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ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Herbst 2013 ... - Villa Grisebach

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<strong>ORANGERIE</strong><strong>Ausgewählte</strong> <strong>Objekte</strong> <strong>·</strong> Berlin, 28. November <strong>2013</strong>


„La beautén’est quela promessedu bonheur.–Das Schöneist nichts anderesals das Versprechenvon Glück.“aus Stendhals De lʼamour, 18221


Orangerie<strong>Ausgewählte</strong> <strong>Objekte</strong>Selected ObjectsAuktion Nr. 217Donnerstag, 28. November <strong>2013</strong>11.00 UhrAuction No. 217Thursday, 28 November <strong>2013</strong>11 a.m.


AnfragenEnquiriesVorbesichtigungSale PreviewAnfragen zu Versteigerungsobjekten/ZustandsberichteEnquiries concerning this auction/condition reportsDr. Stefan Körner+49 (30) 885 915-64Patrick Golenia+49 (30) 885 915-4414Schriftliche GeboteAbsentee biddingLaura von Bismarck+49 (30) 885 915-24Friederike Valentien+49 (30) 885 915-4416―――Telefonische GeboteTelephone biddingMicaela Kapitzky+49 (30) 885 915-32―――Rechnungslegung/AbrechnungBuyer’s/Seller’s accountsFriederike Cless+49 (30) 885 915-50―――Katalogbestellung/AbonnementsCatalogue subscriptionFriederike Cless+49 (30) 885 915-50―――Versand/VersicherungShipping/InsuranceNorbert Stübner+49 (30) 885 915-30Ulf Zschommler+49 (30) 885 915-33Eine Auswahl zeigen wir inA selection of works inDortmund29. bis 31. Oktober <strong>2013</strong>Galerie UtermannSilberstraße 22 <strong>·</strong> D-44137 DortmundDienstag bis Donnerstag 10 - 18 UhrWilfried UtermannTelefon +49 (231) 4764 3757Hamburg6. November <strong>2013</strong>Galerie CommeterBergstraße 11 <strong>·</strong> D-20095 HamburgMittwoch 10 - 18 UhrStefanie BusoldTelefon +49 172 540 9073Düsseldorf9. und 10. November <strong>2013</strong><strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> AuktionenBilker Straße 4-6 <strong>·</strong> D-40213 DüsseldorfSamstag 11 - 18 UhrSonntag 11 - 16 UhrDaniel von SchackyTelefon +49 (211) 86 29 21 99München12. und 13. November <strong>2013</strong>Galerie ThomasMaximilianstraße 25 <strong>·</strong> D-80539 MünchenDienstag 10 - 22 UhrMittwoch 10 – 18 UhrDorothée GutzeitTelefon +49 (89) 22 7632/33Zürich15. bis 17. November <strong>2013</strong><strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen AGBahnhofstrasse 14 <strong>·</strong> CH-8001 ZürichFreitag 10 - 17 UhrSamstag und Sonntag 10 - 18 UhrVerena HartmannTelefon +41 (44) 212 8888


Information für BieterInformation for BiddersVorbesichtigung aller Werke in Berlin22. bis 26. November <strong>2013</strong>Viewing of all works in Berlin22 to 26 November <strong>2013</strong>Berlin<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbHFasanenstraße 25, 27 und 73D-10719 BerlinTelefon +49 (30) 885 915-0Fax: +49 (30) 882 41 45Freitag bis Montag 10 – 18 UhrDienstag 10 – 17 Uhr―――Alle Kataloge im Internet unterwww.villa-grisebach.deDie Verteilung der Bieternummern erfolgteine Stunde vor Beginn der Auktion.Wir bitten um rechtzeitige Registrierung.Nur unter dieser Nummer abgegebeneGebote werden auf der Auktion berücksichtigt.Von Bietern, die der <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>noch unbekannt sind, benötigt die <strong>Villa</strong><strong>Grisebach</strong> spätestens 24 Stunden vorBeginn der Auktion eine schriftlicheAnmeldung nebst einer beiliegenden aktuellenBankreferenz.Sie haben die Möglichkeit, schriftlicheGebote an den Versteigerer zu richten. Einentsprechendes Auftragsformular liegtdem Katalog bei. Wir bitten, schriftlicheGebote, ebenso wie Anmeldungen für telefonischesBieten, spätestens bis zum27. November <strong>2013</strong>, 11 Uhr einzureichen.Die englische Übersetzung des Katalogesfinden Sie unter www.villa-grisebach.de―――<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen ist Partner vonArt Loss Register. Sämtliche Gegenständein diesem Katalog, sofern sie eindeutigidentifizierbar sind und einen Schätzwertvon mindestens EUR 2.500,– haben,wurden vor der Versteigerung mit demDatenbankbestand des Registers individuellabgeglichen.Bidder numbers are available for collectionone hour before the auction. Please registerin advance.Only bids using this number will be includedin the Auction. Bidders so far unknownto <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> have to submit a writtenapplication no later than 24 hours beforethe Auction, as well as a recent bankreference.We are pleased to accept written absenteebids on the enclosed bidding form. Allwritten bids, as well as written requests tobid by telephone, must be registered nolater than 11 a.m. on 27 November <strong>2013</strong>.The English translation of the cataloguecan be found at www.villa-grisebach.de―――<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> is a partner of the Art LossRegister. All objects in this catalogue whichare uniquely identifiable and have anestimate of at least 2.500 Euro have beenchecked individually against the register’sdatabase prior to the auction.


Grand TourSehnsucht nach antiker Größeund südlicher Sonne


300 RFlämischAuf den ersten Blick scheint die getuschte Federzeichnung eine antikeRuine wiederzugeben. Der scharfe Schwung der Perspektive und dieBruchkante der Fassade lassen an das Kolosseum in Rom denken, wiees seit der Renaissance immer wieder abgebildet und von Reisendender Grand Tour, meist aus dem Norden Europas, bewundert wurde.Doch erkennt der aufmerksame Betrachter rasch, daß der wohlflämische Zeichner sich mehr als nur eine Freiheit in der Darstellunggenommen hat: Das Gebäude, wie er es zeichnet, hat es sicher nichtgegeben. Wir sehen ein Capriccio, das entsprechend dem barockenVerständnis weniger das Spiel der künstlerischen Phantasie als einen„schöpferischen Regelbruch“ (Michael Kiene) bedeutete.Ruine eines antiken Amphitheaters.Um 1600Feder in Eisengallustinte auf Bütten.22 x 20,7 cm (8 ⅝ x 8 ½ in.). Rückseitigoben rechts mit Bleistift Vermerk überehemaligen Besitzer: J. de B... (unleserlich),a.e. Talleyrand; mit Tuschfeder geometrischeMotive sowie eine Skizze zu einem HeiligenAntonius / Wasserzeichen (zerschnitten):Fuß (wohl eines Kreuzes) auf einemDreiberg im Wappenschild. Ecken rechtsoben und unten restauriert, Flecken /Rückseitig Reste alter Montierung. [3400]Provenienz: Sammlung Hélie Duc deTalleyrand-Périgord (1882 – 1968) /Ehemals Privatsammlung, FrankreichLiteratur und Abbildung: Auktionskatalog:Ancienne Collection du Duc de Talleyrand.Paris, Christie’s, 26. Juni 2002, Teillos 69€ 3.000 – 5.000$ 4,080 – 6,800Vergleichsliteratur: Ekkehard Mai (Hrsg.):Das Capriccio als Kunstprinzip.Zur Vorgeschichte der Moderne,Ausst.-Kat., Mailand 1996Da ist zunächst die Konstruktion: Die tragende Struktur aus Säulenund Gebälk verwandelt sich durch die Verflachung zu Pilastern, dieeingezogenen Mauerflächen und die fehlende Gebäudetiefe in einefast schwerelose Kulissenwand. Die Umwandlung der Säulen zuDoppel-pilastern führt deren klassischen Zweck ad absurdum: stattdoppelt zu tragen, haben sie gar kein Gewicht mehr zu stemmen.Auch das klassische Prinzip der varietas führt der unbekannte Zeichnervor: In Reliefrahmen, Nischen und Fenstern wechseln sich eckigeund runde Formen ab, werden variiert und gegeneinandergesetzt. Dievolutengeschmückten Ovalfenster waren an keinem antiken, ja ankeinem Renaissancebauwerk je zu finden. Sie öffnen gemeinsam mitden romanisch wirkenden Bogenfenstern die Struktur nach oben, sowie die massiven Wände mit den Reliefrahmen im Erdgeschoß und dieFigurennischen dem unteren Teil Halt geben.Ein wichtiger Grundgedanke der Barockarchitektur wird in dieserZeichnung so prägnant und sinnfällig wie selten präsentiert: diekanonische Gestalt des flavischen Amphitheaters wird zur Grundlagegenommen, um sie mit alten und neuen Gestaltungsmitteln zu transformieren.Unserem Capriccio wohnt auch ein Scherz inne: diesemGanzen verleiht es die Zeitlosigkeit einer Ruine und läßt das Modernsteder Zeit als bereits halbzerstörte Vergangenheit erscheinen.Alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf das Gebäude, indem derHintergrund weiß bleibt und eine Umgebung nur angedeutet ist. Dieskehrt den Charakter einer gelehrten Studienzeichnung hervor, diezahlreiche Vorlagen aus Antike, Renaissance und Gegenwart anklingenläßt. Man blickt auf ein Kondensat barocker Ideen, sieht gewissermaßenmit den Augen des Zeitgenossen – stand dieser nun in Rom vorKolosseum und Engelsburg, oder kannte er sie nur von Reproduktionen –auf die überlieferte und neu zu formende Welt. (RS)Rahmen: Leihgabe Olaf Lemke,Antike Rahmen Berlin<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


301Jan Frans van Bloemen(genannt „Orizzonte“)Antwerpen 1662 – 1749 Rom„Außer Roms ist fast nichts Schönes in der Welt“, schrieb Johann JoachimWinckelmann, als er 1756 in die Ewige Stadt kam. Und so dürftees auch Frans van Bloemen gegangen sein, als er 1685 sich – vonAntwerpen kommend – am Tiber niederließ. Hier sollte der Holländerbis zu seinem Lebensende arkadisch-römische Landschaften malenund erschaffen.Arkadisch-Römische Landschaftmit Kolosseum.Um 1730Öl auf Leinwand. Doubliert. Staffagefigurenvon Placido Costanzi (1702 – 1759).99 x 124,5 cm (39 x 49 in.).Busiri Vici 1974, Nr. 267.[3360] Gerahmt.Provenienz: Bis 1964 SammlungJohn Walgrave Halford Fremantle,4th Baron Cottesloe, 4th Baron Fremantle(1900 – 1994), Swanbourne House(Buckinghamshire) / 1964 Mr. F. Collin /Seit 1969 Privatsammlung, SüddeutschlandLiteratur und Abbildung: Auktionskatalog:Important Old Masters Including... TheProperty of The Rt. Hon. Lord Cottesloe,G.B.E., Sotheby's, London, 24. Juni 1964,Los 108 (450 Pfund) / Andrea Busiri Vici:Orizzonte. Jan Frans van Bloemen.E l’origine del paesaggio romano settecentesco,Œuvre-Katalog, Rom 1974, Kat.-Nr. 267€ 80.000 – 100.000$ 108,800 – 136,000Englischer Rahmen, 18. Jahrhundert.Auf Rückseite Klebezettel, Anfang19. Jahrhundert: Collections BaronesseLongueuil / Baron d’EsteUnser Bild wurde von Bloemen selbst kopiertund vergrößert: Busiri Vici 1974, Kat.-Nr. 268(„ma di minore qualità“)Van Bloemen hatte bei Anton Goubau (1616 – 1698) in Antwerpenund Adriaen van der Cabel (1631 – 1705) in Lyon gelernt, die in ihrenBildern von Romaufenthalten zehrten, die Stadt und ihre antikenMonumente variantenreich abbildeten. Von ihrer Kunst und Sehnsuchtnach südlichem Licht beeinflußt, zog es auch den jungen Maler genSüden, wo er 1685 ankam.Er wurde Mitglied der Accademia di San Luca (1742) und war sogar inder hochexklusiven Künstlervereinigung „Virtuosi del Pantheon“ engagiert– ein bestens integrierter Holländer in Rom. – Die Landschaftender Stadt waren sein wichtigstes Sujet. Deren blautönige Hintergründebrachten dem Maler das Epitheton „Orizzonte“ ein.Seine Bilder, die in der Via Babuino entstanden, erreichten schnell dieAristokratie der Stadt. Neben den Colonna, Doria Pamphilj, Pallavicini,Borghese und Corsini arbeitete „Orizzonte“ aber auch für die englischen„artisti-ciceroni-antiquari“ Mariette und Crozat, die die Fürsten desNordens und wohlhabenden Reisenden der Grand Tour mit römischenVeduten und sogenannten Capricci ausstatteten.Ganz im Sinne dieses lustvollen Regelverstoßes (Capriccio: ital. fürLaune), kombinierte van Bloemen auch in unserem Bild eine Campania-Landschaft mit einem Blick auf Rom, den es so nicht gab. Er reduzierteauf das Wahrscheinliche: zentral das Kolosseum, rechts die Cestius-Pyramide, davor arkadisch entrückt Hirten, antikisch gewandeteWaschfrauen und ein Fischer am Weiher, hinter ihm die bekannteBorghese-Vase (heute Louvre, Paris).Die antiken Bauten der Ewigen Stadt, Zeugnisse von vergangener Größe,fanden unidealisiert in der ideal enthobenen Landschaft Platz undsollten erkannt werden: Denn „dergleichen Erfindungen gehören nur fürscharfsinnige Köpfe (ingenio) / welche ihre Freude haben / wann siealle Schwierigkeiten heben / und mehr denn einen gemeinen Verstandzeigen können“, so Andrea Pozzo (1642 – 1709).Van Bloemen kombinierte diese Wiedererkennungsmomente und -bautenin seinen Gemälden: Durch die als Kunst hochgeachtete varietà(Abwandlung) entstanden immer neue Szenen – ob nun topographischgenau, ruiniert oder malerisch rekonstruiert –, die durch wohlgebauteKompositionen zu einer Einheit (neu) verschmolzen wurden.Wir danken Prof. Dr. Jan Kelch, ehemaligerDirektor der Gemäldegalerie der StaatlichenMuseen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,für wertvolle Hinweise.<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Auf die Leinwand brachte „Orizzonte“ neben all dem Gegenständlichenseine unverwechselbare Lichtstimmung, was die KünstlerRoms schon immer bewegt hatte: vor dem blautönigen Himmel,wo die sich auflösende Hitze die Luft zum Flirren bringt, tauchtder Maler Stadt und Staffage in das orange Abendrot, das dieLokalfarben durchdringt und in ersten Schattentönen die Nachterahnen läßt. Hier steht van Bloemen ganz in der Tradition NicolasPoussins (1594 – 1665).Trotz all dem Beobachteten ist auch unsere Landschaft Phantasiewelt,ein arkadisches Capriccio, wie es Francesco Algarottibeschrieb: „ein neues Genre der Malerei [...], das darin besteht,einen Ort nach der Natur zu wählen, um ihn dann mit schönenBauten auszustatten, die von hier oder von da genommen odereinfach ideal, der Phantasie entsprungen sind. Auf diese Weisewerden Kunst und Natur vereint und man könnte miteinanderverkuppeln, was das eine mehr an Studium, ausgesucht Verfeinertem,das andere mehr an Einfachheit besitzt“ (1759 anProspero Pesci).Gerade hierfür schätze das Publikum „Orizzontes“ Landschaften.Sie gelangten im 18. Jahrhundert von Rom in alle großen,königlichen und fürstlichen Sammlungen des Barock. Sie warenKonversationsstücke per se, ließen an die Grand Tour erinnernund von südlicher Sonne träumen. (SK)Borghese-Vase; aus: Domenico Montelatici:<strong>Villa</strong> Borghese fvori di Porta Pinciana..., Rom 1700


302 RFrançois VerlyLille 1760 – 1822 Paris ?„Die schönste Kirche oder vielmehr der schönste Tempel nach meinemSinn ist die Rotonda: wenn Du wirst zeichnen können, mußt Du dieselbeoft zeichnen. Wenn man alle Dächer u. Kuppolen in Rom von einer Höhesieht, zeichnet sie sich eben sowohl von oben schön u. prächtig aus, alswenn man sie von vorn oder von innen betrachtet. Auch wenn der Mondsie bescheinet, ist sie gar schön, so wie alle Tempel, Paläste, Obelisken,Säulen und Ruinen, die im Mondschein was recht Zauberisches an sichhaben.“ Gegenstand dieser Lobpreisung, die Johann Gottfried Herder(1744 – 1803) im November 1788 für seinen Sohn Wilhelm verfaßte,ist das am besten erhaltene Bauwerk der Antike – das Pantheon.Vier Bauaufnahmen des Pantheons in Rom.Um 1784Feder in Braun und Schwarz, farbig laviert,auf Bütten. 48 x 65,2 cm / 45,7 x 63,6 cm /47,5 x 64,4 cm / 57,6 x 46,4 cm(18 ⅞ x 25 ⅝ in. / 18 x 25 in. /18 ¾ x 25 ⅜ in. / 22 ⅝ x 18 ¼ in.).1. Wasserzeichen: DER LEY / 2. Wasserzeichen:HONIG & ZOONEN; mit Skala: palmes romains /3. Wasserzeichen: JH & ZOON [unter Bienenkorb];alt montiert; Rückseite alt in Bleistiftbezeichnet: 6 Dessins [,] plan du Panthéon /4. Wasserzeichen: JHONIG & ZOONEN;mit Maßangaben.1. Alt montiert, Randmängel, Knickfalten desTrägers / 2. Rechte untere Ecke angesetztund nachkoloriert, Randmängel /3. Fleckig, rechts unten gebräunt, Zirkellöcher,ehemalige Knickspuren / 4. Zirkellöcher. [3400]Provenienz: Ehemals Sammlung Raoust, Paris€ 3.000 – 5.000$ 4,080 – 6,800Vergleichsliteratur: Jean-Y. Duthoy:Un architecte néo-classique: F. Verly; in:Revue belge d’architecture et d’histoirede l’art, t. XLI, 19721. Grundriß mit Bodengestaltung, bezeichnet:PLAN DE LA ROTONDE ROMAINE.2. Vorderansicht, bezeichnet: PANTHEON3. Seitenansicht4. Technische Zeichnung des GrundrissesEinige Jahre vor diesem Brief, wohl um 1785, entstanden die vorliegendendrei Präsentationszeichnungen und der technische Grundriß der„Rotonde Romaine“. Auf niederländischem Papier verewigte – so dietraditionelle Überlieferung – der damals etwa 25jährige François Verlydas römische Pantheon. Verly, französischer Architekt und Zeichner,wurde 1784 mit dem zweiten Preis beim großen Wettbewerb derAcadémie royale d’architecture in Paris ausgezeichnet, deren Teilnehmersich zumeist mit Rekonstruktionen antiker Bauten beschäftigten.Zwei der vier Zeichnungen zeigen Vorder- und Seitenansicht desrömischen Pantheons. Die Jahrhunderte, die seit der Erneuerungdes Tempelbaus durch Kaiser Hadrian vergangen waren, sind in derDarstellung dem Bau nicht anzusehen. Glatt, strahlend weiß, fast opak,präsentiert sich das Pantheon dem Betrachter; ein ideales Bild derrömischen Antike. Wenige Striche und etwas Tusche genügen, um dasObjekt plastisch aus der flachen Ebene herauszuarbeiten. Auf jeglicheDarstellung von Altersspuren wird zugunsten einer idealtypischenForm des Pantheons verzichtet. Fast meint man, hier die Essenz allerin den folgenden Jahrhunderten entstandenen Kuppelbauten – wieJeffersons Bibliothek, den Newton-Kenotaph von Boullée u. v. m. –herauslesen zu können.Dieses Werk fügt sich nahtlos in das Œuvre Verlys im Stil der Revolutionsarchitekturein, welches geprägt ist von zahlreichen visionären, nierealisierten Entwürfen.Unsere vier Zeichnungen des Pantheons in wegweisender Manierführen den Betrachter zurück in die aufregenden und beschwerlichenZeiten der Bildungsreisen durch Europa, an deren Ende Rom als dasersehnte Ziel lag. Waren es zum Ende des 17. Jahrhunderts zunächstjunge Adlige, die sich in höfischer Begleitung auf eine Grand Tourbegaben, reisten im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts immer mehrjunge Künstler zu Bildungszwecken nach Italien und insbesonderenach Rom.Für französische und englische Architekten wurde die Reise in dieEwige Stadt geradezu zur Routine; gleichsam eine Krönung ihrerAusbildung. (SvdH)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


2413


303Römisch,Zeit der SoldatenkaiserKaiser Gordian III. regierte sechs Jahre, von 238 bis 244 n. Chr., unddamit länger als die meisten römischen Caesaren im 3. Jahrhundert.In dieser von Kriegen und Armeerevolten geprägten Epoche derSoldatenkaiser amtierten sechzig verschiedene Herrscher, manchedavon kaum ein paar Tage, und nur wenige von ihnen starben einesnatürlichen Todes. Als Gordian III. zum caesar und princeps iuventutiserklärt wurde, war er erst dreizehn Jahre alt. Um 1700 schätzte manjedoch den Kaiser wegen seiner Stabilität suggerierenden langenRegierungszeit und wandelte sogar bewußt antike Büsten zu BildnissenGordians um.Überlebensgroßes stadtrömischesPrinzenportrait von einer Statue – wohlKaiser Gordian III. (225 – 244 n. Chr.).Um 243 n. Chr.Bronzeguß. 32 cm (12 ⅝ in.). Mit einemmaterialtechnischen Bericht des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zuBerlin – Preußischer Kulturbesitz,Prof. Dr. Riederer, vom 29. Juni 1990 (inKopie). Hals glatt abgeschnitten,Ober-, Hinterkopfteile fehlend, Fehlstellen imGesicht (Nasenspitze) rekonstruiert. [3130]Provenienz: Um 1960 KunsthandelMathias Komor (1904 – 1984), New York /1960er Jahre dort erworbenunter der Beratung durch NorbertSchimmel (1904 – 1990) für die SammlungHans Cohn (1903 – 1993), Los Angeles /1974 – 1989 als Leihgabe im J. Paul GettyMuseum, Malibu, Kalifornien (Inv.-Nr. L73) /Privatsammlung, DeutschlandLiteratur und Abbildung: Jörgen Bracker:Gordianus III.; in: Max Wegner: Gordianus III.bis Carinus, Berlin 1979, S. 13 - 29, S. 24€ 50.000 – 70.000$ 68,000 – 95,200Die Identifizierung des hier vorgestellten Bronzekopfes mit GordianIII. gilt in der Forschung bislang als nicht eindeutig gesichert. SeineAttribute, die Linie des Haaransatzes und die über der Nasenwurzelzusammengewachsenen Augenbrauen, treten in ähnlicher Form auchbei anderen Portraits der Soldatenkaiser auf. Auch das jugendlicheAntlitz des Dargestellten ist kein zweifelsfreier Beweis seiner Identität.Im Lauf des 3. Jahrhunderts entwickelte sich bei den Kaiserbildnissengenerell eine Tendenz zur Abstrahierung und Idealisierung, die es mituntererschwert, an den Portraits persönliche Züge festzumachen.Doch es gibt sie: Gordian III. regierte sechs Jahre – lange genug, umfünf verschiedene Portraittypen vom ihm zu unterscheiden. BeimTypus 1 (Konservatorenpalast, Rom) sind die Gesichtszüge jugendlichweich und symmetrisch. Typus 2 (Pergamonmuseum, Berlin) stellt denKindkaiser schon mit zwei klar erkennbaren langen Querfalten auf derStirn dar. Beim Typus 3 fehlen die Falten auf der Stirn, was – aus dynastischenErwägungen – eine Ähnlichkeit mit Gordians VorvorgängerSeverus Alexander suggerieren sollte. Typus 4, der ungefähr von 240bis 242 vorherrschte, gibt den Kaiser mit Bartansatz wieder.Doch unserem Bronzekopf am nächsten sind Bildnisse des Typus 5: Eshandelt sich dabei um die letzten Portraits Gordians III. (z. B. Louvre,Paris). Ab 243 führte der Kaiser einen Feldzug gegen die Perser. Deswegenwirkt der Kopf bei diesem Typus heroisch in die Länge gezogen,Stirn und Wangen sind geglättet, die Falten zwischen Mund und Nasekaum zu sehen.All dies trifft auch auf unser Kunstwerk zu – und der Bronzekopf weistnoch ein anderes Merkmal auf, welches bei allen fünf BildnistypenGordians III. vorkommt: Es ist die kleine, aber prägnante vertikale Falteam Kinn, ein sogenanntes Grübchen, das man an unserem römischenBronzekopf klar erkennen kann. Seit den Bildnissen des Augustuswaren es genau solche individuellen, unabhängig vom jeweiligenEntstehungszeitpunkt immer wiederkehrenden Erkennungsmerkmale,die es den Menschen in der Antike erlaubten, die Dargestellten zuidentifizieren, auch ohne die Widmung zu lesen. (UC)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Im Lauf des 3. Jahrhunderts entwickelte sichbei den Kaiserbildnissen generell eine Tendenzzur Abstrahierung und Idealisierung ...


304 / 305Oberitalienisch304305304 Toskanischer Plattenrahmenmit vergoldeten Ornamenten.Um 1570Pappelholz, lackiert in Tempera, vergoldet.99,5 x 86,5 cm (74 x 62 cm)(39 ⅛ x 34 in. (29 ⅛ x 24 ⅜ in.)).[3161]Vergleichsliteratur: Amedeo Montanari:Repertorio della Cornice Europea. Paesi Bassidal secolo XV al secolo XX, Modena 2003,Kat.-Nr.n 96, 111ff.€ 6.000 – 8.000 / $ 8,160 – 10,880305 Bologneser Cassetta-Rahmenmit Punzierungen.Um 1570Nadelholz, vergoldet, punziert.74,5 x 64 cm (50 x 39,5 cm)(29 ⅜ x 25 ¼ in. (19 ⅝ x 15 ½ in.)).Originale Fassung, wenige kleineFehlstellen. [3161]Provenienz: Beide Privatsammlung, BerlinVergleichsliteratur: Timothy Newbery: Framesin the Lehman Collection. The MetropolitanMuseum of Art, New York 2007,Kat.-Nr.n 159, 160, 166€ 10.000 – 12.000 / $ 13,600 – 16,300Wir danken Olaf Lemke, Antike Rahmen Berlin,für wertvolle Hinweise.Rahmen gab es, solange es eigenständige Bilder gab. Diesen warensie nicht nur Halt, sondern immer auch Zierde. Als „Begleiter“ desklassischen Tafelbildes haben Rahmen bis heute die abendländischeKultur geprägt – als Kunstwerk per se oder als programmatisch abgelehntesZierwerk im späten 20. Jahrhundert.Besonders die italienische Renaissance entwickelte mit dem Emanzipierenihrer Künstlerpersönlichkeiten eine Vielzahl von Spielarten, Bilderzu fassen: Tabernakel- und Ädikularahmen erfanden ganze Architekturenum die Bilder und strichen die Bedeutung des Dargestelltenheraus; Tondorahmen boten durchlaufende Flächen, um das beliebteBlattwerk prominent ums Bildwerk laufen zu lassen. Die Kassetten-,Platten- und Profilrahmen hingehen nahmen sich stärker zurück undließen der Malerei – fast katalysierend – nobel den Vortritt.Dieses Einbetten deutete schon ihre Bezeichnung cassetta an, die sichvon Schatulle oder Kästchen ableitete. Der Kassetten- oder Plattenrahmen,der sich im 16. Jahrhundert variantenreich entwickelte, wurdeder beständigste, vielseitigste und kostengünstigste Rahmen in derGeschichte. Veränderte Eckverbindungen, vermehrt auf Gehrunggeschnitten, waren in den Größen flexibler als die architektonischenRahmen der Gotik oder Frührenaissance.Zwei dieser hochkarätigen Spielarten sind unsere Galerierahmen, diegrößten Wert auf ihre dekorativen Feinheiten legten. Diese beidenExemplare sind hier in ihrer originalen, unverfälschten Form erhaltengeblieben.Die Plattengestaltung des wohl aus Bologna stammenden Rahmenswar seit dem späten 15. Jahrhundert sowohl nördlich als südlich derAlpen beliebt. Die schlichten Rahmen spielen geschickt mit dem Kontrastvon Gold und Schwarz. Als Sgraffiti oder, wie in unserem Beispiel,mit schwarzer Fassung und darauf schablonierten Goldelementen entstandenso effektvolle Oberflächen. Diese Plattenrahmen waren in allenZeiten gesucht – ob nun von Sammlern von Renaissancegemälden derGrand-Tour-Zeit oder Künstlern der klassischen Moderne.Unser goldener Kassettenrahmen hingegen stammt aus der Toskanaund erhielt durch die Punzierung der Zentralplatte seinen besonderenSchmuck. Mit einem kleinen Hammer wurde hier in die vergoldeteOberfläche eine kleine Punze geschlagen und durch deren Anordnungder Rahmen mit einem Band von floralen Ornamenten geziert. DerenFeinheit wurde von starken, geschnitzten Bandwerken umfangen unddamit dem Rahmen und Bild zudem optisch Halt gegeben. (SK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


304305Rahmen warennicht nur Halt,sondern immerauch Zierde.


306 RJean-Victor Nicolle1754 – Paris – 1826Der Zeichner öffnet den Blick auf einen in geheimnisvolles Halbdunkelgetauchten Innenraum, dessen Höhe Erhabenheit suggeriert. Auf denruinösen Zustand weist nur die eingedrungene Vegetation hin, wie auchein von schräg oben fallendes Schlaglicht, das den Vordergrund erhellt.Die Neugier des Betrachters versinnbildlichen die beiden Figurenim Vordergrund, die wie leicht gerüstete Soldaten erscheinen und ineinen antiken Sarkophag blicken, dessen Inhalt sich uns verbirgt. Somag sich auch das gebildete Publikum diesseits der Alpen um 1800 dieMonumente einer versunkenen römischen Antike vorgestellt haben.Jedoch sehen wir wohl keine christliche Katakombe, sondern einenBau der frühen Kaiserzeit. Die Nischen, deren Ähnlichkeit mit Taubenschlägensich die Bezeichnung „Columbarium“ verdankt, enthielten Urnenmit der Asche der Verstorbenen. Gerade die Columbarien auf derVia Appia vor den Toren Roms waren in Graphiken etwa von GiovanniBattista Piranesi (1720 – 1778) bekannt geworden.Columbarium nahe der PortaSan Sebastiano vor Rom.Um 1810Feder und Pinsel in Braun, auf Bütten.19,8 x 13,5 cm (7¾ x 5⅜ in.).Rückseitig alt numeriert mit Feder in Braun:No 19. Stempel unten links in Schwarz: J.C.J.[im Queroval] (Lugt 1430a). [3400]Provenienz: Um 1818 im Album derZeichnungen und Aquarelle von Jean-VictorNicolle im Besitz der KunsthandlungP. & D. Colnaghi, London (sogenanntesNicolle-Album) / Sammlung Jean CamilleJamme, Paris (1888 – ?) /Ehemals Privatsammlung FrankreichLiteratur und Abbildung: Auktionskatalog:Les dessins Nicolle de l’album signalé plushaut, ... appartenant à Mr. J. C. J. Paris,J. Thesmar, 5. November 1953€ 3.000 – 5.000$ 4,080 – 6,800Vergleichsliteratur: Giovanna Rossi:Victor-Jean Nicolle tra Parigi, Roma eVenezia. Geografia di un destino; in:Arte Documento, Jg. 24 (2008), S. 188 – 194Rahmen: Leihgabe Olaf Lemke,Antike Rahmen BerlinDer Pariser Zeichner und Stecher Victor-Jean Nicolle (1754 – 1826)hielt sich seit 1787 oft in Italien auf und spezialisierte sich auf markanteStadtansichten für das heimische, von Italien begeisterte Publikumoder die Reisenden der Grand Tour. Doch einiges läßt unsere Zeichnungals freie Adaption der studierten Monumente erscheinen: So wirkt derRaum wohlproportioniert – obwohl er halbverschüttet ist. Harmonischberuht er auf Halbkreisen und rechten Winkeln, vom Grundriß bis zumTonnengewölbe über die Nischen und Vorsprünge bis zu den Gesimsenund Reliefs. Von den ins Phantastische überhöhten Stichen des Piranesisetzt sich Nicolle damit ab. Weder die tatsächliche Kleinteiligkeit derGrabbauten noch ihre Stuckdekorationen spielen eine Rolle.Im Atelier des Architekten und Piranesi-Schülers Louis-François Petit-Radel (1739 – 1818) ausgebildet, setzt Nicolle in unserem Blatt alsodem Sublimen der römischen Ruinen die strenge Balance der französischenKlassik entgegen. Seine Zeichnung wirkt in ihrer Untersicht, mitden drapierten Gegenständen und den großzügigen Formen fast wieeine Bühnendekoration.Wer der Kennerschaft des 18. Jahrhunderts verpflichtet war, fand sichauf dieser Bühne wieder. Das sorgsam komponierte monochrome Blattunterscheidet sich von Nicolles meist sehr kleinformatigen, lebendigaquarellierten Veduten französischer und italienischer Städte. Unsereanspielungsreiche, nicht zu einfachen Souvenirs der Italienreisendenzählende Zeichnung scheint durch diese Vielschichtigkeit in seinemŒuvre eine Sonderstellung einzunehmen.Es war Teil eines Albums, das sich wenige Jahre nach seiner Entstehungbei den Londoner Graphikhändlern Paul (1751 – 1833) und DominicColnaghi (1790 – 1879) wiederfand, deren Kontakte um 1820 in dieeuropäischen Königshäuser reichten. Erst 1953 wurde dieses Nicolle-Album aufgelöst. Unser Blatt gelangte in französischen Privatbesitz. (RS)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


So mag sich auch das gebildete Publikumdiesseits der Alpen um 1800die Monumente einer versunkenenrömischen Antike vorgestellt haben.


