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Dr. Eberhard Kulf - Treib-Art

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Bei beiden gilt außerdem dass die Begabung zwar früh bemerkbar war(Klavierspiel), sich aber zu intensiver, schwerpunktmäßiger Ausübung,z.B. durch vielfältige Kurse bei Meistern des Faches, erst relativ spätentwickelt hat – mit jeweils charakteristischen, in der biografischenEntwicklung begründeten Unterschieden, die hier nichts zur Sache tun.Für diese spätere, aber konsequente künstlerische Entfaltung war einewesentliche Charaktereigenschaft ausschlaggebend: ausgeprägtesDurchhaltevermögen, Zähigkeit in der Verfolgung von Zielen. Manchmalscheint mir sogar eine Dosis von Eigensinn beigemischt zu sein.Außerdem bedarf ein solch verzögerter Anfang in besonderem Maßeeiner nicht alternden Neugier und Bereitschaft für Neues und einergehörigen Portion Mut. Beides haben beide bewiesen.Soweit zu den Voraussetzungen für künstlerisches Tun, das mehr ist alseine locker-spielerische Freizeitbeschäftigung. Die Kunstausübung selbstbedeutet beiden auch dasselbe: konzentrierte Hingabe an einkünstlerisches Thema, Herausforderung, eine bildnerische Ideeumzusetzen und dabei ein bildnerisches Problem zu lösen, zugleich aberauch Besinnung, eine <strong>Art</strong> von Meditation und schließlich auch Freude,Befriedigung, Bestätigung und auch Stolz, wenn etwas gelungen ist.So wie bei den Schwestern bei aller individueller Ausprägung äußerlichdie Familienähnlichkeit unübersehbar ist, gibt es also manche seelischcharakterlicheGemeinsamkeiten. Die biographische und künstlerischEntwicklung jedoch unterscheidet sich charakteristisch und so auch ihrekünstlerische Betätigung.Hilla – das sei hervorgehoben – ist Jüngerin zweier Musen, derdarstellenden Kunst und der Musik (Klavier und Flöte). Ingrid dagegen hatdurch Konzentration auf den Dienst einer Muse Raum gefunden, sich inverschiedenen Gattungen zu erproben.Die Unterschiede springen ins Auge, wenn man Arbeiten der beiden imselben Material (Ton) vergleicht: Hier die oft großen, reich durchRitzungen und farbige Fassung gegliederten Figuren, mit Phantasie und2


Erfindungsfreude gestaltet und zumeist voll heiter-besinnlicherAusstrahlung, dort die kleinen zumeist einfarbigen Skulpturen, in denenBegriffliches dargestellt und zugleich ein Spiel mit Volumina, Linien undOberflächen getrieben wird.Hilla bevölkert die Welt mit Wesen, die trotz des spröden und starrenMaterials fröhliches Leben verkörpern, aber ein Leben, das eineGegenwelt zu unserem oft so langweiligen und tristen Alltag öffnet.Manche Vertreter dieser Wesensart karikieren allerdings auch Figurenunseres Normalalltags, indes nicht bissig, sondern freundlich-ironisch. Dagibt es den „Eitlen Gockel“, selbstbewusst den Kopf hochgereckt, denKamm steil aufgestellt, seine Hahnenmännlichkeit kess präsentierend unda la Mode mit <strong>Dr</strong>ei-Tage-Bart. Und es gibt den „Neugierigen“, der sich inseiner Gestalt und Physiognomie am weitesten, weiter noch als der Fischvom Menschlichen entfernt (vielsagend) und den man in seiner fahlenFarbigkeit gern auf Abstand hält.Aber vor allem gibt es Figuren, mit denen man sich gern einig wüsste,z.B. und insbesondere mit der „Glücksfee“, und denen man gerngleichen würde, der „Schönen“ sowieso, wenn sie nicht ein QuäntchenEitelkeit zeigte. Aber ist es nicht wirklich beneidenswert, wie sie sich inihrer Schönheit im eigenen Strahlenkranz sonnt. Und würde man nichtauch gern nur Schönes träumen wie offensichtlich die „Prinzessin derTräume“?Aber mindestens ebenso reizvoll scheinen mir die zwitterhaftenFabelwesen, manchmal auf der Grenze zwischen Mensch und Tier oderbeides zugleich – oft ganz träumerisch in sich gekehrt, aber nichtzergrübelt oder verspannt, sondern frei und natürlich gelöst, von einerausgeglichenen heiteren Gelassenheit. Diese Wesen - wie überhaupt diemeisten Menschengestaltigen - sind unverkrampft eins undeinverstanden mit sich selbst. Und alle haben sie wunderbar freundlicheLippen, wirklich verlockende Kussmünder, manchmal gespitzt und zum3


