Neurochirurgie in Deutschland von 1932 bis 1945 - Deutsche ...

Inhalt
Vorwort VII
Verzeichnis der Autoren XV
1 Neurochirurgie von den Anfängen bis zum späten
19. Jahrhundert
K.-A. Bashe †, H. Collmann 1
2 Neurochirurgie in Deutschland von 1880 bis 1932
H. Collmann, E. Halves, H. Arnold 25
3 Neurochirurgie in Deutschland von 1932 bis 1945
R. A. Frowein, H. Dietz, D. E. Rosenow, H. E. Vitzthum 79
4 Neurochirurgie in Deutschland von 1945 bis 1970
R. A. Frowein, H. Dietz, Kea Franz 97
5 Die internationale Reintegration der deutschen Neuro-
chirurgen nach dem 2. Weltkrieg
H. Arnold 121
6 Neurochirurgie in Deutschland von 1970 bis 2000
R. Lorenz, W. J. Bock, Th. Grumme, Kea Franz, D. E. Rosenow 131
7 Neurochirurgie in der ehemaligen DDR von 1950 bis 1990
H. E. Vitzthum 151
8 Fachzeitschriften
R. A. Frowein, W. J. Bock, H. Dietz, F. Loew 165
9 Ausgewählte Sachbeiträge zur wissenschaftlichen und
strukturellen Entwicklung der Neurochirurgie und der
Nachbardisziplinen
9.1 Geschichte der Neuroanästhesie
J.-P. Jantzen 171
9.2 Geschichte der Neuropathologie
J. Peiffer 173
9.3 Geschichte der Neuroradiologie
F. F. Zanella, Th. Grumme, H. Gräfin von Einsiedel 180
IX

X Inhalt
9.4 Geschichte der Strahlentherapie in der Neuroonkologie
R. Engenhart-Cabillic 191
9.5 Elektroenzephalographie
H.-E. Vitzthum 197
9.6 Intraoperative rahmenlose Neuronavigation
Ch. B. Lumenta, H. Gumprecht 199
9.7 Intraoperatives neurophysiologisches Monitoring
J. Zentner, U. Pechstein 203
9.8 Hirntod-Diagnose in Deutschland
R. A. Frowein, R. Firsching 207
9.9 Die Ultraschalldiagnostik in der Neurochirurgie
Th. Grumme 219
9.10 Das schwere Schädel-Hirn-Trauma - Monitoring und Therapie
A. Unterberg 222
9.11 Die Erforschung des Hirnödems durch deutsche Laboratorien -
ein historisches Fragment
A. Baethmann 225
9.12 Koma, Hirntrauma
R. Firsching 240
9.13 Neurochirurgische Intensivmedizin in Deutschland
E. Rickels 246
9.14 Geschichte der Mikroneurochirurgie
A. Brawanski 250
9.15 Stereotaxie
V. Sturm 254
9.16 Psychiatrische Chirurgie (sog. Psychochirurgie)
D. Müller 258
9.17 Entwicklung der pädiatrischen Neurochirurgie
H. Collmann 267
9.18 Neuroonkologie in der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
M. Westphal 272
9.19 Mittellinientumoren des Gehirns - ein geschichtlicher Rückblick
H. Bertalanffy 275
9.20 Historische Entwicklung der endoskopischen Neurochirurgie
H. W. S. Schroeder 279
9.21 Zur Geschichte der Schädelbasischirurgie
V. Seifert 285
9.22 Zur Entwicklung der transsphenoidalen Hypophysenchirurgie
im deutschsprachigen Raum
D. K. Lüdecke 288

Inhalt XI
9.23 Geschichte der Chirurgie der Vestibularisschwannome
(Akustikusneurinome)
C. Matthies, M. Samii 293
9.24 Geschichte der Fazialischirurgie
A. Sepehrnia, H. Arnold 305
9.25 Aneurysmatische Subarachnoidalblutung, Aneurysmen,
arteriovenöse Malformationen
C. Schaller, J. Schramm 309
9.26 Karotischirurgie in der Neurochirurgie
H. Wassmann 313
9.27 Spontane Hirnblutungen
R. Lorenz 317
9.28 Geschichte der Behandlung des Hydrozephalus
P. Herzog 324
9.29 Chirurgische Epilepsietherapie
J. Zentner 330
9.30 Zervikaler Bandscheibenprolaps, Osteochondrose und zervikale