307 RHubert Robert1733 – Paris – 1808In diesem Blatt treffen gleich mehrere „Heroen“ der Kunstgeschichtedes 18. Jahrhunderts und der Antikenfaszination der Grand-Tour-Zeitzusammen: zum einen ist es der wohl berühmteste Maler antikerRuinen, Hubert Robert, der hier das Atelier des berühmten Antikenrestauratorsund Bildhauers Bartolomeo Cavaceppi in Rom zeichnete.Zum anderen sind es mittelbar der deutsche Historiker Johann JoachimWinckelmann (1717 – 1768) und der preußische König Friedrich derGroße (1713 – 1786), denn er sollte 1766 zwei der auf der Kohlezeichnungdargestellten Antiken erwerben.Atelier des Bildhauers BartolomeoCavaceppi (1716 – 1799) in Rom .1765Schwarze Kreide auf Bütten .33 x 44 cm ( 13 x 17 ⅜ in. ).Rückseitig in Bleistift bezeichnet:Salon de 1783 /No. 63 Intérieur d’ un atelier à Rome danslequel on restaure des statues antiques /(Beschreibung bezieht sich auf das GemäldeRoberts: The Studio of an Antiquities Restorer,Museum of Art, Toledo, Ohio) .Mit historischem, blauem Passepartout .[ 3245 ] Gerahmt .Provenienz: Um 1910 Kunsthandlung vonCharles Albert de Burlet (1882 - 1956), Berlin/ 2006 Privatsammlung, SchweizLiteratur und Abbildung: Auktionskatalog:Aquarelle, Pastelle, Gouachen,Zeichnungen, Druckgraphik. Luzern,Fischer, 13. November 2006, Los 1944 /María Dolores Sánchez-Jáuregui, Scott Wilcox(Hrsg.): The English Prize. The Capture of theWestmoreland. An Episode of the Grand Tour,Ausst.-Kat., New Haven 2012, S. 66, Abb. 37€ 40.000 – 60.000$ 54,400 – 81,600Vergleichsliteratur: Ulrike Müller-Kasper:Antikenkäufe Friedrichs II. in Rom; in:Saskia Hüneke (Hrsg.): Bestandkataloge derKunstsammlungen der Stiftung PreußischeSchlösser und Gärten Berlin-Brandenburg,Berlin 2009, S. 395 – 399, Kat.-Nr.n 270, 283.Der Franzose Robert ging 1754 ins für Künstler gelobte Italien, wo erelf Jahre lebte und arbeitete. Im Umkreis des französischen Gesandtenam Heiligen Stuhl und fest in den römischen Künstlerkreisen verwurzelt,war Robert zusammen mit Künstlern wie Jean-Honoré Fragonard(1732 – 1806) unter südlicher Sonne unterwegs, um Architektur undLandschaft zu studieren. Den hierbei gesammelten Detailvorrat –festgehalten in Zeichnungen – verarbeitete Robert in seinen großformatigenGemälden, in denen er konkrete Bauten Roms für urbanistischeVisionen oder fantasievolle Rekonstruktionen antiker Größe neuarrangierte.Zusammen mit dem Sammler und Graphiker Claude Henri Watelet(1718 – 1786) war der Maler so auf Einladung Winckelmanns auch inder berühmten Sammlung antiker Skulpturen der <strong>Villa</strong> Albani. Spätestenshier dürfte Robert auch Cavaceppi kennengerlernt haben, denWinckelmann als den „bedeutendsten Bildhauer Roms“ bezeichnete.Dieser arbeitete meist im Auftrag Kardinal Alessandro Albanis (1692 –1779) und restaurierte Antiken für dessen Sammlung, die Winckelmannbetreute. Zusammen mit dem deutschen Historiker und Archäologenentwickelte Cavaceppi Ergänzungen der über die Jahrhunderte meiststark in Mitleidenschaft gezogenen Stücke, um deren historischesAussehen und damit deren Intention wiederherzustellen.So arbeitete Cavaceppi, kurz vor 1766 auch an zwei Skulpturen, dieauf unserem Hubert-Blatt eindeutig zu identifizieren sind: Zentral stehtdie 220 Zentimeter große Marmorskulptur, der Cavaceppi einen neuenKopf hinzufügt hatte. Rechts dahinter ist das Bildnis einer sitzendenMuse zu sehen, die als lesende Kalliope restauriert wurde. BeideBildwerke gehörten damals Cavaliere Pietro Natali, dessen Sammlung1766 Friedrich II. erwarb. Daraufhin kamen einige Skulpturen ein zweitesMal in das Atelier des Künstlers, um für ihre Reise nach Potsdamvorbereitet zu werden. – In diesem Zuge bekam die große Skulpturauch den antiken Kopf einer Lucilla, als die sie danach im Figurenrondelldes Neuen Palais' stand (heute als Urania ergänzt in die Berliner Antikensammlung,Inv.-Nr. Sk379; Kalliope gilt als Kriegsverlust).Roberts Zeichnung zeigt also das Atelier Cavaceppis kurz vor 1765in der Via Babuino und gibt topographische Details wieder: das hoheFenster, darunter eine Konstruktion zum Einhängen von Loten. DieseFeinheiten und eine Vielzahl weiterer Skulpturen sind ebenso imStichwerk „Raccòlta d’antiche statue busti bassirilievi... restaurate da<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


... der preußische König Friedrich der Großesollte 1766 zwei der auf der Kohlezeichnungdargestellten Antiken erwerben.


Bartolomeo Cavaceppi“, 1768, dokumentiert. Darin lassen sichweitere auf unserem Blatt gezeigte Marmorwerke identifizieren,welche für englische Sammlungen restauriert wurden.Eine zweite Zeichnung Hubert Roberts, die das Studio des Bildhauerszeigt, befindet sich heute in der Graphischen Sammlungdes Musée des Beaux-Arts in Marseille (Inv.-Nr. 68 - 194) und istunserer sehr verwandt. Nach Roberts Rückkehr nach Frankreich1765, wo er als „peintre des ruines“ in die AcadémieRoyale aufgenommen wurde und fortan in den Salons erfolgreichausstellte, konnte er diese schnell und virtuos angefertigtenBlätter nutzen, um in Öl eine Atelier-Szene zu arrangieren: Sozeigt das Gemälde „The Studio of an Antiquities Restorer inRome“ (Museum of Art, Toldeo, Ohio, Inv.-Nr. 1978.5), das1783 auf dem Salon gezeigt wurde, unter romantisch-ramponiertemDach alles, was die Anhänger Hubert Roberts undder Grand Tour verlangten: marmorne Antiken in Roms Ruinen,den Hauch einer großen Geschichte unter südlicher Sonne unddazwischen das heitere italienische Leben... (SK)Abbildungen aus: Raccòlta di antiche statue busti bassirilievied altre sculture restaurate da Bartolomeo Cavaceppi sultoreromano, Bände 1 bis 4, Rom 1768


308 RAntonio CanovaBassano del Grappa 1757 – 1822 VenedigDas Stück ist eine maßgetreue, handwerklich meisterhaft ausgeführteBüsten-Replik nach Antonio Canovas berühmter Figur der „Hebe“ von1796, seiner wohl populärsten Marmorstatue, die Scharen von Kunstinteressiertenund Rom-Reisende auf ihrer Grand Tour in die Werkstättedes Künstlers lockte, um das plastische Wunderwerk zu betrachten.„Schlank und leicht, wie aus dem Nichts entsprungen“ schien die Figur,deren Antlitz man „zu Canovas Zeiten in Versen und in Prosa gefeiertund dabei die mannigfachsten Seelenstimmungen in dasselbe hineingelegt“habe (Meyer 1898, S. 37).Hebe galt als Idol ewiger Jugendlichkeit, aus deren Blick Johann GottfriedSeume „von süßem Rausche trunken“ und versunken von Seligkeit„Ambrosia“ sog, wie er in einem hymnischen Gedicht im Angesichtvon Canovas Statue im venezianischen Haus der Albrizzi schrieb (vgl.Neuen Teutschen Merkur von 1802).Büste der Hebe.Zwischen 1813 und 1817/18Carrara-Marmor. 50,5 cm (19 ⅞ in.).Originale Patina, feine Bohrungen in derHaarpartie. Differenzierte Oberflächenbehandlungder Körper- und Haarpartien.Nase und drei Perlen am Diadem ergänzt.Büste und Sockel aus zwei Teilen.Vereinzelte kleine Punktierlöcher. [3316]Provenienz: Privatsammlung, Bergamo /Seit 1980er Jahren Privatsammlung,Norddeutschland€ 30.000 – 40.000$ 40,800 – 54,400Vergleichsliteratur: Alfred Gotthold Meyer:Canova, Berlin und Leipzig 1898. GiovanniC. Ciollla: Antonio Canova. Plastiken vonLiebe und Tod, Herrsching 1989.Museo e Gipsoteca Antonio Canova (Hrsg.):Canova e la danza, a cura di Mario Guderzo,Ausst.-Kat., Possagno 2012Berauscht von ihrem Reiz besang sie auch Melchior Missirini (1773 –1849), der erste Biograph Canovas (Della Vita Antonio Canova, Libriquattro, Prato 1824), der die Rückkehr der Lieblichen mit den Versenbeschwört: „Te sol desiro, D’amor sospiro, Primo fior della vita!“(Meyer 1898, S. 37)Canova schuf zwischen 1796 und 1816 insgesamt fünf Fassungender bewunderten Hebe, die sich heute in der Alten Nationalgaleriein Berlin (erworben unter König Friedrich Wilhelm III. von Preußen),in der Ermitage in St. Petersburg, in der Sammlung des Herzogs vonDevonshire in Chatsworth, in der Pinacoteca Comunale in Forlí und imMetternichschloß Königswart/ Kynzvart befinden. Auch eine auf Kopfund Brust beschränkte Reduktion fand als Idealkopf Verbreitung – soeine weitere Fassung in der Staatsgalerie Stuttgart (Inv.-Nr. Pl 287).Die hier vorgestellte, vermutlich nach der ersten, zunächst im Besitzvon Giacomo Albrizzi befindlichen Hebestatue replizierte Büste zeigtdie für Canova und seine Werkstatt präzise und bravouröse Herausarbeitungder Locken mit den so typisch tief gebohrten, gedrehten undeingerollten Haarkringeln, deren Bearbeitung Carl Ludwig Fernow (1763 -1808) in seinen „Römischen Studien“ kritisch als Canovas „Schnörkelmanier“bezeichnete.Jutta von Simson, BerlinWir danken Prof. Dr. Ingeborg Schemper-Sparholz, Universität Wien, für wertvolleHinweise und Dr. Jutta von Simson, Berlin.<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


„Te sol desiro,D’amor sospiro,Primo fior della vita!?“


In Details weichen die Köpfe von Berliner Standbild und Büsteleicht voneinander ab: So wirkt das Gesicht der Statue kindlicherund runder, die Wangen sind voller und die Ohrläppchenfleischiger. Auffällig ist an der Büste der sichtbare Anschnittder angehobenen rechten Schulter, die bei der Statue demebenfalls erhobenen, die Kanne haltenden Arm entspricht. Einähnliches Relikt läßt sich bei der Gipsbüste nach der ebenfallsbeliebten Berliner Cymbel-Tänzerin von 1811/12 nachweisen(Gipsoteca, Possagno, Inv.-Nr. 199).Vermutlich sollten beide Büsten-Repliken als authentische Wiedergabenvon Kopf und Brust ihrer populären Statuen-Vorlagenerkennbar sein. Sie wurden wohl zwischen 1813 und 1817/18in Canovas Werkstatt in zeitlicher Nähe zu weiteren weiblichenIdealköpfen des Meisters geschaffen. Mit diesen teilt unsereaus Privatbesitz in Bergamo stammende Hebe auch die Art desBüsten-Ausschnitts, vor allem aber die Form des gedrungenen,schlichten und konkav geschwungenen Sockelfußes.Sonett.Vor Canova′s HebeWas für ein Zauber hält mich hier gefangen!In mir ein wonnig nie gespürtes Regen,Durchdrungen plötzlich von der Weihe Segen;der Sinn für Kunst war in mir aufgegangen.Verloren stand ich da in Glutverlangen,Ich sah dich mir entgegen nun bewegen,Und Lieb’ und Sehnsucht in mein Herz sich legen,In neue Welt sich die Gefühle schwangen.Ich konnte mich der Stelle nicht entrücken,In deinem Anblick war mein ganzes Leben,Ich schwamm, dich Hebe sehend, in Entzücken.Dir ist die ew’ge Jugend froh gegeben,Und ew’ger Ruhm Canova’s wird beglücken;Der Lorbeern schönste Künstler nur erstreben.(Kronprinz Ludwig von Bayern, Dezember 1804)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


309John HenningPaisley 1771 – 1851 LondonReplik des Parthenonfriesesvon der Athener Akropolis.1828Eisenguß,geschwärzt, wohl aus derFürstlich-StolberigschenHütte Ilsenburg.33,5 x 130 cm (13 ¼ x 51 ⅛ in.).[3396]Provenienz: Privatsammlung, Hamburg€ 10.000 – 12.000$ 13,600 – 16,300Vergleichsliteratur: John Wall: That MostIngenious Modeller. The Life and Workof John Henning, Sculptor, Ely 2008Vergleichsobjekt: Hanns Schell Collection– Schlüsselmuseum, GrazDiese Friesreplik des schottischen Bildhauers John Henning nach demParthenontempel der Athener Akropolis signifizierte zu Beginn des19. Jahrhunderts mehr als nur ein Ornament. Damals wurden dasantike Athen zum ästhetischen und die „hellenistische Schule“ zumideellen Vorbild Großbritanniens erhoben.1811 sah Henning den um 440 v. Chr. entstandenen Fries zum erstenMal. Derart beeindruckt, überzeugte er den für seine spektakuläreVerschiffung des Schatzes berühmten Earl of Elgin (1766 – 1841), ihnausnahmsweise abzeichnen zu dürfen. Um dem Wunsch von PrincessCharlotte of Wales (1796 – 1817), einer möglichst originalgetreuenReproduktion der Elgin Marbles nachzukommen, ergänzte Henningfehlende Fragmente z. B. anhand der Zeichnungen, die den Fries inseinem noch unzerstörten Zustand zeigten. Andere Figuren ergänzteder Bildhauer idealtypisch.Nach zwölf Jahren Arbeit entstand ein Gipsguß, der noch heute nebendem prominenten Original im British Museum zu bewundern ist. AndereMiniatur-Kopien verkaufte Henning in aus Edelhölzern gearbeitetenSchränkchen oder Rahmen, beispielsweise 1821 einen komplettenSatz an King George IV. (1762 – 1830).Hennings Abgüsse waren schnell so populär, daß sie europaweit alsRaubkopien angeboten wurden. Dies führte zu einem ersten großenFall für den Schutz von Künstlerechten, die Henning mitsamt der zuwahrenden Qualität und seinem Copyright einforderte. – Erstaunlicherweisesind heute jedoch nur verhältnismäßig wenige Gipsminiaturendes Frieses erhalten. Die Eisengüsse, die Henning um 1828 fürMuseen und andere Klienten anfertigte, erscheinen noch seltener.Unsere Tafel bildet so in sechs Streifen 360 menschliche Gestalten,über 200 Pferde und mehr als ein Dutzend Rinder und Wagen ab. Die„Fürstlich-Stolbergische Hütte Ilsenburg“, von der unsere Replik vermutlichstammen dürfte, war für vorzügliche Kunstgüsse bekannt. Inihrer Geschichte wird ein Künstler namens Henning genannt, von demdie Modelle stammen sollen. (GvM)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Damals wurde das antike Athen zumästhetischen Vorbild erhoben.


310 RBertel Thorvaldsen(Nachfolger)1770 – Kopenhagen – 1844Das Kinderportrait soll der Überlieferung nach Thorvaldsens frühverstorbenen Sohn Carlo Alberto (1806 – 1811) wiedergeben, der ausder Liaison des Künstlers mit Anna Maria Magnani, Frau des in Romakkreditierten preußischen Ministers Wilhelm von Uhden, hervorging.Den gleichen lockigen Kinderkopf zeigt auch die kleine nackte Sitzstatuedes Amor mit der Lyra, den Thorvaldsen 1818/19 modellierte(Thorvaldsen-Museum) und in die Gruppe seiner Drei Grazien einfügte(1817/19), wo er am Boden zu Füßen der drei Schönen hockt undlächelnd zu ihnen emporblickt.Aufgrund seines anmutigen Sujets, das den vielfältigen Darstellungenrömisch-antiker Putten und Eroten verwandt erscheint, gehört derAmor zu den populärsten Werken des Künstlers. In Haltung und Motivist er offensichtlich von Antonio Canovas (1757 – 1822) bereits 1814modelliertem Leier spielenden Cupido inspiriert, der neben derliegenden Najade sitzt (Royal Collection, London).Büste des Cupido – wohlCarlo Alberto Thorvaldsen (1806 – 1811).Nach 1811Carrara-Marmor.44,5 cm (mit Sockel) (17 ½ in. (with plinth)).Alabastersockel ergänzt. [3131]Provenienz: Ehemals Sammlung Peter Hacks(1929 – 2003), Groß Machnow€ 3.000 – 5.000$ 4,080 – 6,800Vergleichsobjekt und -literatur: Büste CarloAlberto Thorvaldsens in der Sammlung JørgenBrikedal Hartmann, Rom(vgl. hierzu: Jørgen B. Hartmann: Appunti sualcune opere de canova e Thorvaldsen; in:Arte Neoclassica. Arti del Convegno,Jg. 17 (1957), S. 145 – 170, besonders 160f. /Ders.: Thorvaldsens Filius?; in: L’Urbe,Neue Folge Jg. 34 (1971), Nr. 4, S. 1 – 10 /Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen. Derdänische Bildhauer und seine Freunde,Ausst.-Kat., Nürnberg, Schoß Gottorf1992/1993, Kat.-Nr. 7.2, S. 629Wir danken Kristine Bøggild Johannsen,Kuratorin des Thorvaldsen-MuseumsKopenhagen, für wertvolle Hinweise.Von Thorvaldsens Amorknaben gab es nachfolgend rund ein DuzendEinzelanfertigungen, die zusammen mit der großen Anzahl weiterergenrehafter Amoretten- und Kinder-Darstellungen des Künstlers dememotionalen Bedürfnis eines gebildeten und vermögenden Bürgertumsentgegenkam (Vgl. Andrea Kluxen; in: Künstlerleben, Kat.-Nr. 7.2).Zu den Bestellern und Beschenkten gehörten als erste Caroline vonHumboldt (1766 – 1829), die einen Gipsabguß des Amor, „ein rechtverschlagenes Kerlchen“, nach Berlin verschiffen ließ, wie sie an ChristianDaniel Rauch (1777 – 1857) im Mai 1819 schrieb (Zentralarchiv,SMB – SPK), und Thorvaldsens Förderer Reichsgraf Conrad zu Rantzau(1773 – 1845). Dieser bedankt sich aus Nizza in einem Brief vom März1827 an den Künstler und kommentiert das Geschenk mit den Worten:„[...] In Kopenhagen hat man mir einen ganz allerliebsten kleinen Amorübergeben, in welchen alle Kopenhagener Freunde und Mädchenverliebt sind“ (Archiv, Thorvaldsen-Museum).Nach Thorvaldsens Modell des beliebten Amorkindes mit Lyra, demim Jahr 1819 noch eine Standfigur des Knaben als Bogenhalter mitdem gleichen erhobenen Lockenkopf folgte (Thorvaldsen-Museum),entstanden auch verschiedene Büsten in Marmor, die in dieser Formals Teilreplik sicherlich nicht vom Künstler selbst gemeißelt wurden.Mindestens vier Wiederholungen des Cupidos lassen sich heute inPrivatbesitz nachweisen und zeigen den aufblickenden Kinderkopfentweder nur mit geradem Brustabschnitt oder mit Schulter- undArmansatz. Letztere Variante ist in unserer Knabenbüste zu sehen, ander im Vergleich zu weiteren Exemplaren auch leichte Abweichungenin der Behandlung der Haarlocken sowie der Mund- und Augenpartieauffallen und die auch keine Augenmarkierung aufweist. Die Zügescheinen weicher und unschärfer, was besonders an den nicht sopräzise ausgearbeiteten Lippen und leicht verwischten Mundwinkeln zuerkennen ist. – Denn vermutlich handelt es sich bei diesem Stück umdie reizvolle, zeitlich spätere Arbeit eines jüngeren, zum Neubarockhintendierenden Künstlers in Rom. (JvS)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


„... ein rechtverschlagenes Kerlchen ...“


311Friedrich Wilhelm IV.,König von PreußenBerlin 1795 – 1861 PotsdamZeit seines Lebens träumte dieser König von südlicher Sonne, vonseinem Arkadien, von antiken Tempeln, kleinen Festen in Weinbergen,dem lockeren Gespräch beim Tee und immer dem Blick auf die Relikteder Kunst Italiens. Friedrich Wilhelm IV. ersann Luftschlösser undTraumzimmer, Kathedralen und Ideallandschaften und zeichnete sichoftmals von seinem Preußen weg, das er als Kind durch die NapoleonischenKriege taumeln sehen hatte und ab 1840 als Regent durch dieJahre des Vormärz lenken sollte... mußte, denn das Regieren war nichtseine Sache.Italienische Ideallandschaft.Oktober 1848Tuschfederzeichnung, mit Bleistift gehöht, aufPapier. 11,6 x 17,5 cm (4 ⅝ x 6 ⅞ in.). Untenlinks: Sanssouci. Mittig signiert: FW [ligiert].Unten rechts datiert: October 1848. BeigabeKlebezettel des späten 19. Jahrhunderts: dieseeigenhändige Federzeichnung / König FriedrichWilhelms IV von /Preußen schenkte er seinerNichte,/ der Prinzessin Luise von Preußen./Von dieser selbst erhielt sie der / verstorbeneKammerherr Baron / Otto von Tettau.Leichte Lichtschäden. [3399]Provenienz: 1848 Prinzessin Luise vonPreußen (1838 - 1923) als Geschenk desKönigs, ihres Onkels / Von dieser als spätereGroßherzogin von Baden an den königlichpreußischenKammerherrn Otto FriedrichCarl Freiherr von Tettau (1836 - 1916),Süddeutschland /Nach 1916 Privatsammlung, Norddeutschland€ 4.000 – 6.000$ 5,440 – 8,160Vergleichsliteratur: „Unglaublich ist seinGenie fürs Zeichnen“. Friedrich Wilhelm IV.von Preußen (1795 - 1861) zum 150. Todestag,Ausst.-Kat., Potsdam 2011Wir danken Dr. Jörg Meiner, Forschungsprojekt„Online-Bestandskatalog der ZeichnungenFriedrich Wilhelms IV. von Preußen“,Potsdam, und Freiherrn Diethart von Tettaufür wertvolle Hinweise.Der sicher wichtigste Ausdruck seiner Phantasie war die Zeichnung. Indie Tausenden gehen die kleinen meisterhaften Skizzen und Entwürfefür Bauten, Landschaften, Kunstwerke, Kostümen, Geschichtenillustrationenund Festdekorationen, die von der Hand des Königs stammen.Friedrich Wilhelm IV. füllte mit ihnen Speisekarten, Zettel, Briefränderund so manches Protokoll des königlichen Rates. Meist überschlagensich darauf die Ideen und Ideale, greifen Landschaften in Ornamente,Gesichter in Gebäude, stehen die gezeichneten Welten- und Idealvorstellungenkreuz und quer und doch wohlgeordnet nebeneinander aufden Blättern. Diese Zeichnungen Friedrich Wilhelms wurden schon zuseinen Lebzeiten vom Hof penibel gesammelt und sorgsam aufbewahrt,denn auch den Zeitgenossen war klar „[u]nglaublich ist sein Genie fürsZeichnen“.Nur selten führte der König jedoch eigenständige Blätter aus, wieunsere Ideallandschaft von 1848. In stürmischen Zeiten gelangte sieals Geschenk an seine Nichte Prinzessin Luise, Tochter seines BruderWilhelm (1797 - 1888), die am 3. Dezember des Jahres ihren zehntenGeburtstag feierte.Im „göttlichen Sanssouci“, das dem König wichtiger Rückzugsort war,entstand die Zeichnung im Oktober 1848, als sich der Sturm derMärzrevolution gelegt zu haben schienen. Doch Friedrich Wilhelm IV.war zu diesem Zeitpunkt immer noch von den Vorgängen um die Barrikadenkämpfein seiner Hauptstadt tief gedemütigt und verwirrt, dennzu unvereinbar erschienen für ihn bürgerliches Aufbegehren gegenseine Macht, die er von Gott gegeben sah und eigentlich volksnah undliebevoll ausfüllen wollte.In der Zeichnung floh der Regent deshalb geistig nach Italien, in das erüberglücklich gereist war, und beschenkte damit seine kleine Nichte.Sie war in den turbulenten Märztagen zusammen mit ihrem BruderPrinz Friedrich Wilhelm (1831 - 1888, dem späteren Kaiser Friedrich III.)im revolutionären Berlin geblieben, wo sich für Bürger und königlicheFamilie gleichermaßen dramatische Szenen abspielten und gravierendenVeränderungen weiterhin ankündigten. – All dies scheint indiesem kleinen Geschenk fern, unhörbar und macht die meisterlicheZeichnung zu einem der schönsten und persönlichsten Schätze des„Romantikers auf dem Thron“. (SK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


„Ich habe ein Faible für diesen König.Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig.Ein vornehmer Geist, hat viel Talent.Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.“(Heinrich Heine über König Friedrich Wilhelm IV.)


Ancien régimeFrankreichs Schönheitim Wandel


312ParisWollte ein Regent im 18. Jahrhundert eine prächtige Residenz errichtenoder eine solche ausstatten, orientierte man sich am Schloß vonVersailles, das Louis XIV. durch die bedeutendsten Architekten undKünstler seiner Zeit hatte erbauen lassen.Die Architektur-, Ornament- und Möbelentwürfe für den König wurdenin Stichen reproduziert. Versailles und andere Bauten für die königlicheFamilie Frankreichs hatten eine enorme Vorbildfunktion für dengesamten Rest Europas.Aus ebendiesem direkten Umfeld des Königs und der königlichen Familiestammt auch unsere Konsole, die die ineinander verschlungenen Initialen„LL“ für Louis XIV. (1638 – 1715) und die bourbonischen Lilien zeigt.Konsole aus königlich französischemUmfeld - console d'applique.Um 1700Eiche, geschnitzt, gefaßt;Reste der ursprünglichen Vergoldung;Eisenhalterungen.37 x 50 x 28 cm (14 ⅝ x 19 ⅝ x 11 in.).Brandstempel: 226 T. /Klebezettel: U17 / Zollstempel:Douane Centrale Exportation Paris.Virtuose und sehr feine Bildhauerarbeit.Vergoldung größtenteils verloren,Reste des roten Bolus vorhanden,erhabene Lilien vom Wappen entfernt,Abbruch der Volutenspitze oberhalbder Maske. [3159]Provenienz: 1980er Jahre Privatsammlung,Paris / Privatsammlung, Berlin€ 12.000 – 15.000$ 16,300 – 20,400Die überaus fein gearbeitete Konsole aus Eichenholz war ursprünglichvergoldet, wovon heute jedoch nur wenige Stellen zeugen. Sie scheintwie aus zwei Teilen zusammengesetzt: Der schwer und massig wirkendeobere Teil ist wie ein Panzer mit Schuppenmuster überzogen. Deruntere Teil scheint mit müheloser Leichtigkeit den schweren oberenTeil zu heben. Aus wild in S-Schwüngen ausgefransten Konturen derKonsole entsprießen Akanthusblätter, die ein weibliches Gesicht imZentrum umsäumen. Nur an den Seiten wächst das Akanthuslaub indie obere Zone und verklammert scheinbar beide Teile der Konsolemiteinander. Die vegetabilen Formen weisen auf einen erfahrenenSchnitzer hin. Die spannende und außergewöhnliche Komposition zeigteinen begabten Künstler als Entwerfer.Höchstwahrscheinlich stammt die Konsole aus einem größeren Kontext,also einer raumfesten Ausstattung. Aufgrund der Halterungen auf derRückseite und eines zusätzlichen Eisendübels an der unteren Spitzewar es geplant, die Konsole sowohl auf zwei Wandhaken als auch aufeinem in das Mauerwerk hineinreichenden Anker anzubringen. DieseVorkehrung wäre in der damaligen Zeit als eine nachträgliche Arbeitschwer umsetzbar gewesen, muß daher in die Bauplanungen unbedingtvon vornherein mit eingeschlossen worden sein.Die Funktion einer solchen Konsole war es, etwas Kostbares und gleichzeitigBewegliches in einer bestimmten Höhe zur Präsentation vor dieWand zu stellen. Oft waren es prächtige Porzellane oder schwere Büsten.Doch da unsere Konsole eine Ausbuchtung oberhalb der Kartusche aufder Ablage aufweist, kämen solche <strong>Objekte</strong> nicht in Frage. Viel eher mußman in diesem Fall wohl an eine schwere und wertvolle Pendule denken,die auf vier kleinen Füßen ihren Platz auf der Konsole fand.Nicht selten waren es angesehene Künstler, die sowohl die Konsolenals auch das Gehäuse der kostbaren Uhren entwarfen. Bekannt sinddie Entwürfe der Ebenisten Charles-André Boulle (1642 – 1732) undGilles-Marie Oppenord (1672 – 1742), deren Arbeiten bis heute zubegehrten Sammlungsstücken zählen.Auch wenn wir bislang den Ursprungsort und das Projekt, aus demunsere Konsole stammt, nicht kennen, bildet sie doch einen solchennachahmungswerten Entwurf aus dem Umkreis Louis XIV. und seinerSchlösser. (PG)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Aus wild in S-Schwüngenausgefransten Konturender Konsole entsprießenAkanthusblätter.


