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Gesundheit von Kindern und Familien - Katholische ...

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2. Aaron Antonovsky betont in seinem salutogenetischen<br />

Konzept die Stärkung der<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sressourcen eines Menschen<br />

gegenüber der bisher üblichen starken<br />

Ausrichtung der Medizin auf Risikofaktoren.<br />

Am salutogenetischen Konzept<br />

interessiert vor allem, warum Menschen<br />

ges<strong>und</strong> bleiben <strong>und</strong> nicht so sehr, warum<br />

sie krank werden. Aus dieser Perspektive<br />

erklärt sich die wachsende Bedeutung <strong>von</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung mit ihren verschiedenen<br />

Ansätzen <strong>und</strong> Instrumenten. Mit<br />

seinem Konzept der Salutogenese. lieferte<br />

Antonovsky weitere wichtige Bausteine<br />

<strong>und</strong> eine weit reichende Neuorientierung<br />

im Verstehen <strong>von</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><br />

Krankheit als zwei entgegen gesetzten<br />

Positionen auf einem Kontinuum. Nach<br />

diesem Ansatz ist ein Mensch nicht entweder<br />

ges<strong>und</strong> oder krank, sondern befi ndet<br />

sich zu einem bestimmten Zeitpunkt auf<br />

einer bestimmten Position zwischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

<strong>und</strong> Krankheit. Interessant sind<br />

dabei die Perspektiven, die sich durch diese<br />

Sichtweise eröffnen. Das salutogenetische<br />

Konzept ist vor allem ausgerichtet auf die<br />

Analysen fördernder <strong>und</strong> stärkender Faktoren,<br />

auf die ganzheitliche, nicht allein<br />

symptomorientierte Betrachtung <strong>und</strong><br />

auf die Stärkung der Bewältigungskompetenzen<br />

des Individuums. Gegenüber der<br />

bisher üblichen starken Ausrichtung der<br />

Medizin auf Risikofaktoren betont es die<br />

Stärkung der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sressourcen eines<br />

Menschen. Bezogen auf unser Erkenntnisinteresse<br />

muss die zugegebenermaßen<br />

vereinfachte <strong>und</strong> plakative Fragestellung<br />

lauten: Was erhält ein Kind unter Armutsbedingungen<br />

ges<strong>und</strong>?<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung - Ergebnis des<br />

Perspektivenwandels<br />

Mit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung werden die ges<strong>und</strong>heitsbezogenen<br />

Anstrengungen bezeichnet,<br />

die im Sinne der Ottawa-Charta<br />

der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation das Ziel<br />

verfolgen, „allen Menschen ein höheres<br />

Maß an Selbstbestimmung über ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

zu ermöglichen <strong>und</strong> sie damit zur<br />

Stärkung ihrer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu befähigen“<br />

(WHO 1986). <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung als<br />

gezielte Präventionsstrategie wird laut Ottawa-Charta<br />

sowohl als Instrument zur<br />

Steigerung der individuellen Handlungs-<br />

FORUM 3<br />

<strong>und</strong> Bewältigungskompetenzen wie auch<br />

als gesellschaftspolitische Querschnittsaufgabe<br />

defi niert, mit dem Ziel ges<strong>und</strong>heitsfördernde<br />

Bedingungen für Alle zu<br />

schaffen. Individuen <strong>und</strong> Gruppen sollen<br />

ihre Bedürfnisse wahrnehmen <strong>und</strong> ihre Lebensumstände<br />

verändern können. Dieser<br />

Ansatz versteht sich als emanzipatorisch<br />

– ein Schlüsselwort in der Ottawa Charta<br />

lautet „Empowerment“ – <strong>und</strong> als politisch,<br />

denn das Ziel ist, ges<strong>und</strong>heitsförderliche<br />

Rahmenbedingungen (Lebenswelten) zu<br />

generieren, um mehr Chancengleichheit<br />

zu schaffen.<br />

Eine Schlüsselrolle bei der Etablierung der<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung als Interventionsform<br />

nahm die WHO ein. Sie erarbeitete<br />

fl ankierende Konzepte zur Umsetzung,<br />

wie z.B. das der ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />

Settings, die die abstrakten Konzepte der<br />

Ottawa-Charta ergänzen. Auf europäischer<br />

Ebene sind im Verlauf dieses Prozesses<br />

Konzepte <strong>und</strong> Strategien zur Förderung<br />

<strong>von</strong> Chancengleichheit im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />

entwickelt <strong>und</strong> konkretisiert worden,<br />

die für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung in Europa<br />

gr<strong>und</strong>legend waren. Diese verstanden<br />

sich als Aktionsprogramm mit der Zielsetzung<br />

„<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> für Alle“. Die Verringerung<br />

