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Von KH Käsinger - Gesellschaft für Nordhessische Mundarten

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4 Der Mundart-Kurier 12 / 2008<br />

Meh geheeren au derbie ! <strong>Von</strong> Almut Weingart<br />

Kimmed am Mondare bie uns ins<br />

Rodhus en fremeder Mannskerle<br />

middem Agdenkoffer derch de Glosdeere<br />

geschdiwweld un frochd, wo’s<br />

bien Birjemeisder gehd. Doh honn ich<br />

erschdemoh gefrochd, wosse von emme<br />

will. Me kann jo nid jeden einfach bien<br />

Scheff lossen. Wer weiß dann, wos dobie<br />

russkimmed.<br />

Wie me uns ne Zidd unnerhahlen<br />

hadden, schbrichd doch der Fremede<br />

for mich, uss welchem Bundesland ich<br />

dann käme, wall ich so ’n merkwürdijen<br />

Dialegd schbrechen däde. „Na, hier<br />

uss Hessen“, honn ich emme geandworded.<br />

Doh meinde hä, dos könnde<br />

nid sinn. In Hessen „däde de Leid babbele,<br />

Äbbelwoi saufe un Frankfodder<br />

Werschdche esse!“<br />

Doh krichde ich soo ’n Hals, ich<br />

schbreche’s uch! Es wor widder moh<br />

sonnenklar: <strong>Von</strong> uns hier owen wissen<br />

de Liede gar nischd! Dass meh au derbie<br />

geheeren, hodd immer noch kinner<br />

middegekrichd! Unse Land von Herkeles,<br />

Ahler Worschd un Weggewerg<br />

kennd kinn Mensch!<br />

Un de Schdadt Kassel, die machd<br />

doch au nischd, dass meh alle ’n besschen<br />

bekannder wären! Die meinen, es<br />

schigged, wann se alle fimf Johre en<br />

baar Worren kinn Schberrmill abfohren<br />

un iwwerall kwärcher Krom in dr<br />

Schdadt dorum lichd – dos nennen se<br />

dann Doggemenda. Doh missde schon<br />

en besschen mehr bassieren!<br />

De einzjen, die wos fer uns dun, dos<br />

sinn die vom ZedDehEff, die honn<br />

Kassel hebsch midden druffe uff dr<br />

Wedderkarde.<br />

Dofor muss me danggbar sinn. Also,<br />

wann ich de Gebiehren iwwerwiese fer<br />

Radjo un Fernsehn, dann mache ich<br />

immer noch drei Euro egsdra derbie<br />

un schriewe druff: for ds ZedDehEff.<br />

Wann dos noch en baar annere marren<br />

däden, könnden me vielleichde erreichen,<br />

dass se dos Word Kassel egsdra<br />

scheene digge druggen uff dr Wedderkarde.<br />

Uff dr anneren Siede hilfd uns dos<br />

awwer au nid veele, wall middem<br />

Wedder simme doch au meisdens ohngeschmeerd:<br />

Wann’s im Norden drei Worren<br />

in Schdrömen rächned un sonsd ess<br />

scheenes Wedder, dann geheeren meh<br />

bien Norden. Wann im Wesden de<br />

Schdirme iwwers Land fejen, Bäume<br />

ussrubben un immeschmissen, während<br />

im Süden, Osden un Wesden kinn<br />

Hauch ze schbieren ess, dann geheeren<br />

meh in dn Norden. Wann’s im Süden<br />

de greeßde Hidse aller Zieden giwwed,<br />

alles verderrd, de Liede schwidsen un<br />

ds Selderswasser wird knabb, awwer<br />

rundrum is laues Sommerwedder,<br />

dann liejen meh unner Garandie im<br />

Süden.<br />

Bie dn Osden geheeren meh, wann<br />

doh ne Schnee- un Eiswisde herrschd<br />

un im Resde von dr Rebubligge schon<br />

de linden Friehlingslifde wehen.<br />

Un wann de Liede meinen, Hessen,<br />

dos wäre bloß Frankfurt un Umgäwunge,<br />

dann missme dogäjen moh<br />

wos marren.<br />

Die behaubden jo sogar, de Griene<br />

Soße käme von doh! Nä, nä, nä, die ess<br />

von hie! Vergesdern homme se erschd<br />

gegessen.<br />

Deh Liede, meh honn schließlich au<br />

Kuldur – äwen nordhessische! Es wird<br />

Zidd, dasses alle anneren endlich begriffen:<br />

Meh geheeren au derbie!<br />

*<br />

Mundart: Kaufungen<br />

Der nebenstehende Text ist entnommen<br />

aus Almut Weingarts<br />

„Ich will’s uch schbrechen. ’s Annchen<br />

rimmed uff“ (2005). Die<br />

Autorin schreibt im Vorwort:<br />

Dieses Buch ist in nordhessischem<br />

Dialekt geschrieben, einer<br />

Sprache, die mehr und mehr aus<br />

dem Alltag verschwindet. Wir<br />

Nordhessen sprechen nicht so<br />

selbstverständlich „platt“ wie<br />

viele Menschen in anderen deutschen<br />

Regionen.<br />

Bestenfalls bei volkstümlichen<br />

Veranstaltungen taucht unsere<br />

Mundart auf, wenn launige Geschichten<br />

aus alten Zeiten erzählt<br />

werden.<br />

Wenige ältere Menschen auf<br />

dem Lande drücken sich in unserer<br />

ursprünglichen Sprache aus,<br />

die meisten halten sie <strong>für</strong> unfein<br />

und plump.<br />

Unser Dialekt ist so wenig<br />

bekannt, dass die Öffentlichkeit<br />

häufig der Auffassung ist, typisch<br />

hessisch sei das „Gebabbele“ der<br />

Leute, die im Frankfurter Raum<br />

leben. Worüber wir Nordhessen<br />

uns zwar häufig aufregen, was<br />

uns aber nicht veranlasst, unsere<br />

eigene Mundart zu pflegen.<br />

Denn schließlich verrät der<br />

Dialekt einer Gegend viel über<br />

ihre Bewohner, über ihre Geschichte<br />

und den ihnen eigenen<br />

Humor und ist damit ein Stück<br />

Identität. Mit den Geschichten<br />

des „Annchens“ möchte ich zeigen,<br />

dass unsere Sprache durchaus<br />

eine Berechtigung im heutigen<br />

täglichen Leben hat, und sie<br />

den Menschen auf humoristische<br />

Weise näher bringen.<br />

Auch die neuen Geschichten<br />

aus dem Leben des „Annchens“,<br />

der Putzfrau des Kaufunger<br />

Bürgermeisters, sollten laut gelesen<br />

werden, weil die Worte so<br />

geschrieben sind, wie man sie<br />

spricht. Ich hoffe, Sie entdecken<br />

dabei den Reiz unseres Dialekts<br />

und haben Spaß, ihn zu sprechen.

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