313 RJean-Honoré FragonardGrasse 1732 – 1806 ParisFür Fragonard war diese Szene wohl von besonderem Interesse: einerastende Feldarbeiterfamilie am Wegesrand grüßt eine galante Dameder Aristokratie hoch zu Roß. Nur die sie aufgeregt begleitendenSchoßhündchen erschrecken ein Kind der Familie. – Irgendwo auf demLande schildert uns die kühne Malweise des wohlkomponierten Blatteseine Szene eleganter Leichtlebigkeit und zeigt zugleich die raffinierteGesellschaft des Rokoko.Promenade à Cheval – The Cavalcade.Um 1782Schwarze Kreide, Pinsel und grau laviert,Feder und schwarze Tinte, mit Aquarell gehöhtauf Bütten. 35 x 44,4 cm (13 ¾ x 17 ½ in.).Wasserzeichen: D&C BLAUW, Wappenschilddreimal schräggeteilt, senkrecht abfallend,darüber Lilie. Mit einem Gutachten von EuniceWilliams vom 17. Oktober <strong>2013</strong> (Original).Leicht fleckig, Reste einer Passepartoutmontierung.[3466] Gerahmt.Provenienz: Vor 1867 Sammlung Duc de Feltre(Lugt: Répertoire des Ventes, Nr. 29786) /1867 – 1880 Sammlung BaronJérôme-Frédéric Pichon (1812 – 1896)(Lugt: Répertoire des Ventes, Nr. 40270) /Vor 1985 Privatsammlung, Frankreich /Privatsammlung, SchweizLiteratur und Abbildung: Auktionskatalog:Feu M. le Duc de Feltre, his posthumous sale,Paris, 6. – 9. Mai 1867, Los 90: „Jeune Damesse promenant à cheval à l'entrée d’un village“ /Auktionskatalog: Coll. du baron JérômePichon, sa vente anonyme (baron P...), Paris,5. Juni 1880, Los 36: „Le Départ pour la promenade.Gracieux dessin à l’encre de Chine“(340 fr.) / Alexandre Ananoff: L’œuvre dessinéde Jean-Honoré Fragonard. 1732 – 1806, Paris1968, Bd. III, Kat.-Nr. 1301, not illustrated€ 90.000 – 120.000$ 122,400 – 163,000In einem Rahmen von Jean Berain (1637 – 1711).Wir danken Eunice Williams, Cambrige (USA)für die Bestätigung der Authentizitätder Zeichnung.1752 gewann der Zwanzigjährige den Grand Prix de Rome und ging mitseinem Freund Hubert Robert (1733 – 1808) nach Italien. Währenddieser an den Bauten, Ruinen und Landschaften interessiert war, galtdie Aufmerksamkeit des „Pensionärs“ Fragonard den Menschen.Der vielgerühmte Zauber Fragonards virtuoser Malerei begeistertespätestens bei seiner Rückkehr nach Paris 1765 eine neue Generationvon Sammlern. Diese, meist Kreditgeber und Bankiers des inHofkonventionen immer mehr bedrängten Adels, pflegten statt desköniglichen Zeremoniells einen Lebensstil voll Luxus und Eleganz. Siebesaßen, wie die Kenner Mariette und Crozart, Kollektionen von zeitgenössischenZeichnungen, die an enormer Wertschätzung gewannen.Neben Gemälden hingen diese durchkomponierten Blätter gerahmt inden Galerien und Salons – waren Refugien der Intimität und gleichzeitigmoderne, subtile Darstellungsmittel von Repräsentation und Macht.Fragonards Aufstieg war mit ihnen nicht mehr zu bremsen, seineManier blieb jedoch bei allem Erfindungsreichtum immer gleich: stattgalanter Episoden auf mythischen Inseln, wie bei Watteau, warenes Szenen an regionalen Schauplätzen, mal bei Saint-Cloud oderVersailles und in den Feldern um die Hauptstadt, die der borne royal(Meilenstein) in unserem Blatt als 30 Meilen entfernt angibt.Der Künstler schildert hier in heiterer Stimmung die Landbevölkerung,die – in aller Ordnung des Ständestaates – vom Feldrand zur promenierendenDame emporblickt. Doch vermeidet Fragonard – wie meist inseinem Werk – jeglichen moralischen Akzent. Stattdessen gilt sein Augenmerkder Ausgewogenheit und Schönheit der darzustellenden Szene.Wegen dieses formal-gestalterischen Interesses sind bis heute zweiVorstudien zu unserem Blatt bekannt, die in rasantem Strich zunächstdie Dame (Ananoff, I, Kat.-Nr. 277) und dann in einem zweiten Blattdie gesamte Komposition fixierten (Ananoff, IV, Kat.-Nr. 2117). Schonhier stand die Ordnung der späteren Zeichnung fest, die sich geschicktaus einem System von proportionalen Linien und Rechtecken aufbaut:Das Blatt fasziniert durch die wohlkomponierte Geschlossenheit unddie exakte und schnelle Arbeitsweise Fragonards. (SK)„Following a careful study of the digital images (jpgs) sent to me andresearch in catalogues dedicated to Fragonard, I believe this recentlydiscovered drawing to be an autograph variant of the compositioncatalogued by Ananoff, op.cit., Vol. IV, cat. 2118. It is therefore relatedto the large compositional study, Ananoff IV, cat. 2117. The drawing canbe dated to the early 1780s.“ (aus dem Gutachten von Eunice Williamsvom 17. Oktober <strong>2013</strong>)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


314Pierre Migeon IV1696 – Paris – 1758Stefan Zweig klagte einst: „Eine edle und kostbare Kunst scheint ihremEnde entgegenzugehen: die Kunst des Briefeschreibens“. Das war 1924.Schreibtisch - Bureau Plat.Um 1750Amaranth- und Rosenholz oder Tulpenholz,furniert; Konstruktionsholz: Eiche;Bronzebeschläge, Lederschreibfläche.77 x 163 x 82 cm (30 ⅜ x 64 ⅛ x 32 ¼ in.).Schlagstempel der Corporation desMenuisiers-Ébénistes: JME. Meisterschlagzeichen:MIGEON [verschlagener erster,gespiegelter letzter Buchstabe].Bronzebeschläge teilweise erneuert.[3033]Provenienz: 1987 KunsthandelBernheimer, München und London /Dort erworben für die Sammlung einesbedeutenden deutschen Unternehmers€ 20.000 – 30.000$ 27,200 – 40,800Wir danken für freundliche HinweiseDr. Ulrich Leben, The Bard GraduateCenter, New York.Diese Kunst ist ein Teil unserer Kultur. Der Höhepunkt der Kunst desBriefeschreibens erfolgte im 18. Jahrhundert. So wird von Voltaire behauptet,daß er um die 80 Briefe pro Tag geschrieben habe. FriedrichMelchior Grimm versorgte zur selben Zeit mit seiner handgeschriebenen„Correspondance Littéraire“ und den wichtigsten Neuigkeiten ausParis die Hälfte der europäischen Fürstenhöfe. Der Briefroman „Lesliasons Dangereuses“ von Choderlos de Laclos vermittelt uns heutenoch die Inbrunst des Briefeschreibens dieser Zeit. Man verbrachteviel Zeit mit Schreiben.Es verwundert daher kaum, daß gerade im 18. Jahrhundert demSchreibtisch als Ort der schöpferischen Tätigkeit eine hohe Wertschätzungzukam, was sich gerade in jenen kunstvoll ausgearbeitetenMöbeln widerspiegelte. Kein anderes Jahrhundert wertschätzte diesesMöbel so sehr wie das 18. Jahrhundert. Keine andere Zeit widmetesich diesem Möbel so intensiv und kreierte so elegante und aufwendigeExemplare. – Von ebendieser Hochzeit des Schreibtisches zeugt auchunser Schreibtisch aus der bedeutenden Werkstatt der Familie Migeonin Paris.Die Furniere sind aufwendig aus Amaranth- und Rosenholz gefriestsowie mit Reserven und Filets eingelegt, wodurch sich kunstvoll eineinheitliches geometrisches Muster ergibt. Die Tischplatte ist desbesseren Schreibgefühls wegen mit Leder bezogen. Um den Durchriebdes Furniers an der stets beanspruchten Tischkante zu verhindern, istsie mit einem profilierten Bronzestab versehen. Die reichen Bronzenam Schreibtisch dienen einerseits als Schubladengriffe, Schlüsselschilderund Kantenleisten; gleichsam sind sie ein aufwendiger Zierratdes Möbels.Pierre Migeon IV entstammt einer alten Familie von Pariser Kunsttischlern.Da die Familie protestantisch war, hielten sie an dem NamenPierre für die männlichen Nachkommen fest. Bereits in den 30er Jahrendes 17. Jahrhunderts begann Pierre Migeon I seine Tätigkeit, die vonseinen Nachkommen bis zu Ur-Urenkel Pierre Migeon V (1733 – 1775)erfolgreich fortgeführt wurde. Den Höhepunkt ihrer Produktion erreichtedie Werkstatt unter Pierre Migeon IV, der zum Lieferanten der Gardemeublede la Couronne, also des französischen Hofes, wurde undunseren Schreibtisch fertigte. Zu seinen Kunden zählte die Marquise dePompadour sowie weitere bedeutende Persönlichkeiten der Zeit.Zur Bewältigung der großen Anfrage bestritt die Werkstatt zeitweisemit bis zu 80 Mitarbeitern die vielen Aufträge. Heute kann man MigeonsMöbel in zahlreichen Museen wie Versailles, Musée du Louvre, Fontainebleauoder Wallace Collection in London bewundern, doch auch andiesen Exemplaren der Pariser Ebenistenkunst werden – leider – keineBriefe mehr geschrieben. (PG)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Kein anderes Jahrhundertwertschätzte dieses Möbel so sehrwie das 18. Jahrhundert.


315 RHubert Robert1733 – Paris – 18081765 kam Hubert Robert mit Mappen voller Zeichnungen aus Romzurück und begeisterte mit seinen Capriccios eine ganze Generation.Auch seine römischen Reisegefährten transportierten italienischeIdeallandschaften nach Frankreich: Abbé Saint-Non (1727 – 1791)stach römische Landschaften zur weiten Verbreitung; Claude-HenriWatelet (1718 – 1786) formulierte eine Theorie des „pittoresken“Gartens. – Europa war mitten in einer Gartenrevolution. Es galt, dengezirkelten Barockgarten abzulösen, der vielen für den zentralistischenStaat des Ancien régime stand. Man verlangte nach natürlichenLandschaften, die es malerisch zu gestalten galt. Ein Garten oder eineLandschaft sollten empfindsam sein.Phantasielandschaft von Ermenonville.1767Öl auf Leinwand. Doubliert.23,5 x 32 cm (9 ¼ x 12 ⅝ in.).Unten rechts signiert: HR 1767(letzte Ziffer schwer leserlich).[3485]Provenienz: Ehemals Privatsammlung,Schweiz€ 15.000 – 20.000$ 20,400 – 27,200Vergleichsobjekt: Gemälde in gleicherGröße (24 x 32,7 cm) mit Brücke übereinen Fluß mit Wäscherinnen und demBlick zu einer Burg (Tour Gabrielle) inAuktionskatalog: Christie’s, New York,23. Mai 1997, Los 64Im Sinne dieses Geschmackswandels engagierte René-Louis deGirardin (1735 – 1808) 1766 für die Umgestaltung seines LandsitzesErmenonville neben Gärtnern und Architekten den soeben heimgekehrtenMaler Robert.Um das Schloß von 1603 mit seinen für die Île-de-France typischen,spitzen Schindeltürmchen, einen gotischen Rundturm und in derwasserreichen, sandsteinfelsigen Hügellandschaft entstand ein „jardinpaysan“, der unter Roberts Beratung mit malerischen Elementen wieGrotten und Obelisken bereichert und vom Künstler auch gemaltwurde. Doch wie die italienischen Gemälde waren auch hier die Motiveund Bauten frei zu neuen Bildern kombiniert, wie in unserem kleinenGemälde Roberts aus dieser Zeit.Nahe einer Felsenhöhle – wie der in Ermenonville, vor einem mittelalterlichanmutenden Schloß mit spitzen Türmchen steht hier ein Obelisk,wie er in dieser Zeit auch im Garten Girardins errichtet wurde. Markantzeichnet sich in der Bildtiefe an einer rustikalen Brücke ein mittelalterlicherFestungsturm ab, der sein Vorbild im Ermenonviller Tour Gabriellehaben dürfte.Mit diesen Monumenten vergangener – französischer – Größe gestaltetesich der Garten als eine Vielzahl von bildhaften Ansichten nach IdeenRoberts. Im Sinne seiner von den Ruinenbildern bekannten „sublimenMelancholie“ transponierte der Maler Ideen der südlichen Landschaftennach Norden. So verbanden sich in Bild und Garten malerischeAussichten mit poetischen Ansichten, wie sie Jean-Jacques Rousseau(1712 – 1778) gerade in seinem Roman „Nouvelle Héloïse“ mit demRuf „Zurück zur Natur“ beschrieben hatte.Als Rousseau 1778 in Ermenonville starb, sollte es Robert sein, derdes Philosophen letzte Ruhestätte auf einer Insel im Teich entwarf.Malerisch bildet bis heute ein Pappelkreis einen natürlichen Rundtempel,in dem ein antikisierender Sarkophag steht. – Robert hatte bei RousseausGrab wieder die letztendlich überlegene Kraft der Natur pittoresk inSzene gesetzt.Und auch in unserem Gemälde mit den architektonischen AndeutungenErmenonvilles hielt der Künstler an seiner melancholischen Differenzierungvon geschichtlichem Menschenwerk und freier Natur fest.Der Garten und auch Roberts Bilder dieser Zeit sollten – ganz nachRousseau – zur Wiedergewinnung der natürlichen Empfindung imEinklang mit dem vernünftigen Handeln stehen. (SK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Der Garten und auch Roberts Bilderdieser Zeit sollten – ganz nach Rousseau –zur Wiedergewinnung der natürlichen Empfindungim Einklang mit dem vernünftigen Handeln stehen.


316Jean-Charles Delafosse(Entwurf)1734 – Paris – 1789Die Inspiration zu unserem reizvollen Wandleuchterpaar lag in denIdeen von Jean- Charles Delafosse, dem berühmten französischenArchitekten, Ornamentisten und Kupferstecher – einem der wichtigstenInitiatoren des neoklassizistischen Geschmacks „à la Grecque“ inFrankreich.Sein über mehrere Jahre vorbereitetes Werk „Nouvelle IconologieHistorique“ wurde 1768 und in weiteren Nachlieferungen 1773, 1776und 1785 publiziert. Die erste Ausgabe enthält über 100 Kupferstichevon Möbeln, dekorativer Kunst und architektonischen Elementen imLouis-Seize-Stil. Seit 1767 nannte sich Delafosse selbst „architecteet pour le professeur dessin“.Ein Paar Wandappliken im Stil„à la Grecque“ mit Eichenlaubgirlandenund Widderkopf.Um 1780Bronzeguß, ziseliert, feuervergoldet, poliert;alle Elemente abschraubbar.Je 46 x 34 x 17 cm (18 ⅛ x 13 ⅜ x 6 ¾ in.).Zwei Montierungslöcher am Ansatz desPilasters und am Kapitel, minimaler Abriebder Vergoldung. [3476]Provenienz: Privatsammlung,Norddeutschland€ 5.000 – 7.000$ 6,800 – 9,520Vergleichsliteratur: Kurt Jarmuth: Lichterleuchten im Abendland. Zweitausend JahreBeleuchtungskörper, Braunschweig 1967,S. 332f., Abb. 333 / Hans Ottomeyer undPeter Pröschel (Hrsg.): Vergoldete Bronzen.Die Bronzearbeiten des Spätbarock undKlassizismus, München 1986, 2 Bde.,Kat.-Nr.n 3.9.1, 3.9.2Seine bizarren Entwürfe zeichnen sich durch die komplizierten unddetailreichen Formengefüge aus, die zustande kommen, wenn Einzelmotiveineinandergesteckt, verschränkt und aufeinander montiertwerden, wie es bei seinen Ornamentteilen der Fall ist, die in abstrakterStilisierung vorkommen. Besonders seine Phantasie und sein Erfindungsreichtumsicherten seinem Stil große Verbreitung.Nicht selten verfällt Delafosse jedoch in eine dekorative Üppigkeit undSchwere, so daß die ausgeführten Bronzearbeiten im Formenapparatstark vereinfacht werden mußten. Denn seine Kompositionen warenfür eine plastische Umsetzung schlichtweg zu kompliziert und hättenden Preis ihres Gusses und Nachbearbeitens in astronomische Höhegetrieben. Die Entwürfe von Delafosse sind mehr Anregung als direktesVorbild und die Umsetzungen mehr „Stilkopie als Formkopie“.Großen Einfluß übte Delafosse u. a. auf Jean-Louis Prieur (um 1725 –nach 1785) und Quentin-Claude Pitoin (um 1725 – 1777) aus. Prieur,der sich selbst als „Dessinateur et Cisseleur du Roy“ bezeichnete,verfolgte einen „disziplinierten Delafosse-Stil“ (Ottomeyer/ Pröschel1986). Ein Wandleuchter von Pitoin, der dem gezeigten Modell mitWidderkopf sehr ähnelt, ist im Louvre in Paris erhalten. Weitere Vergleichsexemplaresind in den Räumen der Münchner Residenz und imSchloß Fontainebleau bei Paris zu bewundern.Neben der eigenwilligen Ästhetik der Delafosse-Komposition überzeugenunsere Wandleuchter durch die hohe Qualität sowie den vortrefflichenErhaltungszustand der Feuervergoldung. Die Feuervergoldung zeigtdurch das Wechselspiel von Mattvergoldung und polierten Flächenzusätzlichen Reiz und Glanz. (BK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


... seine Phantasie undsein Erfindungsreichtumsicherten seinem Stilgroße Verbreitung.


317Jean-Baptiste MalletGrasse 1759 – 1835 ParisDas Ende des Ancien régime brachte für die französische Kunsteinen tiefgreifenden Wandel mit sich, der sich bereits im Laufe des18. Jahrhunderts angekündigt hatte. Nach dem Tod Louis XIV. im Jahre1715 nahm der Adel Abstand von dem überschwenglichen Leben amHof von Versailles und zog sich zurück in kleinere Stadthäuser. Deroffizielle, akademische Stil, der unter der Regentschaft Louis XIV.gepflegt worden war, lockerte sich und neben der Historienmalerei,die in der Hierarchie der Themen bisher den ersten Rang eingenommenhatte, wurden höchste Leistungen nun auch in den bis dahin untergeordnetenGattungen wie Portrait und Stilleben oder in den bis jetztunbekannten „sujets galants“ erreicht.Badende.Um 1790Öl auf Leinwand.47 x 65,5 cm (18 ½ x 25 ¾ in.).[3423] Gerahmt.Provenienz: Galerie Maurice Segoura, Paris /Kunsthandel Albrecht Neuhaus, Würzburg /Dort Anfang 2000 erworben von einerPrivatsammlung, Hessen€ 10.000 – 15.000$ 13,600 – 20,400Französischer Rahmen, um 1800.Antoine Watteau (1684 – 1721) war gleichzeitig Erfinder und Meisterdieses neuen Bildthemas gewesen, das die alte Tradition des pastoralenSchäferspiels mit der mythologischen Vorstellung arkadischen Lebensverband. Es stellte die glückliche Einheit von menschlichem Leben inder Natur dar und zeigte gleichzeitig die aristokratischen Auftraggeberin idealtypischem Freizeitvergnügen. Die Fête galante wurde zu einemwichtigen Bestandteil der französischen Rokokokunst und wurde nachWatteau von Jean-Honoré Fragonard und Jean-Baptiste Mallet weitergeführt.Wie sein Vorgänger vermochte es Mallet in unserem Gemälde, dieelegische Stimmung der dargestellten Szene auf meisterhafte Weiseeinzufangen. Mit einer Vielzahl an Farbnuancen und hoher Sensibilitätschuf er ein gleißendes Licht, das die Intimität des Bildes betont undan die venezianische oder niederländische Malerei des 17. Jahrhundertserinnert.Wurden bei Watteau die Dargestellten stets in aufwendiger Kleidungportraitiert, sticht hier die Nacktheit der Dargestellten sofort ins Auge.Es war das Ziel Watteaus gewesen, eine aristokratische Idealwelt zupräsentieren. Mallet hingegen zeigte die Menschen in aller Natürlichkeit,Schönheit und Freizügigkeit. Ihn interessierte nicht das vorgeblichzüchtige Dasein des Adels, sondern das neue, nach Freiheit strebendeBürgertum. So ist in unserem Gemälde im Vordergrund links eineschlicht gekleidete Frau zu sehen, die sich mit dem entschlossenenAkt des Entkleidens der Prüderie des Ancien régime entgegenstellt.Hatte Kleidung bisher als wichtiges Zeichen der Überwindung derErbsünde gegolten, wurde der menschliche Körper nun zunehmendvon den Zwängen der Zivilität befreit. Der entscheidende Bruch mitden überkommenen gesellschaftlichen Konventionen gipfelte in derRevolution von 1789. Zeitgleich hatte sich in der Malerei, vor allemauf inhaltlicher Ebene, ein Wandel vollzogen, der die Spannung undWirkungsmöglichkeiten des 19. Jahrhunderts vorbereiten sollte. (NB)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Ihn interessierte nichtdas züchtige Dasein des Adels,sondern das neue,nach Freiheit strebende Bürgertum.


318 RCharles-Gabriel Sauvage,genannt LemireLunéville 1741 – 1827 ParisWie begabt muß ein Bildhauer sein, wenn seine Werke nach seinemTod viele Jahrzehnte als Arbeiten von Antonio Canova gehalten undals solche industriell kopiert und verkauft werden? – so begabt wieCharles Gabriel Sauvage, genannt Lemire. Ironischerweise wissen wirüber diesen begabten Künstler heute recht wenig.Lemire war seit 1759 an der Porzellanmanufaktur im lothringischenNiderviller tätig, die er später auch leitete. 1781 etablierte er dort eineZeichen- und Modellierschule. Um 1800 zog er nach Paris, wo er sichverstärkt der Bildhauerei widmete.Zeichnender Knabe.Anfang 19. JahrhundertBronzeguß, vergoldet.36 cm (14 ⅛ in.). [3501]Provenienz: Der Überlieferungnach wohl ein Geschenk von KöniginAugusta von Preußen (1811 – 1890)an Valeska von Briesen, Berlin /Ehemals Privatsammlung, Norddeutschland€ 5.000 – 7.000$ 6,800 – 9,520Vergleichsobjekt und -literatur: Musée duLouvre. Nouvelles acquisitions dudépartement des Objets d’art 1985 – 1989,Paris 1991, Kat.-Nr. 111.B (Bronze),S. 229f.: Inv.-Nr. OA 11224 /Royal Collection, London (Porzellan) /Museum of Fine Arts, Boston (Porzellan)1802 begann dann die fruchtbare Zusammenarbeit Lemires mit derPariser Porzellanmanufaktur Guérhard et Dihl. Für diese modellierteer, ein lesendes Mädchen, das in Biscuit-Porzellan ausgeführt wurdeund kurze Zeit später einen zeichnenden Jungen als Pendant. BeideFiguren, unter dem Titel „l’Etude“ erschienen, erfreuten sich großerBeliebtheit, auch wenn sie heute in nicht vielen Exemplaren bekanntsind. Noch seltener ist diese Gruppe in kostbarer Bronze ausgeführtworden. Bislang jedoch war unbekannt, daß diese Skulptur auch ausvergoldeter Bronze existiert.Lemire führt dem Betrachter ein Kind vor Augen, das drollig dasitztund zeichnet. Doch beim genauen Hinschauen entsteht eine Diskrepanzzwischen der Handlung des Kindes und seinem Äußeren. – DennLemire strebte danach, äußerlich ein bestimmtes Alter des Kindesdarzustellen. Die unschuldige Nacktheit, die hervorragend gearbeitetenweichen Hautpartien und die Größe des Kopfes in Proportion zumKörper möchten uns versichern, daß es sich um ein Kind von zwei bisdrei Jahren handle. Die Konzentration allerdings, die der Junge aufbringt,so wie die Balance seines Körpers, oder auch der sichere Griff desZeichenstiftes in seiner Hand weisen auf ein höheres Alter hin.Ein Kleinkind also mit den Fähigkeiten eines älteren? Oder demonstriertdie Skulptur die Freude und Einfachheit des Lernens? – Womöglichist diese Figurengruppe in Zusammenhang mit Napoleons Reformendes Bildungswesens zu sehen, der eine allgemeine Schulpflicht inFrankreich einführte.Wieviele dieser studierenden Kinder von Guérhard et Dihl hergestelltwurden, ist nicht bekannt. Doch nach dem Tod des ManufakturbesitzersDihl fanden zwei Auktionen statt, auf den die Modelle der Skulpturenversteigert wurden.Die Gruppe der beiden Kinder des lesenden Mädchens und des zeichnendenJungen wurden von kleineren Manufakturen weiterhinreproduziert, allerdings unter der Bezeichnung „Canova“. Gewiß wurdedamit Lemire lange Zeit unrecht getan. Mit unserer Skulptur wird dasAugenmerk wieder auf diesen hervorragenden Künstler gelenkt. (PG)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


... demonstriert die Skulpturdie Freude und Einfachheitdes Lernens?


manus e facereZwischen Künstlerhandund Manufaktur-Ware


319Augsburg oder NürnbergSo wie durch den Stand der Sonne und mit Hilfe einer Sonnenuhr,so kann man auch nachts anhand der sich bewegenden Sterne dieUhrzeit ermitteln – und dies konnte man schon weit vor Erfindung desChronometers im 18. Jahrhundert. Dazu benötigt man allerdings einelaborierteres Instrument, wie unser Nokturnal, welches übersetzt„Nachtzeit“ bedeutet. Schon im alten Ägypten waren meist gezeichneteund auf ein anderes Zeitschema basierende Sternuhren bekannt.Sternenuhr – Nokturnal.Um 1560Bronze, feuervergoldet;Gravuren, geschwärzt.11 x 8 cm (4 ⅜ x 3 ⅛ in.).Gravur auf der Vorderseite:RVCK DIE REGEL AUF DEN KOCHAB,Sternkreiszeichen. [3476]Provenienz: KunsthandelF.K.A. Huelsmann, Hamburg /Privatsammlung, Norddeutschland€ 2.000 – 4.000$ 2,720 – 5,440Vergleichsstück in gleicher Form undähnlicher Gestaltung: Nokturnal,Frankreich, 1554; im museo galileo.Institute and Museum of the History ofScience, Florenz, Inv.-Nr. 2501Aus: Peter Apian: Cosmographia, Antwerpen 1539Unser fein gearbeitetes Instrument besteht aus zwei übereinanderliegendenScheiben unterschiedlichen Durchmessers. Die Basis ist kreisrundmit den Monatsbuchstaben und den Tierkreiszeichen beschriftetund zusätzlich mit einem vertikalen Handgriff ausgestattet. Die kleinereScheibe hat an ihrem Rand 24 kleingezackte Zähne, an denen sichletztendlich die Uhrzeit sogar in der Dunkelheit ablesen oder abtastenläßt – ganz ohne externe Beleuchtung. Mittig angebracht, überragt einfein dekorierter langer Zeiger die Grundplatte. Dieser wiederum wirdauf die sogenannten Polweiser (die Sterne Alpha und Beta) gerichtet.Zuallererst stellt man das Gerät auf den aktuellen Monat und Tag ein.Anschließend blickt man durch das Loch in der Mitte hindurch, umes exakt gegen den Polarstern auszurichten, um welchen sich in dernördlichen Hemisphäre alle Sterne drehen. So wie es die gravierteAnweisung auf der Vorderseite beschreibt, muß der Zeigerarm gleichzeitigentlang des am Firmament gut erkennbaren Sterns Kochab, alsodes zweithellsten Sterns im Sternbild Kleiner Bär, gedreht werden. Umdie Nachtstunde zu finden, braucht man jetzt nur noch vom großenZahn der zwölften Stunde anfangend abzuzählen. Je nachdem, ob manzur linken oder zur rechten Hand hin rechnet, ist es entsprechend vieleStunden nach oder vor Mitternacht.Auf der Rückseite befindet sich außerdem die Vorrichtung zur Ermittlungdes Höhenwinkels sowie eine in zweimal zwölf Stunden eingeteilteSonnenuhr. Auch ein ausklappbarer sowie verschiebbarer Schattenzeigerdurfte nicht fehlen. Diese unterschiedlichen Funktionen warenunerläßlich für jeden, der „rund um die Uhr“ die aktuelle Stundewissen wollte.Die Benutzung implizierte neben der eigentlichen Anschaffungsmöglichkeitauch eine gewisse naturwissenschaftliche Bildung desBesitzers. Die fein gearbeiteten, floralen und geometrischen Gravurendemonstrieren, daß ein solches Meßgerät mehr als nur ein rein wissenschaftlicherGebrauchsgegenstand war.So entwickelten sich in Europa ebensolche Sternuhren im 16. und17. Jahrhundert zunehmend zu einem immer begehrteren Sammelgebiet.Neben Italien und Frankreich waren insbesondere die StädteNürnberg und Augsburg bedeutende Produktionszentren dieser anspruchsvollenPräzisionsinstrumente, die wie in unserem Beispielfranzösische Vorbilder der Zeit um 1550 übernahmen. Unser Nokturnalist somit ganz stellvertretend für die überragende Stellung der süddeutschenHandwerksmeister zur damaligen Zeit. (GvM)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Diese unterschiedlichen Funktionenwaren unerläßlich für jeden,der „rund um die Uhr“die aktuelle Stunde wissen wollte.


320WeilheimerBildhauerschuleDie leicht unterlebensgroße Figur zeigt keinen leidenden Gottessohn,dessen Körper von Wundmalen der Passion geschunden ist, sondernhier erscheint Christus als Salvator mundi (lat. für Erlöser der Welt)in majestätischer Gestalt.Dieser besondere Bildtypus geht bis ins Spätmittelalter zurück und betontdie zentrale Rolle Christi als Erlöser der sündigen Menschheit. AlsZeichen der Weltherrschaft hält Christus üblicherweise in der Linkeneine kleine Sphärenkugel. Seltener finden sich solch ausgesprochentriumphierende Christusfiguren, die, wie unser Werk, stattdessen aufder großen Weltkugel stehen.Daß die Figur ursprünglich für einen hohen Standort bestimmt war,belegt die auf Untersicht angelegte Ausbildung der Beine und die untereGewandpartie. Dem Thema gemäß dürfte unser Christus also als abschließendeBekrönung auf dem Schalldeckel einer Kanzel gestandenhaben.Salvator mundi.Um 1620Lindenholz, geschnitzt, farbig gefaßt.182 cm (71 ⅝ in.). Innen ausgehöhlt,Rückseite mit einem durchgestalteten Brettverschlossen. Hände und linkes Beinseparat gearbeitet. Ursprüngliche Fassungteilweise später übermalt.Teilweise Fassungverlust, verstärkt aufder Weltkugel. [3132]Provenienz: Privatsammlung, Brandenburg€ 15.000 – 20.000$ 20,400 – 27,200Wir danken für wertvolle HinweiseDr. Claudia Maué, GermanischesNationalmuseum Nürnberg, undProf. Dr. Christian Theuerkauff, ehemaligerDirektor der Skulpturensammlung derStaatlichen Museen zu Berlin - PreußischerKulturbesitz, und Dr. Albrecht Miller,ehemaliger Kustos der BayerischenSchlösserverwaltung.Gekonnt stellte der Künstler den Gottessohn im Moment des Segnensdar: Der Körper ist in leichter vorschreitender Bewegung festgehalten.Gesteigert wird diese Illusion noch durch die Andeutung eines leichtenWindstoßes, der durch Gewand und Haare fährt.Eine derartig ausdrucksvolle Christusfigur war im Hinblick auf dieEntstehungszeit, während des Dreißigjährigen Krieges, von ganzbesonderer Bedeutung: bot der rettende Heiland nicht zuletzt auchein Bild der Hoffnung für die kriegsgeplagten Kirchenbesucher.Dabei folgt die Christusdarstellung mit ihrem schmalen, ebenmäßigenAntlitz einem zeitlosen Schönheitsideal und wird darüber hinaus durchdie großen, tiefliegenden Augen mit schweren Lidern und markanterNasenwurzel ins Charismatische gesteigert. Besondere Aufmerksamkeitlegte der Bildschnitzer auf die Gestaltung der Hände, die sich im Gegensatzzu dem voluminösen, ehemals komplett vergoldeten Gewanddurch die elegante Gestik der schmalen, langen Finger hervorheben.Eine derartige Verbindung von traditionellen Formen und auf Ausdruckbedachter Gestaltung erinnert deutlich an Werke der berühmten BildhauerfamilieZürn, Christoph Angermair (um 1550 – 1633), aber auch AdamBaldauf (1580 – 1631), deren künstlerische Wurzeln in Weilheim liegen.Das oberbayerische Künstlerstädtchen, günstig am Knotenpunktwichtiger Fernhandelsstraßen gelegen, erlebte zu Beginn des17. Jahrhunderts eine Blüte der Altarbaukunst und etablierte sichals eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für Bildschnitzer imsüddeutschen Raum.Der dort entwickelte neue Stil mit seiner originellen Mischung ausspätgotischen Formeln und nach der neuen italoflämischen maniera modernagesteigerter Ausdruckskraft und Dynamik der Körper beeinflußtedie süddeutsche Bildhauerkunst maßgeblich. So lieferten die WeilheimerKünstler in die großen nahegelegenen Kunstzentren, insbesondere fürambitionierte Altarbauprojekte nach Augsburg und München. (JW)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Dabei folgt dieChristusdarstellungeinem zeitlosenSchönheitsidealund wird insCharismatischegesteigert.


