Die gesamte Ausgabe 2/2010 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...
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Begegnung der Kulturen<br />
Deutsche Spanierin<br />
oder spanische Deutsche?<br />
Für Helga Garcia Hoffmann –<br />
dam<strong>als</strong>, im Jahr 1962, noch die<br />
junge Helga Feil – war es ihr<br />
erster Flug. Und sie meint sich zu<br />
erinnern, dass die Stewardess an Bord<br />
der Maschine nach Madrid die spätere<br />
Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen<br />
war. Auslandsaufenthalte in London<br />
und Paris lagen da bereits hinter<br />
der 23-Jährigen. Nun galt ihr Interesse<br />
Spanien, vor allem der Sprache, auf<br />
deren Erlernen sie sich mit aller ihr<br />
eigenen Energie stürzte und „ein halbes<br />
Jahr lang intensiv büffelte“. Zudem<br />
hatte sie schon kurz nach ihrer Ankunft<br />
im Pyrenäenland ihren zukünftigen<br />
Mann, einen Dolmetscher, kennen gelernt.<br />
Der musste bald darauf zum Militär,<br />
und sie stieg in seinen Job ein.<br />
Spanien lieben gelernt<br />
Drei Jahre lang arbeitete die junge<br />
Deutsche in Madrid in der Auslandsabteilung<br />
der Nürnberger Agentur für<br />
Arbeit mit der Aufgabe, arbeits- und ausreisewillige<br />
Spanierinnen und Spanier<br />
nach Deutschland zu vermitteln. Eine<br />
Zeit, während der ihr Land und Leute so<br />
nahe kamen, dass ihr noch heute, viele<br />
Jahre nach ihrer eigenen Rückkehr in<br />
die Heimat, Spanien und spanische<br />
Lebensweise lieb und vertraut sind.<br />
<strong>Die</strong> Eindrücke von ihrer damaligen<br />
Arbeit schildert sie mit spürbarer Anteilnahme.<br />
Sehr arm waren die Menschen<br />
in den Provinzen, in die sie <strong>als</strong><br />
Übersetzerin in kleinen Gruppen mit<br />
36 SZ 2/<strong>2010</strong><br />
Helga Garcia Hoffmann<br />
Amtsarzt und Arbeitsvermittler reiste.<br />
Und alle hofften, in der Fremde ein besseres<br />
Leben zu finden. Für ein Jahr nur<br />
wollten die meisten im Ausland arbeiten,<br />
und oft wurde daraus dann ein<br />
ganzes Leben.<br />
Jung – blond – weiblich<br />
Schwierig gestalteten sich manchmal<br />
die Verhandlungen „vor Ort“. Zuvor<br />
waren die potenziellen Migranten von<br />
den spanischen Behörden ausgewählt<br />
und ärztlich untersucht worden. <strong>Die</strong><br />
deutschen Arbeitsvermittler hatten<br />
ihnen dann ihre künftigen Tätigkeiten<br />
und Bedingungen am neuen Wohnort zu<br />
erklären. „Oft hatte ich das Gefühl, sie<br />
wussten gar nicht, was alles auf sie zu<br />
kam“, sagt Helga Garcia Hoffmann.<br />
Zumal bei den meisten von ihnen die<br />
Kenntnisse im Lesen und Schreiben<br />
eher dürftig waren.<br />
„Ich glaube, ich bin den Leuten, die<br />
überwiegend aus den Bergen und aus<br />
der Landwirtschaft kamen und kaum jem<strong>als</strong><br />
schon einen Touristen gesehen<br />
hatten, ziemlich fremdartig vorgekom-<br />
Madrid in den 60er Jahren Fotos (2): privat<br />
men“, meint Helga Garcia Hoffmann,<br />
„blond, mit weißer Haut und Sommersprossen<br />
und zudem auch noch weiblich“.<br />
Immerhin konnte sie mit ihnen in<br />
ihrem inzwischen perfekten Spanisch<br />
reden, und Sprache bildet bekanntlich<br />
zunächst die beste Brücke zwischen<br />
Menschen.<br />
Langweilige Franco-Reden<br />
Gern hat sie ihre Arbeit getan, nur die<br />
von ihr geforderten Übersetzungen der<br />
ewig langen Ansprachen des dam<strong>als</strong> noch<br />
herrschenden Diktators Franco waren<br />
„entsetzlich langweilig, weil er mit vielen<br />
Worten sehr wenig sagte“.<br />
So zwischen 10.000 und 12.000 Migranten<br />
dürften es gewesen sein, die sie<br />
während ihrer Tätigkeit nach Deutschland<br />
vermittelt hat. Ihre Beobachtung:<br />
<strong>Die</strong> Menschen integrieren sich zwar in<br />
die neue Heimat, sie fallen nicht auf, aber<br />
„sie bleiben Spanier, mit ihrer Religion,<br />
ihren Essensgewohnheiten, ihrer Kindererziehung,<br />
zumindest in der ersten<br />
und zweiten Generation“.<br />
In zwei Kulturen leben<br />
1967 heiratete Helga Feil einen Spanier<br />
mit deutschem Großvater – daher<br />
der Doppelname – und zog mit ihm nach<br />
Frankfurt, wo beide bessere berufliche<br />
Chancen fanden. „Aber es hat mindestens<br />
ein Jahr gedauert, bis ich mich<br />
hier wieder eingelebt hatte.“ Eigentlich<br />
wollten sie im Rentenalter ja auch wieder<br />
zurück nach Spanien. Aber da geht<br />
es ihnen wie so vielen, auf den Kontakt<br />
zu den Kindern und Enkeln möchte man<br />
nicht verzichten. Den Kontakt zur Wahlheimat<br />
hat sie aber keineswegs verloren.<br />
„Es ist toll, in zwei Kulturen zu<br />
leben“, schwärmt sie. Natürlich sind die<br />
Kinder zweisprachig aufgewachsen,<br />
und nach wie vor fühlt sie sich in der<br />
spanischen Literatur heimisch.<br />
Durch ihre Mitgliedschaft im „International<br />
Choir Frankfurt“ kommt<br />
Helga Garcia Hoffmann auch weiterhin<br />
mit Migrantinnen und Migranten zusammen.<br />
Und wenn der Chor bei den Einbürgerungsfeiern<br />
im Römer den musikalischen<br />
Rahmen bildet, „schaue ich in<br />
die Gesichter der Menschen, die in der<br />
Fremde eine Heimat gesucht und wohl<br />
auch gefunden haben. So schließt sich<br />
für mich ein Kreislauf“. Lore Kämper