Myelopathie - ein historischer Rückblick
Th. Grumme 334
9.31 Die Entwicklung der lumbalen Bandscheibenchirurgie in
Deutschland
M. Schirmer, D. Hermes 338
9.32 Konservative und perkutane Verfahren in der Behandlung
des lumbalen Bandscheibenvorfalles
R. Lorenz 342
9.33 Die lumbale Spinalkanalstenose - ein historischer Rückblick
Th. Grumme 346
9.34 Stabilisierung des kraniozervikalen Übergangs
A. Weidner, S. T. Chiu 349
9.35 Geschichte der spinalen Instrumentierung (ohne kraniozervikalen
Übergang)
G. Staimer 354
9.36 Syringomyelie
J. Klekamp 360
9.37 Neurochirurgische Therapie der Spastik
D. E. Rosenow 364
9.38 Geschichte der operativen Behandlung der Trigeminusneuralgie
D. E. Rosenow, W. Winkelmüller 369
9.39 Vagoglossopharyngeus-Neuralgie
D. E. Rosenow 382
9.40 Neurochirurgische Schmerztherapie - ein Rückblick
W. Winkelmüller 385

XII Inhalt
9.41 Historische Entwicklung der Chirurgie peripherer Nerven und
des Plexus brachialis
G. Penkert 390
9.42 Bedeutung von Recht und Ethik in der Deutschen Gesellschaft
für Neurochirurgie
H. Arnold 394
9.43 Strukturen der Neurochirurgie in Deutschland
R. Lorenz 402
9.44 AWMF und FomwF
R. Lorenz 408
9.45 Dokumentation, EDV und Informationssysteme in der
Neurochirurgie
W.-J. Steudel, W. J. Bock, F. Cortbus 410
9.46 Qualitätssicherung in der Neurochirurgie
W. J. Bock 416
9.47 Wirken der Kommission „Technische Standards und Normen“
der DGNC
H. Wassmann, H. Arnold 420
9.48 Entwicklung des Berufsverbandes der Deutschen Neurochirurgen
M. Schirmer 422
9.49 Neurochirurgie und Neurorehabilitation - ein Beitrag zur
Geschichte der neurochirurgischen Rehabilitation
K. von Wild 424
10 Namensglossar der Pioniere, Leiter und Förderer
neurochirurgischer Einrichtungen
R. A. Frowein, H. Dietz, Kea Franz 429
11 Genealogien der Kliniken
Th. Grumme
11.1 Neurochirurgische Kliniken/Abteilungen 471
11.2 Neurochirurgische Belegabteilungen/Belegärzte 544
11.3 Rehabilitations-Krankenhäuser 551
12 Genealogie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
12.1 Gründungsgeschichte und Vorstände 557
12.2 Satzung und Geschäftsordnung 559
12.3 Ehrungen 565
12.4 Stiftungen 574
12.4.1 Wilhelm-Tönnis-Stiftung 574
12.4.2 Stiftung Neurochirurgische Forschung 575
12.5 Tagungen, wissenschaftliche Aktivitäten 576
12.6 Neurochirurgische Akademie für Fort- und Weiterbildung 581

13 Mitgliederverzeichnis der Deutschen Gesellschaft für
Neurochirurgie (Stand 15.09.2000)
13.1 Ordentliche Mitglieder 585
13.2 Außerordentliche Mitglieder 613
13.3 Korrespondierende Mitglieder 621
13.4 Ehrenmitglieder 624
Personenverzeichnis 625
Inhalt XIII

1 Neurochirurgie
von den Anfängen bis zum späten
19. Jahrhundert
K.-A. Bushe †, H. Collmann
Die Neurochirurgie gehört zu den jüngsten Fächern der Medizin: Nur wenig mehr als hundert
Jahre ist es her, daß die ersten geplanten operativen Eingriffe am Zentralnervensystem
durchgeführt wurden. Denn erst im 19. Jahrhundert wurden die drei entscheidenden
Voraussetzungen für derartige Eingriffe geschaffen, nämlich Grundvorstellungen von der
funktionellen Anatomie des Nervensystems zu entwickeln, die Wundinfektion zu beherrschen
und den Operationsschmerz auszuschalten.
