SEX SELLS » Frauen in der Werbung - Frauenzentralen
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<strong>Werbung</strong> als Spiegel <strong>der</strong> Gesellschaft?<br />
Das Thema <strong>Werbung</strong> und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>en Auswirkungen <strong>in</strong> Bezug auf die<br />
Geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierung und die Gesellschaft beschäftigte e<strong>in</strong>ige Mentees<br />
stark. Carol<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>berger-Metzler und Vera Wenger im Gespräch mit vier Profis.<br />
6 R o u n d t a b l e<br />
V. Wenger: Hat <strong>Werbung</strong> e<strong>in</strong>e soziale Verantwortung<br />
und wenn ja, welche?<br />
D. Heim: <strong>Werbung</strong> hat e<strong>in</strong>e soziale Verantwortung,<br />
denn sie arbeitet ganz stark mit Bil<strong>der</strong>n, die bekanntlich<br />
e<strong>in</strong>e sehr grosse, unmittelbare Wirkung haben,<br />
weil sie nicht über den Kopf gehen, son<strong>der</strong>n gleich die<br />
Gefühle tangieren. Es passiert somit viel auf <strong>der</strong> unbewussten<br />
Ebene. Ausserdem f<strong>in</strong>det <strong>Werbung</strong> im öffentlichen<br />
Raum statt, auf dem man sich ihr nicht entziehen<br />
kann. Insbeson<strong>der</strong>e die sogenannten Megaposter<br />
haben e<strong>in</strong>e grosse Wirkung auf Jugendliche.<br />
Daniela Jakab, Kreativ-Direktor<strong>in</strong> <strong>der</strong> Agentur «Proud Mary<strong>»</strong>,<br />
Dore Heim, Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> städtischen Fachstelle für Gleichstellung.<br />
R. Hal<strong>der</strong>: Ich kann das im Grossen und Ganzen nur<br />
unterschreiben, weil es schlechte <strong>Werbung</strong> wäre,<br />
wenn sie emotional nicht berühren würde. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
kann auch e<strong>in</strong> Produkt, für das man wirbt, diese<br />
Grenze schon überschreiten; Beispiel Alkohol o<strong>der</strong><br />
mittlerweile auch Fastfood, bei <strong>der</strong>en Bewerbung die<br />
soziale Verantwortung oft etwas mit Füssen getreten<br />
wird.<br />
D. Jakab: Ja, die Agenturen tragen e<strong>in</strong>e soziale Verantwortung.<br />
So wie jedes Unternehmen soziale Verantwortung<br />
trägt. Wir als Agentur geben Unternehmen<br />
e<strong>in</strong> Gesicht und wir können dabei e<strong>in</strong>iges steuern.<br />
Dabei muss man sich schon bewusst se<strong>in</strong>, dass <strong>Frauen</strong>bil<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Alter auch e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Vorbildfunktion haben. Wobei ich nicht f<strong>in</strong>de, dass<br />
<strong>Werbung</strong> e<strong>in</strong>e erzieherische Funktion wahrnehmen<br />
sollte. Aber im Mix mit an<strong>der</strong>en Medien wirkt sie<br />
bee<strong>in</strong>flussend. Spannend <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
f<strong>in</strong>de ich die Zwischentöne. Wo ist die offensichtli-<br />
che Diskrim<strong>in</strong>ierung, wo die unterschwellige? Wo<br />
ist die Grenze? Erkenne ich e<strong>in</strong>e Dramatisierung klar<br />
als Werbe-Stilmittel? Gefährlicher f<strong>in</strong>de ich gewisse<br />
Klischees o<strong>der</strong> Geschlechterhierarchien, die unterschwellig<br />
zementiert werden. Das kann auch unbewusst<br />
stattf<strong>in</strong>den, auch auf Werberseite. Wir arbeiten<br />
alle unter wahns<strong>in</strong>nigem Zeitdruck. Da fliesst schon<br />
viel Unbewusstes mit re<strong>in</strong>: me<strong>in</strong> eigenes Rollenbild,<br />
me<strong>in</strong> eigenes Verständnis von <strong>Frauen</strong> und Männern.<br />
Was ist für mich männlich und was weiblich? Im Kreativprozess<br />
bleibt oft zu wenig Zeit für Reflektion.<br />
R. Hal<strong>der</strong>: Es gibt auch Momente, wo man mit Absicht<br />
