GRUSSWORT VON FRIDO MANNLiebe Leserin, lieber LeserEs ist mir eine Ehre und Freude, an diesem50-Jahr-Jubiläum des <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archivsder ETH Zürich und der <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong>Zürich ein Grusswort an Sie zu richten.Ich erinnere mich sehr gut an den Festakt zurEröffnung des Archivs im Auditorium Maximumder ETH, als ich irgendwo ziemlich weit hintenim Saal sass und den Ansprachen zuhörte,darunter auch meinem Onkel Golo <strong>Mann</strong>, der dieSchenkung des Nachlasses seines Vaters andie ETH mit der besonderen Betonung der grossenLiebe <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s zur Schweiz besiegelte.Nach diesem feierlichen Ereignis ging dannallerdings jahrzehntelang alles mehr oderweniger an mir vorbei. Dies lag wahrscheinlichhauptsächlich daran, dass es zu der Zeit fürmich lebens-, ja überlebenswichtig war, michvon jeder mich irgendwie museal anmutendenHütung des literarischen Erbes meines Grossvaters,ja bald von der ganzen Familie möglichstfernzuhalten. Ich weiss jetzt nachträglich, dassmeine Grossmutter Katia bis zu ihrem Tod 1980recht aktiv die Beziehung zum Archiv pflegte. Dabeierweiterte sie nicht nur laufend dessen Bestände,sondern sorgte auch persönlich für eine Aufrechterhaltungeinvernehmlicher Kontakte.Für mich als Mitglied der dritten <strong>Mann</strong>-Generation gewann das Archiv erst 1994 einebesondere Bedeutung, als ich Dr. <strong>Thomas</strong>Sprecher kennen lernte, kurz nachdem dieserdie Archiv-Leitung übernommen hatte. Genauin diese Zeit fielen auch der Anfang meinerSpurensuche nach den brasilianischen Wurzelnmeines Grossvaters über seine Mutter Julia undmein Vorhaben, in Julia <strong>Mann</strong>s noch intaktemElternhaus in Brasilien ein nach ihr benanntes,internationales Kultur- und Begegnungszentrumim humanistischen Geist ihrer beiden grossenSöhne aufzubauen.Trotz der in erster Linie auf Bewahrung ausgerichtetenAufgaben eines Archivs bekam geradedas <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archiv durch <strong>Thomas</strong> SprechersUnterstützung und aktive Mitwirkung an unserem,<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s Mutter Julia gewidmetenBrasilienprojekt eine neue, nicht nur nach rückwärts,sondern auch nach vorwärts blickendeDimension. Durch die Dialektik zwischen Traditionspflegeeinerseits und visionärer Zukunftsorientierungandererseits war für mich das <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archiv erst recht alles andere als nur einMausoleum für die Aufbewahrung und Pflegeirgendwelcher Heiligtümer. Ich erblicktedarin immer mehr ein geistesgeschichtlichesFundament und einen Ort bereichernder Rückbesinnungauch beim Aufbau eines neuenKulturunternehmens mit völkerverbindenderZielsetzung. Dies fand im Laufe der folgendenJahre seinen mehr als nur symbolischenAusdruck darin, dass der für den Zentrumsaufbauin Brasilien zuständige TrägervereinCasa<strong>Mann</strong> praktisch alle seine in Europa stattfindendenSitzungen im <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archivabhielt und dass damit auch die in den umliegendenRäumen archivierten Dokumente undGegenstände eine allgegenwärtige, zumindestunbewusst inspirierende Präsenz erhielten.Ich wünsche mir sehr und bin auch zuversichtlich,dass das <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archiv auch inden nächsten 50 Jahren dieses gesunde undbefruchtende Spannungsverhältnis zwischenHerkunft und Zukunft und zwischen Sachwerteneinerseits und persönlicher Bindung andererseitsfür die Nachwelt beibehält und noch weiterausbaut, und dass die Verbindung zwischen demArchiv und der Familie <strong>Mann</strong> weiter zu allseitsgewinnbringenden Gemeinsamkeiten führt.Prof. Dr. Dr. Frido <strong>Mann</strong>4 5