Dagegen lassen sich Vorläufer der Neurochirurgie über mehrere Jahrtausende
zurückverfolgen. Eine erste Ahnung von der langen Geschichte entstand gegen 1870, als
Schädel aus steinzeitlichen Fundstätten mit unzweifelhaft künstlich gesetzten
Trepanationsöffnungen auftauchten, und der Pariser Neurologe und Anthropologe Pierre Paul
Broca feststellte, daß einige dieser Schädel Knochenkallus aufwiesen, daß der Eingriff also
überlebt worden war (Broca 1876). Die Entdeckung löste leidenschaftliche Diskussionen über
Techniken und Beweggründe dieser Eingriffe aus. Waren es rituelle Eingriffe, magische
Handlungen oder Operationen mit therapeutischen Zielen? Funde in der Ukraine, in Armenien
und Peru, aber auch in Mitteldeutschland (Ullrich 1963) lassen vermuten, daß die Trepanation
durchaus der Behandlung von Schädelbrüchen, vielleicht sogar der Behandlung von
Anfallsleiden oder von Kopfschmerzen diente. Diese Erklärung wird durch Beobachtungen an
Völkern der Südsee gestützt, da man bei den dort gefundenen Schädeln ebenso wie bei den
peruanischen Funden feststellte, daß die Schädelnähte aufgesucht wurden und als fehlgedeutete
Frakturspuren Zielort der Operation waren. Berichte aus der Südsee wiesen zudem auf die
Behandlung von Schädelbrüchen nach Kampfverletzungen hin und zusätzlich auf die
Behandlung von Kopfschmerzen und Anfallsleiden. So ergibt sich die heutige Auffassung vom
Ziel prähistorischer Trepanationen zum Teil aus der Kenntnis außereuropäischen Fundmaterials.
Dabei hat es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um eigentliche neurochirurgische
Eingriffe, d. h. Operationen am Gehirn gehandelt. Vielmehr spricht alles dafür, daß der Eingriff
auf den Knochen beschränkt blieb.
Der operative Ablauf läßt sich am besten an den Schädeln aus Peru rekonstruieren, die alle
Stadien der Trepanation aufweisen. Eine der Methoden war der sogenannte
Überkreuzungsschnitt, der quadratisch, rechteckig oder dreieckig geführt wurde, bis nach
abschließender Glättung ein rundes oder ovales Trepanationsloch zurückblieb. Als Instrument
diente ein sogenannter Tumi (Abb. 1.1).
1

3 Neurochirurgie in Deutschland
von 1932 bis 1945
R. A. Frowein, H. Dietz, D. E. Rosenow, H. E. Vitzthum
Einleitung
Es wird hier über einen Zeitabschnitt der Neurochirurgie (im folgenden Text auch Abkürzung:
NCh) in Deutschland berichtet, der von keinem der heute aktiv tätigen Neurochirurgen noch
selbst miterlebt worden ist. Daher sind wir auf mündliche und nachprüfbare schriftliche Quellen
angewiesen, insbesondere auf die Erinnerungen von Hans Kuhlendahl 1970 [1], Wilhelm
Tönnis und Klaus-Joachim Zülch 1984 [2], Frau Herma Tönnis 1997 [3], Klaus-Joachim Zülch
1985 [4], Karl-August Bushe 1991 [5], Hermann Dietz 1998 [6], sowie auf Gedenkadressen und
Briefe von K. J. Zülch 1958 [7], 1982 [8], Hugo Spatz 1958 [9] und Joachim Gerlach 1982 [10].
Die Notwendigkeit und Schwierigkeit, diese historische Entwicklung noch nachzuzeichnen,
wurde deutlich an der von Frau Herma Tönnis nach dem Tode von Prof. Tönnis angeregten und
mit persönlichen Erinnerungen versehenen Dissertation von Ingeborg Geiger, Würzburg 1981,
über das Leben und Werk von Wilhelm Tönnis [11]. Siehe auch [114].
