10 Oberflächenentladungen - Fachgebiet Hochspannungstechnik
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 1<br />
<strong>10</strong> <strong>Oberflächenentladungen</strong>.................................................................................................2<br />
<strong>10</strong>.1 Gleitentladungen.........................................................................................................2<br />
<strong>10</strong>.1.1 Entwicklung von Gleitentladungen ....................................................................2<br />
<strong>10</strong>.1.2 Maßnahmen zur Vermeidung von Gleitentladungen .........................................5<br />
<strong>10</strong>.2 Fremdschichtüberschlag .............................................................................................6<br />
<strong>10</strong>.2.1 Mechanismus des Fremdschichtüberschlages ....................................................6<br />
<strong>10</strong>.2.2 Maßnahmen zur Verbesserung des Fremdschichtverhaltens .............................9<br />
<strong>10</strong>.2.3 Prüfungen mit künstlicher Fremdschicht..........................................................14<br />
<strong>Fachgebiet</strong> <strong>Hochspannungstechnik</strong> <strong>Hochspannungstechnik</strong><br />
Prof. Dr.-Ing. Volker Hinrichsen WS 09/<strong>10</strong> + SS <strong>10</strong>
<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 2<br />
<strong>10</strong> <strong>Oberflächenentladungen</strong><br />
<strong>10</strong>.1 Gleitentladungen<br />
Gleitentladungen entstehen an der Grenze zweier Isolierstoffe mit unterschiedlichem<br />
Aggregatzustand, z.B. an der Oberfläche eines Feststoffisolators in Luft, bei gemischt<br />
normaler und tangentialer Feldbeanspruchung und gleichzeitig starker kapazitiver<br />
Verkopplung der Oberfläche mit einer der Elektroden. Typische technische Gleitanordnungen<br />
sind Durchführungen, Kabelenden oder die Austrittstelle von Wicklungsstäben elektrischer<br />
Maschinen aus dem Blechpaket (s. Abschnitt 8.1.1). Eine klassische Modellanordnung zur<br />
Untersuchung von Gleitentladungen ist die Toeplersche Gleitanordnung. Sie besteht aus<br />
einer einfachen Glasplatte mit aufgesetzter Stabelektrode. Die Gegenelektrode wird durch<br />
eine auf der anderen Seite der Glasplatte aufgebrachte Metallfläche gebildet, s. Bild.<br />
Glasplatte<br />
Knopf- oder Stabelektrode<br />
Charakteristisch für alle Gleitanordnungen ist, dass sich auf Grund des zwischen den<br />
Elektroden angeordneten Dielektrikums hoher Durchschlagfeldstärke kein direkter Durchschlag<br />
ausbilden kann. Dieser kann nur auf einem Umweg entlang der Isolatoroberfläche erfolgen.<br />
Maßgeblich für die Durchschlagsentwicklung ist die spezifische Oberflächenkapazität<br />
des Dielektrikums. Nur wenn diese einen bestimmten Mindestwert aufweist, können sich<br />
Gleitentladungen ausbilden. Eine weitere Vorbedingung ist, dass es an einer der Elektroden<br />
überhaupt zu Vorentladungen kommt. Deren Vermeidung stellt das wirksamste Mittel zur<br />
Vermeidung von Gleitentladungen dar.<br />
<strong>10</strong>.1.1 Entwicklung von Gleitentladungen<br />
Die Einsetzspannung der oben gezeigten Toeplerschen Gleitanordnung besitzt folgende<br />
Abhängigkeit von der Schichtdicke s:<br />
s<br />
= ⋅ Ue in kV; s in cm<br />
UeK εr<br />
Geerdete Metallfolie<br />
