stücks »Fistfull<br />

Of Love«. Die Musik von Jóhannsson ist ähnlich gelagert.<br />

Er setzt mehr auf Keyboards und Komposition,<br />

klingt jedoch auch eher kontemplativ – allerdings hier<br />

nicht so abgrundtief abgehoben wie auf seinem letztjährigen<br />

Werk »IBM 1401 – A Users Manual«. »Dís«<br />

stammt bereits aus dem Jahre 2004 und war damals<br />

für den Icelandic Music Award nominiert: eine oft an<br />

die 80er-Jahre erinnernde Reise durch die Straßen einer<br />

Stadt. Keine Ahnung, ob Jóhannsson bei seiner<br />

Reykjavík-Hommage auch an die isländische Band<br />

Reykjavík! gedacht hat, die so ganz anders klingt als<br />

die Herren mit ihren Plings und Sounds. Die fünf Jungs<br />

spielen, nun ja, einfach geilen Schweinerock und haben<br />

dabei auf ihrem Debüt einige Momente, die bleiben.<br />

Wenn zum Beispiel bei »7-9-13« nach etwas mehr<br />

als zwei Minuten die Gitarren plötzlich so excuse-mewhile-I-touch-the-sky-mäßig<br />

durchdrehen. Herrlich.<br />

»You Always Kill« klingt dann sehr emotional nach den<br />

späten At The Drive-In – und ist vielleicht sogar so etwas<br />

wie ein Liebeslied. Ach, darum dreht es sich ja eh<br />

in der Rockmusik und in der Musik überhaupt: viel zu<br />

früh und immer wieder: Liebeslieder.<br />

Tobias Mull<br />

The Tacticians<br />

Some Kind Of Urban Fulfi lment<br />

Setanta / Rough Trade<br />

Das Beste an den Tacticians aus London sind sicherlich<br />

und mit Abstand ihre Texte, die die ironisch gebrochene<br />

Antirockstar-Haltung Art Bruts nachahmen<br />

und im Zuge dessen u. a. von verfl ossenen Lieben erzählen,<br />

die jetzt im Pornobusiness unterwegs sind.<br />

Das ist zunächst kein besonders beeindruckendes<br />

Qualitätsmerkmal, aber besser wird es einfach nicht.<br />

Denn die Musik, die die Brüder spielen, ist willenloser,<br />

angerauter Britrock, der so von 1960 bis heute irgendwie<br />

immer hätte stattfi nden können. Weder die Melodien<br />

noch die Arrangements haben großen Widererkennungswert,<br />

und der Gesang ist sogar ziemlich<br />

schwach. Aber die Tacticians wollen offensichtlich<br />

auch nur leicht unterhalten und ein paar lustige Schoten<br />

erzählen, und wem das reicht, der kann sich das<br />

hier bedenkenlos holen. Aber gerade vom sonst so guten<br />

Setanta-Label hätte man eigentlich mehr erwartet.<br />

Christian Steinbrink<br />

Team Avantgarde<br />

Absolut<br />

Edit Entertainment / Groove Attack<br />

Die Berliner HipHop-Formation Team Avantgarde<br />

hat sich einges vorgenommen, z.B. den verrückten<br />

Kids eine echte Alternative anzubieten. Reime, die<br />

gekonnt den Alltag refl ektieren und jenseits aller üblichen<br />

Text-Klischees auch über Drogen und Sonnenbänke<br />

Tacheles reden. Die Beats bouncen dazu auf beachtlichem<br />

Level. Kurz: Mensch, so könnte HipHop<br />

doch auch sein – und nicht nur in dieser Ausnahme.<br />

Uwe Buschmann<br />

This Moment In Black History<br />

It Takes A Nation Of Assholes<br />

To Hold Us Back<br />

X-Mist / Broken Silence<br />

Willkommen im Schilderwald der Verweise. Der LP-<br />

Titel von Public Enemy entliehen, das Artwork von Velvet<br />

Underground. Doch statt einer Banane ziert eine<br />

Aids-Schleife das Cover (abziehbar wie einst beim VU-<br />

Original) – das von Josephine Baker eingeführte und<br />

im Laufe der Jahre immer wieder rassistisch konnotierte<br />

Symbol für Blackness, Exotismus und Hinterwäldlerei<br />

ist vom Symbol für eine Krankheit abgelöst<br />

worden, die halb Afrika dahinrafft. Kein Zweifel<br />

– TMIBH melden Handlungsbedarf an. Wir haben es<br />

nach Jahren wieder einmal mit einer politisch ernst<br />

zu nehmenden Hardcore-Band zu tun, deren Message<br />

sich nicht auf Anti-Bush-Slogans beschränkt. Das<br />

Quartett aus Cleveland, Ohio, dem auch zwei afroamerikanische<br />

Musiker angehören, vermittelt Dringlichkeit.<br />

Politisches hört sich hier weder nach Style noch<br />

nach Attitüde an. Das liegt nicht zuletzt daran, dass<br />

die Musik hier nicht zweitrangig als bloßes Sprachrohr<br />

der Botschaft fungiert. Die ehemaligen Musiker<br />

von Neon King Kong und Bassholes spielen tollen<br />

Post-Core, der vom ersten Ton an klarmacht, wo-<br />

KARSTEN JAHNKE KONZERTDIREKTION <strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ G<strong>MB</strong>H 111<br />

INTERPOL<br />

16.11. MÜNCHEN // TONHALLE<br />

17.11. BERLIN // COLU<strong>MB</strong>IAHALLE<br />

19.11. KÖLN // PALLADIUM<br />

24.11. HA<strong>MB</strong>URG // DOCKS<br />

MÚM<br />

25.11. HA<strong>MB</strong>URG //MANDARIN KASINO<br />

30.11. BERLIN // VOLKSBÜHNE<br />

01.12. KÖLN // GEBÄUDE 9<br />

02.12. FRANKFURT // BROTFABRIK<br />

Joanna JoannA Newsom<br />

11.09. HA<strong>MB</strong>URG // KAMPNAGEL - K2<br />

13.09. FRANKFURT // DREIKÖNIGSKIRCHE<br />

18.09. MÜNCHEN // MUFFATHALLE<br />

ARCHITECTURE<br />

IN HELSINKI<br />

19.09. BIELEFELD // FORUM<br />

22.09. MÜNCHEN // AMPERE<br />

30.09. DÜSSELDORF // ZAKK<br />

THE HIVES<br />

19.11. HA<strong>MB</strong>URG // DOCKS<br />

20.11. BERLIN // COLU<strong>MB</strong>IAHALLE<br />

28.11. KÖLN // PALLADIUM<br />

30.11. WIESBADEN // SCHLACHTHOF<br />

01.12. MÜNCHEN // ZENITH<br />

!!!<br />

25.10. HA<strong>MB</strong>URG // KNUST<br />

26.10. KÖLN // GEBÄUDE 9<br />

SONIC SEDUCER<br />

EDITORS<br />

02.11. HA<strong>MB</strong>URG // UEBEL & GEFÄHRLICH<br />

03.11. BERLIN // POSTBAHNHOF<br />

07.11. MÜNCHEN // ELSER-HALLE<br />

08.11. KÖLN // LIVE MUSIC HALL<br />

KARTEN AN ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN.<br />

Ticketservice: 018 05 - 62 62 80 (€ 0,14/Min.)<br />

040 - 413 22 60 (Mo-Fr, 10 -18 Uhr) · www.karsten-jahnke.de


112 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Supermayer<br />

Save The World<br />

Kompakt / VÖ 17.09.<br />

Man kann ihnen einfach nicht böse sein. Einem charmanten<br />

Doppel aus Michael Mayer und Superpitcher verzeiht<br />

man sogar einen ebenso allerweltsmäßigen wie doofen Projektnamen<br />

samt großkotzigem Albumtitel und entsprechender<br />

Superheldeninszenierung auf dem Cover-Artwork. Supermayer<br />

retten also die Welt. Klar, für Baby Ironie und Mister<br />

Größenwahn waren bei diesem Abenteuer von Anfang<br />

an zwei Hauptrollen vorgesehen. Das Gute daran: Mit ihrem<br />

selbstbewussten Auftreten haben unsere beiden Comic-Helden<br />

gar nicht so unrecht, denn tatsächlich versöhnen sie die<br />

zickige Popgeschichte mit dem dicken Tanzbeat. Die Songs<br />

und Discostampfer auf »Save The World« sind überraschend,<br />

quirlig und auf jeden Fall nicht das, was man von einem Kölschen<br />

Dreamteam of Schaffeltechno und Neo-Trance, das bis-<br />

her er kommt und wohin er will. Black<br />

Flag, Fugazi und The Bad Brains – die<br />

trotz ihrer Homophobie und religiösen<br />

Spinnerei eine Band waren, deren historische<br />

Bedeutung man anerkennen<br />

muss, wenn auch zähneknirschend –<br />

bilden hier die Blaupause für einen musikalisch<br />

sehr offenen HC-Ansatz, der<br />

von Steve Albini entsprechend schneidend<br />

produziert wurde. Das zappelt und<br />

lodert, pfeift auf Trends, vermittelt Wut<br />

und Aufbegehren und gibt allen, die<br />

musikalisch in den 1980ern sozialisiert<br />

wurden, das tröstliche Gefühl, dass die<br />

HC-Szene doch noch mehr als lebende<br />

Schatten ihrer selbst zu bieten hat.<br />

Martin Büsser<br />

Two Gallants<br />

Full Bleed<br />

Saddle Creek / Indigo<br />

Erst kürzlich, anlässlich der Veröffentlichung<br />

der EP »The Scenery Of<br />

Farewell«, konnte man den Eindruck<br />

gewinnen, dass Two Gallants mittlerweile<br />

Spaß daran gefunden haben,<br />

ihre Songs endlich mal behutsam<br />

und bedächtig zu arrangieren. Diesen<br />

Eindruck lässt das nun folgende<br />

volle Album wieder ein Stück weit<br />

verfl iegen. Die beiden Typen haben<br />

es einfach nicht übers Herz gebracht,<br />

ihren omnipräsenten Dylan-Bezug<br />

zurückzudrängen, und knödeln sich<br />

wieder voller Lust durch Hillbilly-<br />

Gitarren und Mundharmonika-Soli.<br />

Das ist zwar wie gewohnt gekonnt und<br />

auch stimmungsvoll über die pure<br />

Replik hinaus, aber eben doch ziemlich<br />

gewohnt. Am schönsten ist die Platte,<br />

wenn die Verstärker ausgestöpselt werden<br />

und etwas Ruhe und Melancholie<br />

einkehrt, wie z. B. in »Trembling Of The<br />

Rose«. Ansonsten regt besonders die<br />

haargenaue Nachahmung von Bobs<br />

Antigesang auf. Dieses Flirren in um<br />

Halbtöne schiefen Tonlagen muss man<br />

sowieso erlernen, das kann man doch<br />

auch gleich bleiben lassen. Klar war<br />

und ist: Was die Two Gallants machen,<br />

machen sie gut. Dieses Album lässt<br />

aber weiterhin die Vermutung zu, dass<br />

sie etwas anderes noch viel besser<br />

könnten. Was der wieder beruhigtere<br />

Schluss mit den Stücken »Fly Low Carrion<br />

Crow« und »My Baby’s Gone« auch<br />

äußerst hübsch beweist.<br />

Christian Steinbrink<br />

her fast nur remixend aufgetreten ist, erwartet hätte. Eine<br />

quäkende, verdammt nach Jim Avignon klingende Stimme<br />

macht auf dem ersten Stück die programmatische Ansage:<br />

»The Art Of Letting Go«. Und in der Folge wird mit jedem einzelnen<br />

Stück dieser Platte alles an Erwartungshaltungen losgelassen<br />

und der Anspruch, den Kompakt an sich selbst stellt<br />

und auch gerne nach außen kommuniziert, endlich mal eingelöst,<br />

nämlich, schlicht und einfach ein Poplabel zu sein.<br />

So vielfältig, zitierfreudig, catchy und glamourös wie Supermayer<br />

war Kompakt noch nie und Köln seit Forever Sweet<br />

nicht mehr. Und gerade in dieser Offenheit liegt die Qualität<br />

der Platte. Techno gerettet, Pop gerettet, Welt gerettet. Dann<br />

ist ja wohl alles supermayer! Mehr im nächsten Heft.<br />

Arno Raffeiner<br />

Patrick Watson<br />

Close To Paradise<br />

V2 / Universal<br />

Uhh, was ist denn das für eine irre<br />

Nummer? Eine Stimme irgendwo am<br />

Ende der Garage aufgenommen, höhenlastigeFolk’n’Banjo’n’Schüttel-Ei-Untermalung<br />

und zwischendurch noch<br />

Frauenchöre wie in einem Sixties-Popsong.<br />

Wer macht denn so was? Augenscheinlich<br />

Patrick Watson aus Montreal.<br />

Kanada ist das neue Skandinavien,<br />

möchte man mal wieder meinen.<br />

Zumindest in puncto relevanter Pop-<br />

Output. Soundmäßig macht er natürlich<br />

keine Zugeständnisse an schwedische<br />

Perfektionsliebe. Es geht eher<br />

um diese leicht hippieeske Detailfreude<br />

von Kommunen-Musizieren – wie<br />

bei Broken Social Scene. Nur dass Patrick<br />

dabei ziemlich verlassen klingt.<br />

Und durch den angezerrten Hall auf seiner<br />

Stimme verdichtet sich dieses Gefühl<br />

von aufgewühlter Vereinzelung<br />

nur noch. Das ist Musik von einem Bartträger<br />

– wenn man diesen Umstand tatsächlich<br />

hören kann, dann hier. Ach,<br />

und zuletzt steuerte er seine genauso<br />

zarte wie kräftige Stimme bei eini-<br />

PRINCE Band Support. Pepe Mula<br />

PRINCE hat für Musiker mit Leidenschaft<br />

ein großes Herz und deswegen<br />

den »PRINCE Band Support« ins Leben<br />

gerufen, um ambitionierten Bands unter<br />

die Arme zu greifen. Dieses Förderprogramm<br />

bietet den Rockstars in spe<br />

im <strong>Intro</strong> regelmäßig die Möglichkeit,<br />

sich der Welt vorzustellen. Um also<br />

auch mal Schlagzeilen zu machen, einfach<br />

eine Mail mit »Band Report« im<br />

Betreff an service@prince.de schicken<br />

und die Post abwarten.<br />

Die Gründungsgeschichte von Pepe<br />

Mula ist ganz klassisch: Sänger sucht<br />

per Anzeige Band, beim ersten Mal im<br />

Proberaum merkt man: Man gehört zu-<br />

sammen, hier geht einiges. Die fünf<br />

Jungs von Pepe Mula eint nicht nur eine<br />

große Leidenschaft für The Doors, auch<br />

an kontemporären Bands wie The Strokes<br />

oder The Vines haben die Musiker<br />

einen Narren gefressen. Man versteht<br />

sich blind, die Songs schreiben sich von<br />

selbst. Doch sind Pepe Mula mehr als<br />

nur ein billiger Abklatsch der Großen.<br />

Ihre Songs haben einen eigenen Drive<br />

und lassen sich nicht so leicht in eine<br />

Genre-Schublade stecken: Zwar nölt<br />

Sänger Daviel Alonso Garcia genauso<br />

schön gelangweilt wie Julian Casablancas,<br />

allerdings meint man andernorts –<br />

wie im Song »White Light« zum Beispiel<br />

– fast Brad Nowell, den legendären Sän-<br />

gen Songs des Cinematic Orchestra<br />

bei. Das ist eigentlich nur eine typische<br />

Rezi-Information, aber letztlich ja doch<br />

auch eine Empfehlung. Trotz der uferlosen<br />

und klangvollen Einsamkeit: Alles<br />

schön. Alles schön.<br />

Christian Kahrmann<br />

You Say Party!<br />

We Say Die!<br />

Lose All Time<br />

Pias / Rough Trade<br />

»The stars burn so bright, much better<br />

than neon lights« – der nächste ultimative<br />

Dancefl oor-Slogan? Vielleicht.<br />

Und der stammt nicht von The<br />

Gossip oder Hot Hot Heat, sondern von<br />

YSP!WSD! Dass die ehemalige Fahrrad-Gang<br />

aus Vancouver Gitarren-Musik<br />

für die Tanzfl äche macht, hat sie bereits<br />

mit ihrem Debüt »Hit The Floor«<br />

bewiesen. Auch auf dem Nachfolger<br />

schreit, spricht und singt sich Sängerin<br />

Becky Ninkovic enervierend durch die<br />

Songs, die im Ganzen etwas stringenter<br />

ausfallen, aber immer noch vor Feedback-Attacken<br />

und rollenden Bässen<br />

nur so strotzen. Pretty Girls Make Graves<br />

müssen da als Referenz genannt<br />

werden. YSP!WSD! ist nicht nur wegen<br />

der gleichen Bandkonstellation (zwei<br />

Frauen, drei Männer) mit dem Seattle-<br />

Fünfer vergleichbar, sondern auch, weil<br />

sie es ebenso verstehen, punkige Passagen<br />

neben melancholisch-melodiöse<br />

Parts zu setzen. So fl echten sie bei<br />

»Monster« und »Moon« bittersüße Bontempi-Orgeln<br />

absolut komplementär in<br />

das Noise-Gewitter. Mit »You’re Almost<br />

There« rauscht eine waschechte Piano-<br />

Ballade in das ansonsten laute Soundgefüge,<br />

die den Hörer mit ihrer Schwere<br />

schlimmer erwischt als damals die<br />

Titelmelodie von »Praxis Bülowbogen«<br />

im sorgenfreien Vorabendprogramm.<br />

Doch lange schwelgen ist nicht die Sache<br />

von YSP!WSD!. Die wollen nämlich<br />

eigentlich immer nur tanzen.<br />

Thomas Markus<br />

ger der So-Cal-Ska-Punk-Band Sublime,<br />

herauszuhören. Die Band nennt ihr Potpourri<br />

an Einfl üssen selbst gerne »Discopunk<br />

mit Guerilla-Pop-Kante« und<br />

hat damit vollkommen recht. Dank ihrer<br />

eigenwilligen Mischung aus Pop, Ska<br />

und Punk haben sich Pepe Mula in Leipzig<br />

schon längst einen Namen erspielt.<br />

Und inzwischen reicht ihr Ruf auch über<br />

die Heimatstadt hinaus: Kurz nach dem<br />

Release ihres Debütalbums »Wunderwaffe«<br />

teilten sich die Leipziger auf dem<br />

bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens<br />

letzten Sommer auf dem SonneMond-<br />

Sterne-Festival eine Bühne mit Acts wie<br />

Mia., den Scissor Sisters und Kraftwerk.<br />

Wie gesagt – da geht einiges.