Im voraufgehenden Beitrag wurde eingehend dargestellt, daß vor 1932 in Deutschland in
mehreren Universitäts-Kliniken und Krankenhäusern Chirurgen und Neurologen ihre Patienten
mit Hirn-, Rückenmarks- oder Nerven-Tumoren, mit Hirnblutungen oder Hirnverletzungen
operiert haben. Sie erzielten teilweise bedeutende Erfolge und waren mit größeren
hervorragenden systematischen Veröffentlichungen oder speziellen Operationsmethoden
hervorgetreten, so Victor v. Bruns [12] (1812-1883) und sein Sohn und Nachfolger Paul von
Bruns [13] (1846-1916) in Tübingen, der Nervenarzt Ludwig Bruns [14] in Hannover,
besonders Ernst von Bergmann [15] und Fedor Krause [16] in Berlin, Erwin Payr in Leipzig,
Alexander Stieda in Halle, Nicolai Guleke in Jena, Wilhelm Löhr in Magdeburg und Otfrid
Foerster in Breslau. 1930 hatte Walter Lehmann, Frankfurt a. M., ein erstes deutsches
„Lehrbuch“ der Neurochirurgie herausgegeben. Der Wiener Chirurg Egon Ranzi betitelte seine
Antrittsvorlesung 1932 „Über Entwicklung und Fortschritt der Neurochirurgie“. Im Namens-
Glossar dieses Buches (Seite 429) sind diese und weitere Pioniere der Neurochirurgie skizziert,
aber keiner dieser frühen Operateure arbeitete speziell und ausschließlich neurochirurgisch.
Der Würzburger Ordinarius für Chirurgie Fritz König [17] beschrieb 1952 in seinen
Unveröffentlichten Erinnerungen „Die Einführung der neuzeitlichen Gehirnchirurgie in
Deutsche Anstalten“ pessimistisch mit den Worten: „Ein ...
79

6 Neurochirurgie in Deutschland
von 1970 bis 2000
R. Lorenz, W. J. Bock, Th. Grumme, Kea Franz,
D. E. Rosenow
Nach dem 2. Weltkrieg begann die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
1950 mit 7 Gründungsmitgliedern, es waren die Herren Wilhelm Tönnis/Bochum-Langendreer,
Traugott Riechert/Freiburg im Breisgau, Georg Friedrich Häussler/Hamburg, Peter
Röttgen/Bonn, Gerhard Okonek/Göttingen, Arist Stender/Berlin und Klaus-Joachim
Zülch/Bochum-Langendreer. Die Mitgliederzahl war 1970 nach stürmischer Entwicklung auf
insgesamt 131 ordentliche, 68 außerordentliche, 87 korrespondierende und 16 Ehrenmitglieder
angewachsen, d. h., die Zahl der Mitglieder hatte sich mit 273 Mitgliedern auf das 39fache
gesteigert. Nicht ganz so stürmisch ist die weitere Entwicklung bis zum heutigen Tage
verlaufen. Derzeit zählen wir 647 ordentliche, 208 außerordentliche, 71 korrespondierende und
15 Ehrenmitglieder, insgesamt 941 Mitglieder, d. h. die 3,4fache Zahl.
Demgegenüber ist aber die Entwicklung der Diagnostik und auch der Therapie in der
Neurochirurgie wesentlich rasanter gewesen.
So haben insbesondere die Verfeinerung der Angiographie durch transfemoral gesetzte
Katheter, die Einführung der Computertomographie und später der Kernspintomographie unsere
Vorstellungen von den Strukturen des Hirnes, der Wirbelsäule und des Rückenmarks sowie der
Nervenwurzeln und der peripheren Nerven wesentlich erweitert. Der verbreiterte Einsatz
elektrodiagnostischer Verfahren, wie des Elektroenzephalogramms (EEG), des Brainmappings
und der Magnetenzephalographie, der Elektronystagmographie (ENG), die Einführung
akustisch-evozierter Potentiale (AEP), sensibel-evozierter Potentiale (SEP), visuell-evozierter
Potentiale (VEP) und motorisch-evozierter Potentiale (MEP) und Tiefenableitungen aus dem
Hirn haben die Kenntnis der Funktionsweise von Hirn und Nerven wesentlich gefördert.