321Sächsischer HoftäschnerSamuel Girckhoffnachweisbar 1720 – 1757Schloß Moritzburg bei Dresden erhielt seine heute noch einmaligeInnenraumgestaltung ab 1723. Friedrich August I. (1670 – 1733), alspolnischer König August II., hatten für diesen „temple de diane“, alsodas Jagdschloß, bei der „meblirung“ die „lederne“ festgelegt.Unter dem Innenarchitekten Raymond Leplat (1664 – 1742) wurdendie Festsäle mit Goldlederbespannungen ausgestattet. Im Billardsaalführt das „Ledermeuble“ in seinen fünf Parforcejagdbildern und einerFischfangdarstellung das damals höfische Leben in Moritzburg vor.Sechs Stühle aus dem kurfürstlichenSchloß Moritzburg.1727Rotbuche, gedreht, geschnitzt, mattiert; Leder,gepreßt – aus Werkstätten in Venedig.Je 108 x 46 x 42 cm (42 ½ x 18 ⅛ x 16 ½ in.).Jeweils rückseitig Brandstempel mit dembekrönten Monogramm August des Starken:AR / Moritzb: 1727. Gebrauchsspuren,Leder nachgedunkelt. [3525]Provenienz: Seit circa 1880Privatsammlung, SachsenLiteratur und Abbildung: Quelle: Rechnungdes Hoftäschners Girckhoff, 12. März 1728;in: ehemals Staatsarchiv, Dresden - HMA,Anno 1728 (Kriegsverlust)€ 22.000 – 28.000$ 29,900 – 38,000Vergleichsliteratur: Gisela Haase: DresdenerMöbel des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1983,Abb. 200a / Andreas Schulze: Goldlederzwischen 1500 und 1800. Herstellung undErhaltung, (Arbeitsheft 17 des Landesamtesfür Denkmalpflege Sachsen) Markkleeberg 2011Wir danken Dr. Gisela Haase, ehemaligeKuratorin für Möbel im KunstgewerbemuseumSchloß Pillnitz bei Dresden.Die anderen, in den drei Hauptgeschossen befindlichen 58 Schloßräumeenthielten unterschiedlich ornamentierte Goldtapetenbespannungen,die 1733 im Moritzburger Schloßinventar beschrieben sind. – Sobesaßen die jeweils drei Räume rechts und links der zwei großen Säleunterschiedliche Dekormotive aus punziertem Goldleder. Alle dieseästhetisch gestalteten Ledertapeten sind jeweils aus Karrees präzisezusammengesetzt. Nach neuesten Forschungen wurden diese Tapetenaus venezianischen Werkstätten importiert.Im Zusammenhang mit der Wandbefestigung der Tapeten wird auchder Hoftäschner Samuel Girckhoff genannt, der aber vor allem durchArbeiten für die Bestuhlung von Schloß Moritzburg bekannt ist. Für„24 Dutzend feine Stühle […], die Gestelle von harten Holtze braun gestrichen,mit golden Leder, welches ich hierzu empfangen, beschlagen,an denen Rückenlehnen mit rothen Leder, worauf der königl. Nahme mitGolde gedruckt“ stellte er am 23. März 1728 dem sächsischen Hof576 Taler in Rechnung. Die Kosten pro Stuhl einschließlich „Gestelle,Leder, Leinewandt, Gurthe, Nägel und Arbeit Lohn“ gab Girckhoff mitzwei Talern an. Von den insgesamt 288 Lederstühlen standen zumBeispiel jeweils zwei Dutzend in den drei „enfilade“ angeordnetenRäumen rechts und links der beiden großen Säle.Heute gehören noch etwa 100 Lederstühle zum Bestand von SchloßMoritzburg und des Dresdener Kunstgewerbemuseums. Davon sind 40dieser spätbarocken Sitzmöbel zum großen Teil nach dem gleichen Prinzip– wie 1733 angegeben – in der Moritzburger Beletage ausgestellt.Entsprechend der Ornamentik der Ledertapeten in den einzelnenRaumgruppen, waren hier die Stühle mit analog farbig ornamentiertemGoldleder bezogen. Dabei fällt auf, daß die Sitz- und Lehnenbezüge oftein etwas kleineres Mittelmotiv wie auf den Wandtapeten besitzen. –Folglich wurden für jede Wandtapete Stühle mit den entsprechenLederbezügen geliefert.Auch unsere Stühle sind so und über den Brandstempel mit derDatierung 1727 eindeutig einem der Moritzburger Repräsentationsräumezuordenbar. Dieser Beleg für die Zugehörigkeit der Stühle zumInterieur des Schlosses verweist zugleich auf die Einmaligkeit dieserBestuhlung und vermutlich ebenfalls auf das Jahr der Fertigstellung derSchloßausstattung mit prächtigen Goldtapeten.Gisela Haase, Dresden<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


König August II. hatten für diesen „temple de diane“bei der „meblirung“ die „lederne“ festgelegt.


322 Antoine Pesne(zugeschrieben)Paris 1683 – 1757 BerlinIm Karneval 1721 – am 18. Februar – heiratete der spätere Herzogvon Sachsen-Weißenfels-Barby in Dresden inmitten der Festopern und-umzüge Prinzessin Auguste Luise von Württemberg-Oels (1698 – 1739).Der Erbe eines kleines Fürstentums an der Mittelelbe war in die Residenzstadtdes sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen, Augustdem Starken, gereist, um bei diesem Vermählungsfest vom Glanz desDresdner Hofes zu profitieren.Herzog Georg Albert vonSachsen-Weißenfels-Barby (1695 - 1739).1721Öl auf Kupfer.17,7 x 14,4 cm (7 x 5 ⅝ in.).Nicht bei Berckenhagen 1958.[3556]Provenienz: Privatsammlung, Schweiz€ 12.000 – 15.000$ 16,300 – 20,400Vergleichsobjekt und -literatur: EkhartBerckenhagen: Antoine Pesne, Œuvre-Katalog,Berlin 1958, Kat.-Nr. 125a, S. 138 /Gerd Bartoschek: Antoine Pesne, Ausst.-Kat.,Potsdam-Sanssouci 1983, Kat.-Nr. 26(SPSG, GK I 3184).Eine Werkstattkopie dieses Brustbildes,ehemals Schloß Schwedt, wurde vom LandSachsen-Anhalt für Schloß Neu-Augustusburgin Weißenfels erworben.Wir danken Gerd Bartoschek, ehemaligerKustos für Gemälde der Stiftung PreußischeSchlösser und Gärten Berlin-Brandenburg,Potsdam, für die Zuschreibung des Gemäldes.Die Grafschaft Barby gehörte zum Weißenfelser Teil der drei Sekundogenituren,die Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen zur Versorgungseiner jüngeren Söhne im 17. Jahrhundert gestiftet hatte. Zeitweiligkonnte sich die Weißenfelser Nebenlinie, die den Vorrang der „ältesten“besaß und ihrerseits den in Barby residierenden Seitenast hervorbrachte,sogar Hoffnungen auf das Erbe der sächsischen Kurwürdemachen. In den durchaus prächtigen Hofhaltungen in Weißenfels undBarby verbanden sich Einflüsse aus Preußen und Sachsen, so lagendem Schloßbau in Barby Pläne des Berliner Baumeisters Johann ArnoldNering zugrunde.Die Ehe Georg Alberts, der 1728 als zweiter und letzter Herzog inBarby zur Regierung kam, war unglücklich und blieb kinderlos. DieGelegenheit seiner Hochzeit 1721 jedoch nutzte er, sich und seineBraut vom preußischen Hofmaler Antoine Pesne in lebensgroßenBrustbildern portraitieren zu lassen (Öl auf Leinwand, heute SPSG,Neues Palais, Potsdam / Kriegsverlust).Der aus Paris stammende Pesne war 1710 an den Hof König Friedrichs I.gerufen worden und brachte damit französische Noblesse in die MalereiPreußens. Als nach der Thronbesteigung des Soldatenkönigs 1712Berliner Aufträge ausblieben, begab sich Pesne auf Reisen. Dieseführten ihn 1718 und 1721 auch an den Hof nach Dresden, wo u. a.das Portrait des sächsischen Hofgoldschmieds Dinglinger entstand.Prinz Georg Albert, seit 1709 Oberst eines preußischen Regiments zuFuß, trägt auf seinem Portrait den polnischen Weißen Adlerorden undden Hermelinumhang fürstlicher Macht. Unsere meisterliche Miniaturauf Kupfer stimmt weitgehend mit dem erwähnten Brustbild in Lebensgrößeüberein und ist wohl zur gleichen Zeit entstanden. Im kleinerenFormat, mit bemerkenswerter koloristischer Qualität und leichter Pinselführungwurde der weiße Ärmel des Rocks um eine Naht bereichertund durch die Vergrößerung der Augenpartie der GesichtsausdruckGeorg Alberts verstärkt. Als Miniatur wäre das Bildnis im Werk Pesnesnahezu singulär. (SK)„Das kleine Portrait entspricht genau dem auf Leinwand gemalten Brustbildin natürlicher Größe im Neuen Palais, das Pesne 1721 in Dresdengemalt hat. [...] Der Malerei fehlt in ihrer Frische jedes Merkmal einerKopie von anderer Hand, zugleich aber auch die summarische Behandlungvon Details, wie sie Ölskizzen kennzeichnet. Ein vergleichbares, inder Art eines Kabinettstücks miniaturhaft fein auf Kupfer ausgeführtesWerk war bisher von Pesne nicht bekannt.“ (aus dem Gutachten vonGerd Bartoschek vom 11. Oktober <strong>2013</strong>)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


323Martin Friedrich MüllerUm 1706 – Berlin – 1780Ein besonderer Blickpunkt der großen Tafeln des 18. Jahrhundertswaren die silbernen Terrinen in der Mitte der Tafel. Dem streng hierarchischen„Service à la française“ folgend, waren die runden Gefäßeunverzichtbarer Bestandteil der ersten Tracht, wie die Folge der erstenGänge genannt wurde. Der zentrale Standort der Terrinen korreliertemit dem Platz des Gastes höchsten gesellschaftlichen Ranges, weswegendie heraldischen Zeichen an solchen sogenannten Pot d’oille-Gefäßenprominent auf den Gastgeber verwiesen.Ein Paar „Pots d'oille“-Terrinen mit demAllianzwappen von Quadt-Hüchtenbrockund von Heiden.Um 1752Silber, getrieben, gegossen, innen vergoldet.34 cm / 35 cm / Ø je 30 cm(13 ⅜ in. / 13 ¾ in. / Ø je 11 ¾ in.).Meisterzeichen: MUL / LER [darunter einStern] in unregelmäßigem Schild für MartinFriedrich Müller, nicht so bei Scheffler(vgl. Scheffler Mz. Nr. 600). Beschauzeichen:Bär für Berlin, nicht so bei Scheffler(vgl. Scheffler Nr. 4). Tremolierstrich.Gewicht: 2.262 g / 2.183 g. [3172]Provenienz: Wilhelm Albrecht Quadt v.Wickrath (1696–1757) auf Schloß Gartrop,Hünxe im Kreis Wesel am Niederrhein (1806starben die Quadts im Mannesstamme aus) /Kunsthandel, Paris€ 30.000 – 40.000$ 40,800 – 54,400Vergleichsliteratur zu Quadt: General Lloyd:Geschichte des Siebenjährigen Krieges inDeutschland..., Berlin 1783, 1. Teil, S. 48In der leider abhanden gekommenen Form des „Teilens zu Tisch“wurde mittels besonders langer Kellen aus solchen Terrinen von denGästen selbst geschöpft und die sogenannte Spanische Suppe untereinanderverteilt. Als „Olla Podrida“ hatte das aus Spanien stammendeGericht – aus verschiedenen Fleisch- und Gemüsesorten – über dieTafeln Louis XIV. seinen Siegeszug zu den noblen EssenszeremonienEuropas genommen.Aus Versailles stammte auch die Tradition, die dort so genannte„Pot d’oille“ in runden statt den üblichen ovalen Terrinen, zu servieren.Diese wurden als „Pots d’oille“ bezeichnet und waren aufwändig gestalteteund architektonisch aufgebaute Prunkgefäße, wie die unseren.Mit ihren Handhaben mit halbplastischen Maskerons, die mit denpolierten Flächen kontrastieren, sind die Terrinen frühe und selteneZeugnisse der Berliner Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts.Diese waren Bestellungen für die Tafel von Freiherr Albrecht JohannCarl Friedrich Quadt von Wickrath-Hüchtenbrock (1696 – 1757). Mitdem prominent gravierten Wappen der Quadts verbindet sich das Signetseiner Frau Hermina Charlotta von Heiden zu Otmarsum (geb. 1699),die er 1726 geheiratet hatte.Die rheinische Adelsfamilie Quadt residierte in Schloß Gartorp imkleinen Herzogtum Kleve, das - nahe den Niederlanden gelegen – seitdem 17. Jahrhundert zum Kurfürstentum Brandenburg gehörte. ImDienste der Landesherren standen denn auch einige Mitglieder derQuadts – so Ludwig Alexander Rolemann v. Quadt (1675 - 1745), derpreußischer Geheimer-Staatsminister und Vizepräsident der RegierungKleve war. Sein Sohn, der Auftraggeber unserer Terrinen, diente unterFriedrich dem Großen als Generalmajor, was ihn von Kleve auch häufignach Berlin führte.Hier bestellte Quadt unsere Terrinen (oder ließ sich beschenken), dieZierde seiner Tafeln im rheinischen Schloß Gartorp waren, welches erim Stil des Rokoko um 1750 verändern ließ und dabei auch preußischeFormen und Luxuswahren – wie etwa chinoase Papiertapeten – bezog.Mit den barocken Berliner Terrinen verband sich also eine höfischfranzösischeTafeltradition, die ein brandenburg-preußisches Goldschmiedeerzeugnisder Spitzenklasse an den Niederrhein brachte. (SK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Der zentrale Standort der Terrinenkorrelierte mit dem Platzdes Gastes höchsten gesellschaftlichen Ranges ...


324 RBerliner JuwelierMitte des 18. JahrhundertsEine herausragend fein gearbeitete Platte aus Emaille mit prominentemMotiv: dargestellt ist auf blauem Grund die „Opferung der Iphigenie“des französischen Malers Charles-André Van Loo.Opferung der Iphigenie.Nach 1757Malerei „en grisaille des Émails“.6 cm x 12,3 cm(mit Rahmen 13 cm x 19 cm)(2 ⅜ in. x 4 ⅞ in.(with frame 5 ⅛ in. x 7 ½ in.)).Rückseitig Reste der Bezeichnung:Van Loo. [3131] Gerahmt.€ 2.000 – 3.000$ 2,720 – 4,080Nach dem Gemälde von Charles-AndréVan Loo (1705 – 1765) „Le sacrificed’Iphigenie“, 1757 (Paris Salon Oktober1757, Nr. 6/165). Erworben 1757 vonKönig Friedrich II. von Preußen, heuteStiftung Preußische Schlösser und GärtenBerlin-Brandenburg, Neues Palais,Inv.-Nr. GKI5230Vergleichsliteratur: Anne Claude PhilippeTubierès de Caylus: Description d’un tableaureprésentant le Sacrifice d’Iphigenie,peint par M. Carle-Vanlo, Paris 1757Das Bild gilt als sein wichtigstes historisch-mythologisches Gemäldeund mißt stolze 300 x 450 Zentimeter. 1757 hatte er es im AuftragKönig Friedrichs II. für die Ausstattung des Neuen Palais in Potsdamgemalt. Preußens Größe und Macht sollten hier durch Werke dermodernsten französischen Künstler der Zeit veranschaulicht werden.Bevor die Bilder jedoch nach Potsdam gelangten, wurden sie in verschiedenenSalonausstellungen in Frankreich präsentiert.Das Gemälde „destiné pour le Roy de Prusse“, wie es das Livret desSalons 1757 verzeichnete, löste eine lebhafte Kontroverse aus, in dernichts weniger verhandelt wurde, als die Frage nach der Überlegenheitvon dessin oder coloris. Der Kunstkenner Comte de Cayus schloßseine „Description“ mit dem Hinweis, daß „cet admirable Tableau estdisposé de maniere à produire un des plus grands effets en Gravûre“.Unsere Iphigenie-Komposition „en grisaille des Émails“ auf blauemGrund entspricht der figürlichen Anordnung und Darstellung in VanLoos Gemälde und war wohl Teil einer Dose. Im Rahmen der SammelpassionFriedrichs des Großen für Tabatières, die als Bijouterie undPretiosen im 18. Jahrhundert eine herausgehobene Rolle spielten –seine Sammlung umfaßte fast 400 Dosen –, entstand in Berlin Mittedes 18. Jahrhunderts ein kunstvoll und handwerklich hochstehendesLuxusgewerbe.Unsere Platte dürfte in diesem Zusammenhang wohl als eine mitGoldrahmen umfaßte Einlage einer Dose Verwendung gefunden haben.Ihre meisterliche Übertragung einer großen Szene der Malerei in dasminiaturhafte Sujet zeigt, wie gekonnt das preußische Luxusgewerbeseine Unabhängigkeit zum kunsthandwerklichen Zentrum Paris suchteund fand.Für viele Übertragungen von Gemälden und Stichvorlagen auf Tabatièrendekorationen„en grisaille“ war um 1760 Daniel Chodowiecki(1726 – 1801) verantwortlich. Der Künstler fertigte diese für hochspezialisierteBerliner Tabatièren-Juweliere, die meist Franzosen ware undauch die verfeinerte Technik transparenten Flächen-Emaillierens vonder Seine mit an die Spree gebracht hatten.Auch der Siebenjährige Krieg (1756 - 1763) und die politische Entzweiungzwischen Frankreich und Preußen konnten, davon legt diesesEmaille Zeugnis ab, offensichtlich nicht verhindern, daß das Motiveines Gemäldes aus der Hand eines französischen Malers nach seinerAusstellung in Paris und Berlin seinen kunstvollen Weg auf eine kunsthandwerklichePretiose nach Preußen fand. (AE)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Die „Opferung der Iphigenie“löste eine Kontroverse aus,in der nichts weniger verhandelt wurde,als die Frage nach der Überlegenheitvon dessin oder coloris.


325KöniglichePorzellan-Manufaktur BerlinAus seiner Privatschatulle kaufte Friedrich der Große vor genau250 Jahren die Porzellanmanufaktur in Berlin. Diese wurde Leitsterndes friderizianischen Manufakturwesens. Die KPM stattete die Schlösseraus, sicherte den Untertanen Beschäftigung, brachte dem aufsteigendenLand internationale Geltung und band erwählte Gefolgsleute anden König, denn als Geschenke waren ihre Porzellane besondererHuldbeweis – so auch das Service für den Berliner Gouverneur Ramin,aus dem unsere einzigartige Punschterrine stammt.Punschterrine aus dem Tafelservicefür Friedrich Ehrenreich von Ramin(1709 - 1782), Gouverneur von Berlin.1768Modell „Radirtes Dessin“ / „Reliefzierat“nach Entwurf von Elias Meyer (1723 - 1785);Porzellan, Aufglasurmalerei „natürliche Vögelund blau angespitzter Rand“.27,5 cm, Ø 29,5 cm (10 ⅞ in., Ø 11 ⅝ in.).Unterglasurblaue Zeptermarke (Köllmann 4)im Inneren der Terrine /Ritz- und Preßmarken: X, K, 3, IIII. [3250]Provenienz: 21. Dezember 1768 vonFriedrich II. als Geschenk im Rahmen einesTafelservice an Friedrich Ehrenreich vonRamin (1709 – 1780) /im Erbgang an dessen Nichte HenrietteDorothea von Wittken-Heyden (1852 – 1836) /bis 1990er Jahre Familienbesitz derFamilie v. Heyden-Cartlow, Schloß KartlowLiteratur und Abbildung: Dag Nabrdalik: DasBerliner Tafelservice für Friedrich Ehrenreichvon Ramin; in: KERAMOS, Nr. 221 (<strong>2013</strong>),Sonderheft 250 Jahre KPM,S. 117 - 136€ 22.000 – 26.000$ 29,900 – 35,360Ein Großteil des Ramin-Service befindet sichheute als Dauerleihgabe der Familie v. Heydenim Demminer Regionalmuseum.Nach dem Siebenjährigen Krieg kurbelte der König Luxusaufträgendie heimische Wirtschaft an. Größte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmewar das Neue Palais, das ab 1763 entstand. Im Zusammenhang mitdem Riesenbau wurde von Modellmeister Friedrich Elias Meyer auchein Porzellandekor entwickelt, das wie ein Treillagesalon aus Rocailleschwüngengebildet war.Von diesem erlesenen und teuren (!) Servicemodell mit „radirtemDessin“, das die erste Blütezeit des friderizianischen Rokoko veranschaulicht,gab es gerade einmal zehn exklusive Ausformungen: DreiService waren für die königlichen Schlösser bestimmt (darunter dasberühmte Potsdam’sche Service), vier gingen als Geschenke an naheVerwandte des Königs und zwei an hohe Diplomaten. Nur zwei Serienwurden als Huldbeweise für die engsten Berliner Vertrauten des Königsgefertigt. – Neben dem für General de la Motte Fouqué ist dies dasService mit „natürlichen Vögeln und blau angespitztem Rand“, das imDezember 1768 beauftragt wurde.Der im Wert von mehr als 1.000 Talern damit beschenkte FriedrichEhrenreich von Ramin stand in herausragender Gunst Friedrichs undwar im Siebenjährigen Krieg wegen Wagemuts und Geschicks zumGeneralleutnant aufgestiegen. Seit 1767 war Ramin Gouverneur derHauptstadt und als alleinstehender Mann und administrativer HardlinerEmpfänger höchster Orden und zahlreicher königlicher Geschenke, wieaußergewöhnlich hohen Geldbeträgen, Tabatièren und eben Porzellanenaus königlicher Hand.Das Ramin-Service war für 24 Personen ausgelegt und enthielt nebendem zentralen Kredenzblatt mit Zitronenkorb, Soupieren mit Rosenknospenals Deckelhandhaben, zahlreiche Schüsseln und Dosen.Ungewöhnlich und singulär im „radirten Dessin“ ist jedoch unsererunde Terrine des Ramin-Services, die vielleicht einer ganz speziellenVorliebe des vom König Beschenkten Rechnung trug: denn hierinwurde Punsch kredenzt.Das „starcke Getränck unter See-Leuten, welches am meisten bey denenEnglländern gebräuchlich ist, und aus Branntwein, Wasser, Zucker,Pomerantzen-Safft, und Muscaten-Nüssen zubereitet wird“ (ZedlersUniversal-Lexicon, 1741) kam um 1770 gerade stark in Mode.Mit dem Topf aus feinstem Porzellan wurde also Ramins Leben, dasdem König „sehr wie (das) ein(es) Domprobst(es) vorkommt“ (Friedrichscherzhaft an Ramin, April 1773), mit Hochprozentigem versüßt. (SK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


... die Porzellanmanufaktur wurdeLeitstern des friderizianischenManufakturwesens.


326Christian BenjaminRauschnerNaumburg an der Saale 1723 – 1793 Frankfurt am MainChristian Benjamin Rauschner war schöpferischer Allrounder: Der gelernteStukkateur war Kunsthändler, Maler in der Höchster Porzellan-Manufaktur und reüssierte mit seinen Wachsbildern, die er in Frankfurtgegen Entgelt dem Publikum zur Schau stellte und verkaufte. – Er„poussirt Landschaften und Historien in einem guten Geschmacksehr fleißig in farbichtes Wachs. Er macht auch genau diejenige schönerothe Corallenmasse, die in Rom zum Abformen der Antiken erfundenworden ist...“ (Friedrich Carl Gottlob Hirsching: Nachrichten von sehenswürdigenGemälde- und Kupferstichsammlungen... in Teutschland, Bd. 3,Erlangen 1789, S.117f.)Weinendes Kind in einer Grotte.Um 1770Wachs, bossiert; Hinterglasmalerei /Rokokorahmen, vergoldet.26 x 23,5 cm(Rahmen 27 x 24 x 10 cm)(10 ¼ x 9 ¼ in.(frame 10 ⅝ x 9 ½ x 3 ⅞ in.)).Im Hintergrund in Goldtinte signiertund datiert: CBRauschner / f: 1608.[3402] Gerahmt.Provenienz: Privatsammlung, StuttgartLiteratur und Abbildung: Johanna Lessmannund Susanne König-Lein: Wachsarbeiten des16. bis 20. Jahrhunderts, Braunschweig2002, Kat.-Nr. 92, S. 144 (hier genannt)€ 3.000 – 5.000$ 4,080 – 6,800Vergleichsobjekte: Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig (Inv.-Nr. Wac 80und 81) / Stiftung Schloß Friedenstein,Gotha (Inv.-Nr. W 3 und 4)Wir danken Dr. Johanna Lessmann,Hamburg, für wertvolle Hinweise.Von seiner Tour durch Italien hatte er die Kunst des punischenWachses, also aus in Meerwasser gekochtem und gebleichtemBienenwachs, vervollkommnet mitgebracht, die bereits Plinius d. Ä.beschrieb. Seine als Bildhauerkunst geltenden Wachsbossierungennutzten das nahezu unbegrenzt formbare und dafür um so fragilereMaterial Mitte des 18. Jahrhunderts nun für die Modellierung vonPreziosen. Diese fanden, aufwendig gerahmt und damit illusionistischnoch gesteigert, in den Kunstkammern der deutschen FürstenhöfeVerehrer und Bestauner.Eine Kuriosität mit philosophischer Tragweite ist die Wachsarbeitunseres Kindes, das in einer tiefen Grotte mit Blick aufs Meer sitztund bitterlich weint. Zusammen mit dem bei Rauschner als Pendantgeformten „Lachenden Kind“ spielte die trivial-komische Szene aufdas philosophisch bedeutungsgeladene Bildthema von Heraklit undDemokrit an. – Während ersterer düster und pessimistisch die Weltbetrachtete, amüsierte sich der andere gelassen über die Dummheitder Menschheit.Wer das nicht verstehen konnte (oder wollte), widmete sich derKuriosität des Sujets und Materials. Oder er war von der kunstvollenKombination von gerahmtem Schaukasten mit Wachsplastik undHinterglasmalerei begeistert, wie Herzog Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713 – 1780). Dieser sammelte Rauschners Wachskunstwerkefür sein verschwenderisches Plaisir und die Kunstkammer. SeinSchwager, König Friedrich II. von Preußen hätte solch Kunstwerk wohlals unaufgeklärt zurückgewiesen.Dieser aufgeklärte Monarch stand wohl aber als historische und inWachs nachgebildete Persönlichkeit in Rauschners Salon in Frankfurtam Main, wo das Publikum seine Wachsschöpfungen gegen Entgeltbesichtigen und erwerben konnte. – So sind Rauschners heute besondersraren, da sehr fragilen Schöpfungen ein Vorläufer des bis heutebestehenden Londoner Kabinetts der Anna Marie Grosholtz, verheirateteMadame Tussaud (1761 – 1850). Doch hier sind nicht mehr dieheiteren Andeutungen der Philosophie in Wachs gebildet, sondern dieHollywoodstars der Kinos. (SK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Rauschners Wachsschöpfungensind Vorläufer des Kabinettsder Madame Tussaud.


327Friedrich Georg WeitschBraunschweig 1758 – 1828 BerlinBraunschweiger Kunst um 1800 – dies bedeutet stets auch und vor allemFürstenberger Porzellan und Lackkunst der LackwarenmanufakturStobwasser. Beide zeichnen sich durch eine preziöse Miniaturmalereiaus. Johann Heinrich Stobwasser hatte sich 1763 in Braunschweigniedergelassen und sogar eine eigene Malerschule eingerichtet, diekünstlerisch durch die Maler Weitsch geprägt wurden: Pascha JohannFriedrich Weitsch (1723 – 1803) und sein Sohn Friedrich GeorgWeitsch. Der Vater war Landschafts- und Tiermaler, der Sohn Landschafts-,Tier-, Stilleben- und auch Historienmaler und meisterhafterPortraitist, der sich zur Zeit Tischbeins und Goethes in Italien aufgehaltenund sich später in Berlin etabliert hat. Dort zählten Fürsten wieGelehrte zu seinen Klienten, unter letzteren auch der NaturforscherAlexander von Humboldt.Idylle am Flußufer.Um 1780Öl auf Metall, lackiert.Auf einem Coffébrett der „StobwasserschenLaquir Fabrick“, Braunschweig.30,5 x 34 cm (Platte 35,5 x 44,5 cm)(12 x 13 ⅜ in. (tray 14 x 17 ½ in.)).Nicht bei Lacher 2005.[3526] Gerahmt.Provenienz: Sammlung des KaufmannsJohann Friedrich Geller (1754 – 1828),Braunschweig / Seither Familienbesitz,Braunschweig und Bad SalzuflenQuelle: „[...] malte er Landschaften, wo ersich, bey der damals noch nicht viele Jahreentstandene Stopwassersche Laquir Fabrick,auf Teller und Tischplatten üben konnte...welche mehrentheils die Idillen vonS. Gessner vorstelten auf Tischplatten diereißend abgingen“ (Friedrich Georg Weitsch;in: Leihgabe des Vereins Berliner Künstler inder Stiftung Archiv der Akademie der Künste,Berlin, Sig. VBK Nr. 61, S. 2)€ 3.000 – 4.000$ 4,080 – 5,440Vergleichsliteratur: Reimar F. Lacher:Friedrich Georg Weitsch. Maler, Kenner,Akademiker, Berlin 2005Wir danken Dr. Reimar F. Lacher,Halberstadt, für die Bestätigung derAuthentizität des Gemäldes.Dosen, Vasen, Teller, Tassen, Tabletts (sogenannte Coffébretter) undauch Tischplatten und verschiedenste weitere Waren brachte Stobwasserauf den Markt. Vor allem in letzteren entfaltete sich die Malereinicht minder als im Leinwandgemälde. Bezeichnend hierfür ist es, daßviele Coffébretter auf die Bildfläche reduziert und damit zum Gemäldeumgearbeitet wurden, um ihren Platz frei an der Wand hängend zufinden. So trifft es auch auf das vorliegende Bild zu.Die kleine Ideallandschaft befindet sich seit Generationen, möglicherweisebereits seit der Entstehungszeit, im Besitz einer alten BraunschweigerFamilie, die sich mit dem Handel von Haarwasser einenNamen machte (siehe zahlreiche Artikel im damaligen Journal des Luxusund der Moden). Bei dieser Provenienz genießt die Beschriftung, dieFriedrich Georg Weitsch als den Urheber benennt, volle Glaubwürdigkeit.Das Gemälde hat Seltenheitswert als Frühwerk Friedrich GeorgWeitschs, insbesondere als eine der wenigen frühen Landschaftsdarstellungen.Auch kann das Werk als Gradmesser dienen für denAnteil des jüngeren Weitsch an der hochstehenden BraunschweigerLackmalerei.Gessnersche Idyllen habe Weitsch auf Coffébretter und Tischplattengemalt, die reißenden Absatz fanden, wie der Maler in seiner Autobiographiefesthielt. – Die bukolischen Szenen des Schweizer Malersund Graphikers Salomon Gessner (1730 – 1788) sind in unserem Bildverbunden mit dem Licht Claude Lorrains (1600 – 1682) und der HarzundVorharzmalerei seines Vaters. Als Maler bezeichnete Weitsch sichselbst als „Idylliker“. Diese Charakteristik bestätigt sich in unserer„Idylle am Flußufer“: die Figurengruppe im Vordergrund ist geprägtvon ,natürlicher Einfalt‘, die durchaus auch etwas von der Winckelmannschen‚edlen Einfalt‘ hat. Das Thema der Flußüberquerung solltein Weitschs Malerei auch weiterhin eine Rolle spielen.Stobwassers Produkte zeichnen sich durchweg aus durch einehochveredelnde Lackierung, eine moderne Form sowie eine feineBemalung, wie in unserem Beispiel von Friedrich Georg Weitsch. Siemachten im wahrsten Sinne des Wortes Mode: sie stillten das Verlangen,das sie selbst hervorgebracht hatten.Reimar F. Lacher, Halberstadt<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


„... er malte Landschaften ..., welche mehrentheilsdie Idillen vorstelten und reißend abgingen ...“


