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Leseprobe (PDF) - FELDHAUS VERLAG

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7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von betrieblichen undpersönlichen Planungsmethoden7.3.1 Planungs- und Analysemethoden zur Lösungbetrieblicher FragestellungenIn der einschlägigen Literatur wird eine Fülle von Planungs- und Analyseinstrumenten beschrieben.Dabei wird zwischen »Techniken« und »Methoden« im Allgemeinen kein Unterschieddeutlich; daher soll auch hier eine solche Differenzierung nicht erfolgen.Die Methoden und Techniken der Planung und Analyse können sich auf die verschiedenstenFelder erstrecken, die in Zusammenhang mit der Planung und Durchführung einesProjektes von Interesse sein können und dabei– vorhandene oder eigens erhobene Zahlen, Daten und Fakten auswerten, z.B.– Potenzial- und Lückenanalyse,– Kennzahlensysteme,– ABC-Analyse;– durch Fortschreibung von Vergangenheitswerten auf die Zukunft schließen (prognostizieren),z. B. durch Trendextrapolation;–durchBewertung zu einer Entscheidung führen, z. B.– Nutzwertanalyse,– Methoden der Investitionsrechnung wie Kosten-/Gewinnvergleichsrechnung, Amortisationsrechnung,Rentabilitätsberechnung, Kapitalwertmethode usw.,– ABC-Analyse;– Kreativitätspotenziale nutzen, z. B. Brainstorming;– Modellrechnungen durchführen, z. B. Operations Research;– messen und schätzen, z.B.– Korrelationsanalyse,– Wahrscheinlichkeitsrechnung;– heuristisch (auf das Auffinden akzeptabler, nicht notwendigerweise optimaler Lösungenausgerichtet) angelegt sein, z. B.– Savingsmethode,– morphologischer Kasten;– Fehlerursachen identifizieren und bewerten, z. B. Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse.Zahlreiche weitere Unterscheidungskriterien sind vorstellbar, wobei sich die meistenMethoden mehreren Merkmalen zuordnen lassen.Welches Planungsinstrument für welchen Zweck in Betracht kommt, hängt von der Naturdes zu planenden Sachverhaltes ab. Wie auch bei der Auswahl statistischer Methoden, sogilt auch bei der Auswahl von Planungstechniken, dass ihre Eignung für den angestrebtenZweck sorgfältig erwogen werden muss: Die Beantwortung etwa der Frage, welche Stückzahleines Produktes im nächsten Quartal hergestellt werden soll, kann kaum aufgrund einerProduktlebenszykluskurve erfolgen, und die Auswahl zwischen drei Investitionsalternativensollte nicht einer Brainstorming-Runde überlassen werden. Diese Negativbeispielesind natürlich überzogen, sollen aber verdeutlichen, dass, genau wie in der Statistik, unbefriedigendeErgebnisse meist nicht der Unzulänglichkeit der Methode, sondern schlichtwegder falschen Methodenwahl des Planenden anzulasten sind.170 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenEinige Methoden eignen sich ausschließlich für die strategische Planung, etwa die bereitsbehandelte Portfolio-Technik und das ebenfalls bereits erwähnte und behandelte Produktlebenszyklus-Konzept.Andere Verfahren, z. B. aus dem Bereich des Operations Research,sind sowohl für strategische als auch operative Planungen anwendbar.Im Folgenden soll eine Auswahl von Methoden zur Lösung betrieblicher Fragestellungenvorgestellt werden, die für die Praxis Bedeutung erlangt haben. Aufgrund der Vielfalt derMethoden und Techniken kann die vorgestellte Auswahl im Unterricht oder im Selbststudiumder einschlägigen Literatur erheblich erweitert werden. Der Rahmenstoffplan für denWeiterbildungsabschluss »Geprüfte/r Technische/r Betriebswirt/in« sieht die Behandlungder Nutzwert-, Kosten- Wert-, Ursachen- sowie der Fehlermöglichkeits- und Einflussanalysevor. Zusätzlich wird hier die Methodik des Operations Research behandelt.7.3.1.1 NutzwertanalyseMit der (in Abschnitt 3.3 ausführlich vorgestellten) Nutzwertanalyse können mehrere, auchqualitative, Kriterien in die Betrachtung einbezogen werden. Diese werden durch Verschmelzung(Amalgamation) gewissermaßen »gleichnamig« gemacht, sodass jede derzur Auswahl stehenden Alternativen nur noch durch einen einzigen Wert repräsentiert wird.Beispielhaft betrachtet werden zwei Alternativen eines Soll-Vorschlages, in deren Beurteilungfolgende Kriterien mit der angegebenen Gewichtung und dem daraus resultierendenMultiplikationsfaktor einfließen sollen:Kriterium Gewichtung MultiplikatorKosten 30 % 3Produktqualität 30 % 3Umweltschutz 20 % 2Herstellzeit pro Einheit 20 % 2Jeder Alternative ist hinsichtlich jeden Kriteriums mit einer Benotung zu versehen. Hierbeiwerden entweder »Schulnoten« von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) oder stärker differenzierendeNoten, etwa von 1 bis 20, vergeben. Soll im Endergebnis größere Vorteilhaftigkeitdurch höheren Nutzwert ausgedrückt werden, muss die Benotung jedoch in der Weise erfolgen,dass nicht die kleinste, sondern die größte Zahl die bessere Note repräsentiert.Eine andere Möglichkeit der Bewertung, die sich beim Vergleich vieler Alternativen anbietet,ist die Rangreihung (Note 1 für die hinsichtlich des betrachteten Kriteriums vorteilhafteste,Note 2 für die zweitbeste Alternative usw.).Im gegebenen Beispiel erfolgt die Bewertung nach Schulnoten:NoteKriterium Alternative A Alternative BKosten 2 3Produktqualität 4 1Umweltschutz 1 3Herstellzeit 3 2Der »Nutzwert« für jede Alternative errechnet sich durch die Multiplikation jeder Note mitdem dazugehörigen Faktor und die Addition der so gefundenen Einzelergebnisse:Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 171


