Juli/August 2012 - Hospital zum Heiligen Geist
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Rund um den Glockenturm<br />
Paula Karpinski – eine Streiterin für die Jugend<br />
Es ist ein kleiner, aber feiner Platz, ein kleines<br />
Rondeel mit exklusivem Blick auf dem Hamburger<br />
Hafen vor einem großen Gebäude.<br />
Die Rede ist von der Aussichtsplattform vor<br />
der Jugendherberge<br />
am Stintfang, die<br />
da eigentlich gar<br />
nicht stehen sollte.<br />
Ursprünglich wollte<br />
der Senat, allen<br />
voran der damalige<br />
Bürgermeister Max<br />
Brauer, dort nämlich<br />
ein repräsentatives<br />
und lukratives Hotel<br />
bauen. Das verhinderte<br />
eine streitbare<br />
Frau: Paula Karpinski,<br />
die erste nach<br />
1945 in ein deutschesLandeskabinett<br />
berufene Frau.<br />
Seit 1946 Jugendsenatorin,<br />
plädierte sie<br />
vehement für den Bau einer Jugendherberge<br />
und setzte sich nach zähem Ringen damit<br />
durch. Noch in diesem Jahr soll der bisher<br />
namenlose Vorplatz der Jugendherberge<br />
nach ihr benannt werden.<br />
Am 6. November 1897 als Tochter eines<br />
Hafenarbeiters und eines Dienstmädchens<br />
geboren, wuchs Paula Karpinski, geb. �ees,<br />
in sehr einfachen Verhältnissen auf. Diese<br />
Erfahrungen prägten ihr Zeit ihres Lebens<br />
herausragendes soziales Engagement, das<br />
vor allem Kindern und Jugendlichen galt.<br />
Sie absolvierte eine Ausbildung zur staatlich<br />
geprüften Wohlfahrtsp�egerin und<br />
engagierte sich schon früh in der Politik.<br />
Ihr Engagement als Vorstandsmitglied der<br />
Hamburger Sozialdemokraten und Mitglied<br />
der Hamburgischen Bürgerschaft zwischen<br />
1928 und 1933 brachte ihr während der NS-<br />
Zeit mehrere Verhaftungen ein.<br />
Nach dem Krieg gehörte sie von 1946<br />
bis 1968 der Hamburgischen Bürgerschaft<br />
an und wurde 1946 als erste Frau in<br />
der Geschichte Hamburgs Senatorin. Als<br />
Jugendsenatorin legte sie den Grundstein für<br />
eine moderne Jugendpolitik.<br />
»Max Brauer war dagegen;<br />
ich habe ihn weichgeknetet.«<br />
Sie setzte sich leidenschaftlich dafür ein,<br />
die Not der Nachkriegszeit für junge Menschen<br />
zu lindern. Ihrem Engagement ist die<br />
Einrichtung zahlreicher Heime für die vielen<br />
elternlosen Kinder und Jugendlichen zu<br />
verdanken. Auch die Tatsache, dass Hamburg<br />
als erste deutsche Großstadt beim Wiederaufbau<br />
den Bau von Kinderspielplätzen<br />
vorschrieb, ist ihrer Beharrlichkeit zuzuschreiben.<br />
Ebenso sorgte sie mit dafür, dass<br />
das Hamburger Volksparkstadion errichtet<br />
wurde. Später erinnerte sie sich: »Max Brauer<br />
war dagegen; ich habe ihn weichgeknetet.«<br />
1968 zog sie sich aus der aktiven Politik<br />
zurück, blieb aber bis ins hohe Alter an allen<br />
aktuellen �emen interessiert; noch mit über<br />
100 Jahren war ihr die tägliche Lektüre von<br />
Tageszeitungen ein Bedürfnis.<br />
Paula Karpinski starb am 8. März 2005<br />
im Alter von 107 Jahren. Wer sich mit ihrer<br />
Biographie und ihrem Wirken beschäftigt,<br />
verspürt den dringenden Wunsch, es<br />
möge doch heute mehr Politiker von ihrem<br />
Schlage geben: selbstlos, engagiert, aufrecht<br />
und bescheiden. Ingeborg Seppelt<br />
10 <strong>Juli</strong>/<strong>August</strong> <strong>2012</strong>