Tanzen mit Venker, Tomsche & Frank Martiniq<br />

Boxer wird 50. Und die Compilation zum<br />

Fest, »Jubilee« (Boxer / Kompakt), mixt der<br />

Kölner DJ und Produzent Frank Martiniq<br />

– übrigens mit Vinyl und nicht am Rechner.<br />

(»Okay, okay, ein bisschen nachbearbeitet wurde,<br />

kostete so schon genug Nerven ...«) Anlass, ihn zum<br />

Frühstück einzuladen und dabei die aktuellen Platten<br />

durchzuhören.<br />

Mark August »Old Joy« (Connaisseur Recordings<br />

/ Intergroove) – V: Schluck den Bissen runter, wir wollen<br />

Kommentare hören. M: Bis zur Hälfte fand ich die<br />

ganz gut, dachte zuerst, das wär eine Platte von Gabriel<br />

Ananda, aber dazu klangen die Drums dann letztlich<br />

zu wenig nach ihm. Was mich an der zweiten Hälfte<br />

stört: Da kommt erst noch eine Hookline dazu, dann<br />

noch eine Fläche – tja, und dann ist es einfach zu matschig.<br />

T: Ich bin geplättet. Das nenn ich mal ‘ne klare<br />

Analyse. V: Kennst du Mark August? M: Nee, aber<br />

von Connaisseur gab es vor kurzem eine Compilation,<br />

die ich nicht so schlecht fand. V: Das klingt aber auch<br />

nicht begeistert. M: Na ja, ist halt wie oft bei Compilations:<br />

Ein, zwei Tracks sind gut, und das war es dann.<br />

V: Hm, zur b müssen wir wohl nicht mehr viel sagen.<br />

M: Gefällt mir aber besser als die a. Schöne Melodie. V:<br />

Ja, es klingt entspannt und gut, aber mehr ist da doch<br />

nicht abzuholen ...<br />

Raudive »Zeitgeist EP« (Pokerfl at / Word And<br />

Sound) – M: Ach so, das ist Oliver Ho. Der hat früher<br />

sehr harten Techno gemacht, so Adam-Beyer-Schiene.<br />

Wobei ich mir letzte Woche sogar einen Adam-Bey-<br />

er-Remix gekauft habe – das hätte ich nie für möglich<br />

gehalten. Muss man halt ein bisschen runterpitchen.<br />

V: Unspektakulär. So die typische Mischung: düster<br />

brabbelnde Stimme, Signalterror und Rumpelbeats.<br />

M: Find ich nicht gut. Auch absolute Klischeestrings.<br />

Und ja, das Piepen nervt. T: Auf der b sind Remixe von<br />

einem Stück namens »Needles«. V: Kennst du das Original?<br />

M: Nee. T: Remixt haben das Steve Bug und<br />

Head, hm, das ist wohl eher eine Genrezuordnung. V:<br />

<strong>Als</strong>o, wenn in den Bug-Mix nicht bald Dynamik reinkommt,<br />

dann ... M: Ich fi nd den ganz nett, um ein Set<br />

anzufangen.<br />

Mikael Jonasson »Twenty Se7en« (Audiomatique /<br />

Word And Sound) – M: Das fängt schon mal sehr sympathisch<br />

an. Der soll das jetzt bloß nicht ruinieren. Ich<br />

hab gerade eine Assoziation: Ich sehe einen Flummi<br />

durch die Wohnung hüpfen. V: Klickert mir ein bisschen<br />

zu sehr rum. M: Ja. Wo bleiben denn derzeit die<br />

schönen Basslinien? Ich habe oft den Eindruck, dass<br />

die Leute mehr und mehr Soundschnipsel hinzufügen,<br />

um ihre eigene Ideenlosigkeit zu überspielen.<br />

V: Die b2 hat ‘ne Basslinie – aber keine überzeugende.<br />

Hauptsache anbratzen. M: Ja, warum lässt denn<br />

gerade fast keiner die Basslinie mal gerade laufen?<br />

Ich wünschte, Leute wie Herbert würden mal wieder<br />

»back to the Roots« produzieren. Warm, funky und<br />

ohne Bigband bitte schön.<br />

Felix Da Housecat »Future Calls The Dawn« (Different<br />

/ Pias) – M: Das ist Felix Da Housecat? Das müsste<br />

doch bei jedem mittlerweile angekommen sein, dass<br />

man diesen Cher-Effekt auf der Stimme nicht mehr<br />

bringen kann. Demnächst im Duett mit Scooter. V:<br />

Ist halt so ‘ne typische Maxi, wo der Produzent einen<br />

Hit abliefern will. Ah, jetzt auch noch sein Break mit<br />

pseudo-mystischem Gerede. M: Das muss man professionell<br />

hören – aber auch dann ist es nicht gut. T:<br />

Jetzt die b. M: Das ist so unerwartet bescheuert nach<br />

der schlechten a, dass ich einen Pluspunkt verteilen<br />

möchte. V: Respekt, dass du dem was abgewinnen<br />

kannst. M: Ob ich ihm wohl meine alten Front-242-<br />

Platten verscherbeln kann? V: Der merkt nichts mehr,<br />

der nimmt alles. M: Wobei eher Sigue Sigue Sputnik.<br />

T: Da schließt der Trash an. V: Schrecklich, Mix aus<br />

Kinderzimmersynthesizer und Porn-Ästhetik.<br />

Miss Kittin & The Hacker »Hometown EP« (Good<br />

Life / Pias) – M: Ich will ja nicht jede Platte runterkommentieren.<br />

<strong>Als</strong>o deswegen mal anders ausgedrückt:<br />

Ich mochte Miss Kittin und den Hacker noch nie, aber<br />

für Fans sollte das was sein. Irgendjemand hat mal<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 113<br />

zu Miss Kittins Aufl egfähigkeiten »Doppelbasskönigin«<br />

gesagt. Ich war es nicht! V: Das ist aber gemein.<br />

Ich mochte immer, dass sie über die Tracks, auch über<br />

fremde, drübersingt – das hilft natürlich, die – in der<br />

Tat – nicht perfekten Skills zu verbergen. Aber mal ehrlich:<br />

Wer braucht schon Perfektionismus? – Doch nur<br />

Leute ohne Herz.<br />

Lawrence »Compulsion« (Dial / Kompakt) – V: So,<br />

jetzt wird es gut. Mein Mann Lawrence. Der hat noch<br />

nie gepatzt. M: Geile Basslinie. Erinnert mich spontan<br />

an Lil’ Louis. Wusste gar nicht, dass er auch so tanzbar<br />

produziert. V: Doch, doch, aber eben zugleich sehr<br />

stimmungsvoll und auch mit dem richtigen Maß an<br />

Experimentierfreudigkeit; allein schon, wie die Beats<br />

sich am Anfang einhüpfen. M: Toll, nach all den Lästereien<br />

kann ich endlich was abfeiern. T: Ich mach mal<br />

die beiden b-Tracks. Ah, wieder so eine tolle Melodie.<br />

M: Sehr, sehr schöne Platte. Würde ich mir schon allein<br />

wegen der a kaufen. V: Die b2 kontrastiert den klirrenden<br />

Oberbau mit dem dubbig-wummrigen Basssound.<br />

Hervorragend.<br />

Laps »Jolie EP« (Smallville / Kompakt) – M: Schöne<br />

Platte. Für mich eine bessere Pokerfl at. Ich mag die<br />

Sounds und den hypnotischen Touch. V: Kennst du<br />

den Plattenladen von denen? Der ist ganz toll. M: Ich<br />

habe es leider noch nie hingeschafft. Für mich ist der<br />

Julius, einer der Betreiber, der Marc Lansley von Hamburg.<br />

Feiert gerne, kennt alle – da macht es Sinn, einen<br />

Plattenladen mitzubetreiben, wenn man so ein Kommunikator<br />

ist. V: Ich mag das Artwork, das hat so eine<br />

Prägnanz, gerade dadurch, dass es sich ästhetisch zurücknimmt,<br />

auf wenige, sehr kindlich gezeichnete Linien<br />

und Formen beschränkt. M: Die hölzern-rhythmischen<br />

Sounds sind klasse.<br />

Thomas Anderson »Upwardly Mobile« (BPitch<br />

Control / Neuton) – V: Gibt das einem von euch was?<br />

M: Der hatte mal eine Gute auf BPitch, aber die? Nee.<br />

T: Ich fand das Scheppern im ersten Drittel ganz gut,<br />

aber sonst ... Ich mach mal die b. V: Besser als die a.<br />

Aber einfach nichts für mich. M: Ja, besser als die a.<br />

Aber trotzdem ausmachen. Danke. V: Und Feierabend.<br />

Bzw. jetzt darfst du zum Schluss noch die zwei aktuellen<br />

Maxis droppen, die auch zum Boxer-Geburtstag<br />

rauskommen und auf denen neben dir noch Matzak,<br />

Goldfi sh (remixt von Tadeo), Handycraft, Patrick Chadonney<br />

(»50.1«) und Duoteque, Martin Eyerer, Matzak<br />

(remixt von Tekel) und Delon (»50.2«) mit dabei sind.<br />

M: Oh, Danke, die heißen so: Diverse »50.1« und »50.2«<br />

(Boxer / Kompakt)


