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Akuttherapie von Intoxikationen

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Aktuelles Wissen für AnästhesistenRefresher Course Nr. 39April 2013 · Nürnbergals weitere Therapieoption die Gabe <strong>von</strong> Oximen, wenn derOrganophosphat-Cholinesterase-Komplex noch nicht gealtertist. Oxime und Atropin können bei <strong>Intoxikationen</strong> mit Nervenkampfstoffen(Sarin, Soman, Tabun, VX; potentiell terroristischerHintergrund) zum Einsatz kommen.<strong>Intoxikationen</strong> mit toxischen Alkoholen, z. B. Methanol oderEthylenglykol, weisen einige Besonderheiten auf. Die Substanzenwerden im Körper <strong>von</strong> der Alkoholdehydrogenase gegiftetund die Hemmung dieses Enzyms stellt eine wirksame Therapieoptiondar. War dies bis vor einigen Jahren nur mit Ethanolmöglich (Zielkonzentration 0,5-1‰), so existiert seit einigerZeit das neue Antidot Fomepizol, das ein deutlich geringeresNebenwirkungsspektrum aufweist und sehr viel einfacher zudosieren ist (11). Nachteilig ist die bisher noch mangelhafte,nicht flächendeckende Verfügbarkeit in Deutschland. In denGiftnotrufzentralen kann erfragt werden, welche Krankenhäuserüber entsprechende Depots <strong>von</strong> Fomepizol verfügen.<strong>Intoxikationen</strong> durch das Malariamittel Chloroquin (Hauptsymtom:schwere Herzrhythmusstörungen) sollten hochdosiert mitDiazepam (1mg/kg KG, in Intubationsbereitschaft!) therapiertwerden. Diazepam stellt das wirksame Antidot für die Chloroquin-Intoxikationdar. Bemerkenswert sind die Hintergründefür die Entdeckung <strong>von</strong> Diazepam als Antidot: In Afrika gibt esrelativ viele <strong>Intoxikationen</strong> mit Chloroquin. Die behandelndenÄrzte beobachteten viele schwere und letale Verläufe beiMonointoxikationen. Lagen allerdings Mischintoxikationenmit Diazepam vor, so entwickelten deutlich weniger Patientenschwere Symptome, wie die o. a. Herzrhythmusstörungen. Dergenaue Wirkmechanismus <strong>von</strong> Diazepam bei dieser Indikationist bisher nicht geklärt. Zwar wurden auch im Herzen Benzodiapinrezeptorennachgewiesen. Deren Stellenwert für dieBehandlung der Herzrhythmusstörungen ist jedoch noch nichtim Detail bekannt.Zur Behandlung <strong>von</strong> Zyanidintoxikationen existieren verschiedeneAntidota. Neben Natriumthiosulfat wirkt 4-DMAP(Dimethylaminophenol) über eine Methämoglobinbildung(zweiwertiges Eisen wird zu dreiwertigem Eisen oxidiert): dieZyanidionen verlassen die Enzyme der Atmungskette und bindenan das dreiwertige Eisen des Methämoglobins. Insbesonderebei Rauchgasvergiftungen, d.h. bei Mischintoxikationen mitCO, ist die Gabe äußerst problematisch, da die ohnehin reduzierteSauerstofftransportkapazität des Hämoglobins durch dieDMAP-induzierte Methämoglobinämie weiter minimiert wird.Der „Zyanidfänger“ Hydroxocobalamin könnte bei Rauchgasvergiftungeneine wirksame, deutlich nebenwirkungsärmereAlternative darstellen.Was kann der Giftnotruf für den Rettungsdienstleisten?Zunächst kann der Giftnotruf zur exakten Identifikation einerNoxe beitragen. Bei den ingestierten Noxen handelt es sich mitunterum nicht allgemein bekannte Medikamente, Reinigungsmitteloder Kosmetika. Der Giftnotruf verfügt über eine Vielzahl<strong>von</strong> Informationsquellen, die für diesen Zweck genutzt werden.So können nicht in Deutschland vertriebene