auf der Rückseite<br />
Gleitanordnung nach Toepler: Versuchsanordnung (links) und Schnittbild (rechts) mit Darstellung<br />
der Oberflächenladungen und Oberflächenkapazitäten<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 3<br />
Der Faktor K lässt sich zwar theoretisch berechnen, jedoch spielen viele zusätzliche<br />
Einflussgrößen wie die Ausbildung der Elektrode oder der Oberflächenwiderstand der Isolierung<br />
eine Rolle, so dass es zweckmäßig ist, für K empirisch gefundene Werte anzusetzen:<br />
Anordnung K<br />
Metallrand<br />
in Luft<br />
in SF6<br />
8<br />
21<br />
Metall- oder Grafitrand in Öl 30<br />
Grafitrand in Luft 12<br />
Wird nach Überschreiten der Einsetzspannung die Spannung weiter gesteigert, bilden sich<br />
Gleitbüschelentladungen (Streamer) aus. In der Toeplerschen Gleitanordnung breiten sie<br />
sich sternförmig als eine Gleitkorona um den Gleitpol herum, an einer koaxialen Anordnung<br />
(z.B. Ausleitung) in Achsrichtung über den Umfang des Dielektrikums aus, s. die nächsten<br />
Bilder.<br />
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Gleitentladungen an der Toeplerschen<br />
Gleitanordnung (oben links und<br />
rechts) und an einer koaxialen<br />
Anordnung (unten)
<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 4<br />
Auf der Isolatoroberfläche verbleiben Oberflächenladungen, die mit der Gegenelektrode<br />
eine Kapazität bilden. Deren auf die von den Entladungen bedeckte Fläche AL bezogener spezifischer<br />
Wert ist<br />
c<br />
Ob<br />
COb<br />
ε0 ⋅ε<br />
r<br />
= =<br />
A s<br />
L<br />
Der Strom in den Entladungskanälen ist<br />
i<br />
k<br />
dQOb d( uOb ⋅COb)<br />
= =<br />
dt dt<br />
Die Spannung uOb ist darin die Spannung zwischen der betrachteten Stelle an der Isolatoroberflächenstelle<br />
und der Gegenelektrode. In erster Näherung ist sie mit der an der Elektrode<br />
anliegenden Spannung u gleichzusetzen, so dass schließlich, unter Anwendung der Produktregel,<br />
für den Strom im Entladungskanal gilt:<br />
du<br />
dC<br />
ik = COb⋅ + u⋅<br />
dt dt<br />
Ob<br />
Bei Wechselspannung kann die Spannung im betrachteten Zeitraum (≈ <strong>10</strong> ns) als konstant<br />
angesehen werden, also du/dt = 0. Damit wird<br />
dC dA<br />
i ≈u⋅ = u⋅c ⋅<br />
dt dt<br />
Ob L<br />
k Ob<br />
Der Entladungsstrom hängt damit, außer von der anliegenden Spannung, ausschließlich<br />
von der spezifischen Oberflächenkapazität ab, da auch die Flächenausbreitungsgeschwindigkeit<br />
letztlich eine Funktion von cOb ist.<br />
Bei Stoßspannungsbeanspruchung kann der Term du/dt nicht vernachlässigt werden:<br />
Gleitentladungen treten dort deshalb noch intensiver auf als bei Wechselspannung. Bei<br />
Gleichspannungsbeanspruchung werden dagegen alle beiden zeitlichen Ableitungen zu<br />
Null: Gleitentladungen treten daher bei Gleichspannung theoretisch nicht auf. Tatsächlich<br />
stellen Sie jedoch auch hier ein Problem dar (z.B. bei Gleichspannungsdurchführungen oder<br />
Endverschlüssen für Gleichspannungskabel), da sich der Gleichspannung hochfrequente<br />
Anteile überlagern, sobald an der Anordnung Vorentladungen entstehen.<br />
Schon bei Streamer-Längen von wenigen Zentimetern kommt es auf Grund der hohen,<br />
durch die spezifische Oberflächenkapazität bewirkten Stromstärken zu Thermoionisation, und<br />
die Streamer-Entladungen schlagen in Leader-Entladungen um (in einer Spitze-Platten-Anordnung<br />