114 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Heimspiel 09.2007<br />

Ascona<br />

This Could Be Your Part<br />

To Sing!<br />

CD // Day-Glo / Pias<br />

Im Hause Ascona weiß man um die eigene<br />

Hymnenhaftigkeit. Sonst hätte<br />

man sich wohl kaum getraut, das Album<br />

»This Could Be Your Part To Sing!«<br />

zu nennen. Und tatsächlich gelingt den<br />

Reutlingern mit dem Opener »Hands<br />

And Feet« aus dem Stand der Sprung<br />

in ungeahnte Euphoriehöhen. Glasklare<br />

Gitarren, große Melodien, Singalong-Lyrics,<br />

ein Refrain wie ein Schulterklopfen<br />

– und genau im richtigen<br />

Moment der Tritt aufs Effektpedal, der<br />

schon auf der Coverfotografi e angedeutet<br />

wird. Das packt, ist zwar nicht originell,<br />

aber weckt angenehme Erinnerungen<br />

an die Readymades, Miles’ und Pales,<br />

die uns die heimische Musiklandschaft<br />

schon beschert hat. Ascona suchen<br />

sich die Referenzpunkte natürlich<br />

lieber im Ausland und nennen die Shins<br />

und die Strokes als Einfl üsse. Ersteres<br />

geht durchaus klar, Letzteres bleibt ein<br />

Rätsel. Statt aufgesetzter NYC-Coolness<br />

herrscht hier nämlich die große<br />

Gefühlsgeste, die nur ganz selten ins<br />

Pathetische kippt, wenn sich Sänger<br />

Ronald Russat ein wenig zu sehr ans<br />

Mikro wirft. Daran krankt beispielsweise<br />

das Titelstück. Aber das bleibt dann<br />

auch der einzige Schwachpunkt eines<br />

Albums, in dem viel Herzblut steckt und<br />

an dem hörbar lange gefeilt wurde.<br />

Daniel Koch<br />

Diverse<br />

Who Put The L In Leipzig<br />

CD // Palmo<br />

Irgendwas läuft in Leipzig anders.<br />

Nicht nur vor der Wende, sondern vor allem<br />

im Hier und Jetzt. Man denke an Ilses<br />

Erika, Conne Island, das PNG-Fanzine<br />

und unsere liebste Indiemesse, (Pop<br />

Up, um nur einige zu nennen. Und obwohl<br />

oder gerade weil allerorten nach<br />

Berlin gezogen oder zumindest ge-<br />

schielt wird, bleibt Leipzigs Subkultur<br />

so aufregend. Wie spannend Leipzigs<br />

Musikszene derzeit vor sich hin werkelt,<br />

zeigt die Compilation »Who Put<br />

The L In Leipzig«. Herrlich Verqueres<br />

steht neben New Wave neben Electrogeplucker<br />

neben klassischem Indiepop.<br />

Wenn es so etwas wie eine Leipziger<br />

Version von New Rave gibt, dann übernehmen<br />

das wohl acid.milch&honig<br />

und Mirz Brün mit merkwürdigen Texten<br />

und zackigen Beats. Gitarrenlastiger,<br />

aber nicht weniger tight kommen<br />

Woodruff And The Snibble Of Azimuth<br />

daher. Großartig auch die Beiträge<br />

von Leipzigs augenblicklicher Indiespeerspitze,<br />

den von ZickZack gesignten<br />

Brockdorff Klang Labor. Das geht<br />

textlich gerade so am Popkitsch vorbei,<br />

überrascht dann aber immer wieder<br />

mit eleganten Wendungen. So unterschiedlich<br />

die einzelnen Beiträge auf<br />

»Who Put The L In Leipzig« auch sind,<br />

von einer Leipziger Schule zu sprechen<br />

drängt sich nicht nur auf, sondern ist<br />

längst überfällig. Da geht das Kopfnicken<br />

in Richtung UK im Compilation-<br />

Titel also durchaus in Ordnung.<br />

Tine Franz<br />

Green Empathy<br />

Souvenirs<br />

CD // Peacelounge /<br />

www.peacelounge.com<br />

Daniel Voss mag exotische Klänge und<br />

fröhliche, eindeutige Harmonien, gerne<br />

etwas angekitscht. Er liebt die schönen<br />

Seiten des Lebens und irgendwie<br />

wohl die ganze Welt in all ihrer Verschiedenheit.<br />

Daher macht er als Green<br />

Empathy, bei einigen Stücken unterstützt<br />

von Bruder Roland Voss, so eine<br />

Art Elektronikweltmusik, die sich aber<br />

in den fernen Ländern meist in einem<br />

Gummischutzanzug versteckt, um ja<br />

keine bösen Infektionen mit nach Hause<br />

zu nehmen. Ausgerechnet an der im<br />

Projektnamen behaupteten Empathie<br />

als musikalischem Einfühlungsvermögen<br />

fehlt es da ein bisschen, denn<br />

die Weltmusikanmutung bleibt gerne<br />

im eurozentristischen Harmoniesumpf<br />

stecken, in den Klischee-Sounds<br />

und den zahlreichen Gesangslinien,<br />

die sich Voss von wer weiß woher ausgeliehen<br />

hat. So klingen die »Souvenirs«,<br />

die Voss von seinen geträumten<br />

Reisen mitgebracht hat, ein bisschen<br />

so, als würde rasch mal eben die<br />

Soundbibliothek namens »Ethnic«<br />

durchgehört. Sie lassen Biss und Identität<br />

vermissen. Das Album könnte als<br />

netter Versuch für das Projekt Völkerverständigung<br />

durchgehen oder eben<br />

auch als munter zusammengewürfeltes<br />

Lounge-Album, das, leise im Hintergrund<br />

gespielt, ein bisschen grüne<br />

Sehnsuchtstapete an die Wand malt.<br />

Arno Raffeiner<br />

Karamel<br />

Schafft Eisland<br />

CD // DevilDuck / Indigo<br />

Gänsehaut! Wenn Johann Scheerer<br />

manchmal in den Refrains eine Oktave<br />

nach oben wechselt und mit verzerrter,<br />

sich überschlagender Stimme all seine<br />

Verzweifl ung hinausschreit – das ist in<br />

seiner Emotionalität nicht wenig eindrucksvoll.<br />

Überhaupt hat man schon<br />

beim ersten Hören dieses Albums den<br />

Eindruck, dass hier jemand seine Stimme<br />

gefunden hat. Der näselnde Stimmcharakter<br />

erinnert zwar an Jens Friebe,<br />

die etwas gallige, schwermütige Attitüde<br />

und der Flow der deutschen Worte<br />

lassen auf eine geistige Nähe zu Clickclickdecker<br />

schließen. Und doch hat<br />

Scheerer, der zusammen mit seinem<br />

Partner Sebastian Nagel das Duo Karamel<br />

bildet, etwas unverwechselbar<br />

Eigenes. Beinahe könnte man ihn als<br />

deutschen Chansonnier bezeichnen:<br />

Oft reicht eine gezupfte Gitarre als Begleitung<br />

völlig aus, und die Melodiebögen<br />

haben etwas sehr Weiches. Die<br />

Produktion hingegen bringt schroffe<br />

Elemente ins Spiel – Störgeräusche,<br />

Übersteuerungen, Fiepsgitarren, rumpelige,<br />

verschleppte Schlagzeugrhythmen.<br />

Klarer Fall von 90er-Jahre-Depri-<br />

Schrammel-Rock-Sozialisierung: hängende<br />

Schultern, hängende Köpfe. Textlich<br />

wird ordentlich im Gefühlseintopf<br />

gerührt. Richtig eindeutig wir es zwar<br />

an keiner Stelle, trotzdem beschleicht<br />

einen bei jedem Song die fröstelnde Ahnung,<br />

dass es wohl um heikle Angelegenheiten<br />

gehen muss.<br />

Oliver Minck<br />

The Lazy<br />

Lazy In Red<br />

CD // www.thelazy.org<br />

Atemberaubend, wie gut das ist: wie clever,<br />

wie gewitzt, wie smart. Drei Münchener<br />

Bohemiens, die ihre Exzentrik<br />

offensichtlich gerade noch im Zaum<br />

halten können, machen eine Platte ohne<br />

stilistische Maßgabe und nennen sich<br />

The Lazy. Sie predigen die Ambitionslosigkeit<br />

als einzig wahren Ausweg, als<br />

Konklusion des Lebens sozusagen. Und<br />

das wirkt noch nicht einmal banal. Sie<br />

machen, wie im Info richtig geschrieben<br />

wird, »harmonische Popsongs und<br />

unharmonische Schrottsongs«. Und<br />

sowohl die einen wie die anderen sind<br />

durchaus gelungen. Es ist so erhebend<br />

wie ironisch, wenn sie mit hymnischen<br />

Singalongs wie »I’m So Happy Electricity<br />

Exists« um die Ecke kommen oder<br />

wenn sie ihr Wortspiel »Vom Tellerwäscher<br />

zum Militär« ausgiebig und stolz<br />

direkt im Song selbst erklären. The Lazy<br />

erinnern ab und zu an Rocket Freudenthal,<br />

sind aber deutlich schlüssiger. Und<br />

wer glaubt, dass Tocotronic mit ihrer Kapitulationsanalogie<br />

überzeugend wa-<br />

ren – eindeutig wären sie erst gewesen,<br />

wenn sie so wie The Lazy »Und wir pressen<br />

unsere Ärsche in Gips und alle machen<br />

mit« oder »It is ridiculous to wait<br />

for better pay« gesungen hätten.<br />

Christian Steinbrink<br />

Myoni<br />

Ohne Worte<br />

CD // www.oktobermusik.de<br />

Myoni meinen es verdammt ernst. Die<br />

Berliner Band um Namensgeber und<br />

Sänger Martin Myoni hat es nicht mit<br />

Ironie, Humor und szenigem Understatement.<br />

Noch nicht mal cool wollen<br />

die fünf sein. Da ist nichts mit Verstärker<br />

aufreißen und losschrammeln,<br />

nein, da werden im Vorfeld Konzepte<br />

ausgebrütet – von einem »Dreipunkteplan«<br />

ist gar im Info die Rede: Leidenschaft,<br />

Zurückhaltung, Ernsthaftigkeit.<br />

Das Ergebnis klingt dann auch<br />

ganz schön nach Konservatorium:<br />

Schreiben Myoni vielleicht erst einmal<br />

Partituren, bevor es ins Studio geht? Jeder<br />

Gitarrenton scheint auskomponiert<br />

– und wenn der Verzerrer doch einmal<br />

eingeschaltet wird, dann aber mit Bedacht.<br />

Martin Myoni singt in gewundenen,<br />

fantasievollen Melodien, mit einer<br />

Stimme, die in den Tiefen angenehm sonor<br />

klingt. In den Refrains schaltet er<br />

oft auf Kopfstimme um, durch die ständigen<br />

Harmonisierungen stellt sich ein<br />

Chorus-Effekt ein, der an die Münchner<br />

Freiheit erinnert. Die deutschen Texte<br />

von Myoni sind lyrisch, indirekt und<br />

kommen ohne offensichtliche Bedeutung<br />

daher. Mag auf den ersten Blick<br />

alles ein wenig unlocker wirken – vom<br />

allgegenwärtigen Selbstanfeuerungspop<br />

der deutschen Major-League ist das<br />

hier aber meilenweit entfernt. Da repräsentieren<br />

Myoni schon eher das Land<br />

der Dichter und Denker.<br />

Oliver Minck<br />

Rusty Spoon<br />

Mixtape Wreckers<br />

CD // www.rusty-spoon.de<br />

Schrammelgitarre trifft Breakbeat.<br />

Country-Akkorde poltern in die Disco.<br />

Turntablism sagt »Ja« zur Jazz-Geige.<br />

In den seligen 90er-Jahren hieß solcher<br />

und ähnlich gearteter musikalischer<br />

Zeitvertreib mal Big Beat und<br />

beherrschte partytechnisch gesehen<br />

die ganze Welt. Wenn zehn Jahre später<br />

wieder überall Neonfarben leuchten<br />

und lautstark die lustige Beliebigkeit<br />

eingefordert wird, kann man sich ja mal<br />

am Recyclen des alten Musikspaßes<br />

ausprobieren. Das haben sich zumindest<br />

Dominik »DJ Nick Narrow« Annies<br />

und Mat »ManicMat« Kovacic gedacht<br />

und einfach losgelegt. Beim ersten Hinhören<br />

klingt das, was die beiden mit ihrem<br />

Projekt Rusty Spoon da anrühren,<br />

nach einer etwas kruden Mischung.