an e<strong>in</strong>e Grenze geht. Zum Beispiel das bekannte<br />
Unterwäsche-Plakat mit den schönen H<strong>in</strong>tern. Da<br />
wollte man schöne H<strong>in</strong>tern zeigen, geht auch mal<br />
extra ans Limit, was dann für gewisse Leute schon<br />
klar zu weit geht.<br />
C. Zechner: Natürlich setzt je<strong>der</strong> Mensch se<strong>in</strong>e ganz<br />
persönliche Grenze im H<strong>in</strong>blick auf «was ist noch<br />
tolerierbar und was ist geschmacklos<strong>»</strong>. Diese persönliche<br />
Def<strong>in</strong>iton ist abhängig vom Kultur- und Gesellschaftse<strong>in</strong>fluss,<br />
vom Bildungsgrad, vom momenten<br />
Alter und von ganz eigenen und persönlichen Erfahrungen.<br />
Bei Sloggi gehe ich z.B. nicht auf die Barrikaden,<br />
weil <strong>der</strong> Zusammenhang mit dem Produkt und<br />
<strong>der</strong> nackten Haut auf <strong>der</strong> Hand liegt und als klare<br />
Werbebotschaft decodiert werden kann.<br />
D. Heim: Es geht nicht so sehr darum, dass e<strong>in</strong> «Körperteil<br />
als Blickfang<strong>»</strong> e<strong>in</strong>gesetzt wird, son<strong>der</strong>n es<br />
geht vielmehr um die computerbearbeiteten Körper<br />
und die unrealistischen weiblichen Körpernormen,<br />
die die <strong>Werbung</strong> damit setzt.<br />
C. Zechner: Da haben Sie natürlich Recht. Über die<br />
Thematik <strong>der</strong> Bildbearbeitung könnten wir uns<br />
sicherlich stundenlang unterhalten, denn es ist e<strong>in</strong><br />
riesiges Diskussionsfeld. Heutzutage werden alle<br />
Bil<strong>der</strong> im Bereich <strong>der</strong> Kosmetik, Mode, Lifestyle usw.<br />
strikt bearbeitet und zeigen somit Schönheitsideale,<br />
die fernab <strong>der</strong> Realität liegen.<br />
D. Heim: Und da wären wir wie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> sozialen<br />
Verantwortung. Man hat heute Möglichkeiten technischer<br />
Art, die man e<strong>in</strong>setzen kann. Aber man kann<br />
damit auch verantwortungsvoll umgehen.<br />
7<br />
Carol<strong>in</strong>e NIe<strong>der</strong>berger-Metzler,<br />
Männedorf, Mentee, Grafiker<strong>in</strong> und Krankenschwester<br />
C. Nie<strong>der</strong>berger-Metzler: Muss <strong>Werbung</strong> denn sexy se<strong>in</strong>, um Erfolg<br />
zu haben o<strong>der</strong> wie wirkungsvoll ist Erotik <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Werbung</strong>?<br />
D. Heim: Es gibt Feldstudien die belegen: je mehr nackte Haut,<br />
desto mehr fällt e<strong>in</strong>e <strong>Werbung</strong> auf, aber desto schwächer bleibt<br />
das Produkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Er<strong>in</strong>nerung haften. Besteht ke<strong>in</strong> Zusammenhang<br />
zum Produkt, verliert es an Glaubwürdigkeit. E<strong>in</strong> weiterer<br />
Aspekt, den ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Werbung</strong> beobachte, s<strong>in</strong>d die <strong>Frauen</strong>körper,<br />
die auf e<strong>in</strong>e extrem sterile und unpersönliche Art und Weise<br />
dargestellt werden. Der Körper wird als grafisches Element e<strong>in</strong>gesetzt,<br />
als formbares Element verstanden. Selten mal gibt es<br />
wirklich erotische <strong>Werbung</strong>. Diese fällt dann direkt schon wie<strong>der</strong><br />
auf.<br />
C. Nie<strong>der</strong>berger-Metzler: Stellen Sie Verän<strong>der</strong>ungen auf Kunden- o<strong>der</strong><br />
Agenturseite fest, gewisse D<strong>in</strong>ge nicht o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s abzubilden?<br />
R. Hal<strong>der</strong>: Der Trend geht <strong>in</strong> Richtung Natürlichkeit. Man möchte<br />
wie<strong>der</strong> Menschen sehen und nicht irgendetwas Stilisiertes<br />
umgesetzt haben. Zur Frage, ob <strong>Werbung</strong> erotisch se<strong>in</strong> muss: Ja,<br />
