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Argumentationshilfe - Umweltzonen und Stickstoffdioxidminderung

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14.05.2009Niedersächsisches Ministerium fürUmwelt <strong>und</strong> Klimaschutz<strong>Argumentationshilfe</strong> - <strong>Umweltzonen</strong> <strong>und</strong> <strong>Stickstoffdioxidminderung</strong>Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung <strong>und</strong> die Wirkung von <strong>Umweltzonen</strong>wurde zuerst die Feinstaubminderung diskutiert. Je näher das Datum 01.01.2010<strong>und</strong> damit das Inkrafttreten der ab dann geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxidekommt, um so mehr sind die Möglichkeiten der <strong>Stickstoffdioxidminderung</strong> Gesprächsgegenstand.<strong>Umweltzonen</strong> sind allerdings wegen ihrer Rechtsgr<strong>und</strong>lage, der 35. BImSchV,die eine Differenzierung von Fahrzeugen in vier Schadstoffgruppen vorschreibt, kein geeignetesInstrument der <strong>Stickstoffdioxidminderung</strong>.Die 35. BImSchV/Kennzeichnungsverordnung ordnet Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigungihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 (keine Plakette), 2 (rote Plakette),3 (gelbe Plakette) <strong>und</strong> 4 (grüne Plakette) zu. Die Zuordnung zu einer Schadstoffgruppeerfolgt durch Bekanntgabe der eingetragenen emissionsbezogenen Schlüsselnummer(Kfz-Brief, Kfz-Schein, Verkehrsblatt). Die Einteilung in der Praxis sieht wie folgtaus:Euro 2 bzw. Euro 1 + Partikelfilter = rot Diesel Fz. vor Bj. 1996/98 bzw. 92/93 mit FilterEuro 3 bzw. Euro 2 + Partikelfilter = gelb Diesel Fz. vor Bj. 2000/01 bzw. 96/98 mit FilterEuro 4 bzw. Euro 3 + Partikelfilter = grün Diesel Fz. vor Bj. 2005/06 bzw. 00/01 mit FilterIn die „beste“ Schadstoffgruppe (grüne Plakette) werden Fahrzeuge mit Abgasnorm Euro4/IV <strong>und</strong> besser sowie entsprechend nachgerüstete Kfz eingestuft. Nach Angaben desKraftfahrt-B<strong>und</strong>esamtes vom Januar 2008 erfüllen 31,1 % (13,20 Mio.) aller in Deutschlandzugelassenen Personenwagen (41,2 Mio.) die Abgasnorm Euro 4. Im Gegensatz zuDieselfahrzeugen emittieren Ottomotorfahrzeuge bei deutlich niedrigeren NO x -Emissionen nur ca. 5 % der Stickoxide in Form von (primärem) NO 2 . Die jetzt neu in denMarkt gebrachten Diesel-Pkw dürfen nach der gültigen Abgas-Norm Euro 4 (siehe Tabelle)noch immer im Mittel ca. dreimal so viel NO x ausstoßen wie ein Ottomotor-Pkw. Daherist in den verkehrsbelasteten Straßenschluchten trotz der insgesamt rückläufigen NO x -Emissionen kein Rückgang der NO 2 -Immissionsbelastung erkennbar.PkwNO x -GrenzwertJahr[g/km]desInkrafttretensDiesel OttoSchwere Nutzfahrzeuge (Lkw, Busse)Jahr desInkrafttretensEuro 3 2000 0,50 0,15 Euro III 2000 5,0Euro 4 2005 0,25 0,08 Euro IV 2005 3,5Euro 5 2009 0,18 0,06 Euro V 2008 2,0Euro 6 2014 0,08 0,06 Euro VI 2013 0,4NO x -Grenzwert[g/kWh]Diesel1


Hinsichtlich der Partikelmasse hat Euro 5 einen Grenzwert von 5 mg/km; Euro 4 ist umden Faktor 5 größer, Euro 3 sogar um den Faktor 10. Bisher eingerichtete <strong>Umweltzonen</strong>haben allenfalls zur Neuanschaffung von Euro 4/IV-Fahrzeugen geführt <strong>und</strong> deshalb sogut wie keine Abgasminderungsauswirkungen gehabt. Bei Stickstoffdioxid wird erst mitEuro 6 ab 1. September 2014 für Diesel-PKW mit 80 mg/km das Niveau der Benzin-Euro4-Anforderungen erreicht, das dort bereits an 01. Januar 2005 gilt.Die NO x -Emissionen aus dem Straßenverkehr haben für die NO 2 -Belastung