SEX SELLS » Frauen in der Werbung - Frauenzentralen
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Recht und Unrecht<br />
Die Stilmittel im Kampf um Wahrnehmung und Bekanntheit<br />
s<strong>in</strong>d vielfältig und die Grenzen zwischen kreativ und dennoch<br />
korrekt und diskrim<strong>in</strong>ierend s<strong>in</strong>d sehr oft schwierig<br />
auszumachen. Die Jurist<strong>in</strong> Silvia Hunziker hat e<strong>in</strong> paar<br />
konkrete Beispiele recherchiert.<br />
«Geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierende <strong>Werbung</strong><strong>»</strong> wird häufig<br />
mit <strong>Werbung</strong> mit leicht bekleideten Personen<br />
gleichgesetzt. Nicht jede <strong>Werbung</strong>, die mit nackter<br />
Haut Aufmerksamkeit erregt, ist jedoch per se sexistisch<br />
bzw. geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierend. So erachtete<br />
die Schweizerische Lauterkeitskommission etwa die<br />
Sloggi-Werbekampagne nicht als sexistisch, weil e<strong>in</strong><br />
Zusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt<br />
(Str<strong>in</strong>g-Unterhose) und dem <strong>Frauen</strong>körper als Werbeträger<strong>in</strong><br />
bestand. Mangels solchen Zusammenhangs<br />
gutgeheissen hat die Schweizerische Lauterkeitskommission<br />
am 19. Mai 2008 h<strong>in</strong>gegen die Beschwerde<br />
gegen die <strong>Werbung</strong> im «Schweizer Bauer<strong>»</strong> vom<br />
November 2007, wo mit e<strong>in</strong>er unbekleideten, nur teilweise<br />
abgedeckten Frau für e<strong>in</strong> Pflanzenschutzmittel<br />
geworben wurde. Die dargestellte Frau diene als re<strong>in</strong>er<br />
Blickfang.<br />
<strong>Werbung</strong> für Unterwäsche, Parfüm, Bademode o<strong>der</strong><br />
-ferien mit leicht bekleideten Modellen kann also<br />
durchaus zulässig se<strong>in</strong>. Umgekehrt muss <strong>Werbung</strong><br />
mit bekleideten Personen o<strong>der</strong> sogar mit Gegenständen<br />
als sexistisch e<strong>in</strong>gestuft werden, wenn sie sich<br />
Stereotypen und traditioneller Geschlechterrollen<br />
bedient. Die Abgrenzung wird weiter erschwert, weil<br />
Humor und Ironie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Werbung</strong> vielfach e<strong>in</strong>gesetzte<br />
Stilmittel s<strong>in</strong>d. Dadurch werden die Grenzen zwischen<br />
zulässiger und unzulässiger <strong>Werbung</strong> weiter verwischt.<br />
Dies ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im strafrechtlichen Bereich problematisch,<br />
wo aufgrund des Legalitätspr<strong>in</strong>zips e<strong>in</strong>e<br />
möglichst genaue Umschreibung des unter Strafe<br />
gestellten Handelns verlangt wird.<br />
Def<strong>in</strong>ition und Merkmale<br />
E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> gültige Def<strong>in</strong>ition geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ieren<strong>der</strong><br />
<strong>Werbung</strong> existiert nicht, ist die Beurteilung<br />
von <strong>Werbung</strong> doch vor allem vom persönlichen<br />
Werteverständnis, vom subjektiven Empf<strong>in</strong>den und<br />
vom Geschlecht <strong>der</strong> urteilenden Person abhängig.<br />
Gemäss dem Grundsatz 3.11 <strong>der</strong> Schweizerischen<br />
Lauterkeitskommission liegt geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierende<br />
<strong>Werbung</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann vor wenn:<br />
• Männern o<strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> stereotype Eigenschaften<br />
zugeschrieben werden und damit die Gleichwer-<br />
tigkeit <strong>der</strong> Geschlechter <strong>in</strong> Frage gestellt wird;<br />
