Pioniere | Vor 15 Jahren begann im Landkreis Soltau das Biogas ...
Pioniere | Vor 15 Jahren begann im Landkreis Soltau das Biogas ...
Pioniere | Vor 15 Jahren begann im Landkreis Soltau das Biogas ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
lage gebaut; und jetzt muss es<br />
gleich be<strong>im</strong> ersten Mal klappen,<br />
<strong>im</strong> Spätherbst muss alles fertig<br />
sein. Ein Start in ein kleines<br />
Abenteuer.<br />
Gleiche Anlage für alle<br />
Mit dem Bau der Garbehälter<br />
betraut man auswärtige Firmen;<br />
den Rest machen Handwerker<br />
aus der Region und die Landwirte<br />
selbst. Man bildet Arbeitsgruppen.<br />
Alle Baugruppen-Mitglieder<br />
bekommen die gleiche<br />
Anlage: einen Gärbehalter mit<br />
600 oder 1.000 m 3 Fassungsvermögen,<br />
dazu je zwei Hochreiter-Motoren<br />
á 22 kW Leistung.<br />
Auf den Bau eines zusätzlichen<br />
Speicherbehälters verzichtet man<br />
aus Kostengründen.<br />
Weseloh gehört zu der Gruppe,<br />
die für den Bau der Gärbehälter<br />
zuständig ist. Der Gruppe ist klar,<br />
<strong>das</strong>s sie Wärmequellen einplanen<br />
muss, um den Gärprozess später<br />
in Gang zu setzen. Aber wie es<br />
genau gehen soll, weiß keiner so<br />
genau. Die Gruppe trifft sich; man<br />
debattiert mögliche Lösungen.<br />
Soll man Heizschlangen in die<br />
Wände und den Boden des Behälters<br />
einbetonieren? Oder ist es<br />
besser, einen Wärmetauscher einbauen<br />
zu lassen? Man entscheidet<br />
sich für Heizschlangen. Und wie<br />
müssen die verlegt werden? Die<br />
Landwirte sehen sich fragend an.<br />
„Wir wussten nicht, ob es besser<br />
ist, die Heizungsleitung in die Behälterwand<br />
einzubauen oder später<br />
von innen vor die Wand zu<br />
montieren.” Wieder wird überlegt<br />
und diskutiert. Sie beschließen,<br />
die Heizungen einbetonie-<br />
ren zu lassen. Schritt für Schritt<br />
nehmen die Anlagen so Formen<br />
an. Rechtzeit vor dem Beginn des<br />
Winter sind die Bauarbeiten beendet;<br />
alle Anlagen sind fertig. Das<br />
Geld vom Bundesamt kann nun<br />
nicht mehr wegen Fristüberschreitung<br />
zurückgefordert werden.<br />
Jetzt beginnt die Feinarbeit, <strong>das</strong><br />
Abst<strong>im</strong>men der Komponenten auf<br />
die Besonderheiten der Anlagen.<br />
Sie dauert Jahre; Prozessführung,<br />
Gasmessung, Motor- und Pumpensteuerung,<br />
Ex-Schutz: Überall<br />
betritt die Gruppe Neuland,<br />
fertige Lösungen aus dem Katalog<br />
gibt es nicht. „Bei der Haltbarkeit<br />
der Technik haben wir uns<br />
sehr verschätzt”, sagt Jacobs. Alle<br />
Metallteile mit einfacher Beschichtung<br />
habe er an seiner<br />
Anlage inzwischen gegen Edelstahlkomponenten<br />
austauschen<br />
müssen. Das einfache Metall<br />
war den Anforderungen nicht gewachsen<br />
und schnell korrodiert.<br />
Lehrgeld. Bei der Feinjustierung<br />
entsteht viel Know-how. Jacobs<br />
und andere exper<strong>im</strong>entieren eine<br />
Zeit lang mit Silomais als Gärstoff;<br />
außerdem entwickeln sie<br />
begeh- und befahrbare Fermenterdecken<br />
und auf diesen Decken<br />
montierte Rührwerksysteme. Das<br />
spricht sich rum. Immer mehr Besucher<br />
wollen Jacobs‘ Anlage sehen.<br />
Danach gründen einige Besucher<br />
eigene Firmen.<br />
Das können wir auch, sagen<br />