Kusse bereit. Sogar Meerwesen, eigentlich eher von kühler Natur, lächelnuns freundlich an, der glubschäugige Nöck und Neptuns fischige Töchter.So zaubern diese der Phantasie entsprungenen Wunderwesen einfreundliches Lächeln des Verständnisses und Einverständnisses auf dieLippen des Betrachters. Und selbst einem Fisch gelingt das, wenn er,ebenso elegant wie die <strong>Art</strong>genossen im Wasser, durch die Luft segelt.Etliche janusköpfige Figuren sind dabei, so dass der Betrachter je nacheigener Gemütslage die eine oder andere Seite auf sich wirken lassenkann. Aber liebenswürdig-freundlich sind sie alle.Bei solchen Gelegenheiten wie heute frage ich mich, ob es eineFrauenkunst gibt. Im Grunde bin ich der Meinung, dass es keine weiblicheoder männliche Kunst gibt, nur gute oder schlechte. Aber angesichtsdieser Stelen, kommen mir doch Zweifel. Zunächst ganz banal: Diemeisten Figuren sind weiblich (einige der dargestellten Männer ..... – dazusage ich jetzt nichts und will vor allem nicht tiefenpsychologisch werden)und die Figuren sind eine Huldigung an die Weiblichkeit. Nun,Huldigungen an die Weiblichkeit haben Männer auch schon geschafft.Aber diese Wesen scheinen mir doch eher in eine Kunstwirklichkeit zuführen, wie sie Frauen zumindest näher liegt: in die Welt desMärchenhaften, des Geheimnisvollen, Zauberischen, Träumerischen, eineWelt jenseits des Rationalen, aber voller Harmonie. - Vielleicht jedoch istdas nur meine eingeschränkte rationalistische Männersicht. Sehen Sieselbst!Ein paar Anmerkungen über die Technik sind vielleicht noch angebracht:Ton ein besonderer Stoff, feucht – trocken, Schamotte. Dann: Glasuren,reiches Spektrum, die Pulver und ihre Mixturen verraten nichts von derFarbe nach dem Brand (Erprobung und Erfahrung!) Zwei Brändeerforderlich: Schrüh- und Glattbrand, vor 1 nach der Formung: Ritzungenmit Spezialnadel, vor 2:Glasuren in mehreren Arbeitsgängen. DerGlattbrand erzeugt wetter- und frostfestes Steinzeug. (!!!!) Konzeptionund Größe dieser Figuren stellen besondere Anforderungen. Einzelteile,4


gehalten von Stahlkonstruktion. -Aufmerksam machen auf die farblich fein abgestimmte Gestaltung imInneren durch Ritzungen, Punktierungen, variationsreiches Spiel mitGlasuren - manches zu entdecken an Symbolen.Nun zu meiner lieben Frau:Am Wiederbeginn ihres Kunstschaffens nach der Kinderpause standArbeit in Ton, zunächst ganz konkret und figurativ, Beschäftigung mit dermenschlichen Figur – uraltes aber immer noch wichtiges Thema derKunst. Der Werkstoff Ton zwingt - in besonderem Maße bei Kleinplastiken(aber auch, wie wir sehen, bei größeren Stücken) zu Abstraktion. Dasbedeutet Konzentration auf das Wesentliche, Reduktion auf das, was demSchöpfer wesentlich ist. Aber in einem solchen Prozess der Abstraktionkönnen ganz unterschiedliche Grade der „Ent-Gegenständlichung“verwirklicht werden . Man könnte die hier ausgestellten Arbeiten von Ingrid(Plastik und Malerei) gleichsam in einer Skala aufreihen: An dem einenEnde steht eindeutig und unzweifelhaft Gegenständliches (Pflanzen,Bäume, Landschaften), die aber bei aller Konkretion recht weit auf demWeg der Abstraktion fortgeschritten sind, am anderen Ende steheneindeutig gegenstandslose Arbeiten. Wüste selbst ist dabei einnaheliegendes Sujet, denn man könnte diese Landschaftsform selbst alsabstrahiert sehen, in der Reduzierung auf wenige Formen und Farben;unter unendliche Himmel völlige Leere von menschlichen Spuren.Vielleicht liegt darin der wesentliche Reiz, der Ingrid nach verschiedenenreisen zur malerischen Umsetzung verführt hat.Je weiter ein Kunstprodukt sich vom Gegenstand und seinem Diktat löst,desto beherrschender wird das Formale, da der Betrachter sich nicht amdargestellten Objekt festhalten kann oder von ihm abgelenkt wird. So sinddie kleinen Plastiken einerseits Darstellung einer begrifflichen Vorstellung(selbst schon eine gedankliche Abstraktion), zugleich aber kann man sieals genau durchgearbeitete abstrakte Gebilde eigenen Rechtes sehen.Den Betrachter fordert solch eine Arbeit auf zu Reflexion über den5