Messungen des Hirndrucks (ICP = Intracranial Pressure), der Hirndurchblutung (CBF =
Cerebral blood flow) und des Hirnstoffwechsels sind heute Routine geworden.
Auf therapeutischem Gebiet sind es die Fortentwicklung des Operationsmikroskops, die
Einführung der Neuronavigation, die Verbesserungen der Chemotherapie, die Entwicklung
endoskopischer Verfahren zunächst mit rigiden, später flexiblen Sonden, die intraoperative
Computer- oder Kernspintomographie, die intraoperative Sonographie bei tiefliegenden
Prozessen, die Verbesserung mechanischer Hilfen (Schrauben und Platten/Stangen) für die
Einheilungsphase von Implantaten, die Verbesserung von Ventilen zur
Hydrozephalusbehandlung, die Entwicklung der interventionellen Verfahren in der
Neuroradiologie...
131

4 Geschichte der Strahlentherapie
in der Neuroonkologie
R. Engenhart Cabillic
Die Literatur über die Wirksamkeit ionisierender Strahlen bei Hirntumoren ist umfangreich. Die
ersten kasuistischen Beiträge reichen in das Jahr 1909 zurück, als Béclère über die
Röntgenbehandlung der Hypophysengeschwülste, des Gigantismus und der Akromegalie
berichtet. Weitere Mitteilungen stammen von Balli, 1915; Nordentoft, 1919; Pancoast 1922 und
Towne 1925. 1930 erscheint die erste deutschsprachige Monographie von Marburg und
Sgalitzer mit dem Titel „Die Röntgenbehandlung der Nervenkrankheiten“. Sie vertraten noch
die Hypothese, daß die im Anschluß an eine Strahlenbehandlung von Hirntumoren feststellbaren
subjektiven Besserungen nur auf einer Funktionshemmung des Plexus chorioideus und auf einer
Reaktion des strahlenempfindlichen Gefäßapparates, somit also allein auf der Verminderung der
Liquorproduktion und der Herabsetzung des Hirndrucks beruhe. Daher wurden niedrige
Gesamtdosen von 1500—2500 R stark fraktioniert auf den Plexus chorioideus verabreicht. In
den folgenden Jahren erfolgten mehrere Kasuistiken und Fallbeschreibungen, welche von Löhr
und Vieten im „Handbuch der Neurochirurgie“ 1962 zusammengefaßt wurden. Die später
publizierten autoptischen Untersuchungen von mit hohen Dosen bestrahlten Hirngeschwülsten
haben die Ansicht widerlegt, daß mit geringen Dosen auf den Plexus chorioideus die
Möglichkeit der Strahlenbehandlung erschöpft ist. Eine Klärung der Leistung der Radiotherapie
bei Hirntumoren erfolgte erst durch systematische Analysen eines großen Krankenguts in den
60er und 70er Jahren. Sie wurden in einer weiteren deutschsprachigen Monographie von
Psenner und Wachtler 1960 am Ende der Orthovolt-Ära zusammengestellt. Ab diesem
Zeitpunkt sah man die Hauptwirkung der Strahlen in der direkten Zerstörung der Tumorzellen,
der Wirkung auf die Liquorproduktion wurde nur noch eine geringe Bedeutung beigemessen.
Aufgrund der geringen Radiosensibilität der meisten Hirngeschwülste vertrat man bereits in
den 50er Jahren die Ansicht, daß Herddosen von mindestens 5.000 r stark fraktioniert über 3-4
Felder zu erfolgen haben. Die Begrenzung lag in der bereits bekannten Toleranz des gesunden
umgebenden Hirnparenchyms, so daß große Anstrengungen bezüglich einer sicheren
Dosisapplikation, wie der klassischen Tiefentherapie und Bewegungsbestrahlung, unternommen
wurden (Du Mesnil de Rochemont, 1958). Diese Gedankengänge der Dosiskonzentration in
Form der Kreuzsteuer- oder Bewegungsbestrahlung stammen aus der Frühzeit der
Strahlentherapie und gehen auf Anregungen von Werner (1906) zurück.