328KöniglichePorzellan-Manufaktur BerlinDie beiden raren Weimarer-Vasen der KPM aus dem Jahr 1785/1786sind wohl Dankesgeschenke des Prinzen Heinrich von Preußen(1726 – 1802) für eine von Fredrik Henrik af Chapman 1774 gefertigtePrunkbarke.Am 25. Januar 1785 besuchte Prinz Heinrich, der Bruder Friedrichsdes Großen (1712 – 1786), die Berliner Porzellan-Manufaktur undschwärmte von den Porzellangeschenken der Manufaktur von Sèvres,die er auf seiner Frankreichreise gesehen und erworben hatte (vgl.Grieninger: Vom Ursprung und Fortgang der KPM; in: Hohenzollernjahrbuch1902).Paar Deckelvasen, sogenannte Weimar-Vasen, mit den Portraits König Friedrichsdes Großen und Kronprinz FriedrichWilhelms von Preußen.1785/86Scherben weiß, Bemalung Unterglasur-Königsblau,Relief mit Vergoldung, Grisaillemalereivon Franz Tittelbach (1722 – um 1790).49,5 cm / 48,5 cm (19 ½ in. / 19 ⅛ in.).Unterglasurblaue Zeptermarke (Köllmann 10).[3171]Provenienz: Wohl Geschenk des PrinzenHeinrich von Preußen (1726 – 1802) an denSchiffbaumeister Fredrik Henrik af Chapman(1721 – 1808), Herrenhaus Skärfva /1806 zusammen mit dem Herrenhauserworben von Johan Humble /Seitdem Familienbesitz, SchwedenLiteratur und Abbildung: Quelle: InventarSkärfva, Carlskrona 19. April 1806; in: privatesFamilienarchiv, Schweden („Uti stora förmaket“(im großen Salon): „2 Saxiske mycketvackre Krukor agta med glas öfver“) / AlbinRoosval (Red.): Svenska slott och herresäten,Stockholm 1909, S. 22f. (hier als DarstellungenFriedrichs II. und seines Bruders Heinrich)€ 35.000 – 45.000$ 47,600 – 61,200Vergleichsliteratur: Daniel G. Harris: F. H.Chapman. The First Naval Architect andhis Work, London 1989, S. 90 (zur Barkefür Heinrich) / Hannelore Plötz-Peters: Ein„Zimmerdenkmal“ der KPM Berlin; in:KERAMOS, Heft 127 (2012), S. 35 – 42Dies blieb wohl nicht ohne Folgen, denn ein am 12. September 1785im Sessionsbuch der Berliner Porzellan-Manufaktur erwähntes Vasenmodellorientierte sich stark an einem französischen Vasentypus vonSèvres. Sogleich ließ sich der König selbst fünf Stück dieser neuen,klassizistisch geprägten Vasen reservieren und als symmetrischenKaminaufsatz in drei unterschiedlichen Größen für das Konzertzimmerdes Schlosses Sanssouci liefern, wo sie auch heute noch zu finden sind. –Die für diesen Typus heute gebräuchliche Bezeichnung Weimarer-Vaserührt von der ersten Auswärtsbestellung für die Herzogin von Weimar her.Diese erfreuen sich bis in unsere Zeit großer Beliebtheit und werdenvon der Manufaktur mit großem Aufwand weiterhin hergestellt. Dochdie überaus raren Originale der ersten Jahre befinden sich längst inöffentlichen Sammlungen. Als um so bedeutender ist unser zusammengehörigesPaar Weimarer-Vasen zu betrachten, die noch unter derHerrschaft von Friedrich II. entstanden sein müssen und daher auf1785/1786 datiert werden können.Das makellos erhaltene Vasenpaar zeigt in seinen Medaillons dieBildnisse des Königs Friedrich II. und das seines Thronfolgers FriedrichWilhelm II., die Arbeiten des Porzellanmalers Franz Tittelbach sind.Auf dem rückseitigen Medaillon der ersteren ist – dem König gebührend– eine Trophäensammlung bestehend aus einem Feldherrenhelm,einem Lorbeerkranz, einem Schwert, einer Lyra und dem preußischenSzepter abgebildet. Auf der anderen finden sich – dem Thronfolgerangemessen – ein Feldherrenhelm, ein Schwert und ein Lorbeerkranz.Aus dieser Betonung der Königswürde Friedrichs II. läßt sich schließen,daß die Vasen noch zu dessen Lebzeiten hergestellt wurden.Das Farbenspiel der leuchtenddunkelblauen Kobaltglasur im Wechselmit dem strahlenden Weiß des Porzellans und der aufwendigenVergoldung begeistert auch heute noch. Die vergoldeten Elemente derVase, die fein nuanciert in hochglänzenden wie auch matten Tönendie Oberfläche dynamisieren, ahmen eine kostbare feuervergoldeteBronzemontierung nach.Wir danken Hannelore Plötz-Peters undRoland Peters, Berlin, für wertvolle Hinweise.<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Unsere Vasen führen ein weiteres Mal zum Bruder des Königs,Prinz Heinrich: Bereits im Sommer 1770 unternahmer eine längere Reise nach Schweden und besuchte seineSchwester Luise Ulrike, Königin von Schweden (1720 –1782). Hier könnte Prinz Heinrich wohl die Bekanntschaftmit den Arbeiten des schwedischen SchiffbaumeistersFredrik Henrik af Chapman gemacht haben, dessen Barkenberühmt für ihren geringen Tiefgang waren.Photographie um 1900: Herrenhaus SkärfvaSolche Schiffe waren gerade in Preußen gefragt, woFriedrich II. das Wasserwegesystem verstärkt auszubauensuchte. Ferner waren fast alle wichtigen preußischenSchlösser direkt am Wasser gelegen und miteinander überWasserwege verbunden – einschließlich Prinz HeinrichsSchloß Rheinsberg am Grienericksee.Chapman war ein gefeierter Schiffbaumeister und spätererVizeadmiral der schwedischen Flotte. Er galt als ersterSchiffbaumeister, der seine Schiffe auf Grundlage wissenschaftlich-mathematischerBerechnungen konstruierte.Dies machte seine Schiffe zu begehrten <strong>Objekte</strong>n, sowohlfür den militärischen als auch den privaten Gebrauch,und Chapman zu einer bedeutenden und an vielen Höfenbegehrten Person. – Ob Heinrich und Chapman einanderbegegneten, ist nicht überliefert, doch es existieren Hinweiseaus dem Jahr 1774, daß Chapman eine Prunkbarkefür Prinz Heinrich fertigte.Es handelt es sich um den Typ Barke, der bis heute (alsNachbau) für Staatsfeste der Könige von Schweden inGebrauch ist. Chapman baute 1774 diese Prunkbarke„Wasaorden“ für Gustav III. von Schweden (1746 – 1792),Luise Ulrikes Sohn, und zeitgleich eine zweite gleichartigefür den Prinzen von Preußen. Die Barke aus Eichenholzmaß 17 Meter in der Länge und drei Meter in der Breite –bei nur etwas mehr als einem Meter Tiefgang scheint diesideal für die brandenburgischen Gewässer. 18 Rudererverliehen dem Gefährt eine für die damalige Zeit hoheGeschwindigkeit, die der Prinz aus einer verglasten Kabinegenießen konnte.Die beiden Vasen dürften daraufhin wohl als Geschenk inChapmans Haus nahe dem südschwedischen Karlskronagelangt sein. Aufgrund des 1806 angefertigten Verkaufsinventarsvon Herrenhaus Skärfva besitzen wir den Hinweisauf den ursprünglichen Standort der Vasen im großenSalon, wo sie jedoch fälschlicherweise als MeißenerPorzellan bezeichnet wurden.Bis Ende des 19. Jahrhunderts befanden sie sich hiergeschützt unter Glasstürzen, was ihren guten Erhaltungszustanderklärt. Eine weitere Erwähnung finden die beidenVasen in der Publikation „Svenska slott och herresäten“von 1909. Darin werden beide einzeln abgebildet undauch beschrieben, doch obwohl Friedrich II. und seinNachfolger Friedrich Wilhelm II. abgebildet sind, wird letztererirrtümlich als Prinz Heinrich bezeichnet, was die bisheute tradierte Information untermauert, daß die Vaseneinst ein Geschenk des preußischen Prinzen Heinrichwaren. (PG)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Prinz Heinrich von Preußen bedankte sichmit diesen Vasen wohl für die Prunkbarkebei F.H. af Chapman


329Gustav Friedrich Amalius Taubert(Vorsteher der Figurenmalerei derKöniglichen Porzellan-Manufaktur)1755 – Berlin – 18391817 heiratete Prinzessin Charlotte von Preußen, fortan AlexandraFjodorowna (1798 – 1860), den russischen Großfürsten Nikolai Pawlowitsch(1796 – 1855). Teil ihrer Aussteuer waren auch zwei Porzellan-Schalen auf hohem Fuß nach einem Modellentwurf von Karl FriedrichSchinkel (1781 – 1841) – die eine in Lapislazuli-Blau mit dem BerlinerSchloß im Zentrum, umgeben von 16 Portraits der Herrscher des HausesHohenzollern in Kameen-Malerei; die andere, als Gegenstück, inMalachit-Grün ausgeführt, mit einer Ansicht des Kremls und 14 Portraitsder Herrscher des Hauses Romanow, ebenfalls als Kameen-Malerei(beide heute Eremitage, St. Petersburg).Bemerkenswert ist deshalb die Existenz der hier vorliegenden, zweisignierten und datierten Bögen mit den Portraits der Hohenzollern-Herrscher, die als Vorlage für die Malerei einer der genannten Porzellanschalendienten. Die Zeichnungen stammen von der Hand desdamaligen Malereivorstehers der Königlichen Porzellan-Manufaktur,Gustav Friedrich Amalius Taubert.Portraits der brandenburgischenKurfürsten und preußischen Könige –„Vorbilder zu einer großen Schalevon Porzelan in Gemmen“.1820Gouachen auf Papier auf Karton montiert.19,2 x 31 cm; 20 x 31 cm(7 ½ x 12 ¼ in.; 7 ⅞ x 12 ¼ in.).Jeweils rechts unten signiert und datiert:G. Taubert 1820 / Gus. Taubert 1820. [3129]Provenienz: Wohl ehemals Umfeld derKöniglichen Porzellan-Manufaktur, Berlin /2011 Kunsthandel, Leipzig /Privatsammlung, Berlin€ 3.000 – 5.000$ 4,080 – 6,800Vergleichsliteratur: Samuel Wittwer (Hrsg.):Raffinesse & Eleganz: KöniglichePorzellane des frühen 19. Jahrhunderts ausder Twinight Collection New York,München 2007, S. 158ff.Die hohe Bedeutung der so gezierten Porzellane bezeugt ihre Präsentationauf der Berliner Akademie-Ausstellung von 1822 (Kat.-Nr.n 623,624). Auf diese Weise erhielten die Berliner Bürger die Gelegenheit,das kostbare Geschenk vor seiner Abreise einmal sehen zu können.Die Dekoration der Schalen sollte modern, aber auch mit einer politischenAussage verbunden sein. Die seinerzeit modische Kameen-Malerei im Stil der antiken, in Stein geschnittenen Kameen griff imklassizistisch geprägten Europa gerade um sich. In der Tradition derantiken Herrscherportraits galt es nun, den Portraittypus zu modifizierenund in neuester Technik und modischem Material wiederzubeleben.Dieses Geschenk sollte den Großfürsten selbstverständlicheinerseits erfreuen, andererseits aber sicherlich auch die ebenbürtigeStellung der beiden dynastischen Häuser zum Ausdruck bringen und –wohl unterschwellig – das Machtgleichgewicht demonstrieren.Ausgehend von der Darstellung der Residenz, dem historischenStammsitz der jeweiligen Dynastie, werden die einzelnen Herrscherwahrheitsgetreu und historisch korrekt in zeitgemäßen Kostümenvorgestellt. Einer Adelsprobe gleich, werden sie vom ältesten bis zumjüngsten Repräsentanten des Hauses abgebildet. Taubert kam dieAufgabe zu, wohl anhand zeitgenössischer Münzen und Medaillen,für die Umsetzung der Ahnenreihe zu sorgen. Hierdurch ergibt sichder gewünschte stilistische Unterschied zwischen den frühen, eherrenaissancehaften und den späten, klassizistisch geprägten Herrscherbildnissen.Entstanden ist eine einmalige und vollständige Ahnenreihesämtlicher Herrscher beider Häuser.Die hier gezeigten zwei Blätter bilden eine seltene und vollständigeWiedergabe der Regenten des Hauses Hohenzollern bis hin zu KönigFriedrich Wilhelm III. (1770 – 1840), dem Auftraggeber der Porzellanschalenund Vater Prinzessin Charlottes. (PG)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Einer Adelsprobe gleich,werden die Hohenzollern vom ältestenbis zum jüngsten Repräsentantendes Hauses abgebildet.


330Karl Friedrich Schinkel(Entwurf)Neuruppin 1781 – 1841 BerlinVier Palmetten von einem Brunnendes Gewerbeinstituts in Berlin.1827Bronzeguß von Johann Dinger, Berlin,originale Ölvergoldung. Modell vonChristian Friedrich Tieck (1776 – 1851),Christian Daniel Rauch (1777 – 1857) undLudwig Wilhelm Wichmann (1788 - 1759).23,6 cm (ohne Sockel) (9 ¼ in. (without base)).Neue Messingsockel, geschwärzt. [3476]Provenienz: Provenienz: Um 1832 – 1873Wintergarten des Prinz-Albrecht-Palais in derWilhelmstraße, Berlin / Nach 1873 Lichthofdes Preußischen Kultusministeriums,Unter den Linden, Berlin / Wohl 1931 – 34Garten des Kronprinzessinnenpalais, Berlin /1945 Kriegsbeschädigung /1999 Kunsthandel Frank C. Möller, Hamburg /Privatsammlung, BerlinAusstellung: 1999, 12. TEFAF-Kunstmesse,MaastrichtLiteratur und Abbildung: TechnischeDeputation für Gewerbe (Hrsg.): Vorbilder fürFabrikanten und Handwerker, Bd. 1, Abt. 2,Berlin 1830, S. 120 / Achim Stiegel: der Rittder Neriden von Pompeji nach Berlin. EineGruppe vergoldeter Bronzefiguren nachEntwurf von Karl Friedrich Schinkel; in:Weltkunst, Jg. 69, Nr. 2 (Februar 1999), Klappe€ 30.000 – 40.000$ 40,800 – 54,400Wir danken Frank C. Möller, Hamburg, undDr. Achim Stiegel, Berlin, für neueForschungsergebnisse.Vergleichtsliteratur: Paul Ortwin Rave: Karl Friedrich Schinkel. BerlinIII, Berlin 1981, S. 350f. / Gottfried Riemann (Hrsg.): Karl FriedrichSchinkel. Reise nach England, Schottland und Paris im Jahre 1826,Berlin 1986, S. 109 / Ursula Zehm: Ernst Rietschels Auffassung undderen Verwirklichung, in: Das Denkmal. Goethe und Schiller alsDoppelstandbild in Weimar, S. 91 – 132, Tübingen 1993, S. 103 /Bernhard Maaz: Zur Entwicklung des Bronzegusses in Deutschland im19. Jahrhundert; in: Bronze- und Galvanoplastik. Geschichte, Materialanalyse,Restaurierung, Arbeitshefte Landesamt für DenkmalpflegeSachsen/ Sachsen-Anhalt, Heft 5 (2000), S. 25–39Karl Friedrich Schinkel entwarf 1827 einen Brunnen mit kleinenFigurengruppen antiker Gottheiten für den Hof des Berliner Gewerbeinstituts.Hierzu sind drei von ihm signierte Zeichnungen im BerlinerKupferstichkabinett erhalten (Inv.-Nrn. SM 43a.28; 43a.29; 43a.30).Das Hauptblatt zeigt den Brunnen in seiner Gesamtansicht – dienatürliche Umgebung ist angedeutet. Mit einer Beischrift am rechtenunteren Bildrand verweist Schinkel auf ein heute zweigeteiltes „Detail-Blatt worauf vier Skizzen in größerm Maßstab“ zum Figurenschmuckgezeichnet sind. Vorbild für die Figuren waren drei Fresken aus demVorzimmer der <strong>Villa</strong> der Ariadne in Stabia (Stiegel 1999).Die Mitte der vier Figurengruppen wird jeweils durch einen Stirnziegelbetont: Getragen von zwei gegenständigen Delphinen vor stilisiertenVoluten ragen streng symmetrische Palmetten empor. Das Motiv einesDelphins, welcher seinen Hinterleib emporstreckt und durch die Windungenseines Körpers beinahe zu zappeln scheint, übernahm Schinkelvermutlich von einer Vase, die er 1824 in der <strong>Villa</strong> Albani in Rombesichtigte und auf zwei Skizzenblättern festhielt (SM 10.72; 10.74).Des weiteren findet sich dieses Motiv in Schinkels entwurfskünstlerischemNachlaß auf Blättern mit maritimem Bezug, an Zeichnungen fürBrunnenanlagen und Möbel.Das Gewerbeinstitut ging aus der 1821 von Peter Christian WilhelmBeuth gegründeten „technischen Gewerbeschule“ hervor und hatteseinen Sitz in der Klosterstraße. Hauptziel der Ausbildung war, dieGewerbetreibenden in den Wissenschaften zu unterrichten, welche zurVervollkommnung ihres Gewerbes unbedingt erforderlich waren.Zur Förderung der Lehre wurden Werkstätten und Laboratorien, eineModell- und Maschinensammlung sowie eine Fachbibliothek eingerichtet.Als durch einen Um- und Anbau des Institutsgebäudes einneuer Innenhof entstand, erhielt Schinkel den Auftrag, hierfür einenpassenden Brunnen zu entwerfen.Die Zeichnungen des Architekten wurden in der von Beuth und Schinkelherausgegebenen Mustersammlung „Vorbilder für Fabrikanten undHandwerker“ 1830 publiziert. Im Begleittext schreibt Beuth: „DieBeförderer, Gönner und Lehrer der Anstalt, die Herren ProfessorenTieck, Rauch und Wichmann übernahmen es, ersterer zwei von den vierGruppen, welche das Becken krönen, unter ihrer Aufsicht ausführen<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Schinkel übernahm das Motiv eines Delphins,welcher seinen Hinterleib emporstrecktund durch die Windungen seines Körpersbeinahe zu zappeln scheint.


zu lassen; letztere jeder eine. Die Schale und eine Gruppe wirdder ehemalige Zögling derselben, der Lehrer Dinger, ein SchülerCrozatier’s in Paris, formen und gießen; die drei anderen, zumTheil fertigen Gruppen sind dem Lehrer Frayerabend (sic!) unddem Lehrer und akademischen Künstler Müller übertragen worden“(Vorbilder 1830).Schinkel hatte 1826 die Werkstatt von Charles Crozatier imPariser Stadtviertel Marais besucht und schrieb beeindruckt:„Crozatier, der die größten und kompliziertesten Statuen sogießt, daß keine ciselure nötig ist; höchst wenige und feine Nähteund eine große Leichtigkeit und Wohlfeilheit sind ausgezeichneteEigenschaften“ (zit. nach Riemann 1986).Das Ideal der Bildhauer war ein Guß, der keinerlei Ziselierung,also keiner Oberflächennachbearbeitung bedarf. Ernst Rietschelkonstatierte 1856: „Was für Bronce gemacht wird, muß jedeFläche und jeder Winkel rein und klar vollendet seyn, daß derCiseleur in der Bronce nicht den Bildhauer vertreten muß“ (zit.nach Zehm 1993).Um diese ausgezeichnete französische Gußtechnik auch für denBerliner Bronzeguß anwenden zu können, schickte Beuth 1827den Gießer Johann Dinger zu Crozatier in die Lehre. Wenngleichman noch 1817 französische Fachleute nach Berlin geholthatte, veränderte sich nun das Herangehen. Paris wurde dasprominenteste Reiseziel der auszubildenden deutschen Gießer.Immer wieder sandte man Schüler als Mitarbeiter in dortigeWerkstätten, damit sie bei tätiger Mitwirkung gleichsam alsIndustriespione die modernste dortige Praxis erkundeten(Maaz 2000).Der Brunnen ist vermutlich das erste prominente Stück, welchesin der 1830 neu eingerichteten Bronzegießerei des Gewerbeinstitutsvon Dinger in dieser neuen Technik angefertigt wurde. Erwurde im Sommer 1832 im Hof der Lehranstalt aufgestellt. ImAuftrag König Friedrich Wilhelms IV. wurde der Brunnen 1843 indessen Landsitz Charlottenhof transportiert und ist dort nochheute im Atrium zu bewundern.Entgegen der durchweg dunkel patinierten Oberfläche des CharlottenhoferExemplars wurden unsere Bronzen bei identischerForm mit einer Ölvergoldung versehen. Doch warum vergoldetman einen so kostbaren Bronzeguß? Die lange Fertigungszeitvon nahezu fünf Jahren deutet auf technische und künstlerischeSchwierigkeiten.Denkbar wäre, daß unsere Bronzen zu einem nicht gelungenenGuß gehören, die Oberfläche daher angerauht und vergoldetwurde. Oder hatte Schinkel im Sinne Schillers mit der Oberfläche– der Haut, die den Charakter eines Objekts prägt – gespielt?Zumal die Ölvergoldung den Bronzen etwas Sinnliches verleiht,ihnen Leben einhaucht und damit die klassizistische Strenge,wie sie am Brunnen für das Gewerbeinstitut zu beobachten ist,entschärft.Auch die Frage nach der Anzahl der gefertigten Exemplare istnoch nicht vollends beantwortet. Unsere Bronzen könnten zudem Brunnen gehören, der bis 1945 im Garten des Kronprinzessinnenpalais(1931 – 34 Schinkelmuseum) stand. Jedochmuß dafür die 1962 aus der Erinnerung getroffene Aussage PaulOrtwin Raves „ein zweiter Guß in weniger edlem Metall“ derartinterpretiert werden, daß Rave wegen der Vergoldung annahm,es müsse sich darunter ein weniger edles Metall als Bronzeverstecken. Oder waren unsere Palmetten Teil eines drittenBrunnens, welcher womöglich im Wintergarten des Palais desPrinzen Albrecht seine Aufstellung fand? (Stiegel 1999)Gezeigte Palmetten markieren in jedem Falle durch ihre hoheQualität einen Wendepunkt in der Geschichte des Berliner Bronzegusses.Sie sind gleichzeitig ein vorbildhaftes Beispiel für dasBemühen Karl Friedrich Schinkels, die preußischen Gewerbezu befördern. Vor dem Hintergrund ihrer Beinahe-Zerstörung– eine unserer Palmetten wurde 1945 von Granatsplittern undeiner Gewehrkugel durchbohrt – erscheinen die gezeigten Bronzenals besonders kostbare Stücke. (BK)Karl Friedrich Schinkel: Entwurf zu einem Brunnendes Gewerbeinstituts in Berlin, 1827Karl Friedrich Schinkel: Entwurf zu den Nereidenund Palmetten, 1827<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Oder hatte Schinkel im Sinne Schillersmit der Oberfläche – der Haut,die den Charakter eines Objekts prägt – gespielt?


331 / 332 / 333Karl Friedrich Schinkel(Entwurf)Neuruppin 1781 – 1841 BerlinRelieffplatten von der Berliner Bauakademie1833/34331 332Vergleichsliteratur: Friedrich Adler: Die Bauschule zu Berlin vonK. F. Schinkel; in: Zeitschrift für Bauwesen, Jg. 19 (1869), S. 463ff. /Paul Ortwin Rave: Karl Friedrich Schinkel. Berlin III., Berlin 1981,S. 46 / Andreas Haus: Karl Friedrich Schinkel als Künstler, München2001, S. 320 / Jan Mende: Die Tonwarenfabrik Tobias Chr. Feilner …,Berlin <strong>2013</strong>331 Platte mit Ähren.23 x 16,5 cm (9 x 6 ½ in.). [3411]€ 1.000 – 1.500 / $ 1,360 – 2,040332 Platte mit Akanthus.22,5 x 16 cm (8 ⅞ x 6 ¼ in.). [3411]€ 1.000 – 1.500 / $ 1,360 – 2,040333„[...] ein Material erhielt wieder seinen Wert [...]“, schrieb der BildhauerJohann Gottfried Schadow (1764 – 1850) über die Wiederbelebungder Backsteinarchitektur durch Karl Friedrich Schinkel (zitiert nachRave 1981). Friedrich und David Gilly lenkten die Aufmerksamkeitbereits auf die großen mittelalterlichen Backsteinbauten. Doch es warSchinkels Verdienst, die plastische Architekturkeramik eng mit derkünstlerischen Wiederbelebung der Sichtziegelfassade, des unverputztenBacksteinbaus, verknüpft zu haben (Mende <strong>2013</strong>).Nachdem Schinkel mit dem Bau der Friedrichswerderschen Kirche inBerlin (1824 – 1830) das erste aufwendige Formsteinprogramm verwirklichthatte und der Ofen- und Keramikfabrikant Feilner die Fassadeseines Wohnhauses (1828 – 1829) auf Anraten des Architekten mitschmückenden Reliefplatten versah, entstand mit der Fassadengestaltungder Bauakademie (1832 – 1836) eine weitere eindringliche Demonstrationfür den Umgang mit künstlerisch gestalteter Bauterrakotta.Das bauplastische Bildprogramm in Form von Terrakotten wurde vonFriedrich Adler als „klassische Bilderbibel des Baumeisters“ gedeutet(Adler 1869). Es umfaßte nach Schinkel „die Entwicklungsgeschichteder Baukunst, aus deren Zerstörungsperioden und aus den verschiedenenwerktätigen Beschäftigungen“ (zit. nach Rave 1981), sowie sich wiederholendePflanzenornamente.333 Platte mit großer Distel.28 x 16,5 cm (11 x 6 ½ in.) [3411]€ 1.500 – 2.500 / $ 2,040 – 3,400Rote Terrakotta von CorneliusGormann (1796 – 1861). Modell wohl vonChristian Friedrich Tieck (1776 – 1851)und August Kiss (1802 – 1865).Ränder teilweise bestoßen.Provenienz: Bauakademie, Berlin (bis 1962) /Privatsammlung, BerlinLiteratur und Abbildung: Karl FriedrichSchinkel: Sammlung architectonischerEntwürfe..., Berlin 1834, Heft 20, Nr. 125 /Verwaltung der Staatlichen Schlösser (Hrsg.):Karl Friedrich Schinkel. Architektur, Malerei,Kunstgewerbe, Ausst.-Kat., Berlin 1981,Kat.-Nr. 82.h, S. 193Unsere drei Terrakotten zeigen stilisierte Ähren, Distel- und Akanthusgewächseund stammen von den Innenseiten der Fenstereinfassungen.Die Tafeln mit den Pflanzenmotiven wurden sicherlich von ChristianFriedrich Tieck (1776 – 1851) und August Kiss (1802 – 1865) modelliert.Für die Anfertigung der Terrakotten favorisierte Schinkel die Fabrikvon Tobias Chr. Feilner, zumal dessen Produkte doch kurz zuvor an derFriedrichswerderschen Kirche und an Feilners Wohnhaus den berechtigtenApplaus Schinkels und des Publikums erhalten hatten. „Dochmußte die Werkstatt den ungemein prestigeträchtigen Auftrag offenbaraus Kapazitätsgründen ausschlagen“ (Mende <strong>2013</strong>). Die zweite Wahlfiel auf Feilners Konkurrenten, Cornelius Gormann (1796 – 1861), dernun die Gelegenheit bekam, ein Zeugnis seiner technischen Leistungsfähigkeitin hochwertiger Baudekoration aus gebranntem Ton zu liefern.Schinkel hatte es sich zu einer seiner wichtigsten Lebensaufgabengemacht, aus dem allgegenwärtigen Baustoff Backstein, der so langeein unsichtbares Dasein als putzverkleistertes Mauermaterial geführthatte, eine eigenständige architektonische Stilform zu gewinnen (Haus2001). Eine Stilform, die das Backsteinmaterial des Bauwerks zurKunst erhebt. (BK)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


333331332... ein Zeugnisseiner technischenLeistungsfähigkeit inhochwertiger Baudekorationaus gebranntem Ton


334 RNach Albert WolffNeustrelitz 1814 – 1892 Berlin-CharlottenburgIn vertrautem, fast hörbar heiterem Geplauder wenden sich hier Peithound Hebe einander zu, wobei eine der jungen Frauen mit geschürztemKleid eilig herantritt und ihre Linke geheimnisvoll flüsternd an die Lippenhält, während die andere mit einem Krug in der gesenkten Hand ihraufmerksam und abwartend zuzuhören scheint.Die Vorlagen für diese weiblichen Figuren lassen sich in den Terrakotta-Statuen im Giebel des Schweriner Museums entdecken, dessenEntwurf und Modellausführung auf einen der besten Schüler ChristianDaniel Rauchs (1777 – 1857), den Bildhauer Albert Wolff, zurückgehen.Peitho und Hebe am Brunnen.1899, nach Entwurf von 1879Sandsteinfarbige Terrakotta, geschlemmt,aus der Tonwarenfabrik March,Berlin-Charlottenburg.154 x 105 x 84 cm (60 ⅝ x 41 ⅜ x 33 ⅛ in.).Rückseitig ovale Gießermarke: E. MARCHSÖHNE CHARLOTTENBURG BEI BERLIN.Geringfügige Abplatzungen. [3560]Provenienz: Privatsammlung, FrankreichLiteratur und Abbildung: Thonwarenfabrikvon Ernst March Söhne Charlottenburg beiBerlin, o.D. [1899], Blatt 166, Nr. 381€ 12.000 – 15.000$ 16,300 – 20,400Vergleichsliteratur: Jutta von Simson:Der Bildhauer Albert Wolff 1814 - 1892. Berlin1982, S. 111 – 120, vor allem Abb.en 89 – 92 /Katharina Lippold: Berliner Terrakottakunstdes 19. Jahrhunderts, Berlin 2010Wir danken für wertvolle HinweiseDr. Jan Cremer, Ofen- und KeramikmuseumVelten, und besonders Dr. Jutta von Simson,Berlin, Autorin der Werkmonographie Wolffs.1879 wurde Wolff offiziell mit der Ausführung der Giebelgruppe desneu errichteten Museums betraut, welche die Geburt und Entstehungder Kunst im Mythos von Eros und Psyche versinnbildlichen sollte. Zudieser Götterversammlung gehören auch Peitho – in der griechischenMythologie die sanfte Art der gewaltfreien erotischen Überredungskunstdarstellend – und Hebe als Mundschenkin der Götter. Im Gegensatz zuden zahlreichen übrigen Giebelfiguren nach antiken Vorbildern scheinendie beiden Mädchenfiguren weniger einem klassischen Formenkanonuntergeordnet zu sein.Aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und als Zweiergruppefür unseren Brunnen neu kombiniert, wirken sie durch ihre Haltung undGestik unmittelbar, lebendig und narrativ und verleihen durch ihr anmutiges,genrehaftes Motiv dem Brunnen seinen besonderen Charme.Wolff war ein enger Freund von Paul March (1830 – 1903), unter dessenLeitung die Terrakotta-Reproduktionsfirma March weit über Berlinhinaus bekannt wurde. Deren qualitätvolle sandsteinfarbene Produktezierten die königlichen Gärten und Schlösser, aber auch Privathäuser,Kirchen und Universitäten in Preußen.Paul March zog zur Modellierung des figürlichen Schmucks, vonReliefs und Statuen namhafte Berliner Bildhauer hinzu. Zu ihnen gehörtevorrangig Albert Wolff, der auch die Modelle zum Schmuck desvielbeachteten Hauses, das sich Paul March bauen ließ und in dessenFassadenfiguren die Männer Ehrung fanden, denen der Aufschwungder Kunsttätigkeit in Preußen zu verdanken war: Schlüter, Schadow,Rauch, Schinkel, Stüler als Künstler und Beuth als Förderer des Gewerbefleißes.Daß neben den Modellen der beiden Mädchen auch der gesamteBrunnenaufbau eine Erfindung von Albert Wolff war, ist anzunehmen.1899 erscheint der Brunnen als großbürgerliches Einrichtungsinventarim Firmensortiment von March.Vermutlich blieb er jedoch ein Einzelstück, da bei einem Brand derFirma March am 7. November 1899 alle Formen und ein Großteil derVorräte vernichtet wurden. Die berühmte Firma March erholte sichdavon nicht mehr; mit dem Brand war die Glanzzeit der hundertjährigenBerliner Terrakotta-Fertigung schlagartig beendet – unser Brunnenmit Peitho und Hebe jedoch blieb erhalten und zeugt von der damalshochentwickelten Kunst.Jutta von Simson, Berlin<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Sie wirken durch ihre Haltung und Gestikunmittelbar, lebendig und narrativ.