eine besondereBedeutung. Diese rührt zum einen aus der niedrigen Quellhöhe <strong>und</strong> zum andern ausdem hohen NO 2 -Anteil im Abgas her. Die NO x -Emissionen der Fahrzeuge stellen prinzipiellein Gemisch aus NO 2 (primäres NO 2 ) <strong>und</strong> Stickstoffmonoxid (NO) dar. NO wird nachfolgendin luftchemischen Prozessen in NO 2 umgewandelt (luftchemisch gebildetes NO 2 ).In den vergangenen Jahren hat sich der Anteil von primärem NO 2 aus Fahrzeugabgasenerhöht. Dabei spielen vor allem die Zunahme der Diesel-Pkw sowie der Anteil von NO 2 imAbgas neuer Diesel-Pkw eine wichtige Rolle. Die Erhöhung des Anteils von NO 2 im Abgastritt bei Diesel-Pkw ab der Abgasstufe Euro 3 auf, die mit Oxidationskatalysatorenausgestattet sind. Diese Katalysatoren bewirken nicht nur, dass unverbrannte Kohlenwasserstoffe<strong>und</strong> CO im Abgas gemindert werden, sondern wandeln auch NO in NO 2 um,so dass bis zu über 50 % der Stickoxide in Form von (primärem) NO 2 freigesetzt werden.Bei schweren Nutzfahrzeugen tritt das Problem der erhöhten NO 2 -Anteile im Abgas nurbei den Fahrzeugen auf, die mit einer Kombination aus Oxidationskatalysator <strong>und</strong> Dieselpartikelfilter,dem sog. CRT-System, ausgestattet sind. Bis zu 60 % der Stickoxide imAbgas werden direkt in Form von NO 2 emittiert.Anhand von modellhaften Berechnungen für eine typische Innerortssituation in Deutschlandmit einem durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommen von 40.000 Kfz (4 %Lkw <strong>und</strong> 0,5 % Busse) wurde gezeigt (Ifeu, 2007):Die NO x -Emissionen nahmen zwischen 1995 <strong>und</strong> 2005 trotz Zunahme des Dieselanteilsin der Pkw-Flotte um 40 % ab. Mit Einführung der Pkw-GrenzwertstufenEuro 5 <strong>und</strong> Euro 6 kommt es bis 2020 zu einem Rückgang der NO x -Emissionenum 60 % gegenüber 1995.Die NO 2 -Emissionen gingen bis 1999 zurück, sind danach aber deutlich angestiegen,weil zunehmend die Euro 3- <strong>und</strong> Euro 4-Diesel-Pkw mit den Oxidationskatalysatorenin die Flotte gekommen sind. Erst mit dem Ersatz durch weiter e-missionsreduzierte Fahrzeuge der Pkw-Grenzwertstufen Euro 5 <strong>und</strong> Euro 6 gehenab ca. 2010 die NO 2 -Emissionen zurück.Ein spürbarer Rückgang der NO 2 -Emissionen ist erst ab der Einführung von Euro 5 fürPkw, d.h. erst ab 2010 mit der fortschreitenden Fahrzeugflottenmodernisierung zu erwarten.Allerdings nicht in dem Maße, dass in 2015 der NO 2 -Grenzwert ohne zusätzlicheMaßnahmen flächendeckend einzuhalten wäre. Das Durchschnittsalter der Fahrzeugflottenimmt seit Jahren leicht zu (lt. KBA-Statistik 9,6 Jahre bei Pkw), was dazu führt, dassmoderne Fahrzeugminderungstechniken für die Durchdringung in der gesamten Fahrzeugflotteetwa bis ins Jahr 2020 benötigen werden.Nach BMU-Angaben (Lahl, April 2008) kommen nur wenige kommunale Maßnahmen derVerkehrsorganisation zur NO x -Reduzierung in Frage wie Verringerung der lokalen NO x -Emissionen durch Verkehrsverstetigung, Nutzervorteile für emissionsarme Fahrzeugeoder Verkehrsreduktion. Diese sind aber weder als Einzelmaßnahme noch bei Summenbetrachtunggeeignet, zu einer großflächigen Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwertebeizutragen oder den Zeitraum der Einhaltung der Grenzwerte wesentlich zu verkürzen.Das Verwaltungsgericht Hannover hat in seiner Verhandlung am 21.04.2009 den Luftreinhalteplander Landeshauptstadt Hannover für formell <strong>und</strong> materiell rechtmäßig erklärt.2