sich einige Landwirte aus der Baugruppe<br />
von 1995; sie beschließen,<br />
ihr gesammeltes Know-how<br />
zu Geld zu machen und gründen<br />
2000 ebenfalls eine Firma für Anlagenbau<br />
mit dem Namen Euro<br />
<strong>Biogas</strong>. Inzwischen hat die Firma<br />
80 Hofanlagen und drei Großanlagen<br />
gebaut, sagt der Geschäftsführer<br />
von Euro <strong>Biogas</strong>, Wilken<br />
Corleis (Titelfoto, links). Weseloh<br />
und Jacobs haben ihre Anlagen<br />
seit 1995 mehrfach erweitert. Mit<br />
<strong>Biogas</strong> verdienen ihre Höfe seitdem<br />
jedes Jahr gutes Geld. Allein,<br />
ohne Hilfe der Kollegen aus<br />
der Baugruppe, hätten sie <strong>das</strong> Projekt<br />
damals wohl nicht auf sich genommen,<br />
sagen beide Landwirte.<br />
Das Scheitern droht zwar nie;<br />
aber je größer <strong>das</strong> Projekt, umso<br />
größer die Wahrscheinlichkeit,<br />
<strong>das</strong>s mal was schief geht. Jedesmal,<br />
wenn einen Landwirt aus der<br />
Baugruppe mal der Mut verlässt,<br />
weil die Zeit knapp wird oder <strong>das</strong><br />
»Wir wollten damals raus aus<br />
der Rolle der Landwirte als<br />
Rohstofflieferanten für die Industrie «<br />
eigene Wissen an Grenzen stößt,<br />
kann er sich in der Baugruppe Rat<br />
holen.<br />
Man zieht an einem Strang. Allen<br />
geht es um neue Einnahmequellen<br />
für den Hof. Aber es ist<br />
nicht nur <strong>das</strong> Geld. Es geht um<br />
mehr, sagt Jacobs: „Wir wollten<br />
damals auch raus aus der Rolle<br />
der Landwirte als Rohstofflieferant<br />
für die Industrie.” Eine Bi-<br />
TITELTHEMA<br />
ogasanlage, so glaubt er damals,<br />
könne ein Ausweg aus dieser Situation<br />
sein.<br />
Und heute? Inzwischen sind<br />
viele dem Beispiel der Baugruppe<br />
aus <strong>Soltau</strong> gefolgt. Die Beziehung<br />
zwischen Landwirtschaft<br />
und Nahrungsmittelindustrie hat<br />
sich tatsächlich geändert.<br />
Konkurrenz <strong>im</strong> Nacken<br />
Es gibt mittlerweile fast 5000<br />
<strong>Biogas</strong>anlagen in Deutschland.<br />
Tausende Landwirte haben in <strong>Biogas</strong><br />
investiert und mitgeholfen,<br />
<strong>das</strong>s die Hersteller ihre Produkte<br />
verbessern konnten. Noch ist <strong>Biogas</strong>technik<br />
vor allem Landtechnik.<br />
Hans-Hermann Jacobs sagt,<br />
<strong>das</strong>s müsse auch in Zukunft so<br />
bleiben. E-on hat <strong>im</strong> <strong>Vor</strong>jahr den<br />
<strong>Biogas</strong>rat gegründet, der, so sagen<br />
es einige Experten, nur darum gegründet<br />
wurde, um den Landwirten<br />
die <strong>Vor</strong>herrschaft in Sachen<br />
<strong>Biogas</strong> streitig zu machen. „Ein<br />
Hans-Hermann Jacobs,<br />
Landwirt und <strong>Biogas</strong>betreiber<br />
aus dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Soltau</strong> in<br />
Niedersachsen.<br />
Nebeneinander von landwirtschaftlichen<br />
Anlagen und von Energieversorgern<br />
betriebenen Anlagen,<br />
ist wünschenswert”, sagt<br />
Martin Pehnt vom Institut für Energie-<br />
und Umweltforschung (ifeu)<br />
in Heidelberg. Das heißt, Landwirte<br />
müssen sich auf mehr Konkurrenz<br />
einstellen. Aber, wie heißt<br />
es: Konkurrenz belebt <strong>das</strong> Geschäft.<br />
Holger Dirks<br />
joule 5.2010 | 33