Neurochirurgie in Deutschland von 1932 bis 1945 - Deutsche ...
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4 Geschichte der Strahlentherapie<br />
<strong>in</strong> der Neuroonkologie<br />
R. Engenhart Cabillic<br />
Die Literatur über die Wirksamkeit ionisierender Strahlen bei Hirntumoren ist umfangreich. Die<br />
ersten kasuistischen Beiträge reichen <strong>in</strong> das Jahr 1909 zurück, als Béclère über die<br />
Röntgenbehandlung der Hypophysengeschwülste, des Gigantismus und der Akromegalie<br />
berichtet. Weitere Mitteilungen stammen <strong>von</strong> Balli, 1915; Nordentoft, 1919; Pancoast 1922 und<br />
Towne 1925. 1930 ersche<strong>in</strong>t die erste deutschsprachige Monographie <strong>von</strong> Marburg und<br />
Sgalitzer mit dem Titel „Die Röntgenbehandlung der Nervenkrankheiten“. Sie vertraten noch<br />
die Hypothese, daß die im Anschluß an e<strong>in</strong>e Strahlenbehandlung <strong>von</strong> Hirntumoren feststellbaren<br />
subjektiven Besserungen nur auf e<strong>in</strong>er Funktionshemmung des Plexus chorioideus und auf e<strong>in</strong>er<br />
Reaktion des strahlenempf<strong>in</strong>dlichen Gefäßapparates, somit also alle<strong>in</strong> auf der Verm<strong>in</strong>derung der<br />
Liquorproduktion und der Herabsetzung des Hirndrucks beruhe. Daher wurden niedrige<br />
Gesamtdosen <strong>von</strong> 1500—2500 R stark fraktioniert auf den Plexus chorioideus verabreicht. In<br />
den folgenden Jahren erfolgten mehrere Kasuistiken und Fallbeschreibungen, welche <strong>von</strong> Löhr<br />
und Vieten im „Handbuch der <strong>Neurochirurgie</strong>“ 1962 zusammengefaßt wurden. Die später<br />
publizierten autoptischen Untersuchungen <strong>von</strong> mit hohen Dosen bestrahlten Hirngeschwülsten<br />
haben die Ansicht widerlegt, daß mit ger<strong>in</strong>gen Dosen auf den Plexus chorioideus die<br />
Möglichkeit der Strahlenbehandlung erschöpft ist. E<strong>in</strong>e Klärung der Leistung der Radiotherapie<br />
bei Hirntumoren erfolgte erst durch systematische Analysen e<strong>in</strong>es großen Krankenguts <strong>in</strong> den<br />
60er und 70er Jahren. Sie wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiteren deutschsprachigen Monographie <strong>von</strong><br />
Psenner und Wachtler 1960 am Ende der Orthovolt-Ära zusammengestellt. Ab diesem<br />
Zeitpunkt sah man die Hauptwirkung der Strahlen <strong>in</strong> der direkten Zerstörung der Tumorzellen,<br />
der Wirkung auf die Liquorproduktion wurde nur noch e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Bedeutung beigemessen.<br />
Aufgrund der ger<strong>in</strong>gen Radiosensibilität der meisten Hirngeschwülste vertrat man bereits <strong>in</strong><br />
den 50er Jahren die Ansicht, daß Herddosen <strong>von</strong> m<strong>in</strong>destens 5.000 r stark fraktioniert über 3-4<br />
Felder zu erfolgen haben. Die Begrenzung lag <strong>in</strong> der bereits bekannten Toleranz des gesunden<br />
umgebenden Hirnparenchyms, so daß große Anstrengungen bezüglich e<strong>in</strong>er sicheren<br />
Dosisapplikation, wie der klassischen Tiefentherapie und Bewegungsbestrahlung, unternommen<br />
wurden (Du Mesnil de Rochemont, 1958). Diese Gedankengänge der Dosiskonzentration <strong>in</strong><br />
Form der Kreuzsteuer- oder Bewegungsbestrahlung stammen aus der Frühzeit der<br />
Strahlentherapie und gehen auf Anregungen <strong>von</strong> Werner (1906) zurück.<br />
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