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„Physiologie von Bewusstsein und Akutschmerz“

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<strong>Bewusstsein</strong> in der Medizin<strong>Bewusstsein</strong> besteht aus:• Aufmerksamkeit• Orientierung• Denken• Erinnerung• Handeln• Schutzreflexe <strong>und</strong> Schmerz


Hierarchisch aufgebaute <strong>Bewusstsein</strong>szuständeKomaREM-SchlafSomnolenzRelaxationScanningVigilanzTenazität(nur psychovegetative Reaktionen)(verschieden hohe Erlebensgrade beim Träumen)(leichtes Hypnosestadium, teilweise Erinnerung)(Dösen ohne gezielte Aufmerksamkeit)(schweifende Aufmerksamkeit)(Daueraufmerksamkeit über längere Zeit)(höchste Anspannung <strong>und</strong> Verarbeitungsintensität)


Neuronale Korrelate <strong>von</strong> <strong>Bewusstsein</strong>? (Brodman)1-3: Somatosensorischer Cortex4: Primärmotorischer Cortex8: Frontales Augenfeld17: Primäre Sehrinde18,19: Sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Sehrinde22: Wernicke-Areal (sens. Sprachregion)41: Primäre Hörrinde42: Sek<strong>und</strong>äre Hörrinde44, 45: Broca-Areal (motorische Sprachregion)


Das Qualia – Problem, das Intensionalitätsproblem• Weshalb führen manche neuronalen Prozesse zur Bewusstwerdung einesSinnesreizes <strong>und</strong> andere nicht?• Während tiefen Schlafens, einer Narkose oder einigen Arten <strong>von</strong> Koma <strong>und</strong>Epilepsie sind weite Teile des Gehirns aktiv, ohne <strong>von</strong> bewussten Zuständenbegleitet zu werden• Nur ein kleiner Teil der Reize, die vom Gehirn verarbeitet werden, gelangtauch in das <strong>Bewusstsein</strong>:Binokulare Rivalität (weite Teile des Gehirns werden <strong>von</strong> den nichtbewusst wahrgenommenen Sehreizen aktiviert)Blind - Sight (Rindenblindheit): Visuelle Informationen werden zwarverarbeitet, gelangen aber nicht in das <strong>Bewusstsein</strong>


<strong>Bewusstsein</strong>s assoziierte GehirnregionenPosterior-lateraler corticothalamischer KomplexNach Prof. Nau aus Alkire et al., Science (2008)


Bewusstlosigkeit: Verlust kortikaler Integration <strong>und</strong>InformationskapazitätNach Prof. Nau aus Alkire et al., Science (2008)


Bewusstlosigkeit: Verlust kortikaler IntegrationWachheit:AusgeglicheneTransfer-Entropie(gerichtete Interaktionenzwischen Gehirnregionen)in Feedforward <strong>und</strong>Feedback-Richtung.Anästhesie:ReduzierteFeedback-Transfer-EntropieAntworten auf Blinklicht (0,2 Hz) im visuellen occipitalen Cortex:Wachheit:Antworten imvisuellen occipitalenCortex,spätere Antwort imparietalenAssoziationscortexNach Prof. Nau aus Alkire et al., Science (2008)Anästhesie:Occipitale Antwortisterhalten, aberkürzer,die parietale istabgeschwächt(ReduktioncoritkalerInteraktion)


Bewusstlosigkeit: Verlust kortikalerInformationskapazitätFeldpotentiale vor <strong>und</strong> nach LichtblitzenWachheit:Feldpotentiale sindklein <strong>und</strong> variabel,maskiert durchspontane neuronaleAktivitätAnästhesie:Aktivitäts-Bursttreten spontan<strong>und</strong> nach jedemLichtblitz aufWachheit:Die -Burst-AntwortenverschiedenerGehirnregionen sindunterschiedlich verteiltAnästhesie:Die -Burst-AntwortenverschiedenerGehirnregionen sinduniform ohneregionale SpezifitätNach Prof. Nau aus Alkire et al., Science (2008)


Beurteilung des <strong>Bewusstsein</strong>s• Bis heute schwierig• Indirekt während Narkose aus Herzfrequenz, Blutdruck, vegetativenSymptomen• Indirekte Beurteilungsmethoden aus Neurologie:Ansprechbar, vigilant, 4 – Fach orientiert, Amnesie