• Unterwerfung o<strong>der</strong> Ausbeutung dargestellt<br />
werden o<strong>der</strong> zu verstehen gegeben wird, dass<br />
Gewalt o<strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anzgebaren tolerierbar seien;<br />
wenn sie die Person als Objekt von Unterwerfung,<br />
Silvia Hunziker<br />
Untertänigkeit, Ausbeutung etc. darstellt;<br />
• das K<strong>in</strong>des- o<strong>der</strong> Jugendalter nicht mit erhöhter<br />
Zurückhaltung respektiert wird;<br />
• zwischen <strong>der</strong> das Geschlecht verkörpernden Person<br />
und dem Produkt ke<strong>in</strong> natürlicher Zusammen-<br />
hang besteht;<br />
• die Person <strong>in</strong> re<strong>in</strong> dekorativer Funktion als Blickfang<br />
dargestellt wird;<br />
• e<strong>in</strong>e unangemessene Darstellung von Sexualität<br />
vorliegt.<br />
Rechtliche Aspekte<br />
Während pornographische <strong>Werbung</strong> – die Darstellung<br />
menschlicher Geschlechtsteile o<strong>der</strong> sexueller Handlungen<br />
– nach Art. 197 des schweizerischen Strafgesetzbuches<br />
(StGB) strafbar ist, wenn sie öffentlich<br />
gezeigt o<strong>der</strong> Jugendlichen unter 16 Jahren zugänglich<br />
gemacht wird, hat sich das schweizerische Parlament<br />
bis heute dagegen gesträubt, Normen zur geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierenden<br />
Webung zu erlassen. E<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Motion von Doris Stump (Motion 06.3373)<br />
ist <strong>der</strong>zeit noch hängig. Die geltenden Gesetze, welche<br />
Bereiche <strong>der</strong> <strong>Werbung</strong> regeln, namentlich das Bundesgesetz<br />
gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)<br />
und das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG), erwähnen<br />
geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierende <strong>Werbung</strong> nicht. Auch<br />
im Völkerrecht sowie <strong>in</strong> den Verfassungen f<strong>in</strong>den sich<br />
nur – aber immerh<strong>in</strong> – allgeme<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbote<br />
aufgrund des Geschlechts, so z.B. im UNO-<br />
Übere<strong>in</strong>kommen zur Beseitigung je<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
<strong>der</strong> Frau (Convention on the Elim<strong>in</strong>ation<br />
of any k<strong>in</strong>d of Discrim<strong>in</strong>ation aga<strong>in</strong>st Women; CEDAW),<br />
das die Schweiz im Jahre 1997 ratifizierte, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention, <strong>in</strong> <strong>der</strong> schweizerischen<br />
Bundesverfassung (Art. 8 BV) sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Verfassung des Kantons Zürich (Art. 11).<br />
Spezifische Verbote geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ieren<strong>der</strong><br />
<strong>Werbung</strong> existieren auf kommunaler Ebene, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Regelung <strong>der</strong><br />
Nutzung des öffentlichen Grundes. In <strong>der</strong> Stadt Zürich<br />
kann gemäss Art. 8 <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Polizeiverordnung<br />
<strong>der</strong> Stadt Zürich (APV) jedes Verhalten, das e<strong>in</strong>e<br />
o<strong>der</strong> mehrere Personen belästigt, gebüsst werden.<br />
Darunter fällt jede Art von Belästigung im öffentlichen<br />
Raum. Art. 13 <strong>der</strong> Vorschriften über das Anbr<strong>in</strong>gen von<br />
Reklameanlagen auf öffentlichem Grund (VARöG) verbietet<br />
seit Mitte Mai 2008 ausdrücklich Plakate, die<br />
Personen aufgrund ihres Geschlechts diskrim<strong>in</strong>ieren.<br />
2 Werberecht<br />
3<br />
Schliesslich bedarf je<strong>der</strong> Aushang e<strong>in</strong>es Plakats auf<br />