Aber schließlich wollen sie sich auf diesem<br />

Album ja auch erklärtermaßen als<br />

»Mixtape Wreckers« gerieren. Und das<br />

machen sie dann eigentlich ganz ordentlich.<br />

Wie viele Musikgenres bei den<br />

Scratch- und Sample-Attacken der beiden<br />

kaputt gegangen sind, lässt sich<br />

nicht mehr so ganz genau ausmachen.<br />

Aber egal, die übrig gebliebenen und<br />

bunt durcheinandergewürfelten Splitter<br />

sind auch so für einige Kurzweil<br />

gut und haben mit ihrer Lo-Fi-Rock-<br />

Rap-Rumpeligkeit in einigen wenigen<br />

Glanzmomenten fast was vom Herrn<br />

Beck Hansen.<br />

Arno Raffeiner<br />

Son Of The Velvet Rat<br />

Loss & Love<br />

CD // Monkey / Broken Silence<br />

Es ist keine Sensation, dass »Loss &<br />

Love« ein wunderschönes Album ist.<br />

Sensationeller ist da schon, woher es<br />

kommt. Denn hinter Son Of The Velvet<br />

Rat steckt der Grazer Georg Altziebler.<br />

Mit seinem zweiten Album ist er endgültig<br />

in die uramerikanische Phalanx<br />

schöner Folk- und Countryalben eingebrochen.<br />

Zumindest aus Mitteleuropa<br />

gab es bisher noch keine Platte,<br />

die die Alternative-Country-Stimmungen<br />

des mittleren Westens so fühlbar<br />

nachvollzieht. Altziebler versteht es,<br />

Songs zu schreiben, die den amerikanischen<br />

Standard übertreffen. Er instrumentiert<br />

sie ebenso klassisch wie geschmackvoll<br />

und singt dazu mit einer<br />

grollenden Stimme von der sehnsüchtigen<br />

Qualität eines Tom Waits, die dazu<br />

ähnlich unverwechselbar ist wie der<br />

Gesang von Will Oldham, Kurt Wagner,<br />

William Elliott Whitmore oder Johnny<br />

Cash. »Loss & Love« hat spielerische<br />

Hillbilly-Rhythmen genauso wie atmosphärisch<br />

ernste und in schlichte Countrygewänder<br />

gegossene Popsongs. Beides<br />

wurde auf der Platte perfekt zusammenmontiert<br />

und macht sie wohltuend<br />

abwechslungsreich. Zumindest für das<br />

Glitterhouse-Label wäre diese Platte<br />

eine Zierde gewesen, zumal sogar Ex-<br />

Wilco-Drummer Ken Crooner das Talent<br />

des jungen Österreichers entdeckt<br />

und seine Platte produziert hat. Nicht<br />

nur wegen dieser Props kann man sich<br />

sicher sein: Mit Son Of The Velvet Rat<br />

wird noch einiges passieren.<br />

Christian Steinbrink<br />

Sorry Gilberto<br />

Vs. Brokof<br />

Sorry Gilberto Vs. Brokof<br />

Split-EP // Goldrausch<br />

Vielleicht ist es albern zu behaupten,<br />

dass man einer Band ihre musikalische<br />

Herzensbildung anhören könne.<br />

Aber vielleicht ist es trotzdem so, dass<br />

man Liebe zur Musik hören kann. Sowohl<br />

Sorry Gilberto als auch Brokof<br />

Marit Fahlander<br />

O. T.<br />

CD // www.myspace.com/maritfahlander<br />

Hach, immer diese Schweden, immer dieser Pop! Marit Fahlander<br />

ist auch so eine, mit Wahlheimat Berlin und gerade mal<br />

21 Lenzen auf dem Buckel. Schwedenpop meint ja die gefällige<br />

Zusammensetzung von allerlei Ausgeburten der Pophistorie<br />

mit Niedlichkeit als Bindemittel, Berlin meint alleine<br />

Musik machen und den Rechner als liebstes Instrument wählen.<br />

Und 21 Lenze meint noch mehr Unbekümmertheit. Diese<br />

Eckdaten erklären aber nicht, dass dazwischen eine Tiefe<br />

lauert, die schon mal zu einem ausgeprägten Schwindelgefühl<br />

führen kann, wenn man genau hinhört. Plötzlich greifen<br />

all diese hintergründig abgemischten Instrumente nach<br />

einem und ziehen. Schon mal mit einem Mantel in einen See<br />

gefallen? So ungefähr. Da strudeln sie dann leise, die Violinen<br />

und Synthies im Hintergrund, während im Vordergrund noch<br />

immer Marits Stimme mehr nett und traurig denn verheerend<br />

klingt. Und doch stellt sich die Frage, ob Marit Fahlander<br />

nicht eine verkappte Sirene ist. Ihre Songs klingen einfach<br />

viel zu sehr nach dem musikalischen Äquivalent zu den Klippen,<br />

an denen die Schiffe zerschellen. Und blond wie die Lore-<br />

sind zwei solche Bands, bei denen man<br />

sich vorstellen kann, wie sie ihre Lieblingsalben<br />

unters Kopfkissen legen –<br />

um dann selbst solch schöne Songs zu<br />

machen. Während Sorry Gilberto unter<br />

Verwendung von weiblichen und männlichen<br />

Stimmen in bester Singer/Songwriter-Tradition<br />

lakonische Geschichten<br />

zu Akustikgitarren erzählen und<br />

dabei an Herman Düne ohne die schnarrende<br />

Stimme erinnern, werfen Brokof<br />

ihre Netze etwas weiter aus. Dabei vermögen<br />

sie immer, dem Hörer sein wohliges<br />

Gefühl zu erhalten und die Klippen<br />

der Einfalt zu umschiffen. Da werden<br />

die Worte skandiert, wie es ansonsten<br />

nur Tom Barman von dEUS vermag,<br />

da wird ein Noise veranstaltet, wie man<br />

ihn außerdem nur von Karate kennt.<br />

»What About You«, das letzte Stück der<br />

Sechs-Track-EP, hat gar das Zeug zum<br />

Lieblingslied. Man möchte es sich glatt<br />

unter das Kopfkissen legen.<br />

Vanessa Romotzky<br />

Stockholm<br />

Demo<br />

CD // www.myspace.com/<br />

stockholmelectron<br />

Aus Bielefeld – und nicht aus Stockholm<br />

– kommt eine junge Frau, die in<br />

wirklich Britta heißt. Ihr erstes Demo<br />

indes trägt den Namen der schwedischen<br />

Hauptstadt und enthält Pop-Entwürfe,<br />

changierend zwischen düsteren<br />

Schrammelsongs mit Elektronikfundament<br />

und chansonesken Gitarrenballaden,<br />

die sich durch sehr einprägsame<br />

Melodien und facettenreiche Texte<br />

auszeichnen. Was es mit dem in den Informationsmaterialien<br />

erwähnten Attribut<br />

»gender queer« auf sich hat, ist<br />

nicht so recht auszumachen. Aber das<br />

kann natürlich auch am sympathisch<br />

muffeligen Heimstudio-Sound liegen.<br />

Da geht so einiges unter. Thematisch<br />

deckt Britta in den sechs Songs jeden-<br />

falls Zombies, unerwiderte Liebe, Engel<br />

und »Partywracks« ab. Aus der Perspektive<br />

Letzterer wird Folgendes berichtet:<br />

»Ich hab zu viel getrunken und geraucht<br />

hab ich auch / Morgen geht’s mir wieder<br />

scheiße wegen Drogengebrauch.« Sind<br />

wir nicht alle ein bisschen Partywrack?<br />

Zumindest bis zum nächsten Wochenende.<br />

Dann ist alles wieder vergessen.<br />

Roland Wilhelm<br />

Velojet<br />

This Quiet Town<br />

CD // Wohnzimmer /<br />

Broken Silence<br />

EAF, DJ Ötzi, Edelweiss und, ach ja, Falco<br />

– Österreich immer noch gleichzusetzen<br />

mit Austropop und Après-Ski<br />

ist ähnlich ignorant, als würde man<br />

deutsche Popmusik auf Fury In The<br />

Slaughterhouse, die Scorpions und<br />

Heinz Rudolf Kunze reduzieren. Don’t<br />

mention the war. Zum Glück hat sich<br />

die popkulturelle Situation auch im Alpenstaat<br />

in den letzten Jahren deutlich<br />

entschärft. In Österreich dürfte das<br />

mit staatlicher Kulturförderung ebenso<br />

zu tun haben wie mit dem formidablen<br />

FM4 und der Wiener Club- und Festivalszene.<br />

Und neuerdings eben auch<br />

mit den Veröffentlichungen und Livequalitäten<br />

der Damen und Herren von<br />

Velojet aus Wien/Steyr. Die Killers sollen<br />

sie im Après-Gig-Suff mal als »beste<br />

Band Österreichs« bezeichnet haben.<br />

Das kann man einfach so stehen lassen.<br />

Velojet haben mit »This Quiet Town«<br />

ihr zweites Album aufgenommen. Es<br />

handelt von Sehnsucht, der Provinz<br />

und neuer und alter Liebe – eben klassischen<br />

Popthemen, wie sie von Morrissey<br />

bis Mansun schon viele vertont<br />

haben. Denn eines ist klar: Velojet sind<br />

Stammkunden in der örtlichen Britpopdisco.<br />

Denkt man sich den Gesang mal<br />

weg, könnten die meisten der eingängigen<br />

Melodien auch aus dem Cool Bri-<br />

tannia der 90er-Jahre stammen. Das<br />

ist großartig und nervig zugleich. Man<br />

ahnt, dass die Band um Songwriter und<br />

Sänger René Mühlberger ein feines Gespür<br />

für den ganz großen Pop hat. Und<br />

so Mixtape-tauglich Songs wie »Everybody<br />

Knows«, »I Will Follow My Heart«<br />

und »Stay Don’t Walk« auch sind, insgesamt<br />

würde Velojet ein bisschen weniger<br />

(Britpop-)Zitat-Versteckspiel ganz<br />

gut tun. Aber die Geschichte der Popmusik<br />

ist schließlich eine voller Umdeutungen<br />

und Zitate. Mal sehen, was als<br />

Nächstes passiert.<br />

Tine Franz<br />

Trost<br />

Trost’n’Roll<br />

<strong>Intro</strong> _ Probefahrt _ 115<br />

ley ist sie auch. Fragen wir doch mal, ob sie sich auch so sieht.<br />

In deiner Musik ist auch eine sehr düstere, fast böse Komponente.<br />

Was steckt dahinter? Viele Leute fi nden in meinen<br />

Songs nur Traurigkeit. Ich aber bin der Meinung, dass in aller<br />

Traurigkeit immer auch Wut und Bosheit versteckt sind.<br />

Schön, wenn man das in meinen Songs hören kann.<br />

Wie schreibst du deine Songs? Ich schreibe alle auf dem Klavier.<br />

Eigentlich habe ich erst wegen des Klaviers zu schreiben<br />

angefangen. Vorher habe ich Folk auf der Geige gespielt.<br />

Es ist sehr schwer zu singen, wenn man die am Kinn hält, ich<br />

kann es jedenfalls nicht. Am Klavier zu sitzen war eine ungeheure<br />

Befreiung.<br />

Warum trägt das Album keinen Titel? Ich habe die Songs<br />

über einen recht langen Zeitraum, über drei Jahre hinweg geschrieben.<br />

In gewisser Weise ist so eher eine Songsammlung<br />

entstanden als ein richtiges Album. Das nächste soll eher ein<br />

Konzept haben und dann auch einen passenden Titel kriegen.<br />

Aber vor allem ist mir einfach keiner eingefallen.<br />

Mick Schulz<br />

CD // www.trostnroll.de<br />

Der bandeigene Humor wird schon auf<br />

dem Cover deutlich. Ein Opa in Unterhemd<br />

und kurzer Hose heizt mit einem<br />

dreirädrigen Elektromobil über eine<br />

Landstraße und grinst feist in die Kamera.<br />

Darunter steht in altdeutscher<br />

Schrift Motörhead-like »Trost’n’Roll«.<br />

Musikalisch sollen die so geschürten<br />

Erwartungen nach eigener Angabe<br />

nicht enttäuscht werden. Laut<br />

Booklet wird hier nämlich »gerockt«.<br />

Was also ist es, das die vier aus Mönchengladbach<br />

zu Rockern werden lässt?<br />

Zunächst einmal wurde die Platte im<br />

Wohnzimmer des Bassisten aufgenommen,<br />

was defi nitiv schon mal eine gute<br />

Voraussetzung für ungetrübten Enthusiasmus<br />

für Väterchen Rock ist. Textlich<br />

sind Liebesfrust und Wochenendeskapaden<br />

die Ideengeber. Hört sich<br />

ganz klar nach dem Stoff an, aus dem<br />

Rock’n’Roller-Träume gestrickt werden.<br />

So weit, so gut – nur hapert es an der Umsetzung.<br />

Trost bewegen sich irgendwo<br />

zwischen der TKKG-Titelmusik und der<br />

Familie Schlegel, hart im Ansatz, aber<br />

ein wenig zu oft gehört und erwartbar.<br />

Thomas Markus


116 _ <strong>Intro</strong> _ Probefahrt<br />

Heimspiel 09.2007<br />

Sutcliffe<br />

Kopfkino<br />

CD // www.sutcliffe.de<br />

Benannt hat sich die Band aus Nürnberg<br />

nach dem jung verstorbenen Ex-<br />

Beatle Stuart Sutcliffe. Eine weitere Referenz<br />

an die Pilzköpfe fi ndet sich im<br />

Songtitel »Dakota Building« – denn in<br />

ebendiesem wohnte John Lennon und<br />

wurde vor ihm erschossen. Doch das war<br />

es auch schon, keinesfalls gibt es auf<br />

»Kopfkino« Merseybeat zu hören. Um<br />

diese Platte richtig gern zu haben, sollte<br />

man Tequila wenigstens schon mal<br />

probiert und nicht gleich wieder ausgespuckt<br />

haben. Denn meistens sind die<br />

ambitionierten Instrumentalsongs von<br />

einem Wüstenfl air getragen. Die Vorliebe<br />

für moderne Westernbezüge zeigt<br />

sich in so machen musikalischen Parts<br />

und in dem typischen Gitarrensound.<br />

Dann und wann darf es auch mal ein Akkordeon<br />

sein. Ausbrüche aus diesem stilistischen<br />

Rahmen gibt es, wenngleich<br />

sie selten sind. Songtitel wie »The Mexican«<br />

verstehen sich natürlich von<br />

selbst, Erinnerungen an einen Tarantino-Film<br />

mit bekannter Tanzszene kommen<br />

auf. Lässig, schwül und bluesig<br />

– Sutcliffes Musik schafft vor allem Atmosphäre.<br />

Denn sie wissen, was sie tun.<br />

Vanessa Romotzky<br />

The Verzerrer<br />

Schnitzel<br />

Club Trottoir<br />

CD // www.the<br />

verzerrerschnitzel.de<br />

Von Konzeptlosigkeit als Konzept, von<br />

Rock, der auf geniale Weise dumm ist,<br />

und von dadaistischer Provokation<br />

liest man im Bandinfo. Das lässt hoffen.<br />

Im ersten Song röhrt jemand in<br />

bester Motörhead-Roadcrew-Manier<br />

ins Mikro, dazu dröhnt ein Prügelrock-<br />

Riff par excellence aus den Boxen, und<br />

obendrüber singt Sänger Gernot Wöltjen<br />

über den »Rapper aus dem 1. Stock«<br />

und wie uncool der doch eigentlich ist.<br />

»Wasser im Schuh«, der zweite Song,<br />

erinnert musikalisch an »Die Ärzte<br />

früher« und textlich an Superpunk.<br />

Auf eine Richtung festlegen will und<br />

kann sich das Quartett offensichtlich<br />

nicht, denn bei »Sevilla« rumpelt es dilettantisch<br />

und erinnert in der Phrasierung<br />

an Deichkind-Gerappe, und beim<br />

Titel »Prekariat« mit Synthie-Einsatz<br />

haben die guten alten Stereo Total Pate<br />

gestanden – trashig, collagenartig, parodistisch.<br />

Wie eine moderne Version<br />

der 80er-Punk-Compilation »Schlachtrufe<br />

BRD«, nur dass hier alle Songs von<br />

einer Band stammen. Die eigene Unfähigkeit<br />

wird zum Konzept erhoben und<br />

darf durchaus auch belächelt werden.<br />

Das Bandinfo hält, was es verspricht.<br />

Chapeau, meine Herren.<br />

Thomas Markus<br />

Coca-Cola Soundwave:<br />

Finale furioso<br />

Zum Höhepunkt der Coca-Cola Soundwave<br />

Discovery Tour kommt es am 2.<br />

und 3. Oktober am Brandenburger Tor<br />

in Berlin zu einem Event der Monster-<br />

Klasse: Die besten Newcomer des Nachwuchswettbewerbs,<br />

die sich bei den<br />

zehn regionalen Konzerten durchsetzten<br />

und auf den fünf der größten deutschen<br />

Festivals spielten, rocken mit etablierten<br />

deutschen Top-Acts und einem<br />

Special Guest die Crowd. Jene wollen<br />

noch geheim bleiben, die Newcomer stehen<br />

aber naturgemäß schon fest. Unter<br />

anderem werden *aVid, Do You Mind,<br />

Fate und Leash dabei sein. Das übrige<br />

Teilnehmerfeld gestaltet sich wie folgt:<br />

Fathead aus Karlsruhe<br />

(Gewinnerband Hamburg, Hurricane)<br />

Jenix aus Zittau<br />

(Gewinnerband Stuttgart, Hurricane)<br />

Joy Became Clear aus Karlsruhe<br />

(Gewinnerband München, Hurricane)<br />

Pink’s Not Red aus Pforzheim<br />

(Gewinnerband Leipzig, Highfi eld)<br />

Still Drift aus Heidelberg<br />

(Gewinnerband Hannover, Melt!)<br />

Tiebreak aus Dresden<br />

(Gewinnerband Dresden, Highfi eld)<br />

Los geht’s bereits zur Mittagszeit.<br />

*aVid<br />

Sie standen schon auf der Bühne des<br />

Star-Club-Festivals in Hamburg – genau<br />

an der Stelle, wo einst die Beatles erstmalig<br />

in Deutschland spielten. Doch<br />

das sollte noch keineswegs der legendärste<br />

Moment ihrer Karriere sein: In<br />

Frankfurt gewannen *aVid aus Wesel<br />

bei der Coca-Cola Soundwave Discovery<br />

Tour und durften bei Rock am Ring auftreten.<br />

Wo sie sich auch hervorragend<br />

machten: Ihr energiegeladener Mix aus<br />

groovigem Schlagzeug, tightem Bass,<br />

treibender Gitarre und melodischem<br />

Gesang ballert ordentlich los. Crossover<br />

nannte man das früher. Oder Alternative<br />

Rock. *aVid selbst haben sich die<br />

Bezeichnung »popaddicted Rock Music«<br />

dafür ausgedacht. Doch wie das<br />

Kind auch heißt – stadiontauglich ist<br />

der Sound auf jeden Fall.<br />

Do You Mind<br />

Sie haben prominente Fans: Silbermond<br />

fi nden Do You Mind derart knorke,<br />

dass sie persönlich darum baten, auf<br />

einem ihrer Tourstopps von der Band<br />

aus Dülmen supportet zu werden. Das<br />

hätte man nicht unbedingt vermutet<br />

– denn silbermondige Balladen sind<br />

ihre Sache nicht. Die vier Jungs stehen<br />

mehr auf Sum 41, Blink-182 und Good<br />

Charlotte. Entsprechend haben sie sich<br />

auch poppigem Highschool-Punk verschrieben:<br />

Weit geschwungene Singalong-Melodien,<br />

punktgenaues Drumming<br />

und eine satte Bratgitarre überzeugten<br />

bei ihrem Auftritt im Coca-Cola<br />

Soundwave Tent auf dem Hurricane<br />

und werden beim Abschluss-Event vor<br />

dem Brandenburger Tor auch die dortige<br />

Crowd rocken.<br />

Alle Achtung: neue Heimspiel-Anschrift<br />

Das Heimspiel wohnt nun in Berlin. Bitte schickt eure Demos und CDs ab jetzt an<br />

folgende Adresse: <strong>Intro</strong> – Redaktion Heimspiel –<br />

Greifswalder Str. 224, 10405 Berlin, E-Mail: heimspiel@intro.de<br />

Fate<br />

Heimspiel empfi ehlt<br />

Fate sind eine der ungewöhnlicheren<br />

Bands unserer Tage. Und das ist durchaus<br />

ein kleines bisschen paradox, wo<br />

sich die Band aus Pforzheim, die sich<br />

bei der Coca-Cola Soundwave Discovery<br />

Tour in Berlin ihren Gig bei Rock am<br />

Ring erspielte, doch eigentlich gar nicht<br />

für einen besonders ungewöhnlichen<br />

Sound entschieden hat: Die Band fühlt<br />

sich dem guten alten Hardrock verpfl<br />

ichtet. Und den – das ist das Erstaunliche<br />

– spielen sie verdammt gut und mit<br />

durchaus eigener Note. Ihre urwüchsige<br />

Power ist absolut zwingend: Alle<br />

Amps von Fate gehen bis elf!<br />

Leash<br />

Es ist eine dieser Geschichten, die das<br />

Leben eben so schreibt: Leash aus Berlin<br />

waren die allererste Band, die im<br />

Heimspiel zum Start der Coca-Cola<br />

Soundwave Discovery Tour vorgestellt<br />

wurde. Man könne, so hieß es damals<br />

auf diesen Seiten, sich die Band, die gekonnt<br />

zwischen Elektronik und Rock<br />

vermittelt, durchaus »auf größeren<br />

Bühnen vorstellen«. Lange vorstellen<br />

musste man sich das dann nicht: Leash<br />

gewannen in Köln und spielten daraufhin<br />

beim Melt!-Festival. Und nun geht es<br />

sogar auf die ganz große Bühne: Beim<br />

Finale sind Leash nämlich selbstverständlich<br />

dabei.<br />

Coca-Cola Soundwave<br />

Compilation<br />

Die Songs der Newcomer gibt es ab Anfang<br />

September auch für daheim: Auf<br />

der Compilation fi ndet sich jeweils ein<br />

Song der zehn Gewinnerbands, die am<br />

2. und 3. Oktober auftreten. Die Tracks<br />

lassen sich einzeln oder gesammelt<br />

bei iTunes <strong>herunterladen</strong>. Das Geld –<br />

Ehrensache – geht dann direkt an die<br />

Bands. Alle Infos zur Coca-Cola Soundwave<br />

auf www.coke.de


118 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Das geht<br />

<strong>Intro</strong> Intim @ Splash! Festival<br />

Von Puppen und Menschen<br />

Splash mit Mayor Taylor<br />

Du bist ja im normalen Leben der Frontmann<br />

von The Jai-Alai Savant. Beim Splash warst<br />

du in unserem Zelt als DJ gebucht. Und wenn<br />

man dich so sieht, hat man nicht das Gefühl:<br />

»Hey, da kommt dieser Typ und hat ein paar<br />

alte Sampler dabei.« Das ist ja überaus amtlich.<br />

Danke. Ich dejaye als Mayor Taylor schon<br />

ziemlich lange. Am Anfang ergab sich das ganz<br />

zufällig. Später brachte ich mir das Dejaying<br />

bei, wie man ein neues Instrument eben auch<br />

lernt. Und irgendwann hatte ich eigene Partys.<br />

Mittlerweile ist, was ich aufl ege, so unglaublich<br />

weit weg von dem, womit ich anfi ng. Roots<br />

Reggae oder Dub lege ich zum Beispiel so gut<br />

wie nie mehr auf. Und reiner HipHop fi ndet<br />

sich auch eher selten in meinen Sets.<br />

Und wie hat es dir vor dem Hintergrund auf<br />

dem Splash gefallen? Es war großartig. Wirklich.<br />

Aber ich war total nervös. Und als ich ankam,<br />

spielten gerade Bonde Do Role. Super.<br />

Aber das Zelt war nur halb voll, als sie spielten.<br />

Und als sie fertig waren, gingen die alle. Ich<br />

wollte einen schnellen Übergang, hatte aber<br />

technische Probleme und konnte nicht anfangen.<br />

Sehr ärgerlich. <strong>Als</strong>o spielte ich 45 Minuten<br />

nur vor zwei Leuten und den Securitys, denn direkt<br />

gegenüber spielten The Roots. Aber als die<br />

fertig waren, kamen immer mehr Leute zu mir,<br />

und auf einmal war das Zelt voll! Großartig!<br />

Und die restliche Atmosphäre auf dem Festival?<br />

Absolut super. Freundeskreis fand ich gut.<br />

Das war doch dann auch sicher überhaupt<br />

dein erster wirklicher Kontakt zu deutschsprachigem<br />

HipHop, oder? Ja, kann man sagen.<br />

Und ich fi nde das auch sehr interessant,<br />

ich kann ja mittlerweile auch recht gut<br />

Deutsch und verstehe so eine Menge. Aber andererseits<br />

komme ich natürlich dorther, wo die<br />

Wiege des HipHop liegt. Insofern kann mich<br />

auch nicht mehr so viel überraschen. Ich bin<br />

überhaupt von HipHop ein wenig gelangweilt,<br />

wenn ich ehrlich bin. Fazit: Es ist sehr interessant<br />

für mich, HipHop in anderen Sprachen<br />

zu hören, aber ich denke mir auch regelmäßig:<br />

»It’s just fucking Rap-Music.« Was ich aber an<br />

der deutschen Szene mag, ist, dass sie so offen<br />

Text: Till Stoppenhagen _ Foto: Marc Seebode<br />

Jüngst fand erneut unser Lieblings-HipHop-Festival Splash! statt. Erstmals an neuer Location<br />

und erstmals bereichert um ein <strong>Intro</strong> Intim, das mit dem Grenada Tent zudem eine eigene<br />

wunderschöne Location erhielt. Wir fragten anwesende Künstler, wie es ihnen gefallen hat.<br />

für verschiedene Stile ist. In den USA ist so vieles<br />

im HipHop vorformatiert und borniert.<br />

Splash mit den Puppetmastaz<br />

Und, Puppe? Wie war’s auf dem Splash und bei<br />

uns im Grenada Tent? Den Leuten hat unsere<br />

Show gefallen. Und wenn du eine ehrliche Antwort<br />

haben willst: Wir spielten in diesem Zelt<br />

mit unter anderem Wiley. Und das war für mich<br />

als Puppe der einzige Platz, an dem ich sein<br />

wollte. Der Rest des Festivals verwandelte sich<br />

schnell in eine Art Ork-Rave, wenn du weißt,<br />

was das ist.<br />

Gab es denn einen Act, der dir besonders gut<br />

gefallen hat? Ja, Puppetmastaz.<br />

Und sonst? Ich habe fünf Minuten Snoop Dogg<br />

gesehen, der eine Stunde zu spät kam. Aber obwohl<br />

ich natürlich ein Faible für Hunde habe:<br />

Stundenlang will ich auf einen auch nicht warten<br />

müssen, deshalb bin ich wieder gegangen.<br />

Später habe ich Wiley gesehen, der gefi el mir<br />

sehr gut.<br />

Danke, Puppe.


