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LehrerInnenerklärung: Frauenrollen im Ganzen Haus ... - Histomat

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Universität Bern Studienjahr 2004 / 05<br />

Prof. R. Hadorn Unterrichtsbaustein von:<br />

AHL Fachdidaktik Geschichte Birgit Stalder und Andrea Schwab<br />

<strong>LehrerInnenerklärung</strong>: <strong>Frauenrollen</strong> <strong>im</strong> <strong>Ganzen</strong> <strong>Haus</strong><br />

<strong>Frauenrollen</strong> <strong>im</strong> <strong>Ganzen</strong> <strong>Haus</strong><br />

Das Ganze <strong>Haus</strong> zeichnet sich dadurch aus, dass die Ehe in eine grössere Gemeinschaft<br />

eingebunden ist. Unverheiratete Geschwister des Mannes, die Kinder, Knechte und Mägde<br />

leben und arbeiten unter demselben Dach. An der Spitze dieser Gemeinschaft steht der<br />

<strong>Haus</strong>vater, der die Aufgabe hat, die Familie zu verwalten, zu schützen und sie gegen aussen<br />

zu vertreten. Die Frau und Kinder schulden ihm dafür Gehorsam und Treue. Auf den ersten<br />

Blick scheint die Position der Frau also durch Unterordnung und Minderberechtigung<br />

gekennzeichnet zu sein.<br />

Schauen wir uns den gelebten Alltag des Paares etwas näher an. Dazu eine kleine Episode aus<br />

dem Leben des Bauern Johannes Bigler:<br />

Der Bauer Johannes Bigler geht nach getaner Arbeit am Abend auf einen Feierabendtrunk<br />

ins Wirtshaus. Nachdem er <strong>im</strong> letzten Monat wegen einer heftigen Schlägerei vom<br />

Sittengericht (Dorfgericht, das für sittliche Missetaten wie Fluchen, Kirche schwänzen,<br />

Sonntagslärm, Schlagen der Frau etc. zuständig war) ein Wirtshausverbot hatte erdulden<br />

müssen, darf er sich wieder zu seinen Freunden an den Stammtisch setzen. Als er das Lokal<br />

betritt, grinsen die Männer ihn an und ziehen eine Darstellung hervor.<br />

Bild. Auf dem Bild schlägt eine Frau ihren Mann. In verkehrten Rollen zeigt er sich<br />

untertänig und anerkennt ihre Macht über ihn. Er sagt: „Orachilla, ellerlibste hussrfo minn ist<br />

nit zu erbermen datt ikh der elso schkoll unterthenick sein.“ Orachilla, meine allerliebste<br />

<strong>Haus</strong>frau, ist nicht zu erbarmen, so dass ich dir also soll untertänig sein.“<br />

Die andern Männer am Tisch lachen und teilen Johannes mit, man erzähle <strong>im</strong> Dorf, er habe<br />

in letzter Zeit seine Frau nicht mehr <strong>im</strong> Griff. Sie best<strong>im</strong>me häufiger als er, wie das<br />

erwirtschaftete Geld ausgegeben werde. Anscheinend „habe sie so richtig die Hose an.“<br />

Johannes schweigt wütend. Aber er wehrt sich nicht. Denn es st<strong>im</strong>mt, dass seine Elisabeth die<br />

Geldangelegenheiten besser abwickeln kann als er. Schliesslich führt sie den <strong>Haus</strong>halt und<br />

weiss, was gekauft werden muss. Er selber hatte mehrmals das Geld vertrunken und sich dann<br />

mit ihr einen heftigen auch gewalttätigen Streit geliefert. Die Nachbarn am Wirtshaustisch,<br />

die wie <strong>im</strong>mer alles beobachtet und untereinander weitererzählt haben, glauben ihm nicht,<br />

dass er seine Frau habe zurechtweisen und strafen müssen, weil sie nicht gehorcht habe. Sie


Universität Bern Studienjahr 2004 / 05<br />

Prof. R. Hadorn Unterrichtsbaustein von:<br />

AHL Fachdidaktik Geschichte Birgit Stalder und Andrea Schwab<br />

glauben zu wissen, dass bei Biglers die Elisabeth die „Hose anhabe“. Das merke man ja<br />

schon, wenn man sie die Magd herumbefehlen höre.<br />

Diese kleine Geschichte ist zwar erfunden, hätte sich aber genauso abspielen können.<br />