sozialer <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlicher<br />

Chancenungleichheiten gehört danach<br />

zum Kern der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung nach<br />

dem Verständnis der WHO.<br />

Im Zentrum <strong>von</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung<br />

steht also die Förderung individuell zur<br />

Verfügung stehender Ressourcen, die zur<br />

Minimierung <strong>von</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>srisiken<br />

eingesetzt werden können, sowie die<br />

Verringerung gefährdender gesellschaftlicher<br />

Einfl üsse auf die Vulnerabilität des<br />

Individuums <strong>und</strong> der parallele Aufbau<br />

protektiver Kräfte.<br />

Dieser Perspektivenwechsel spiegelt sich in<br />

zahlreichen, zur Zeit höchst aktueller Konzepten<br />

nicht nur der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sförderung,<br />

sondern im Konzept der Risiko- <strong>und</strong><br />

Schutzfaktoren oder im Verständnis <strong>von</strong><br />

Resilienz als psychischer Widerstandskraft<br />

gegenüber biologischen, psychologischen<br />

<strong>und</strong> psychosozialen Entwicklungsrisiken.<br />

Alle diese Konzepte zielen auf den Erhalt<br />

<strong>von</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> trotz erhöhter Entwicklungsrisiken.<br />

Im Klartext bedeutet das für Prävention<br />

<strong>und</strong> Intervention: Es ist unzureichend, nur<br />

die Risiken, Probleme <strong>und</strong> Symptome im<br />

Leben eines Kindes zu bewerten. Wichtig<br />

ist, die Ressourcen ebenso gut zu kennen<br />

wie die Risiken, die potenziellen schützenden<br />

Systeme ebenso wie die Vulnerabilitäten<br />

(Verletzbarkeiten), vorhandene<br />

Kompetenzen genauso wie vorhandene<br />

Symptome. Eine solche Denkweise eröffnet<br />

nicht nur die Befreiung vom Zwang des<br />

Determinismus, im Sinne einer schicksalhaften<br />

Vorbestimmung des Lebens, sondern<br />

ermöglicht auch die Entwicklung<br />

präventiver Handlungskonzepte <strong>und</strong><br />

praxisorientierter Instrumente.<br />

AWO-ISS-Studie verweist auf<br />

Bedeutung familiären Rückhalts<br />

Einen ersten Schritt in diese Richtung<br />

gingdie AWO/ISS-Studie (2005), als sie<br />

die Auswirkungen <strong>von</strong> Kinderarmut als<br />

wesentlichen Risikofaktor für die Entwicklung<br />

<strong>von</strong> Mädchen <strong>und</strong> Jungen in den Blick<br />

nahm <strong>und</strong> die Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong><br />

mehrfach vom Kindergartenalter bis zum<br />

Übergang in die weiterführenden Schulen<br />

unter diesem Aspekt begutachtete. Das<br />

Interesse galt dabei den Faktoren, die eine<br />

positive Entwicklung der Kinder trotz dauerhafter<br />

Armut begünstigen. Schutzfaktoren<br />

wurden in diesem Konzept in den<br />

Persönlichkeitsmerkmalen des Kindes,<br />

den Merkmalen der engeren sozialen<br />

Umwelt <strong>und</strong> dem außerfamilialen Stützsystem<br />

verortet. Das Ergebnis zeigt u.a.,<br />

dass bei anhaltender fi nanzieller Armut<br />

vor allem familiale Ressourcen schützend<br />

im Sinne einer positiven Entwicklung der<br />

Kinder wirken. Unterstützung, Anregung<br />

<strong>und</strong> Förderung, kurz gesagt familialer<br />

Rückhalt wirkt sich vor allem unter Armutsbedingungen<br />

als Schutzfaktor für<br />

einen positiven Entwicklungsverlauf aus.<br />

Als stärkender Faktor wurden vor allem<br />

„<strong>Familien</strong>aktivitäten“ ermittelt, d.h. mehr<br />

oder weniger alltägliche Ereignisse, wie<br />

gemeinsame Gesellschaftsspiele, Vorlesen,<br />

Besuche bei Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten<br />

<strong>und</strong> auch strukturgebende Rituale, wie<br />

tägliche Mahlzeiten mit mindestens einem<br />

Elternteil. Hervorzuheben ist dabei übrigens,<br />

dass sich diese Aussagen auf alle<br />

<strong>Familien</strong>formen (d.h. auf Ein-Eltern-,<br />

Zwei-Eltern- oder Patchworkfamilien)<br />

KOMPAKT Spezial 1/2009 21

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