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/PlanungstechnikenKriterium Gewichtungsfaktor Bewertung ErgebnisA B A BKosten 3 2 3 6 9Produktqualität 3 4 1 12 3Umweltschutz 2 1 3 2 6Herstellzeit 2 3 2 6 4Summe 26 22Rangplatz 2. 1.Da Alternative B das geringere und damit bessere Ergebnis erbringt (denn: je kleiner dieNote, desto besser die Bewertung), ist sie Alternative A vorzuziehen.7.3.1.2 KostenanalyseEin einfaches Verfahren zur kostenorientierten Beurteilung z. B. von Investitionsalternativenist die Kostenvergleichsrechnung, die in Kapitel 3 vorgestellt wurde. An dieser Stelle soll mitder »Earned Value Analyse« ein Kennzahlensystem zur Bewertung von Projekten behandeltwerden, das darauf abzielt, die von einem Projekt erwartete Leistung mit der tatsächlicherbrachten Leistung (dem »earned value«) zu vergleichen.Kerngrößen sind–dasveranschlagte Gesamtbudget (BAC = Budget at Completion«);–diegeplanten Kosten (BCWS = »Budgeted Cost of Work Scheduled«). Diese werdenbei Projektbeginn für die einzelnen Arbeitspakete ermittelt und in Teilbeträgen über dieDauer des Projekts verteilt. Durch Zusammenfassung der Ansätze für die verschiedenenArbeitspakete kann für jeden Zeitpunkt im Projekt angegeben werden, welcher Betragbzw. welcher prozentuale Budgetanteil bis dahin verbraucht sein darf;–dertatsächliche Aufwand (ACWP = »Actual Cost of Work Performed«), der fortlaufend– wiederum bezogen auf die einzelnen Arbeitspakete – erfasst wird;–dieerbrachte Leistung bzw. der Wert des bisher Fertiggestellten (EV = »Earned Value«,häufig auch BCWP = »Budgeted Cost of Work Performed«), gemessen in den Kosten,die lt. Budgetplan für die bisher erbrachte Leistung zu veranschlagen gewesen wären;–dieKostenabweichung (CV = »Cost Variance«), die sich aus der Differenz des Wertesder erbrachten Leistung und des Ist-Aufwands errechnen lässt (CV = BCWP – ACWP).Werden BCWP und ACWP zueinander ins Verhältnis gesetzt, ergibt sich der »Cost PerformanceIndex« (CPI = BCWP : ACWP) Ein CPI von 1 bedeutet, dass das Projekt exaktim Kostenrahmen liegt. CPI < 1 zeigt eine Kostenüberschreitung an, CPI > 1 eine Kostenersparnis;–diePlanabweichung (SV = »Schedule Variance«; SV = BCWP – BCWS).Werden BCWPund BCWS zueinander ins Verhältnis gesetzt, ergibt sich der »Schedule Performance Index«(SPI = BCWP : BCWS). Ein SPI von 1 bedeutet, dass das Projekt exakt im Zeitplanliegt. SPI < 1 zeigt Verzug, SPI > 1 einen Zeitgewinn an.Beispiel:Im Rahmen des Projekts »Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes« wurde in derPlanung des Gewerks »Innenputz« für das Anbringen des Innenputzes ein Zeitbedarfvon 32 Stunden bei Einsatz von 3 Arbeitskräften angesetzt. Die Arbeitskosten wurden mit35 € je Stunde, die Materialkosten mit insgesamt 3.000 € veranschlagt:BAC = 32 · 3 · 35 + 3.000 = 6.360; das Gesamtbudget für das Gewerk beträgt 6.360,00 €.172 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenEs wurde ein gleichmäßiger Arbeitsfortschritt und Materialverbrauch angenommen, sodass nach dem ersten Arbeitstag von 8 Stunden ein Viertel des Gesamtbudgets verbrauchtsein sollte.BCWS = 8/32 · 6.360 = 1.590; für den ersten Arbeitstag waren 1.590,00 € budgetiert.Tatsächlich wurden 4 Arbeitskräfte eingesetzt, die aber erst 15 % der Innenwände verputzthaben. Beim Verbrauchsmaterial ist eine Teuerung um 10 % eingetreten.ACWP = 8 · 4 · 35 + 8/32 · 3.000 · 1,1 = 1.945; der tatsächliche Aufwand beträgt bisher1.945,00 €.Nach 8 Stunden, also einem Viertel der veranschlagten Zeit, sind 15 % der Wände verputzt,aber schon 20 % des Materials verbraucht. Ausgedrückt in den budgetiertenKosten entspricht dies einem Wert vonEV = BCWP = 0,15 · 32 · 3 · 35 + 0,2 · 3.000 = 1.104; der mit dem Gewerk bisher erwirtschafteteWert entspricht 1.104,00 €.Die Kostenabweichung beträgtCV = BCWP – ACWP = 1.104 – 1.945 = –841; d. h. bis jetzt ist eine Verteuerung um 841 €eingetreten; der CPI ist dem entsprechend kleiner als 1, nämlich 1.104/1.945 = 0,5676.Die Planabweichung errechnet sich ausSV = BCWP – BCWS = 1.104 – 1.590 = –486; der SPI von 1.104/1.590 = 0,6943 belegt,dass sich das Gewerk im zeitlichen Verzug befindet.Die Anwendung der Earned Value Analyse setzt voraus, dass– operable Arbeitspakete gebildet werden,– realistische Vorkalkulationen erfolgen und– über Fortschritte im Projekt korrekt und zeitnah informiert wird.7.3.1.3 WertanalyseDas Verfahren der Wertanalyse geht auf L.D. MILES zurück, der nach dem Zweiten Weltkriegfür die General Electric Co. Untersuchungen über das Verhältnis von Kosten zu Funktionswertenvon in Fertigung oder Entwicklung befindlichen Produkten anstellte.Die Wertanalyse kann sowohl auf gegenständliche Objekte als auch auf Dienstleistungenoder Verfahren angewendet werden, ferner ebenso auf bestehende als auch in Entstehungbefindliche Objekte.Sie ist eine in inzwischen zahlreichen Unternehmen praktisch erprobte Methode zur Steigerungdes Wertes von Produkten, Leistungen und Abläufen. Ihre Grundgedanken sind einentscheidungsorientierter Ablauf, die systematische Analyse von Funktionen und die Nutzungvon Kreativitätspotenzialen.MILES selbst beschreibt die Wertanalyse als »eine organisierte Anstrengung, die Funktioneneines Produktes mit den niedrigsten Kosten zu erstellen, ohne dass die erforderlicheQualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit des Produktes negativ beeinflusst werden«.Die Funktionsanalyse als Kernstück der Wertanalyse, von MILES als »Mittel zur Überwindungder psychischen Trägheit im Erfindungsprozess« begründet, folgt strikten Sprachregeln:Der Untersuchungsgegenstand wird durch Wort-Paar-Begriffe (»Funktionen«) beschrieben,auf die sich die weitere Entwicklung konzentriert. Jedes Paar umfasst ein Verb und einSubstantiv. Mittels Funktionsanalyse sollen die Bedeutung »nützlicher« Funktionen erkanntund »schädigende« Funktionen aufgedeckt werden.Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 173


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/PlanungstechnikenVorrangige Ziele der Wertanalyse sind– die Senkung bestehender (konstruktions- oder organisationsstrukturbedingter) Kosten,– die Vermeidung weiterer (durch unnötige Funktionen bedingter) Kosten,– die marktgerechte Leistungsgestaltung durch Erkennen und Verwirklichung des Kundennutzens.Letztlich dient die Wertanalyse also der Steigerung des Unternehmenserfolgs. Sie wird vorallem bei der Entwicklung neuer (»Wertgestaltung«) oder der Überarbeitung bereits vorhandenerProdukte (»Wertverbesserung«) eingesetzt und soll dabei zur Verkürzung derEntwicklungszeiten beitragen, innovative Ideen anregen, Produktfunktionen und -qualitätverbessern und zugleich unternehmensintern organisationsentwickelnd wirken.Verfahren, Normen und Begriffe der Wertanalyse wurden bereits ausführlich in Abschnitt4.2.2.3.4 behandelt.7.3.1.4 UrsachenanalyseZeichnen sich im Rahmen von Prozessen Abweichungen von den Erwartungswerten ab, sogilt es, die Ursachen zu identifizieren und nach Möglichkeit abzustellen. Die hierbei angewendetenMethoden kommen vor allem auch im Fertigungsbereich zum Einsatz, wenn imRahmen systematischer Prüfungen Streuungen außerhalb der Spezifikationsgrenzen festgestelltwerden. In diesem Falle spricht man davon, dass der Prozess »außer statistischerKontrolle« ist (ein Prozess ist dann »unter statistische Kontrolle«, wenn als einzige – nievöllig abzustellende – Abweichungsursachen Zufallseinflüsse verbleiben).Ein häufig angewandtes Verfahren zur Untersuchung von Fehlerhäufigkeiten und -einflüssenist die Pareto-Analyse. Hierbei werden die Fehlerursachen zunächst nutzenorientiertgeordnet (z. B. nach der Häufigkeit ihres Auftretens oder nach ihren Auswirkungen auf dieKosten).In einer grafischen Darstellung wird die Bedeutung der einzelnen Fehler visualisiert; dieserleichtert die Festlegung der Prioritäten bei der Fehlerbekämpfung. Anschließend werdennach demselben Verfahren diejenigen Merkmale des Prozesses herausgefiltert, die den jeweiligenFehler verursachen.Visualisierung von Fehlerursachen nach PARETO (links selektiv, rechts kumuliert)174 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenZur Analyse der Ursachen für Ergebnisabweichungen werden häufig Ursache-Wirkungs-Diagramme nach ISHIKAWA eingesetzt. Hierbei werden zunächst die Hauptursachen fürdie Prozessstreuung mit langen Pfeilen versehen, die auf einen die Wirkung symbolisierendenBalken zeigen. Kleinere Pfeile, beschriftet mit speziellen Ursachen, weisen wiederumauf die Hauptursachen.ISHIKAWA-Diagramm7.3.1.5 Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA)Das moderne Qualitätsmanagement verfolgt die Philosophie der Fehlervermeidung, denn:Fehler, die nicht gemacht werden, müssen nicht behoben werden!Die Sinnhaftigkeit dieser Philosophie unterstreicht die – empirisch belegte – »Verzehnfachungsregelder Fehlerkosten«, nach der sich die Kosten der Beseitigung eines nichtentdeckten oder behobenen Fehlers von Entwicklungsstufe zu Entwicklungsstufe verzehnfachen.Ein Verfahren der präventiven Qualitätssicherung ist die FMEA (Failure Modes and EffectsAnalysis; übersetzt »Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse), die bereits im Vorfeld derProduktentwicklung einsetzt (Konstruktions-FMEA), den Produktionsplanungsprozessbegleitet (Prozess-FMEA) und die so geschaffenen Systeme analysiert (System-FMEA).Während in der Konstruktions-FMEA einzelne Bauteile analysiert (Beispiel: Welle) werden,unterzieht die System-FMEA das Produkt (Beispiel: Motor) einer gesamtheitlichen Betrachtung.Die Prozess-FMEA konzentriert sich auf die einzelnen Bearbeitungsschritte (Beispiel:Montage).Das fertige Produkt (das im Falle einer Konstruktions-FMEA zunächst nur auf dem »Reißbrett«existiert) wird zum Zweck der Analyse systematisch in einzelne Bauteile und Funktionen»zerlegt« (Top-Down-Verfahren). Diese werden daraufhin untersucht, inwieweit sie diekonstruktiven Forderungen bei isolierter Betrachtung und nach ihrer Eingliederung im Zugedes Integrationsprozesses erfüllen. Diese Aufgabe wird idealerweise einem interdisziplinärbesetzten Team übertragen, das – u.a. durch Anwendung von Kreativitätstechniken wiez. B. Brainstorming – mögliche Fehler und ihre Ursachen und Auswirkungen zunächst auflistet(Risikoanalyse). In der anschließenden Risikobewertung werden die Auswirkung,die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und die Schwierigkeit der Fehlerentdeckung, jeweilsauf einzelne Fehler bezogen, durch Faktoren bewertet.Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 175