<strong>Intro</strong> Intim @ Popkomm<br />

Auch zur diesjährigen Popkomm wird<br />

<strong>Intro</strong> die Berliner Nächte wieder tatkräftig<br />

mitbefeuern – in den letzten Jahren hat das<br />

einfach viel zu viel Spaß gemacht. Diesmal<br />

wird voraussichtlich elektronische Musik<br />

das Line-up dominieren.<br />

»Voraussichtlich« im Sinne von: Da zum Heftschluss das Booking<br />

noch im vollen Gange war, dürfte sich im Line-up noch einiges tun,<br />

zahlreiche neue Acts hinzukommen. Ein besonderes Highlight des<br />

gesamten Popkomm-Festivals dürfte aber, das steht jetzt schon fest,<br />

der exklusive Auftritt von Trentemøller sein, der schon einer der absoluten<br />

Publikumslieblinge beim diesjährigen Melt!-Festival war.<br />

Wer die atemberaubende audiovisuelle Ambient-Reise mit kompletter<br />

Band in Ferropolis verpasst hat, sollte seine zweite Chance auf<br />

jeden Fall nutzen. Auch geradezu spektakulär: Die Op:l Bastards<br />

sind zurück! Schon oft begeisterten die Skandinavier auf Festen<br />

aus dem Hause <strong>Intro</strong>: Erst <strong>Intro</strong>ducing und Melt!-Festival – nun machen<br />

sie mit einem erneuten INTRO INTIM bestimmt auch die dritte<br />

Sause im Bunde unvergesslich! Unten schon mal ein kleiner Vorgeschmack<br />

auf die beiden Abende. Der aktuellste Zwischenstand fi ndet<br />

sich wie immer auf intro.de/introintim.<br />

<strong>Intro</strong> Intim @ Popkomm<br />

21.09. Berlin, Maria & Josef<br />

mit: Trentemøller live in concert, Op:l Bastards, Warren Suicide,<br />

Frozen North Special ft. Jussi Pekka, Roberto Rodriguez ft.<br />

The Future Beat Investigators, Amuli Kemppi u.a.<br />

sowie: Screening des »Melt! Festival 2007«-Films (Doku)<br />

Programm-Updates, alle Infos & Tickets:<br />

www.intro.de/introintim<br />

Tickethotline: (01805) 9 69 00 08 88<br />

(14ct/min aus dem Festnetz der deutschen Telekom)<br />

Trentemøller<br />

Verlosung: Freundeskreis Charity-Tickets und DVDs<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Das geht _ 119<br />

Seit 6. Juli ist das neue Freundeskreis-Album »FK10« mit bekannten Hits, Raritäten und zwei neuen<br />

Songs im Handel. Bereichert um eine sechzigminütige Dokumentation auf DVD. Aber auch im sozialen<br />

Bereich zeigen sich die Stuttgarter engagiert. Initiiert von MOTOSTYLES, werden auf der anstehenden<br />

Freundeskreis-10-Jahre-Jubiläumstour nämlich Spenden für die gemeinnützige Organisation<br />

»Innocence in Danger« gesammelt. Gipfeln wird das Engagement gegen Kindesmissbrauch und die zunehmende<br />

Kriminalität via Handy und im Internet in einem Charity-Konzert am 16. September in Offenbach,<br />

dem Abschluss der Tour, bei dem alte Weggefährten und zahlreiche prominente Gäste Freundeskreis<br />

unterstützen. Wir verlosen für die Show 3 x 2 VIP-Tickets inkl. »FK10«-DVDs.


120 _ <strong>Intro</strong> _ Das geht<br />

<strong>Intro</strong> empfi ehlt 09.2007<br />

01 BOTANICA<br />

Paul Wallfi sch hat schon bei den grandiosen Firewater in die<br />

Tasten gehauen und mit seinem einzigartigen Spiel dafür gesorgt,<br />

dass sie klingen, wie sie klingen: düster und romantisch,<br />

zerschossen und aufbauend zugleich. Eine Beschreibung, die<br />

ebenso auf Botanica zutrifft. Der ehemalige Tippelbruder Wallfi<br />

sch hat jedenfalls immer noch genug Geschichten für zwanzig<br />

weitere Alben und Touren.<br />

20.09. Berlin, Maschinenhaus » 22.09. Norderstedt, 3 Beken »<br />

23.09. Dortmund, FZW » 24.09. Hannover, Chez Heinz » 25.09.<br />

Aschaffenburg, Colos-Saal » 26.09. Bonn, Mausefalle » 28.09.<br />

Erfurt, Museumskeller » 06.10. Freiburg, Jos Fritz<br />

02 CARIBOU<br />

Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass Bands oder Projekte<br />

mit Tiernamen keine schlechten Menschen sein können.<br />

Dan Snaith, der sonst eher für ausufernde Electro-Psychedelica<br />

steht, hat sich unter seinem Moniker Caribou auf dem Album<br />

»Andorra« (City Slang / V2) auf die Suche nach dem perfekten<br />

Popsong begeben. Natürlich, ohne dabei gänzlich von seinen<br />

elektronischen Einfl üssen abzurücken.<br />

20.09. Berlin, Postbahnhof » 21.09. Köln, Studio 672 » 22.09.<br />

Heidelberg, Karlstorbahnhof » 24.09. München, Orangehouse<br />

03 FIGURINES<br />

<strong>Als</strong> die Figurines aus Dänemark im September 2005 als Koufax-<br />

Support einen Stopp im Hannoveraner Café Glocksee machten,<br />

konnte man vor der Bühne einen verwuschelten Mittdreißiger<br />

beobachten, der nach jedem Song den Kopf schüttelte und laut<br />

brüllte: »Unheimlich sympathische Band! « Dieser wahren Begebenheit<br />

ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, außer, dass<br />

die neue CD »When The Deer Wore Blue« in Kürze erscheint, 13<br />

Tracks enthält und die Band im September auf Tour geht.<br />

19.09. Münster, Gleis 22 » 20.09. Leipzig, Nato » 21.09. Berlin,<br />

Bang Bang Club » 22.09. Magdeburg, Projekt 7 » 23.09. Dresden,<br />

Starclub » 24.09. A-Wien, B72 » 25.09. München, Orangehouse<br />

» 26.09. Stuttgart, Schocken » 27.09. Köln, Stadtgarten » 28.09.<br />

Wiesbaden, Schlachthof » 29.09. Hamburg, Knust<br />

04 KRISTOFER ASTRÖM<br />

Der schwedische Songwriter hat es im vergangenen Jahr ein<br />

paarmal zu oft krachen lassen, deshalb heißt bei ihm ein neues<br />

Stück schon mal »Heavy On The Drinks« Auf dem aktuellen Album<br />

sind Aströms Songs zwar immer noch überwiegend akustisch<br />

gespielter, sehr gelungener Countryfolk, aber in Sachen<br />

Zugänglichkeit und Mitschwingfaktor hat er bedeutend zugelegt,<br />

was sich auch bei seinen Konzerten widerspiegeln dürfte.<br />

09.09. Berlin, Lido » 10.09. Hamburg, Knust » 11.09. Köln,<br />

Prime Club » 12.09. München, Atomic Café<br />

05 LEVI’S® REBELLIOUS GIRLS TOUR<br />

Der Name ist hier mal Programm. Levi’s® präsentiert eine Tour,<br />

die nicht nur die rebellischsten, sondern auch die innovativsten<br />

Vertreterinnen der Musik- und Clubkultur auf die Bühne, ans<br />

Mikro, an den Plattenteller bringt. Sei es Peaches, die in Köln<br />

mit einem exklusiven DJ-Set antreten wird, oder die süchtig machenden<br />

Brazilian Girls oder aber Uffi e (Foto), die wieder ihre<br />

offensive und vorlaute Show abziehen wird. Außerdem dabei:<br />

Gudrun Gut und DJ Maral Salmassi. Infos: www.redtab.com<br />

13.09. München, Erste Liga » 14.09. A-Wien, Fluc » 15.09. Köln,<br />

Rheintriadem (ohne Uffi e, mit Peaches) » 20.09. Hamburg, Mandarin<br />

Casino » 21.09. Berlin, Lido » 22.09. Offenbach, Hafen 2<br />

01<br />

02<br />

03<br />

04<br />

05<br />

06<br />

07<br />

08<br />

09<br />

10<br />

06 LE POP ON TOUR<br />

Die Samplerreihe »Le Pop« ist stets ein sicherer Kandidat, wenn<br />

es darum geht, ein gemütliches Beisammensein zu beschallen.<br />

Selbst Leute, die es nicht so mit Musik haben, kapitulieren da<br />

ob der mal süßen, mal abgedrehten, aber immer sehr französischen<br />

Klänge. Ähnliche Reaktionen verursachte die dazugehörige<br />

Tour, die nun zur dritten »Randonnée« durch Deutschland<br />

ansetzt. Dieses Mal mit dem Neo-Chanson-Pop-Ehepaar Pascal<br />

Parisot & Fredda und der Band Holden.<br />

07.09. Köln, Stadtgarten » 08.09. Frankfurt, Theater Willy<br />

Praml » 09.09. Karlsruhe, Tollhaus » 12.09. Berlin, Kesselhaus<br />

» 13.09. Leipzig, Nato » 14.09. Hamburg, Fabrik » 15.09. Trier,<br />

Festival » 16.09. Aachen, Jakobshof » 18.09. Düsseldorf, Zakk<br />

» 19.09. München, Rote Sonne » 20.09. A-Wien, tba » 21.09.<br />

Erlangen, E-Werk<br />

07 MALAJUBE<br />

Zwar versteht man als typischer Durchschnittshasser der französischen<br />

Sprache bei den Frankokanadiern Malajube kein<br />

Wort von dem, was sie singen, allerdings muss man im Französischkurs<br />

auch nicht unbedingt aufgepasst haben, um zu sehen,<br />

dass bei Malajube einiges geht: Der Sound der Band verdient die<br />

Aufschrift »schön schräg«. Die Band produziert durchgeknallte<br />

Popsongs mit frenetisch jagenden Beats, die jeden mitreißen.<br />

10.09. Münster, Gleis 22 » 11.09. Köln, Studio 672 » 16.09.<br />

Schorndorf, Manufaktur » 17.09. München, Orangehouse »<br />

18.09. Nürnberg, Muz » 19.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />

(+ Menomena) » 20.09. Berlin, Postbahnhof (Popkomm)<br />

08 POP AM RHEIN<br />

Pop am Rhein: Das ist <strong>Intro</strong> genauso wie Mouse on Mars, Can,<br />

Philipp Schiemann, die »Hauszeitschrift für Moderne Dichtung:<br />

Der Gummibaum« (Foto) oder Hans Nieswandt. Das hat das<br />

Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf richtig erkannt und organisiert<br />

zum Thema eine ganze Veranstaltungsreihe mit Ausstellungen,<br />

Tagungen, Lesungen, Filmreihen und vielen Konzerten.<br />

ab 19.08. Köln, diverse Locations<br />

09 STARS<br />

Geht man nach ihren Song- und Albumtiteln, könnte man hinter<br />

den kanadischen Stars glatt brutale Krachmacher erwarten.<br />

Da heißt ein Album schon mal »Set Yourself On Fire« und ein<br />

Song »Your Ex-Lover Is Dead«. Auch das neue Album lässt mit<br />

dem schönen Titel »In Our Bedroom After The War« Grausames<br />

erwarten. Dabei sind Stars wundervoll melancholisch klingende<br />

und singende Wanderer zwischen den Indiewelten.<br />

19.09. Hannover, Café Glocksee » 20.09. Berlin, Postbahnhof »<br />

21.09. Dresden, Scheune » 26.09. München, Feierwerk » 27.09.<br />

Köln, Gebäude 9 » 28.09. Hamburg, Reeperbahn-Festival<br />

10 THE PIGEON DETECTIVES<br />

Die obligatorische MySpace-Einfl ussliste liest sich bei den Pigeon<br />

Detectives wie das Who’s who eines Rock-Lexikons: »The<br />

Beatles, The Kinks, The Velvet Underground, Jimi Hendrix, Oasis,<br />

Led Zeppelin, The Strokes, Blondie, The Smiths, The Stone<br />

Roses, Cream, Elvis Presley, Chuck Berry, Robert Johnson etc.«<br />

Die Band aus Leeds hat sich hohe Ziele gesteckt. Allerdings machen<br />

sie sich im internationalen Rock-Zirkus momentan wirklich<br />

sehr gut: Der UK-New-Wave-Schrammelpunk hat große Momente<br />

und ist herrlich mitgrölkompatibel.<br />

20.09. München, Atomic Café » 24.09. Berlin, Lido » 25.09.<br />

Köln, Gebäude 9 » 26.09. Bremen, Tower » 27.09. Hamburg,<br />

Molotow


Das geht 09.2007<br />

DAS GEHT AUF DER<br />

POPKOMM<br />

AL!VE SHOWCASE<br />

MIT BOTANICA, BELASCO,<br />

JONATHAN INC.<br />

20.09. Berlin Kulturbrauerei<br />

CITY SLANG &<br />

COOPERATIVE SPIELEN<br />

POPKOMM<br />

MIT ARCHITECTURE IN HELSIN-<br />

KI, STARS, MALAJUBE, THE GO!<br />

TEAM, MENOMENA, CARIBOU,<br />

LOS CAMPESINOS<br />

20.09. Berlin Postbahnhof<br />

DANISH MUSIC NIGHT<br />

MIT BROKEN BEATS, SAYBIA,<br />

FIGURINES<br />

19.09. Berlin, Postbahnhof<br />

HEADQUARTER & 2FTR<br />

POPKOMM NIGHTS<br />

JOSE GONZALES, DOG DAY, RICH<br />

& KOOL, BODI BILL, GET WELL<br />

SOON, MARISSA NADLER<br />

20.-21.09. Berlin, Bang Bang Club<br />

EXTENDED<br />

ELECTRONICS<br />

FESTIVAL<br />

MIT LADYTRON, NITZER EBB,<br />

SOMAN u. a.<br />

19.-21.09. Berlin, Kulturbrauerei<br />

THIS IS NEW ENGLAND<br />

MIT THE LODGER, LEO CAN DIVE,<br />

THE JACKPOT<br />

20.09. Berlin, Knaak<br />

VISIONS AT POPKOMM<br />

MIT THE ROBOCOP KRAUS,<br />

FOTOS, CLICKCLICKDECKER,<br />

LAMPSHADE<br />

19.09. Berlin, Kulturbrauerei<br />

PAUL WELLER<br />

ACOUSTIC SHOW<br />

20.09. Berlin, Schiller-Theather<br />

9TH ANNIVERSARY<br />

MARIA<br />

MIT ALEC EMPIRE, ARK,<br />

BARBARA PREISINGER, DANIEL<br />

METEO, DJ COOP, GUDRUN GUT,<br />

THE FALL, TOK TOK VS. SOFFY<br />

O, T.RAUMSCHMIERE, OLIVER<br />

KOLETZKI u. a.<br />

06-07.09. Berlin, Maria<br />

ABSCHAUMPARTY<br />

MIT COBRA KILLER, DATSCHA<br />

PARTY, FRANK SPILKER BAND,<br />

FURCHT UND ELEND TERZETT,<br />

JACQUES PALMINGER, JEANS<br />

TEAM, ZWANIE JONSON<br />

01.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />

ARCADE FIRE<br />

MIT ELECTRELANE<br />

22.08. Köln, Palladium<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

KRISTOFER ASTRÖM<br />

09.-12.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

BAVARIAN<br />

OPEN WORD<br />

MIT CHRISTIANE RÖSINGER,<br />

JENS FRIEBE, KNARF RELLÖM<br />

10.09. Passau,<br />

Biergarten Severinstor<br />

11.09. Würzburg, Oberer Markt<br />

vor Stadtbücherei<br />

12.09. Regensburg, Wiese<br />

beim Andreastadel<br />

13.09. Augsburg, Wiese vor der<br />

Alten Kradhalle<br />

BEATSTEAKS<br />

23.08. Würzburg, Soundpark Ost<br />

BERND BEGEMANN &<br />

DIE BEFREIUNG<br />

14.09. Hamburg, Knust<br />

15.09. Köln, Blue Shell<br />

16.09. Berlin, White Trash Fast Food<br />

17.09. München, Atomic Café<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

BOTANICA<br />

20.09.-06.10. Infos siehe S. 120<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