dargestellten gedanklichen Inhalt (menschliche Beziehungen wie„Schützend“, „Zusammengewachsen“) und über den Zusammenhang mitder Darstellungsweise. Zugleich erwartet die Plastik ein Nachspüren derGestaltung, ein Abtasten des Spiels von Volumina und Oberflächen, vonBerührungen und Durchdringungen, des Spiels mit den Umgrenzungen,also den Kanten, Falten und Flächen, wie sie mit einander und gegeneinander ein spannungsreiches Ganzes bilden, schließlich ein Verfolgendes Spiels mit verschiedenen Oberflächen, ob glatt, geraut, grobkörnigusw.Wesentlich weiter getrieben ist die Abstraktion im Bild „Beziehung“:markante Formen und klare Strukturen in großzügiger Komposition, die inihrer kraftvollen Ausstrahlung über den Rahmen hinausgreifen. DieFarbabstufungen erzeugen Tiefe auch in der Fläche und zugleichDynamik. Man mag weibliche oder auch männliche Formen entdeckenund damit wieder das Thema Beziehungen, deren vielfältige Möglichkeitender Malerin beim Malen dieser Bilder durch den Kopf gingen.Die Farbe selbst, also ein bildnerisches Mittel ist Thema einerBildgruppe nun wirklich gegenstandslosen Arbeiten. Hier thematisiert sichdie Malerei gleichsam selbst, indem sie Farbe und Form absolut setzt.Vielleicht meint man hie und da Formen aus der realen Welt zu entdecken– es ist jedem überlassen, eine solche sekundäre Gegenständlichkeit zufinden. Man kann solche Bilder wie z.B. die „Triptycha“ als Ganzes aufsich wirken lassen, sie aber auch gleichsam lesen, von rechts nach linksoder umgekehrt oder von oben nach unten. Wie entfaltet sich das Rot,verdrängt es das Grün? Muss das Gelb die beiden Komplementärfarbenauf Distanz halten? Oder durchdringen sich die Farben? Rot und Grünbilden in der Farbenlehre eine scharfen Gegensatz, stehen im Farbkreis inOpposition und erzeugen in Bildern starke Spannungen. Hier sind dieseSpannungen gleichsam domestiziert, einerseits durch die kompositorischeAnordnung, andererseits durch den Farbauftrag in mehreren Schichten:Blau, das manchmal auch zu Tage tritt, liegt hier unter Rot und Grün. Das6


dämpft die Opposition und gibt den Komplementärfarben einenverwandten Charakter. Dieser wird auch durch die vielfältigenBerührungen und Mischungen der Farben und nicht zuletzt durch denFarbauftrag in eigenartigem Duktus durch Spachteln mit einer flexiblenScheckkarte betont. So ist die Opposition der Farben aufgehoben und zueinem Zusammenspiel geworden. Wieder findet sich damit das Motiv derTonplastiken: Beziehungen und ihre zahllosen Spielarten.Mit dem Stichwort „Zusammenspiel“ ist außerdem etwas anderesCharakteristisches angesprochen: Ingrid sucht in Malerei und Plastik eherden Ausgleich als Divergenz, eher den Zusammenklang alsWiderstrebendes. Das heißt nicht, dass es keine Spannung oder Reibunggäbe und nur schlaffen Gleichklang, aber Konfliktträchtiges undDivergierendes wird gern in einer zusammenstimmenden Einheitaufgehoben.Ich meine darin einige Familienähnlichkeit entdecken zu können. Zwarist Ausgeglichenheit und Harmonie mit der Umwelt beiden Frauen wieallen Menschen nicht dauerhaft gegeben, aber in ihren Arbeiten, die invielen Exemplaren ein meditativer Zug prägt, scheinen sie mir danach zustreben.(doch weibliche Kunst?) Grundlage und Antrieb dabei ist trotz allerBelastungen und Enttäuschungen, die ein Menschenleben zu bringenpflegt, ein grundsätzliches Einverständnis mit sich und der Welt, einepositive Lebenseinstellung. Dazu gehört Freude an der Natur, an derNaturschönheit und ihr Genuss, die Bereitschaft, Interessantes undSchönes in der Welt und bei den Menschen zu entdecken, und nichterlahmende Neugier auf Neues und auf Veränderung.7

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