in Luft sind dafür Entladungslängen von mindestens einem Meter erforderlich, s.<br />
Abschnitt 9.5.6.3). Die entsprechenden deutschsprachigen Bezeichnungen sind Gleitstielbüschel-Entladungen<br />
oder Gleitfunken.<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 5<br />
Für Leader-Entladungen charakteristisch ist der geringe Spannungsbedarf, verursacht<br />
durch einen negativen Widerstand (fallende Spannung bei steigendem Strom). Zum<br />
Vergleich:<br />
Überschlagsspannung (ûd) an einem Stützisolator: ≈ 5 kV/cm<br />
Gleitkorona (û): ≈ 6 kV/cm<br />
Gleitfunken (û): einige <strong>10</strong>0 V/cm<br />
Ist die Gleitentladung erst einmal in eine Leader-Entladung umgeschlagen, bedarf es nur<br />
noch einer geringfügigen weiteren Spannungssteigerung bis zum Überschlag. Das Erreichen<br />
der Gleitfunkeneinsetzspannung Ug muss daher in praktischen Anordnungen unbedingt<br />
vermieden werden. Für Ug in Luft wurde folgende empirische Beziehung gefunden<br />
U g<br />
13,5 ⋅<strong>10</strong><br />
−5<br />
= Ug ... Effektivwert der Spannung in kV; cOb in F/cm 0,44<br />
cOb<br />
2<br />
Speziell für die ebene Anordnung (Toeplersche Gleitanordnung) gilt<br />
U<br />
g<br />
⎛ s ⎞<br />
= 75⋅⎜<br />
⎟<br />
ε<br />
⎝ r ⎠<br />
0,44<br />
Ug ... Effektivwert der Spannung in kV; s ... Plattendicke in cm<br />
<strong>10</strong>.1.2 Maßnahmen zur Vermeidung von Gleitentladungen<br />
Die wichtigsten Maßnahmen zur Vermeidung von Gleitentladungen wurden bereits in<br />
Kapitel 8 beschrieben. Wie ebenfalls schon erwähnt, ist die Vermeidung des Auftretens von<br />
Vorentladungen am wirkungsvollsten. Erreicht wird dies zum Beispiel durch vorgeschobene,<br />
d.h. in den Isolierstoff eingelassene Elektroden, Metallisierung des Flanschbereichs von<br />
Durchführungen oder die kapazitive Feldsteuerung. Eine weitere häufig angewendete<br />
Maßnahme ist die resistive Steuerung: durch Aufbringen einer schwach leitfähigen Schicht<br />
auf die Isolatoroberfläche lässt sich, gemäß unten gezeigtem Ersatzschaltbild, die für die<br />
Gleitfunkenentwicklung erforderliche Stromzufuhr begrenzen. In vielen Fällen, so etwa an<br />
den Austrittstellen von Wicklungsstäben elektrischer Maschinen aus dem Blechpaket,<br />
bestehen kaum andere Möglichkeiten zur Unterdrückung von Gleitentladungen.<br />
Ob<br />
Zur Wirkung der resistiven Steuerung gegen Gleitfunkenbildung<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 6<br />
<strong>10</strong>.2 Fremdschichtüberschlag<br />
<strong>10</strong>.2.1 Mechanismus des Fremdschichtüberschlages<br />
Die Überschlagspannung eines Isolators kann durch leitfähige Fremdschichten auf der<br />
Oberfläche stark herabgesetzt werden. Diese bilden sich beispielsweise dann aus, wenn eine<br />
durch Staub-, Ruß-, Salz- oder sonstige Ablagerungen verschmutzte Oberfläche befeuchtet<br />
wird (in trockenem Zustand sind die Ablagerungen meistens unbedenklich). Besonders kritisch<br />
für die elektrische Festigkeit von Freiluftisolationen sind daher nach langen Trockenperioden<br />
einsetzende Betauung, Nebel oder Regen. Anhand des folgenden Bildes wird der Mechanismus<br />
des Fremdschichtüberschlages beschrieben.<br />
Phasen des Fremdschichtüberschlages<br />
(Erläuterungen siehe Text)<br />
Besäße die feuchte Fremdschicht eine völlig gleichmäßige Schichtleitfähigkeit, würde sich<br />