CARIBOU<br />

20.-24.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

ERDMÖBEL<br />

25.08. Bremen, ViertelFest<br />

31.08. Bochum, Bochumer<br />

Musiksommer<br />

Geht weiter!<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

FIGURINES<br />

19.-25.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

MOTOSTYLES<br />

PRÄSENTIERT<br />

FK10 FREUNDESKREIS<br />

01.09. Berlin, IFA Sommergarten<br />

Open Air<br />

07.09. Hamburg, Stadtpark<br />

16.09. Offenbach, Capitol (Charity-<br />

Konzert »Innocence is Danger«)<br />

GALAO SHOTS<br />

FIMFESTIVAL<br />

25.08. Berlin, Weinbergspark<br />

GHOSTS<br />

16.09. München, Atomic Café<br />

Geht weiter!<br />

GORILLA BISCUITS<br />

04.09. Hamburg, Grünspan<br />

07.09. Essen, Weststadthalle<br />

08.09. Leipzig, Conne Island<br />

10.09. Berlin, SO36<br />

GOSSIP<br />

MIT THE WHIP<br />

27.08. Stuttgart, Schocken<br />

28.08. Frankfurt, Cookys<br />

30.08. A-Wien, Arena<br />

31.08. München, Atomic Cafe<br />

ADAM GREEN<br />

10.09. Bonn, Brückenforum<br />

11.09. Bielefeld, Ringlokschuppen<br />

12.09. Bremen, Modernes<br />

13.09. Potsdam, Schinkelhalle<br />

15.09. Dresden, Schlachthof<br />

16.09. Nürnberg, Löwensaal<br />

17.09. Stuttgart, Theaterhaus<br />

KERSTIN GRETHER<br />

MIT DOCTORELLA<br />

28.09. Bremen, Junges Theater<br />

GUCHA PARTY<br />

22.08. Frankfurt, Naxos-Halle<br />

24.08. München, Ampere<br />

25.08. Köln, Atelier Odo Rumpf<br />

HOT HOT HEAT<br />

MIT YOUNG LOVE<br />

03.09. München, Atomic Café<br />

04.09. Berlin, Lido<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

INTRO DJ-TEAM:<br />

SCHLANK UND BELIEBT<br />

DURCH VOODOO<br />

MIT INTRO DJ-TEAM<br />

25.08. Köln, Pegel<br />

Geht weiter!<br />

I AM X<br />

13.09. Berlin, Magnet<br />

Geht weiter!<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

I LOVE YOU ALL<br />

MIT WHOMADEWHO<br />

25.08. Berlin, Schaubühne<br />

JACK DANIELS<br />

GEBURTSTAGSTOUR<br />

MIT STEREOPHONICS<br />

09.09. Frankfurt, Batschkapp<br />

10.09. München, Atomic Café<br />

12.09. Berlin, Lido<br />

13.09. Hamburg, Knust<br />

14.09. Köln, Prime Club<br />

JEANS TEAM<br />

24.08. Berlin, Radialsystem V<br />

01.09. Hamburg, Übel & Gefährlich<br />

JUSTICE<br />

10.09. Köln, Prime Club<br />

11.09. Frankfurt, Batschkapp<br />

13.09. Berlin, Maria<br />

14.09. Hamburg, Grünspan<br />

KAISER CHIEFS<br />

27.08. Hamburg, Stadtpark<br />

KINDERZIMMER<br />

PRODUCTIONS<br />

25.08. Düsseldorf, Open Source<br />

29.08. Ulm, Kradhalle<br />

31.08. Augsburg, Musikkantine<br />

03.09. München, Backstage<br />

05.09. Weinheim, Cafe Central<br />

06.09. Köln, Gebäude 9<br />

07.09. Köln, Gebäude 9<br />

08.09. Bremen, Lila Eule<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

LEVI’S® REBELLIOUS<br />

GIRLS TOUR<br />

MIT BRAZILIAN GIRLS,<br />

MARAL SALMASSI,<br />

UFFIE & DJ FEADZ<br />

13.-22.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

LE POP ON TOUR<br />

07.-21.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

MALAJUBE<br />

10.-20.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

MIA.<br />

22.08. Rottweil, Kraftwerk<br />

23.08. Köln, Tanzbrunnen<br />

31.08. Hannover, Capitol<br />

07.09. Reichenbach, Jump Arena<br />

MOBB DEEP<br />

11.09. Leipzig, Conne Island<br />

14.09. München, Backstage<br />

MODEST MOUSE<br />

06.09. Hamburg, Fabrik<br />

MUFF POTTER<br />

13.09. Erfurt, Open Air an der<br />

Engelsburg<br />

15.09. Hamburg, Knust<br />

16.09. Berlin, Lido<br />

17.09. Dresden, Groove Station<br />

NOUVELLE VAGUE<br />

24.08. Rostock, Kastanienplatz<br />

JOANNA NEWSOM<br />

MIT ALASDAIR ROBERTS<br />

11.09. Hamburg, Kampnagel<br />

11.09. München, Muffathalle<br />

13.09. Frankfurt, Dreikönigskirche<br />

Geht weiter!<br />

NO MEANS NO<br />

12.09. Flensburg, Volksbad<br />

NYLON<br />

24.08. Berlin, Admiralspalast Studio<br />

Geht weiter!<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

PAPER AND IRON<br />

FESTIVAL<br />

MIT CUT CITY, GET HUSTLE,<br />

MENEGUAR, V-TEAM, VORTEX<br />

REX, WOODS<br />

07.09. Köln, Neue Werkstatt<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

POLARKREIS 18<br />

25.08. Lieberose, Waldbühne<br />

31.08. Kaiserslautern, Kammgarn<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

POP AM RHEIN<br />

Alle Infos siehe S. 120<br />

PORTUGAL. THE MAN<br />

29.08. Erlangen, E-Werk<br />

30.08. München, Ampere<br />

01.09. A-Wien, Flex<br />

02.09. Dresden, Star Club<br />

03.09. Hamburg, Knust<br />

04.09. Berlin, Postbahnhof<br />

05.09. Osnabrück, Kleine Freiheit<br />

06.09. Karlsruhe, Substage<br />

07.09. Konstanz, Kulturladen<br />

09.09. Wiesbaden, Schlachthof<br />

10.09. Köln, Gebäude 9<br />

11.09. Stuttgart, Schocken<br />

RADIOKUNST<br />

MIT MICHAELA MELIÁN<br />

22.09. Köln, Museum Ludwig<br />

RADIO PEELINGS<br />

MIT NEOANGIN, ALAN BANGS,<br />

KLAUS FIEHE u. a.<br />

29.09. Köln, Kleiner Sendesaal<br />

des WDR<br />

RAZORLIGHT<br />

02.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />

04.09. Berlin, Kulturbrauerei<br />

05.09. Köln, Live Music Hall<br />

06.09. Frankfurt / Main,<br />

Batschkapp<br />

08.09. Mannheim, Alte Feuerwache<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

RILO KILEY<br />

26.08. Köln, Prime Club<br />

27.08. Berlin, Lido<br />

28.08. München, Ampere<br />

SDNMT / SEIDENMATT<br />

23.08. Berlin, Lido<br />

DANI SICILIANO<br />

04.09. Berlin, Cookies<br />

06.09. München, Rote Sonne<br />

08.09. Darmstadt, 603 qm<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

SIE NANNTEN<br />

SIE LÜCKE<br />

(KONZERTREIHE ZUR<br />

DOCUMENTA)<br />

jeweils Kassel, Arm e. V.<br />

23.08. Fotos<br />

06.09. Die Türen<br />

13.09. Kissogram<br />

GWEN STEFANI<br />

MIT CSS<br />

10.09. Hamburg, Color Line Arena<br />

12.09. München, Olympiahalle<br />

14.09. Berlin, Velodrom<br />

15.09. Köln, Kölnarena<br />

SPARTA<br />

MIT MEWITHOUTYOU<br />

21.08. Berlin, Columbia Club<br />

22.08. München, Backstage<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

STARS<br />

19.-28.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

TEGAN & SARA<br />

21.08. Hamburg, Molotow<br />

24.08. Berlin, Zapata<br />

25.08. Köln, Studio 672<br />

26.08. München, Ampere<br />

TELE<br />

MIT LEE BUDDA<br />

30.08. Bochum, Musiksommer<br />

31.08. Hamburg, Stadtpark<br />

01.09. Hamburg, Stadtpark<br />

15.09. Lingen, Rock am Pferdemarkt<br />

THE BROKEN BEATS<br />

04.09. Marburg, Trauma<br />

05.09. Dresden, Star Club<br />

06.09. Wiesbaden, Schlachthof<br />

07.09. Nürnberg, Musikzentrale<br />

08.09. Freiburg, Swamp<br />

11.09. Münster, Luna Bar<br />

12.09. Bremen, Römer<br />

13.09. Saarbrücken, Sparte 4<br />

15.09. Erfurt, Stadtgarten<br />

THE CRIBS<br />

29.08. Berlin, Lido<br />

30.08. Köln, Prime Club<br />

THE DAMNED<br />

24.08. Hamburg, Markthalle<br />

25.08. Düsseldorf, Zakk<br />

THE LOST PATROL BAND<br />

07.09. Düsseldorf, Stone im<br />

Ratinger Hof<br />

15.09. Bielefeld, AJZ<br />

16.09. Berlin, Lido<br />

17.09. Neubrandenburg, Cafe Zebra<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

THE PIGEON<br />

DETECTIVES<br />

20.-27.09. Alle Infos siehe S. 120<br />

THE TWANG (UK)<br />

07.09. Köln, Prime Club<br />

08.09. Hamburg, Knust<br />

10.09. Berlin, Lido<br />

14.09. München, Atomic Café<br />

THE WHITEST BOY ALIVE<br />

MIT KOMMODE<br />

24.08. Bielefeld, Forum<br />

EMPFOHLEN VON INTRO<br />

T-MOBILE EXTREME<br />

PLAYGROUNDS<br />

SUMMERSESSION<br />

MIT THE HIVES, OHRBOOTEN,<br />

25.08.-26.07. Pinneberg,<br />

Burmeisterallee 2<br />

TOOL<br />

28.08. Bochum, Jahrhunderthalle<br />

TRAIL OF DEAD<br />

MIT FORGET CASSETTES<br />

28.08. Mannheim, Alte Feuerwache<br />

DIE TÜREN<br />

04.09. München, Backstage<br />

05.09. Köln, Tsunami<br />

06.09. Kassel, Arm<br />

08.09. Hamburg, Golden Pudel<br />

14.09. Berlin, Bang Bang Club<br />

PAUL WELLER<br />

MIT STEVE CRADOCK<br />

16.09. Frankfurt, Mousonturm<br />

Geht weiter!<br />

Die kommen,<br />

die Touren<br />

BROKEN SOCIAL SCENE<br />

01.-12.10.<br />

!!! (CHK CHK CHK)<br />

25.-26.10.<br />

CINEMATIC ORCHESTRA<br />

04.10.-06.10.<br />

DÚNÉ<br />

12.-19.10.<br />

EDITORS<br />

02.-08.11.<br />

JENS FRIEBE<br />

10.10.-10.11.<br />

LOCAS IN LOVE<br />

11.10.-15.11.<br />

POLARKREIS 18<br />

04.10.-09.11.<br />

STEREO TOTAL<br />

05.-28.10.<br />

THE ARK<br />

03.-08.10.<br />

TICKETS<br />

<strong>Intro</strong> _ Das geht _ 121<br />

FÜR ALLE(S)<br />

INTRO.DE/TICKETS<br />

TICKETHOTLINE<br />

(01805) 9 69 00 08 88<br />

Für alle von uns präsentierten<br />

Tickets verlosen wir 3x2 Tickets.<br />

Einfach eine Mail an<br />

ticketverlosung@intro.de


122 _ <strong>Intro</strong> _ Das geht<br />

Vorfreude des Monats<br />

Reeperbahn-Festival<br />

Zwischen Feldstraße und Reeperbahn<br />

Die Live-Musikszene in Hamburg ist ebenso lebhaft wie wichtig. Kaum eine Band<br />

verzichtet bei einem Tourquickie durch Deutschland auf den Stopp in der <strong>Als</strong>terstadt. Kein<br />

Wunder, gibt es dort zwischen Feldstraße und Reeperbahn doch namhafte Clubs galore.<br />

Deshalb war ein eigenes Clubfestival die logische Konsequenz. Wir sprachen mit dem<br />

Mitorganisator Detlef Schwarte über das zweite Reeperbahn-Festival.<br />

Warum, verdammt noch mal, hat das so lange gedauert, bis<br />

Hamburg ein solches Festival bekommen hat? Immerhin<br />

war und ist die Stadt ziemlich wichtig für die deutsche<br />

Musikszene. Seit dem Jahr 2000 haben wir und andere Leute der Hamburger<br />

Musikszene mit dem Gedanken gespielt, so ein Festival auf die<br />

Beine zu stellen. Es war aber ein Haufen Arbeit, die verschiedenen Leute<br />

der Musikbranche dafür zu begeistern – Labels, Clubs, Interessenverbände.<br />

Und dann musste das Ganze auch fi nanziert werden. Hier engagiert<br />

sich nun die Stadt sehr stark, wofür wir natürlich sehr dankbar sind.<br />

Wie ist die Premiere in Hamburg aufgenommen worden? Die Premiere<br />

2006 ist bei den Festival-Besuchern und den Medien durchweg super<br />

aufgenommen worden. Insgesamt kamen aber weniger Menschen, als<br />

wir uns erhofft hatten. Deshalb wollen wir dieses Jahr mit einem Indielastigeren<br />

und meiner Meinung nach besseren Line-up durchstarten.<br />

Auch die Ticketpreise fallen deutlich günstiger aus.<br />

Schaut man auf die Gesamtzahl der Acts und Venues, fällt auf, dass<br />

ihr euch ein wenig gesundgeschrumpft habt. Ja, das kann man so sagen.<br />

Wir wollten wohl ein wenig zu viel für den Anfang. Zu viele Bands,<br />

zu viele musikalische Experimente, zu viele Venues, zu hohe Kosten ...<br />

Darum haben wir 2007 ein paar Clubs weniger und statt 210 »nur« noch<br />

ca. 140 Bands. So können wir halt auch die Tickets viel billiger anbieten.<br />

Ich glaube auch, das Konzept kam einfach noch nicht so gut durch. Dass<br />

es bei uns nämlich nicht um Headliner geht, sondern um die heißen unbekannten<br />

Acts.<br />

Welche Kriterien sind euch bei der Auswahl der Locations wichtig?<br />

Wir wollen vor allem mit den Clubs zusammenarbeiten, die ein eigenes<br />

musikalisches Profi l haben und das ganze Jahr über Livemusik in<br />

kleinerem oder größerem Rahmen präsentieren. Davon gibt es auf dem<br />

Hamburger Kiez zwischen Feldstraße und Reeperbahn halt eine ganze<br />

Menge. Von Uebel & Gefährlich und Knust bis Molotow und Mandarin<br />

Kasino, von Grünspan und Kaiserkeller bis D-Club und Angie’s<br />

Nightclub. Wir beziehen die Clubs auch in die Vorbereitung und beim<br />

Booking mit ein, sodass das Festival wirklich die Hamburger Live-Musikszene<br />

repräsentiert.<br />

Abschließend noch kurz gefragt: Was bedeutet Hamburg persönlich<br />

für dich? Na ja, Hamburg ist wahrscheinlich nicht die beste Stadt der<br />

Welt, aber die beste, die ich hab.<br />

ª 27.-29. September<br />

¡ Hamburg, diverse Locations<br />

∏ Biffy Clyro, Hard-Fi, Juliette & The Licks, Shout Out Louds, Stars, The Ark, The Raveonettes, An Pierle &<br />

White Velvet, Coheed And Cambria, Dawn Penn, Die Zimmermänner, Friska Viljor, Ghost Dog, Johnossi, Jonathan<br />

Brooke, Leo Can Dive, Logh, Neat Neat Neat, Rooney, Say Hi, Schrottgrenze, Shantel & Bucovina Club, Siva,<br />

Sorgente, State Radio, Superpunk, Tele, Ter Haar, The Cribs, The Far Cries, The Kissaway Trail, The Pigeon<br />

Detectives, The Sewer Rats, The Sugars, Tunng, Velojet, Wingenfelder, Young Soul Rebels u. v. a.<br />

µ VVK: 55,- Euro (Festivalticket); 38,- Euro (2-Tage-Ticket); 26,- Euro (Tagesticket)<br />

∂ www.reeperbahnfestival.com


Das geht draußen<br />

Mit bibop auf dem Summer Spirit Desert Rhythm in Dubai<br />

an kann die Sekunden,<br />

in denen der Beat mal<br />

stoppt, auf dem Summer<br />

Spirit an einer Hand abzählen.<br />

Wer mag, kann immer in Bewegung<br />

bleiben und den alten<br />

Militärfl ughafen in Niedergörsdorf<br />

von vorne bis hinten betanzen.<br />

Zugleich gibt’s noch tanzbare Geschichtsstunden,<br />

z. B. mit den stilbildenden<br />

Green Velvet aus Detroit.<br />

Bei diesem Programm sollte man gelegentlich aber auch mal auf die<br />

Euphoriebremse treten, damit man nicht irgendwann abklappt. Genau<br />

dafür gibt’s das chillige bibop-Wohnzimmer, das z. B. schon auf dem<br />

Melt! zur begehrten Ruheoase wurde. Wir verlosen gemeinsam mit<br />

bibop 1x2 Tickets, natürlich mit Dauerkarte für das Wohnzimmer. Einfach<br />

bis zum 28. August eine Mail mit Namen, Postadresse und dem<br />

Stichwort »bibop auf dem Summer Spirit« an verlosung@intro.de.<br />

ª 31. August – 02. September<br />

¡ Niedergörsdorf, Militärfl ugplatz<br />

∏ Ada & Metope, DJ Rush, Dole & Kom, Front 242, Green Velvet, Housemeister, Kube 72, Marusha, Octave One,<br />