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/PlanungstechnikenDie hieraus resultierende Risikoprioritätszahl (RPZ) ermöglicht die Identifizierung besondersfataler Fehler, auf die sich das weitere Vorgehen konzentriert: Im Rahmen der Risikominimierungwerden geeignete Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Aufdeckung dieses Fehlersentwickelt. Unter der Voraussetzung, dass diese Maßnahmen zur Durchführung gelangen,wird eine erneute Risikobewertung vorgenommen. Dieser Vorgang wird wiederholt, bisdie RPZ unterhalb eines vorab definierten Toleranzwertes liegt.FMEA-Ablaufplan7.3.1.6 Operations ResearchOperations Research (OR) bedeutet »Unternehmungsforschung«, wobei Unternehmungjedoch nicht im Sinne von Betrieb, sondern vielmehr im Sinne von Handlung oder Aktion zuverstehen ist.OR als relativ junger Zweig der Betriebswirtschaftslehre (dort im Allgemeinen im Rahmender Wirtschaftsmathematik abgehandelt) nahm seinen Anfang im Zweiten Weltkrieg im militärstrategischenBereich. Mit Hilfe von OR-Ansätzen löste man vorrangig logistische Probleme.Inzwischen erstrecken sich die Tätigkeitsfelder des OR auch auf die Bereiche der Privatwirtschaftund der öffentlichen Planung. Allgemein versteht man heute unter OR die Entwicklungund den Einsatz quantitativer Modelle und Methoden zur Unterstützung von Entscheidungen.In Deutschland gibt es, wie in den meisten Industrieländern, eine wissenschaftlicheFachvereinigung für OR, nämlich die »Gesellschaft für Operations Research (GOR)«.OR-Aktivitäten – häufig als OR-Prozess bezeichnet – vollziehen sich im Allgemeinen infolgenden Schritten:Schritt 1 befasst sich mit der Konstruktion von mathematischen Modellen als Abbildungvorhandener oder zu schaffender Systeme. Die hierzu erforderlichen Aktivitäten umfassendie Problemidentifikation und -formulierung, die Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation,die Beschreibung des problemrelevanten Systemausschnitts, die Analyse und Festlegungvon Zielen und Entscheidungskriterien, die prognostische Analyse der Systemumwelt,die Generierung von Entscheidungsalternativen und letztendlich die Nachbildung desrealen Systemausschnitts in einem mathematischen Modell.176 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenBeispiel:Ein Großhandelsunternehmen möchte die Kosten des Fuhrparkbetriebes senken und erblickteine Chance hierfür in der strafferen Planung des Fahrzeugeinsatzes. Besonderskostenintensiv sind die Überlandtransporte wegen des hohen Personal- und Benzinverbrauchs.Folgende Feinziele kommen in Betracht: 1. die Minimierung der zurückzulegendenEntfernungen, 2. die Minimierung der erforderlichen Fahrzeuge. Letzteres Ziel istidentisch mit dem Ziel der Auslastungsoptimierung, d. h. der optimalen Zusammenstellungvon Sammeltransporten. Da beide Ziele nicht zwangsläufig widerspruchsfrei sind,entscheidet sich die Unternehmensleitung zunächst dafür, der Streckenminimierung denVorzug zu geben. Der Lösung nähert man sich mit Hilfe eines Modells, in dem die problemrelevantenDaten – Lage der Kundenorte zueinander und zum Fahrzeugdepot, Entfernungenin Straßenkilometern, Liefermengen und Restriktionen (z. B. kundenseitigeZeitvorgaben) abgebildet werden.Schritt 2 betrifft die mathematischen Operationen, die an dem im ersten Schritt konstruiertenModell durchgeführt werden sollen. Er umfasst die Auswahl von Algorithmen (Rechenverfahren),ggf. die Auswahl von EDV-Programmen und die eigentliche Modellrechnung.Am oben beschriebenen Modell werden heuristische Lösungsverfahren (Verfahren, dieoptimumnahe, jedoch nicht zwangsläufig optimale Lösungen ergeben) erprobt, z. B. dasSavings-Verfahren (auf eine Beschreibung sei an dieser Stelle verzichtet). Hierzu bedientman sich einer kommerziellen Tourenplanungssoftware. Die Modellrechnung zeigt dieMöglichkeit auf, künftig – unter Zugrundelegung der bisherigen Kunden und Mengen –eine Verringerung der Fahrkilometer um 15 % zu erreichen. Hiermit geht erfreulicherweisedie Reduktion des vorhandenen Fuhrparks um ein Fahrzeug mitsamt Besatzung einher.Insgesamt können die fixen und variablen Fuhrparkkosten um 20 % gesenkt werden.Schritt 3 befasst sich mit der Übertragung der am Modell gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisseauf die Realität. Hierzu werden die am Modell ermittelten Ergebnisse zunächstinterpretiert und implementiert. Bei einmaligen Problemen (z. B. Wahl des Standortes oderder Rechtsform eines Unternehmens) wird das Modell anschließend nicht mehr benötigt,während wiederkehrende Probleme (z. B. Produktionsplanung, Transportoptimierung) einekontinuierliche Modellpflege erfordern.Die Umsetzung der am Modell gewonnenen Erkenntnisse erfordert zunächst die Umstellungder bisherigen Fahrtouren auf ein neues Lieferungssystem. Probleme erwachsenhierbei vor allem daraus, dass die Kundschaft auf geänderte Lieferzyklen und -zeiten eingestelltwerden muss und das Fahrpersonal davon zu überzeugen ist, dass künftig andereRouten gefahren werden sollen. Außerdem zeigt sich, dass problemlösungsrelevanteUmstände übersehen wurden: So kann eine in der Ideallösung enthaltene Strecke wegeneiner gewichtsbeschränkten Brücke nicht gefahren werden; eine andere Strecke enthälteinen Einbahnstraßenabschnitt. Diese Restriktionen bedingten die Modifikation der gefundenenLösung und eine leichte Verschlechterung gegenüber der im Modell ermitteltenminimalen Kilometerzahl. Dennoch verzeichnet das Unternehmen nach Abschluss desOR-Prozesses eine Verringerung der Fuhrparkkosten um insgesamt 18 %.Klassische Probleme des Operations Research sind z. B.