191

9.25 Aneurysmatische Subarachnoidal-
blutung, Aneurysmen,
arteriovenöse Malformationen
C. Schaller, J. Schramm
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung (SAB), Aneurysmen
Die SAB als Ursache plötzlicher Kopfschmerzen mit häufiger Todesfolge ist bereits seit
Jahrhunderten bekannt. Erst durch die von Quincke 1891 in Deutschland entwickelte
Lumbalpunktion gelang die Diagnose auch beim Lebenden. Über den Zusammenhang von
Aneurysmen mit SAB in 75 Fällen berichtet von Hofmann 1894 in der Wiener Klinischen
Wochenschrift. In der Zeit vor Einführung der zerebralen Angiographie durch Moniz 1927
trafen Chirurgen bei Operationen in der Nähe der Sella gelegentlich auf
Hirnarterienaneurysmen, die irrtümlicherweise ursprünglich für Tumoren gehalten wurden.
Cushing stopfte Aneurysmen mit Muskel aus (1926), Dott präsentierte 1933 acht Patienten mit
SAB, angiographisch gesichertem Aneurysmanachweis und anschließender Operation durch
Muskelumlagerung. Somit begann die Ära der neurochirurgischen Behandlung dieses
Krankheitsbildes. Es folgten zunächst weitere Einzelfallberichte von Aneurysmaoperationen
mittels Muskelumlegung, die im Zentralblatt für Neurochirurgie oder in Langenbecks Archiv
publiziert wurden (Tönnis 1936, 1937 und 1940, McConnell 1937). Tönnis war auch der
Erstbeschreiber der Operation eines A.-communicans-anterior-Aneurysmas über einen
interhemisphärischen Zugang. Riechert, damals noch in Frankfurt tätig, beschrieb 1939 zwei
Patientinnen, von denen er eine, die ein Aneurysma der A. carotis interna hatte, mit einer
Fascia-lata-Plastik zur Einengung der A. carotis communis behandelte. Aus dieser Zeit stammt
auch die angiographische Einteilung der Hirnbasisarterien in ihre heute noch gültigen
Abschnitte A1-A5 für die A. cerebri anterior und M1-M5 für die A. cerebri media durch Fischer
aus Münster (1938). Krayenbühl berichtete 1941 bereits über 31 Patienten, die vorwiegend
mittels Carotisligatur behandelt wurden. Dandy beschrieb 108 behandelte Aneurysmapatienten
und führte die Aneurysmaausschaltung mittels Silberclip ein (1944). In der Folgezeit sahen sich
die Neurochirurgen immer wieder mit der Frage nach dem optimalen Operationszeitpunkt
konfrontiert. Klinische Untersuchungen zum Spontanverlauf an größeren Patientenzahlen
zeigten, daß ein hoher Prozentsatz der Betroffenen (20-90 %) an Rezidivblutungen noch in den
ersten Wochen nach der Erstblutung verstarb. Die frühzeitige Operation nach SAB war jedoch
bis zu ihrer Wiedereinführung in den 70er Jahren aufgrund der hohen assoziierten Mortalität
gefürchtet und setzte sich nicht durch. Die operativen Ergebnisse nach Abwarten der kritischen
ersten Wochen waren deutlich besser, wenngleich man auf diese Weise viele Patienten durch
Nachblutungen verlor. ...
309

Fedor-Krause-Medaille und -Gedächtnisvortesung,
Otfrid-Foerster-Medaille und -Gedächtnisvorlesung,
Wilhelm-Tönnis-Medaille und -Gedächtnisvorlesung
Fedor-Krause- und Otfrid-Foerster-MEDAILLE UND -GEDÄCHTNISVORLESUNG
12.3 Ehrungen 567
Die Fedor-Krause-Medaille und -Gedächtnisvorlesung und die Otfrid-Foerster-Medaille und
-Gedächtnisvorlesung wurden am 26. August 1953 auf der Mitgliederversammlung in München gestiftet.
