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Otitis media: immer gleich Antibiotika? - Katholisches Klinikum ...

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SCHWERPUNKT HNO<strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>: <strong>immer</strong> <strong>gleich</strong> <strong>Antibiotika</strong>?Otitiden treten insbesondere in den kälteren Monaten zwischen Dezember undMärz auf, wobei sie bei Kindern zu den häufigsten Erkrankungen zählen undin diesem Alter die Hauptindikation für eine antibiotische Therapie darstellen.Meist liegt in der Anamnese ein Infekt des oberen Respirationstraktes vor, dermeist auf Rhinoviren zurückzuführen ist, welche die Superinfektion mitS. pneumoniae, dem häufigsten Erreger bei der <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>, begünstigen. 5Prof. Dr. med. Jan Maurer, Koblenz-MontabaurDie <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> gehört zu den häufigstenErkrankungen bei Kindern. DieWahrscheinlichkeit, an einer akutenMittelohrentzündung zu erkranken, istzwischen dem sechsten und 15. Lebensmonatam größten. 3 Etwa 10% aller Kinderhaben bis zum dritten Lebensmonatund etwa 30% bis zum ersten Lebensjahrmindestens eine Episode einer akuten<strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> durchgemacht. Am Endedes dritten Lebensjahres sind es fast50% und am Ende des neunten Lebensjahresetwa 75%.UrsachenforschungFrüher war man der Meinung, dass die<strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> bei Kindern durch eineObstruktion der Tube verursacht wird,sodass dann Belüftung, Sekretabflussund Schutz des Mittelohres nicht mehrgewährleistet sind. In neueren Untersuchungenkonnte nachgewiesen werden,dass eine pathologisch weite Tube eherals Ursache der akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>angesehen werden kann, weil hier Bakterienleichter in das Mittelohr vordringenkönnen. Obstruktion mit behindertemSekretabfluss und Mittelohrbelüftungsstörungwären dann eher Folgenals Ursachen des pathologischen Prozessesim Mittelohr. Bei einer Infektionmit Masern, Röteln oder Scharlach kannes auch hämatogen zur Entwicklungeiner akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> kommen. 1Natürlich gibt es auch prädisponierendeUmweltfaktoren für die akute <strong>Otitis</strong><strong>media</strong>. Hierzu zählen ein niedrigersozioökonomischer Status, häufiger Kontaktzu anderen Kindern, Passivrauchen,der Gebrauch von Schnullern und dasFüttern mit der Flasche in den erstensechs Lebensmonaten. Auch genetischeFaktoren spielen eine Rolle. 2Schmerzhafte SymptomatikDie akute eitrige Mittelohrentzündungtritt mit relativ akut einsetzenden,starken Ohrenschmerzen ein. Im Stadiumder Hyperämie ist bei der Ohrmikroskopieeine Rötung des Hammergriffsund der Pars flaccida des Trommelfellszu beobachten. Im zweiten Stadium bildetsich in den belüfteten Zellen desMastoids und des Mittelohres eine Exsudation,die dann zu einer Vorwölbungund Verdickung des Trommelfelles undzu einer Entdifferenzierung führt. DieLandmarken des Lichtreflexes und desHammergriffes sind am Trommelfellnicht mehr erkennbar. Außer den zunehmendenSchmerzen kann jetzt durch dieResorption toxischer, entzündlicher Produkteauch Fieber auftreten. Im weiterenVerlauf kommt es in 30% der Fälle 1zur Perforation des Trommelfelles imvorderen unteren Quadranten und zurEntleerung von eitrigem, teils hämorrhagischemSekret aus dem Gehörgang.Wird in diesem Stadium keine Abheilungerreicht, so besteht nach etwa zweiWochen die Gefahr, dass die Entzündungauf die Knochenbälkchen des Mastoidsübergreift und eine Mastoiditis entsteht.Häufig wird auch ein persistierenderPaukenerguss noch Wochen nach Abheilungder akuten Infektion beobachtet. 