ebenfalls eine gleichmäßige Feldverteilung auf Grund des elektrischen Strömungsfeldes ergeben.<br />
Durch Inhomogenitäten in der Fremdschicht bilden sich aber immer einzelne Trockenzonen<br />
aus, an deren Rändern es zur Stromverdrängung kommt (a). Die an den Rändern erhöhte<br />
Stromdichte bewirkt dort ein Wachsen der Trockenzone quer zum Strömungsfeld durch<br />
Verdampfen der Feuchtigkeit (b). Es kann schließlich zur vollständigen Unterbrechung des<br />
Strompfades kommen, so dass eine erhebliche Spannung über dem entstandenen Trockenband<br />
abfällt (c). Ist diese ausreichend groß, entsteht ein Vorlichtbogen (d), dessen thermische Wirkung<br />
nun für eine schnelle Vergrößerung des Trockenbandes an den Lichtbodenfußpunkten<br />
sorgt (e).<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 7<br />
Es hängt maßgeblich vom Widerstand der Fremdschicht ab, ob ein solcher Lichtbogen<br />
stabil brennt oder wieder erlischt. In den beiden folgenden Bildern sind schematisch für zwei<br />
Beispiele zu fünf aufeinanderfolgenden Zeitpunkten t1 ... t5 die Spannungs-Strom-Kennlinien<br />
des Lichtbogens und die Widerstandskennlinien der in Reihe liegenden Fremdschicht dargestellt.<br />
Während der Spannungsbedarf des länger werdenden Lichtbogens zunimmt (Kenn-<br />
u<br />
AP 4<br />
AP 3<br />
AP 2<br />
AP 1<br />
Abnehmender Fremdschichtwiderstand<br />
linien verschieben sich nach oben), verringert sich gleichzeitig der Widerstand der sich verkürzenden,<br />
in Reihe liegenden Fremdschicht (Kennlinien werden flacher). Im Beispiel 1 für<br />
einen hohen Fremdschichtwiderstand (steile Widerstandsgeraden) wandern die stabilen Arbeitspunkte<br />
auf den Schnittpunkten der Kennlinien nach oben und nach links (AP1 ... AP4),<br />
zum Zeitpunkt t5 existiert bereits kein gemeinsamer Schnittpunkt der Kennlinien mehr: der<br />
u<br />
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t 1<br />
t 2<br />
t 3<br />
t 4<br />
Wachsender Spannungsbedarf<br />
des Lichtbogens<br />
Entwicklung eines Trockenzonenüberschlages<br />
Beispiel 1: Hoher Fremdschichtwiderstand; die Entladung stirbt ab.<br />
AP 2<br />
AP 1<br />
AP 3 AP 4<br />
t 1<br />
t 2<br />
t 5<br />
Abnehmender Fremdschichtwiderstand<br />
AP 5<br />
t 3<br />
t 5<br />
t 4<br />
t 3<br />
t 2<br />
t 1<br />
t 4<br />
t 5<br />
t 4<br />
t 3<br />
t 2<br />
t 1<br />
i<br />
Wachsender Spannungsbedarf<br />
des Lichtbogens<br />
Entwicklung eines Trockenzonenüberschlages<br />
Beispiel 2: Niedriger Fremdschichtwiderstand; die Entladung ist stabil.<br />
i<br />
t 5
<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 8<br />
Lichtbogen stirbt ab. Im Beispiel 2 ist ein geringerer Fremdschichtwiderstand angenommen,<br />
die Widerstandsgeraden verlaufen flacher. Die stabilen Arbeitspunkte wandern zu größeren<br />
Strömen hin, der Lichtbogen brennt stabil.<br />
In der weiteren Entwicklung kann sich eine Vielzahl von Trockenzonen mit Teilüberschlägen<br />
ausbilden, aus denen sich schließlich ein vollständiger Überschlag entwickelt.<br />
Für das Überschlagverhalten bei Fremdschichtbelastung ist also die Schichtleitfähigkeit K<br />
ein wichtiger Parameter. Sie ergibt sich aus dem Leitwert κ der Fremdschicht und der<br />
Fremdschichtdicke ds:<br />
K = κ·ds<br />
Typische Werte sind<br />
K = 5 µS "leichte bis mittlere Verschmutzung"<br />
K = <strong>10</strong> µS "mittlere bis starke Verschmutzung"<br />