Gerichtsakten eben dieses Sittengerichts erzählen von solchen Ehekonflikten. Die Geschichte<br />

zeigt, dass zwar theoretisch der Mann das Oberhaupt des <strong>Haus</strong>es war und auch das Recht<br />

hatte, seine Frau in „angebrachtem Masse“ zu züchtigen (zu schlagen), die Frau aber trotz<br />

Gehorsam und offizieller Unterordnung eine wichtige Stellung und auch Macht innehatte. Sie<br />

verwaltete oft das <strong>Haus</strong>haltsgeld und stand <strong>im</strong> <strong>Haus</strong> drin dem Gesinde (Dienstpersonal) vor.<br />

Damit haben wir nun bereits die Frage angesprochen, wie die Frau zu ihrer doch in gewissen<br />

Bereichen auch einflussreichen Position kam:<br />

Das Ganze <strong>Haus</strong>, sei es ein Bauernhof, sei es ein Handwerksbetrieb oder ein Adligenhaushalt<br />

war vom Zusammenwirken von Mann und Frau abhängig. Erst in einer Ehe, in der er und sie<br />

gemeinsam arbeiteten, funktionierte das <strong>Haus</strong> als Einheit und wurde der Mann als<br />

sogenannter <strong>Haus</strong>vater überhaupt ernst genommen. Der Mann war also in einem gewissen<br />

Grad genauso auf seine Frau angewiesen wie sie auf ihn.<br />

<strong>Haus</strong>mütterliche Pflichtbereiche, die wir auch heute noch als typisch weiblich bezeichnen<br />

würden, umfassten die (christliche) Kindererziehung und die konkrete <strong>Haus</strong>arbeit inklusive<br />

Aufsicht über das Gesinde, das <strong>im</strong> <strong>Haus</strong> drin arbeitete. Neben diesen ausschliesslich<br />

weiblichen Aufgaben, die jene des Mannes ergänzten, arbeitete die <strong>Haus</strong>mutter aber auch<br />

direkt mit dem <strong>Haus</strong>vater zusammen, indem sie dasselbe erledigte wie er. Dadurch dass sich<br />

alle Arbeiten innerhalb des <strong>Ganzen</strong> <strong>Haus</strong>es abspielten, konnte die <strong>Haus</strong>mutter effizient ihren<br />

Pflichten nachkommen. Im <strong>Ganzen</strong> <strong>Haus</strong> Alteuropas kann noch nicht von einer<br />

Mehrfachbelastung <strong>im</strong> heutigen Sinne gesprochen werden.<br />

Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Der <strong>Haus</strong>vater vertrat die Familie gegen<br />

aussen, hatte die Pflicht, die dem <strong>Haus</strong> angehörigen Personen zu schützen und für ein<br />

Einkommen zu sorgen. Doch konnte er all dies nicht ohne die Mithilfe seiner Frau erledigen.<br />

Ihre Mitarbeit erst ermöglichte es ihm, die oben genannten Aufgaben zu erfüllen. Der mit der<br />

Mitarbeit verbundene Einfluss (zum Beispiel das Recht, über das Gesinde zu befehlen) führte<br />

hin und wieder zu konfliktreichen Situationen, weil der Mann das Gefühl bekommen konnte,<br />

die Frau komme ihrer Gehorsamspflicht nicht genügend nach.


Universität Bern Studienjahr 2004 / 05<br />

Prof. R. Hadorn Unterrichtsbaustein von:<br />

AHL Fachdidaktik Geschichte Birgit Stalder und Andrea Schwab<br />

Folgende Begriffe sollten die SchülerInnen be<strong>im</strong> Zuhören des Kurzreferates notiert oder<br />

zumindest inhaltlich paraphrasiert haben:<br />

Das Ganze <strong>Haus</strong> als Gemeinschaft.<br />

Theoretisch:<br />

Der <strong>Haus</strong>vater: Vertretung des <strong>Haus</strong>es in der Öffentlichkeit; Schutz ; Einkommen.<br />

Die <strong>Haus</strong>mutter: Gehorsam, Treue.<br />

In der Realität möglich:<br />

Die Frau trägt „die Hose“.<br />

Einfluss der Frau: Mitarbeit; Mann ist abhängig.<br />

Ergänzende typisch weibliche Arbeiten; gemeinsame Aufgaben.<br />

Konflikte<br />

Es empfiehlt sich, diese Liste als Folie aufzulegen, um den <strong>im</strong> Mitschreiben noch<br />

unerfahrenen SchülerInnen eine Überprüfung und Vervollständigung ihrer Notizen zu<br />

ermöglichen.

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