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SHIBUYA: NEW GENERATION THE TOKIO – - hebbel am ufer

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Endeffekt die Neunziger so stark bestimmten. Genau das will ich d<strong>am</strong>itsagen, wenn ich dieses Jahrzehnt als eine von zwei Enden eingefassteZeit begreife.Wenn es wirklich so etwas wie ein Ende geben könnte, dann käme daswie aus heiterem Himmel auf uns. Das Ende lässt sich nicht vorhersehenoder -sagen und es ereilt uns auch nicht mal so eben. Und einwirklich authentisches Ende hatte es zu keiner Zeit in den Neunzigerngegeben. Indes geht es weniger darum, ob das Ende nun tatsächlichnaht oder nicht; es stellt sich vielmehr die Frage, warum mit einem Malalle die Auffassung teilten, dass das Ende möglicherweise kommenkönnte. Mit anderen Worten waren die Neunziger eine Zeit, in der sichfolgende drei Positionen gegenüberstanden. Erstens: irgendetwas(möglicherweise auch alles) ist zu Ende gegangen, zweitens: es ist nochnicht zu Ende gegangen und drittens: es wird wohl zu Ende gehen.Diese Positionen umkreisten und blockierten sich gegenseitig, so dasssie kaum voneinander unterscheidbar waren.Aus irgendeinem Grund scheinen die Menschen das Ende gleichzeitigzu fürchten und zu erwarten. Aus der Balance bzw. dem gestörtenGleichgewicht dieser beiden Haltungen heraus beginnt uns bisweilendie Lehre von den letzten Dingen wieder aufs Neue zu beschäftigen.Gleichs<strong>am</strong> wie der tiefe Dauerton eines Basso continuo drangen derleiDiskurse um das Ende tief in die neunziger Jahre ein. Mit diesemDröhnen des Endes rangen die Träger der Kultur und Subkultur im Japander neunziger Jahre immer wieder von neuem um einen Ausdruck füreben dieses Gefühl. So gab es in der Musik beispielsweise Grunge undLo-Fi, aus Techno und House entwickelte sich über Drum ’n’ Bassdas Genre von Electronica und Electronic Dance Music. Im J-Pop boomteder Shibuya-Stil und die d<strong>am</strong>it in Zus<strong>am</strong>menhang stehende StrangeMusic und zudem gab es die Musik der feinen und atmosphärischenSoundscaper (Onkyô-ha). Rückblickend scheinen diese Entwicklungenwesentlich reicher an Fülle und Komplexität zu sein als die vorangegangenenErscheinungen der achtziger Jahre. Im Bereich Film brach fürdie kommende Null-Dekade, also für das erste Jahrzehnt des jungenJahrhunderts, die Seifenblase des japanischen Films an, eine noch vollkommenunvorhersehbare Zeit, die in ökonomischer Hinsicht einWinter war. Doch andererseits wurden in dieser Zeit auch massenweiseB-Movies als Direct-to-Video-Produktionen mit einem kleinen Budgetin guter Qualität hergestellt. Faktoren wie der Niedergang der kleinenTheater, die auch die Filmwelt der achtziger Jahre angetrieben hatten,der Ruin kulturell engagierter Modezeitschriften wie Marie-Claire sowie dieAmtseinsetzung des Filmkritikers und Romanisten Shigehiko Hasumials Präsident der Universität Tokio haben für eine Abnahme von cinephilenZuschauern gesorgt. Doch war es auch in den Neunzigern,dass unter der Führung von Kiyoshi Kurosawa, der sich bereits in denachtziger Jahren einen N<strong>am</strong>en gemacht hatte, herausragende Autorenwie Shinji Aoy<strong>am</strong>a und andere Meister des japanischen Horrorfilms ihreAktivitäten ausweiten konnten. Richtet man sein Augenmerk auf dieLiteratur, so ist die Herrschaft der beiden Harukis (Murak<strong>am</strong>i und Ryû)und Banana Yoshimoto ungebrochen, doch Gen’ichiro Takahashi, einerder repräsentativen Erzähler der achtziger Jahre, geht im guten Sinneimmer wieder aufs Neue auf Wanderschaft und wird immer wiederabtrünnig. Bald darauf treten die beiden in besonderem Maße für dieneunziger Jahre typischen Autoren Kazushi Hosaka und KazushigeAbe in Erscheinung und »J-Bungaku« (dt.: J-Literatur) wird eine regelrechteMode. Im Bereich Literaturkritik und Geisteswelt sind Shinji Miyadai,Eiji Ôtsuka und Kazuya Fukuda zu nennen, die alles<strong>am</strong>t hochbegabt sindund an vorderster Front stehen, zudem treten noch die typischen neunzigerKritiker Noi Sawaragi und Hiroki Azuma ins R<strong>am</strong>penlicht.Auf welche Art nehmen die Menschen den Grundgedanken vom Endewahr bzw. wie empfinden sie diesen unbewusst? Wie verhält man sichim Ergebnis demgegenüber, sei es nun bewusst oder unbewusst?Und: welchen Einfluss nehmen die Verkettungen und Überlagerungensolchen Verhaltens beispielsweise auf das kulturelle Gepräge undseine verschiedenen Darstellungsformen? Gerade in der Antwort aufdiese hochkomplexe Frage, für die ich auch keine einfache Lösungparat habe, liegt das Wesen der neunziger Jahre in Japan.Originalbeitrag, aus dem Japanischen von Andreas Regelsberger

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