14.05.2009Die Landeshauptstadt Hannover ist aufgr<strong>und</strong> der Rechtslage verpflichtet gewesen, Maßnahmenzur Luftreinhaltung zu ergreifen, wenn die Grenzwerte u. a. des NO 2 -Gehaltesder Luft überschritten werden. Dies ist nach dem Ergebnis der Sachverständigenanhörungin Hannover der Fall. Die von der Beklagten gewählte Maßnahme der Umweltzone,in deren Folge Fahrzeuge mit einem bestimmten Schadstoffausstoß - nach Plakettenzeitlich gestaffelt - nicht mehr in die Umweltzone einfahren dürfen, ist nach Auffassungdes Gerichts nach dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung geeignet, die NO 2 -Belastung relevant zu reduzieren. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von Fahrzeugen,die über einen nachträglich eingebauten Rußpartikelfilter verfügen. Das Gericht hielt dieMaßnahme auch konkret für verhältnismäßig. Das Gericht hat besonders gewichtet, dassdie Stadt Hannover aufgr<strong>und</strong> der Rechtslage verpflichtet ist, sicherzustellen, dass dienormierten Grenzwerte eingehalten werden. Hierbei könne (<strong>und</strong> ggf. müsse) sie auch einMaßnahmenbündel zur Verringerung der NO 2 -Belastung ergreifen, wenn eine einzelneMaßnahme nicht effektiv genug sei. Alternativen zu den getroffenen Maßnahmen, dieweniger belastend sind, seien nicht erkennbar bzw. noch nicht ausreichend nachgewiesen.Das Gericht hat bei seiner Einschätzung der Geeignetheit <strong>und</strong> Erforderlichkeit der Einführungder Umweltzone Hannover somit eine Reduzierung von ca. 10 % der NO 2 -Belastungals ausreichend gesehen. Die Berufung beim Oberverwaltungsgericht wurde zugelassen.Die Kläger gegen die Umweltzone in Hannover haben mittlerweile erklärt, dass sie in Berufunggehen. Nun muss sich das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit den Fahrverbotenin der Landeshauptstadt befassen.Unter Fachleuten wird bereits ein Zeitraum bis 2020 diskutiert, der erforderlich ist, um dieGrenzwerte zu unterschreiten. Der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid in den letzten zweiJahren betrug an der Verkehrsstation in Hannover 56 Mikrogramm/m 3 . Die Umweltzonesoll eine Reduzierung von ca. 4 Mikrogramm/m 3 bringen. Ab 2010 gilt ein Grenzwert von40 Mikrogramm/m 3 . Das Gericht hat keine Einschätzung zur Eignung der UmweltzoneHannover bei einer weiterhin erforderlichen erheblichen Reduzierung außerhalb deskommunalen Zugriffs abgegeben. Es hat aber darauf hingewiesen, dass die Verhältnismäßigkeitder Umweltzone regelmäßig neu zu beurteilen sei. Dieses würde bedeuten,dass sie zu beseitigen wäre, sofern sich ihre Nichtwirksamkeit herausstellen würde.Fazit: Ein spürbarer Rückgang der NO 2 -Emissionen ist in Hannover mit oder ohneUmweltzone erst langfristig zu erreichen. Hierzu muss die gesamte Fahrzeugflotteauf den Abgasminderungsstandard Euro 5 <strong>und</strong> Euro 6 umgestellt sein (ca. 2010 bis2020) <strong>und</strong>/oder der Anteil von Diesel-Fahrzeugen erheblich abnehmen.In anderen Kommunen liegen die Belastungen noch erheblich höher als in Hannover,so dass dort auch die Erforderlichkeit der Einrichtung einer Umweltzone zurMinderung der NO 2 -Emissionen noch wesentlich geringer ist. Zudem hat die EU mitder Möglichkeit der Fristverlängerung bis 2015 auch deutliche Hinweise darauf gegeben,dass mögliche Ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigungen bei Grenzwertüberschreitungenvon Stickstoffdioxid, die ab 2010 gelten, nicht als so gravierend zu bewertensind, dass unmittelbare Maßnahmen zum Ges<strong>und</strong>heitsschutz der Bevölkerungzu ergreifen wären.3

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