335Charles Colin und Söhnenachweisbar 1815 – 1870 in HanauDie Tabatière weist nicht nur eine hochkarätige Provenienz auf – giltsie doch als Geschenk Wilhelms I. (1797 – 1888) an den ReichskanzlerOtto von Bismarck (1815 – 1898) –, sondern zeichnet sich insbesondereauch durch die exzellente Goldschmiedekunst des frühen 19. Jahrhundertsaus.Tabatière „en quatre couleurs“.Um 1820/30Gelbgold, Rotgold, Grüngold, Blaugoldgetrieben, punziert; Emaille.2,1 x 8,5 x 6 cm (0 ⅞ x 3 ⅜ x 2 ⅜ in.).Ungemarkt. Gewicht: 126 g.Seide im Futteral berieben. [3476]Provenienz: Der Tradition nach 1874Geschenk Kaiser Wilhelms I. (1797 – 1888)an Fürst Otto von Bismarck (1815 – 1898) /danach Geschenk Bismarcks an den Pächterder Oberen Saline von Bad Kissingen,Karl Stephan Streit (1833 – 1902) /1999 Hemmerle Juweliere, München /Privatsammlung, Norddeutschland€ 15.000 – 20.000$ 20,400 – 27,200Die Golddose befindet sich in einemLederetui der Firma J. Wagner & Sohn,Königl. Hofjuweliere, Berlin mit applizierterköniglich-preußischer KroneVergleichsobjekt (mit Punzierung):Auktionskatalog: Christie’s, London,Sale 7180, Los 442Wir danken Dr. Reinhard W. Sänger, ehemalsBadisches Landesmuseum Karlsruhe,und Dr. Christianne Weber-Stöber,Deutsches Goldschmiedehaus Hanau,für wertvolle Hinweise.Die in Hanau wohl um 1830 entstandene Tabatière läßt sich stilistisch,anhand gesicherter Arbeiten, der Goldschmiedfamilie Charles ColinsSöhne zuschreiben. Virtuos wußte der Künstler die verschiedenenGlanzeffekte des Goldes zu nutzen und sie wirkungsvoll zu einem Bildzusammenzusetzen.Mit dem größten Aufwand und höchster technischer Präzision verwandelteer das edle, doch kalte Metall in ein raffiniertes Objekt vollerWärme und Lebendigkeit.Allein auf dem Deckel der Tabatière kommt eine Vielzahl raffinierterTechniken der Goldschmiedekunst zum Einsatz: der sandig wirkendeUntergrund –„fond sablé“ – bietet einen matten und kontrastierendenFond für den ornamentalen Hauptschmuck. Die Blumen und Ornamentesind „en quatre couleurs“, in vier verschiedenen Goldlegierungen ausgeführt.Der Meister setzte Gelb- und Rotgold sowie grünes und blauesGold zusammen. Durch die verschiedenartige Behandlung der Oberfläche,wie Mattieren, Polieren und Gravieren, entlockte er dem Metalleine Unmenge von spielerischen Glanzreflexen, die im Lichtwechselimmer wieder neu in Erscheinung treten und das Auge erfreuen.Preziosen der Goldschmiedekunst wie unsere Tabatière spiegeln mitihrer verschwenderischen Materiallust, ihrem künstlerischen Erfindungsgeistund ihrer präzisen kunsthandwerklichen Verarbeitung dieVorstellungen von Luxus des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wider.Nur knapp ein Dutzend solcher Tabatièren konnte ein guter Goldschmiedinnerhalb eines Jahres schaffen. Entsprechend hoch wurden solcheArbeiten geschätzt.Diese meist kostbar gearbeiteten Dosen wurden in Gedichten beschrieben,als wichtiges Accessoire in Portraits festgehalten, als bedeutendesGeschenk überreicht und von Fürsten gesammelt.Auch unsere Golddose erfreute sich großer Wertschätzung, wovon dasmaßgefertigte Futteral, hergestellt von der Berliner JuweliersfirmaJ. Wagner & Sohn, mit der königlich-preußischen Krone auf dem Deckelzeugt. Und ebenso für die beschriebene Tradition, Tabatièren zuverschenken, ist die Pretiose ein Beispiel: Wie erwähnt, schenkte derdeutsche Kaiser Wilhelm I. sie 1874 Fürst Otto von Bismarck.Der Reichskanzler wiederum gab sie an seinen langjährigen FreundKarl Stephan Streit (1833 – 1902), den Pächter der Oberen Saline imKurort Bad Kissingen, weiter, in dessen Wohnung Bismarck bei seinenKuraufenthalten ab 1874 regelmäßig wohnte und sich heute dasBismarck-Museum befindet. (PG)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Er verwandelte das edle, doch kalte Metallin ein raffiniertes Objektvoller Wärme und Lebendigkeit.


expressioDer Blick in die Ferne,auf neue Formen und das Ende<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


336Leonida CaldesiFlorenz 1822 – 1891 BolognaEin königliches Familienportrait aus wichtigen Tagen: Es handelt sichum eine der frühen Aufnahmen aus der Geschichte der Photographieund zeigt die königliche Familie um Prince Albert und Queen Victoria imMai 1857 kurz nach der Geburt von Princess Beatrice, was in diesemneuen Medium dokumentiert wurde. Die Szene wurde vor der Kulissedes Osborne House auf der Isle of Wight im Auftrag Victorias vom FlorentinerPhotographen Leonida Caldesi aufgenommen, der zusammenmit seinem Partner Mattia Montecchi im Frühling und Sommer 1857eine Reihe von Portraitbildern der königlichen Kinder anfertigte.Königin Victoria und ihre Familiein Osborne House.1857Daguerreotypie auf Albuminpapier.14,5 x 21,3 cm (5 ¾ x 8 ⅜ in.).Unten links von der Hand Queen Victoriasdatiert: May. 26. 1857 (Die Eigenhändigkeitdes Datumseintrages durch die Queenkann aufgrund von Schriftvergleichen alsgesichert gelten.). [3532] Gerahmt.Provenienz: Privatsammlung, PotsdamLiteratur und Abbildung: Reproduziert in:Leonida Caldesi und Mattia Montecchi:Portraits of Royal Children, Vol. 2, London 1858€ 5.000 – 7.000$ 6,800 – 9,520Vergleichsliteratur: Nicole Garnier-Pelle:La photographie du XIXe à Chantilly,Ausst.-Kat., Chantilly 2001, S. 37Vergleichsobjekte: Nur zwei weitere Exemplaresind bekannt: Ehemals im Album von PrinzessinIrene von Preußen, Hemmelmark /Royal Collections, London,Inv.-Nr. RCIN 2900099. Eine Variante in derNational Portrait Gallery, London, Inv.-Nr. P26Dargestellte v. l. n. r.: Princess Alice (1843 – 78),Prince Arthur (1850 – 1942), Prince Albert(1819 – 1861), Prince Albert Edward (VII.)(1841–1910), Prince Leopold (1853 – 1884),Princess Louise (1848 – 1939), Queen Victoriamit Princess Beatrice (1857 – 1944),Prince Alfred (1844 – 1900),Princess Royal Victoria (1840–1901),Princess Helena (1846 – 1923)In London wurde Caldesi durch die berühmten Kunsthändler Paul undDominic Colnaghi vertreten und geschätzt, sowohl für die photographischeWiedergabe berühmter Kunstwerke, wie z. B. 1858 der RaphaelCartoons im South Kensington Museum, als auch für sein Hauptgeschäft,der society portraiture. Bald avancierte der Italiener zu demvon Queen Victoria bevorzugten Photographen, dem sie das Privilegeinräumte, im privaten Rückzugsort Osborne House zu photographieren,wo sich die königliche Familie für mehrere Monate des Jahres aufhielt.Vermutlich verschickte Queen Victoria anläßlich der Geburt ihrerjüngsten Tochter einige Abzüge der Osborne-Aufnahmen an befreundeteKönigshäuser und Verwandte in Europa, von denen jedoch bisher nureines in der Sammlung von Irene von Preußen bekannt war (heutePrivatbesitz).Das Photo ist von der Königin höchstpersönlich datiert und markiertmit dem 26. Mai 1857 einen für die königliche Familie herausgehobenenZeitpunkt: Das Bild entstand einen Monat nach der Geburt vonPrincess Beatrice am 14. April (im Foto mittig, in den Armen von QueenVictoria), wenige Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Vermählungvon der Princess Royal Victoria (zweite von rechts) mit dempreußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (später Friedrich III.) am19. Mai und zwei Tage nach dem Geburtstag der Königin selbst(24. Mai). Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand zudem das 20jährigeJubiläum (20. Juni 1837) der Krönung zur Regentin des VereinigtenKönigreichs von Großbritannien und Irland sowie die darauffolgendeErnennung von Prince Albert zum Prince Consort und Mitsouverän(am 25. Juni 1857) bevor.Zeitpunkt und Demonstration des königlichen Familienzusammenhaltsmachen aus dieser Photographie von Leonida Caldesi jedoch aucheine politische Stellungnahme mit Stabilität suggerierender Wirkung inZeiten politischer Unruhen nach dem Krimkrieg (1853 – 56) und demAusbruch des Indischen Aufstandes gegen die Britische Ostindien-Kompanie am 10. Mai 1857. Bis 1758 wurden deshalb die Caldesi-Bilder dank neuer Reproduktionsmöglichkeiten publiziert und waren imbritischen Volk sehr beliebt. (AE)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Das Photo ist von der Königinhöchstpersönlich datiert und markiertmit dem 26. Mai 1857 einen für diekönigliche Familie herausgehobenen Zeitpunkt.


337Nigeria,Nok-KulturIn sich gekehrt schaut dieser Kopf einer Nok-Figur vor sich hin, er istdas Fragment einer mehr als 2.000 Jahre alten Kultur aus Zentral-Nigeria unweit des Berglands von Jos.Nach der in Afrika üblichen Proportion einer Skulptur war die gesamteFigur etwa drei- bis viermal so groß. Der Kopf als Sitz des Geistesmacht, anders als in der klassischen griechischen Proportion, etwa einViertel bis ein Drittel der Figurengröße aus. Die größten Figuren derNok waren über einen Meter groß, bis auf eine Figur wurden jedochbisher alle Nok-Plastiken zerbrochen aus der Erde des heutigen Nigeriasgeborgen.Kopf einer Skulptur.500 v. Chr. – 200 n. Chr.Terrakotta, gebrannt.28 x 22 cm (11 x 8 ⅝ in.).Mit einem Gutachten (Nr. 14.33.16 - TL 9032)des Alliance-Science-Art in Paris,Francine Maurer, vom 17. September 1994Alterszuordnung mittels Thermolumineszenz-Methode auf ein Alter von ca. 2500 bis1500 Jahre (Original). [3160]Provenienz: Privatsammlung, Berlin€ 8.000 – 12.000$ 10,880 – 16,300Vergleichsliteratur: Bernard de Grunne:The Birth of Art in Africa, Paris 1998Unser Kopf folgt klaren Schemen der Figuren der Nok; die stilisiertenTier- und Menschendarstellungen haben schmale überlange Gesichter.Als zentrales Merkmal der Terrakotten gelten die elliptischen bis dreieckigenAugen, deren Pupille durch eine Vertiefung ausgebildet wird, dieFiguren zeigen Ritz- und Stichverzierungen. Der glatte Engobe-Überzugunseres Kopfes ist nur an wenigen Stellen verwittert, die Erosionlegte an Mund und Nase den groben Granitgrus, frei mit dem der Tongemagert wurde, um beim Brand nicht zu schrumpfen. Die Terrakottender Nok sind ab einer Größe von etwa 20 cm hohl und in Aufbautechnikhergestellt. Jede bisher gefundene Figur ist ein Unikat, trotz dergemeinsamen Merkmale gibt es keine gleichen Darstellungen.Das Verbreitungsgebiet der Terrakotta-Figuren im heutigen Nigeria istetwa hunderttausend Quadratkilometer groß. Die erste Plastik fand einBergbaugesellschafter 1928 nahe dem Dorf Nok, welches der Kulturso ihren Namen verlieh. Erst 15 Jahre später wurde in einer anderenZinn-Mine ein Kopf einer weiteren Figur gefunden. Auf diese Fundewurde 1943 der britische Archäologe Bernard Fagg (1915 – 1987)aufmerksam, ihm ist die systematische Sammlung der Zufallsfunde ausden Minen zu verdanken. In vier Grabungskampagnen, die er von 1960bis 1969 unternahm, entdeckte er neben wenigen Bruchstücken vonTerrakotten vor allem zahlreiche Überreste von Eisenschmelzöfen. DieNok beherrschten somit als erste südlich der Sahara die Herstellungvon Eisen.Dieses Können und die sehr elaborierte Form der Plastik, die dieseMenschen herstellten, lassen Rückschlüsse auf eine sehr komplexeGesellschaft zu: So kann eine Gemeinschaft nur bei effizienter Nahrungsproduktioneinige ihrer Mitglieder von der Nahrungsbeschaffungfreistellen, um diese kunstvollen Tonfiguren zu fertigen. Diese Terrakottengelten als älteste Figuralkunst im subsaharischen Afrika undzugleich sind sie auch im Vergleich mit anderen Kulturen jener Zeit –etwa den Kelten in Europa – einzigartig in der Systematik ihrer Form.Die Kunst diente in der Menschheitsgeschichte religiösen Zweckenoder der Zurschaustellung von Macht. Ende des 19. Jahrhundertsfungierten <strong>Objekte</strong> afrikanischer Kulturen zudem, losgelöst von ihremKontext, in Europa als Inspirationsquelle und Katalysatoren in derÜberwindung realistischer figurativer Kunst. (EN)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Jede bisher gefundeneFigur ist ein Unikat,trotz der gemeinsamenMerkmale gibt es keinegleichen Darstellungen.


338Hermann Max PechsteinZwickau 1881 – 1955 BerlinSechs Wochen dauerte die Überfahrt, doch als der Künstler und seineFrau ihr Ziel erreicht hatten, waren alle Strapazen der Reise vergessen.Die deutsche Kolonie Palau, ein idyllischer Inselarchipel in der Südsee,faszinierte Max Pechstein vom ersten Tag an. „Ich sehe die Kunstgriffe,mit denen dieses Urvolk seinen Körper ziert, sich an selbstherrlichenVeränderungen der Natur am eigenen Leibe zu erfreuen, an der Lustzur Formbildung“, schrieb der Künstler in seinen Lebenserinnerungen.„Ich sehe die geschnitzten Götzenbilder, die zitternde Frömmigkeit undEhrfurcht vor den Gewalten der Natur.“Mondscheintanz (Palau).Um 1922Feder auf Papier. 4°.Unterzeichnet auf zweiter Seite unten links:HMPechstein. Rückseitig in Bleistiftbeschriftet: MAX PECHSTEIN (1881 - ) /Description of a dance given in Laia of his /arrival on a South Sea-island. Unpubliziert.Dünnes Briefpapier, leicht stockfleckig,minimale Randschäden, rückseitig Rostfleckeneiner Büroklammer. [3401]Provenienz: Wohl Privatsammlung, USA /Privatsammlung, BayernQuelle: Max Hermann Pechstein in seinemspäteren Palau-Tagebuch: 31. Juli 1914„glitzernder Mondscheintanz“ /14. August 1914 „Wir warten auf denVollmond. Auf den Tanz!“€ 3.000 – 4.000$ 4,080 – 5,440Vergleichsliteratur: Aya Soika:Max Pechstein. Ein Südsee-Insulanerin Berlin; in: Ralph Melcher (Hrsg.): DieBrücke in der Südsee – Exotik der Farbe,Ausst.-Kat., Saarbrücken 2005, S. 71 - 83Wir danken Prof. Dr. Aya Soika, Zossen,die das Werkverzeichnis Pechsteinbearbeitet, für wertvolle Hinweise.Schon als junger Mann hatte Pechstein den Wunsch gehegt, die Inselgruppeim Pazifik aus eigener Anschauung kennenzulernen. Weiterals ins Dresdner Völkerkunde-Museum war er dabei nicht gekommen.Aber im Sommer 1914 hielt ihn nichts mehr daheim. Die „Brücke“hatte sich aufgelöst, mit Kirchner, Schmidt-Rottluff und Heckel warer im Streit geschieden, Berlin interessierte ihn nur mäßig. Mit einemVorschuß in Höhe von 10.000 Reichsmark auf künftige Bilderverkäufeausgestattet, machte er sich mit seiner Frau von Genua aus auf denWeg nach Mikronesien.Ursprünglich wollte Pechstein für „ein paar Jahre“ auswandern. Darauswurde nichts, der Beginn des Ersten Weltkrieges änderte die politischenVerhältnisse selbst im hintersten Winkel des Pazifiks. Nachdem dieJapaner den Archipel besetzten, mußten Max und Charlotte PechsteinPalau bereits im November 1914 wieder verlassen. Aber die vierMonate, die ihnen dort blieben, erwiesen sich für den Künstler als sehrproduktiv – und verliefen auch sonst so angenehm, daß er fortan seinganzes Leben davon zehrte.In Dutzenden von Zeichnungen, später auch in Gemälden, hielt er seineEindrücke fest. Weit weniger bekannt ist, daß sich Pechstein auf Palauauch literarisch betätigte. „Mondscheintanz (Palau)“ lautet der Titelder Erzählung, in welcher der Maler vom Häuptling Eibadüll berichtet,der „müde war der Frauen in seinem Haus“ und sich danach sehnte,„sein Herz zu erfreuen an den Gliedern der Junges seines Stammes“.Weshalb er vor der Hütte seines Ehrengastes – Pechstein – währenddes nahenden Vollmondes einen „Mondscheintanz“ anberaumte.In dem zweiseitigen, eng in Tinte beschriebenen und signierten Manuskriptrekapituliert der Maler die Tanzzeremonie und das anschließende,bis zum nächsten Morgen dauernde Fest. Pechsteins Handschrift istgut zu lesen, das Schriftbild gleichmäßig, wobei die Zeilen leicht vonlinks nach rechts abfallen. Die Blätter sind nicht datiert und weisenlediglich zwei minimale Korrekturen durch den Autor auf. Dies kannentweder bedeuten, daß es sich dabei um eine Abschrift von eigenerHand handelt. Oder Pechstein, der ein geübter Formulierer war,schrieb den Text in einem Zug nieder. Daß ihm die Ereignisse dieserbesonderen Nacht noch lange Zeit sehr präsent waren, daran kannkein Zweifel bestehen. (UC)In unserer Auktion „<strong>Ausgewählte</strong> Werke“ wird am 29. November <strong>2013</strong>,Los 14, das Bild Hermann Max Pechstein: Segelndes Kanu vor Palau.1917, Öl auf Leinwand, versteigert.<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


339Mali,Königreich TénenkouFest und kraftvoll steht diese Tierfigur seit vielleicht 700 Jahren aufvier massiven Beinen und erinnert in ihrer Gestalt auf den ersten Blickan einen Löwen. Doch trägt das Gesicht bei näherer Betrachtungbeinahe menschliche Züge; und der Wulst um den Hals findet sich beiähnlichen Tierfiguren dieser Gegend ebenso. Er scheint ein Halsbandzu sein und auf die Domestizierung des Tieres hinzuweisen.Vergleichbare westafrikanische Tierfiguren dieser Zeit erinnern anElefanten, Hunde oder Pferde und stehen ebenso auf vier pfeilerartigenstandhaften Beinen. Ob diese Tiere rituell genutzt wurden oder derDekoration dienten, ist bis heute nicht bekannt. Auch die kulturellenHintergründe dieser Zoomorphen, die nach dem Fundort nahe derStadt Ténenkou bezeichnet wurden, sind unerforscht.Tierfigur.12.–14. JahrhundertTerrakotta mit rötlicher Engobe.35,5 x 22 x 48 cm (14 x 8 ⅝ x 18 ⅞ in.).[3095]Provenienz: Sammlung Karl-FerdinandSchaedler, München /Privatsammlung, SüddeutschlandLiteratur und Abbildung: Karl-FerdinandSchaedler: Erde und Erz. 2500 JahreAfrikanische Kunst aus Terrakotta undMetall, München 1997, S. 62f. /Karl-Ferdinand Schaedler: Encyclopediaof African Art and Culture, München 2009,S. 577f.€ 6.000 – 8.000$ 8,160 – 10,880Zeitlich stammt unser Kunstwerk wahrscheinlich aus dem Reich Mali,welches sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts etablierte undMitte des 14. Jahrhunderts seine größte Ausdehnung erlangte. Es erstrecktesich entlang des Flusses Niger, am südlichen Rand der Saharavom Atlantik bis zum Gebirge des Aïr, an der Grenze des heutigenNigeria. Teil des Reiches der Malinke war Timbuktu als strategischwichtigste Stadt zum Schutz gegen die Tuareg im Norden.Das Reich Mali wurde durch den Handel mit Gold und Salz sowiedurch den Höhepunkt des Transsaharahandels unsagbar reich. DieserReichtum ist vor allem durch eine Pilgerreise des malischen KönigsMansa Musa 1324 nach Mekka überliefert. Bei dieser Wallfahrt durchquerteder Herrscher Kairo und verursachte durch das Gold, welcheser dort verschenkte oder bezahlte, einen mehrjährigen Wertverfall desägyptischen Dinars.Die damals entstandene Tierfigur ist aus Terrakotta geformt und miteiner rötlichen Engobe versehen. Die raue, leicht erodierte Oberfläche,von weißen Linien durchzogen, zeigt die farbliche Vielfalt und dieBeständigkeit des Materials auch nach Jahrhunderten. Daß in derSahara und im Niltal bereits 9000 bis 8000 v. Chr. die Fähigkeit desTonbrennens und Techniken gegen das Schrumpfen der Rohformendurch mineralische Zusätze (Magerung) vorhanden waren, konntenForschungen der 1970er Jahre belegen.Unser zoomorphes Wesen konzentriert in seiner unbewegten Massivitätauf besondere Weise Kraft und Energie, es scheint in seiner Ruhemit dem Boden verwurzelt zu sein. Die faszinierende Vereinfachungder Form afrikanischer Skulpturen, die zudem eine Steigerung desAusdrucks bewirkt, wurde schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts zurInspirationsquelle für europäische Künstler. Die ausdrucksvollen Werkemit reduzierten Mitteln ebneten im Europa der klassischen Moderneden Weg zu neuen Formen und zur Abstraktion. (EN)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Die raue, leicht erodierte Oberfläche,von weißen Linien durchzogen,zeigt die farbliche Vielfalt und die Beständigkeitdes Materials auch nach Jahrhunderten.


340Michael Rachlisund César Klein1884 – 1953 und 1876 – 1954Literatur und Abbildung: Max Osborn: Michael Rachlis Räume,Leipzig und Wien 1929 (Abbildung: Vestibül <strong>Villa</strong> Z.) /Max Osborn: Ein Landhaus von Michael Rachlis.Haus Gen.-Dir. Zissu in Berlin-Grunewald; in: Innen-Dekoration.Kunstgewerbliche Zeitschrift für den gesamten Inneren Ausbau,Jg. XLI (1930), April, S. 139 – 151 / Dalinghaus, Ruth Irmgard:Cesar Klein. Angewandte Kunst - Werkmonographie mit Katalog,Dissertation Freie Universität Berlin 1990, Bd. 1, S. 257 – 258(hier fälschlich der <strong>Villa</strong> Epstein zugeordnet); Bd. 2, Kat.-Nr. 356(Werkkarton und Kommode)Kommode mit Intarsien für die<strong>Villa</strong> Zissu, Berlin.1929Kaukasische Nuß auf Eichen- undApfelholzkorpus, furniert und teilweise ebonisierendlackiert; Palisander, Teak, Myrte,Olivesche, Mooreiche, Zitronenholz,Blumenesche, Vogelaugenahorn, Eiche,intarsiert; Schlagmetall; Messingbeschläge.87 x 145 x 56 cm (34 ¼ x 57 ⅛ x 22 in.).Werkkarton 1:1 in Gouache, Tusche,Kreide, Bleistift auf Papier.43,5 x 130 cm (17 ⅛ x 51 ⅛ in.).Oben links in Bleistift unterzeichnet und datiert:Mich Rachlis 4/29. Unten rechts in Kugelschreibervon fremder Hand: Entw. Prof. César Klein.[3015]Provenienz: Auftrag von Avram Leib Zissu(1888 – 1956) für seine <strong>Villa</strong> in derGustav-Freytag-Straße 15, Berlin-Grunewald /1959 im Erbweg an Rachel Zissu, geboreneZimmer, Tel Aviv, und Dinah Jane Zissu, London(1942 – ?) / 1960 bis 1975 Botschaft desKönigreichs der Niederlande (im Hause) /nach 1975 Privatsammlung, Berlin€ 20.000 – 30.000$ 27,200 – 40,800Wir danken Dr. Hildrun Glass, Institut fürOst- und Südosteuropaforschung Regensburg,und Dr. Wiltrud Barth, LandesdenkmalamtBerlin, für wertvolle Hinweise.In unserer Photographie-Auktion werden am 27. November <strong>2013</strong>,Los 2009, drei Photos der <strong>Villa</strong> Zissu vom Berliner Atelier Leonardversteigert.„Hier spricht ein Künstler, der es auch in diesen unwirschen deutschenZeiten versteht, in das Dasein seiner Mitmenschen einen freundlichenund festlichen Klang zu tragen“, jubelte der Kunstkritiker Max Osborn(1870 – 1946) über die architektonischen Schöpfungen von MichaelRachlis. Der Architekt und Innengestalter stand kurz vor der Weltwirtschaftskriseim Zenit seines Ruhmes als Ausstatter der nobelstenCafés und Restaurants im Berlin der „Roaring Twenties“. Nach seinenVorgaben entstand 1929 eine außergewöhnliche Kommode mit aufwendigenHolzintarsien, die César Klein entwarf.Das Spitzenmöbel stammt aus der spannungsreichen Spätzeit der WeimarerRepublik. Es kontrastierte und verband die sachliche Ehrlichkeitdes Bauhauses, die Tektonik des Konstruktivismus mit der „frischenGestaltungslust“ Rachlis’ und ist Ausdruck der lustvollen Suche nacheinem neuen luxuriösen Stil.Der rumänisch-jüdische Zuckerfabrikant Avram Leib Zissu (1888 –1956) beauftragte den Berliner Architekten Rachlis mit dem Neubauund der Ausstattung seines Wohnhauses im vornehmen Viertel amBerliner Hundekehlesee. Das Haus war „das Äußerste an solidemLuxus. Rachlis’ fanatische Liebe zu kostbarem Material konnte sich hierschrankenlos ausleben“, wie Max Osborn begeistert über den im Juni1928 begonnenen Neubau in der Gustav-Freytag-Straße 15 festhielt.Rachlis stammte aus Moskau, hatte an der Technischen HochschuleMünchen studiert und war schon mit 27 Jahren in Berlin als Architekttätig. Ab 1929 entwarf er für die Deutschen Werkstätten Hellerau undplante szenische Bauten für Max Reinhards Theater in Berlin. Hierentstanden nach seinen Plänen funktionalistische Industriebauten(Margarine-Unions-Zentrale, Großgarage in der Saldernstraße) undder Umbau des berühmten Eden-Hotels am Zoologischen Garten, woRachlis Minigolfanlage und Café auf den Dachgarten baute – kostbar,spielerisch, elegant, etwas dekadent.<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


Das Haus war „das Äußerste an solidem Luxus.Rachlis’ fanatische Liebe zu kostbarem Materialkonnte sich hier schrankenlos ausleben ...


Hier wie in der <strong>Villa</strong> Zissu, dessen Auftraggeber vielleicht alsHandlungsreisender zuvor im Eden gewohnt hatte und vonRachlis’ Schöpfung begeistert war, wurde alles in den Dienstder „Intimität der Wirkung gestellt, die durch die ins Moderneübersetzte klassizistische Gemessenheit nicht zur banalenGemütlichkeit wird. Schönste Bearbeitung der Materialien injedem Winkel und jedem Detail.“ (Max Osborn: Michael RachlisRäume, Leipzig 1929)Zusammen mit anderen Künstlern, die im Haus für Fresken,Gemälde und Intarsien zuständig waren, schuf Rachlis einenMusterbau seiner Architekturauffassung: Es ging ihm darum,Räume und Möbel zu entwerfen, die den Menschen beschäftigen.„Das menschliche Auge läßt sich nicht abstellen wie einWasserhahn [...] Ist der Mensch nicht mehr tätig, so schaut dasAuge und tastet und sucht und will beschäftigt werden.“ (MichaelRachlis: Aufgaben unserer Zeit, in: Innendekoration: mein Heim,mein Stolz, Jg. 41 (1930), S. 311).Die lustvolle, ausschweifende Materialästhetik zeigt einesder herausragendsten Möbelstücke der <strong>Villa</strong> Zissu: die Kommode,eigentlich ein Graphikschrank, folgt im Korpus auskaukasischem Nußholz dem sachlichen Stil Peter Behrens’(1868 – 1940) und setzt mit der von César Klein entworfenenArchitekturlandschaft aus fast einem Dutzend exotischen undheimischen Hölzern einen neuen Akzent im Stil des Art déco.Der Hamburger Klein, der 1926 mit seinen wandfüllendenMarketerien für den Zuschauerraum des Berliner Renaissance-Theaters und ebenso mit Bühnenbildern für Max Reinhardtreüssierte, lieferte laut seinem Tagebuch am 24. Juli 1929 seine„Intarsienskizze für Zissu“, die in der Berliner IntarsienwerkstattErnst Nast gefertigt wurden. Am 26. Juli hieß es „Intarsie fertig /Rachlis gesehen...“, der auch selbstbewußt den ebenfalls hierangebotenen Entwurfskarton durch seine Unterschrift freigab.Wie ein Bühnenbild staffeln sich Gebäude und Landschaft aufEntwurfskarton und Intarsie, die Kleins Bezeichnung als „LieberRhythmus“ von Walter Gropius plausibel werden läßt. – Vor weiter,bergiger Landschaft staffeln sich südländische Häuser und einmächtiger Baum, die im Laufe der Tageszeiten, zwischen Mondund Sonne südliche Exotik atmen.Als das Solitärmöbel ins Vestibül der noblen Grunewaldvillaeingezogen war, entbrannten 1929 die Weltwirtschaftskriseund ab 1933 die Nazi-Diktatur mit Krieg und Verfolgung: Kleinwurde wegen seiner Kunst verfemt, Rachlis emigrierte wegenseiner jüdischen Herkunft nach London. Dort „gehörten wirzu den ganz wenigen, die in der Situation einen gewissen Reizsahen... Ein Capitel unseres Lebens war abgeschlossen, Dasandere hatte noch nicht angefangen“, schrieb Rachlis späterin Hinblick auf seine Flucht aus Berlin 1935. – Doch Rachlissollte nicht mehr an seine Erfolge anschließen können; er warnach dem Krieg nur noch an der Ausstattung des Luxusliners„Andrea Doria“ beteiligt.Die von Michael Rachlis entworfene <strong>Villa</strong> Zissu und ist damiteine (seltene) Inkunabel der luxuriösen Noblesse der spätenWeimarer Republik. Die Kommode mit den Intarsien nach demEntwurf César Kleins ist beredtes Zeugnis der Suche nach einerverfeinerten Stilkultur in „unwirschen deutschen Zeiten“. (SK)


Blick vom Musikzimmer durch die Marmorhallezum Speisezimmer der <strong>Villa</strong> Zissu,Photographie von Studio Leonard, 1929.Vestibül der <strong>Villa</strong> Zissu,Photographie von Studio Leonard, 1929.