2Cave Komplikationen!Die Entzündung kann sich unterUmständen ausbreiten, weitere Komplikationenkönnen entstehen. Am häufigstenhandelt es sich dabei um einensubperiostalen Abszess des Mastoids,einen perisinösen Abszess oder einenextraduralen Abszess. Noch gefährlicherist die Entwicklung einer Meningitis,einer Thrombophlebitis des Sinus sigmoideusoder gar eines Hirnabszesses.Diese Komplikationen werden in denletzten Jahren wieder häufiger beobachtet.Die akute komplikationslose <strong>Otitis</strong><strong>media</strong> kann in jedem der genanntenStadien ausheilen. Eine Trommelfellperforationmit Entleerung von purulentemSekret aus dem Gehörgang muss alsonicht auftreten. Bei kleinen Kindernsind Durchfall, Erbrechen und allgemeinesKrankheitsgefühl variable Symptomeder Erkrankung.Die durch die Flüssigkeit im Mittelohrbedingte SchallleitungsschwerhörigkeitFoto: privat38| ärztliches journal reise & medizin 3|2013


SCHWERPUNKTist oft nicht die vorherrschende Symptomatik.Symptomatisch wird die Schwerhörigkeitjedoch oft, wenn die Entzündungauf die Cochlea übergreift und sodurch die Labyrinthitis eine zusätzlicheInnenohrschwerhörigkeit verursacht.Greift die Entzündung in diesem Rahmenauf die Bogengänge des Labyrinthsüber, kann es auch zu Schwindelkommen. Gelegentlich besteht auchein Tinnitus. Eine Facialisparese kannebenfalls ein Anzeichen einer intratemporalenKomplikation der akuten <strong>Otitis</strong><strong>media</strong> sein.Diagnostik bei Kleinkindernoft schwierigDie Diagnose der akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>wird gestellt durch die Anamnese, denklinischen Befund und den ohrmikroskopischenBefund. Neben dem Stimmgabeltest(Rinne- und Weber-Versuch)gehört auch eine audiometrische Abklärungund Impedanzaudiometrie zumdiagnostischen Spektrum. Bei kleinerenKindern wird die Verhaltensaudiometrieangewandt. Zur Gewinnung einesAbstriches ist gelegentlich die dann auchtherapeutische Parazentese indiziert.Beim V. a. auf Komplikationen wird derEinsatz bildgebender Verfahren wieRöntgenaufnahme nach Schüller, eventuellauch eine Cone-Beam-Computertomografie,erforderlich.Die Diagnose der akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>bei kleinen Kindern kann schwierig seinwegen des kleinen Gehörganges, auchist die Entfernung von Cerumen häufignicht leicht. Bei schreienden Kindernkommt es zu einer Rötung des Trommelfells,die einer akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> <strong>gleich</strong>enkann.Die Reinigung des Gehörganges ist dieGrundvoraussetzung für die richtige Diagnose.Sie lässt sich ohrmikroskopischleichter vornehmen als mit Hilfe desOtoskops. Die Beurteilung audiometrischerBefunde und tympanometrischerBefunde ist nur im Zusammenhang miteiner sicheren Kenntnis des ohrmikroskopischenBefundes möglich.Ähnliches Keimspektrumbei Kindern und ErwachsenenDie häufigsten bakteriellen Erregerder akuten Mittelohrentzündung sindmit Abstand S. pneumoniae (25–50%)und H. influenzae (15–30%). Weiterhinhaben Bedeutung Moraxella catarrhalis(3–20%) und ß-hämolysierende Streptokokkender Gruppe A (2%). 4 Gelegentlichwerden auch S. aureus (1%) undS. epidermidis sowie Anaerobier (2%)isoliert. In 40–75% der Fälle könnenzusätzlich Viren (Respiratory-Syncytial-Viren, Rhino-, Adeno-, ParainfluenzaundInfluenzaviren) im Mittelohrsekretnachgewiesen werden. Insgesamt zeigtsich bei Erwachsenen und Kindern einsehr ähnliches Erregerspektrum. 7 Unterden genannten Keimen hat S. pneumoniaemit 10–19% die geringste Spontanheilungsrateund führt am ehestenzu einer Mastoiditis oder Meningitis.Eine deutlich höhere Spontanheilungbeobachtet man bei Moraxella catarrhalis(> 75%) und H. influenzae (50%). 