öffentlichem Grund e<strong>in</strong>er Bewilligung <strong>der</strong> Stadt Zürich.<br />
Ausnahmsweise, bei Megapostern, gilt e<strong>in</strong> Aushangverbot<br />
auch für den privaten Grund.<br />
Um ethischen Standards zu genügen, setzt die Schweiz<br />
(statt auf gesetzliche Regelungen) auf die Selbstregulierung<br />
durch die Werbewirtschaft selbst. Zum Zweck<br />
<strong>der</strong> Selbstkontrolle wurde die Schweizerische Lauterkeitskommission<br />
<strong>in</strong>s Leben gerufen. Sie beurteilt<br />
<strong>Werbung</strong> gemäss eigens formulierter Grundsätze, die<br />
sich auf die Grundregeln <strong>der</strong> Internationalen Handelskammer<br />
ICC stützen und <strong>in</strong> Grundsatz 3.11 (vgl. Def<strong>in</strong>ition<br />
und Merkmale) geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierende<br />
<strong>Werbung</strong> umschreiben und verbieten.<br />
Was können Sie gegen geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierende<br />
<strong>Werbung</strong> unternehmen?<br />
Jede Person ist berechtigt, bei <strong>der</strong> Schweizerischen<br />
Lauterkeitskommission e<strong>in</strong>e Beschwerde wegen unlauterer<br />
<strong>Werbung</strong> e<strong>in</strong>zureichen. Auf <strong>der</strong>en Homepage<br />
(www.lauterkeit.ch) f<strong>in</strong>den sich die Wegleitung zur<br />
Abfassung und E<strong>in</strong>reichung e<strong>in</strong>er Beschwerde, e<strong>in</strong><br />
Beschwerdeformular und e<strong>in</strong>e Musterbeschwerde<br />
zum Herunterladen. Das Verfahren ist kostenlos. Der<br />
betreffenden Firma, gegen <strong>der</strong>en <strong>Werbung</strong> sich die<br />
Beschwerde richtet, wird Gelegenheit zur Stellungnahme<br />
e<strong>in</strong>geräumt. Gelangt die Lauterkeitskommission<br />
zum Schluss, die <strong>Werbung</strong> sei unlauter, for<strong>der</strong>t<br />
sie die Firma zur E<strong>in</strong>stellung dieser <strong>Werbung</strong> auf.<br />
Kommt die Firma dieser Auffor<strong>der</strong>ung nicht nach, kann<br />
die Lauterkeitskommission Sanktionen beschliessen.<br />
So for<strong>der</strong>te die Lauterkeitskommission die Firma, die<br />
im «Schweizer Bauer<strong>»</strong> für Pflanzenschutzmittel geworben<br />
hatte, auf, <strong>in</strong>skünftig auf diese Art <strong>der</strong> <strong>Werbung</strong> zu<br />
verzichten.<br />
Nebst e<strong>in</strong>er Beschwerde an die Schweizerische Lauterkeitskommission<br />
existieren zahlreiche weitere Reaktionsmöglichkeiten,<br />
so kann man auch e<strong>in</strong>en Brief an<br />
die Firma und an die Werbeagentur schreiben, sich<br />
bei <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de (wo das Plakat steht) o<strong>der</strong> etwa bei<br />
<strong>der</strong> VBZ beschweren o<strong>der</strong> sich an e<strong>in</strong>e Politiker<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>en Politiker wenden.<br />
Silvia Hunziker, Jurist<strong>in</strong>, Wädenswil, Mentee<br />
Quellen und weiterführende L<strong>in</strong>ks:<br />
Homepage <strong>der</strong> Fachstelle für Gleichstellung<br />
<strong>der</strong> Stadt Zürich:<br />
www.stadt-zuerich.ch/content/<strong>in</strong>ternet/bfg/<br />
home/diskrim<strong>in</strong>ierende_werbung<br />
Homepage <strong>der</strong> Lauterkeitskommission:<br />
www.lauterkeit.ch<br />
Gesetze:<br />
www.adm<strong>in</strong>.ch (Bund); www.zhlex.zh.ch/<strong>in</strong>ternet/zhlex/de/home.html<br />
(Kanton Zürich)<br />
Weitere:<br />
www.equality.ch/d/aktuell.htm,<br />
www.parlament.ch (Motionen etc.)<br />
www.ebg.adm<strong>in</strong>.ch (Eidg. Büro für die Gleichstellung<br />
von Frau und Mann)