341Karl OttoCharlottenburg bei Berlin 1904 – 1975 BerlinDen Namen des Architekten Karl Otto verbindet man mit der visionärenBauausstellung INTERBAU 1957 im Berliner Hansaviertel. Hierdurcherlangte er einen enormen Bekanntheitsgrad. Kurz zuvor war Otto zumDirektor der Hochschule für bildende Künste in West-Berlin ernanntworden, nachdem er 1950 – 56 erfolgreich der Werkkunstschule Hannoverals Direktor vorgestanden hatte.Schreibtisch.1953Tropenholz, furniert; Konstruktionsholz:Birke; Stahlrohr, verchromt; Acella.Unikat. Rückseitig Lichtschäden. [3434]Provenienz: Im Besitz des Künstlers,Berlin und London /seitdem Familienbesitz, Großbritannien€ 5.000 – 7.000$ 6,800 – 9,520Wir danken Julia Witt, Berlin,die zu Karl Otto forscht.Unseren Schreibtisch entwarf Karl Otto um 1952. Zu jener Zeitstrukturierte er den Unterricht der Werkkunstschule Hannover inAnlehnung an die Bauhaus-Pädagogik um und richtete zudem eineder ersten Abteilungen für Industrial Design ein. Persönlich befaßtesich Otto intensiv mit Fragen der seriellen Möbelherstellung. Einigeseiner Stahlrohrmöbelentwürfe gingen bei der renommierten FirmaL. & C. Arnold in Schorndorf in Produktion. Der elegante, schlichteSchreibtisch hingegen verblieb im Modellstadium. Wie die historischePhotographie verdeutlicht, hat von unserem Schreibtisch einst einezweite Entwurfsvariante mit abgewandelter Schubladenpositionierunginnerhalb des Zargenkastens existiert. Der Verbleib jenes Tischmodellsist ungeklärt. Unser Schreibtischunikat hingegen wurde von Karl Ottozeit seines Lebens privat genutzt.Bereits in den 1920er Jahren hatte Karl Otto sich für Raum- undMöbelgestaltung interessiert und während seines Architekturstudiumsentsprechende Kurse besucht. 1926 wohnte er mit Berliner Kommilitonender Eröffnungsfeier des Bauhauses in Dessau bei und nahmdort wichtige Impulse auf. Wegweisend für Karl Ottos weitere Entwicklungwurden jedoch nicht die Gestalter des Bauhauses, sondern derArchitekt Ludwig Mies van der Rohe (1886 – 1969). Otto arbeitetezwischen 1926 und 1934 in dessen Büro. Er begann als studentischerMitarbeiter und stieg innerhalb weniger Jahre zu Mies’ persönlichemAssistenten auf.Mies van der Rohes Bauten und Raumkonzepte begeisterten Karl Ottogleichermaßen wie dessen Möbelentwürfe. Ihn faszinierte die schlichteEleganz, die edle Materialität und die hohe Ausführungsqualität derMöbel Mies van der Rohes. Diese Gestaltungskomponenten sah Ottoals vorbildhaft an, als er zu Beginn der 1930er Jahre seine ersten Möbelunikateentwarf.Unser Schreibtisch aus den frühen 1950er Jahren ist eine Reminiszenzan die goldenen Jahre bei Mies und folgt dem als klassisch zu bezeichnendenSchreibtischentwurf Mies van der Rohes für Haus Tugendhat inBrno von 1929. In den Aufbaujahren der jungen Bundesrepublik wollteOtto jedoch keine kostspieligen Unikate schaffen, sondern hochwertigeMöbel für die serielle Produktion entwickeln; z. B. versah er dieTischplatte nicht mit teurem Echtholzfurnier, sondern verwendete denhochmodernen und zudem pflegeleichten Kunststoff Acella.Der Schreibtisch ist materielles Zeugnis des gereiften Designverständnissesvon Karl Otto, der sich als Werkbundmitglied, Mitbegründer desRates für Formgebung und Verfechter des Werkkunstschulgedankens füreine ästhetisch und qualitätvoll gestaltete Lebensumwelt engagierte.Julia Witt, Berlin<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


342Sebastian Haffner1907 – Berlin – 1999Der Jurist und Historiker Sebastian Haffner war einer der bedeutendstenund einflußreichsten deutschen Publizisten des 20. Jahrhunderts. Seinbekanntestes Buch erschien 1978 unter dem Titel „Anmerkungen zuHitler“. Haffner, damals 70 Jahre alt, lieferte darin eine luzide Schilderungvon Leben und Wirken des Diktators, die in ihrer umfassendenAnalyse bis heute wohl unübertroffen ist. 1938 ging Haffner, 1907als Raimund Pretzel in Berlin-Moabit geboren und von Anfang an einentschiedener Gegner der Nationalsozialisten, nach England ins Exil.Dort veröffentlichte er „Germany: Jekyll and Hyde“ – eine handbuchartigeBeschreibung der deutschen Gesellschaft unter dem NS-Regime,mit der er die Briten im Kampf gegen die Hitler-Regierung unterstützenwollte.Manuskript des letzten Buchkapitels von„Preußen ohne Legende“ –„Das lange Sterben“.1978Tinte auf Papier. 4°, einseitig geschriebeneSeiten 1 bis 38 und Vorsatzblatt.Mit zahlreichen Korrekturen undTextergänzungen auf den Rückseiten. [3401]Literatur und Abbildung: Sebastian Haffner,Preußen ohne Legende, Hamburg 1979,Kapitel 7 / Auktionskatalog: Autographen ausallen gebieten. Berlin, J. A. Stargardt,13./14. November 2001, Los 671€ 2.000 – 3.000$ 2,720 – 4,080Damals nahm er als Schutz vor der Geheimen Staatspolizei das PseudonymSebastian Haffner an, das er bis zu seinem Tod 1999 beibehaltensollte. In England zunächst zweimal als „feindlicher Ausländer“ interniert,arbeitete er ab 1940 als Journalist, erst für die von den Briten insLeben gerufene Zeitung „Die Zeitung“ und danach für den „Observer“.1954 kehrte er nach Deutschland zurück und schrieb zahlreiche Bücherzu historischen Themen.Das hier vorliegende Manuskript umfaßt das letzte Kapitel seiner einJahr nach den „Anmerkungen zu Hitler“ als Stern-Buch im VerlagGruner + Jahr erschienenen Abhandlung „Preußen ohne Legende“ –ein historischer Abriß des Aufstiegs und Niedergangs des preußischenStaates vom 18. Jahrhundert bis zu dessen endgültiger Auflösungdurch die Alliierten im Jahr 1947. Das Kapitel trägt die Überschrift„Das lange Sterben“ und besteht aus 38 handschriftlich in Tinteverfaßten DIN-A4-Blättern, welche mit zahlreichen, vom Autor selbstvorgenommenen Änderungen versehen sind.Das Schriftbild ist einheitlich und von erheblicher ästhetischer Qualität,obgleich es sich nicht immer ganz einfach entziffern läßt; die Zeilenverlaufen absolut regelmäßig horizontal. Haffner verstand es vorbildlich,komplexe Zusammenhänge klar und allgemeinverständlich auszudrücken.Er war darüber hinaus aber auch ein brillanter Stilist. Und sobesteht der Reiz dieses Manuskripts zu einem nicht unerheblichen Teildarin, dem Autor bei der Suche nach der gelungenen Formulierung zusehenzu können. Selten streicht er ganze Sätze, aber es gibt auch nurwenige Passagen, die er während des Redigats nicht noch verbesserthat. Dies betrifft vor allem die Satzmelodie, doch an manchen Stellenpräzisiert er seine ursprüngliche Wortwahl auch inhaltlich.Die meisten dieser Korrekturen brachte er später an, anderes änderteer bereits in der ersten Version. Zum Beispiel beginnt der erste Satzdes Kapitels mit: „Preußen hat im Deutschen Reich noch 75 Jahre langexistiert“. Dann streicht er „existiert“, setzt hinter „lang“ ein Kommaund fügt den Einschub ein „wenn auch zum Schluß nur noch schattenhaft“.Interessant ist auch ein Vergleich mit dem später im Bucherschienenen Text. Die Verlagslektoren waren mit Haffners Manuskriptso zufrieden, daß sie es ohne weitere Veränderungen zum Druckfreigaben. (UC)<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


343 R / 344 RNapoleonica343 R 344 R Als Napoleon Bonaparte 1821 im kleinen Longwood House auf derfernen Südatlantikinsel St. Helena starb, ging ein bedeutungsschweresAufatmen durch Europa. Denn irgendwie blieb der Korse, der diestaatliche Ordnung Frankreichs wiederhergestellt hatte, die GrandeNation mit dem Code Napoléon reformiert, die deutschen Lande vonder Kleinstaaterei und dem altersschwachen Heiligen Römischen ReichDeutscher Nation befreit und grundlegend verändert hatte, immer gefürchteterUsurpator und unberechenbarer Tatmensch, schöpferischesGenie und energischer Kämpfer. Friedrich Nietzsche stellte in bezugauf den deutschen Dichterfürsten fest: „Goethe hatte kein größeresErlebnis als jenes ens realissimum, das Napoleon hieß.“ – Ein Stück vondiesem „Erlebnis Napoleon“ sahen viele in den Stücken der Erinnerung343 R Geschoß, welches bei Waterloozwischen Napoleons Füßen einschlug.1815Eisengußkugel im Holzkästchen.Ø 3 cm (1 ⅛ in.). Maschinenschriftlichauf Papier im Deckel detaillierteProvenienzangaben, um 1910. [3233]Provenienz: Nach 1815 NapoleonsammlungNicolas-Marie Mathurin, Baron deGalbois (1778–1851) / dessen Enkelin,Baronin Jeanne van den Berch van Heemstede,Paris / 1910 Alexander Gleichmann (1879 –1969), Hamburg / Privatsammlung, Hamburg€ 1.000 – 1.200$ 1,360 – 1,630344 R MORCEAU DE BOIS DU CERCUEILDE NAPOLÉON. - Ein Stück Holz vonNapoleons Außensarg von St. Helena.1821/1843Mahagoni in einer Kassette mit Maroquinleder,geprägt. 4 x 11 x 6 cm (1 ⅝ x 4 ⅜ x 2 ⅜ in.).Bezeichnet und datiert in Feder auf Papierim Deckel: Osthausen,le 18 décembre 1843. / Packe. [3109]an den Kaiser, die wie neuzeitliche Reliquien verehrt und gesammeltwurden.So erhielt einer seiner Offiziere, Nicolas-Marie Mathurin de Galbois(1778 – 1851), im Rahmen der Schlacht von Waterloo 1815 derÜberlieferung nach unsere Kugel der alliierten Truppen. Sie sollteam Tag der Schlacht, dem 18. Juni, zwischen den Füßen Napoleonseingeschlagen sein und damit den Kaiser (glücklich) verfehlt haben.Vielleicht erhielt Galbois dieses Erinnerungsstück, da er selbst zweiTage zuvor bei Quatre-Bras nach erfolgreicher Sprengung zweierschottischer Quarrés einen Brustschuß erlitten hatte. Jedenfalls bauteder 1831 zum Marechal de camp ernannte Baron in den Jahren nachNapoleons Niederlage und Verbannung auf die englische Insel St. Helenaeine Sammlung von Napoleonica auf, welche besonders in der Zeit derJulimonarchie ab 1830 an politischer Bedeutung gewann.Denn König Louis-Philippe (1773 – 1850) wollte mit der Glorie Napoleonsdas französische Staatsgefüge wiederherstellen. So verfügte er dieHeimholung der sterblichen Überreste Napoleons an die Ufer derSeine. Mit der Aussendung der Fregatte Belle Poule sollte in einer niedagewesenen Pompzeremonie Napoleons Sarg von St. Helena nachFrankreich überführt werden. Dabei „sicherte“ sich am 14. Oktober,während der nächtlichen Exhumierung, der Matrose Jean Joseph Packein Stück des äußeren Mahagonisarges, in dem Napoleon 1821 ineiner schlichten Gruft bestattet worden war. Der Sarg ging daraufhinin prächtigem Zug in den Pariser Invalidendom und wurde in einenriesigen Porphyrschrein gestellt. Unser Sargfragment jedoch gelangte –nach dem beigegebenen Dokument – in die Sammlung des ultra-royalistischenPolitikers François Zorn von Bulach (1828 – 1980), der es ineiner Maroquinlederkassette mit goldenen Lettern verwahrte und ander konstitutionellen Monarchie Napoleons III. (1808 – 1873) arbeitete.Provenienz: Seit 1843 Sammlung François Zornvon Bulach (1828 – 1890), Osthouse (Bas-Rhin) /1970er Privatsammlung, Schweiz /Privatsammlung, Norddeutschland€ 2.400 – 2.800$ 3,270 – 3,810Damit waren die Napoleonica als retrospektive Erinnerungsstückeimmer auch Teil einer politischen Zukunftsidee, die die Größe Frankreichshervorstreichen und an die vergangene Glanzzeit anknüpfensollten. Bis heute lebt in ihnen das „Erlebnis Napoleon“ fort und läßtuns fasziniert erinnern und irgendwie auch etwas ungläubig frösteln –bei so viel „realissimum“. (SK)Zusammen mit Zeitungsausschnittenaus dem Jahr 1840.<strong>Grisebach</strong> 11|<strong>2013</strong>


<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>AuktionenRepräsentanzenRepresentativesBerlinBernd Schultz / Micaela KapitzkyFlorian Illies / Dr. Markus Krause<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>Fasanenstraße 25, D-10719 BerlinTelefon: +49-30-885 915-0Telefax: +49-30-882 41 45auktionen@villa-grisebach.dewww.villa-grisebach.deDortmundWilfried UtermannGalerie UtermannSilberstraße 22, D-44137 DortmundTelefon: +49-231-4764 3757Telefax: +49-231-4764 3747w.utermann@villa-grisebach.deNorddeutschlandStefanie BusoldSierichstraße 157 <strong>·</strong> D-22299 HamburgTelefon: +49-40-4600 9010 <strong>·</strong> Telefax: +49-40-4600 9010Mobil: +49-172-540 9073 <strong>·</strong> busold@villa-grisebach.deNordrhein-Westfalen/BeneluxDaniel von Schacky<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> AuktionenBilker Straße 4-6 <strong>·</strong> D-40213 DüsseldorfTelefon: +49-211-8629 2199 <strong>·</strong> Telefax: +49-211-8629 2198Mobil: +49-151-1907 7721 <strong>·</strong> schacky@villa-grisebach.deAnne Ganteführer-Trier <strong>·</strong> PhotographieMobil: +49-170-575 7464gantefuehrer-trier@villa-grisebach.deBaden-WürttembergDr. Annegret FunkIm Buchrain 15 <strong>·</strong> D-70184 StuttgartTelefon: +49-711-248 4857 <strong>·</strong> Telefax: +49-711-248 4404Mobil: +49-172-676 4715 <strong>·</strong> funk@villa-grisebach.deBayernDorothée Gutzeit<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> AuktionenPrannerstraße 13 <strong>·</strong> D-80333 MünchenTelefon: +49-89-22 7632/33 <strong>·</strong> Telefax: +49-89-22 3761Mobil: +49-172-381 5640 <strong>·</strong> gutzeit@villa-grisebach.deHessenDr. Arnulf <strong>Herbst</strong>Aystettstraße 4 <strong>·</strong> D-60322 Frankfurt am MainTelefon: +49-69-9769 9484 <strong>·</strong> Telefax: +49-69-9769 9486Mobil: +49-172-101 2430 <strong>·</strong> herbst@villa-grisebach.deSchweizVerena Hartmann<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen AG <strong>·</strong> Bahnhofstr. 14 <strong>·</strong> CH-8001 ZürichTelefon: +41-44-212 8888 <strong>·</strong> Telefax: +41-44-212 8886Mobil: +41-79-221 3519 <strong>·</strong> auktionen@villa-grisebach.chUSA/KanadaMonika Stump Finane<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auctions Inc.120 East 56th Street, Suite 635, USA-New York, NY 10022Telefon: +1-212-308 0762 <strong>·</strong> Telefax: +1-212-308 0655Mobil: +1-917- 981 1147 <strong>·</strong> auctions@villa-grisebach.comAuktionatorenöffentlich bestellt und vereidigt:Peter Graf zu Eltz, SalzburgBernd Schultz, BerlinDr. Markus Krause, Berlin


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<strong>Herbst</strong>auktionen in Berlin—27. bis 30. November <strong>2013</strong>Photographie <strong>·</strong> Berlin, 27. November <strong>2013</strong>Kunst des 19. JahrhundertsMittwoch, 27. November <strong>2013</strong> <strong>·</strong> 14.30 UhrPhotographieMittwoch, 27. November <strong>2013</strong> <strong>·</strong> 17 UhrOrangerieDonnerstag, 28. November <strong>2013</strong> <strong>·</strong> 11 Uhr<strong>Ausgewählte</strong> WerkeDonnerstag, 28. November <strong>2013</strong> <strong>·</strong> 17 Uhr168


www.villa-grisebach.deModerne KunstFreitag, 29. November <strong>2013</strong> <strong>·</strong> 11 UhrZeitgenössische KunstFreitag, 29. November <strong>2013</strong> <strong>·</strong> 14.30 UhrWeitere Informationenund alle Termine unterwww.villa-grisebach.deVorbesichtigung aller Werke22. bis 26. November <strong>2013</strong>in BerlinThird FloorSamstag, 30. November <strong>2013</strong>11 Uhr / 14.30 Uhr<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>Fasanenstraße 25, 27 und 73Freitag bis Montag 10 bis 18 UhrDienstag 10 bis 17 Uhr


Hinweisezum KatalogCatalogueInstructions1. Alle Katalogbeschreibungen sind online und auf Anfrage inEnglisch erhältlich.2. Basis für die Umrechnung der EUR-Schätzpreise:1 US $ = EUR 0,735 (Kurs vom 4. Oktober <strong>2013</strong>)3. Bei den Katalogangaben sind Titel und Datierung, wennvorhanden, vom Künstler bzw. aus den Werkverzeichnissenübernommen. Diese Titel sind durch Anführungszeichengekennzeichnet. Undatierte Werke haben wir anhand derLiteratur oder stilistisch begründbar zeitlich zugeordnet.4. Alle Werke wurden neu vermessen, ohne die Angaben inWerkverzeichnissen zu übernehmen. Die Maßangaben sindin Zentimetern und Inch aufgeführt. Es gilt Höhe vor Breite,wobei bei Originalen die Blattgröße, bei Drucken die Darstellungsgrößebzw. Plattengröße angegeben wird. Wenn PapierundDarstellungsmaß nicht annähernd gleich sind, ist diePapiergröße in runden Klammern angegeben. Signaturen,Bezeichnungen und Gießerstempel sind aufgeführt.„Bezeichnung“ bedeutet eine eigenhändige Aufschrift desKünstlers, im Gegensatz zu einer „Beschriftung“ von fremderHand. Bei druckgraphischen Werken wurde auf Angabe dergedruckten Bezeichnungen verzichtet.5. Bei den Papieren meint „Büttenpapier“ ein Maschinenpapiermit Büttenstruktur. Ergänzende Angaben wie „JW Zanders“oder „BFK Rives“ beziehen sich auf Wasserzeichen.Der Begriff „Japanpapier“ bezeichnet sowohl echtes wieauch maschinell hergestelltes Japanpapier.6. Sämtliche zur Versteigerung gelangenden Gegenständekönnen vor der Versteigerung besichtigt und geprüftwerden; sie sind gebraucht. Der Erhaltungszustand derKunstwerke ist ihrem Alter entsprechend; Mängel werdenin den Katalogbeschreibungen nur erwähnt, wenn sie denoptischen Gesamteindruck der Arbeiten beeinträchtigen.Für jedes Kunstwerk liegt ein Zustandsbericht vor, derangefordert werden kann.7. Die in eckigen Klammern gesetzten Zeichen beziehen sichauf die Einlieferer, wobei [E] die Eigenware kennzeichnet.8. Es werden nur die Werke gerahmt versteigert, die gerahmteingeliefert wurden.9. Die Kunstwerke, die mit R hinter der Losnummergekennzeichnet sind, unterliegen der Regelbesteuerung(§ 4 der Versteigerungsbedingungen).1. Descriptions in English of each item included in thiscatalogue are available online or upon request.2. The basis for the conversion of the EUR-estimates:1 US $ = EUR 0,735 (rate of exchange 4 October <strong>2013</strong>)3. The titles and dates of works of art provided in quotationmarks originate from the artist or are taken from thecatalogue raisonné. These titles are printed within quotationmarks. Undated works have been assigned approximatedates by <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> based on stylistic grounds andavailable literature.4. Dimensions given in the catalogue are measurements takenin centimeters and inches (height by width) from the actualworks. For originals, the size given is that of the sheet;forprints, the size refers to the plate or block image. Where thatdiffers from the size of the sheet on which it is printed, thedimensions of the sheet follow in parentheses ( ). Specialprint marks or designations for these works are not noted inthe catalogue. “Bezeichnung” (“inscription”) means aninscription from the artist’s own hand, in contrast to“Beschriftung” (“designation”) which indicates an inscriptionfrom the hand of another.5. When describing paper, „Bütten paper” denotes machinemadepaper manufactured with the texture and finish of„Bütten”. Other designations of paper such as „JW Zanders”or „BFK Rives” refer to respective watermarks. The term„Japan paper” refers to both hand and machine-madeJapan paper.6. All sale objects may be viewed and examined before theauction; they are sold as is. The condition of the workscorresponds to their age. The catalogues list only suchdefects in condition as impair the overall impression of theart work. For every lot there is a condition report whichcan be requested.7. Those numbers printed in brackets [ ] refer to the consignorslisted in the Consignor Index, with [E] referring to propertyowned by <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen.8. Only works already framed at the time of consignmentwill be sold framed.9. For those works of art with R following the lot numberthe standard VAT is applicable (§ 4 Conditions of Auction).


Versteigerungsbedingungender <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbH§ 1 Der Versteigerer1. Die Versteigerung erfolgt im Namen der <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbH –nachfolgend: „<strong>Grisebach</strong>“ genannt. Der Auktionator handelt als derenVertreter. Er ist gem. § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt. Die Versteigerungist somit eine öffentliche Versteigerung i.S. § 474 Abs. 1 S. 2 und § 383 Abs.3 BGB.2. Die Versteigerung erfolgt in der Regel für Rechnung des Einlieferers,der unbenannt bleibt. Nur die im Eigentum von <strong>Grisebach</strong> befindlichenKunstgegenstände werden für eigene Rechnung versteigert. Sie sind imKatalog mit „E“ gekennzeichnet.3. Die Versteigerung erfolgt auf der Grundlage dieser Versteigerungs bedingungen.Die Versteigerungsbedingungen sind im Auktionskatalog, im Internet und durchdeutlich sichtbaren Aushang in den Räumen von <strong>Grisebach</strong> veröffentlicht.Durch Abgabe eines Gebots erkennt der Käufer diese Versteigerungsbedingungenals verbindlich an.§ 2 Katalog, Besichtigung und Versteigerungstermin1. KatalogVor der Versteigerung erscheint ein Auktionskatalog. Darin werden zurallgemeinen Orientierung die zur Versteigerung kommenden Kunstgegenständeabgebildet und beschrieben. Der Katalog enthält zusätzlich Angaben überUrheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Nur siebestimmen die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Im übrigen ist derKatalog weder für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes noch fürdessen Erscheinungsbild (Farbe) maßgebend. Der Katalog weist einenSchätzpreis in Euro aus, der jedoch lediglich als Anhaltspunkt für denVerkehrswert des Kunstgegenstandes dient, ebenso wie etwaige Angabenin anderen Währungen.Der Katalog wird von <strong>Grisebach</strong> nach bestem Wissen und Gewissen undmit großer Sorgfalt erstellt. Er beruht auf den bis zum Zeitpunkt derVersteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichenErkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers.Für jeden der zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände kann beiernstlichem Interesse ein Zustandsbericht von <strong>Grisebach</strong> angefordert und eskönnen etwaige von <strong>Grisebach</strong> eingeholte Expertisen eingesehen werden.Die im Katalog, im Zustandsbericht oder in Expertisen enthaltenen Angabenund Beschreibungen sind Einschätzungen, keine Garantien im Sinne des§ 443 BGB für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes.<strong>Grisebach</strong> ist berechtigt, Katalogangaben durch Aushang am Ort derVersteigerung und unmittelbar vor der Versteigerung des betreffendenKunstgegenstandes mündlich durch den Auktionator zu berichtigenoder zu ergänzen.2. BesichtigungAlle zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände werden vor derVersteigerung zur Vorbesichtigung ausgestellt und können besichtigtund geprüft werden. Ort und Zeit der Besichtigung, die <strong>Grisebach</strong> festlegt,sind im Katalog angegeben. Die Kunstgegenstände sind gebraucht undwerden in der Beschaffenheit versteigert, in der sie sich im Zeitpunkt derVersteigerung befinden.3. <strong>Grisebach</strong> bestimmt Ort und Zeitpunkt der Versteigerung. Sie ist berechtigt,Ort oder Zeitpunkt zu ändern, auch wenn der Auktionskatalog bereits versandtworden ist.§ 3 Durchführung der Versteigerung1. BieternummerJeder Bieter erhält von <strong>Grisebach</strong> eine Bieternummer.Er hat die Verstei gerungs bedingungen als verbindlich anzuerkennen.Von unbekannten Bietern benötigt <strong>Grisebach</strong> zur Erteilung der Bieternummerspätestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung eine schriftlicheAnmeldung mit beigefügter zeitnaher Bankreferenz.Nur unter einer Bieternummer abgegebene Gebote werden auf derVersteigerung berücksichtigt.2. AufrufDie Versteigerung des einzelnen Kunstgegenstandes beginnt mit dessenAufruf durch den Auktionator. Er ist berechtigt, bei Aufruf von der imKatalog vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen, Los-Nummern zuverbinden oder zu trennen oder eine Los-Nummer zurückzuziehen.Der Preis wird bei Aufruf vom Auktionator festgelegt, und zwar in Euro.Gesteigert wird um jeweils 10 % des vorangegangenen Gebots, sofernder Auktionator nicht etwas anderes bestimmt.3. Gebotea) Gebote im SaalGebote im Saal werden unter Verwendung der Bieternummer abgegeben.Ein Vertrag kommt durch Zuschlag des Auktionators zustande.Will ein Bieter Gebote im Namen eines Dritten abgeben, hat er diesmindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung von <strong>Grisebach</strong> unterVorlage einer Vollmacht des Dritten anzuzeigen. Anderenfalls kommt beiZuschlag der Vertrag mit ihm selbst zustande.b) Schriftliche GeboteMit Zustimmung von <strong>Grisebach</strong> können Gebote auf einem dafür vorgesehenenFormular auch schriftlich abgegeben werden. Sie müssen vom Bieter unterzeichnetsein und unter Angabe der Los-Nummer, des Künstlers und desTitels den für den Kunstgegenstand gebotenen Hammerpreis nennen. DerBieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen.Mit dem schriftlichen Gebot beauftragt der Bieter <strong>Grisebach</strong>, seine Geboteunter Berücksichtigung seiner Weisungen abzugeben. Das schriftliche Gebotwird von <strong>Grisebach</strong> nur mit dem Betrag in Anspruch genommen, der erforderlichist, um ein anderes Gebot zu überbieten.Ein Vertrag auf der Grundlage eines schriftlichen Gebots kommt mit demBieter durch den Zuschlag des Auktionators zustande.Gehen mehrere gleich hohe schriftliche Gebote für denselben Kunstgegenstandein, erhält das zuerst eingetroffene Gebot den Zuschlag, wenn keinhöheres Gebot vorliegt oder abgegeben wird.c) Telefonische GeboteTelefonische Gebote sind zulässig, wenn der Bieter mindestens 24 Stunden vorBeginn der Versteigerung dies schriftlich beantragt und <strong>Grisebach</strong> zugestimmthat. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen.Die telefonischen Gebote werden von einem während der Versteigerung imSaal anwesenden Mitarbeiter von <strong>Grisebach</strong> entgegengenommen und unterBerücksichtigung der Weisungen des Bieters während der Versteigerung abgegeben.Das von dem Bieter genannte Gebot bezieht sich ausschließlich auf denHammerpreis, umfasst also nicht Aufgeld, etwaige Umlagen und Umsatzsteuer,die hinzukommen. Das Gebot muss den Kunstgegenstand, auf den es sichbezieht, zweifelsfrei und möglichst unter Nennung der Los-Nummer, desKünstlers und des Titels, benennen.Telefonische Gebote können von <strong>Grisebach</strong> aufgezeichnet werden. Mit demAntrag zum telefonischen Bieten erklärt sich der Bieter mit der Aufzeichnungeinverstanden. Die Aufzeichnung wird spätestens nach drei Monaten gelöscht,sofern sie nicht zu Beweiszwecken benötigt wird.d) Gebote über das InternetGebote über das Internet sind nur zulässig, wenn der Bieter von <strong>Grisebach</strong> zumBieten über das Internet unter Verwendung eines Benutzernamens und einesPasswortes zugelassen worden ist und die Versteigerungsbedingungen alsverbindlich anerkennt. Die Zulassung erfolgt ausschließlich für die Person desZugelassenen, ist also höchstpersönlich. Der Benutzer ist verpflichtet, seinenBenutzernamen und sein Passwort Dritten nicht zugänglich zu machen. Beischuldhafter Zuwiderhandlung haftet er <strong>Grisebach</strong> für daraus entstandeneSchäden.Gebote über das Internet sind nur rechtswirksam, wenn sie hinreichendbestimmt sind und durch Benutzernamen und Passwort zweifelsfrei dem Bieterzuzuordnen sind. Die über das Internet übertragenen Gebote werden elektronischprotokolliert. Die Richtigkeit der Protokolle wird vom Käufer anerkannt,dem jedoch der Nachweis ihrer Unrichtigkeit offensteht.


<strong>Grisebach</strong> behandelt Gebote, die vor der Versteigerung über das Internet abgegebenwerden, rechtlich wie schriftliche Gebote. Internetgebote während einerlaufenden Versteigerung werden wie Gebote aus dem Saal berücksichtigt.4. Der Zuschlaga) Der Zuschlag wird erteilt, wenn nach dreimaligem Aufruf eines Gebots keinhöheres Gebot abgegeben wird. Der Zuschlag verpflichtet den Bieter, derunbenannt bleibt, zur Abnahme des Kunstgegenstandes und zur Zahlung desKaufpreises (§ 4 Ziff. 1).b) Der Auktionator kann bei Nichterreichen des Limits einen Zuschlag unterVorbehalt erteilen. Ein Zuschlag unter Vorbehalt wird nur wirksam, wenn<strong>Grisebach</strong> das Gebot innerhalb von drei Wochen nach dem Tag derVersteigerung schriftlich bestätigt. Sollte in der Zwischenzeit ein andererBieter mindestens das Limit bieten, erhält dieser ohne Rücksprache mitdem Bieter, der den Zuschlag unter Vorbehalt erhalten hat, den Zuschlag.c) Der Auktionator hat das Recht, ohne Begründung ein Gebot abzulehnenoder den Zuschlag zu verweigern. Wird ein Gebot abgelehnt oder derZuschlag verweigert, bleibt das vorangegangene Gebot wirksam.d) Der Auktionator kann einen Zuschlag zurücknehmen und den Kunstgegen standinnerhalb der Auktion neu ausbieten,– wenn ein rechtzeitig abgegebenes höheres Gebot von ihm übersehen unddies von dem übersehenen Bieter unverzüglich beanstandet worden ist,– wenn ein Bieter sein Gebot nicht gelten lassen will oder– wenn sonst Zweifel über den Zuschlag bestehen.Übt der Auktionator dieses Recht aus, wird ein bereits erteilter Zuschlagunwirksam.e) Der Auktionator ist berechtigt, ohne dies anzeigen zu müssen, bis zumErreichen eines mit dem Einlieferer vereinbarten Limits auch Gebote fürden Einlieferer abzugeben und den Kunstgegenstand dem Einlieferer unterBenennung der Einlieferungsnummer zuzuschlagen. Der Kunstgegenstandbleibt dann unverkauft.§ 4 Kaufpreis, Zahlung, Verzug1. KaufpreisDer Kaufpreis besteht aus dem Hammerpreis zuzüglich Aufgeld. Hinzukommenkönnen pauschale Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer.A. Bei im Katalog mit dem Buchstaben „R“ hinter der Losnummer gekennzeichnetenKunstgegenständen berechnet sich der Kaufpreis wie folgt:a) AufgeldAuf den Hammerpreis berechnet <strong>Grisebach</strong> ein Aufgeld von 25 %. Auf denTeil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeldvon 20 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EURübersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % berechnet.b) UmsatzsteuerAuf den Hammerpreis und das Aufgeld wird die jeweils gültige gesetzlicheUmsatzsteuer erhoben (Regelbesteuerung mit „R“ gekennzeichnet). Sie beträgtfür Originalwerke der bildenden Kunst derzeit 7 % sowie für Sammlungsstückegemäß Nr. 54 der Anlage 2 zu § 12 (2) Nr. 1 UStG derzeit ebenfalls 7 %, beiPhotographien sowie Bild- und Siebdrucken 19 %.c) UmsatzsteuerbefreiungKeine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet,die in Staaten innerhalb des Gemeinschaftsgebietes der Europäischen Union(EU) von Unternehmen erworben und aus Deutschland exportiert werden,wenn diese bei Beantragung und Erhalt ihrer Bieternummer ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben haben. Eine nachträgliche Berücksichtigung,insbesondere eine Korrektur nach Rechnungsstellung, ist nicht möglich.Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet,die gemäß § 6 Abs. 4 UStG in Staaten außerhalb des Gemeinschaftsgebietesder EU geliefert werden und deren Käufer als ausländische Abnehmer geltenund dies entsprechend § 6 Abs. 2 UStG nachgewiesen haben. Im Auslandanfallende Einfuhrumsatzsteuer und Zölle trägt der Käufer.Die vorgenannten Regelungen zur Umsatzsteuer entsprechen dem Stand derGesetzgebung und der Praxis der Finanzverwaltung. Änderungen sind nichtausgeschlossen.B. Bei Kunstgegenständen ohne besondere Kennzeichnung im Katalog berechnetsich der Kaufpreis wie folgt:Bei Käufern mit Wohnsitz innerhalb der EU berechnet <strong>Grisebach</strong> auf denHammerpreis ein Aufgeld von 30 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 25 % berechnet. Auf den Teildes Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 %berechnet. In diesem Aufgeld sind alle pauschalen Gebühren sowie diegesetzliche Umsatzsteuer enthalten (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG).Sie werden bei der Rechnungstellung nicht einzeln ausgewiesen.Käufern, denen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland geliefert wirdund die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann auf Wunsch die Rechnungnach der Regelbesteuerung gemäß Absatz A ausgestellt werden. DieserWunsch ist bei Beantragung der Bieternummer anzugeben.Eine Korrektur nach Rechnungstellung ist nicht möglich.2. Fälligkeit und ZahlungDer Kaufpreis ist mit dem Zuschlag fällig.Der Kaufpreis ist in Euro an <strong>Grisebach</strong> zu entrichten. Schecks undandere unbare Zahlungen werden nur erfüllungshalber angenommen.Eine Begleichung des Kaufpreises durch Aufrechnung ist nur mitunbe strittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig.Bei Zahlung in ausländischer Währung gehen ein etwaiges Kursrisikosowie alle Bankspesen zulasten des Käufers.3. VerzugIst der Kaufpreis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Rechnungnoch nicht beglichen, tritt Verzug ein.Ab Eintritt des Verzuges verzinst sich der Kaufpreis mit 1 % monatlich,unbeschadet weiterer Schadensersatzansprüche.Zwei Monate nach Eintritt des Verzuges ist <strong>Grisebach</strong> berechtigt und aufVerlangen des Einlieferers verpflichtet, diesem Name und Anschrift desKäufers zu nennen.Ist der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, kann <strong>Grisebach</strong> nachSetzung einer Nachfrist von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten. Damiterlöschen alle Rechte des Käufers an dem ersteigerten Kunstgegen stand.<strong>Grisebach</strong> ist nach Erklärung des Rücktritts berechtigt, vom Käufer Schadensersatzzu verlangen. Der Schadensersatz umfasst insbesondere das <strong>Grisebach</strong>entgangene Entgelt (Einliefererkommission und Aufgeld), sowie angefalleneKosten für Katalogabbildungen und die bis zur Rückgabe oder bis zur erneutenVersteigerung des Kunstgegenstandes anfallenden Transport-, Lager- undVersicherungskosten.Wird der Kunstgegenstand an einen Unterbieter verkauft oder in der nächstenoder übernächsten Auktion versteigert, haftet der Käufer außerdem fürjeglichen Mindererlös.<strong>Grisebach</strong> hat das Recht, den säumigen Käufer von künftigen Versteigerun genauszuschließen und seinen Namen und seine Adresse zu Sperrzwecken anandere Auktionshäuser weiterzugeben.§ 5 NachverkaufWährend eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Auktion können nichtversteigerte Kunstgegenstände im Wege des Nachverkaufs erworben werden.Der Nachverkauf gilt als Teil der Versteigerung. Der Interessent hat persönlich,telefonisch, schriftlich oder über das Internet ein Gebot mit einem bestimmtenBetrag abzugeben und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen.Der Vertrag kommt zustande, wenn <strong>Grisebach</strong> das Gebot innerhalb von drei Wochennach Eingang schriftlich annimmt.Die Bestimmungen über Kaufpreis, Zahlung, Verzug, Abholung und Haftung fürin der Versteigerung erworbene Kunstgegenstände gelten entsprechend.§ 6 Entgegennahme des ersteigerten Kunstgegenstandes1. AbholungDer Käufer ist verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand spätestenseinen Monat nach Zuschlag abzuholen.<strong>Grisebach</strong> ist jedoch nicht verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstandvor vollständiger Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betragesan den Käufer herauszugeben.Das Eigentum geht auf den Käufer erst nach vollständiger Begleichungdes Kaufpreises über.2. LagerungBis zur Abholung lagert <strong>Grisebach</strong> für die Dauer eines Monats, gerechnetab Zuschlag, den ersteigerten Kunstgegenstand und versichert ihn aufeigene Kosten in Höhe des Kaufpreises. Danach hat <strong>Grisebach</strong> das Recht,den Kunstgegenstand für Rechnung des Käufers bei einer Kunstspeditioneinzu lagern und versichern zu lassen. Wahlweise kann <strong>Grisebach</strong> statt dessenden Kunstgegenstand in den eigenen Räumen einlagern gegen Berechnungeiner monatlichen Pauschale von 0,1 % des Kaufpreises für Lager- undVersicherungs kosten.3. VersandBeauftragt der Käufer <strong>Grisebach</strong> schriftlich, den Transport des ersteigertenKunstgegenstandes durchzuführen, sorgt <strong>Grisebach</strong>, sofern der Kaufpreisvollständig bezahlt ist, für einen sachgerechten Transport des Werkes zumKäufer oder dem von ihm benannten Empfänger durch eine Kunstspeditionund schließt eine entsprechende Transportversicherung ab. Die Kosten fürVerpackung, Versand und Versicherung trägt der Käufer.