das muss sie. Es gibt den wun<strong>der</strong>schönen Begriff «Produkterotik<strong>»</strong>.<br />
Auch e<strong>in</strong> Glas kann erotisch se<strong>in</strong>. Die Emotionalität e<strong>in</strong>es<br />
Produktes muss rüberkommen. Dazu braucht es nicht irgendwo<br />
noch nackte Haut.<br />
C. Nie<strong>der</strong>berger-Metzler: S<strong>in</strong>d Auftraggeber heute sensibilisierter<br />
auf das Thema?<br />
D. Jakab: Ja, e<strong>in</strong>deutig. Die Auftraggeber s<strong>in</strong>d sich bewusst, dass<br />
<strong>Frauen</strong> e<strong>in</strong> grosser Wachstumsmarkt s<strong>in</strong>d. Sie wollen sie gezielt<br />
und richtig ansprechen. Was aber ist richtig? <strong>Frauen</strong> s<strong>in</strong>d vielseitig,<br />
vielschichtig und nicht e<strong>in</strong>fach zu erfassen. Die Kunden s<strong>in</strong>d<br />
sehr sensibilisiert; zum Teil aber schon fast verunsichert. Wie<br />
geht man mit <strong>der</strong> Thematik um, was spricht an, was nicht?<br />
D. Heim: Was ich noch wichtig f<strong>in</strong>de: Wir sprechen nun immer<br />
von <strong>Werbung</strong>, die von Profis gemacht wird, wo e<strong>in</strong> grosses Budget<br />
dah<strong>in</strong>ter steht. Wir dürfen nicht vergessen, dass e<strong>in</strong> grosser<br />
Teil <strong>der</strong> <strong>Werbung</strong>, gerade im KMU-Bereich selbst gemacht wird.<br />
Und da existiert sie immer noch, die plumpe Frau-Sex-Produkt-<br />
Schiene.<br />
R. Hal<strong>der</strong>: Das ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Punkt. Aber wenn<br />
man zum Beispiel das Umfeld <strong>der</strong> Abnehmer <strong>der</strong><br />
Baumarktprodukte anschaut, da weiss man, dass<br />
<strong>der</strong> Garagist, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Nacktbild <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Garage hat,<br />
eben die Zielgruppe bildet und man ihn so durchaus<br />
erreichen kann.<br />
D. Heim: Interessant f<strong>in</strong>de ich allerd<strong>in</strong>gs, dass es<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Autowerbung nicht deshalb ke<strong>in</strong>e <strong>Werbung</strong><br />
mit Blond<strong>in</strong>en auf <strong>der</strong> Kühlerhaube mehr gibt, weil<br />
die Werbebranche solche <strong>Frauen</strong>bil<strong>der</strong> nicht mehr<br />
will, son<strong>der</strong>n weil <strong>Frauen</strong> mittlerweile als ernstzunehmende<br />
Konsument<strong>in</strong>nen erkannt worden s<strong>in</strong>d.<br />
Und weil man weiss, dass <strong>Frauen</strong> bei Autokäufen oft<br />
massgeblich mitentscheiden.<br />
C. Zechner: Es gibt im Autobereich gute Beispiele, <strong>in</strong><br />
denen man die unterschiedlichen Kaufkriterien klar<br />
erkennt. Zum Beispiel: E<strong>in</strong>e Frau legt beim Kauf überdurchschnittlichen<br />
Wert auf Sicherheit und Umweltfreundlichkeit.<br />
E<strong>in</strong> Mann schaut zuerst auf die Motorenstärke<br />
und auf das Image <strong>der</strong> Marke.<br />
D. Heim: Die netteste Bandbreite von Geschlechterrollen<br />
stelle ich bei Banken o<strong>der</strong> Versicherungen fest.<br />
Das hat aber nichts damit zu tun, dass Banken und<br />
Versicherungen e<strong>in</strong> sehr fortschrittliches <strong>Frauen</strong>bild<br />
haben (lacht), son<strong>der</strong>n da s<strong>in</strong>d <strong>Frauen</strong> mit Geld mittlerweile<br />
e<strong>in</strong> echt <strong>in</strong>teressantes Segment. Deshalb<br />
trifft man dort immer öfter auf das wahns<strong>in</strong>nig wohltuende<br />
Bild von selbständigen, aufgestellten, autonomen<br />
<strong>Frauen</strong>. Und man denkt; ah, es gibt es also<br />
doch!<br />
Vera Wenger, Zürich, Anglistik-Student<strong>in</strong> und Mentee<br />
Ralph Hal<strong>der</strong>, Kreativ-Direktor bei <strong>der</strong> Agentur Publicis