Die Wilhelm-Tönnis-Medaille und -Gedächtnisvorlesung wurde am 8. Mai 1988 auf der
Mitgliederversammlung in Köln gestiftet.
Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26.08.1953 in München:
1. Die Gedächtnisvorlesungen für Fedor Krause und Otfrid Foerster sind die höchste Ehrung der
Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie. Sie sollten mit der Verleihung der Fedor-Krause- und
Otfrid-Foerster-Medaille und einer Urkunde verbunden werden.
2. a) Mit der Fedor-Krause-Medaille und -Gedächtnisvorlesung sollen Neurochirurgen und Vertreter
verwandter Gebiete ausgezeichnet werden, die in ihrem Gesamtschaffen überragende Beiträge zur
Neurochirurgie auf operativem wie auch auf diagnostischem Gebiet geleistet haben.
b) Mit der Otfrid-Foerster-Medaille und -Gedächtnisvorlesung sollen Neurochirurgen und Vertreter
verwandter Gebiete ausgezeichnet werden, die in ihrem Gesamtschaffen überragende Beiträge zur
Neurochirurgie auf vorwiegend neurologisch-neurophysiologischem Gebiet geleistet haben.
3. Die Verleihung soll alternierend in 4jährigem Wechsel auf der Jahrestagung der Gesellschaft erfolgen.
4. Über die Verleihung beschließt auf Vorschlag des Vorstandes die Mitgliederversammlung.
Einstimmige Annahme ist zur Genehmigung erforderlich.
Begründung:
Wir dürfen berechtigte Hoffnung haben, daß sich in absehbarer Zeit die einzelnen neurochirurgischen
Gesellschaften Europas zu einer Europäischen Gesellschaft zusammenfinden werden und daß der in zwei
Jahren in Lissabon stattfindende Internationale Neurologenkongreß die Gelegenheit geben wird,
gemeinsam mit den nord- und süd-amerikanischen Gesellschaften eine Internationale Neurochirurgische
Gesellschaft zu erzielen. Diese bisher nur durch die äußeren Verhältnisse zurückgehaltene Entwicklung
lenkt unseren Blick verständlicherweise auf die eigenen Verhältnisse und läßt uns fragen: Was hat die
deutsche Neurochirurgie zur allgemeinen Entwicklung der Neurochirurgie beigetragen? Gewiß steht für
uns alle am Anfang der modernen Neurochirurgie die Persönlichkeit Harvey Cushings, dessen
systematischer Lebensarbeit wir die methodische Entwicklung sowohl wie grundlegende Erkenntnisse in
der operativen Behandlung der Hirngeschwülste verdanken. Die überragende Bedeutung Harvey
Cushings wird aber in keiner Weise geschmälert, wenn wir feststellen. daß vor und neben ihm andere
Pioniere Wesentliches für die Entwicklung unseres Fachgebietes geleistet haben, wofür wir auch ihnen
Dank schulden. Deshalb sollten die Namen von drei deutschen Ärzten in der Erinnerung jedes deutschen
Neurochimrgen festgehalten werden: Ernst v. Bergmann, Fedor Krause und Otfrid Eoerster.
Welchen Eindruck damals die Bücher Ernst v. Bergmanns »Über die Hirnerkrankungen« und »Über die
Rückenmarksverletzungen« im In- und Ausland gemacht haben, wissen wir aus Biographien und Briefen
damaliger Kollegen.
Aber der internationale Bahnbrecher auf dem Gebiet der Neurochirurgie war Fedor Krause. Er legte als
erster transfrontal intradural die Chiasmagegend frei, um ein Projektil glücklich zu entfernen. Er konnte
zusammen mit Oppenheim den ersten Fall eines glücklich entfernten Vierhügeltumors in der Biol. Med.
Gesellschaft vorstellen. Der Zugang zum Brückenwinkel ist gleichfalls sein Werk. Bewundern und
verehren wir in Fedor Krause den bahnbrechenden Operateur, so steht Otfrid Foerster vor uns als der
geniale Ausdeuter seiner operativen Erfahrungen für die Neuropathologie und –physiologie. ...