Medikamenteoder Reinigungsmittel identifiziert werden. Neben zahlreichenDatenbanken verfügt das GIZ-Nord zum Beispiel über eine detaillierteSammlung türkischer Pflanzenschutzmittel. Mitunter istauch die internationale Vernetzung der Giftinformationszentrenhilfreich: in einem Fall konnte durch Kontakte zum Giftnotrufin Danzig in Polen Entwarnung gegeben werden, nachdem einKleinkind ein polnisches Haartonikum verschluckt hatte. In Zusammenarbeitmit den polnischen Kollegen konnte per Telefon,Fax und E-Mail das Produkt sicher identifiziert werden und dieInhaltsstoffe konnten als harmlos eingeschätzt werden.Nach sicherer Identifikation einer Noxe können die KlinischenToxikologen in der Regel die Toxizität einschätzen: Reinigungsmittelkönnen entweder als unproblematisch oder, wenn siez. B. relevante Mengen an Säuren oder Laugen enthalten, alspotentiell ätzend eingeschätzt werden. Entsprechendes gilt fürVergiftungen mit Medikamenten: Die Experten aus dem Giftnotrufkönnen eine Intoxikation als eher unproblematisch oder alspotentiell gefährlich einstufen. Bei Überdosierungen mit vielenMedikamenten, z. B. mit trizyclischen Antidepressiva, drohencerebrale Krampfanfälle oder maligne Herzrhythmusstörungen.Auch bezüglich spezifischer therapeutischer Maßnahmen durchden Notarzt am Einsatzort kann eine Konsultation des Giftnotrufsfür den Rettungsdienst hilfreich sein. Auf die Indikationen zurPrimären Giftentfernung am Einsatzort wurde bereits hingewiesen.Mitunter kann die Indikation zur Gabe spezifischer Antidotagestellt werden. Vor diesem Hintergrund wurde in Kooperationmit verschiedenen Institutionen eine Liste <strong>von</strong> Antidota für denNotarztwagen entwickelt. Es handelt sich um eine aus 5 Antidotabestehende Minimalliste; die so genannte „Bremer Liste“:Atropin, 4-DMAP, Naloxon, Toloniumchlorid, Aktivkohle. InTabelle 1 sind weitere wichtige Antidota zusammengestellt.Der Giftnotruf kann für den Rettungsdienst auch bei der Auswahldes anzusteuernden Krankenhauses hilfreich sein. Dies kann beiVergiftungen, für deren Therapie spezifische apparative AusstattungenVoraussetzung sind, relevant sein. Beispielhaft sei eineschwere Lithiumintoxikation genannt: Das behandelnde Krankenhaussollte über eine Intensivstation und die Möglichkeit derDialyse verfügen. Bestimmte Noxen können mittels Hämofiltrationaus dem Körper entfernt werden und bei einigen <strong>Intoxikationen</strong>können spezielle, nicht allgemein verfügbare, Techniken,wie MARS (Molecular Adsorbent Recirculating System) indiziertsein. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine noch relativneue Technik der Sekundären Giftentfernung, mittels derer einigealbumingebundene Noxen aus dem Körper des Vergiftetenentfernt werden können. Für weitergehende Informationen seian dieser Stelle auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.Einen seltenen Notfall stellt der Biss durch ein exotisches Gifttier(Abbildung 2) dar. Auch in diesen Fällen kann die Konsultationdes Giftnotrufs hilfreich sein. Die Giftnotrufzentralen verfügenüber Informationen, in welchen Institutionen (z. B. Krankenhausapothekenoder Zoologischen Gärten) welche Antivenine,z. B. nach Schlangenbissen, bevorratet werden.<strong>Akuttherapie</strong> <strong>von</strong> <strong>Intoxikationen</strong> · A. Schaper · G. Kaiser89

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