DAS THOMAS-MANN-ARCHIV DER ETH ZÜRICHDIE THOMAS MANN GESELLSCHAFT ZÜRICHNach dem Tode <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s übergab dieErbengemeinschaft 1956 seinen literarischenNachlass, persönliche Gedenkstücke unddie Ausstattung seines letzten Arbeitszimmersder Eidgenössischen Technischen HochschuleZürich (ETH). Diese gründete in der Folge das<strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archiv (TMA). 1961 richtetesich das TMA im Bodmerhaus ein, wo schon seitJahrhunderten Kunst und Literatur zu Hausesind. Zu den namhaftesten Besuchern desLiteraten Johann Jakob Bodmer, der hier von1739–1783 wohnte, zählen Klopstock, Wieland,Ewald von Kleist und vor allem Goethe.Zürich, Schönberggasse 15.Das <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archivim Bodmerhaus.Das TMA wurde in den Jahren des Aufbausvon Dr. Paul Scherrer geleitet. Unter Prof. Dr. HansWysling hat es 1961–1993 eine überausanregende Wirkung auf die wissenschaftlicheBeschäftigung mit <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> und seinemWerk ausgeübt. Seit 1994 steht Dr. <strong>Thomas</strong>Sprecher dem TMA vor.Das TMA beherbergt den Grossteil der nochvorhandenen <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Autographen:Manuskripte, Tagebücher, Notizbücher, Briefeund andere Handschriften. Dazu kommenaufschlussreiche Vorarbeiten und Arbeitsmaterialienzu verschiedenen Werken und ihrenFrühstufen. Das TMA hat den ihm übergebenenNachlass nicht nur erschlossen, sondern nachKräften ergänzt und Werkausgaben, Übersetzungen,Briefe, Tonträger, Fotografien, Mikrofilme,Zeitungsartikel zu Tausenden und Zehntausendengesammelt. Auch die Sekundärliteratur wirdmit möglichster Vollständigkeit erworben.Im Gedenkzimmer des TMA sind Schreibtisch,Bibliothek, Bilder und Kunstgegenstände aus<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s Kilchberger Arbeitszimmer ausgestellt.Die wissenschaftliche Benutzung desTMA steht allen Interessierten offen.Die <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong> wurde am12. August 1956 – dem ersten Todestag <strong>Thomas</strong><strong>Mann</strong>s – in Zürich gegründet. Zum Gründungskomiteegehörte unter anderem Hermann Hesse.Erster Präsident des Vorstandes war Dr. MaxRychner. Seit 2003 leitet Manfred Papst,Kulturchef NZZ am Sonntag, die <strong>Gesellschaft</strong>.Die <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong> macht essich zur Aufgabe, das Verständnis für <strong>Thomas</strong><strong>Mann</strong> zu vertiefen, die Erforschung und Darstellungseiner Werke, Person und Zeit zu fördernund sein geistiges Erbe lebendig zu erhalten.Sie organisiert jeweils im Juni eine mit der Mitgliederversammlungverbundene öffentliche Veranstaltung,in der Regel in Zürich. Hinzu kommtdie Unterstützung weiterer Veranstaltungen imRahmen des <strong>Gesellschaft</strong>szweckes. Die <strong>Thomas</strong><strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong> gibt seit 1958 die Blätter der<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong> heraus und bedientihre Mitglieder mit dem <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>- Jahrbuch.Die <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong> versammelt heuterund 350 Mitglieder aus zahlreichen Ländern.Sie steht allen Interessierten offen und freut sichbesonders auch über junge Mitglieder. Mit derAnmeldung hinten im Programmheft kann dieMitgliedschaft erworben werden.VORSTAND:Manfred Papst (Präsident)NZZ am Sonntag, Ressortleiter KulturDr. phil. Martin Meyer (Vizepräsident)Neue Zürcher Zeitung, FeuilletonchefDr. phil. et iur. <strong>Thomas</strong> Sprecher (Ehrenpräsident)Leiter des <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archivs der ETH Zürich,Niederer Kraft & Frey, RechtsanwaltNiklaus Haller (Quästor)Credit Suisse, Mitglied des KadersSusanne Bernasconi-AeppliRechtsanwältin, Zürcher KantonsrätinDr. med. Arnaldo Beniniem. Professor für Neurochirurgie, Universität ZürichDr. phil. Jürg KaufmannAlt-Stadtrat von ZürichDr. Jürg RaissigPR-BeraterMartin VollenwyderStadtrat von Zürich, Vorsteher des Finanzdepartements<strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Archiv der ETH ZürichSchönberggasse 15, 8001 ZürichTel: +41/44/632 40 45Fax: +41/44/632 12 54E-Mail: tma@tma.gess.ethz.chwww.tma.ethz.ch<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> <strong>Gesellschaft</strong> ZürichPostfach 29098022 Zürichwww.thomas-mann.ch6 7