Renato Figoli, Tom Clark, ASP, Chuck, Der Totmacher, Gunjah, Kid La Rock, Miss Mira, Tobi Tobsen, Vinyl D.<br />

u. v. a.<br />

µ VVK: 25,- Euro / AK: 37,- Euro (Festivalticket); 32,- Euro (Sa); 22,- Euro (Fr)<br />

∂ www.summer-spirit.de<br />

Die Festivals<br />

im September<br />

WINTERTHURER<br />

MUSIKFESTWOCHEN<br />

Turbonegro, Mardi Gras.bb,<br />

Heidi Happy, Yoshihiro Hanno, Jeans<br />

Team, A Few Good Men, Paul Camilleri<br />

& Friends, Sirqus Alfon u. v. a.<br />

22.08.-02.09. CH-Winterthur<br />

AREA 4<br />

+44, Art Brut, Billy Talent, Boozed,<br />

Eagles Of Death Metal, From<br />

Autumn To Ashes, Juliette & The<br />

Licks, Leo Can Dive, Madsen, Mando<br />

Diao, Muff Potter, Nofx, Silverchair,<br />

Soulfl y, Sparta, The 69 Eyes, The<br />

Draft, The Films, The Hives, Tool,<br />

Turbostaat u. v. a.<br />

23.08.-25.08. Lüdinghausen,<br />

Flugplatz Borkenberge<br />

9TO5 - WIR NENNEN ES<br />

ARBEIT<br />

Mit Ampl:tude, Britta, Chicks On<br />

Speed (DJ-Set), Clickclickdecker,<br />

Frith jof Bergmann, Jeans Team, Sir<br />

Simon Battle, Tom Hodgkinson u. v. a.<br />

23.08.-26.08. Berlin, Radialsystem V<br />

HIPHOP KEMP<br />

Bahamadia, Boy Better Know, Dendemann,<br />

Dilated Peoples, DJ Vadim,<br />

EMC, ,Helta Skeltah, Masta Ace,<br />

M.O.P., Pal One, Redman, Scorcher,<br />

Swollen Members, u. v. a.<br />

24.08.-26.08. CZ-Hradec Kralove<br />

MINI-ROCK-FESTIVAL<br />

Trail Of Dead, Fotos, Ignite,<br />

Trashmonkeys, Che Sudaka, Crime<br />

Killing Joker Man, Herr Stilz Seine<br />

Freunde, Mad Sin, Psychopunch,<br />

She-Male Trouble, Soma, The<br />

Busters, Yakuzi<br />

24.08. - 25.08. Horb am Neckar<br />

M Z<br />

OPEN SOURCE<br />

Ark, Bene, Kinderzimmer Productions,<br />

Mathias Kaden, Nouvelle<br />

Vague, Nôze, Orson, The Whitest Boy<br />

Alive, To Rococo Rot, Whomadewho<br />

25.08. Düsseldorf, Freibad Löricke<br />

ROCCO DEL SCHLACKO<br />

Beatsteaks, Das Pop, Millenoclin,<br />

Ohrbooten, Roman Fischer, Sportfreunde<br />

Stiller, The Films, The Lost<br />

Patrol Band, Turbostaat<br />

24.08. - 25.08. Püttlingen, Sauwasen<br />

FREE & EASY<br />

K.I.Z., Dendemann, Der Tante<br />

Renate, Die Türen, Jamaram, Kinderzimmer<br />

Productions, Kevin Devine,<br />

Bauchklang u. v. a.<br />

26.08.-09.09. München, Backstage<br />

SPACK-FESTIVAL<br />

The Robocop Kraus, She-Male Trouble,<br />

Big D & The Kids Table u. v. a.<br />

31.08.-01.09. Höhr-Grenzhausen<br />

JUGENDKULTUR-<br />

FESTIVAL BASEL<br />

And You Will Know Us By The Trail<br />

Of Dead, Princess Superstar, Data<br />

MC u. v. a.<br />

31.08.-02.09. CH-Basel<br />

SUMMER SPIRIT<br />

31.08.-02.09. Alle Infos siehe oben<br />

KRÜCKAU-FESTIVAL<br />

Muff Potter, The Busters, Smoke<br />

Blow u. v. a.<br />

31.08.-01.09. Elmshorn<br />

ROCK AM SEE<br />

NoFX, Sportfreunde Stiller, Nine<br />

Inch Nails, Billy Talent, Razorlight,<br />

The Sounds, The Graduate u. v. a.<br />

01.09. Konstanz<br />

COCOON’S GREEN & BLUE<br />

Sven Väth u. v. a.<br />

02.09. Obertshausen<br />

OFT-FESTIVAL<br />

J.B.O., Mad Sin, Discipline,<br />

Stomper98, Deadline, Born From<br />

Pain u. v. a.<br />

06.-09.09. Gräfenhainichen<br />

ISNYER OPEN-AIR<br />

Blumentopf, Kilians, Jenson, The<br />

Swindle, DJ Exel Pauly u. v. a.<br />

08.09. Isny<br />

ROCK AM<br />

PFERDEMARKT<br />

Muff Potter, Tele, Trashmonkeys,<br />

Chuck Ragan, Monsters Of Liedermaching,<br />

Panda u. v. a.<br />

14.-15.09. Lingen<br />

KULTFAKTOR SCHULHOF<br />

– KLIMANEUTRALES<br />

OPEN AIR<br />

Donots, Dendemann, Belasco u. v. a.<br />

14.09. Ratingen<br />

POPKOMM<br />

siehe Seite 119 (<strong>Intro</strong> Intim)<br />

und Seite 121<br />

19.-21.09. Berlin<br />

SWR3 NEW POP<br />

FESTIVAL<br />

Maria Mena, Ghosts, Feist, Zascha<br />

Moktan, Mando Diao, Orishas, John<br />

Butler Trio, Ayo u. v. a.<br />

20.-22.09. Baden-Baden<br />

REEPERBAHN-FESTIVAL<br />

27.-29.09. Alle Infos siehe links<br />

DER CAMPUS ROCKT ...<br />

PFORZHEIM<br />

Culcha Candela, Revolverheld,<br />

Boundzound, Silbermond u. v. a.<br />

28.09. Pforzheim<br />

<strong>Intro</strong> _ Das geht _ 123<br />

um Festival nach England,<br />

Frankreich, Belgien, Österreich<br />

– ist doch irgendwie<br />

langweilig. Wenn schon Ausland,<br />

dann ruhig mal exotisch. Was weiß<br />

man zum Beispiel über Festivals in<br />

den Arabischen Emiraten? Wenig,<br />

und das ist eigentlich schade. Deshalb<br />

sei an dieser Stelle mal das Desert<br />

Rhythm vorgestellt. Im Dubai<br />

Country Club werden Ende Oktober<br />

z. B. KanYe West, Mika, Ziggy Marley und Madness auftreten, um<br />

nur einige zu nennen. In Anbetracht der diesjährigen Regenbilanz des<br />

Festivalsommers ist es wahrscheinlich keine schlechte Idee, die eigene<br />

Saison bis in den Herbst zu verlängern. Natürlich sollte man direkt<br />

im Anschluss gleich einen Urlaub dranhängen, aber das versteht sich<br />

ja von selbst. Über Sand in den Schuhen wird man sich beim Desert<br />

Rhythm übrigens keine Gedanken machen müssen, denn die Fläche<br />

vor der Bühne ist komplett mit Kunstrasen ausgelegt.<br />

ª 26.-27. Oktober<br />

¡ Dubai, Country Club<br />

∏ KanYe West, Mika, Ziggy Marley, Madness, Black Violin, Leanne u. v. a.<br />

µ VVK: ca. 54 US-Dollar<br />

∂ www.desertrhythmfestival.com<br />

Die kommen,<br />

die Festivals<br />

POLARZOO-FESTIVAL<br />

The Ark, The Broken Beats,<br />

Wulfgang, The School, Desert<br />

Planet u. v. a.<br />

02.-04.10. Berlin, Zürich, Wien<br />

SÓNAR NITS<br />

Carles Santos, Adam Raga, Fibla,<br />

Tucker, Àngel Molina, The Vegetable<br />

Orchestra, Undo, Cabo San Roque,<br />

Matthew Herbert (Foto), DJ2D2, Guillamino,<br />

Pedrals, Reac Table, Senor<br />

Coconut, The Pinker Tones u. v. a.<br />

10-13.10. Frankfurt am Main,<br />

Bockenheimer Depot<br />

ICELAND AIRWAVES<br />

Bloc Party, !!! (chk chk chk), Múm,<br />

GusGus, Bonde Do Role, Chromeo,<br />

Lali Puna, Ms. John Soda, Deerhoof,<br />

Tied & Tickled Trio u. v. a.<br />

17.-21.10. IS-Reykjavík<br />

DUBAI DESERT RHYTHM<br />

FESTIVAL<br />

26.-27.10. Alle Infos siehe oben<br />

ELECTRICITY<br />

03.11. Saarbrücken<br />

EUROSONIC /<br />

NOORDERSLAG<br />

WEEKEND<br />

10.-12.01.2008 NL-Groningen<br />

FESTIVALSAISON 2007. Schon bald werden die Tage wieder kürzer,<br />

und die Bands ziehen sich in die Clubs zurück. www.festivalguide.de bleibt<br />

natürlich trotzdem dran. Und für die Festivalfans gibt es in der Oktober-<br />

<strong>Intro</strong> wieder das Festivalguide-Review-Heft. <strong>Als</strong>o: Weiterrocken!<br />

DIE TOLLSTE UND ERSTE<br />

MELT!-DOPPEL-CD ALLER ZEITEN!<br />

Im gut sortierten Plattenhandel oder<br />

via www.meltfestival.de/shop.<br />

MIT Bloc Party † Maximo Park<br />

Hot Chip ° Deichkind<br />

Tocotronic † Scissor Sisters<br />

Jan Delay § Hell † Phoenix<br />

Wir Sind Helden † The Rifl es<br />

The Notwist † Digitalism<br />

Stereo Total £ Kettcar ¢ Tiga U.V.A.<br />

+ »DEATH OF A FESTIVAL<br />

RAVER«-DJ MIX


GWEN STEFANI<br />

+ special guest: CSS<br />

15.09.07 · Köln, Kölnarena<br />

GRAND AVENUE<br />

17.09.07 · Köln, Studio 672<br />

PAUL WELLER<br />

18.09.07 · Köln, Theater am Tanzbrunnen<br />

SPORTFREUNDE<br />

STILLER<br />

22.09.07 · Münster, Halle Münsterland<br />

STATE RADIO<br />

28.09.07 · Köln, Underground<br />

ERDMÖBEL<br />

04.10.07 · Köln, Gloria<br />

FEIST<br />

05.10.07 Köln, E-Werk<br />

ARCHIVE<br />

05.10.07 · Köln, Kulturkirche<br />

WIR SIND HELDEN<br />

11.10.07 · Münster, Halle Münsterland<br />

12.10.07 · Köln, Palladium<br />

ANI DIFRANCO<br />

19.10.07 · Köln, Kulturkirche<br />

INTERPOL<br />

19.11.07 · Köln, Palladium<br />

SCHLACHTHOF WIESBADEN GARTENFELDSTR. 57 65189 WIESBADEN<br />

06.09. / BROKEN BEATS<br />

07.09. / KING KHAN & THE SHRINES /<br />

DER TANTE RENATE<br />

09.09. / PORTUGAL. THE MAN /<br />

SABOTEUR<br />

11.09. / MISFITS / U.K. SUBS<br />

21.09. / KEVINE DEVINE /<br />

CHIN UP CHIN UP<br />

21.09. / INT. BRONCO CLUB<br />

– INDIE CLUB NIGHT<br />

28.09. / FIGURINES / I AM BONES<br />

01.10. / TURBOSTAAT / YUCCA<br />

02.10. / GORILLA BISCUITS<br />

16.10. / ROBOCOP KRAUS /<br />

SO SO MODERN<br />

22.10. / MAXIMO PARK<br />

02.11. / 11 FREUNDE LESEREISE<br />

08.11. / SERDAR SOMUNCU<br />

Unser komplettes Programm findet Ihr im Internet<br />

www.schlachthof-wiesbaden.de<br />

PORTUGAL. THE MAN > 09.09.<br />

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Do. 23.08. • Prime Club • Köln So. 26.08. • Prime Club • Köln<br />

ABWÄRTS RILO KILEY<br />

Mi. 29.08. • Prime Club • Köln Do. 30.08. • Prime Club • Köln<br />

PARAMORE THE CRIBS<br />

Mi. 05.09. • Live Music Hall • Köln<br />

special guest:<br />

DOGS<br />

RAZORLIGHT<br />

Mo. 10.09. • Brückenforum • Bonn Mo. 10.09. • Prime Club • Köln<br />

Special<br />

Solo Performance<br />

ADAM GREEN<br />

Di. 11.09. • Prime Club • Köln<br />

KRISTOFER ASTRÖM<br />

So. 16.09. • Prime Club • Köln<br />

special guest:<br />

RICKY WARWICK<br />

KEITH CAPUTO<br />

Di. 18.09. • Prime Club • Köln<br />

special guest:<br />

THE CONCRETES<br />

SHOUT OUT LOUDS<br />

Mo. 24.09. • Prime Club • Köln<br />

ROONEY<br />

Mi. 26.09. • Stadtgarten • Köln<br />

ANNA TERNHEIM<br />

Sa. 29.09. • Prime Club • Köln So. 30.09. • Gloria • Köln<br />

BIFFY CLYRO<br />

So. 30.09. • Prime Club • Köln<br />

THE TRAGICALLY HIP<br />

Mo. 01.10. • Prime Club • Köln<br />

MONEYBROTHER<br />

Mi. 03.10. • Prime Club • Köln<br />

THE ARK<br />

Sa. 06.10. • Schauspielhaus • Düsseldorf<br />

RUFUS WAINWRIGHT<br />

Di. 09.10. • Prime Club • Köln<br />

FUNERAL FOR A FRIEND<br />

Mo. 15.10. • Prime Club • Köln Di. 16.10. • Live Music Hall • Köln<br />

CLAWFINGER<br />

Di. 16.10. • Prime Club • Köln<br />

THE WATERBOYS<br />

Do. 18.10. • Stollwerck • Köln<br />

STEREO TOTAL<br />

Fr. 19.10. • Gebäude 9 • Köln<br />

JUST JACK<br />

Do. 08.11. • Live Music Hall • Köln<br />

EDITORS<br />

Mi. 22.08. • Palladium • Köln special guest: HERMAN DUNE<br />

ARCADE FIRE<br />

Do. 23.08.<br />

Open Air am Tanzbrunnen<br />

Köln<br />

Mi. 19.09. • Palladium • Köln<br />

special guest: ASH<br />

SPORTFREUNDE STILLER<br />

So. 07.10. • Philipshalle • Düsseldorf special guest: SYMPHONY X<br />

DREAM THEATER<br />

Di. 16.10. • Palladium • Köln<br />

MAXIMO PARK<br />

Fr. 23.11. Palladium Köln • So. 09.12. Westfalenhalle 1 Dortmund<br />

BEATSTEAKS<br />

TICKET HOTLINE 01805 - 96 2222 (0,14 €/min)<br />

Fr. 07.09. • Prime Club • Köln<br />

THE TWANG (UK)<br />

JUSTICE<br />

Do. 13.09. • Prime Club • Köln<br />

JINGO DE LUNCH<br />

Mo. 17.09. • Prime Club • Köln<br />

special guest:<br />

LENA ANDERSSEN<br />

XAVIER RUDD<br />

So. 23.09. • Live Music Hall • Köln<br />

special guest:<br />

LAND OF TALK<br />

THE DECE<strong>MB</strong>ERISTS<br />

Di. 25.09. • Prime Club • Köln<br />

DIE MANNEQUIN<br />

Fr. 28.09. • Prime Club • Köln<br />

JOHNOSSI<br />

COHEED & CA<strong>MB</strong>RIA<br />

So. 30.09. • MTC • Köln<br />

THE AUDIENCE<br />

Di. 02.10. E-Werk Köln • Di. 23.10. Weststadthalle Essen<br />

special guest:<br />

TROY VON BALTHAZAR<br />

TOCOTRONIC<br />

Do. 04.10. Zeche Bochum • Fr. 05.10. Gloria Köln<br />

PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB<br />

So. 07.10. • Prime Club • Köln<br />

special guest:<br />

FACING NEW YORK<br />

RX BANDITS<br />

Mi. 10.10. • E-Werk • Köln<br />

WITHIN TEMPTATION<br />

ENTER SHIKARI<br />

Do. 18.10. • Live Music Hall • Köln<br />

special guest:<br />

CHERRY GHOST<br />

CROWDED HOUSE<br />

Fr. 19.10. • Prime Club • Köln<br />

MATTAFIX<br />

Mo. 22.10. Weststadthalle Essen • Di. 23.10. LMH Köln<br />

CULCHA CANDELA<br />

Do. 15.11. • Gloria • Köln<br />

KLAXONS<br />

special guest:<br />

DELAIN<br />

special guest: BLOOD RED SHOES<br />

So. 28.10. • Palladium • Köln<br />

AMY WINEHOUSE<br />

special guest: TURBOSTAAT<br />

So. 25.11. Kölnarena Köln • Sa. 01.12. König-Pilsener-Arena Oberhausen<br />

Fornika für alle Tour 2007 & SPECIAL GUEST<br />

DIE FANTASTISCHEN VIER


ock am<br />

pferdemarkt<br />

14 + 15-09-07<br />

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mit TURBOSTAAT<br />

Samstag, 29.09.<br />

Samstag, 13.10.<br />

KINDERZIMMER<br />

PRODUCTIONS<br />

Samstag, 27.10.<br />

CLAWFINGER<br />

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Der Rockpalast im September im WDR Fernsehen<br />