Beurteilung des <strong>Bewusstsein</strong>s• Neurochirurgische Skala zur Beurteilung des SHT (GCS)


Beurteilung des <strong>Bewusstsein</strong>s• Beurteilung der Narkosetiefe <strong>und</strong> des <strong>Bewusstsein</strong>s durch das Guedel –Schemanach Arthur E. Guedel


Beurteilung des <strong>Bewusstsein</strong>s• Geräteentwicklungen auf Basis des ElektroenzephalogrammsGamma – Wellen:Beta - Wellen:Alpha – Wellen:Theta – Wellen:Delta – Wellen:Burst – Suppression:BIS :Höchste AufmerksamkeitMuskelanspannung,offene Augen,Aufmerksamkeit, REM - Schlafgeschlossene Augen,WachzustandSchläfrigkeit, leichter SchlafTraumloser TiefschlafIsoelektrische Stille, Null – LinieBispekral - Index


Beurteilung des <strong>Bewusstsein</strong>s• Burst – Suppression:Wodurch entsteht Burst –Suppression:• Zu tiefe Narkose• Intoxikationen• Tod


Beurteilung des <strong>Bewusstsein</strong>s• Geräteentwicklung: BIS - Monitor


Zielstrukturen Klinischer AnästhestikaNach Prof. Nau aus Alkire et al., Science (2008)


Genauer Wirkmechanismus der Anästhetika• Die genaue Wirkung der Anästhetika auf den menschlichen Organismus istnicht geklärt• Es existieren vielfältige Substanzgruppen, welche auf GABA-, NMDA-Rezeptoren oder Ähnliches wirken• Ergebnisse aus Zell- oder Tiermodellen lassen sich nicht auf den Menschenübertragen


Narkosetheorien• Theorie des kritischen Volumens:Absorption der Anästhetika in die doppelschichtige PhospholipidschichtVolumenexpansion mit Obstruktion der Natriumkanäle• Fluidisationstheorie:Störung der parallel angeordneten Fettalkylketten innerhalb derPhospholipidmembran, dadurch Störung der Membranproteine• Gashydrattheorie:Bildung <strong>von</strong> hydratisierten Mikrokristallen in den hydrophilen Schichtender Zellmembran• Proteinvermittelte Wirkung:Hemmung des Abbaus <strong>von</strong> GABA, dadurch Verschiebung desGABA/NMDA – Gleichgewichts zugunsten der GABAergen Hemmung


Schlussfolgerungen• Die meisten Anästhetika führen zu Bewusstlosigkeit, in dem sie einenposterior-lateralen corticothalamischen Komplex deaktivieren odereine funktionelle Diskonnektion seiner Subregionen verursachen.• <strong>Bewusstsein</strong> erfordert ein integriertes System mit großem Repertoireunterschiedlicher Zustände. Anästhetika produzieren Bewusstlosigkeitdurch Verhindern der Integration oder Reduktion der Information.


Zeitgemäße Definition des Schmerzes (IASP)keine kausale Verknüpfung• Gewebsschädigung• SchmerzreaktionSchmerz ist einunangenehmesSinnes- <strong>und</strong> Gefühlserlebnis,das miteiner aktuellen oderpotentiellen Gewebsschädigungeinhergehtodergleichberechtigt• emotionale Komponente• sensorische Komponentemit Begriffen einersolchen Schädigungbeschrieben wird• subjektive Empfindung• objektivierbare Läsionals Reizauslösung kann fehlen


Descartes: „De homine“ 1644René Descartes (1596-1650)Schmerzen sind<strong>Bewusstsein</strong>svorgänge, die durchAktivierung der Zirbeldrüse (F)entstehen („Hirn-Seelen Interface“)


Allodynie <strong>und</strong> HyperalgesieHyperalgesieHyperalgesie:Allodynie:verstärkte Schmerzantwort auf schmerzhafte StimuliSchmerzen auf normalerweise nicht schmerzhafte Stimuli