K = 40 µS "sehr starke Verschmutzung"<br />
Die Schichtleitfähigkeit lässt sich aus dem gemessenen Leitwert der Fremdschicht und der<br />
Isolatorgeometrie bestimmen. Es bestehen folgende Zusammenhänge: der Leitwert dG eines<br />
infinitesimal kurzen Zylinderelements der Länge dl und der Schichtdicke ds beträgt (s. Bild<br />
unten):<br />
2πr⋅κ⋅ds K<br />
dG<br />
= =<br />
dl d l/2πr Darstellung eines Isolators (oben) und Details zur Bestimmung des<br />
Leitwertes eines Fremdschichtbelages auf der Isolatoroberfläche<br />
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i
<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 9<br />
Damit ist der Leitwert G des gesamten Isolators mit der Kriechweglänge lk:<br />
G =<br />
lk<br />
∫<br />
0<br />
K<br />
dl<br />
2π<br />
r<br />
Das Integral im Nenner dieses Bruchs wird Formfaktor F genannt:<br />
lk<br />
dl<br />
F = ∫ 2π<br />
r<br />
0<br />
Die Schichtleitfähigkeit K ergibt sich also zu<br />
K = F·G<br />
Die durch leitende Fremdschichtbeläge bewirkte Verminderung der Überschlagspannung<br />
eines Isolators ist zum Teil erheblich. Nachfolgend sind typische Überschlagspannungen von<br />
Freileitungsisolatoren bei Wechselspannung, bezogen auf die Trockenüberschlagspannung,<br />
angegeben (die Steh-Blitzstoßspannung bleibt dagegen durch Regen oder Fremdschichten<br />
praktisch unbeeinflusst):<br />
ûü, Regen ≈ 0,7 ... 0,9 · ûü, trocken<br />
Uü, Fremdschicht ≈ 0,2 ... 0,3 ·<br />
uˆ<br />
ü, trocken<br />
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2<br />
Anmerkung: da für Fremdschichtüberschläge thermische Prozesse maßgeblich sind, ist es üblich, hierfür die<br />
Spannungen als Effektivwerte anzugeben.<br />
Ein Freileitungsisolator muss daher auf einen etwa fünfmal so langen Kriechweg ausgelegt<br />
werden, wie für die Beherrschung der Betriebsspannungsbeanspruchung im trockenen<br />
Zustand erforderlich wäre.<br />
<strong>10</strong>.2.2 Maßnahmen zur Verbesserung des Fremdschichtverhaltens<br />
Das Bild auf der nächsten Seite zeigt weitere wichtige Kenngrößen eines Isolators:<br />
Schlagweite bzw. Fadenmaß s, Schirmausladung p und Schirmteilung t. Die wichtigste<br />
Maßnahme zur Erhöhung der Fremdschichtfestigkeit eines Isolators ist die Verlängerung des<br />
Kriechweges durch Anbringen von Schirmen. Das Verhältnis von Kriechweglänge lk zur Isolatorlänge<br />
li wird durch das Verhältnis von Schirmausladung p zur Schirmteilung t bestimmt.<br />
Die Isolatorlänge li, und damit auch die Schlagweite s bzw. das Fadenmaß, ergeben sich aus<br />
der geforderten Stoßspannungsfestigkeit. Die Kriechweglänge errechnet sich aus dem geforderten<br />
spezifischen Kriechweg, der nach dem Technischen Bericht IEC 60815 ("Guide for<br />
the selection of insulators in respect of polluted conditions") abhängig von der zu erwartenden<br />
Fremdschichtbelastung Werte von
<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite <strong>10</strong><br />
31 mm/kV für "sehr schwere" Fremdschichtbelastung<br />
25 mm/kV für "schwere" Fremdschichtbelastung<br />
20 mm/kV für "mittlere" Fremdschichtbelastung<br />
16 mm/kV für "leichte" Fremdschichtbelastung<br />
betragen sollte (das entspricht einer Abnahme um jeweils 20 % von einer Stufe zur nächst<br />
niedrigeren). Der Bezugswert der Spannung ist dabei Um, also die höchste Spannung für ein<br />