01.09.2007 l 23:15 bis 2:45<br />

30 Jahre Rockpalast »Punkrock«<br />

My Generation Der Sound der Revolte<br />

03.09.2007 l 0:45 bis 2:45<br />

Rockpalast Hayseed Dixie, The Answer<br />

Rockpalast Bigbang<br />

08.09.2007 l 23:10 bis 2:30<br />

30 Jahre Rockpalast »Crossroads«<br />

Crossroads The Blue Van, Dirty Fuzz, Sun Dial<br />

10.09.2007 l 0:15 bis 2:40<br />

Rockpalast The Police, Aufzeichnung von 1980<br />

Rockpalast John Butler Trio, Botanica<br />

15.09.2007 l 23:30 bis 4:00<br />

30 Jahre Rockpalast »Sänger & Songschreiber«<br />

Rockpalast Rock am Ring 2007<br />

17.09.2007 l 0:45 bis 2:30<br />

Rockpalast Stone Sour, Papa Roach<br />

umsonst + draußen<br />

THE AUDIENCE<br />

VISIONS ALL AREAS TEAM<br />

Alter Schlachthof Lingen<br />

Konrad Adenauer Ring 40 | 49808 Lingen | epping@alterschlachthof.de | www.alterschlachthof.de<br />

Tickets an allen bekannten VVK-Stellen und unter Hotline 0591/52076<br />

22.09.2007 l 23:15 bis 3:15<br />

30 Jahre Rockpalast »Man singt deutsch«<br />

Crossroads Beverly Joe Scott, Hugh Cornwell u.a.<br />

23.09.2007 l 00:45 bis 2:15<br />

Rockpalast The Hives, Gogol Bordello<br />

29.09.2007 l 23:15 bis 23:45<br />

30 Jahre Rockpalast »Rockpalast macht Spaß«<br />

31.09.2007 l 0:45 bis 2:45<br />

Rockpalast Wacken Open Air 2007<br />

www.rockpalast.de<br />

DIAL-BOOKING präsentiert:<br />

CHIN UP CHIN UP (USA)<br />

02.09.07 München – Backstage<br />

03.09.07 Wien – Arena<br />

05.09.07 Winterthur - Gaswerk<br />

18.09.07 Hamburg – Molotow<br />

19.09.07 Berlin – Magnet<br />

20.09.07 Köln – Blue Shell<br />

21.09.07 Wiesbaden – Schlachthof<br />

22.09.07 Würzburg – Cairo<br />

23.09.07 Karlsruhe – Jubez<br />

KEVIN DEVINE (USA)<br />

18.09.07 Hamburg – Molotow<br />

19.09.07 Berlin – Magnet<br />

20.09.07 Köln – Blue Shell<br />

21.09.07 Wiesbaden – Schlachthof<br />

22.09.07 Würzburg – Cairo<br />

23.09.07 Karlsruhe – Jubez<br />

24.09.07 München – Feierwerk<br />

25.09.07 Giessen – MuK<br />

26.09.07 Offenbach – Hafen 2<br />

29.09.07 Münster – Amp<br />

02.10.07 Trier – Exhaus<br />

JENNY HOYSTON (USA)<br />

06.09.07 Köln – Tsunami<br />

07.09.07 Berlin – Kastanie<br />

THE FLESH & PANTHER (USA)<br />

18.09.07 Heidelberg – Zum Teufel<br />

19.09.07 Berlin – Magnet<br />

20.09.07 München – Feierwerk<br />

21.09.07 Halle/Saale –<br />

Hühnermanhatten<br />

24.09.07 Wien – Arena<br />

25.09.07 Würzburg – Cairo<br />

26.09.07 Nürnberg – MUZ-Club<br />

27.09.07 Köln – Tsunami<br />

Dial-Booking, Winsstr. 57, 10405 Berlin<br />

www.dial-booking.de 030-44 32 33 43<br />

www.myspace.com/dialbooking<br />

LIVE CLUB<br />

SCHWIM<strong>MB</strong>AD<br />

-musik-club.de<br />

Sa.<br />

01.<br />

Mi.<br />

05.<br />

Do.<br />

06.<br />

Fr.<br />

07.<br />

Sa.<br />

08.<br />

Fr.<br />

14.<br />

Sa.<br />

15.<br />

Do.<br />

20.<br />

Fr.<br />

21.<br />

Sa.<br />

22.<br />

Do.<br />

27.<br />

Fr.<br />

28.<br />

Sa.<br />

29.<br />

SEPTE<strong>MB</strong>ER 07<br />

TONEHAT<br />

Soul · Rock · Funk<br />

TITO &<br />

TARANTULA<br />

PLANLOS<br />

Punkrock<br />

DEPECHE MODE PARTY<br />

mit DJ Jochen<br />

THE FIGHT CLUB<br />

Drum’n Bass & Jungle<br />

BIG CLOSING DOWN PARTY<br />

15 artists & more guests<br />

SKA NIGHT<br />

ALASKA<br />

UPTOWN SKANKIN’<br />

presented by Jamrock Hifi<br />

SHAKE A DEM VS.<br />

COSMOHOUSE VS.<br />

SOUNDBLESS<br />

GLOBAL BATTLE OF<br />

THE BANDS<br />

SCRUB · THE AIRPUMPS ·<br />

FEARPHOBIA · BLISS · DEIN<br />

EX · CHAOSPHERE<br />

BIG FM PARTY NIGHT<br />

POLLY<br />

Nirvana-Covers<br />

BOPPIN’B<br />

Comedy-Rock’n Roll<br />

STUDI-PARTY<br />

THE VENUS PULS<br />

Indierock<br />

DUST’N BONES<br />

Guns’n Roses-Covers<br />

Ü30-PARTY<br />

KNUTSCHFLECK<br />

NDW-Party<br />

OPEN AIR DISCO<br />

RAUCHEN ERLAUBT!<br />

2 OPENAIR-RAUCHERBEREICHE<br />

EXTRA<br />

Konzertbeginn wochentags 21 h<br />

Wochenende 22 h<br />

Einlass Do., Fr. & Sa. 21 h<br />

Sonderevents 20 h<br />

Telefon 06221 – 47 02 01<br />

Heidelberg – Nähe Zoo


128 _ <strong>Intro</strong> _ Musik _ Nachlese Foto: Mari Harrala<br />

Ruisrock.<br />

Lordi-Weingummis am Meer<br />

06.-08.07. – FIN-Turku<br />

Vor mir spielen die Children Of Bodom auf einer mit Amischlitten<br />

vollgeparkten Bühne eingängigen Death-Metal. Während ich eines<br />

meiner Lordi-Weingummis nasche, laufen links von mir junge Bikini-Mädels<br />

ins Meer. Nur wenige Meter vom Land entfernt schippert<br />

eine riesige Stena-Line-Fähre vorbei, auf der alte Menschen belustigt<br />

winken. Klingt ziemlich abgefahren? Und fühlt sich auch genau<br />

so an. Das Ruisrock im fi nnischen Turku bietet nicht nur eine<br />

atemberaubende Location mit Meereslage, es zeigt auch, dass trotz<br />

der geringen Entfernung der kulturelle Unterschied ein großer sein<br />

kann. Besagte Children Of Bodom zum Beispiel führten wochenlang<br />

die Albumcharts an und sind nach Meinung der fi nnischen Musikbranche<br />

die Band, die es am ehesten zur Weltherrschaft bringen<br />

kann. Überhaupt ist das Ruisrock das größte Festival Finnlands,<br />

weil in erster Linie die heimischen Künstler zum Zug kommen. Zum<br />

Beispiel Ismo Alanko Teholla – der »fi nnische Rio Reiser«. Oder Zen<br />

Café, die U2 ins Finnische zu übersetzen scheinen, oder aber die<br />

auch in Deutschland bekannten und wunderbaren Husky Rescue.<br />

Meistens regiert jedoch der Rock: Marillion, In Flames, Amorphis<br />

und Hanoi Rocks in Originalbesetzung, you name it. Sogar eine Yngwie-Malmsteen-Coverband<br />

läuft mir hier über den Weg. Weirder<br />

geht’s nicht, außer vielleicht bei der Finnlandpremiere der Flaming<br />

Lips, die bei Dämmerlicht um Mitternacht ein hochgradig alkoholisiertes<br />

Publikum rumkriegen. Ich dachte immer, ich hätte schon vieles<br />

gesehen in Sachen Festivals, aber so eins dann doch noch nicht.<br />

Ich bin begeistert.<br />

Daniel Koch<br />

Signal 2 / Streich 4.<br />

Die Kunst des Diktierens<br />

09.-11.07. – Berlin, Sonnenallee<br />

Künstler aus verschiedenen Bereichen zu Happenings zu versammeln<br />

mag sich vielleicht nicht nach dem heißen Scheiß anhören.<br />

Wenn es aber jemand schafft, in dieser Hinsicht dermaßen viel auf<br />

die Beine zu stellen wie Sprühgeist Yaneq aus Berlin, darf er sich ruhig<br />

Kunstdiktator nennen. Oder sogar Party Arty Diktator, um genau<br />

zu sein. Was macht so ein Diktator? In seiner PAA (Party Arty<br />

Army) gelingt Künstlern etwas, was sie sonst eher selten schaffen:<br />

miteinander klarkommen. Damit ist ihm ein spontanes Kunstfestival<br />

namens Signal geglückt, für das er innerhalb kürzester Zeit haufenweise<br />

Musiker, Maler, Grafi ker etc. zusammentrommeln konnte;<br />

eine »Arty Party« startete. Mit Signal 2 stellte der reizende Yaneq<br />

nun erneut eine äußerst inspirierende Sache vor. Im Studio der Neuköllner<br />

Electro-Rocker Warren Suicide, in dem beispielsweise schon<br />

das letzte Kante-Album von dem allgegenwärtigen Moses Schneider<br />

produziert worden ist, versammelten sich erneut allerlei Künstler.<br />

Diesmal war auch ein Streichquartett anwesend, das über einen<br />

Zeitraum von drei Tagen mit so verschiedenen Interpreten wie Dirk<br />

von Lowtzow, Gods Of Blitz, T.Raumschmiere, Pitchtuner u. v. a. deren<br />

Songs einspielte. Arrangiert wurde das Ganze von Nackt (Warren<br />

Suicide), der halbnackt die Streicher dirigierte. Zu viele Namen?<br />

Aber es kommen ja noch die ganzen Maler und Grafi ker dazu, die<br />

gleichzeitig die Cover zu den Aufnahmen gestalteten. Nur der Diktator<br />

selbst kann die alle aufzählen. Neben der üblichen Arty Party<br />

springt bei der Aktion also noch eine ganze Edition (»Arty Edi«?) heraus.<br />

Erhältlich in der Galerie Ihres Vertrauens.<br />

Martin Riemann


www.bibop.de<br />

Schorsch Kamerun. Bei den<br />

Kammerspielen München<br />

13.07. – München, Schauspielhaus<br />

Warmes Pils direkt aus dem Kasten auffe Faust. Die Vermutung<br />

liegt nahe, dass man sich in der halbwegs schmucken Gastro-Area<br />

der Münchner Kammerspiele über das Zielgruppen-Gefüge eines<br />

Abends, an dem die knisternd-renitente Eigenart verströmenden Vokabeln<br />

»Goldene Zitronen« den Theater-Spielplan des Traditionshauses<br />

aufmischen, lediglich oberfl ächlich Gedanken gemacht hat.<br />

Während sich also abends ein gewohnt Genre-adäquates Klientel in<br />

Parkett und Logen des Schauspielhauses breitmacht, um ein – wie<br />

es heißt – »nicht gerade Greatest-Hits-Set« der Hamburger zu goutieren,<br />

fanden sich dort bereits am Nachmittag drei bis vier Handvoll<br />

Allgemeininteressierte ein, um an allerlei crazy Spielstätten<br />

des Hauses (u. a. Montagehalle, Schreinerei) Aufführungen unter<br />

dem Motto »Fürchtet euch nicht!« zu begutachten. Unter die jeweils<br />

halbstündigen Film-, Theater- und Vortrags-Darbietungen zum Thema<br />

Utopien bzw. der Frage »In welcher Zukunft wollen wir leben?«<br />

hat sich mit »Der Logik der Anpassung« auch eine Eigenregie von<br />

Schorsch Kamerun, der sich seit einiger Zeit als Theaterregisseur in<br />

München verdingt, geschmuggelt. Zu Recht wird das Werk von der<br />

Utopisten-Gemeinde (eingeschworen vom Auftakt-Assoziations-Diagesäusel<br />

der Miet-Gastgeberin Professor Annett Zinsmeister und<br />

ihrem »digitalen Gedächtnisspiel zum Plattenbau und anderen modularen<br />

Utopien«) auf ihrem Weg durch den von Headset-verzierten<br />

Theatermitarbeitern eskortierten Parcours durchs gesamte Haus<br />

mit heiterem Wohlwollen aufgenommen. Jürgen Dobelmann<br />

<strong>Intro</strong> _ Musik _ Nachlese _ 129<br />

Acht Jahre Berliner Gazette.<br />

Sympathisch uncool<br />

14.07. – Berlin, Kim<br />

Die Berliner Gazette – eine so kulturkritische wie netzaktivistische<br />

Kombination aus Newsletter, Internet-Feuilleton und Blog (www.<br />

berlinergazette.de) – feierte ihr 8-jähriges Bestehen in der Berliner<br />

Kneipe Kim. Mit Wandinstallationen von Mister Ministeck, Videokunst<br />

von Florian Thalhofer, Eva Grubinger und anderen, mit einer<br />

Lesung mehrerer AutorInnen, unter anderem auch die komplette<br />

Redaktion: Susanne Lederle, Magdalena Taube, Krystian Woznicki.<br />

Die Eltern des Gazette-Gründers Woznicki waren auch da; der Vater<br />

schaute dem Laptop-Musiker Shintaro Miyazaki beim Improvisieren<br />

über die Schulter: Ach so, der junge Mann gibt gerade ein Konzert,<br />

interessant. Nachwuchsautor Michael Taube trug einen Text<br />

über den letzten Schultag vor. Das Ganze erinnerte etwas an einen<br />

Tag der offenen Tür, den eifrige Pennäler ausrichten. Sympathisch,<br />

dass ein derart unprovinzielles publizistisches Unterfangen wie die<br />

Gazette eine so uncoole Party veranstaltet. Ausgehend vom Berliner<br />

Kulturleben, betreibt die Gazette eine agile Gegenwartsdiagnostik.<br />

Mit dem Projekt »McDeutsch« wurde im letzten Jahr versucht, dem<br />

Neo-Nationalismus zu begegnen. Magdalena Taube schrieb: »Sprache<br />

ist kein starres Gefüge, sondern ein offenes System.« (Leider<br />

nutzen das auch Leute, die sich Wörter wie »JobCenter« ausdenken.)<br />

Dieses Jahr widmeten sich im wöchentlichen Rundmail-Feuilleton<br />

u. a. Geert Lovink, Harald Fricke, Mona Motakef und Dietmar Dath<br />

dem Thema »Zeitgeist«. Im Online-Forum haben persönliche Diskussionsbeiträge<br />

mitunter theoretischen Anspruch. Frank Geber


130 _ <strong>Intro</strong> _ und so _ Katz & Goldt _ All the next<br />

Katz & Goldt<br />

All the next No. 154 17.09.2007<br />

Devendra Banhart, Chrome Hoof,<br />

Stars, PJ Harvey, Supermayer,<br />

Róisín Murphy, Foo Fighters, Beirut

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