Gr<strong>und</strong>gliederung der peripheren Schmerzbahn mitFunktionen


Das nozizeptive System1. Neuron:Nozizeptor


Nozizeptoren in unverletzter HautEpidermisDermisMechanozeptorenNozizeptoren:Sensoren für schmerzhafte Reize<strong>und</strong> diedazugehörigen afferenten NeuroneNozizeptoren antworten aufschmerzhafte Reize hoherReizintensitätenThermozeptorenNozizeptorenNozizeptor-Typen:• A-Faser Nozizeptorendünn, myelinisiert, 2-40 m/s(“schnell”)• C-Faser Nozizeptorennicht myelinisiert,


Freie <strong>und</strong> korpuskuläre Nervenendigungen imGewebe


Signaltransduktoren in unverletzter Hautadaptiert <strong>von</strong>: Prof. Nau aus Scholz and Woolf, Nature (2002)


Signaltransduktoren in unverletzter Hautadaptiert <strong>von</strong>: Prof. Nau aus Scholz and Woolf, Nature (2002)


Nozizeptive Signaltransduktionunter physiologischen Bedingungen


Pathophysiologie des SchmerzesNervenbahnen sind keine Einbahnstraßen!CGRP, COX2Na-KanalBK1-RBei Nervenverletzungen kommt es zur Bildung <strong>und</strong> Freisetzungverschiedener Mediatoren <strong>und</strong> Rezeptoren.Diese werden über den axonalen Transport sowohl nach zentralals auch nach peripher geleitet.


Pathophysiologie –periphere <strong>und</strong> zentrale MechanismenNervenläsionMassiver AP-Einstrom auf spinalerEbeneIntrazelluläremolekulareVeränderungAnzahl der Rezeptoren (AMPA, NMDA, NK1)Antero- u.retrograder axonalerTransportExpression <strong>von</strong>BradykininrezeptorenNeuropeptide Freisetzung <strong>von</strong> TNF,IL-1 NGF Lokale Wirkung:Na-Kanäle Zytokine Induktion <strong>von</strong>COX-2ZentraleSensibilisierungPeriphere Sensibilisierung


Neurogene Entzündung• Polymodale C-Fasern können bei Erregung anihren peripheren Terminalen Neuropeptidewie Substanz P oder CGRP freisetzen• Diese Neuropeptide führen zurVasodilatation <strong>und</strong> Plasmaextravasation,<strong>und</strong> sie können Nozizeptorensensibilisieren


Allodynie <strong>und</strong> HyperalgesieHyperalgesieHyperalgesie:Allodynie:verstärkte Schmerzantwort auf schmerzhafte StimuliSchmerzen auf normalerweise nicht schmerzhafte Stimuli


Sensibilisierungsvorgänge–Allodynie <strong>und</strong> HyperalgesiePeriphere <strong>und</strong> zentrale Mechanismen :Berührung Schmerz Allodynie verstärkter Schmerz HyperalgesieSchmerzNervC-FaserA delta-Faser


Periphere <strong>und</strong> zentrale Sensibilisierungen führen zueiner erhöhten SchmerzhaftigkeitGoscinny et al. Asterix 1978Hyperalgesie


Das nozizeptive System1. Neuron:Nozizeptor2. Neuron:Projektionsneuronim Hinterhorn desRückenmarks


Das Hinterhorn des Rückenmarks• Projektionsneurone:- Nozizeptor-spezifische Projektionsneurone- „Wide-dynamic-range“ Neurone• Interneuronekönnen nozizeptive Impulse hemmen oderverstärken• Die schnelle exzitatorische synaptischeTransmission wird durch Glutamat vermittelt,welches AMPA-Rezeptoren aktiviert.AMPA-Rezeptoren


Nozizeption spinalÜbertragung dernozizeptiven Informationvom ersten auf daszweite NeuronCCK BATP CAMP NMDAATP CAMP Opioid-Rezeptor


Nozizeption spinalATP CAMP CCK BNMDAATP CAMP Opioid-Rezeptor


Nozizeptive Afferenz (Schmerzbahn)SchmerzwahrnehmungHaut-NozizeptorenHinterhorn-NeuronVorder-SeitenstrangKonvergenz-NeuronViszeraleNozizeptoren