Betriebsmittel (verkettete Spannung). In Extremfällen werden spezifische Kriechwege bis zu<br />
50 mm/kV vorgesehen.<br />
Kriechweg lk, Isolatorlänge li, Schlagweite bzw. Fadenmaß s,<br />
Schirmausladung p, und Schirmteilung t eines Isolators<br />
Die Schirme dienen nicht nur allein der Kriechwegverlängerung, sondern sollen gleichzeitig<br />
durch geeignete Formgebung dafür sorgen, dass bei Beregnung keine durchgängigen leitfähigen<br />
Fremdschichten entstehen können. Es wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche<br />
Schirmformen entwickelt, die jeweils spezifische Vorteile für bestimmte Beanspruchungsarten<br />
bieten. Die folgenden Abbildungen zeigen Beispiele für häufig verwendete Schirmprofile,<br />
die sich aber jeweils in Details von Hersteller zu Hersteller noch unterscheiden. Gemeinsam<br />
ist allen Schirmprofilen, dass die Schirme einen bestimmten Neigungswinkel aufweisen,<br />
damit das Wasser von der Oberfläche ablaufen kann. Meistens werden zu diesem<br />
Zweck auch Tropfkanten vorgesehen. Ziel bei der Auslegung eines optimalen Schirmprofils<br />
ist es, einerseits ausreichend großflächige geschützte Bereiche zu schaffen (Schirmunterseiten,<br />
Strunkbereich), zum anderen aber auch noch einen ausreichenden Selbstreinigungseffekt<br />
bei Beregnung sicher zu stellen. IEC 60815 gibt Empfehlungen für einige wichtige Kenngrößen<br />
des Schirmprofils (s. Bezeichnungen an den einzelnen Bildern, die hier aber nicht nä-<br />
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p
<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 11<br />
her erläutert werden sollen), bei deren Einhaltung ein ausreichend gutes Fremdschichtverhalten<br />
des Isolators zu erwarten ist.<br />
Typische Schirmprofile (aus IEC 60815; Erläuterungen zu den Kenngrößen s. dort).<br />
Von links nach rechts: Normalschirmprofil, Groß-Klein- oder Wechselschirmprofil,<br />
Unterrippenschirme (Nebelprofil), Kappenisolatoren<br />
An vielen Standorten kann ein dauernder sicherer Betrieb der Isolatoren trotz Berücksichtigung<br />
der o.g. Empfehlungen nicht erzielt werden. Extremes Beispiel dafür wäre ein Standort<br />
mit maritimen Wüstenklima bei gleichzeitiger Industrieverschmutzung. In solchen, aber auch<br />
bereits in weniger schweren Fällen ist eine regelmäßige Reinigung der Isolatoren erforderlich,<br />
die durch einen harten Wasserstrahl im spannungslosen Zustand, häufiger jedoch unter<br />
Spannung vorgenommen wird. Gelegentlich sind in Schaltanlagen Abspritzvorrichtungen,<br />
die einen dichten Wasservorhang erzeugen, auch fest installiert. Das folgende Bild zeigt dafür<br />
ein Beispiel (RWE-Schaltanlage in der Nähe eines Stahlwerks).<br />
Fest installierte Abspritzeinrichtung zur regelmäßigen automatisierten<br />
Isolatorreinigung (in diesem Fall: Ableitergehäuse) unter Spannung (RWE Net)<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 12<br />
Die regelmäßige Reinigung verursacht erhebliche Betriebskosten. Daher werden Isolatoren<br />
gelegentlich auch mit Silikonöl eingefettet (engl.: greasing) – auch das ist jedoch in zwar<br />
größeren, aber regelmäßigen Abständen zu wiederholen – oder sogar mit einer dauerhaften<br />
Silikon-Beschichtung (engl.: coating) versehen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist<br />
allerdings zum Teil zweifelhaft.<br />
Seit Anfang der 1970er Jahre werden – anfangs nur versuchsweise, heute vielerorts bereits<br />