– das »Traveling-Salesman-Problem« (Problem des Handlungsreisenden), das die Fragebehandelt, wie eine vorgegebene Anzahl von Orten möglichst schnell oder streckenminimalbesucht werden kann;– das »Chinese-Postman-Problem« (Briefträgerproblem), bei dem eine schnellste oderstreckenminimale Lösung für die Aufgabe gesucht wird, innerhalb eines Straßennetzesjeweils beide Seiten einer Straße abzulaufen;Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 177


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/Planungstechniken– das »Rucksackproblem«, bei dem für den Abtransport einer Reihe von Gegenständen,von denen jeweils Wert und Volumen bekannt sind, ein einziger Rucksack mit begrenztemFassungsvermögen zur Verfügung steht, der wertmaximal befüllt werden soll.Auf die Vielfalt der mit den Methoden des Operations Research lösbaren Probleme kann andieser Stelle nicht eingegangen werden.7.3.2 Maßzahlen aus der Statistikund statistische DarstellungsmethodenDer »Technische Betriebswirt« soll– die Darstellungsmethoden in der Statistik,– die Interpretation grafischer Darstellungen,– die Errechnung statistischer Maßzahlenbeherrschen. Diese Bereiche sind nicht trennbar und setzen wiederum die Kenntnis derGrundbegriffe der Statistik voraus. Daher werden diese zunächst in einer sinnvoll erscheinendenReihenfolge behandelt; auf Tabellen und grafische Darstellungen wird an geeigneterStelle Bezug genommen. Einige der hier vermittelten Begriffe und Techniken sind bereitsin anderen Kapiteln behandelt worden. Da im Folgenden eine vollständige Darstellung unverzichtbarerscheint, sind sie hier nochmals berücksichtigt.Um der Anschaulichkeit und leichten Vermittelbarkeit willen sind die Beispiele nicht alleindem industriellen Alltag, sondern häufig auch anderen Lebensbereichen entnommen.7.3.2.1 Begriff und Aufgaben der StatistikDer Begriff der Statistik umfasst sowohl die Gesamtheit der Methoden zur Untersuchungvon Massenerscheinungen als auch die Zusammenstellung von Zahlen oder Daten in Formvon Tabellen.Die statistische Methodenlehre ist, streng genommen, keine eigenständige Wissenschaft,sondern eine Hilfslehre, derer sich die unterschiedlichsten Disziplinen bedienen, etwa dieNaturwissenschaften (Mathematik, Physik, Biologie), die Medizin, Psychologie und Soziologiesowie die Wirtschaftswissenschaften. In diesen Bereichen ist die Statistik unentbehrlichesInstrument der Analyse geworden, mit dessen Hilfe scheinbar oder tatsächlich unregelmäßigverlaufende Vorgänge mit quantitativen Methoden untersucht werden können.In der Volksmeinung gilt Statistik häufig als frag- oder unglaubwürdig (bekanntlich lautendie drei Steigerungsformen der Lüge »Notlüge – gemeine Lüge – Statistik«; auch heißt es»traue keiner Statistik, es sei denn, du hättest sie selbst gefälscht«). Diese Vorwürfe treffenjedoch die statistische Methodenlehre zu Unrecht; denn sie verwendet logisch einwandfreieVerfahren der angewandten Mathematik. Vielfältige Möglichkeiten der Manipulation ergebensich jedoch, wenn die an sich richtigen Methoden absichtlich oder fahrlässig falsch angewendetwerden. Fehler können in der Verwendung unzutreffenden Datenmaterials oderin der Anwendung an sich richtiger, jedoch für den zu untersuchenden Gegenstand ungeeigneterVerfahren belegen sein.Beispiel:Ornithologen veröffentlichten eine Zeitreihe, aus der der zahlenmäßige Rückgang derWeißstorchpopulation über mehrere Jahre abzulesen war. Ein findiger Mathematiker wiesmit statistischen Methoden nach, dass diese Zahlenreihe fast 100%ig mit dem Geburtenrückgangin der Bundesrepublik korrelierte. Die Schlussfolgerung lag auf der Hand...178 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von Planungsmethoden7.3.2.2 Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Statistik7.3.2.2.1 Die Bedeutung der Statistik für die BetriebswirtschaftslehreWie viele andere Wissenschaftsbereiche nutzt auch die Betriebswirtschaftslehre die statistischeMethodenlehre als Instrument der Analyse, Prognose und des Vergleichs. Ursprünglich»nur« Teilgebiet des Rechnungswesens, nimmt die Statistik mittlerweile den Rangeines eigenen Fachgebietes im Lehrgebäude der Wirtschaftswissenschaften ein.Einige Beispiele sollen Anwendungsbereiche statistischer Verfahren verdeutlichen:Ein Spielwarengroßhändler möchte 10.000 Feuerwerkskörper für Silvester einkaufen.Bevor er das Geschäft abschließt, möchte er wissen, wie funktionstüchtig die ihm angeboteneWare ist. Da Feuerwerksraketen bekanntlich nur einmal fliegen, ist eine vollständigeErprobung ausgeschlossen. Er entschließt sich, einen Test durchzuführen, bei dem einigeFeuerwerkskörper »geopfert« werden müssen. Aus dem Testergebnis lässt sich mitHilfe statistischer Methoden die Fehlerquote der gesamten Partie hochrechnen.Die Gemeindevertretung von Geldhausen erwägt die