4Seit Einführung der Impfung mit dem7-valenten Pneumokokkenkonjugatimpfstoff(PCV-7) zeigt sich eine Verschiebungdes Erregerreservoirs hin zu denErregern mit einer günstigeren Selbstheilungsrate(v. a. H. influenzae). 5Oft von Vorteil: dasabwartende TherapiekonzeptInsgesamt wird davon ausgegangen,dass es bei 60% der Patienten innerhalbder ersten 24 Stunden zu einerspontanen Besserung kommt, weshalbin den aktuellen Leitlinien der AmericanAcademy of Pediatrics in der Therapieder akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> zunächsteine „observation option“ für zwei bisdrei Tage empfohlen wird. Dabei solltezunächst nur eine symptomatische Therapiemit systemischen Analgetika erfolgenund erst bei Beschwerdepersistenzoder -verschlechterung mit der Gabeeines Antibiotikums (AB) begonnenwerden. Hierdurch verringern sich dieKomplikationen mit Funktionsverlustendes Innenohres und des Nervus facialis.Darüber hinaus ist es seit Beginn derantibiotischen Ära insgesamt zu einemdrastischen Rückgang der zum Teillebensbedrohlichen Komplikationen beiakuter <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> gekommen. 2Deutliche Vorteile des abwartenden Therapiekonzeptssind der zurückhaltendeUmgang mit AB zur Vermeidung einerzunehmenden Resistenzentwicklungsowie eine Reduktion von AB-bedingtenNebenwirkungen, wie Diarrhoe, Erbrechenoder allergische Hautreaktionen.Studien haben zwar eine gering kürzereKrankheitsdauer und einen reduziertenAnalgetikabedarf unter zusätzlicher AB-Gabe nachgewiesen, zeigen aber letztendlichkeine Reduktion der Schmerzdaueroder signifikante Verringerungdes Mastoiditisrisikos im Ver<strong>gleich</strong> einerdirekten Therapie mit AB zum abwartendenVerhalten. Bei Kindern unterzwei Jahren, bei einer beidseitigen <strong>Otitis</strong><strong>media</strong>, bei eitriger Otorrhoe sowie beidem einzig hörenden Ohr oder deutlichreduziertem Allgemeinzustand mit Fieber> 39°C besteht eine Ausnahme. Hiersollte direkt mit der AB-Gabe begonnenwerden. 2Die orale antibiotische Therapie kann injedem Stadium der akuten Erkrankungeingesetzt werden. Ein Abstrich ist zumEinsatz der Therapie primär nicht erforderlich.Das Antibiotikum der Wahl beiKindern sowie Erwachsenen ist hochdosiertesAmoxicillin oder hochdosiertesAmoxicillin mit Clavulansäure (bei starkausgeprägten Krankheitszeichen oderin Regionen, bei denen häufig ß-Laktamase-produzierendeKeime beobachtetwerden), worauf ca. 80% der Kinder mit<strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> ansprechen. 1,2 Bestehen3|2013 ärztliches journal reise & medizin |39


SCHWERPUNKT HNOAllergien, stehen als Alternativen Cefpodoxim,Cefuroxim, Azithromycin oderClarithromycin bei Kindern zur Verfügung(s. Tabelle). Bei Erwachsenen mitPenicillinallergie ist Levofloxacin oderMoxifloxacin zu bevorzugen. 4 Die Dauerder <strong>Antibiotika</strong>einnahme bei Kindernunter drei Jahren sollte zehn Tage betragen.Bei älteren Kindern und Erwachsenensind fünf Tage ausreichend. 2Therapiekontrollen sollten nach 36 bis72 Stunden erfolgen. Setzt hier keinTherapieerfolg ein, muss das Antibiotikumgewechselt und unter Umständenein Abstrich gemacht werden. Eineweitere Kontrolle sollte nach 14 Tagenerfolgen. Bis dahin sollten die akutenEntzündungszeichen abgeklungen sein.Häufig wird aber über diesen Zeitraumhinaus noch ein Erguss des Mittelohresbeobachtet. Besteht er länger als vier bissechs Wochen, sollte geklärt werden, obweitere antibiotische Maßnahmen, eineParazentese oder das Legen eines Paukenröhrchensangezeigt sind.Wirkstoff Erwachsene Kinder<strong>Antibiotika</strong> der ersten WahlAmoxicillinAmoxicillin/Clavulansäure<strong>Antibiotika</strong> bei