in großem Maßstab – Kunststoffverbundisolatoren eingesetzt. Diese bestehen aus einem<br />
GFK-Kern mit an den Enden aufgekrimpten Metallarmaturen. Der Kern wird mit einer<br />
Kunststoffbeschirmung versehen. Als Materialien dafür kommen im<br />
Mittelspannungsbereich teilweise kostengünstiges EPDM (Ethylen-Propylen-Dien-<br />
Monomer), im Hochspannungsbereich praktisch ausschließlich das teurere Silikon (SIR)<br />
zum Einsatz. Silikon wird in unterschiedlichsten Ausführungen angeboten, die jeweils ganz<br />
spezifische Fertigungsverfahren bedingen und auch unterschiedliches Betriebsverhalten<br />
aufweisen. Das folgende Bild zeigt ein Ausführungsbeispiel eines Silikon-Langstabisolators.<br />
GFK-Kern<br />
Aufextrudierte Silikonhülle<br />
Aufgeschobene Silikonschirme<br />
Aufgekrimpte Metallarmatur<br />
Schnittzeichnung des unteren Endes eines Kunststoff-Verbundisolators (Werkbild Lapp Insulator)<br />
Die für die Verwendung an Hochspannungsisolatoren herausragende Eigenschaft von Silikon<br />
ist die Oberflächenhydrophobie. Auf die Oberfläche aufgebrachtes Wasser zieht sich zu<br />
einzelnen Tropfen zusammen, so dass die Bildung geschlossener Wasserfilme und leitfähiger<br />
Fremdschichtbeläge unterbunden wird. Besonders günstig ist dabei, dass sich das hydrophobe<br />
Verhalten auch auf Fremdschichtbeläge überträgt (Hydrophobietransfer). Damit ist eine<br />
Reinigung von Silikonisolatoren grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Die Hydrophobie<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 13<br />
kann zwar bei dauernder Befeuchtung kurzfristig abnehmen oder sogar ganz verloren gehen,<br />
während sich anschließender Trockenperioden kehrt sie jedoch wieder zurück (Hydrophobie-<br />
Dynamik). Trotzdem muss das Material für den hypothetischen Fall des völligen<br />
Hydrophobieverlustes kriechstromfest sein (engl.: tracking resistant). Leider hat man sich<br />
bis heute noch auf keine einheitlichen Prüfverfahren und -vorschriften zum Nachweis des<br />
Langzeitverhaltens einigen können, was mit einen Grund für die noch immer zögerliche<br />
Verbreitung dieser Isolatorenart darstellen dürfte.<br />
Ein Maß zur Beurteilung der Hydrophobie ist eine Einteilung in Hydrophobieklassen<br />
"WC 1" für maximale Hydrophobie bis "WC 7" für einen geschlossenen Wasserfilm, d.h.<br />
überhaupt keine Hydrophobie (IEC/TS 62073: "Guide to the measurement of wettability of<br />
insulator surfaces"). Dazu wird der Isolator aus einer Blumenspritze mit Leitungswasser<br />
eingesprüht und die Tropfenbildung auf der Isolatoroberfläche beurteilt. Hierbei hilft eine<br />
Tabelle mit einer verbalen Beschreibung sowie eine Bildtafel mit einer visuellen Darstellung<br />
der Wassertropfenausbildung, s. nächste Bilder. Für eine genauere Beurteilung der Hydrophobie<br />
eines Materials im Labor wird der Rückzugswinkel (engl.: receding angle) eines eine<br />
schräge Fläche herunterlaufenden Tropfens herangezogen. Dieser ist umso größer, je besser<br />
die Hydrophobie ist. Die Korrespondenz zwischen Rückzugswinkel und Hydrophobieklasse<br />
ist in der Tabelle ebenfalls mit aufgeführt.<br />
WC<br />
Tabelle zur Beschreibung der Hydrophobieklassen (links) und Definition der Tropfenwinkel (rechts)<br />
θa ... Vorrückwinkel (engl.: advancing angle); θr ... Rückzugswinkel (engl.: receding angle)<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 14<br />