4. AnnahmeverzugHolt der Käufer den Kunstgegenstand nicht innerhalb von einem Monat ab(Ziffer 1) und erteilt er innerhalb dieser Frist auch keinen Auftrag zurVersendung des Kunstgegenstandes (Ziffer 3), gerät er in Annahmeverzug.5. Anderweitige VeräußerungVeräußert der Käufer den ersteigerten Kunstgegenstand seinerseits, bevor erden Kaufpreis vollständig bezahlt hat, tritt er bereits jetzt erfüllungshalbersämtliche Forderungen, die ihm aus dem Weiterverkauf zustehen, an <strong>Grisebach</strong>ab, welche die Abtretung hiermit annimmt. Soweit die abgetretenenForderungen die <strong>Grisebach</strong> zustehenden Ansprüche übersteigen, ist <strong>Grisebach</strong>verpflichtet, den zur Erfüllung nicht benötigten Teil der abgetretenen Forderungunverzüglich an den Käufer abzutreten.§ 7 Haftung1. Beschaffenheit des KunstgegenstandesDer Kunstgegenstand wird in der Beschaffenheit veräußert, in der er sich beiErteilung des Zuschlags befindet und vor der Versteigerung besichtigt undgeprüft werden konnte. Ergänzt wird diese Beschaffenheit durch die Angabenim Katalog (§ 2 Ziff. 1) über Urheberschaft, Technik und Signatur desKunstgegenstandes. Sie beruhen auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerungveröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie aufden Angaben des Einlieferers. Weitere Beschaffenheitsmerkmale sind nichtvereinbart, auch wenn sie im Katalog beschrieben oder erwähnt sind oder sichaus schriftlichen oder mündlichen Auskünften, aus einem Zustandsbericht,Expertisen oder aus den Abbildungen des Katalogs ergeben sollten.Eine Garantie (§ 443 BGB) für die vereinbarte Beschaffenheit desKunstgegenstandes wird nicht übernommen.2. Rechte des Käufers bei einem Rechtsmangel (§ 435 BGB)Weist der erworbene Kunstgegenstand einen Rechtsmangel auf, weil anihm Rechte Dritter bestehen, kann der Käufer innerhalb einer Frist von zweiJahren (§ 438 Abs. 4 und 5 BGB) wegen dieses Rechtsmangels vom Vertragzurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Im übrigenwerden die Rechte des Käufers aus § 437 BGB, also das Recht auf Nacherfüllung,auf Schadenersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen ausgeschlossen,es sei denn, der Rechtsmangel ist arglistig verschwiegen worden.3. Rechte des Käufers bei Sachmängeln (§ 434 BGB)Weicht der Kunstgegenstand von der vereinbarten Beschaffenheit(Urheberschaft, Technik, Signatur) ab, ist der Käufer berechtigt, innerhalbvon zwei Jahren ab Zuschlag (§ 438 Abs. 4 BGB) vom Vertrag zurückzutreten.Er erhält den von ihm gezahlten Kaufpreis (§ 4 Ziff. 1 der Verstei gerungsbedingungen)zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegen standesin unverändertem Zustand am Sitz von <strong>Grisebach</strong>. Ansprüche auf Minderungdes Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), auf Schadens ersatz oder auf Ersatzvergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) sind ausgeschlossen.Dieser Haftungsausschluss gilt nicht, soweit <strong>Grisebach</strong> den Mangelarglistig verschwiegen hat.Das Rücktrittsrecht wegen Sachmangels ist ausgeschlossen, sofern <strong>Grisebach</strong>den Kunstgegenstand für Rechnung des Einlieferers veräußert hat und diegrößte ihr mögliche Sorgfalt bei Ermittlung der im Katalog genanntenUrheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes aufgewandthat und keine Gründe vorlagen, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.In diesem Falle verpflichtet sich <strong>Grisebach</strong>, dem Käufer das Aufgeld, etwaigeUmlagen und die Umsatzsteuer zu erstatten.Außerdem tritt <strong>Grisebach</strong> dem Käufer alle ihr gegen den Einlieferer, dessenName und Anschrift sie dem Käufer mitteilt, zustehenden Ansprüche wegender Mängel des Kunstgegenstandes ab. Sie wird ihn in jeder zulässigen undihr möglichen Weise bei der Geltendmachung dieser Ansprüche gegen denEinlieferer unterstützen.4. Fehler im Versteigerungsverfahren<strong>Grisebach</strong> haftet nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe vonmündlichen, schriftlichen, telefonischen oder Internetgeboten, soweit ihr nichtVorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies gilt insbesondere für dasZustandekommen oder den Bestand von Telefon-, Fax- oder Datenleitungensowie für Übermittlungs-, Übertragungs- oder Übersetzungs fehler im Rahmender eingesetzten Kommunikationsmittel oder seitens der für die Entgegennahmeund Weitergabe eingesetzten Mitarbeiter. Für Missbrauch durchunbefugte Dritte wird nicht gehaftet. Die Haftungs beschränkung gilt nicht fürSchäden an der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.5. VerjährungFür die Verjährung der Mängelansprüche gelten die gesetzlichenVerjährungs fristen des § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (2 Jahre).§ 8 Schlussbestimmungen1. NebenabredenÄnderungen dieser Versteigerungsbedingungen im Einzelfall oderNebenabreden bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform.2. Fremdsprachige Fassung der VersteigerungsbedingungenSoweit die Versteigerungsbedingungen in anderen Sprachen als der deutschenSprache vorliegen, ist stets die deutsche Fassung maßgebend.3. Anwendbares RechtEs gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland. DasAbkommen der Vereinten Nationen über Verträge des internationalenWarenkaufs (CISG) findet keine Anwendung.4. ErfüllungsortErfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit dies rechtlich vereinbart werdenkann, Berlin.5. Salvatorische KlauselSollte eine oder mehrere Bestimmungen dieser Versteigerungsbedingungenunwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungendavon unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gelten die entsprechendengesetzlichen Vorschriften.


Conditions of Saleof <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbHSection 1 The Auction House1. The auction will be implemented on behalf of <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbH –referred to hereinbelow as “<strong>Grisebach</strong>”. The auctioneer will be acting as<strong>Grisebach</strong>’s representative. The auctioneer is an expert who has been publiclyappointed in accordance with Section 34b paragraph 5 of the Gewerbeordnung(GewO, German Industrial Code). Accordingly, the auction is a public auction asdefined by Section 474 paragraph 1 second sentence and Section 383 paragraph3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code).2. As a general rule, the auction will be performed on behalf of the Consignor, whowill not be named. Solely those works of art owned by <strong>Grisebach</strong> shall be sold atauction for the account of <strong>Grisebach</strong>. Such items will be marked by an “E” in thecatalogue.3. The auction shall be performed on the basis of the present Conditions of Sale.The Conditions of Sale are published in the catalogue of the auction and on theinternet; furthermore, they are posted in an easily accessible location in the<strong>Grisebach</strong> spaces. By submitting a bid, the buyer acknowledges the Conditionsof Sale as being binding upon it.Section 2 Catalogue, Pre-Sale Exhibition and Date of the Auction1. CataloguePrior to the auction date, an auction catalogue will be published. This providesgeneral orientation in that it shows images of the works of art to be sold at auctionand describes them. Additionally, the catalogue will provide information onthe work’s creator(s), technique, and signature. These factors alone will definethe characteristic features of the work of art. In all other regards, the cataloguewill not govern as far as the characteristics of the work of art or its appearanceare concerned (color). The catalogue will provide estimated prices in EURamounts, which, however, serve solely as an indication of the fair market value ofthe work of art, as does any such information that may be provided in othercurrencies.<strong>Grisebach</strong> will prepare the catalogue to the best of its knowledge and belief, andwill exercise the greatest of care in doing so. The catalogue will be based on thescholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwisegenerally accessible, and on the information provided by the Consignor.Seriously interested buyers have the opportunity to request that <strong>Grisebach</strong> providethem with a report outlining the condition of the work of art (conditionreport), and they may also review any expert appraisals that <strong>Grisebach</strong> may haveobtained.The information and descriptions contained in the catalogue, in the conditionreport or in expert appraisals are estimates; they do not constitute any guarantees,in the sense as defined by Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch(BGB, German Civil Code), for the characteristics of the work of art.<strong>Grisebach</strong> is entitled to correct or amend any information provided in the catalogueby posting a notice at the auction venue and by having the auctioneermake a corresponding statement immediately prior to calling the bids for thework of art concerned.2. Pre-sale exhibitionAll of the works of art that are to be sold at auction will be exhibited prior to thesale and may be viewed and inspected. The time and date of the pre-sale exhibition,which will be determined by <strong>Grisebach</strong>, will be set out in the catalogue. Theworks of art are used and will be sold “as is”, in other words in the conditionthey are in at the time of the auction.3. <strong>Grisebach</strong> will determine the venue and time at which the auction is to be held. Itis entitled to modify the venue and the time of the auction, also in those cases inwhich the auction catalogue has already been sent out.Section 3 Calling the Auction1. Bidder number<strong>Grisebach</strong> will issue a bidder number to each bidder. Each bidder is to acknowledgethe Conditions of Sale as being binding upon it.At the latest twenty-four (24) hours prior to the start of the auction, bidders asyet unknown to <strong>Grisebach</strong> must register in writing, providing a written bank referenceletter of recent date, so as to enable <strong>Grisebach</strong> to issue a bidder number tothem.At the auction, only the bids submitted using a bidder number will be considered.2. Item call-upThe auction of the individual work of art begins by its being called up by theauctioneer. The auctioneer is entitled to call up the works of art in a differentsequence than that published in the catalogue, to join catalogue items to form alot, to separate a lot into individual items, and to pull an item from the auctionthat has been given a lot number.When the work of art is called up, its price will be determined by the auctioneer,denominated in euros. Unless otherwise determined by the auctioneer, the bidincrements will amount to 10 % of the respective previous bid.3. Bidsa) Floor bidsFloor bids will be submitted using the bidder number. A sale and purchaseagreement will be concluded by the auctioneer bringing down the hammer toend the bidding process.Where a bidder wishes to submit bids in the name of a third party, it mustnotify <strong>Grisebach</strong> of this fact at the latest twenty-four (24) hours prior to theauction commencing, submitting a corresponding power of attorney from thatthird party. In all other cases, once the work of art has been knocked down,the sale and purchase agreement will be concluded with the person who hasplaced the bid.b) Written absentee bidsSubject to <strong>Grisebach</strong> consenting to this being done, bids may also be submittedin writing using a specific form developed for this purpose. The biddermust sign the form and must provide the lot number, the name of the artist,the title of the work of art and the hammer price it wishes to bid therefor. Thebidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it.By placing a written bid, the bidder instructs <strong>Grisebach</strong> to submit such bid inaccordance with its instructions. <strong>Grisebach</strong> shall use the amount specified inthe written bid only up to whatever amount may be required to outbid anotherbidder.Upon the auctioneer knocking down the work of art to a written bid, a saleand purchase agreement shall be concluded on that basis with the bidderwho has submitted such written bid.Where several written bids have been submitted in the same amount for thesame work of art, the bid received first shall be the winning bid, provided thatno higher bid has been otherwise submitted or is placed as a floor bid.c) Phoned-in absentee bidsBids may permissibly be phoned in, provided that the bidder applies in writingto be admitted as a telephone bidder, and does so at the latest twenty-four(24) hours prior to the auction commencing, and furthermore provided that<strong>Grisebach</strong> has consented. The bidder must acknowledge the Conditions ofSale as being binding upon it.Bids phoned in will be taken by a <strong>Grisebach</strong> employee present at the auctionon the floor, and will be submitted in the course of the auction in keeping withthe instructions issued by the bidder. The bid so submitted by the bidder shallcover exclusively the hammer price, and thus shall not comprise the buyer’spremium, any allocated costs that may be charged, or turnover tax. The bidmust unambiguously designate the work of art to which it refers, and mustwherever possible provide the lot number, the artist and the title of the work.<strong>Grisebach</strong> may make a recording of bids submitted by telephone. By filing theapplication to be admitted as a telephone bidder, the bidder declares its consentto the telephone conversation being recorded. Unless it is required asevidence, the recording shall be deleted at the latest following the expiry ofthree (3) months.d) Absentee bids submitted via the internetBids may be admissibly submitted via the internet only if <strong>Grisebach</strong> has registeredthe bidder for internet bidding, giving him a user name and password,and if the bidder has acknowledged the Conditions of Sale as being bindingupon it. The registration shall be non-transferable and shall apply exclusivelyto the registered party; it is thus entirely personal and private. The user isunder obligation to not disclose to third parties its user name or password.Should the user culpably violate this obligation, it shall be held liable by<strong>Grisebach</strong> for any damages resulting from such violation.


Bids submitted via the internet shall have legal validity only if they are sufficientlydeterminate and if they can be traced back to the bidder by its username and password beyond any reasonable doubt. The bids transmitted viathe internet will be recorded electronically. The buyer acknowledges thatthese records are correct, but it does have the option to prove that they areincorrect.In legal terms, <strong>Grisebach</strong> shall treat bids submitted via the internet at a pointin time prior to the auction as if they were bids submitted in writing. Bids submittedvia the internet while an auction is ongoing shall be taken into accountas if they were floor bids.4. Knock downa) The work of art is knocked down to the winning bidder if, following three callsfor a higher bid, no such higher bid is submitted. Upon the item beingknocked down to it, this will place the bidder under obligation to accept thework of art and to pay the purchase price (Section 4 Clause 1). The biddershall not be named.b) Should the bids not reach the reserve price set by the Consignor, the auctioneerwill knock down the work of art at a conditional hammer price. This conditionalhammer price shall be effective only if <strong>Grisebach</strong> confirms this bid inwriting within three (3) weeks of the day of the auction. Should another biddersubmit a bid in the meantime that is at least in the amount of the reserveprice, the work of art shall go to that bidder; there will be no consultationswith the bidder to whom the work of art has been knocked down at a conditionalhammer price.c) The auctioneer is entitled to refuse to accept a bid, without providing any reasonstherefor, or to refuse to knock down a work of art to a bidder. Where abid is refused, or where a work of art is not knocked down to a bidder, theprior bid shall continue to be valid.d) The auctioneer may revoke any knock-down and may once again call up thework of art in the course of the auction to ask for bids; the auctioneer may doso in all cases in which– The auctioneer has overlooked a higher bid that was submitted in a timelyfashion, provided the bidder so overlooked has immediately objected tothis oversight;– A bidder does not wish to be bound by the bid submitted; or– There are any other doubts regarding the knock-down of the work of artconcerned.Where the auctioneer exercises this right, any knock-down of a work of artthat has occurred previously shall cease to be effective.e) The auctioneer is authorized, without being under obligation of giving noticethereof, to also submit bids on behalf of the Consignor until the reserve priceagreed with the Consignor has been reached, and the auctioneer is furthermoreauthorized to knock down the work of art to the Consignor, citing theconsignment number. In such event, the work of art shall go unsold.Section 4 Purchase Price, Payment, Default1. Purchase priceThe purchase price consists of the hammer price plus buyer’s premium.Additionally, lump sum fees may be charged along with statutory turnover tax.A. For works of art marked in the catalogue by the letter “R” behind the lot number,the purchase price is calculated as follows:a) Buyer’s premium<strong>Grisebach</strong> will add a buyer’s premium of 25 % to the hammer price.A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price thatis in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 15 % will be added to thatpart of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000.b) Turnover taxThe hammer price and the buyer’s premium will be subject to statutoryturnover tax in the respectively applicable amount (standard taxation provisions,marked by the letter “R”). For original works of art, the tax rate currentlyamounts to 7 %; for collectibles as defined by Item 54 of Annex 2 toSection 12 (2) no. 1 of the Umsatzsteuergesetz (UStG, German Turnover TaxAct), it likewise currently amounts to 7%; while it is 19 % for photographs,prints and screenprints.c) Exemption from turnover taxNo turnover tax will be charged where works of art are sold that are acquiredin states within the community territory of the European Union by corporationsand exported outside of Germany, provided that such corporations haveprovided their turnover tax ID number in applying for and obtaining theirbidder number. It is not possible to register this status after the invoice hasbeen issued, and more particularly, it is not possible to perform a correctionretroactively.No turnover tax shall be charged for the sale of works of art that are delivered,pursuant to Section 6 paragraph 4 of the Umsatzsteuergesetz (UStG,German Turnover Tax Act), to destinations located in states that are not aMember State of the EU, provided that their buyers are deemed to be foreignpurchasers and have proved this fact in accordance with Section 6 paragraph2 of the German Turnover Tax Act. The buyer shall bear any import turnovertax or duties that may accrue abroad.The above provisions on turnover tax correspond to the legislative status quoand are in line with the practice of the Tax and Revenue Authorities. They aresubject to change without notice.B. For works of art that have not been specially marked in the catalogue, thepurchase price will be calculated as follows:For buyers having their residence in the European Union, <strong>Grisebach</strong> will add abuyer’s premium of 30 % to the hammer price. A buyer’s premium of 25 % will beadded to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’spremium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is inexcess of EUR 1,000,000. This buyer’s premium will include all lump sum fees aswell as the statutory turnover tax (margin scheme pursuant to Section 25a of theGerman Turnover Tax Act). These taxes and fees will not be itemized separatelyin the invoice.Buyers to whom delivery is made within Germany, as defined by the GermanTurnover Tax Act, and who are entitled to deduct input taxes, may have aninvoice issued to them that complies with the standard taxation provisions asprovided for hereinabove in paragraph A. Such invoice is to be requested whenapplying for a bidder number. It is not possible to perform any correctionretroactively after the invoice has been issued.2. Due date and paymentThe purchase price shall be due for payment upon the work of art being knockeddown to the buyer.The purchase price shall be paid in euros to <strong>Grisebach</strong>. Cheques and any otherforms of non-cash payment are accepted only on account of performance.Payment of the purchase price by set-off is an option only where the claims arenot disputed or have been finally and conclusively determined by a court’sdeclaratory judgment.Where payment is made in a foreign currency, any exchange rate risk and anyand all bank charges shall be borne by the buyer.3. DefaultIn cases in which the purchase price has not been paid within two (2) weeks ofthe invoice having been received, the buyer shall be deemed to be defaulting onthe payment.Upon the occurrence of such default, the purchase price shall accrue interest at1 % per month, notwithstanding any other claims to compensation of damagesthat may exist.Two (2) months after the buyer has defaulted on the purchase price, <strong>Grisebach</strong>shall be entitled – and shall be under obligation to do so upon the Consignor’scorresponding demand – to provide to the Consignor the buyer’s name andaddress.Where the buyer has defaulted on the purchase price, <strong>Grisebach</strong> may rescind theagreement after having set a period of grace of two (2) weeks. Once <strong>Grisebach</strong>has so rescinded the agreement, all rights of the buyer to the work of artacquired at auction shall expire.Upon having declared its rescission of the agreement, <strong>Grisebach</strong> shall be entitledto demand that the buyer compensate it for its damages. Such compensation ofdamages shall comprise in particular the remuneration that <strong>Grisebach</strong> has lost(commission to be paid by the Consignor and buyer’s premium), as well as thecosts of picturing the work of art in the catalogue and the costs of shipping,storing and insuring the work of art until it is returned or until it is once againoffered for sale at auction.Where the work of art is sold to a bidder who has submitted a lower bid, orwhere it is sold at the next auction or the auction after that, the original buyermoreover shall be held liable for any amount by which the proceeds achieved atthat subsequent auction are lower than the price it had bid originally.<strong>Grisebach</strong> has the right to exclude the defaulting buyer from future auctions andto forward the name and address of that buyer to other auction houses so as toenable them to exclude him from their auctions as well.Section 5 Post Auction SaleIn the course of a two-month period following the auction, works of art that have goneunsold at the auction may be acquired through post auction sales. The post auctionsale will be deemed to be part of the auction. The party interested in acquiring thework of art is to submit a bid either in person, by telephone, in writing or via the internet,citing a specific amount, and is to acknowledge the Conditions of Sale as beingbinding upon it. The sale and purchase agreement shall come about if <strong>Grisebach</strong>accepts the bid in writing within three weeks of its having been received.The provisions regarding the purchase price, payment, default, pick-up and liability forworks of art acquired at auction shall apply mutatis mutandis.


Section 6 Acceptance of the Work of Art Purchased at Auction1. Pick-upThe buyer is under obligation to pick up the work of art at the latest one (1)month after it has been knocked down to the buyer.However, <strong>Grisebach</strong> is not under obligation to surrender to the buyer the work ofart acquired at auction prior to the purchase price set out in the invoice havingbeen paid in full.Title to the work of art shall devolve to the buyer only upon the purchase pricehaving been paid in full.2. Storage<strong>Grisebach</strong> shall store the work of art acquired at auction until it is picked up,doing so at the longest for one (1) month, and shall insure it at its own cost, theamount insured being equal to the purchase price. Thereafter, <strong>Grisebach</strong> shallhave the right to store the work of art with a specialized fine art shipping agentand to insure it there. At its choice, <strong>Grisebach</strong> may instead store the work of artin its own premises, charging a monthly lumpsum fee of 0.1 % of the purchaseprice for the costs of storage and insurance.3. ShippingWhere the buyer instructs <strong>Grisebach</strong> in writing to ship to it the work of artacquired at auction, subject to the proviso that the purchase price has been paidin full, <strong>Grisebach</strong> shall procure the appropriate shipment of the work of art to thebuyer, or to any recipient the buyer may specify, such shipment being performedby a specialized fine art shipping agent; <strong>Grisebach</strong> shall take out correspondingshipping insurance. The buyer shall bear the costs of packaging and shipping thework of art as well as the insurance premium.4. Default of acceptanceWhere the buyer fails to pick up the work of art within one (1) month (Clause 1)and fails to issue instructions for the work of art to be shipped to it (Clause 3), itshall be deemed to be defaulting on acceptance.5. Sale to other partiesShould the buyer, prior to having paid the purchase price in full, sell the work ofart it has acquired at auction, it hereby assigns to <strong>Grisebach</strong>, as early as at thepresent time and on account of performance, the entirety of all claims to whichit is entitled under such onward sale, and <strong>Grisebach</strong> accepts such assignment.Insofar as the claims so assigned are in excess of the claims to which <strong>Grisebach</strong>is entitled, <strong>Grisebach</strong> shall be under obligation to immediately re-assign to thebuyer that part of the claim assigned to it that is not required for meeting itsclaim.Section 7 Liability1. Characteristics of the work of artThe work of art is sold in the condition it is in at the time it is knockeddown to the buyer, and in which it was viewed and inspected. The other characteristicfeatures of the work of art are comprised of the statements made in thecatalogue (Section 2 Clause 1) regarding the work’s creator(s), technique andsignature. These statements are based on the scholarly knowledge published upuntil the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the informationprovided by the Consignor. No further characteristic features are agreedamong the parties, in spite of the fact that such features may be described ormentioned in the catalogue, or that they may garnered from information providedin writing or orally, from a condition report, an expert appraisal or the imagesshown in the catalogue. No guarantee (Section 443 of the BürgerlichesGesetzbuch (BGB, German Civil Code)) is provided for the work of art having anycharacteristic features.2. Buyer’s rights in the event of a defect of title being given (Section 435 of theGerman Civil Code)Should the work of art acquired be impaired by a defect of title because it isencumbered by rights of third parties, the buyer may, within a period of two (2)years (Section 438 paragraph 4 and 5 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB,German Civil Code)), rescind the agreement based on such defect of title, or itmay reduce the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code). Inall other regards, the buyer’s rights as stipulated by Section 437 of the GermanCivil Code are hereby contracted out, these being the right to demand theretroactive performance of the agreement, the compensation of damages, orthe reimbursement of futile expenditure, unless the defect of title has beenfraudulently concealed.3. Buyer’s rights in the event of a material defect being given (Section 434 of theGerman Civil Code)Should the work of art deviate from the characteristic features agreed (work’screator(s), technique, signature), the buyer shall be entitled to rescind the agreementwithin a period of two (2) years after the work of art has been knockeddown to it (Section 438 paragraph 4 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB,German Civil Code)). The buyer shall be reimbursed for the purchase price it haspaid (Section 4 Clause 1 of the Conditions of Sale), concurrently with the returnof the purchased object in unaltered condition, such return being effected at theregistered seat of <strong>Grisebach</strong>.Claims to any reduction of the purchase price (Section 437 no. 2 of the GermanCivil Code), to the compensation of damages or the reimbursement of futileexpenditure (Section 437 no. 3 of the German Civil Code) are hereby contractedout. This exclusion of liability shall not apply should <strong>Grisebach</strong> have fraudulentlyconcealed the defect.The right to rescind the agreement for material defects shall be contracted outwherever <strong>Grisebach</strong> has sold the work of art for the account of the Consignorand has exercised, to the best of its ability, the greatest possible care in identifyingthe work’s creator(s), technique and signature listed in the catalogue, providedthere was no cause to doubt these statements’ being correct. In such event,<strong>Grisebach</strong> enters into obligation to reimburse the buyer for the buyer’s premium,any allocated costs that may have been charged, and turnover tax. Moreover,<strong>Grisebach</strong> shall assign to the buyer all of the claims vis-à-vis the Consignor towhich it is entitled as a result of the defects of the work of art, providing theConsignor’s name and address to the buyer. <strong>Grisebach</strong> shall support the buyer inany manner that is legally available to it and that it is able to apply in enforcingsuch claims against the Consignor.4. Errors in the auction proceedings<strong>Grisebach</strong> shall not be held liable for any damages arising in connection withbids that are submitted orally, in writing, by telephone or via the internet, unless<strong>Grisebach</strong> is culpable of having acted with intent or grossly negligently. This shallapply in particular to the telephone, fax or data connections being established orcontinuing in service, as well as to any errors of transmission, transfer or translationin the context of the means of communications used, or any errors committedby the employees responsible for accepting and forwarding any instructions.<strong>Grisebach</strong> shall not be held liable for any misuse by unauthorized third parties.This limitation of liability shall not apply to any loss of life, limb or health.5. Statute of limitationsThe statutory periods of limitation provided for by Section 438 paragraph 1Clause 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code) (two years)shall apply where the statute of limitations of claims for defects is concerned.Section 8 Final provisions1. Collateral agreementsAny modifications of the present Conditions of Sale that may be made in an individualcase, or any collateral agreements, must be made in writing in order to beeffective.2. Translations of the Conditions of SaleInsofar as the Conditions of Sale are available in other languages besidesGerman, the German version shall govern in each case.3. Governing lawThe laws of the Federal Republic of Germany shall exclusively apply. The UnitedNations Convention on the International Sale of Goods shall not apply.4. Place of performanceInsofar as it is possible to agree under law on the place of performance and theplace of jurisdiction, this shall be Berlin.5. Severability clauseShould one or several provisions of the present Conditions of Sale be or becomeinvalid, this shall not affect the validity of the other provisions. Instead of theinvalid provision, the corresponding statutory regulations shall apply.


EinliefererverzeichnisConsignor IndexImpressumImprint[3015] 340 [3033] 314 [3095] 339 [3105] 344 [3129] 329[3130] 303 [3131] 310, 324 [3132] 320 [3159] 312 [3160] 337[3161] 304, 305 [3171] 328 [3172] 323, 334 [3233] 343[3245] 307 [3250] 325 [3316] 308 [3360] 301 [3396] 309[3399] 311 [3400] 300, 302, 306 [3401] 338, 342 [3402] 326[3411] 331, 332, 333 [3423] 317 [3434] 341 [3466] 313 [3476]316, 319, 330, 335 [3485] 315 [3501] 318 [3525] 321 [3526] 327[3532] 336 [3556] 322Herausgegeben von:<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbH,Fasanenstraße 25, D-10719 BerlinGeschäftsführer:Bernd Schultz, Micaela Kapitzky, Florian Illies,Dr. Markus Krause, Daniel von Schacky, Rigmor StüsselHRB 25 552, Erfüllungsort und Gerichtsstand BerlinKatalogbearbeitung:Dr. Stefan Körner, Patrick GoleniaProvenienzrecherche: Dr. Sibylle EhringhausTextbeiträge: Nina Barge (NB), Ulrich Clewing (UC),Patrick Golenia (PG), Sylva van der Heyden (SvdH),Dr. Stefan Körner (SK), Birgit Kropmanns (BK),Gawain von Mallinckrodt (GvM), Elke Neumann (EN),Dr. Jutta von Simson ( JvS), Robert Skwirblies (RS),JW (Jenny Wischnewsky)Lektorat: Axel Fischer, BerlinPhotos: Karen Bartsch, BerlinPhotobearbeitung: Ulf Zschommler© VG Bildkunst, Bonn <strong>2013</strong> (für vertretene Künstler)© Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin –Preußischer Kulturbesitz (Los 330)Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich,die Rechteinhaber ausfindig zu machen.Graphik-Design/DTP: Lena Mahr, Berlin, www.studiomahr.deProduktion: Daniel LamprechtDatabase-Publishing: Digitale Werkstatt, J. Grützkau, BerlinHerstellung & Lithographie: Königsdruck GmbHGedruckt auf Maxisatin, 150 g/qmSchrift: Didot und Corporate SAbbildungen auf dem Umschlag:Umschlag vorn: Charles Colin <strong>·</strong> Los 335(Ausschnitt)Umschlag hinten: Antonio Canova <strong>·</strong> Los 308(Ausschnitt)Doppelseite vorn: Römisch <strong>·</strong> Los 303

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