Physiologische Gr<strong>und</strong>lagenViszerale Nozizeptoren• machen nur 1-2% aller spinalen Afferenzen aus• sind in der Regel polymodal• können hoch- oder niedrigschwellig sein• können durch physikalische <strong>und</strong> chemische Reize aktiviert werden• können sensibilisiert werden (z.B. durch Entzündungen)Eine Aktivierung <strong>von</strong> viszeralen Nozizeptoren• wird häufig <strong>von</strong> negativen Empfindungen begleitet• führt zu vegetativen Begleiterscheinungen


Viszerale Nozizeptoren können sensibilisiert werden:Viszerale HyperalgesieSensibilisierung durchexperimentell induzierteEntzündungen (Tiermodell)SensibilisierungbeiPatientenmit ColonirritabileKontrollgruppeBallondilatationdes DickdarmsBallondilatation des DickdarmsGebhart et al., 2000Ritchi et al., 1985


Spinale Projektion <strong>von</strong> afferenten C-FasernJänig & Häbler, 2002Viszerale Afferenzen projizieren rostrokaudal über mehrere spinaleSegmente, mediolateral über die gesamte Breite des Hinterhorns <strong>und</strong> in daskontralaterale Hinterhorn. Alle Sek<strong>und</strong>ärneurone sind viszerosomatischeKonvergenzneurone (können auch <strong>von</strong> Haut bzw. Muskelafferenzen erregtwerden).


Nozizeptive Afferenzen des Gastrointestinaltraktesnach Keller & Layer


Konvergenz viszeraler <strong>und</strong> nozizeptiver AfferenzenHaut-NozizeptorenWestl<strong>und</strong>-High konnteeine zusätzliche Bahnder viszeralenAfferenzen in denHintersträngennachweisen.Viszerale NozizeptorenVorder-Seitenstrang


Das nozizeptive System3. Neuron:Neuron in denThalamuskernen2. Neuron:Projektionsneuronim Hinterhorn desRückenmarks1. Neuron:Nozizeptor


Der Thalamus: Umschaltung/ Selektion sensorischerInformationSchmerzkomponenten: sensorisch-diskrimminativaffektiv-motivationalkognitiv• „laterales Schmerzsystem“:- laterale thalamische Kerngebiete- somatosensorischer Kortex- Reizdetektion, Lokalisation, Qualitäts- <strong>und</strong>Intensitätsdiskrimmination- sensorisch-diskrimminative Komponente• „mediales Schmerzsystem“:> mediale thalamische Kerngebiete> limbischer Kortex> affektiv-motivationale Komponente


Das nozizeptive System4. Neuron:Neuron imsomatosensorischenCortex3. Neuron:Neuron in denThalamuskernen1. Neuron:Nozizeptor2. Neuron:Projektionsneuronim Hinterhorn desRückenmarks


Somatosensorischer Kortex• Somatosensorischer Kortex S1Gyrus postcentralisTiefe des Sulcus centralis (Brodmann 1-3)- Sensorische diskrimminative Aspekte• Somatosensorischer Kortex S2posterior <strong>von</strong> S1 über dem Sulcus lateralissensible Assoziationsareale


Limbisches System• Amygdala:Erlernen <strong>von</strong> Angstreaktionen,angstbedinge Schmerzunterdrückung• Gyrus cinguli: Schmerz = unangenehmes Erlebnis


Das nozizeptive SystemSomatosensorischerCortexThalamuszum limbischenSystemabsteigendesantinozizeptivesSystemNozizeptorenTractus spinothalamicusHinterhorn desRückenmarks


Das absteigende antinozizeptive System• hemmt die synaptische Verarbeitung nozizeptiverImpulse <strong>und</strong> setzt die Schmerzempfindung herab• entspringt aus dem zentralen Höhlengrau desMittelhirns <strong>und</strong> aus den Kerngebieten der Formatioreticularis• beteiligt sind auch höhere Hirnzentren (zerebralerKortex), verschiedene limbische Strukturen <strong>und</strong> derHypothalamus• Neurotransmitter: Opioide, Serotonin,Noradrenalin• Opioide aktivieren das absteigendeschmerzhemmende System• Auf der Rückenmarksebene inhibieren dieabsteigenden Bahnen die Hinterhornneurone <strong>und</strong>aktivieren inhibitorische Interneurone, dieEnkephalin freisetzen


Vielen Dank für Ihre AufmerksamkeitDr. med. Andreas P. Wehrfritz, MHBAAnästhesiologische Klinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

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