Vergrößerung des städtischenSchwimmbades. Die Auswertung der täglich ermittelten Besucherzahlen und der durchschnittlichenVerweildauer mit Hilfe statistischer Verfahren liefert Anhaltspunkte zur Beurteilungvon Art und Ausmaß der Umbaumaßnahmen.Die Leitung der XY-GmbH benötigt eine Prognose der Umsatzentwicklung für die nächstenzwei Jahre. Aus den Umsatzzahlen der vergangenen zehn Jahre wird ein Trend ermitteltund auf die zukünftigen Zeiträume fortgeschrieben.Die Leitung der XY-GmbH möchte kurzfristig ungebundenes Kapital in Aktien anlegen.Zur Auswahl stehen Anteile der AZ-AG und der BC-AG. Mittels statistischer Verfahrenwerden Prognosen über Kursentwicklung, Ausschüttung und Risiko beider Anlagenalternativenerstellt.7.3.2.2.2 Statistische GrundbegriffeDie nachfolgenden Darstellungen werden verständlicher, wenn die immer wiederkehrendenBegriffe aus der Fachsprache der Statistik vorab erklärt werden. Dies soll an dieserStelle in Form eines Glossars geschehen.Statistische Einheit: Einzelobjekt der statistischen Betrachtung und Träger einer Information.Die bei einer Volkszählung erfassten Personen sind statistische Einheiten. Jede statistischeEinheit muss sachlich, räumlich und zeitlich eindeutig identifizierbar sein.Statistische Masse: Menge statistischer Einheiten mit übereinstimmenden Identifikationskriterien.Für eine statistische Untersuchung zur Vorhersage eines Wahlausgangs sind allewahlberechtigten Bürger die statistische Masse.Bestandsmasse: Menge von Einheiten, die einen zeitlichen Bestand (Lebensdauer) aufweisen.Die Einwohner der Stadt Itzehoe sind eine Bestandsmasse. Bestandsmassenunterliegen Veränderungen: Ihre Messung erfolgt daher zeitpunktbezogen, etwa als »Einwohnerbestandam 31.12.13.«Ereignismasse: Menge von Ereignissen, die innerhalb eines Zeitraums eintreten. DieGeburten des Jahres 2014 im Itzehoer Krankenhaus sind eine Ereignismasse.Korrespondierende Massen: Ereignismassen beschreiben die Zu- und Abgänge, dieBestandsmassen betreffen. Die Bevölkerung von Itzehoe korrespondiert mit den Geburtenzugängenebenso wie mit den Todesfällen sowie der Masse der zu- bzw. fortgezogenenPersonen.Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 179


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/PlanungstechnikenFortschreibung: Die kontinuierliche Ergänzung einer Bestandsmasse durch korrespondierendeEreignismassen.Merkmal: Eigenschaft einer statistischen Einheit, die auch als Merkmalsträger bezeichnetwird.Merkmalsausprägung: Wert, den ein Merkmal annehmen kann (Merkmalswert).7.3.2.3 Das statistische AusgangsmaterialVor der Durchführung einer statistischen Untersuchung muss zunächst festgelegt werden,welche Merkmale der zu erfassenden statistischen Einheiten bzw. der zu erfassenden statistischenMasse untersucht werden sollen. Die Entscheidung hängt wesentlich von derProblemstellung ab. Häufig ergibt sich die Bedeutung eines bestimmten Merkmals jedocherst aus der Analyse der erfassten Daten.7.3.2.3.1 ErfassungDie Beschaffung von Daten, d.h. die Erfassung von Beobachtungswerten, geschieht durcheine statistische Erhebung. Formen der statistischen Erhebung sind– die Befragung,– die Beobachtung und– das Experiment.Befragungen können persönlich durch Interview oder schriftlich durch die Verwendungvon Fragebögen durchgeführt werden. Während erstere Form vor allem in der Markt- undMeinungsforschung angewendet wird, ist die Verwendung von Fragebögen sehr verbreitet.Bei jeder Art der Befragung besteht das Risiko, falsche Antworten zu erhalten. Deshalb enthaltenFragebögen häufig Kontrollfragen, die die Identifikation unzutreffender Aussagen ermöglichensollen.Beobachtungen werden durch Inaugenscheinnahme (z. B. Kundenzählung, Verkehrszählung)oder durch gerätegestützte Messung (Wiegen und Messen von Testpersonen zur Ermittlungdes Gewichts und der Körpergröße) getätigt.Experimente dienen der Ermittlung (technischer) Nutzeigenschaften von Gebrauchsgegenständen.Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften sind Experimente jedoch kaum möglich.Werden im Rahmen einer statistischen Untersuchung alle Einheiten einer statistischenMasse erfasst, so handelt es sich um eine Vollerhebung. Beschränkt sich die Erfassung dagegenlediglich auf einen Teil der statistischen Masse, so liegt eine Teilerhebung vor. DieMenge der erfassten statistischen Einheiten heißt Stichprobe. Teilerhebungen erlaubenunter bestimmten Voraussetzungen den Rückschluss auf die Gesamtmasse.Häufig wird zum Zwecke statistischer Untersuchungen auf bereits vorhandenes Datenmaterialzurückgegriffen. Diesen Fall bezeichnet man als Sekundärerhebung im Unterschiedzur Ersterhebung von Daten, der sog. Primärerhebung.Vorrangige Datenquellen für Sekundärerhebungen sind die Träger der amtlichen Statistik,also das Statistische Bundesamt, das alljährlich das Statistische Jahrbuch für Deutschlandveröffentlicht, sowie die statistischen Ämter der Länder und Gemeinden.Beispiel: Stichprobenwerten in der QualitätskontrolleIn der betrieblichen Praxis wird sich die Kontrolle der Qualität eines Prüfloses aus KostenundZeitgründen selten auf die Grundgesamtheit, also jedes einzelne Stück des Prüfloses,erstrecken können, vielmehr wird man sich auf Stichproben beschränken.180 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenStichprobenkontrollen erfolgen–inderEingangskontrolle bezüglich der Eigenschaften (Zusammensetzung, Maße, Eigenschaften)des gelieferten Materials;– in der Fertigungskontrolle bezüglich der Übereinstimmung des untersuchten Teils miteiner vorab definierten Spezifikation, wodurch auf die Arbeitsgenauigkeit von Maschinen(»Maschinenfähigkeit«), Mess- und Prüfgeräten (»Prüfmittelfähigkeit«) geschlossen unddie Eignung neuer Verfahren und Anlagen (»Prozessfähigkeit«) überprüft werden kann;– in der Endkontrolle bezüglich der Eigenschaften der gefertigten Teile, wobei auch dieTauglichkeit der vorangegangenen Fertigungskontrolle untersucht wird.Damit eine Stichprobe die Grundgesamtheit auch hinreichend charakterisiert, muss sieausreichend groß sein, und die Auswahl muss zufällig erfolgen, d. h. jedes Stück eines Losesmuss die gleiche Chance haben, in die Stichprobe einbezogen zu werden. In diesemFalle ist die Stichprobe repräsentativ für die Grundgesamtheit.Das Ergebnis der Stichprobenauswertung entscheidet darüber, ob ein Los angenommenoder abgelehnt wird. Maßgeblich hierfür ist die zuvor festzulegende »annehmbare Qualitätsgrenzlage«(AQL, Acceptable Quality Level), die erfüllt ist, wenn ein Los nach der Stichprobenvorschriftn–c geprüft wurde und unter Berücksichtigung des dabei festgestellten Fehleranteilszu einem vorab bestimmten (hohen) Prozentsatz, z. B. 98 %, angenommen wird (wennalso die Chance, dass der Fehleranteil der Stichprobe annehmbar ist, 98 % beträgt).Die Stichprobenvorschrift n–c besagt, dass bei einer annehmbaren Qualität ein bestimmtesVerhältnis zwischen dem Stichprobenumfang n und der zulässigen Fehlerzahl c nicht überschrittenseindarf.Es gibt keine festen mathematischen Regeln darüber, wie groß eine Stichprobe sein muss.Die betriebliche Praxis trifft Prüfvereinbarungen häufig bezugnehmend auf DIN/ISO 2859und 3951, die Qualitätsgrenzlagen mit dazugehörigen Stichprobenumfängen und zulässigenFehlern beinhaltet.7.3.2.3.2 AufbereitungOrdnung von MerkmalsausprägungenDie Aufbereitung und Auswertung der gewonnenen Daten setzt die Ordnung und Klassierungder Merkmalsausprägungen und -werte voraus.Beispiel:Die in einem Teilelager befindlichen Teile weisen unter anderem folgende Merkmale undMerkmalsausprägungen auf:MerkmalMerkmalsausprägungenMaterialAluminium, Eisen, Stahl...Länge325 mm, 322 mm, 320 mm...Gewicht1,984 kg; 1,2 kg...Anzahl der Bohrungen 1,2,3...Bestellkategorie A, B, CLänge, Gewicht und Anzahl der Bohrungen sind Intensitätsgrößen, die durch Messenoder Zählen ermittelt werden. Sie können zur Berechnung eines Durchschnitts herangezogenwerden. Dagegen handelt es sich bei Material und Bestellkategorie um qualitativeEigenschaften, für die kein Durchschnitt ermittelt werden kann (ein »durchschnittlichesMaterial« gibt es nicht).Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 181


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/PlanungstechnikenDieses einfache Beispiel weist bereits darauf hin, dass statistische Daten nicht einheitlichweiterverarbeitet werden können; vielmehr gilt:– Qualitative Merkmale können nur nach dem Kriterium »gleich« oder »verschieden«geordnet werden. Diese Ordnung erfolgt in einer Nominalskala, die keine Rangreihungzulässt.– Intensitätsmäßige Merkmale, die nicht nur nach dem obigen Kriterium geordnet, sonderndarüber hinaus in eine natürliche Reihenfolge gebracht werden können, werden ineiner Ordinal- oder Rangskala geordnet. Dabei wird aber noch keine Aussage über denabsoluten Wert einer Merkmalsausprägung getroffen.Beispiel:Die Rangreihung von Schülern einer Mathematikklasse nach aufsteigenden Zensurenbesagt nicht, dass Einserschüler A doppelt so gut ist wie Zweierschüler B. Auch ist nichtgesagt, dass der Leistungsabstand zwischen A und B genauso groß ist wie der zwischenB und dem Dreierschüler C.– Können Intervalle, Differenzen oder Quotienten von Merkmalsausprägungen miteinanderverglichen werden, so nennt man die betreffenden Merkmale kardinal skalierbare Merkmale,die dazugehörige Skala wird als Kardinalskala bezeichnet.Der Abstand zwischen den Zahlen 1 und 2 ist genauso groß wie der zwischen den Zahlen5 und 6. Die Zahlenfolge 1,2,3,4,5,6 repräsentiert daher eine Kardinalskala.– Kann ein Merkmal nur einzelne Zahlenwerte annehmen, sind also Zwischenwerte ausgeschlossen,so handelt es sich um ein diskretes Merkmal. Sind beliebige Zwischenwertemöglich, so spricht man von einem stetigen Merkmal.Die Zahl der Kinder ist ein diskretes Merkmal; Körpergewicht und Temperatur sind stetigeMerkmale.Klassierung von MerkmalsausprägungenVielfach ist es nicht sinnvoll oder unmöglich, alle Ausprägungen eines Merkmals aufzuzählen,weil ihre Anzahl zu groß ist. In solchen Fällen werden benachbarte Merkmalsausprägungenzu einer Klasse zusammengefasst. Damit ist zwar ein Informationsverlust verbunden;die Auswertung gewinnt jedoch an Übersichtlichkeit.Eine Klasse wird in der Regel durch zwei Grenzen, die obere und die untere Klassengrenze,begrenzt.Für eine Untersuchung der Einkommensverteilung innerhalb eines Unternehmens werdenKlassen gebildet, die die ermittelten Bruttoeinkünfte wie folgt zusammenfassen: bis999,99 €, 1.000 bis 2.999,99 €, ab3.000€. Da eine obere Klassengrenze nicht vonvornherein angegeben werden