PenicillinallergieAzithromycinClarithromycinCefuroximCefpodoxim1,5–3 g/Tag in 3–4 Einzeldosen (ED)(Erwachsene und Kinder > 12 Jahre)875/125 mg 2 x täglich(Erwachsene und Kinder > 13 Jahre)500 mg 1 x täglich für 3 Tage(Erwachsene)250 mg 2 x täglich(Erwachsene und Jugendliche)250–500 mg 2 x täglich(Erwachsene und Kinder > 12 Jahre)100–200 mg 2 x täglich(Erwachsene und Kinder ≥ 12 Jahre)Bei häufig rezidivierenden Mittelohrentzündungenmuss über weitere Maßnahmenwie die Parazentese eventuellmit Einlage von Paukenröhrchen undauch die Adenotomie diskutiert werden.Ein Erregernachweis empfiehlt sich beistarken Beschwerden, bei Kindern imAlter unter drei Monaten, bei Kindernmit Immundefekten und bei V. a. dasVorliegen von Komplikationen. Bei relativkonstantem Erregerspektrum ist eineprimäre Kulturgewinnung meist nichterforderlich.Wann sollte an den HNO-Arztüberwiesen werden?Grundsätzlich sollte bei einer akuten<strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> der HNO-Arzt konsultiertwerden, wenn nach vier Tagen nochkeine Besserung eingetreten ist oderwenn nach diesem Zeitraum erneutlokale oder allgemeine Symptome auftreten,die auf die Persistenz oder dasWiederaufflackern der Erkrankung hindeuten.Die Mastoiditis als Komplikation40–50 mg/kg KG/d in 3–4 ED(Kinder < 12 Jahre)max. 50 mg/kg KG/Tag in 3 ED(Kinder < 2 Jahre); Kinder von 2bis 13 Jahren siehe Fachinformation30 mg/kg KG/Tag in 3 ED(Kinder > 1 Jahr)7,5 mg/kg KG/Tag(Kinder > 6 Monate)20–30 mg/kg KG/Tag in 2 ED(Kinder > 2 Jahre)125–250 mg 2 x täglich(Kinder > 5 Jahre)5–12 mg/kg KG/Tag in 2 ED(Kinder < 12 Jahre)Levofloxacin 500 mg 1–2 x täglich Kontraindikation bei KindernMoxifloxacin 400 mg 1 x täglich Kontraindikation bei KindernTabelle: Orale <strong>Antibiotika</strong>therapie bei akuter <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>. 4,8 Dauer der Einnahme i.d.R. 5 Tage,bei Kindern < 3 Jahre 10 Tage..macht sich typischerweise zwei bis dreiWochen, nachdem die <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> abgeklungenist, durch eine erneute Zunahmeder Ohrenschmerzen und zunehmendesallgemeines Krankheitsgefühlbemerkbar, meist begleitet von einemFieberanstieg. Lokal kann es zu retroaurikulärerRötung und Schwellung, eventuellmit abstehender Ohrmuschel, oderSenkung der hinteren oberen Gehörgangswandkommen.Spezialfall: GrippeotitisAbzugrenzen von der bakteriellen akuten<strong>Otitis</strong> <strong>media</strong> ist die „Grippeotitis“,oder auch Myringitis bullosa genannt.Hierbei fallen in der Otoskopie hämorrhagischeBlasen auf dem gerötetenTrommelfell auf, welche die Tendenz zurRuptur haben und dadurch eine blutigeOtorrhoe verursachen. Da ein gehäuftesAuftreten der Grippeotitis während derGrippeperiode zu beobachten ist, wurdemehrfach versucht, das Influenzavirusaus dem Mittelohrsekret zu isolieren.Dies war nur vereinzelt möglich. Vielmehrwurden dieselben bakteriellenErreger wie bei einer gewöhnlichen <strong>Otitis</strong><strong>media</strong> oder auch andere Viren oderMykoplasmen nachgewiesen. Auffallendhäufig ist bei der Grippeotitis eineInnenohrbeteiligung mit sensorineuralerSchwerhörigkeit und gelegentlichemTinnitus oder Schwindel. Die Therapiesollte, wie bei der akuten <strong>Otitis</strong> <strong>media</strong>mit Innenohrbeteiligung, mit oralerAntibiose, Paracentese und systemischerGlukokortikoidbehandlung erfolgen. nDr. med. Harriet Heist undProf. Dr. med. Jan MaurerChefarzt HNO-Klinik<strong>Katholisches</strong> <strong>Klinikum</strong> Koblenz-MontabaurKardinal-Krementz-Str. 1–5, 56073 KoblenzLiteraturliste beim VerlagTel.: 0261-4960www.kk-km.de40| ärztliches journal reise & medizin 3|2013

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