WC 1 WC 2<br />
WC 3 WC 4<br />
WC 5 WC 6<br />
Bildtafel zur Beschreibung der Hydrophobieklassen<br />
<strong>10</strong>.2.3 Prüfungen mit künstlicher Fremdschicht<br />
Die Eignung eines Isolators für den Einsatz unter Verschmutzungsbedingungen muss<br />
durch Prüfungen mit künstlicher Fremdschicht nachgewiesen werden. Diese sind in der<br />
Vorschrift IEC 60507 (DIN EN 60507 bzw. VDE 0488 Teil 1) festgelegt. Grundsätzlich<br />
existieren zwei unterschiedliche Verfahren, das Salznebelverfahren (englisch: salt fog<br />
method) sowie Verfahren mit haftenden Fremdschichten (englisch: solid layer methods).<br />
Beim Salznebelverfahren wird der an Spannung liegende Isolator in einer Prüfkammer einem<br />
fein verteilten Salznebel mit definierter Salzmassenkonzentration zwischen 2,5 kg/m 3 und<br />
224 kg/m 3 ausgesetzt. Bei den Prüfverfahren mit haftenden Fremdschichten wird zunächst die<br />
Fremdschicht mit Schichtleitfähigkeiten zwischen 3 µS und 80 µS aufgebracht und getrocknet.<br />
Anschließend wird der Prüfling in eine Nebelkammer geschafft, in der die Fremdschicht<br />
durch Einwirkung von Nebel wieder befeuchtet wird. Die Spannung wird dabei je nach Prüfverfahren<br />
vor oder erst nach Beginn der Befeuchtung angelegt. Dem Isolator wird ein Stehverschmutzungsgrad<br />
zugeordnet, ausgedrückt in Salzmassenkonzentration (salinity) im<br />
Falle der Salznebelprüfung oder Schichtleitfähigkeit (layer conductivity) bzw. Salzablage-<br />
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<strong>10</strong> OBERFLÄCHENENTLADUNGEN Seite 15<br />
rungsdichte (salt deposit density, SDD; Definition s. IEC 60507) bei Prüfung mit haftender<br />
Fremdschicht.<br />
Für bestimmte Geräte, wie etwa Überspannungsableiter, stellt weniger die Überschlagfestigkeit<br />
als vielmehr die thermische Beanspruchung der Innenteile das eigentliche<br />
Problem bei Betrieb unter Verschmutzung dar, s. Bild unten. Für diesen Fall sind teilweise<br />
alternative Fremdschichtprüfungen vorgeschrieben, die eben diesen Aspekt berücksichtigen<br />
(z.B. in der Ableiter-Prüfvorschrift IEC 60099-4, Anhang F).<br />
Teilentladungen<br />
Teilentladungen<br />
im<br />
im<br />
Gehäuseinneren<br />
Gehäuseinneren<br />
⇒ ⇒<br />
Änderungen<br />
Änderungen<br />
der<br />
der<br />
Atmosphäre<br />
Atmosphäre<br />
⇒ ⇒<br />
Risiko<br />
Risiko<br />
der<br />
der<br />
Randschichtalterung<br />
Randschichtalterung<br />
der<br />
der<br />
MO-Widerstände<br />
MO-Widerstände<br />
Risiko<br />
Risiko<br />
partieller<br />
partieller<br />
Erhitzung<br />
Erhitzung<br />
der<br />
der<br />
Aktivteile<br />
Aktivteile<br />
einzelner<br />
einzelner<br />
Bauglieder<br />
Bauglieder<br />
<strong>Fachgebiet</strong> <strong>Hochspannungstechnik</strong> <strong>Hochspannungstechnik</strong><br />
Prof. Dr.-Ing. Volker Hinrichsen WS 09/<strong>10</strong> + SS <strong>10</strong><br />
Entladungen<br />
Entladungen<br />
auf<br />
auf<br />
der<br />
der<br />
Gehäuseoberfläche<br />
Gehäuseoberfläche<br />
⇒ ⇒<br />
Risiko<br />
Risiko<br />
partieller<br />
partieller<br />
Erhitzung<br />
Erhitzung<br />
der<br />
der<br />
MO-Widerstände<br />
MO-Widerstände<br />
Risiko<br />
Risiko<br />
von<br />
von<br />
Außenüberschlägen<br />
Außenüberschlägen<br />
Mögliche Gefährdungen eines mehrteiligen Hochspannungsableiters bei Betrieb unter Verschmutzung