kann, handelt es sich bei der letzten Klasse um eine offeneRandklasse.Zur Aufbereitung stetiger Merkmale ist die Klassenbildung unerlässlich.Sofern das Problem es zulässt, sollen alle Klassen die gleiche Breite aufweisen. Die Klassenmittebezeichnet den repräsentativen Wert einer Klasse.Statistische ReihenDie in einer statistischen Erhebung ermittelten Merkmalswerte bilden eine statistische Reihe.Hierbei ist zwischen geordneten und ungeordneten statistischen Reihen zu unterscheiden.Die Befragung von 10 Personen nach ihrer Schuhgröße ergab die ungeordnete Reihe 36,42, 41, 47, 38, 39, 36, 43, 40, 44. Die geordnete Reihe hierzu lautet 36, 36, 38, 39, 40, 41,42, 43, 44, 47.182 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenEine Sonderform der statistischen Reihe ist die Zeitreihe, bei der Werte zu verschiedenenZeitpunkten (bei Bestandsmassen) oder für verschiedene Zeitintervalle (bei Ereignismassen)erhoben werden. Hier erfolgt keine Rangreihung nach aufsteigender Größe, sonderndie Ordnung in der Reihenfolge des zeitlichen Anfalls.HäufigkeitenIn einer statistischen Reihe kommen zumindest einige Merkmalsausprägungen mehrfachvor. Die Anzahl der Merkmalswerte mit gleicher Ausprägung wird als absolute Häufigkeitder Merkmalsausprägung bezeichnet. Drückt man ihren Anteil relativ zur Gesamtzahl derBeobachtungswerte aus, so handelt es sich bei dieser Angabe um eine relative Häufigkeit.Beispiel:Von 50 befragten Personen haben 12 die Schuhgröße 41. Die absolute Häufigkeit ist 12,die relative Häufigkeit beträgt 12/50 = 0,24, also 24 %.VerteilungenBei umfangreichen Erhebungen lassen sich die erhobenen Daten im Allgemeinen übersichtlicherdarstellen, wenn die aufgetretenen Merkmalsausprägungen nur einmal aufgeschriebenund um die Angabe der Häufigkeit ihres Auftretens ergänzt werden. Aus dieserZuordnung ergibt sich die Verteilung eines Merkmals.Die Längenmessung von 500 Aluminiumstäben erbrachte die folgende Verteilung:Länge in mm: 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326Häufigkeit: absolut 8 12 33 67 108 112 98 42 19 1 relativ 1,6% 2,4% 6,6% 13,4% 21,6% 22,4% 19,6% 8,4% 3,8% 0,2%Häufig ist die gemeinsame Verteilung mehrerer Merkmale von Interesse. In diesem Fallespricht man von mehrdimensionaler Häufigkeit.Für die obigen 500 Aluminiumstäbe wurde neben der Länge auch der Durchmesser gemessen.Dabei wurde die folgende Verteilung gefunden:Länge in mm: 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 in mm:17 1 1 3 7 11 11 5 3 2 018 5 10 26 55 89 90 92 35 16 119 2 1 4 5 8 11 1 4 1 0Auch die mehrdimensionale Häufigkeit kann in absoluten oder relativen Werten ausgedrücktwerden. Offensichtlich ist zu ihrer Darstellung eine Matrix erforderlich.7.3.2.4 Die Darstellung des statistischen Zahlenmaterials7.3.2.4.1 TabellenAufbereitete Erhebungsdaten werden meist in statistischen Tabellen dargestellt, für derenGestaltung DIN 55301 gilt. Bestandteile einer Tabelle sind– Überschrift (u.U. ergänzt um wichtige Angaben),– Tabellenkopf (oberste Zeile ohne Vorspalte),–Vorspalte,– Zeilen,– Spalten.Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 183


7.3 Einsetzen von Planungsmethoden Projektmanagement/PlanungstechnikenDie folgende Abbildung soll einen Überblick zum grundsätzlichen Aufbau einer Standardtabellevermitteln.Aufbau einer StandardtabelleLeere Felder einer Tabelle werden üblicherweise wie folgt ausgefüllt:X = Angabe kann nicht gemacht werden bzw. ist sachlich nicht sinnvoll– = Nichts, der Zahlenwert beträgt genau Null0 = Der Zahlenwert ist größer als Null, kann aber in den Einheiten der Tabelle nichtangegeben werden... = Angabe erfolgt späterFolgende Anforderungen sind an Tabellen zu stellen:– Übersichtlichkeit,– leichte Lesbarkeit,– unmissverständliche Bezeichnungen,– Angabe der Dimensionen.Der Aufbau von Tabellen, in denen das gemeinsame Auftreten von mehr als zwei Merkmalendargestellt werden soll, ist im Allgemeinen schwierig, wenn nicht unmöglich, da Tabellendie dritte Dimension fehlt.7.3.2.4.2 Grafische DarstellungenStatistisches Material kann nicht nur in Tabellen, sondern (meist zusätzlich zu deren Erläuterung)auch durch Grafiken veranschaulicht werden.Diese Form der Darstellung findet sich häufig in den Printmedien, bevorzugt im Wirtschaftsteilvon Tageszeitungen:184 Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg


Projektmanagement/Planungstechniken7.3 Einsetzen von PlanungsmethodenBeispiele für grafische Darstellung statistischen MaterialsDiagrammformenStabdiagramm oder Säulendiagramm:Diese Darstellungsform eignet sich besonders für nominal- und ordinalskalierbare Merkmale.Häufigkeiten werden durch die Höhe bzw. Länge von Stäben oder Säulen ausgedrückt.SäulendiagrammWird die Abbildung um 90° nach rechts gedreht, entsteht ein Balkendiagramm.Linien- oder Kurvendiagramm:Der funktionale Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen (wie in untenstehenden Beispielen)oder auch drei Merkmalen (in dreidimensionaler Darstellung) wird in einem Koordinatensystemdurch Punkte abgebildet, die mit einer Linie (die ggf. zur Kurve geglättet ist)verbunden werden.Eine Abbildung hierzu folgt:Der Technische Betriebswirt Lehrbuch 3 © <strong>FELDHAUS</strong> <strong>VERLAG</strong> Hamburg 185

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